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ANNALEN
DER
PHYSIK und CHEMIE.
BAND CX.
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VIERTE REIHE.
HERAUSGEGEBEN ZU BERLIN
VON
J. C. POGGENDORFF.
ZWANZIGSTER BAND.
HEBST DREI KUPFKRTAFELN UND FÜNF STEINDHUCKTAFBLK.
LEIPZIG, 1860.
VERLAG von JOHANN AMBROSIÜS BARTH.
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THE NEW YORK
P1BLIC LIBRARY
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des Bandes CX der Aimalen der Physik und Chemie.
Erstes Stück.
Sehe
I. Vorschlag eines reproducirbaren VViderstandsmaafses; von W.
Siemens I
II. Ueber Legirungen; von A. Mathiefsen 21
HI. Ueber eine neoe Art elektrischer Strome; von G. Quincke 38
IV. Zur Theorie des Sehens; von F. v. Recklinghaosen ... 65
V. Kryslallographische Beilrage; von G. vom Rath 93
VI. Chemisch -anal frische Beitrage; von 11. Rose 120
Ueber die Bestimmung der Mengen von Metall in Schwefel-
verbindungen S. 120.
VII. Mittheilongen aus dem Laboratorium von R. Schneider . 142
IV. Ueber das Quecksilberfluorftr; von R. Finkener S. 142.
— V. Ueber Wismuth- und Antimon -Jodosulfaret; von
R. Schneider S. 147. — Berichtigung «ir Not» von P.
Schellbach S. 152.
VI
Seil«
Vi II. Ueber ein einfache« Verfahren, mit Anwendung von Eisensal-
ien unmittelbar kräftige positive Photographien tu erzeugen; von
F. Zöllner 153
(Qe$cklo$$en am 2. Juni 1860.)
Zweites Stock.
I. Chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen ; von G. Kirch-
hoff und R. Bunsen 161
II. Ucber die elektrische Leitungstätigkeit der Legirungen; von A.
Matthiefsen 19t
II f. Ueber die elektrische Leitungsfähigkeit des reinen Kupfers und
deren Verminderung durch Metalloide und Metalle; von Mat-
thiefsen und HolzroiDD 228
IV. Zur Theorie der Strömungen des Meeres nnd der Atmosphäre;
von B. Ohlert 234
V. Das Dtchrooskop; von H. W. Dove 288
VI. Ueber die Absorption des Lichts in doppelt -brechenden Körpern; . i»
von Demselben 276
VII. Optische Notixen; von Demselben 281
VIII. Eine Bemerkung über die Flüssigkeiten, welche die Polarisa- i/
tionsebene des Lichtet drehen; von Demselben . . . • • 286
IX. Chemisch -analytische Beitrage; von H. Rose
X. Ueber die Ringbildong der Flüssigkeiten; von E. Reusch • •
XL Verallgemeinerung des Begriffes Pendel; von H. Emsmaon 316
XI L Ueber den Braunstein von Olpe; von K. Lifst 921
XIII. Ueber ein ans braunsteuihaltigen Erzen erblasenes Roheisen;
von Demselben 328
VII
Seile
XIV. Lieber den Einflufs de« Nordlichts auf den elektrischen Zustand
der Atmosphäre; von F. Dellmann 332
XV. Ueber ein Elektrometeor; von J. Schneider 335
(Geschlttit* am 16. Juni 1860.)
Drittes Stück.
I. Ueber Membrandiflusion; von W. Schumacher ..... 337
II. Beiträge zur Theorie der Dampfe; von G. Zcnner • . . . 371
III. Ueber die Temperatur der Dampfe, welche aus siedenden Salz-
lösungen aufsteigen; von A. Wfillner 387
IV. Das magnetische Verhalten der verschiedenen Glimmer und seine
Beziehung tum optischen Verhalten derselben; von Plucker • 397
V« Chemisch analytische Beiträge; von H. Rose 411
VI. Beschreibung eines neuen Optometers und Ophthalmodiastometcrs;
von G. Landsberg . 435
VII. Ueber die Bestimmung des galvanischen Leitungswiderstaodes
von H. W. Schröder van der Kolk 452
VIII. Ueber die Maxima des gebeugten Lichts und Functionen der
sinx
Form ; von E. Bacaloglo 477
IX. Ueber Stereoskopie; von H. W. Dove 494
X. Ueber die Nicht- Identität der Grobe der durch Prägen und Gnfs
in derselben Form von verschiedenen Metallen* erhaltenen Me-
daillen; von H. W. Dove 498
XL Ueber eine neue Art von Pseudoskopie und ihre Beziehungen
au den von Plateau und Oppel beschriebenen Bewegungs- Er-
scheinungen; von F. Zöllner 500
XII. Geifsler's nachleuchtende Röhren; von P. Riefs . . . . 523
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Nachweis zu den Kupfertafeln.
Ta£I. — Siemens, Fig.l, 8. 3; Fig.2, S.6; Fig. 3, S. 9; Fig. 4, S.15;
— Ohlert, Fig. 5, S. 236; Fig. 6 o. 7, S. 242. — Keusch, Fig 8,
S. 309; Fig. 9, S. 310; Fig. 10, S. 313. — Schuhmacher, Fig. 11,
S. 341; Fig 12, S. 349.
Taf. II. — v. Recklinghausen, Fig. 1, S. 70; Fig. 2, S. 72; Fig. 3,
S. 74; Fig. 4, S. 75; Fig. 5, S. 78; Fig. 6, S. 80; Fig. 7, S. 81; Fig. 8
u. 9, S. 91. — Schröder van der Kolk. Fig. 10, S. 456; Fig. II,
S.457; Fig. 12, S.459; Fig. 13, S.462. — Emsmann, Fig. 14, S.318
Taf. III. — G. vom Rath, Fig. 1, S. 96 u. 98; Fig. 2, S. 98; Fig. 3, 4,
5 u. 6, S. 99; Fig. 7 u. 8, S. 100; Fig. 9, 10 u. 11, S. 101; Fig. 12,
13 u. 14, S. 107; Fig. 15, 16 u. 17, S. 109; Fig. 18 u. 19, S. 112;
Fig. 20, 21 u. 22, S. 114; Fig. 23, S. 115, Fig. 24 bis 28, S. 116.
Taf. IV. — (Di'eOctavtafel, die irrthömlich als Taf. 111 bezeichnet ist). —
Dove, Fig. 1. S. 265; Fig. 2 bis 5, S. 270.
Taf. V. ^.Qumen n. Kirchhoff. — S. 161.
Taf. VI. Bunsen u. Kirchhoff, Fig. 1, S. 162. — Matthiefsen
u. Holzmann, Fig. 2. u. 3, S. 225. — Landsberg, Fig. 4 u. 5,
S. 441; Fig. 6 u. 7, S. 451. — Matthiefsen, Fig. 8, S. 194.
Taf. VII. — Matthiefsen, Fig. 1, 2 u. 3, S. 193. — Knorr, Fig. 4,
kommt im nächsten Hefte vor. — Nordenskjöld, Fig. 5 bis 8 kom-
men im nächsten Hefte vor.
Taf. VIII. — Bacaloglo, Fig. 1, S. 484; Fig. 2 o. 3, S. 489. — Zöll-
ner, Fig. 4, S. 501. — August, Fig. 5, S. 590; Fig. 6, S. 591. —
Nordenskjöld, Fig. 7, S. 643; Fig. 8, S. 646. — Dahlander,
Fig. 10, S. 648; Fig. 11, S. 649.
Berichtigungen.
Zum Aufsatz von Matthiefsen in diesem Bande.
S. 204 Z. 18 v. o. statt: Atomvolumina lies: Volumina
S. 221 Tafel V. statt: Pb und 0,10 Pd lies: Pb und 10 Proc. Pd
statt: Sn und 0,10 Pd lies: Sn und 10 Proc. Pd
statt: Pb und 0,10 Pt lies: Sb und 10 Proc. Pt
statt: Sn und 0,10 Pt lies: Sn und 10 Proc. Pt
statt: Sn und 0,25 Fe lies: Sn und 25 Proc. Fe
statt: So und 0,10 AI lies: Sn und 10 Proc. AI
S. 232 Z. 19 v. o. statt: Wasserstoffgas lies: Kohlensaoregas
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1860. A N N A L E N JTo. 5.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
BAND CX.
I. Vorschlag eines reproducirbaren Widerstands-
maafses; von Werner Siemens.
JLrer Mangel eines allgemein angenommenen Widerstands-
maafses und die daraus namentlich für die technische Phy-
sik entspringenden wesentlichen Uebelstände, veranlassten
mich schon vor einigen. Jahren zur Anstellung der nachfol-
gend beschriebenen Versuche.
Meine ursprüngliche Absicht war dem Jacoii' sehen
Widerstandsmaafse allgemeineren Eingang in dlüT Technik
zu verschaffen. Ich fand jedoch bald, dafs dieses nicht
ohne Nachtheil ausführbar war. Einmal djfferirten mehrere
Jacobi'sche Widerstands -Etalons, die ich mir verschaffte,
so wesentlich von einander und waren in so geringer Ue-
bercinstimmung mit den über ihren Widerstand gemachten
Angaben, dafs ich nothwendig auf das Jacobi'sche Nor-
malmaafs hätte zurückgehen müssen, was mir jedoch nicht
zu Gebote stand. Aber auch abgesehen hiervon über-
zeugte ich mich, dafs ein Widerstandsmaafs nur dann zur
allgemeinen Annahme sich eignet, wenn es reproducirbar
ist. Ob der Widerstand eines Metalldrahtes sich mit der
Zeit, durch die Erschütterungen des Transportes, durch die
ihn durchlaufenden Ströme und andere Einflüsse, verändert,
ist noch immer nicht vollständig entschieden. Es ist aber
sehr wahrscheinlich, dafs eine solche Aenderung stattfindet
und daher durchaus nicht zulässig den Widerstand eines
bestimmten Drahtes als Urmaafs des Widerstandes anzu-
nehmen. % Ferner werden durch das häufige Copiren eines
Widerstandsmaafses nach anderen Copien — wie es doch
bei allgemeiner Annahme desselben unvermeidlich wäre —
Poggendorft's Anoal Bd. CX. 1
die Abweichungen vom Normalmaafs stets grofser. Für
Untersuchungen, die mit verbesserten Instrumenten und in
gröfserer Schärfe ausgeführt werden sollen, sind aber Go-
pten unbrauchbar, die mit geringerer Schärfe bestimmt
sind. Endlich ist es sehr wünschenswerth und bequem ei-
nen bestimmten geometrischen Begriff mit dem Widerstands-
maafs verbinden zu können, was bei einem Metalldraht nie
der Fall seyn kann, da der Widerstand der festen Körper
von der Molecularbeschaffenheit derselben, so wie von nicht
leicht zu vermeidenden Verunreinigungen des Metalls in
hohem Grade abhängig ist.
Ebenso wenig geeignet zur allgemeinen Einführung schien
mir das absolute Widcrstandsinaafs. Man kann es nur mit.
tclst sehr vollkommener Instrumente, in besonders dazu
eingerichteten Localen und bei grofser experimenteller Ge-
wandtheit darstellen und es fehlt ihm ebenfalls die in Praxi
so wichtige körperliche Vorstellung. Endlich sind seine
Zahlen durch ihre Gröfse höchst unbequem.
Der einzig brauchbare Weg zur Aufstellung eines allen
Anforderungen genügenden, namentlich von Jedermann mit
Leichtigkeit und in der nöthigen Genauigkeit darstellbaren,
Widerstandsmaafses, schien mir der zu seyn, den Wider-
stand des Quecksilbers als Einheit zu benutzen. Quecksilber
ist mit grofser Leichtigkeit in ausreichender, fast vollkomm-
ner Reinheit zu beziehen oder herzustellen. Es hat, so lange
es flüssig ist, keine verschiedene, seiue Leitungsfähigkeit
modificirende Molecularbeschaffenheit; sein Widerstand ist
weniger als der der anderen einfachen Metalle, von Tem-
peraturänderungen abhängig, endlich ist sein speeifischeg
Widerstand sehr bedeutend, die Vergleichungszahlen wer-
den daher klein und bequem.
Ich entschlofs mich also zu versuchen, ob es möglich
sey, mittelst gewöhnlicher, im Handel vorkommender Glas-
röhren und gereinigten Quecksilbers, durch eine geeignete
Methode, bestimmte Widerstandsmaafse mit ausreichender
Genauigkeit herzustellen. Die gröfste Schwierigkeit schien
darin zu liegen, dafo es nicht möglich ist, sich genau cy-
lindriscbe Glasröhren zu verschaffen. Die käuflichen Glas-
röhren haben in der Kegel eine gröfsere nebst einigen klei-
neren Ausbauchungen. Es ist aber leicht sich durch Kali-
brirung mittelst eines kurzen Quecksilberfadens aus einer
gröfseren Anzahl von Glasröhren einige Stücke von 1 Meter
Länge herauszusuchen, bei welchen der Querschnitt sich
ziemlich gleichmäfsig verändert. Man kann alsdann das
Rohr als abgestumpften Kegel betrachten und den Wider-
stand dieses Kegels in Rechnung bringen. Das Volumen
des mit Quecksilber angefüllten Kegels kann man durch
Wägung des Metalls leicht und mit grofser Schärfe be-
stimmen.
Es 8ey AB CD Fig. 1 Taf. I ein solcher abgestumpfter
Kegel, dessen parallele Begränzungskreise die Radien R
und r haben und dessen Länge l ist. In der Entfernung x
von der Ebene AB sey ein mit ihr paralleler Schnitt MN
vom Radius * und der Dicke dx durch den Kegel gelegt.
Ist W der Widerstand des Kegels in der Richtung seiner
Axe, dW der Widerstand des Schnittes MN nach dersel-
ben Richtung, so ist:
Es ist aber
dW=4±
* = } + r.
Diesen Werth von z nach x differentiirt, giebt:
dx H—r
dx /
fo Iglich
dx = -= — . d*.
R—r
Durch Einsetzung dieses Werthes von dx in die erste
Gleichung erhält man:
/ dx
• •» •
1*
Durch Integration dieser Gleichung nach * entsteht:
w—f—L— dx— l (L — L\
~J(R-r)n * ** — (R—r)n ' V r R>
r
oder
Es sey ferner F das Volumen des abgestumpften Kegels,
G das Gewicht des darin enthaltenen Quecksilbers und <r
das specifische Gewicht desselben. Es ist
F=(fia+Br+r')|
Dividirt man diese Gleichung durch Ar, so ergiebt sich:
V_ /R . , . r\ln
Rr
= (*+l + I-yjL
\r ^L^ R) 3
und setzt man
so folgt:
und hieraus:
;j = »,
i-^+ti'i
Rr = r. ^
VT
oder für F den Werth — gesetzt
Diesen Werth von Ar in die Gl. 1 eingesetzt giebt:
1 + 1^+*
2) ^-"O-- 3 •
Der auf diese Weise gefundene Werth von W ist selbst-
verständlich für jede pyramidale Form des Leiters gültig,
wenn nur a das Verhältnifs des gröfsten zum kleinsten
Querschnitt ausdrückt. Er ist ferner noch richtig, wenn man
für einen abgestumpften Kegel von der Länge l eine be-
liebige Anzahl n solcher Kegel substituirt, die gleich lang
sind und deren Gesammtlänge gleich l ist, wenn« nur bei
jedem das Verhältnifs des gröfsten zum kleinsten Quer-
schnitt oder der reeiproke Werth dieses Verhältnisses
gleich a ist.
Es ist nämlich in diesem Falle, wenn
l = nl
ist, wo A die Länge eines Kegels bedeutet:
oder
oder
W:
IL
n
»
3
+ä-
W =
O
1 + I/7+
3
i
V7
W-
o
1+1/7+
l
Vä
TV «
3
Da nun ferner der Gorrectionscoefficient für die coni-
sche Form des Leiters:
Va_ r R
3 — 3
bei geringer Verschiedenheit der Durchmesser R und r nur
sehr wenig von 1 verschieden ist, so kann man ohne merk-
lichen Fehler jede nicht völlig cylindrische Röhre ab einen
abgestumpften Kegel betrachten und die Verhältnifszahl a
durch den Quotienten der gröfsten und kleinsten Länge
4es zur Kalibrirung benutzten Quecksilberfadens bilden.
Durch eine Reihe von Versuchen ermittelte ich nun, ob
die für verschiedene Röhren von sehr abweichenden mitt-
leren Querschnitten berechneten Werthe ihrer Widerstände,
mit den gemessenen hinreichend genau übereinstimmten.
Meine Methode war folgende:
Es wurden käufliche Glasröhren von etwa £ bis 2"""
6
iunerem Durchmesser auf einen langen Maafostab befestigt,
darauf in jedes Rohr ein Quecksilbertropfen gebracht und
die Länge des durch ihn gebildeten Fadens gemessen. Durch
Neigung des Rohres konnte man diesen Quecksilberfaden
nach und nach das ganze Rohr durchlaufen lassen und somit
dasjenige Stück des Rohrs von etwa lm Länge ausfindig
machen, welches sich am meisten cylindrisch oder gleich-
förmig conisch erwies. Diese Stücke wurden aus den Röh-
ren ausgeschnitten und die Enden durch eine kleine, von
Halske zu diesem Zwecke construirte Vorrichtung so ab-
geschliffen, dafs die Röhren genau 1 Meter lang waren.
Die so vorbereiteten Röhren wurden sorgfältig gereinigt*
Diefs liefs sich am leichtesten so bewirken, dafs man zwei
mit Seide übersponnene dünne Neusilber- oder Stahldrähte
zusammendrehte, sie darauf durch das Rohr schob und dann
mit dem hervorragenden einen Ende der Drähte ein Bäusch-
chen reiner Baumwolle zusammendrehte, welches darauf
langsam und vorsichtig durch das Rohr gezogen wurde.
Diese Operation erfordert allerdings einige Sorgfalt um das
Zerbrechen des Rohrs zu verhüten. Darauf wurde das
Rohr mit gereinigtem Quecksilber gefüllt und der Inhalt
gewogen. Diese Operation wurde wie folgt ausgeführt:
Das eine Ende des Glasrohrs wurde mittelst eines Verbin-
dungsstückes von vulkauisirtem Kautschuk so in der einen
Oeffnung eiuer kleinen Retorten -Vorlage, wie sie in. che-
mischen Laboratorien gebräuchlich sind, befestigt, dafs das
Ende des Rohres in die Vorlage hineinragte. Um das an«
derc Ende des Rohrs ward eine eiserne Klemmvorrichtung,
wie sie Fig. 2 Taf, I zeigt, angebracht, mittelst welcher sich
ein plangeschliffenes Eisenplättchen gegen die Mündung des
Rohrs schrauben liefs. Nachdem nun die passend befestigte
Vorlage mit reinem Quecksilber augefüllt war, liefs man das-
selbe durch die etwas geneigte Glasröhre in eine unterge-
stellte Schaale laufen. Wenn der Augenschein nach einiger
Zeit lehrte, dafs alle anfänglich sich bisweilen zeigenden Luft-
bläseben vom durchströmenden Quecksilber entfernt waren,
so wurde die AusÜufsöffnung durch Anziehen der das Eisen-
plättchen bewegenden Schraube dicht geschlossen, das Rohr
alsdann aufgerichtet und das andere Ende aus dem Kaot-
schukschlauch gezogen. Geschah dieses mit Vorsicht, so
war das nun senkrecht aufgerichtete Bohr vollständig ange-
füllt und die Quecksilbersäule endete in einer kleinen her-
vorragenden Halbkugel. Durch Aufdrücken eines eben ge-
schliffenen Glasplättchens wurde nuu auch die obere Oeff-
nung gesch'osscn und das überflüssige Quecksilber beseitigt.
Nachdem endlich mit einem Piusel alle kleinen am Rohre
haftenden Quecksilberkügelchen beseitigt waren, wurde der
Inhalt der Röhre in ein kleines Glasgefäfs entleert und auf
einer genauen chemischen Waage gewogen. Wenn man
die Vorsicht braucht das Quecksilber sehr langsam ausflie-
fsen zu lassen, indem man das Rohr nur sehr wenig neigt
und das Eisenplättchen am anderen Ende nur sehr allmäh-
lich lüftet, so bleiben keine Quecksilberkügelchen im Rohre
zurück, wie es ohne diese Maafsregel gewöhnlich der Fall
ist. Erwärmung des gefüllten Rohrs durch Berühruug mit
blofsen Händen wurde natürlich vermieden. Die Tempe-
ratur während der Füllung der Röhren ward beobachtet und
das gefundene Gewicht auf Füllung beim Nullpunkt der
Temperatur reducirt. Von den nächstfolgenden Tabellen
giebt Tabelle 1 die verschiedenen Längen der Quecksilber-
faden bei der Kalibrirung der benutzten Röhrenstücke und
die daraus gefundene Verhältnifszahl a des gröfsten zum
kleinsten Querschuitt. Tabelle II giebt die durch Wägung
gefundenen und auf Füllung bei 0° reducirten Gewichte
des Quecksilbers.
■•
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3.
4.
5.
6.
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110,2
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142,5
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108,2
94,5
43,9
142,5
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100,1
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48,2
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40,1
139
115
100
und mithin die respectiren Correctionscoefficicnten
I 3. 1 4. 5. I 6.
1,00225 1,00055 1,00282 1,000201 1,000289 1,600906
1.
2.
3
4.
,
6.
13,208
27,1915
24,3825
62.368
69,802
11,767
13,210
27,1900
24,3830
62,366
69,796
11,768
13,209
27,19(5
24,3840
62,357
69,803
11,767
13,209
27,1920
24,3833
bei
bei
bei
bei
Lei
bei
13\5 R.
14* R.
13»,5R.
18' R
14*,7 R.
15',2R.
61,395
69,795
11)778
62,398
69,795
11,777
63,393
69,794
11,774
11,774
bei
bei
bei
14',5R.
18* R,
14",7 R.
Gewicht in Grammen bei 0".
13,2491 1 27,277 I 24,457 j 62,774 | 70,054 I 11,808
Subgtituirt man in die oben gefundene Formel 2) für
den Widerstand
rr — G .
^+Tä
aus den Tabellen I und II die Werthe für G (in Milligram-
men) und des Correctionscoefficienten , nimmt man ferner
für das speeifische Gewicht des Quecksilbers bei 0° den
Werth
a = 13,557
und für die gemeinschaftliche Lauge aller Röhren
1=1000™,
so erhält man den Widerstand der Röhren in Einheiten
des Widerstandes eines Quecksilberwürfels von lmm Sei-
tenlänge ausgedrückt. Tabelle III giebt diese berechneten
Werthe:
Tabelle IIL
1.
2.
3.
4.
5.
6.
1025,54
497,28
555,87
216,01
193,56
1148,9
Es wurden nun die Widerstände dieser mit Quecksilber
von 0° gefüllten Röhren mit der Copie eines Jacobi' sehen
Etalons (B) verglichen und zwar geschah dieses mittelst einer
Wheatstone'schen Rrücke. Da die von mir benutzte
Brücke in der von Halske und mir ihr gegebenen Form
zu sehr genauen Widerstandsmessungen geeignet ist, so wird
ihre nähere Beschreibung nicht ohne Interesse seyn.
Fig. 3 Taf. I stellt die Brücke in ihrer perspectivischen
Ansicht dar. AA ist ein Rahmen von Messing, auf welchem
sich der Schlitten BB verschiebt. Der drehbare Knopf C
auf dem Schlitten ist mit einem Zahnrade verschen, welches
in eine am Rahmen befestigte Zahnstange S eingreift. Der
Schlitten ist daher sowohl direct als durch Drehung des
Knopfes verschiebbar. Am Rahmen sind ferner die isolir-
ten Stücke EE und der mit Millimetertheilung versehene
Maafsstab mm befestigt. Zwischen den isolirten Metall-
stücken EE, deren innere Flächen normal auf dem Maafs-
stab stehen und genau I000min von einander entfernt sind,
10 .
ist ein etwa 0,1 6mm dicker Platindraht ausgespannt Dieser
Draht, dessen Anfangs- und Endpunkt genau mit den Theil-
strichen 0 und 1000 übereinstimmen, wird von 2 kleinen
Platinrollen umfafet, deren Axen am Schlitten B vermittelst
der Federn G befestigt sind. Die zu vergleichenden Wi-
derstände werden zwischen der Metallschiene JST, welche
durch den Contacthebel / mit dem einen Pole der Kette
in Verbindung zu setzen ist, und zwei in den Klemmenla-
gern KK verschiebbaren dicken Kupferstangen LL einge-
schaltet. Der andere Pol der Kette, zu welcher gewöhnlich
ein Daniell'sches Element benutzt wurde, ist in leitender
Verbindung mit dem Schlitten B und den Platinrollen.
Die Klemmenlager KK und die als Befestigungspunkle des
Platindrahtes dienenden isolirten Metallstücke EE sind durch
dicke Kupferstangen mit den 4 Lamellen des Stöpselnm-
schalters S in gut leitende Verbindung gesetzt. Es lassen
sich mithin durch Versetzung der beiden Stöpsel die zu
vergleichenden Widerstände vertauschen. Zu den Metall-*
stücken EE siud ferner die Enden des Multiplicatordrahtes
des zu benutzenden Galvanometers geführt. Ich benutzte
zu den vorliegenden Messungen ein Spiegelgalvanometer mit
rundem Stahlspiegel von 32mm Durchmesser und 36000 Win-
dungen von 0,15min dickem Kupferdraht. Der Abstand der
mit Millimeter- Theilung versehenen Scale vom Spiegel be-
trägt 6^ Meter.
Die mit dem beschriebenen Widerstandsmefsapparat an-
gestellten und in nachfolgenden Tabellen zusammengestell-
ten Messungen wurden gröfstentheils vom Hrn. Dr. Essel-
bach ausgeführt. Die hierbei befolgte Methode war fol-
gende :
Jedes Ende des zu prüfenden Glasrohres wurde mittelst
eines Kautschuk verschlusses in das Innere einer Retorten -
Vorlage geführt. Diese Vorlage wurde so gedreht, dais
der unbenutzte weitere Hals nach oben gerichtet war und
so mit dem sie verbindenden Rohre in eine Rinne gelegt,
die mit Eisstücken augefüllt war. Darauf wurde die eine
Vorlage mit gereinigtem und trocknem Quecksilber gefüllt
Das Quecksilber füllte nun das Rohr und lief durch dasselbe
in die leere Vorlage. War das Niveau des Quecksilbers
in beiden Gcfäfsen gleich, so war in der Hegel auch dag
Rohr ganz blasenfrei mit Quecksilber gefüllt. Es wurden
nun dicke amalgamirle Kupferdrähte durch die beiden auf-
gerichteten Hülsen der Vorlagen in das Quecksilber geführt
uud alsdann der Widerstand des Rohres mittelst der oben
beschriebenen Krücke mit dein eines Jaeobi'scheu Wi-
dcrstandsetalon verglichen ').
Der Widerstand der Zuleitungsdrühle wurde dadurch
bestimmt, dals beide amalgamirte Kupfercylinder in ein ge-
meinschaftliches mit Quecksilber gefülltes Gefäfs getaucht
wurden. Derselbe erwies sich jedoch als verschwindend
klein im Vergleich mit dem Widerstände der Röhren.
Die in der nachstehenden Tabelle zusammengestellten
Versuche worden so angestellt, dafs erst bei der einen Stel-
lung des Commutalors der Schieber BB so lange verscho-
ben wurde, bis das Galvanometer beim Niederdrücken des
Contacthebels / keine dauernde Ablenkung zeigte. Darauf
wurden durch den Commutator die zu vergleichenden Wi-
derstände vertauscht und abermals der Schieber richtig ein-
gestellt. Diese beiden Ablenkungen sind in den mit a und 6
bezeichneten Columncu angegeben. Waren die Beobach-
tungen fehlerfrei, so mufste die Summe beider = 1 1 KU *
sevn, was in der Mehrheit der Fälle, wenigstens sehr nahe
der Fall war. Es ist hierbei noch zu bemerken, dafs nach
Herstellung des Stromgleicligewichts, beim Schliefsen der
Kelle stets ein kleiner Ausschlag von einigen Scalentheilcn
bemerkt ward im Sinne eines grosseren Widerslandes des
Anfänglich bcnuli
ta w
r HuttN Huhjutint
Kupftrdr
Um
CJ
M>
ton Eiien dl Zulc
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i. Ei Hellte »ich :•!»■
MMW,
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K&ti
un
de
.■Hl' der Oherflä.be
cond
■Ml« Gauchlchl MM
«.-»reiben.
12
aus nebeneinanderliegenden Drahtspiralen gebildeten Jaco-
bi 'sehen Etalons. Da bei der Oeffnung der Kette ein ent-
gegengesetzter Ausschlag von gleicher tiröfse erfolgte, so
war dieses offenbar dem Extracurent in den Drahtspiralen
des Ja co biJ sehen Etalons zuzuschreiben. Ferner stellte
sich heraus, dafs schon eine Erwärmung des Quecksilben
bei längerer Dauer des Stromes eintrat, obgleich nur eine*
Daniell'sche Zelle benutzt wurde. Bei der langsamen
Schwingung und der grofsen Dämpfung der Elongationen
meines Spiegels Kefs sich der hieraus entspringende Fehler "
leicht dadurch eüminiren, dafs man nur kurze Strömungen
durch das Instrument 'gehen liefs. Der Schlitten wurde
immer so eingestellt, dafs beim Schliefsen ein schwacher
Ausschlag nach links eintrat, der bei längerer Dauer des
Stromes, in Folge der Erwärmung, in eine Ablenkung nach
rechts überging. Man konnte nun durch geringe weitere
Verschiebung des Schlittens den Ausschlag nach links ver-
schwindend klein machen und dadurch den Einflufs der Er-
wärmung gänzlich beseitigen.
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i
J
2
14
Die mit W bezeichnete Spalte ist durch Mulliplication
der vorhergehenden mit der Zahl 661,8 gebildet, welche
Zahl durch Vergleichung des berechneten Widerstandes des
Rohres Nr. 2 mit dem Widerstände des benutzten Jaco-
bi 'sehen Etalons ermittelt ist. Die Zahlen dieser Spalte
muteten mitbin mit den in Tabelle III berechneten Wider-
ständen der Röhren übereinstimmen. Die in der mit =-
bezeichnete Spalte befindlichen Quotienten der berechneten
durch die beobachteten Widerstände zeigen, dafs die Dif-
ferenzen nicht gröfser sind, wie zu erwarten war. Die
wesentlichsten Abweichungen sind bei unseren Messungen
dadurch entstanden, dafs weder die Temperaturen des Queck-
silbers noch die des zur Vergleichung bestimmten Kupfer-
etalons völlig constant waren. Die Temperatur des Eis-
wassers schwankte zwischen 0 und 2° und die des Etalons
zwischen 19 und 22° C. Da aber die Leitungsfähigkeit des
Kupfers durch Erwärmung um 1 ° C. um etwa 0,4 Proc
vermindert wird, so erklären sich hieraus die 1 Proc nicht
erreichenden Abweichungen vollkommen und es kann nicht
zweifelhaft seyn, dafs die benutzte Methode geeignet ist,
Widerstandsetaions bis zu jedem Grade von Genauigkeit
zu reproduciren.
Die beobachteten Widerstände der Tabelle IV hätten
eigentlich noch um die Gröfse des Ausbreitungswiderstandes
des Stromes im Quecksilber der Glasgefäfse oder des Ueber-
gangswiderstnndes vom Querschnitt des Rohrs zu den amal-
gamirten Zuleitungsdrähten vermindert werden müssen. Man
kann diesen Widerstand ohne grofsen Fehler als den Wi-
derstand einer Halbkugelschaale definiren, deren innerer
Radius gleich r dem inneren Radius des Rohres und deren
äufserer Radius gegen r sehr grofs und daher in die Rech-
nung als unendlich grofs einzuführen ist. Der Widerstand
einer halben Kugelschaale von der Dicke dx und dem Ra-
dius x, wird ausgedrückt durch
J i..'n ~ irrr ir'rr
Der Widerstand der Ausbreitung in beiden Quecksil-
bermasscn ist also gleich dem Widerstände einer Verlän-
gerung des Rohrs um die Hälfte seines Durchmessers. Wenn
nun auch dadurch, dafs die Endflächen des Rohrinhaltcs
ebetl und nicht, wie in der Rechnung angenommen, halb„
kugelförmig sind, noch eine geringe Vergrößerung des Aus-
breilungswiderslaudcs herbeigeführt wird, so ist die Ge-
sammlgrüfse desselben doch so gering, dafs er füglich ver-
nachlässigt werden konnte.
Die zu den bisherigen Versuchen benutzten geraden
(■lasrühren sind ziemlich unbequem als Etalons zu verwen-
den. Ich liefs mir daher von lim. Geifsler in Berlin
Ähnliche Röhren in Spiralform aufwinden und die aufwärts
gebogenen geraden Enden mit kleinen Glasgcfäfsen zur Auf-
nahme der Zulehungsdrähtc versehen. Diese Glasspiralen
wurden, wie Fig. 4 TaF. I zeigt, am Holzdeckcl eines wei
leren mit Wasser gefüllten Gcfäfses befestigt. Die Tem-
peratur des Wassers ward durch ein Thermometer, welches
durch eine Oeffnwng im Holzdeckel eingeführt werden konnte,
beobachtet. Die blasen freie Füllung der Glasspiralen mit
Quecksilber liefs sich leicht dadurch herstellen, dafs man
mittelst eines geeigneten Propfeus die Mündung des Rohres
in einem der Glasgefäfse verstopfte, darauf das andere Gc-
l.il> mit Quecksilber füllte und dann deu Pfropfen vorsich-
tig lüftete um! erst dann ganz entfernte, wenn das Queck-
silber langsam sämmtlichc Windungen des Rohres durch-
laufen hatte.
Da das Quecksilber in der Reihe von Metallen fehlt,
für welche Arndtsen ') die Veränderung des speeifischen
Widerslandes mit der Temperatur bestimmt hat, so mufste
diese Lücke erst ausgefüllt werden. Diefs geschah durch
Hrn. Dr. Esselbach mit Hülfe der beschriebenen Vorrich-
1) Di»c Ann. Bd. 103. S. I.
16
tung. Es wurde der Widerstand einer der spiralförmig
aufgewundenen Röhren mit dem der geraden Röhren Nr. 2
zuerst bei der Temperatur des Eiswassers und darauf bei
höheren Temperaturen des gewundenen Rohres verglichen.
Bezeichnet w den Widerstand des Rohres Nr. 2, nach Ta-
belle III gleich 498,7, ferner to( den Widerstand des ge-
wundenen Rohres und berücksichtigt man, dafs die Wider-
stände der Zuleitungsdrähte zur Röhre 2 und zur Spirale
gleich gemacht wurden und den Widerstand von 1 1 Queck-
silbcrwürfeln von lmm Seitenlänge hatten, so ergiebt sich
w
11
a
w.H-ll b
wenn a und 6 die Längen der Stücke des Platindrahtes
der Brücke bezeichnen, bei welchen kein Strom durch den
Galvanometerzweig ging. Diefs war der Fall wenn
a^ _ 31 1£
b — 688,7
war, woraus sich
to, = 219,1
ergab.
Es wurde nun die Temperatur des geraden Rohrs durch
schmelzendes Eis fortwährend auf der Temperatur 0 erhal-
ten, während das die Glasspirale umgebende Wasser er-
wärmt wurde. In der folgenden Tabelle bezeichnet t die
Temperatur des geraden Rohres, f, die des gewundenen,
a und b die im Zustande des Stromglcichgewichts abgele-
senen Drahtlängen, y den gesuchten Coefficientcn, berech-
net nach der von Arndtsen aufgestellten Formel
ir/1 4-yQ-J-U __ a^
w(\-hyt)-1-ll b
Tabelle V.
t
f.
a
b
y
0§
0
0
47§ C.
34,5
16,5
320,4
318,0
314,6
679,5
682,0
685,4
0,000964
0,000960
0,000981
Im Mittel 0,000968
I
17
Hiernach ist Quecksilber unter allen einfachen Metallen
dasjenige, dessen Widersland sich bei zunehmender Tem-
peratur am Wenigsteu vergröfsert.
Mit Hülfe dieses CoeTfici enten ward nun auch der Wi-
derstand der beiden anderen Glasspiralen A und B bestimmt,
welche später als Normalmaafse zur Herstellung von Wi-
derstaiidscopicti in Neusilberdraht benutzt wurden. Her
Widerstand der Spirale A war bei 0" Temperatur gleich
514,45 und der Spirale B = 673,0.
Neusilberdraht eignet sich ganz besonders zur Anferti-
gung von Widerstandsclaloiis, weil seine Leitungsfähigkeit
sehr gering ist und sich bei Temperatiirveräuderungcn nur
sehr weuig, nach Arndtscn um etwa 0,0004 Proc. pro
Grad Celsius, verändert.
Bisher wurde in der vorliegenden Untersuchung stets
der Widerstand eines Quecksilberwürfels von I""" Seiten-
lange als Einheit des Widerstandes angenommen. Für kleine
Widerstände und überhaupt für Widerslnndsbereciinuugen
hat diese Einheit manche Vorzüge. Es erscheint aber doch
als zweck mäfsiger das Widerstandsmaafs in völlige Ueber-
einsliinmung mit dem Metcnnaafs zu bringen. Ich schlage
daher vor als Einheit des Widerslandes anzunehmen:
Den Widerstand eines Quecksilberprismas von 1 Meter
Länge und 1 QnadratmiUim. Querschnitt bei 0°.
Sollte dieser Vorschlag allgemeineren Eingang finden,
so würden sich alle Widerst andsangabeii ohne weitere Um-
schreibung auf Angaben der Länge in Metermaafs reduci-
ren. Es würde dann jeder Physiker im Staude bctii sich
sein WidcrsfandsmaaTs selbst so genau wie seine Instru-
mente es gestalten und erfordern, darzustellen und die et-
waige Veränderung des Widerstandes der im Gebrauch be-
quemeren Elalous aus Mctalldrählen zu conlrolliren. Selbst-
redend müfste jedoch dabei als Einheit der Leituugsfitliig-
fähigkeil der Körper nicht, wie bisher, die des Kupfers oder
Silbers, sondern die des Quecksilbers angenommen werden.
Leider liegen nur wenige Vergleiche der Leitungsfähigkeit
des Quecksilbers mit der der festen Metalle vor, aus denen
Poggsndu.fr» AniuL Bd. CX. 1
18
«ich eine solche Tabelle beredinen liefee und es fehlt auch
bei den meisten Vcrgleichungen der Leitungsfähigkeit der
festen Metalle unter sich die Angabe, ob hart gezogene oder
ausgeglühte Drähte benutzt wurden. Aus der nachstehen-
den Tabelle ergiebt sich aber, dafs die Leitungsfähigkeit
ausgeglühter Dräthe beträchtlich gröfser ist wie die der
nicht geglühten.
Art des Drahtes.
2.
LSnge in
Millime-
ter d.
3.
4.
Gewicht j Specifi-
in Milll- > «che* Ge-
gram men. wicht.
5.
Wider-
stand bei
0§ Tem-
peratur.
LettQDgs-
ßliigkeit
Hg — 1.
1) Silberdraht, hart
do. ausgeglüht
2) do. hart
ausgeglüht
3) Kupfer, hart
4) do. hart
ausgeglüht
5) do. hart
ausgeglüht
6) do. hart
«»«geglüht
7) Platin, hart
8) do. hart
9) Messing, hart
do. geglüht
4014,4
4014,4
4014,4
4014,4
•4014,4
4014,4
4014,4
2007,2
2007,2
2007,2
2007,2
436,4
436,4
1003,6
1003,6
4884,9
10,479
4889,1
10,492
3233,1
10,502
3009,6
10,5132
3099,5
8,925
4409,1
8,916
4355,2
8,903
1260,4
8,916
1252,7
8.894
1263,2
8,916
1241,5
8,894
544,1
21,452
550,1
21,452
1406.1
8,473
1397,8
8,464
614,55
537,2
896,1
889,08
890,5
622,7
599,05
545,8
517
545,6
520,8
910,6
897,7
530,6
451,7
56,252
64,38
58,20
63^1
52,109
52,382
52,013
52,217
55,419
52,121
55,338
8,244
8.27
11,430
13,502
Es ist hiernach die speeifische Leitungsfähigkeit des aus-
geglühten Silberdrahtes um 10 Proc, die des ausgeglühten
Kupferdrahtes durchschnittlich um 6 Proc gröfser wie die
des nicht ausgeglühten Silbers, resp. Kupfers. Besonders
auffallend ist diese Znnahme beim Messing. Da die Härte
gezogener Drähte von der Gröfse der Ausdehnung nach dem
letzten Ausglühen abhängt, so mufs sie und ebenso die Lei.
tungsfähigkeit stets verschieden ausfallen, wenn auch das
Metall völlig gleichartig ist. Ebenso ist die Höhe der Tem-
peratur, bei welcher die Drähte ausgeglüht wurden, die
Dauer des Glühens und die Geschwindigkeit der Abkühlung
nicht ohne Einflufs auf die Gröfse der speeifischen Leitungs-
fähigkeit. Die Columne 5 der obigen Tabelle ist nach der
früher entwickelten Formel
die Conicität,
ist bei Metalldrähten fast immer anfser Be-
tracht zu lassen, du er nicht merklich von I verschieden
ist. Wie ersichtlich ist diese Methode weit scharfer i
die bisher gebräuchliche, bei welcher der mittlere Durch-
messer der Drähte durch directe Messungen zu ermitteln
war. Dieser ungenaue Werlh ging im Quadrat in die
Rechnung ein, wodurch die Ungenauigkcit der Methode
noch wesentlich erhöht wurde. Bei der von mir benutz-
ten Methode sind dagegen sämmtliche Data mit grofster
Schärfe zu bestimmen, namentlich die Länge, welche hier
im Quadrat auftritt.
Vergleicht man die obige Tabelle mit der von Arndt-
sen aufgestellten, so ergiebt sich, dafs der gefundene mitt-
lere Wertli der Leitungsfahigkeit des ungcglühteu Piatina-
drahtes, nämlich 8,257 und der geringste gefundene Werth
für ungeglühtes Silber, 56,252, genau in dem von Arndt-
sen angegebenen Verhältnisse stehen, während der Wi-
derstand des Kupfers der Arndtsen' sehen Tabelle dem des
ausgeglühten Kupferdrahtes der meinigen ziemlich genau
entspricht. Da das von mir benutzte Silber und Pialina
chemisch rein war und auch Arndtsen diese Metalle in
vülliger Reinheit benutzte, so habe ich bei der Berechnung
der nachfolgenden Tabellen den Widerstand des Platina's
und harten Silbers zu Grunde gelegt. Die aus der Arndt-
scn'sclien Tabelle entnommenen Werthc sind mit (A), die
selbst beobachteten mit (S) bezeichnet.
6u.
Tabelle VI.
Leitungsfähigkcit der Mclallc bei der Temperatur (,
icheu mit der des Quecksilbers bei 0".
Quccksiller n-unoo». (S)
20
Blei
Platin
Eisen
Neusilber
5,1554
1 +0,00376 1
8,257
14-0,00376*
8,3401
(A,S)
1 +0,004131+0,000005271*
10,532
1 +0,000387 1 — 0,000000557 1%
(Ä)
(Ä)
do. geglüht
Messing, hart
do. geglüht
do. »
Aluminium
Kupfer
do. hart
do. geglüht
Silber, hart
4,137 (S)
11,439
13,502
14,249
1 +0,00166/ — 8,00000203 f1
31,726
(ß)
(S)
1 +0,003638 1
55,513
(4)
(4)
1+0,00368/
52,207 (S)
55,253 (S)
56,252
1+0,003414/
(A,S)
do. geglüht 64,38 (8)
Der Uebersichtlichkeit wegen habeich die von Arn dt sen
beobachteten Werthe mit den von ihm angegebenen Correc-
tionscoefficienten für erhöhte Temperaturen versehen. Ob
dieselben bei geglühten und ungeglühten Drähten dieselben
bleiben, habe ich nicht untersuchen können. Das von mir
untersuchte Messing enthielt, wie die in meinem Laboratorio
ausgeführte Analyse ergab, 29,8 Proc. Zink und 70,2 Proc.
Kupfer.
Schliefslich bemerke ich noch für Diejenigen, welche sich
Etalons in der beschriebenen Weise darstellen wollen, dafs
es nothwendig ist, das Quecksilber vor dem Gebrauch un-
ter einer Decke von concentrirter Schwefelsäure mit eini-
gen Tropfen Salpetersäure etliche Stunden zu erwärmen,
damit alle metallischen Verunreinigungen, so wie der ab«
sorbirte Sauerstoff, welche seine Leitungsfähigkeit sehr we-
sentlich vergrößern, vollständig beseitigt werden.
21
II. lieber Legirungen; von Dr. A. Matthiefsen.
1. l'i'ber das »pecifisclie Gewicht von Legirungen.
V or dem Beginn einer V a t ersuch im g über die Gesetze
der elektrische» Leitungsfähigkeil von Legirungen hielt ich
es für nötbig, die specitischen Gewichte derselben ztt be-
stimmen, um darüber Gcwifsheit zu erlangen, ob eine solche
Ausdehnung oder Zusammenziehung stattfinden würde, wel-
che man bei Differenzen in Betracht ziehen könnte, die in
den Leitungsfähigkeiten gefunden werden möchten.
Es wurden die Metalle zu Legirungen benutzt, welche
verhültnifsinafsig leicht in reinem Zustande und in grofseu
Quantitäten erhalten werden könnten. Die Art und Weise
der Reinigung war folgende:
1) Antimon, nach der Liebi g'schcn Methode.
2) Zinn, käufliches Metall mit Salpetersäure behandelt,
das Zinnoxyd mit Holzkohle reducirt.
3) Cadmium, käufliches Metall in Salzsäure gelöst und
mit Schwefelwasserstoff niedergeschlagen, das Schwefel-
nietall in Salzsäure gelöst und mit reinein kohlensau-
ren Natron gefällt, dafs kohlensaure Salz erhitzt und
thdls mit Wasserstoff reducirt, theils mit Holzkohle
destillirt.
4) Wismuth, käufliches Metall in Salpetersäure gelöst,
lillinl, mit Wasser gefallt und durch Holzkohle re-
ducirt.
5) Silber und 6) Gold, gereinigt von Johueon, Mat-
they, Million Garden, Londou.
7) Blei, käufliches essigsaures Salz dreimal uinkrystallisirt
und durch Glühen 'reducirt.
8) Quecksilber, käufliches Metall mit Salpetersäure be-
handelt, die ganze Masse etwa einen Mouat stehen
gelassen und von Zeit zu Zeit stark geschüttelt.
Die Menge jeder Legiiuug betrug 2(1 Grni.; die beiden
22
Metalle wurden in den gehörigen Verhältnissen genau aus-
gewogen und in. einem Porcellanticgel zusammengeschmol-
zen, während ein Gasstrom von oben herab in den Tiegel
geleitet wurde, um die Oxydation der Metalle zu vermeiden.
Die Legirungen wurden in eine hölzerne Form gegossen,
der eine Porcellanplatte als Unterlage diente, welche zuvor
berufst war, um das Anhaften des Metalles zu verhüten.
Sie waren stets wenigstens dreimal umgeschmolzed uüd um-
gegossen, bevor die erste Bestimmung gemacht wurde, dann
vor der zweiten Bestimmung wieder umgeschmolzen und
ebenso vor der dritten; öfters wurdeu sie sechs* bis sie-
benmal umgeschmolzen, weil das Ausgicfacn nicht immer
gelang. Um so viel wie möglich der Bildung von inneren
Höhlungen (von Krystallisation herrührend) vorzubeugen,
wurden die Legirungen sehr schnell abgekühlt und so gego»»
sen, dafs die Dicke des Metalls immer nur etwa 3 bis 4™
betrug.
Die zur Bestimmung des speeifischen Gewichts ange-
wandte Methode war die, dafs die Legirungen an einem sehr
feinen Platindraht in destillirtes Wasser gehängt wurden,
das zuvor ausgekocht und in luftleerem Räume abgekühlt
war, um es von absorbirter Luft völlig zu befreien. Diese
Methode gab bessere Resultate als jene mit den so genann-
ten Dichtigkeitsfläschchen, wegen der Schwierigkeit, das mit
Wasser gefüllte Fläschchen vollkommen trocknen zu kön-
nen, und zweimal hintereinander das gleiche Gewicht zu
erhalten. Die Amalgame, welche flüssig oder nicht genügend
hart waren, um sie an einem Platindraht aufhängen zu kön-
nen, v.urdcn in einer Glasröhre gewogen, an welche ein
Platindraht angeschmolzen war. Das Gewicht der Röhre
in Luft und Wasser war bei der Temperatur bestimmt, bei
der die Versuche angestellt wurden, und es brauchten da-
her bei der Ausrechnung des speS. Gewichts jene Werthe
nur von den gefundenen abgezogen zu werden. Die be-
nutzte Waage war eine Lieb rieh 'sehe, welche bei einer
Belastung von 100 Grm. in jeder Schale, noch 0,1 Mgr.
anzeigte, und beim Wägen der Legirung iu Wasser noch
23
für 0,2 Mgr. einen Ausschlag gab. Die beim Wägen in
Wasser anhängenden Luftblasen wurden durch einen sehr
weichen Pinsel entfernt; die Legirung wurde so lange damit
gebürstet, bis das Gewicht constant blieb.
Bei Ausrechnung der spec Gewichte wurde das Gewicht
des verdrängten Wassers für die beobachtete Temperatur
corrigirt; so data die Einheit in allen Fällen destillirtcs
Wasser von 0° C. ist. Ein ähnliche Correction für die
Temperatur konnte bei den Legirungen selbst nicht ange-
bracht werden, da die Ausdehnungscoefficientcn derselben
nicht bekannt sind. Alle Wägungen wurden auf den luft-
leeren Baum reducirt und eine Correction ward angebracht
für den Tbeil des Platindrahtes, der in das Wasser tauchte.
Die Länge des eintauchenden Drahtes betrug etwa 60 Millim.,
welche 8 Mgr. schwer waren, und im Wasser demnach
etwa 0,35 Mgr. an Gewicht verlieren würden. Vorausge-
setzt nun, wie es in Wirklichkeit auch der Fall war, dafs
zuweilen 10 Millim. mehr oder weniger in das Wasser ein-
tauchten, so würde, wenn diese nicht in Berechnung ge-
zogen würden, der Fehler etwa 0,06 Millim. betragen; da
aber 0,3 Mgr. in den meisten Fällen nur etwa einen Fehler
von 0,001 Proc. des gefundenen spec. Gewichts ausmachen,
so kann der auf die angeführte Weise begangene Fehler
vernachlässigt werden. Die bei Anrechnung der zu den
Legirungen nöthigen Mengen von Metall angewandten Acqui-
valente waren:
Antimon 122,3 (Dextcr, Pogg. Ann. Bd. 100, S. 563),
Zinn 58, Cadmium 56, Wisinuth 208, Silber 108, Blei 103,7
Quecksilber 100, Gold. 1<J7.
Tabelle I giebt die spec Gewichte der angewandten rei-
nen Metalle, mit den Temperaturen in Centigraden.
Tabelle II giebt die spec. Gewichte der Legirungen mit
den beobachteten Temperaturen '), sowie die theoretischen
spec Gewichte berechnet nach folgenden Formeln:
1 ) Bei einigen Legirungen sind die einzelnen Bestimmungen nicht angege-
ben, da die Werllif von drei aufeinander folgenden Bestimmungen in
Folge alUusurker Kristallisation nicht bis auf 0,1 Proc. des spec. Ge-
24
3) S = ^±£l;
worin S = dem spec Gewicht der Legirung,. c and f>t die
Volumina der angewandten Metalle 9 n und ni die Anzahl
der Aequivalente von den Metallen, A und At die Ge-
wichte der einzelnen Metalle, « und «t die spec Gewichte
der betreffenden Metalle bedeuten.
Das spec. Gewicht einer jeden Legirung ist nach obigen
Formeln berechnet unter der Voraussetzung, dafs- die spec
Gewichte der resp. Metalle an dem der Legirung Theil neh-
men in dem Verhältnifs 1) ihrer Volumina, 2) ihrer Aequi-
valente oder 3) ihrer Gewichte. Von diesen Formeln ist
in allen Fällen nur die erste die richtige, vorausgesetzt, dafc
weder Expansion noch Contraction stattfand; die zweite
ist nur dann richtig, wenn die Volumina und Aequivalente
der angewandten Metalle in gleichem Verhältnifs zu einan-
der stehen (wie z. B. bei Silber und Gold); die dritte For-
mel endlich ist nur dann anwendbar, wenn die spec. Ge-
wichte der beiden Metalle gleich sind. Die beiden letzten
Berechnungen wurden nur hinzugefügt, weil einige Beob-
achter mit denselben ihre Resultate verglichen haben.
Aus den Differenzen zwischen den berechneten nnd
gefundenen speeifischen Gewichten geht hervor, dafs die
Antimonlegirungen im Allgemeinen ein grösseres Volumen
einnehmen, als das Aggregat der darin enthaltenen Metalle,
dafs sie sich ausdehnen, während gewöhnlich die von Wia-
uiuth, Silber, Quecksilber und Gold ein kleineres Volumen
wicht* übereinstimmten. Es ist daher nur das Mittel von sechs bis sehn !
Versuchen angeführt. Die mit einem * versehenen Legi rangen wurde«
zweimal bereitet, weil es schien, als ob beim AuswSgen der Metalle ein
Irrthnm stattgefunden hStte, da die Werthe nicht mit den berechneten .
übereinstimmten, oder doch eine außergewöhnliche Abweichung seiften.
Die bei beiden Legirungen gefundenen Zahlen waren jedoch dieselben.
25
besitzen, sich zusammenziehen. Die Gold-Zinn- und Gold -
Blei-Legirungen sind alle aufserordentlich hart und spröde,
mit Ausnahme derer, die einen sehr hohen Zinn- oder Blei-
Gehalt besitzen. Sn Au . bis Sn , Au sind nicht kristallinisch
und zeigen einen glasigen Bruch. Sn4 Au beginnt krvstal-
linische Structur zu zeigen und hat einen körnigen Bruch.
Die uLrigen Gold-Zinn-Legirungen sind überaus kryslalli-
niscb, und Sn. Au bis Sn,, Au zeigen im Bruch vollkom-
men ausgebildete Spaltungsflächen der Krystallc.
Die Gold-Blei-Legiruugen erscheinen nur au der Ober-
llächc sehr kristallinisch, während ihr Bruch glasig ist. Die
folgenden Legirungcn ziehen sich beim Abkühlen sehr stark
zusammen, und zwar in dem Grade, dafs das noch im lu-
nern flüssige Metall durch die äufsere erstarrte Kruste hiu-
durchbricht, grofsere oder kleinere Kugeln bildend; näm-
lich: alle angeführten Wismuth- Antimon-, Wismuth-Gold-
und Wisinuth-Silbcr-Legiruiigen; die von Wjsmuth-Zinti
nur zum Theil, nämlich von ISi._. ,, ,_, Sn bis Bi,Sn, die übri-
gen dieser Reihe nur sehr gering; von dem Wismuth-Blei
nur die von Bi,I'b bis Bi4Pb (Bi,Pb sehr gering) der
Rest gar nicht. Aus der Wismutb-Cadmium-Beihe zeigeu
nur ßiCds und BiCd4 eine sehr geringe Zusammenziehung.
Schliefslich will ich hier noch meinen besten Dank den
Uli. Ch. Long, M. Carty und Dr. M. Holzmann aus-
sprechen für ihre Hülfe bei Ausführung der nachfolgend
gegebenen Bestimmungen.
SSSeaees
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27
Tabelle IL
Lcgirnng.
Gefun-
denes
•pec.
Gew.
Terop.
Mittel
Terop.
Spec. Gewicht berechnet nach
dem
Volu-
men.
Diffe-
renz.
dem
Aeqai-
valeot.
dem
Ge-
wicht.
Antimon -Zinn Reihe (bestimmt von Hrn. Ch. Long).
Sb.Sn
Sb4$D
$b,Sn
SbSn
SbSn,
SbSn4
SbSn«
SbSn)9
SbSn,»
SbSn«»*
SbSn109
Sb 5n«oo
6,739
6,739
6,739
16°,1
16 ,3
16 ,2
6,739
16°,2
6,752
—0,013
6,796
6,748
6,747
6,747
13 ,0
12 ,5
14 ,8
6,747
13 ,4
6,770
-0,023
6,829
6,781
6,780
6,782
13 ,2
13 ,2
14 ,0
6,781
13 ,5
6,817
—0,036
6,906
6,845
6345
6,843
12 ,7
14 ,0
14 ,7
6,844
13,8
6,889
-0,045
7,003
6,927
6,930
6,931
15 ,6
15 ,6
16 ,2
6,929
15 ,8
6,984
-^0,055
7,100
7,025
7,024
7,021
15 ,9
15 ,4
16 ,0
7,023
15 ,8
7,082
—0,059
7,178
7,101
7,098
7,100
10 ,0
10 ,8
11 ,0
7,100
10 ,6
7,133
-0,033
7,211
7,140
19 ,0
7,186
—0,046
7,241
7,212
7,204
7,208
18 ,3
18 ,4
18 ,7
7,208
18 ,5
7,234
-0,026
7,266
7,277
7,278
7,275
19 ,2
19 ,4
19 ,6
7,276
19,4
7,262
+0,014
7,280
7,280
7,274
7,283
20 ,0
20 ,0
20 ,0
7,279
20,0
7,281
-0,002
7,288
7,288
7,284
7,281
20 ,0
20 ,3
20 ,4
7,284
20 ,2
7,287
—0,003
7,291
6,755
6,775
6,824
6,900
6,996
7,094
7,143
7,193
7,237
7,265
7,282
7,288
Antimon- Wiimuth Reihe (bestimmt von Dr. M. Holsmenn).
Sb,Bi
7,863
7,866
7,864
80,2
9 ,6
10 ,4
7,864
9»,7
7,856
-H),008
7,750
8,142
GefdB-
Spec.
Gowiciil berechnet um*
Legirong.
»p.c.
G<-
wicbL
Tenp.
MiUel.
T»p.
a»4B
Volu-
Difle-
Jp.
dem
G«w
men.
«Itat.
wicht.
5b Bi
8,391
8,393
8382
10',7
11 ,0
" 3
8392
11*,0
8,9»
■+OJ0V7
8^68
8,671
SbBI,
8,883
8386
8,889
13 ,7
14/)
14 ,2
8^86
14 ,0
B£88
—0,002
8,786
9,118
SbBi(
9,278
8,374
9,277
11 ,7
12 ,1
12 ,6
9,277
12 ,1
9,272
+0,003
9,201
9,424
SbBI,
9,436
9,43»
9,434
9,0
»3
»3
8,43»
9 ,4
9,433
+0,00»
9379
9345
8,204
8.199
8,200
8,992
8,9H7
8,967
9,808
9,816
9,810
10,146
10,141
10,144
10,588
10,590
10,580
10,929
,194
11,196
11,193
Blei Reihe (bcttimi
14*3
15 ,6 8,201
11 3
10 ,4
12 ,0
12 ,8
13 ,8
14 ,2
15 ,0
15 ,2
15 ,5
15 ,5
19 ,0
19 ,0
19 ,8
19 ,8
19 ,8
20 ,0
20 3
i A. Mitthl.ri.n).
10,211
10,599
10,952
11,196
-0367
-0,056
—0,01 1
—0,067
-0,013
-0,022
—0,002
9,044
9,822
10,443
10,710
10,952
11,154
11,284
9,646
10,314
10,610
10,884
11,116
11,268
inn-Cadmiuis Reibe (b
alimn»
•OD A.
Miuhiefieu).
7,436
11*3
7,432
12 ,6
7,434
12» ,7
7,456
-0,022
7,488
7,433
13 ,6
7,191
14 ,9
7,488
15 ,2
7,489
1» ,0
7324
—0,035
7,566
7,487
15 ,0
29
e«4a-|
Sp*c. Gewi ctit ticrerluiel Darli
L*g;runB.
ip«. r
Grw.
Mittel.
T-ip.
dem
Voln-
Dirr*-
d.o,
dem
Gr-
widu.
Sn.Cd
7.691
7,689
I3°,0
12 ,0
13 ,8
7,690
12»,9
7,687
+0.O03
7,748
7,737
So Cd
7,900
7,90»
7,906
12 ,0
13 ,2
14 ,4
7,904
13 ,2
7,905
+o,ooi
7,974
7,962
Sa Cd,
8,136
8,139
8,141
14 ,8
8 ,8
9 ,8
.8,139
U ,1
8,137
+0.002
8,201
8,191
S„ Cd,
8,336
8.337
8.336
14 ,3
14 ,4
14 ,8
8,336
14 ,5
8,335
+0,001
8,383
8,375
Sa Cd,
8,432
8,43-3
8,431
14 ,4
15 ,2
15 ,3
8,432
13 ,0
8,424
+0.008
8,461
6,456
Zinn-Wismutl. Bub« (b«l!raml von Hrn. M. Cirlj).
SD|lBi
7,433 20* ,0 ■
7,440 20 ,0 ' 7,438
7,400 19 ,8!
19«,9
7,438
0,000
7,350
7,484
S^Bi
7,947 20 ,0
7,940, 20 ,0 7,913
7,943 1 20 ,0
20 ,0
7,925
+0,018
7,575
8,077
So4Bi
8,112 13 ,8 1
8.111 14 ,2 1 8,112
8.112 14 ,6'
14 ,2
8,071
+0,041
7,655
8,240
Sn.Bi
8,341 ' 16 ,2 1
8,337 , 12 ,0 8,339
8,340 13 ,4 |
13 ,9
8,305
+0,034
7,800
8,490
So.Bl
8,775 1 12 .0 i
8,771 ' 12 ,6 | 8,772
8,771 j 13 ,2,
12 ,6
8,738
+0,034
8,137
8,918
SoBi
9,179 15 ,5 .
9,179 15 ,8 9,178
9,177' 16 ,5
15 ,9
9,132
+0,046
8,558
9,272
SoBI,
9.435 14,5
9.134 15 ,0l 9,435
9.436 1 15 ,5
15 ,0
9,423
+0,012
8,980
9,513
SnBi,
9,612 ' 12 .2
9,618, 12 .8 9,614
9,612, 13 ,0,
12 ,7
9,606
+0,006
9,317
9,658
Hb«,
9.675 15 .0
9,671 ! 15 ,0 9,675
9,678 , 15 ,5 ,
15 ,2
9,674
+0,001
9,462
9,711
Legirnng.
Scfaa-
E
T»P.
MiifcJ.
Trap.
Spec.
Voln-
Gewicht 1
Dilfe-
5-
nach
dm
Gw-
SaBi,,
9,735
9,739
9,737
WM
19 ,8
19 ,7
9,737
HM
9,731
-1-0,006
9,593
9,764
SnK,.*
9,775
9,769
0,778
22 ,9
23 ,0
23 ,0
9,774
23 ,0
9,792
-0,018
9,741
9^60
SnBiH
9,803
0,803
9,804
22 ,9
22 ,7
22 ,7
9,803
22 fi
»301
-0,002
9,767
9307
SnBitt
9,813
9,808
9,812
19 ,0
19 ,0
19 ,0
9,811
19 ,0
9^07
+0,004
9,781
9311
Sdb;„
9,811
9,815
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19 ,7
19 ,4
9,811
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SnBi„,
9,814
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Sd.Aj
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19 ,3
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16 ,3
8,071
+0,152
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Sd,A(
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8,825
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13,7
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8,828
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Su Ag
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9,506
9,509
12 ,5
12 .7
13 ,5
0,507
12 ,9
9,086
+0,421
8,881
StiAg,
9,9»
9,950
9^52
14 ,0
14 ,8
15 ,6
9,953
14 ,8
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7,592
7,720
9,359
9,796
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14 ,8
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—0,021
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8,192
6,188
6,184
15 ,5
17 ,5
15 ,0
8,188
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8,110
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8,779
6.777
16 ,7
17 ,5
17 ,5
8,779
17 ,2
8,781
—0,002
6,655
9,459
9,158
9,464
15 ,4
15 ,4
15 ,6
9,460
15 ,5
9,474
-0,014
9,335
10,080
10,077
10,083
14 ,8
M ,8
14 fi
10,080
14,8
10,136
-0,056
10,015
10,591
10,593
10,56V
13 ,4
14 ,2
15 ,2
10,590
14 ,3
10,645
-0,055
10,560
10,814
10,816
10,814
16 ,0
16 ,2
14 ,7
10,815
15 ,6
10,857
-0,042
10,793
Spec Gewicht berwfcntl Dich
Volu ™^ Acaoi- Ge-
8,555
9,221
9,912
10,484
10,875
11,028
-Q«e«fc.ilber Reihe (b
rou Dr
M. Hol
»•»>)
9,358
9,365
9,364
9',5
9 ,9
10 ,2
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15,510
+0,057
16,320
16,832
+0,181
16,635
12,091
12,455
12,823
12,060
12,635
I 12,890
I 13,273
1 13,916
i 15,219
I 10,514
i 17,621
38
III. Veber eine neue Art elektrischer Ströme;
von G. Quincke.
Zweite Abhandlung.
Im 107. Baude dieser Annalen habe ich die elektrischen
Ströme beschrieben, welche entstehen, wenn Flüssigkeiten
durch irgend welche poröse Körper strömen. Es ergab
sich dabei, dafs besonders destillirtes Wasser diese elek-
trischen Ströme sehr deutlich zeigte und dafs bei Anwen-
dung dieser Flüssigkeit und Platten aus gebranntem Thon
die elektromotorische Kraft proportional dem Drucke war,
der das Wasser durch die Thonwand hindurchtrieb. Die
Gröfse und Dicke der angewandten Thonwand, so wie die
durchgeflossene Wassermenge wurden ohne Einfljifs auf die
Gröfse der elektromotorischen Kraft gefunden.
Ich werde im Folgenden die Resultate der weitereu
Untersuchung mittheilen, durch welche ich besonders den
Einflufs der Substanz des Diaphragma^ auf die Gröfse der
elektromotorischen Kraft festzustellen gesucht habe. Die
eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die Paragraphen
der ersten Abhandlung und die Figuren auf die Taf. I des
107. Bandes dieser Annalen.
25. Bei den früheren Versuchen war Piatinschwamin
zwischen Seidenplatten als Diaphragma angewandt worden,
und es konnten daher möglicher Weise die beobachtetet)
Ströme von der Seide und nicht von dem Platin herrüh-
ren. Um diesen Einwand zu beseitigen wurden mit einer
feinen Nähnadel Löcher so nahe aneinander wie möglich
in dünnes Platinblcch gebohrt, und später auf einem po-
lirten Ambofs mit einem platten Hammer wieder zuge-
klopft, so dafs kreisförmige Siebe aus Platinblech von etwa
Hmm Durchmesser mit äufserst feinen Löchern entstanden«
An diese Siebe wurden Platindräbte genietet, die so ent-
slandeneu Elektroden auf die gewöhnliche Weise mit coq-
centrirler Schwefelsäure und deslilhrteiti Wasser gereinigt,
und mittelst Siegellack au die Enden einer Glasröhre von
».H""" Durchmesser und 25"* Länge gekittet, in welche frisch
bereiteter Platinschwamm so fest wie möglich eingedrückt
worden war. An das so gebildete Diaphragma wurden dann
Glasröhren von demselben Durchmesser angekittet, in welche
Platindrähte mit angenieteten l'latinblecheu eingeschmolzen
waren, und es konnten also entweder diese Elektroden oder
die Plalinsiebe mit dem Multiplicator in Verbindung ge-
setzt werden. Der so vorgerichtete Apparat wurde dann
in der gewöhnlichen Weise vor den Wa scrwindkessel des
Druckapparales (C Fig. 5) geschraubt.
Bei 2000""° Druck und 2\i .1 C. flössen in der Minute
etwa *2'2*r destillirtes Wasser durch den Apparat. Es zeigte
sich, wie immer, ein elektrischer Strom im Sinne der Flüs-
»igkcilsslrömung und zwar betrug die Ablenkung am Spie-
gel Multiplicator (§.9) U2.S oder 24,6 Scaleulheile, je
nachdem die sieb für migen oder die äufsercu Platine!. -Um
den mit demselben verbunden waren.
Versucht man aber diesen elektrischen Strom durch den
Äwcigstrnin eines gewöhnlichen hydroelektrischen Stromes,
etwa einer DanieH'schcn Kette zu compensiren, um nach
der Poggendorff'schen Methode (§. 15) die elektromo-
torische Kraft des Diaphragmaapparates zu bestimmen, so
findet man schon bei geringen Stromintcnsitätcu des Haupt-
stromes eine bedeutende Ablenkung am Multiplicator, in-
dem der Zweigstrom der Da ui eH'scheu Kette statt zur
Compensatio!! des elektrischen Stromes im destillirten Was-
ser verwandt zu werden, direet durch die Substanz des
Diaphragmas, den Plalinschwarain, {liefst, und wegeil des
v erhält oitsmafsig geringen Widerstandes des Stromzweiges
eine bedeutende Intensität besitzt, Dieser Umstand wird
um so deutlicher hervortreten, wenn mau die inneren Elek-
troden, die Platinsiebe, zur Ableitung nach dein Multipli-
cator benutzt, wenn also der Zweigstrom gar keinen
schlechten Leiter, wie destillirtes Wasser zu durchfliefsen
40
hat, und es wird dadurch jede Messung der elektromotori-
schen Kraft an einem solchen Apparate vereitelt« Man kann
auch nicht einmal die Vertheilung der Ströme in dem Platin.
diäphragma berechnen und so durch Rechnung zur Bestim-
mung der elektromotorischen Kraft gelangen, weil der Pla-
tinschwamm durch das strömende Wasser zusammenge-
drückt wird, und seinen Widerstand Ändert
Aus diesem Grunde war ich bei der Bestimmung der
elektromotorischen Kräfte in der Wahl der Substanz, des
Diaphragmas leider auf solche Stoffe beschränkt« die an
und für sich schlechte Leiter der Elektricität sind.
26. Aber selbst in den Fällen, wo die Substanz des
Diaphragmas ein pchlechter Leiter der Elektricität war,
zeigten sich die früher angewandten Apparate nicht immer
ausreichend, geuaue Werthe der elektromotorischen Kraft
zu geben, indem die erhaltenen Zahlen immer zu kleine
Werthe haben, besonders merklich in den .Fällen, wo die
Poren des Diaphragmas, wie z. B. bei Seide, weit sind und
der Widerstand, den der elektrische Strom im Diaphragma
selbst zu überwinden hat, im Verhältnifs zu dem der gan-
zen Leitung gering ist.
Ein Beispiel wird diefs deutlicher machen. Es wurden
von sogenannter Seidewand, einem sehr dichten Gewebe
aus reiner ungefärbter Seide, die mehrfach mit heifsem de-
stillirten Wasser ausgewaschen und getrocknet worden war,
15 bis 20 Lagen auf einander gelegt und mit reiner eben-
falls in destillirtem Wasser gewaschener Nähseide am Rande
zusammengenäht, so dafs Päckchen von etwa 3™" Dicke
und 30mm Durchmesser gebildet wurden. Mehrere solcher
Päckchen wurden dann mit feinem Siegellack am Rande
untereinander verkittet und noch warm mittelst eines Schraub-
stockes zusammen geprefst, so dafs die Lagen sehr nahe' an
einander sich befanden. Das so erhaltene Diaphragma wurde
dann zwischen 2 Glasröhren gekittet, wie ich sie früher
(§. I. Fig. 1) beschrieben habe, wo die Platinplatten A
uud B möglichst nahe am Diaphragma sich befinden, um
diesseits und jenseits, oder wie ich in der Folge sagen will,
41
auf der. Berg- und Thalseite des Diaphragmas den elektri-
schen Strom zum Multiplicator abzuleiten.
An einem selchen Apparate, wo das Diaphragma aus
62 Lagen Seidewand bestand, bestimmte ich dann nach
der Poggcndorff sehen Methode in der- früher (§. 15)
angegebenen Weise die elektromotorische Kraft, während
der Widerstand des den Multiplicator enthaltenden Zwei-
ges 3 (Fig. 7) bedeutend geändert wurde. In der folgen-
den Tabelle sind diese Widerstände, welche aufser dem
Diaphragmaapparatc selbst in den Multiplica torkreis, und
zwar in den Zweig 3 eingeschaltet wurden, mit W und
W" in der mit W bezeichneten Columne angegeben.
W ist der Widerstand eines weiten mit destillirtein
Wasser gefüllten Diaphragmaapparates, von der in Fig. 2
§. 1 dargestellten Form, in welchen eine Thonplatte von 4mm
Dicke eingekittet war; W" der Widerstand eines ebenfalls
mit destillirtein Wasser gefüllten Glasröhrchens von 2mn,,7
Durchmesser und 85mn> Lauge, welches zwei mit destillir-
tein Wasser gefüllte Röhren eines Diaphragmaapparates von
der Form (Fig. 2) verband. Eine directe Messung dieses
Widerstandes Wn ergab ihn 10,26 Mal gröfser als den ur-
sprünglichen Widerstand des Multiplicatorkreises.
Die erste Columne der folgenden Tabelle giebt die No.
der Beobachtung, die zweite die Zeit der Ablesung in Stun-
den vom Füllen des Apparates an gerechnet, die dritte mit
* fiberschriebenc Columne die Ablenkung der Tangenten-
bussole, bei welcher keine Ablenkung am Multiplicator zu
bemerken war. Diesem Werthe von s ist die elektromo-
torische Kraft ' ) des Diaphragmaapparales proportional.
Unter <r steht die Ablenkung des Spiegtolmultiplicators, wenn
1) Der Widerstand der Silberspiralen ($. 16), von deren Ende der Zweig-
Strom abgeleitet wurde, war derselbe wie früber, doeb war die Tan-
geotenbassole etwa« anders aufgestellt worden, so dafs jetzt die gesuchte
elektromotorische Kraft e (J. 22) bei allen folgenden Versuchen
«=0,00387929«, D
ist, wo $ dir. an der Taogeoienbussolc abgelesenen Scalentheile und D
die elektromotorische Kraft einer Daniell*schen Kette beiAVcKwtA.
42
der Diaphragmaaparat allein wirksam war, und der elek-
trische Strom, nur die Zweige 3 und 2 (Fig. 7) durchflog
so dafs sich aus * und a auf den Widerstand des Multi-
plicatorkreises schliefsen läfst. p giebt den Druck in Mil-
limetern Quecksilber, der das Wasser durch das Seiden*
diaphragma hiudurchprefste, m die in der Minute hindurch-
geflossene Wassermenge. In der siebenten Columne ist
die Temperatur angegeben und unter tr die für Atmosphä-
rendruck (TöO0"" Quecksilber bei 0" C.) berechneten Werthe
von s, unter der Voraussetzung, dafs die elektromotorische
Kraft proportional dem Drucke wächst.
No 1
u !
• 1
a
P
m
Temp.
w
i
h
mm
*'
•
I
0,25
171,1
67,9
1026
162,5
16.60
126,4
2
44,25
1215
47,8
1011
101,7
14,87
90,3
3
124,0
22,8
1030
w
91,5
4
46
145,9
46,1
1030
15,28
107,6
5
41,6
17.7
1030
100
15,79
W"
30.7
6
132,7
42,4
1030
97,9
2 ff ss 24 mm d = 9mm.
Man siebt aus diesen Messungen, dafs die Werthe von $
bei sehr grofsen Widerständen viel zu klein ausfallen, wäh-
rend bei mäfsigen Widerständen, wie in No. 3 dieselben
Zahlen für die elektromotorische Kraft erhalten werden.
Es erklärt sich diefs nur dadurch, dafs die Flüssigkeit
im Diaphragma selbst eine Nebenschliefsung bildet, so dafs
nicht alle Elektricität durch den Multiplicator strömt, und
zwar wird um so weniger durch denselben fliefsen, je weni-
ger Widerstand der elektrische Strom im Diaphragma selbst
im Verhältnifs zu dem Gesammtwiderstande zu überwinden
hat. Man wird deshalb den Widerstand des Diaphragmas
selbst sehr grofs, die Poren also so eng wie möglich zu
machen habeu. Aufserdem müssen der Widerstand des Mul-
tiplicatorkreises möglichst klein gemacht, und die Platinelek-
troden möglichst nahe an das Diaphragma gelegt werden,
da hauptsächlich der Widerstand des destillirten Wassers
in Betracht kommt, gegen welchen der Widerstand des
Multiplicatordrahtes selbst verschwindet.
27. Es wurde deshalb das Diaphragma, wenn die all-
gewandte Substanz es erlaubte, aus so feinem Pulver ge-
stopft, dafs die einzelnen Theilchen von dem angewandten
Seidenzeuge, noch gerade zurückgehalten wurden, uud statt
der Plaiitiblechc wurden Netze, die aus sehr feinem Platiu-
draht gehäkelt waren, angewendet. Diese Netze wurden
auf die gewöhnliche Weise mit concentrirter Schwefelsäure
und deslillirtem Wasser gereinigt, in einer reinen Alkohol-
llammc geglüht, und dann zwischen das Diaphragma und
Glasröhren von der Form Fig. I gekittet, so dafs ein Ende
des Platindrahtes aus der Siegcllackkillung hervorragte und
mit dem Multiplicator verbunden werden konnte. In den
Glasröhren fehlten dann dir eingeschmolzenen Platindrühte.
Die netzförmigen Plafütelektrodeu befanden sich dicht an
den Enden des Diaphragmas, und gestatteten dein Wasser
mit Bequemlichkeit den Durchgang, Die folgenden Mes-
sungen sind, wo es nicht anders angegeben ist, alle mit die-
sen netzförmigen Plalinclrktroden angestellt, und. da die
ngewandle Flüssigkeit destithrtes Wasser war, so wurden
i durch das Bespülen keine die Messung störenden I. n -
Gleichartigkeiten hervorgerufen.
Es gelingt selten die Stromstärke des Hauplstromes
und i!en Werth von s so zu treffen, dafs am Multiplicator
wirklich keine Ablenkung erfolgt, sobald man den Multi-
plicalorkreis schliefst, indem bald die gesuchte elektromoto-
rische Kraft des Di aphragmaappa ratet, bald der Zweigstrom
das [JebergtMvichl haben wird. Es läfsl sich jedoch leicht
eine Correclion an dem beobachteten Werlhe von s an-
bringen, wenn man die Ablenkung ;• am Multiplicator beob-
achtet, die positiv oder negativ gerechnet wird, je nachdem
die Ablenkung im Sinuc der gesuchten elektromotorischen
Kraft e, oder im Sinne des Zweigstromes ist.
Bezeichnet <s die Ablenkung am Multiplicator, wenn nur
tromolorische Kraft e wirkt und durch den Stroro-
(Fig. 7) kein Strom fliefst, die Kette K also geöff-
net ist, so ist
44
wenn A eine von der Einrichtung des Multiplicatora ab-
hängige Constante und w} und tr, den Widerstand der
Zweige 2 und 3 (Fig. 7) bezeichnet. Wird jetzt die Kette K
geschlossen, so geben die Kirch hoff sehen Sätze die fro-
her (§. 15) mit (5) bezeichneten Gleichungen
if •+«•.=•)
Es ist nuu
**=A'r (*)
und da dieser Werth immer sehr klein ist, so wird ohne
merklichen Fehler
i9=zilssA$ (c)
gesetzt werden können, wo * die an der Tangentenbussole
abgelesenen Scalentheile und A eine vou der Einrichtung der
Tangentenbussole abhängige Constante ist.
In der Gleichung a läfst sich ferner der Werth von w7
gegen den vou w3 vernachlässigen, so dafs man erhält
e
und diesen Werth, so wie den von iA und i, in die .Glei-
chung 5a eingesetzt, giebt
Asw* + — e = e
oder
' c
a
e — Au>., s (d).
A w.: ist aber die Constante (in dieser Abhandlung
0,003879291); mit der s zu uiultipliciren ist, um e iu Ein
heiten der elektromotorischen Kraft der Daniel lachen
Kette ausgedrückt zu erhalten, und die iu der früher (§. 22)
angegebenen Weise bestimmt werden kann, so dafs der
beobachtete Werth von * nur mit °- zu multipliciren ist.
o-y
Die folgenden Tabellen enthalten schon die corrigirteu
Werthe von *, da der Correctionsfactor wegen der kleinen
Werthe von y immer sehr nahe = I war.
In vielen Fällen genügte natürlich nicht ein Daniell'-
sches Element als Kette K in dem Slroinzweig 1, und es wur-
45
den daher sehr oft mehrere Grove'sche Elemente angewandt,
die, sobald man sehr starke Salpetersäure anwandte und die
Flüssigkeiten in denselben täglich erneuerte, einen sehr
constanten Strom gaben.
29. Die folgende Tafel giebt die Beobachtungen an
einem Diaphragma aus 120 Lagen Seidewand, das ki der-
selben Weise wie das in §. 26 beschriebene erhalten wor-
den war. Die Bezeichnungen der Columnen sind dieselben
wie dort.
No.
Zeit
1
1
*
a
P
m
Temp.
$r
h
mm
**
0
1
0
272,1
338
1056
100
7,92
195,8
2
0,4
415,5
314,2
1061
123
7,75
297,6
3
22,4
319,0
267,2
1048
124,7
9,67
231,4
4
22,65
316,3
213,4
1044
125,3
9,63
230,2
5
23
318,0
216,1
1053
121,4
9,53
229,5
6
23,5
317,3
231,7
1040
115,3
10,01
231,9
7
71,25
293,6
223,9
1054
120
12,24
211,6
8
71,50
301,3
216,7
1055
115,3
12,08
217,0
Die Seide wurde, obwohl die Temperatur nicht hoch
war, von dem Wasser. angegriffen, denn das durchgeflossene
Wasser zeigte einen eigentümlichen alkalischen Geschmack.
Eis ist also möglich, dafs die Abnahme der elektromotori-
schen Kraft in der Zersetzung der Seide ihren Grund hat
Man sieht aber, welchen Einflufs die Gestalt des Apparates
auf die Bestimmung von $, hat, indem jetzt viel gröl'sere
Werthe als in §. 26 erhalten wurden. Möglich ist es frei-
lich, dafs bei einem Diaphragma aus dichterem Seidenzeuge
als dasjenige war, welches mir zu Gebote stand, noch grö
fsere Werthe erhalten werden können.
30. Man könnte nun meinen, wenn bei dem Seidendia-
phragma die Werthe der elektromotorischen Kraft so von der
Einrichtung des Diaphragmaapparates afficirt werden, dafs auch
bei den Platten aus gebranntem Thon mit Apparaten aus Pla-
tinnetzwerk gröfsere Werthe von * erhalten werden würden.
Bedenkt man aber, dafs die Poren eines solchen Thondia-
phragmas äufserst eng sind und die Hauptwiderstände aus-
machen, und dafs sich aus §. 13 kein Unterschied bei An-
46
wenrdung von Apparaten verschiedener Einrichtung ergeben
hatte, so wird man das Unwahrscheinliche dieser Ansicht
einseheu, was denn auch durch die folgenden Versuche be-
stätigt worden ist.
Es wurden aus derselben gröfseren Thonplatte 2 klei
nere Scheiben von 4"m Dicke geschnitten, und diese in
2 Apparate gekittet, von denen der erste netzförmige Pla-
tinelektroden, der zweite die Form (Fig. 1) hatte. Der
Durchmesser des ersten Apparates war 2\fimm, der des zwei-
ten 23B,m,4. Die folgende Tafel giebt die Beobachtungen
an diesen beiden Apparaten, auf welche sich die unteren
Indices der Buchstaben beziehen.
Bei den mit einem * bezeichneten Versuchen Nr. 1, 4,
6, 8, 9 wurde nur das Verhältnifs der elektromotorischen
Kraft beider Apparate bestimmt, nach der im §. II angege-
benen Methode, und es bedeuten die unter cx und tt, bei
diesen Versuchen angegebenen Zahlen die in jenem Para-
graphen mit st und stt bezeichneten am Spiegelmultiplicator
abgelesenen Ablenkungen. Die letzte Columne enthält dann
das aus diesen Werthen nach der Gleichung 4 (§. 11) be-
rechnete Verhältnifs der elektromotorischen Kräfte beider
Apparate -=-'. Bei den Bestimmungen nach der Poggen-
dor ff 'sehen Methode ist diefs Verhältnifs direct durch das
Verhältnifs *±
«2
gegeben.
No
i
Zeit ! f| | s2 Oi
1 ! I
*J
V
171,
JTtg
T i «
Tera^| E%
h
i
i
mm gr | gr 0 '
1*
0,5
i
85,4
11,1 1063 0,447,0,426 14,75 1 1,299*
2
0,75 91,2 ! 91,2
105,0
75,1
1059 0,475 1 14,75,1
3
19
92,9 | 86,3
88,4
74,4
1070 0,452
0,412 12,80 1,076
4*
19,5
81,3
0,8 1070 0,474 0,430 13,65 ! 1,020*
5
25,5
121,5
123,7
100,4
61,3 1069
12,64 ; 0,982
6*
25,75
73,4
— 1,7 1069
0,416
0,396
12,64 , 0,977*
7
48
131,4
126,9
137,9
60,3 1071
13,05 1,039
8*
48,5
1*22,6
— 1,4 1073
0,377
0,376
12,60
0,977*
9*
240,5
60,5
- 5,0 1067
*
9,78
0,847*
10
240,75
85,4
79,1
52,5
74,6
1067
0,348
0,370
9,78
1,079
Vor den Versuchen Nr. 3, 5 und 7 war 3h, 3b und 6*
defltillirte8 Wasser durch die Diaphragmen getrieben worden,
ohne dafs die Elektroden der Apparate mit einander in
tallischer Verbindung blanden.
Mau siehl daraus, dal« die elektromotorischen Kräfte
beider Apparate nicht mehr von einander abweichen , als
die Bestimmungen au Apparaten von genau derselben Con-
Istruclion. Die folgende Tafel giebt zugleich die auf Al-
mosphäreu druck reducirlen Werlhe von «, und *,.
No.
,
■»
*■
*
w
1
05,44
«5,44
ms.o
75,1
14.75
3
65.98
61,30
88,4
74,4
12,8»
5
86..16
H7.94
HHI.I
61.3
12,64
7
m,n
90.115
137.9
6H.3
13,05
II)
60,82
56,3t
5'2,5
74,6
9,78
elek-
Nr. 5
Dafs bei dem A|>paral I das giofsere Maximum di
lutorisrhen Kraft gefunden wurde, ist Zufall, dem
iebt I. B. einen grüfseien Werlli für den Apparat 2, und
es ist leicht möglich, dafs der letzlere Apparat zu einer an-
dern Zeit ein noch grüfscres Maximum als B&M gehabt hat.
31. Um zu sehen, ob verschiedene Sorten von gebrann-
tem Thon verschiedene Werthe geben, wurden anch einige
Beobachtungen an Platten aus Berliner Porcellanmasse ge-
macht, von denen die einen nur ganz schwach verglüht.
die anderen einer sehr hohen Temperatur ausgesetzt gewe
sen waren, so dafs sie aber noch dein Wasser den Durch-
gang verstanden. Als Elektroden wurden Platinuclze an-
gewandt.
Bei schwach verglühter PorceUanmaite erhielt ich fol-
gende Zahlen:
2 r = 21»», 5 d = 3-™,740.
Bei der stark verglühten Porceltanmasse dagegen an
r etwas dünneren Platte
48
2r = 21--,5 rf=3""»,104.
No.
Zeit
$
*
1
' i
m
Temp.
h
mm
S*
•
0
26,8
1037
0,676
11
23,75-
71,2
50,0
1057
0,669
11,59
28,75
71,6
54.6
1071
0,523
9,40
43,5
65,8
63,2
1075
0,433
10,66 |
1
2
3
4
»1,91
50,81
46,54
Man sieht wie die letztere Platte sich schwerer verstopft
als die erstere, und auch langsamer ihre elektromotorische
Kraft sinkt Die Beobachtungen an der schwach geglühten
Platte zeigen zu gleicher Zeit, dafs das destillirte Wasser
etwas von der Thouplatte aufgelöst haben mufs, wodurch
die Leitungsfähigkeit erhöht wurde, indem die Werthe von b
in beiden Beobachtungen fast denselben Werth haben, wäh-
rend doch in Nr. 2 die elektromotorische Kraft weit klei-
ner ist.
Diefs tritt auch bei den Beobachtungen 3 und 4 an
der anderen Platte recht deutlich hervor, wo der kleineren
elektromotorischen Kraft sogar die gröfsere Ableukung am
Multiplicator entspricht.
Man kann dann die elektromotorische Kraft wieder da-
durch erhöhen, dafs man längere Zeit Wasser durch den
Apparat strömen läfst, welches die Salzlösung verdrängt, und
das Diaphragma auswäscht.
32. Ich habe diese Erscheinungen besonders bei einem
Diaphragma aus Asbest verfolgt, einer Substanz von sehr
geringer Löslichkeit, bei der aufserdem wegen der weiteren
Poren des Diaphragmas das durchströmende Wasser leichter
die Salzlösung entfernte. Der angewandte Asbest war mehr-
fach mit destillirtem Wasser ausgekocht und ausgewaschen
worden, um alle löslichen Theile zu entfernen. Die feste-
ren Theile, bei denen die Fasern noch aneinander hafteten,
wurden herausgesucht und in einem reinen Platintiegel über
einer Spirituslampe mit doppeltem Luftzüge geglüht. Nach
dem Erkalten wurden sie mit starker weifser Nähseide zu
einem conischen Bündel von etwa 12wm Länge und 17""
Durchmesser zusammengeschnürt, welches mit Siegellack in
eine weitere Glasröhre nnd dann zwischen 2 Diaphragroa-
röbren von der Form (Fig. 2) gekittet wurde. Das Wasser
trat an der breiteren Baue in das Asbestbündel ein, drückte
es also noch fester in die Siegellack kittung und verengerte
so allmählich die Poren. Die folgende Tafel giebt einen
Theil der Beobachtungen an diesem Diaphragma.
Mo.
Zeit
-
■
P
,
Tcr.p.
..
1
0
116.2
49,9')
2028
13,13
20,58
43,70
9
15.25
126
57,2')
203 t
14,13
21.70
47.31
3
47,5
124
297.1
2027
13,24
23,41
46,68
4
4a
124,6
265,8
2029
13,57
23,65
46,86
&
107,5
119,3
350.0
2031
12,69
25,72
44,92
6
108,25
119,9
242,8
2023
12,52
25,66
45.24
7
152,25
117,5
222.1
2025
12,62
24,00
44,27
s
153.50
126,3
195,7
2023
12,19
23,95
47,64
9
im.: 5
134,4
197,7
2040
11,52
24,10
50,27
10
175
132,8
225,1
2031
10,83
21,10
49,69
11
176
152,2
179,9
2024
10,54
21,12
57,15
13
1090
64,2
121
1069
3,19
15,48
38,53
Man sieht daraus deutlich, wie immer durch längeres
Stehen die Leitungsfähigkeit der Flüssigkeit zu- und die
elektromotorische Kraft des Apparates abnimmt, und wie'
die letztere durch das Durchströmen des destitlirten Wassers
sofort erhöbt wird. Als der Apparat über einen Monat un-
benutzt gestanden hatte (zwischen Beobachtung 11 und 12)
konnte jedoch die elektromotorische Kraft nicht wieder durch
Auswaschen des Diaphragmas auf ihren früheren Werth
gebracht werden.
33. Die elektrischen Ströme welche auftreten, wenn de
stiUirtes Wasser dnreh thierische Membranen geprefst wirdf
sind aufaerord entlieh schwach und können nur mit sehr em-
pfindlichen Multiplicatoren beobachtet werden. Die fol-
gende Tabelle giebt die Beobachtungen an einem Stücke
frischer Harnblase vom Schwein, die zwischen zwei Bohren
von der Form (Fig. I) gekittet worden war.
1) Bei dicseii beiden Beobachtungen balle der MuLiplicaior eine Neben
Pofgeodorffi AuimI. Bd. CX.
50
No.
Zeit
2r
t
— 2|—
a
d =
P
= 2,5-
m
Terop.
fr
1
2
3
h
0,5
33
53
10,5
10,1
8,4
12,7
36,4
38,3
mm
20.38
2027
2008
! 2,018
: 0,959
1,922
23°,75
23,7
21,7
3,931
3,802
3,190
Bei dem Versuche Nr. 3 war schon durch den Geruch
die beginnende Fäulnifs der Membran zu erkennen.
34. Von derselben Ordnung, wie bei thierischen Mem-
branen, ist die elektromotorische Kraft bei Diaphragmen
aus Elfenbein, wenn auch hier wegen des geringeren Lei-
tungswiderstandes die elektrischen Ströme leichter zu beob-
achten sind. Eine genaue Bestimmung derselben war aber
deshalb nicht ausführbar, weil das destillirte Wasser das
Elfenbein, welches in Form von Sägespänen in ein an
den Enden mit Seidenplatten verschlossenes Glasrohr fest
eingedrückt war, angriff und auflöste. In der durchgeflos-
senen Flüssigkeit, die eine bräunliche Färbung und einen
süfslichen Geruch und Geschmack zeigte, liefsen sich Kalk-
salze nachweisen, so dafs vielleicht auch diesem Umstände
die geringe elektromotorische Kraft zugeschrieben werden
mufs. Das Diaphragma von 23mn> Durchmesser und 34""
Länge wurde zwischen 2 Glasröhren von der Form Fig. 2
gekittet, und wenn auch die Platinelektrodeu nicht direct
von der Flüssigkeit bespült wurden, so traten doch stets
so grofse Ungleichartigkciten auf, dafs die Zahlen der fol-
genden Tafel nur als Annäherungen zu betrachten sind.
No.
Zeit
t
a
V
vi
i 1 emp.
fr
t
1
2
h
0
0,25 .
10,94
11,04
48,5
41,5
mm
1050
1049
66,4
62
0
16,7
16,56
7,92
8,00
Ich bemerke hierbei, dafs diese Messungen im Sommer
angestellt wurden, wo das feuchte Sägemehl des Elfenbeins
leicht in Fäulnifs übergeht. Ein halbes Jahr früher hatte
ich mit Diaphragmen von frischem Sägemehl viel bedeuten-
dere Ablenkungen am Multiplicator erhalten. Auch aus
Faraday's Untersuchungen scheint hervorzugehen, dafs
51
sich nicht alles Elfenbein gleich verhält, indem eine Elfen-
beinröhre durch längeren Gebrauch die Eigenschaft er-
langte, den durch sie vom' Dampf hindurchgetriebenen
Wassertheilchen die Fähigkeit zu nehmen, feste Körper zu
elektrisiren, welche in den Dampfstrahl gehalten wur-
den ')•
35. Während diese organischen Stoffe nur schwache ,
elektromotorische Kraft zeigen, ist dieselbe bei Schellack
so grofs, dafs die Tangen tenbussole nicht mehr ausreichte,
um die zur Compeusation erforderlichen Stromintensitäten
beobachten zu können. Ich brachte deshalb an derselben
eine Nebenschliefsung aus dickem mit Seide besponnenen
Kupferdraht an. Eine Bestimmung mit der Wheatstone'-
schen Brücke ergab den Widerstand der Tangentenbussole
nebst Zuleitungsdrähten 6,574 Mal gröfser als den der Ne-
benschliefsung, so dafs die zur Compensation der elektromo-
torischen Kraft des Diaphragmaapparates verwandten Ströme
7,574 Mal gröfser waren als die Ablesung an der Tangen-
tenbussole ergab.
Die Columne s der folgenden Tabelle giebt die abge-
lesenen Scalentheile; unter sr stehen dann die mit 7,574
multiplicirten und auf Atmosphärendruck reducirten Werthe
von 8.
.Das Diaphragma wurde in der Weise hergestellt, dafs
Schellack der besten Sorte, wie er im Handel vorkommt,
in einem neuen Porcellanmörser gepulvert, und durch sei-
dene Möllergaze gebeutelt wurde, so dafs ein höchst feines
Pulver entstand, welches in eine Glasröhre von 22,5mni Durch-
messer und 34,8"™ Länge möglichst fest eingepreßt wurde.
Zwei über die Enden dieser Glasröhre gespannte Stücken
Seidewand verhinderten das Fortführen des Schellackpulvers.
Das ganze Diaphragma wurde dann in der früher §. 27 be-
schriebenen Weise zwischen zwei Glasröhren mit netzförmi-
gen Elektroden eingekittet.
1) Faraday, exper. researchy T. ll> §. 2144.
4*
52
No. 1
Zeit
f
i
P
M
Terop.
• r
h
i
mm
*r
•
1
0
56,8
102,6
1060
31,77
11,93
308,4
2
0,5
119,1
94,3
1046
31,33
11,89
655,4
3
0,75
112,6
93,6
1051
30
11,83
616,7
4
1
120
93,1
1049
29,2
11,83
658,2
5
25
128.6
90,8
1055
27,83
11,26
701,6
6
70
146,4
144,3
1051
21,87
11,03
801,8
7
71
150,8
145,3
1063
21,56
10,64
816,6
8
74
157,1
131,0
1063
14,69
10,24
850,7
9
122
70,3
150,8
1069
15,63
. 9.78
378,5
10
123
141,3
113,8
1044
15,08
8,98
779,1
11
167
130,3
97,5
994
i 13,26
9,57
754,6
12
168
140,9
99,5
1081
! 12,61
9,00
750,3
Vor der Beobachtung Nr. 6 war 6h laug destiüirtes
Wasser durch den Apparat geflossen, ohue dafs die Platin-
netze in metallischer Verbindung standen; ebenso vor den
Beobachtungen No. 2, 8, 11, jedoch hier kürzere Zeit.
Durch längeres Stehen scheint auch hier das Schellack-
pulver vom destillirten Wasser angegriffen zu werden, da
mit der Wasserströmung kleine Luftblasen aus dein Dia-
phragma hervordrangen. Im allgemeinen giebt jedoch ein
Diaphragma aus dieser Substanz die constantesten Zahlen
für die Grüfse der elektromotorischen Kraft.
36. In derselben Weise wie Schellackpulver wurde
gewöhnlicher Quarzsand zwischen Seidenplatten in einer
Glasröhre von 23,8n,B1 Durchmesser und 38,3mm Länge als
Diaphragma benutzt. Es war gewöhnlicher Sand, wie er
in den Haushaltungen benutzt wird, der, um alle löslichen
Stoffe und besonders darin enthaltenes Eisen zu entfernen,
6 Wochen lang mit heifsem Königswasser behandelt und
dann sorgfältig mit destillirtcin Wasser ausgewaschen wor-
den war. Das Eisen war jedoch nicht ganz entfernt wor-
den, denn es waren in der Masse noch zahlreiche schwarze
Pünktchen vorhanden, die auch nicht verschwanden, wenn
der Sand in einem Platintiegel über einer Spirituslampe
mit doppeltem Luftzuge längere Zeit heftig geglüht wurde,
um die letzten Spuren Säure zu verjagen.
Die folgende Tafel giebt die Beobachtungen, wobei die
53
Tangentenbussole wieder mit der Nebenschliefsung verse-
hen war.
No.
Zeit
t
a
V
m
Terop.
• r
1
h
24
257,1
171,6
mm
1036
284,5
10°36
1428,9
2
24,5
269,9
183,0
1037
1 275
11,05
1498,8
3
25,25
262,0
182,8
1038
273,6
10,74
1452,9
4
25,75
261,0
185,6
1029
270,1
11
1460,3
5
26
270,5
195,6
* 1033
273,5
11,48
1507,9
6
48,5
283
180,2
1022
256
10,91
1577,6
4
49,5
287,7
181,7
1035
250
10,26
1599,5
8
50,25
276,2
190,3
1033
290,9
10,89
1539,6
9
50,5
286,8
H6.2
1038
236
10,76
1590,5
• 10
408,5
202,0
153,1
1047
210,2
10,44
1110,6
11
409
199,1
157,0
1046
201,8
10,44
1095,6
37. Die gröfsten elektromotorischen Kräfte geben je-
doch Diaphragmen, welche in derselben Weise wie die aus
Schellack, aas pulvterisirtcm Schwefel bereitet werden. Ich
habe mehrfach, aber vergeblich, versucht mit solchen Dia-
phragmen constante Resultate zu erhalten, und besonder
scheint es unmöglich bei Anwendung von Schwefelblumen
die letzten Spuren Schwefelsäure zu entfernen, die immer
in denselben enthalten sind. Ja es scheint sogar, als ob
bei Anwendung von gewöhnlichem pulverisirten Schwefel
derselbe oxydirt wurde, entweder durch den Sauerstoff der
vom Wasser absorbirten Luft oder den durch die elektro-
chemische Zersetzung freigewordenen Sauerstoff, da ja immer
ein Theil des elektrischen Stromes sich schon im Diaphragma
selbst ausgleicht. Möglich ist es freilich auch, dafs die ver-
- schiedenen allotropischen Zustände des Schwefels verschie-
dene Werthe geben, da in den Schwefelblumeu nach We-
ber ') die in Schwefelkohlenstoff unlösliche Modification
des Schwefels enthalten ist.
Es wurde daher gewöhnlicher Stangenschwefel mehrere
Tage hindurch einer Temperatur von über 100° ausgesetzt,
um sicher zu seyn, dafs aller Schwefel in Schwefelkohlen-
stoff löslich war. Der im Porcellanmörser gepulverte Schwe-
fel wurde dann durch die feinste seidene Müllergaze gebeu-
1) Pogg, Ann. Bd. C, S. 130.
54
teli und auf die gewöhnliche Weise in eine Glasröhre
sehen Seide gebracht. ,
Die folgende Tafel giebt die Beobachtungen an einem
solchen Diaphragma von 21M Durchmesser und 36,3"" Dicke
und netzförmigen Platinelektroden. Man mufs jedoch die
Vorsicht gebrauchen, dafe das Schwefelpulver beim Einkit-
ten nicht schmilzt, was nicht leicht zu erreichen ist» wenn
der Apparat doch den starken Druck ertragen soll, weil
sich sonst schweflige Säure und Schwefelsäure bilden, wo-
durch die elektromotorische Kraft bedeutend verringert wird
Die letzten Spuren Säure können auch nicht entfernt wer-
den, wenn man noch so lange destillirtes Wasser durdf
den Apparat hindurchprefst.
Vor der Beobachtung 5 war lh lang Wasser durch den
ungeschlossenen Apparat geflossen.
No.
Zeit
t
a
P
m
Temp.
fr
h
mm
&«•
0
1
0
195,1
188,1
1062
25,89
11,26
1057,5
2
0,5
335
188,2
1060
23,20
11,38
1819,2
3
0,75
282,6
206,7
1060
23,20
11,38
1534,7
4
1,25
316,2
200,7
1061
23,00
11,65
1715,5
5
3,25
466,0
193,0
1065
24,29
11,42
2518,7
6
22,25
399,9
182,9
1038
20,21
9.36
2217,5
7
24,25
408,7
187,0
1046
19,41
11,46
2249,1
Die folgenden Beobachtungen an demselben Diaphragma-
apparate wurden in. der Weise angestellt, dafs die elek-
tromotorische Kraft £, mit einer Hydrokette aus 7 (oder in
Beobachtung No. 11 aus 6) Grove' sehen Elementen nach
der §. 11 angegebenen Methode verglichen wurde. Unter
st und su stehen die an jener Stelle mit diesen Buchstaben
bezeichneten Ablenkungen des Spiegelinultiplicators, unter G
die darnach berechneten elektromotorischen Kräfte des Dia-
phragmaapparates in Einheiten der elektromotorischen Kraft
G eines Grove'schen Bechers. Die letzte Columne sr giebt
die Werthe der elektromotorischen Kraft berechnet in Scalen-
theilen der Tangentenbussole für Atmosphärendruck, wenn
man, wie mehrere directe Bestimmungen ergaben, 6=405,23
Scalenthcilen an der Tangentenbussole ohne Nebenschlie-
fstmg letzt, so dafs also die Werlhe von s, im allen Ta-
bellen vergleichbar sind.
No.
Z«i
;
■-
•
.#-
■
T«*
G
,
i
■illi.TS
314
314,75
2S2.7
3<)6,7
321,2
243,8
— e,2
— 106,3
— IIS.4
— 38,0
138,3
110,9
1 i].iö
1051t
IUG'2
11)69
10.90
14.29
12,50
I0°3
11,73
11,48
6,517
8,426
3.22IS
4,373
1906
llllll
836
tau
Zwischen der Beobachtung 8 und 9 war der Wasser-
wnulkcssel des Druckappnrales mit fii?rliem deslilliilen Was-
ser gefüllt worden, während in der Stube Dämpfe von sal-
petriger Säure (von der <> r o v c ' sehen Ketle herrührend)
verbreitet waren. Das desfillirtc Wasser war etwa 10 Mi-
nuten mit dieser Atmosphäre in einem offenen Becherglase
in Berührung gewesen, und halte in dieser Zeit doch soviel
Säure aufgenommen, dafs dadurch die cleklrouiotorische
Kraft des Diaphragmaapparates fast bis auf die Hälfte ge-
BBUkea war. Das Schwefelpulver halt dann dre Säure mit
solcher Kraft zurück, dafs auch durch tagelanges Durchströ-
men von destiliirtem Wasser dieselbe nicht entfernt werden
kann und die elektromotorische Kraft nicht mehr ihre frü-
bero Grölse erreicht. Wegen dieser ungeheuren bjnpiind-
lichkeil der Apparate, die die ganze Untersuchung sehr er-
schwert, ist es' auch bei der gröfsten Sorgfalt und Reinlich-
keit nicht möglich, jede Möglichkeit einer Verunreinigung
attszuschliefscn, und es schien sogar das deslillirte Wasser
in verschiedenen Ballons derselben Fabrik verschieden«
Werl he zu geben, obwohl sich nicht die geringste Spur
eines Rückstandes beim Verdampfen einer gröfscren Was-
sennenge in einer Plalinschaale zeigte.
Die Beobachtungen an Schwefelblumen ergaben im Ge-
gensatz zu allen anderen Substanzen sofort nach dem Füllen
des Apparates mit destiliirtem Wasser die höchsten Werfte
für *,. welche zuerst schnell, dann langsam abnahmen, so
1 dafs sich Wochen hindurch diese Abnahme verfolgen läl'sl.
So fiel bei einem Apparate in einer halben Stunde der
Werlh von s, von 1291 auf 1090, belru^ nacU ^4 Svotäk»
56
850, und war nach 3 Tagen auf 739 gefallen, während sich
die in der Minute bei 1000mm Druck durchgeflossene Waa-
sennenge von 220*r um die Hälfte vermindert hatte.
38. Stellt man die bei destillirtem Wasser und den ver-
schiedenen Substanzen als Diaphragma erhaltenen gröfeten
Werthe von 5 zusammen und vergleicht sie mit der elek-
tromotorischen Kraft eines Dani eil' sehen Elementes, so
ergiebt sich folgendes Resultat.
No.
Namen
tr
D
1
Schwefel
2518,7
977,07
2
Quarzsand
1599,5
620,49
3
Schellack
850,7
330,01
4
Seide
297,5
115,45
5
Daniell'ache Elena.
257,8
100,00
6
Gebrannter Thon
93,2
36,15
7
Asbejt
57,1
22,15
8
Porcellanmasse
51,1
19,86
9
Elfenbein
8,0
3,10
10
Thierische Blase
3,9
1,51
Die letzte Columne unter D enthält die elektromotori-
sche Kraft der verschiedenen Apparate bei Atmosphären-
druck, wenn die einer Daniell'schen Kette = 100 gesetzt
wird.
Wenn nun auch die Zahlen von der Construction der
Apparate abhängen, und nicht auf grofse Genauigkeit An-
spruch machen können, so ist doch immerhin die Ordnung
der verschiedenen Substanzen daraus zu ersehen, so wie die
aufserordentlich grofsen elektromotorischen Kräfte, die bei
Atmosphärendruck in demselben auftreten, so dafs es nur
dem grofsen Widerstände des destillirten Wassers zuge-
schrieben werden kann, dafs die auftretenden Ströme so
schwache Intensität haben. Auffallend erscheint besonders
die hohe Stellung des Quarzes, wo noch dazu wegen der
Grobkömigkeit des angewandten Sandes die erhaltenen Zah-
len klein ausgefallen sind.
Dabei möchte ich auch noch darauf aufmerksam machen,
dafs von chemischen Verschiedenheiten der Flüssigkeit inner-
halb und aufserhalb des Diaphragmas die auftretenden elek-
57
frischen Ströme nicht wohl herrühren können, da durch
einfachen Contact niemals elektromotorische. Kräfte, die das
Zehnfache einer D an iell' sehen Kette übersteigen, erzengt
werden können.
39. Beweist schon die Polarisation der Platinelektroden,
dafs die elektrischen Ströme der Diaphragmaapparate che-
mische Zersetzungen hervorbringen, so habe ich doch auch
Jodkalium zu zersetzen versucht Es gelingt diefs leicht,
indem man 2 Platinspitzen in bekannter Weise auf befeuch-
tetes Jodkalium papier setzt; nach kurzer Zeit erscheint dann
unter der mit der Thalplatte des Diaphragmaapparates in
Verbindung stehenden Spitze ein brauner Jodfleck. Bei
Umkehr des Stromes verschwindet er und erscheint unter
der anderen Platinspitze. Ich habe als Diaphragma hierbei
Schwefel und Quarz angewendet.
40. Bei der grofsen elektromotorischen Kraft der ver-.
schiedenen Apparate läfst sich nun auch mit Leichtigkeit
freie Elektricität nachweisen, entweder an einem Säulen-
elektroskope oder an einem gewöhnlichen Goldblattelektro-
skope mit Hülfe des Condensators. Die Thalelcktrode des
Diaphfagmaapparate8 zeigte immer freie positive, die Berg-
elektrode freie negative Elektricität. Ich habe diese freie
Elektricität bei destillirlem Wasser und Diaphragmen aus
Schwefel, Quarz, Schellack, Seide und Asbest mit Sicherheit
nachweisen können.
Die eine Elektrode des Diaphragmaapparates wurde da-
bei zur Erde abgeleitet, oder es wurde mit der einen Elek-
trode die obere, mit der anderen die untere Condensator-
platte verbunden.
Der Ausschlag der Goldblättchen war derselbe, mochte«
die Berührung momentan gewesen seyn, oder längere Zeit
gedauert haben. Die Spannung der freien Elektricität bei
einem Apparate mit Schwefeldiaphragma, der bei einem
Drucke von lOöO"1111 eine elektromotorische Kraft von 7 Gro-
ve'schen Elemente hatte, wurde mittelst desselben Conden-
sators mit derjenigen der freien Elektricität der Pole dieser
Grove'schen Säule verglichen, und gleich dieser gefunden.
58.
41. Ich habe ferner vielfach versacht die elektromoto-
rische Kraft bei anderen Flüssigkeiten, als bei destilürtem
Wasser zu bestimmen, ohne jedoch dabei zu constanteo
Resultaten gekommen zu seyn.
Im Allgemeinen läfst sich nur sagen, dafe Zusatz von
Alkohol zum destillirten Wasser die elektromotorische Kraft
erhöht, Zusatz von Säuren oder Salzlösungen dieselbe
schwächt Dabei dürfte es schwer zu entscheiden seyn, ob
dabei die erhaltenen Werthe durch die geringere oder grö-
fsere Leitungsfähigkeit der Flüssigkeit für Elektricität be-
dingt werden, indem im enteren Falle ein kleinerer, im
letzteren ein gröberer Theil des elektrischen Stromes sich
im Diaphragma selbst durch Nebenschliebung ausgleichen
wird, worauf ich schon im Anfange dieses Aufsatzes auf-
merksam gemacht habe.
Die Concentration der Flüssigkeit ist dabei innerhalb
des Diaphragmas eine ganz andere als aufserhalb, die Lei-
tungsfähigkeit derselben für Elektricität ist dadurch unbe-
kannt, und es ergaben daher die Versuche auch durchaus
keine Gesetzmässigkeit.
Einige Zahlenangaben mögen diefs erläutern.
Es wurde durch einen Apparat mit Diaphragma aus stark
verglühter Porcellanmasse und netzförmigen Platinelektroden
destillirtes Wasser geprefst, und dann Lösungen von Koch-
salz, die in der folgenden Tafel mit ABC bezeichnet sind
und beziehlich
0,00025**, 0,0005*% 0,005«*
NaCl in l*r Flüssigkeit enthielten. Die Beobachtungen er-
gaben, wenn die elektromotorische Kraft nach der Pog-
gcndorff'schen Methode bestimmt wurde:
59
No. Zeit
rf = 3»m,19 2r=r21"»
tu
Terop.
Destillirtes Wasser.
1 | 56,5 | 95,3 | 76,7
mm gr 9
1052 | 0,505 | 10,32 | 68,85
NaCI = Lösung A.
2 | 81,5 | 15,6 | 9,2 | 1077 | 0,573 | 10,60 | 11,01
Na Cl = Losung B.
3| 83,5 | 10,8 | 6,7 | 1074 | 0,560 | 10,85 | 7,64
Na Cl = Lösung C.
5,7 | 4,0 | 1067 | 0,561 | 11,18 | 4,06
4 | 85,5
Schon bei der Lösung C wurden jedoch die Elektroden
so ungleichartig, dafs es nicht möglich war, Lösungen von
gröfserer Concentration anzuwenden.
Andere Versuche mit Kochsalzlösungen ergaben ganz
ähnliche Zahlenwerthc.
42. Wurde durch einen Apparat von derselben Cou-%
struetion wie der eben erwähnte destillirtes Wasser und
dann ein Gemisch von Alkohol und Wasser geprefst, so
ergaben die Beobachtungen:
d es 3™,40 2 r = 21»«,5.
No. 1
Zeit
s
o*
P
fit
lerop.
•r
Destillir
tes Wasser.
11
h
21 |
71,7 |
59,9 |
mm gr 0
1074 | 0,423 | 7,6 |
50,72
Alkohol -
Wasser.
Spec. Gew. =0,9694.
2
3
4
23
23,5
24
76,5
78,3
74,3
67,5 |
65,3
64,5 |
1051
1076
1061
0,206
0,249
0,237
7,6
7,6
55,30
55,29
53,25
Alkohol -
Wasser.
Spec Gew. =0,9497.
5
6
7
25,25
25,75
26,25
78,7
78,2
78,7
77,0
67,5
78,6
1072
1054
1071
0,214
0,210
9,25
9,32
55,8
56,36
60
Versuche nach der Fechn er' sehen Methode (§. 11), wo
die elektromotorischen Kräfte zweier Apparate mit Thondia-
phragma verglichen wurden, deren einer destillirtes Wasser,
deren anderer ein Gemisch von Wasser und Alkohol ent-
hielt, ergaben ebenfalls, dafs die elektromotorische Kraft
durch Zusatz von Alkohol zum Wasser vergröfsert wurde.
43. Während durch Zusatz von NaCl zum destillirten
Wasser die Menge der durch die Thonwand gegangenen
Flüssigkeit vergröfsert zu werden scheint, wird sie durch
Zusatz von Alkohol entschieden verringert, und zwar, wie
die Zahlen der vorstehenden Tabelle zeigen, bedeutend ver-
ringert. Dabei tritt der merkwürdige Umstand ein, dafo
die durchgegangene Flüssigkeit eine andere Concentration
als die ursprüngliche hat, und mehr Alkohol enthält
Es mag hier eine Beobachtungsreihe folgen, wo die
spec. Gewichte mittelst eines Alexander'schen Hydrome-
ters (Po gg. Ann. Bd. LXX, S. 137) bestimmt wurden. Mit
destillirtem Wasser verdünnter Alkohol wurde in einen
neuen mit destillirtem Wasser befeuchteten Cylinder aus
gebranntem Thon gefüllt, in welchen eine Glasglocke ge-
kittet war. Die Luft in der Glasglocke wurde mittelst einer
Druckpumpe comprimirt, die an den Wänden des Cylinders
ablaufende Flüssigkeit in einem Becherglas aufgefangen und
das spec. Gewicht sofort bestimmt.
Der angewandte Alkohol hatte ein spec. Gew. = 0,96604,
die durchgegangenen Flüssigkeitsportionen der Reihe nach
1.
0,97205
2.
0,96695
3.
0,96505
4.
0,96500
5.
0,96518
6.
0,91421
während die im Thoncylinder zurückgebliebene Flüssigkeit
das spec. Gew. 0,96988 zeigte.
Diese Beobachtungen stimmen ganz mit denen von Wa-
genmann '), der fand, dafs wenn man mit Wasser ver-
1) Pogg. Ann. Bd. XXIV, S. 600.
lief
dünnten Kartuffclbranntwciu durch Ouarzsand fillrirl. zuerst
reines Wasser abiliefst, dann Wasser mit Weingeisl, seines
Fuselöls beraubt, und schlicfslich das unveränderte Gemisch.
Ebenso ist nach demselben Beobachter die durchgelaufene
Flüssigkeit fast alfer Saure beraubt, wenn man Essig durcli
Quarzsand filtrirt.
Indem also die porösen Körper die einzelucn SHurc-
oder Salzllicilclien zurückhallen, wird die Flüssigkeit in den
Poren derselben eine ganz andere Conccntration und Zu-
sammensetzung haben, als außerhalb; die Wände der Poren
werden mit einer dünnen Schicht einer concentrirten Lo-
sung bekleidet seyu, und die Flüssigkeit wird nicht mehr
durch Rühren von der Substanz des angewandten Körpers,
sondern von der Natur ihrer eigeneu Bestandteile fließen.
Dabei wird, wenn das Wasser auch nur wenig SalzthciU
i-ln'ii enthalt, diese Aeuderung der Wandung doch sehr
merklich werden, sobald die Flüssigkeil lange genug durch
dn~ Diaphragma hindurchströml. Möglich ist es also auch,
dafs hierin der Grund der Abnahme der elektrornolorischcn
Kraft der Diaphragmaapparate liegt, sowie die Verschieden-
heit der durchgegangenen Flüssigkeitsmengen, indem sich die
Reibung an den Wanden der capillaren Rühren des Dia-
phragmas ändert.
Der Thon scheint ebenfalls auf Wasser eine gröfserc
Anziehungskraft auszuüben wie auf den Alkohol, indem er
das Wasser aus der durchströmenden Flüssigkeit mit grofscr
gierde aufsaugt, und eine coucentrirterc Alkohollösung
wogt.
Der ganze Vorgang wird aber durch diese Verhältnisse
so complicirt, dafs mau eigentlich in vollkommener l.'nkenul-
nils über die Bedingungen bleibt, unter denen die Flüssig-
keiten durch die poröse Wand hindurchgehen, und eine
weitere Verfolgung dieses Gegenstandes zunächst ganz an-
dere Dinge festzustellen hat, als die Grüfse der dabei auf-
tretenden elektromotorischen Kräfte.
Ich übergehe deshalb auch hier die anderen Beob-
tungeu über deu Einilufs, den der Zusatz fremder Stoffe
62
zum destillirten Wasser auf die Gröfse der elektrotnotori-
sehen Kraft ausübt, und will nur noch eine Beobachtung**
reihe anführen, wo die Platte aus stark verglühter Porcel-
ktnmasse mit Terpenthinöl getränkt war, ehe destillirtes
Wasser durch dieselbe hindurchgeprefist wurde. Es scheint
diefs in sofern von Interesse zu seyn, als Faraday (vergl.
§. 24) gefunden hat, dafs bei Reibung von WassertBeilchen,
die Terpenthin enthalten, gegen feste Körper, diese letzteren
positiv elektrisch werden, also die entgegengesetzte Elektri-
cität annehmen, als wenn man reines Wasser anwendet.
Die folgende Tafel giebt die Beobachtungen
rf=
= 3,172—
2r =
21™.
No.
Zeit
t
a
*
V
m
"Temp.
«r
h
nun
. &'
*
•
1
0,5
25,2
46,4
1078
0,244
11,05
17,8
2
0,6
40,7
34,8
1078
28,7
3
1
39,9
39,9
1070
0,262
10,83
28,3
4
3
46,3
43,8
1080
0,229
9,9
32,6
5
5
40,6
47,5
1073
0.256
10,03
28,8
6
21,5
50,12
51,6
1065
0,220
7,94
35,8
21
71,7
59,9
1074
0,423
7,6
50,72
Die letzte Zeile enthält der Vergleichung wegen die
Beobachtungen an einem ganz ähnlichen Apparate aus No. 1
der Tabelle in §. 42, wo das Diaphragma aus Porcellan-
masse nicht mit Terpenthinöl getränkt worden war, eben-
falls 21h nach Füllung des Apparates.
Wegen der Verstopfung der Poren des Diaphragmas
mit Terpenthinöl ist die durchgegangene Flüssigkeitsmenge
geringer, die elektromotorische Kraft ist jedoch kleiner aber
von derselben Richtung wie bei destillirtem Wasser. Der
Widerstand des Apparates ist nichtsvdesto weniger kleiner,
als der des Apparates in §. 42, wie eine Vergleichung der
Werthe von er, sowie der elektromotorischen Kräfte ergiebt,
und es wäre daher wohl möglich, dafs ein geringer Gehalt
an Ameisensäure der Grund dieser Verringerung der elek-
tromotorischen Kraft durch Zusatz von Terpenthinöl ist,
indem das letztere fast immer Spuren dieser Säure enthält '),
1) Low ig, Chemie der organischen Verbindungen, Bd. II, S. 993.
tiäi
und schon sehr geringe Mengen Säure hinreichen die elek-
tromotorische Kraft zu verkleinern. Ist diese Erklärung
richtig, so würde das Terpenthinöl eich so gut wie indiffe-
rent gegen die Elektricitätserregung bei dem Durchströmen
des destillirtcu Wassers verhallen
45. Es würde aus diesen Erscheinungen folgen, wie
ich schon an einem anderen Orte ') bemerkt habe, dnfs
ein galvanischer Strom, der Flüssigkeit durch eine poröse
Thonwand hindurchführt, sich verstärken mufs.
Ich habe diesen Schlufs bei Thon und dcstilürlem Was-
ser durch Verstiche zu prüfen gesucht. Der Strom eines
Grove'schen Elementes wurde durch einen Apparat von
der Fig. I, angegebenen Form, und den Spicgelmulliplicator
geleitet: die Empfindlichkeit des letzteren wurde durch eine
Nebenschliefsung so rcguürt, dafs die Ablenkuug etwa 4DU
Scalcntheilc betrug. Mittelst eiues Korkes oder eines Ven-
tils (Fig. 9 Taf. I) konnte das Durchströmen verhindert
werden. Ich beobachtete dann eine Zunahme oder Ab-
nahme der Slromintcnsität von 0,5 bis 1 Scaleutheil, wenn
die Flüssigkeilsslrömung begann oder aufhörte, doch halte
ich diese Versuche nicht für vollständig beweisend, da die
Polarisation der Platin elektiodeu eiu fortwährendes Schwan-
ken der Stromintensität bedingt, welches durch zufällige
Erschütterungen noch erhöht wird. Es möchte aus diesem
Grunde unmöglich seyn, diese Frage durch den Versuch
mit Sicherheit zu entscheiden.
40. Ich habe schließlich noch versucht mit Benutzung
er hiesigen Wasserleitung einen elektrischen Strom herzu
■Neu. da die grofseu elektromotorischen Kräfte hoffen lie-
fsen, Ströme von praktischer Anwendbarkeit zu erhalten.
Umstehende Figur stellt den benutzten Apparat im Sechstel
der natürlichen Gröfse dar.
Ein King R von 100""" lichtem Durchmesser, 4ümm Höhe
und 20n,n' Wanddicke aus unglasirter, jedoch gaar gebrann-
ter Porcellanmasse ist oben durch 2 Platten P und l" aus
demselben Stoffe verschlossen, welche durch 2 wursl form ige
1) HaoMiUrübe der Btrl. Aoduuie, -'S. Ori. 1858.
Kautschuckringe r von
dem Porccllanringe R ge-
trennt sind. Die Kaut-
schuckringe r liegen in
2 halbkreisförmig in den
Porcellanring R einge-
drehten Ausschnitten. Die
Platten P und P1 werden
durch3 eiserne Schrauben
t und messingne Schrau-
benmuttern mit unterge-
legten Lederplatten zu-
sammen geprefst. ' Die
Platte F ist siebförmig durchlöchert, während P nur in der
Mitte eine gröbere Oeffnung hat, in welche ein Messingrohr
eingekittet ist. Der Ring R wird mit Sehwefclblumen gefüllt,
während 2 Stücke Seidewand, die die Kauüschuck ringe von
den Platten P und P trennen , das Fortführen der porösen
Substanz verhindern, und zu gleicher Zeit dieselbe von aus
Piatindraht gehäkelten Elektroden trennen. Zwei dünne Pla-
tindrähte p und p' gehen zwischen den Porccllanplatten und
den Kautschuckringen von diesen Elektroden nach aufsen
und leiten den elektrischen Strom zum Multiplicator.
An dem Messingrobre der oberen Platte befindet sich ein
Schlauch K aus Kautscbuck nnd Hanf, der vor den Hahn der
Wasserleitung geschraubt werden kann, durch welchen das
Wasser in das Messingrohr gelangt, und durch die Poren der
Bergelektrode in das Schwefeidiaphragma eintritt, um durch
die Löcher der Thalelektrode und der Platte P abzufliefsen.
Hr. W. Siemeng gestattete mir gütigst die Versuche
in seiner Fabrik auszuführen, wo zugleich der Druck, unter
dem das Wasser bei dem Eintritt in den Apparat stand, und
die durchgeflossene Wassermenge bestimmt werden konnten.
Es zeigten sich nun bei einem Drucke von etwa 2J At-
mosphären und einem stündlichen Verbrauche von 6 Cu-
bikfufs Wasser nur schwache elektrische Ströme, so dafs
an eine praktische Anwendung derselben gar nicht zu den-
65
ken ist. Der Grund liegt wohl in «lein Salzgehalt des "Was-
sers der hiesigen Wasserleitung und darin, dafs es immer
etwas Eisenrost aus der Röhrenlcilung enthält. Möglich
bleibt es also immerhin, dafs reineres Wasser, wie es z. B.
in Berggegenden vorkommt, günstigere Resultate giebl.
Die Polarisation brachte dabei die Ablenkung sehr bald
auf 0", und wird sich auch wohl durch Vermehrung der
durchgeflossenen Wassennengcn nicht vermindern lassen.
Die Stromstärke war nicht merklich geändert, nachdem das
Wasser i Tage lang durch den Apparat geflossen war, theil-
weisc ohne dafs die Platinelektroden in metallischer Ver-
bindung gewesen waren.
Ein Apparat, der statt Schwcfclblumen Quarzsaud ent-
hielt, gab nuch schwächere Ströme und im übrigen diesel-
i Resultate.
Berlin, den 18. April 1861).
IV. Zur Theorie des Sehens1);
fon Dr. F. e, Recklinghausen.
)cr Act des Sehens besieht nicht blofs darin, dafs die
Veränderungen der Licht percipireiiden Netzhautclemente
(der Stäbchen) zum flewufstseyn _kommen, sondern dafs
gleichzeitig Ursachen dieser Veränderungen nach ganz be-
stimmten Richtungslinien in der Aufsenwelt aufgesucht
werden. Beide Theile des Sehactes sind so innig mit cin-
I ander verschmolzen, dafs sogar Gesichtswahrnehmungen,
welche nicht durch optische Erscheinungen vcranlafst wer-
den, elektrische, subjeetive etc., ohne eine solche Lokair-
saüou nicht existiren , dafs also eine Trennung letzterer
t) Die njeufolfienden Zeilen lind" im Wejenltlenrn ein Auiiug am einem
tönilKrterCll \ofMii in », Gräfe'i Archi» Tür Oplhslmologi« Bd. V,
S. 127.
Pofycmfer/Ti Anotl. Bd. CK.
66
von dem Bewnfrtwerden ab durchaus unstatthaft tu be-
zeichnen ist » Ob diese innige Verknüpfung durch unsere
Organisation gegeben ist, oder erst durch die Erfahrung
gewonnen wird, soll hier nicht erörtert werden, wir wol-
len uns vielmehr nur mit dem Modus jener Lokalisatiou
beschäftigen.
Bekanntlich hat Volk mann den Satz aufgestellt, dafe
sich die geraden Richtungslinien , auf welchen die gesehe-
nen Körper aufgesucht werden, im Auge annähernd sämmt-
lich in einem Punkte, dem sogenannten Kreuzungspunkt
der Richtungsstrahlen, schneiden, jede derselben also be-
stimmt ist durch' den afficirten Punkt der Retina und die-
sen Kreuzungspunkt. Letzterer ist gelegen zwischen den
beiden Helmholtz' sehen Knotenpunkten des Auges, also
etwa 7"m hinter der Hornhaut. Die Richtungslinien dieser
Lokalisation fielen somit annähernd zusammen mit den Rich-
tungsstrahlen der von unserem Auge aufgefangenen Licht-
kegel, aber natürlich nur dann, wenn letztere ungebro-
chene, gerade Linien bilden. Für gewöhnlich würde also
jede Richtungslinie der Lokalisation den Licht gebenden
Punkt im Räume treffen,* und hieraus sich eine volle Iden-
tität der reellen Form und Lage eines Objectes mit unse-
rer Vorstellung von demselben ergeben. Eine Abweichung
würde erst eintreten in Fällen, wo die optischen Medien
unseres Auges eine Dislokation der Richtungsstrahlen der
Lichtkegel, also eine Verzerrung der Bilder veranlassen.
Jene Abweichung müfste aber alsdann mit dieser construir-
baren Verzerrung übereinstimmen, wenn die Richtungsli-
nien der Lokalisation wirklich die angeführten Eigenschaf-
ten besäfsen. Ich habe daher die beobachteten Verzerrun-
gen mit den berechneten verglichen und bin zu folgenden
Resultaten gekommen.
Die Verbindungsgerade der Kreuzungspunkte beider Au-
gen, die Grundlinie (2rf) hat «regen der geringen Entfer-
nung jener von den Drehpunkten bei den verschiedenen
Augenstellungen einen nahezu constanten Werth (bei mir
= 64"*). Die Ebene, welche durch den Fixationspuukl
und diese Grundlinie bestimmt ist, heifst die Visirebene,
in ihr die Verbindungslinie des Fi-\alinnspunkles mit dem
Millelpnnkt der Grundlinie die Medianlinie (f), die in die-
ser Linie auf der Vjsircbeue senkrechte Ebene die Median-
ebene und endlich der Winkel zwischen der Medianlinie
und der Gcsiclitsbnie eines Auges der Concergenstcinkel (<f\
Betrachtet man nun mit einem Auge ein rechtwinkliges
Kreuz unter scharfer Fixation seines Mittelpunktes in den
verschiedensten Lagen zur Gesicbtslinie aus kleiner Eutfer-
nnng, so sieht man dasselbe fast in keiner Stellung recht-
winklig, sondern neben einer schwachen Krümmung der
Kreuzschenkel in ihren excentrischen Theilen eine ziemlich
beträchtliche Winkelverzichung. Letztere ist der Art, dafs
dem rechten Auge allein, wenn die Medianlinie auf der
Ebene des Kreuzes senkrecht siebt, der Winkel des nach
rechts und oben gelegenen Quadranten grofser als 9(1° er-
scheint; bei dieser Lage des Kreuzes treten rechte Win-
kel erst auf, wenn man es um seinen Mittelpunkt in sei-
ner Ebene um 30 — 45" dreht.
Diese Wiukclverzichung würde sich nun erklären las-,
i aus der von Helinhol(z') nachgewieseneu uiangel-
aflen Centrirung des Auges. Eine geradlinige optische
\o wie bei optischen Instrumenten existirt nicht. Das
.nalogon derselben, die Gesichtslinie, d. h. derjenige Strahl
im Punkte des directen Sehens vereinigten Strahlen-
liischcls, welcher die geringste Abweichung von einer
Geraden zeigt, trifft die Hornhaut nicht in ihrem Scheitel,
sondern in einem mehr nach der Nase gelegenen Punkte.
Da nun die Hornhaut nahezu einem Elüpsoid, welches
durch Umdrehung einer Ellipse um die grofse Axe erzeugt ist,
entspricht, diese Axe aber die Linsenaxe so schneidet, dafs
der KrUnimungsmiltelpunkt des Hornhautscheitels auf der Na
senseite der Linscnaxe liegt, so kann auch der Krümmungs-
radius des Eintrittspunktes der Gesichtslinic nicht mit der
Linsenaxc zusammenfallen. Hieraus folgt alsdann, dafs die
1 ) Archi. für Optuh.lmologie 11.1. 1, S. 2
68
Gesichtslinie eine Lage zwischen beiden haben, also an ih-
rer Durchtrittstelle auf der Hornhaut, resp. auf der Tan-
gentialebene an diesen Punkt nicht senkrecht stehen, son-
dern hier eine Brechung erleiden mufs. Diese Verhält-
nisse werden eine Verziehung der obigen Kreuzwinkel in
derselben Weise herbeiführen, wie eine zur Kreuzebene ge-
neigte planparallele oder prismatische Glasplatte. Berechnen
wir daher die Gröfse der Neigung, welche eine zwischen
Luft und Hornhautsubstanz gelegene Ebene gegen das Kreuz,
resp. die Gesichtslinie haben müfste, um jene Verziehung
darauf allein zurückzuführen, so wird die Constanz der
Werthe für verschiedene Stellungen des Kreuzes die Rieh-'
tigkeit dieser Rückführung beweisen.
Die Gröfse der Verziehung habe ich nuu gemessen mit-
tels eines Apparates, an dem zwei' 100nun hohe Pappcyliü-
der über einander geschoben sind, von denen jeder auf
dem Rande einen feinen weifsen Faden genau diametral
eingespannt trägt, so dafs sich durch Gleiten des einen
Cylindcrs auf dem andern ein Kreuz mit beliebigen Win«
kein, aber constantem Mittelpunkt durch die Fäden her-
stellen läfst. An diesem Kreuz wird nun diejenige Win-
kelgröfse beobachtet, welche erforderlich ist, um rechte
Winkel wahrzunehmen. Die Messung der erforderlichen
Abweichung (ß) von 90° und die darnach berechnete
(s. Note 1) Gröfse der Schiefstellung der Ebene (y) ergab
folgende Werthe:
/=
80—
90
100
110
120
130
140
150
R
3° 16'
3°59'
9° 21'
2° 36'
3° 5'
8° 33'
2° 8'
2° 27'
6° 57'
1°50'
2° 13'
6° 29'
1° 37'
1°50'
6° 13'
1° 20'
1°24'
6° 40'
1° 12'
1° ir
6° 30'
0« 58'
0« 57'
6« 40'
Die Rückführung der obigen Verziehungen auf die
Schiefstellung der Hornhaut mufs somit als sehr berechtigt
erscheinen ').
1) Eine Vergleichung der Werthe von y mit objeetiven MeMungsreuiItft-
ten an meinen Augen hoffe ick «pfter liefern su können. Die Yerglet-
Weiter ergiebt nun noch die obige Betrachtungsweise
des Kreuzes eine schwache Verkrümmung der einzelnen
Schenkel und zwar kehrt der verticale die Couravität nach
atifscn, der horizontale nach oben. Diese Erscheinung ent-
sprich! der angerührten Thalsache, dafs die Gesielilslinie
die Hornhaut nicht in ihrem Scheitelpunkt, sondern in
einem Punkt durchbohrt, welcher naher der Nase und et-
was nach unten zu gelegen ist. Auch die Betrachtung ei-
nes Kreises sowohl bei Fixation seines Centrums, als eines
Peripheriepunktes giebt eine der Lage des Scheitelpunktes
der Kornea entsprechende Verzerrung.
Mit Hülfe von Prismen und Linsen kann man durch
■ entsprechende Stellung zu den angeführten Figuren
ganz dieselben Verziehungen objeetiv zur Anschauung
bringen.
Wir kommen jetzt zur Feststellung der ßichtungslinicu
der Lokalisation für Netzhaulpunkle, welche nicht in so
inmittelbarcr Nähe des hinteren Endpunktes der Gesichts-
nie, des sogenannten Punktes des directen Sehens, Bon-
ern mehr exceutrisch liegen. Leider kann man hier nur
reuig excenirische Punkte wählen, da die aufseist rasche
nähme der Schärfe der Wahrnehmung messende Beob-
itungcu unmüglich macht. Ferner ist die Berechnung
on Verzerrungen durch optische Systeme bei Figuren,
reiche aufserhalb der optischen Axe derselben gelegen sind,
zu schwierig, um direct diese Verzerrung mit den beob-
achteten Objectcn vergleichen zu können. Es uiufste da-
her der Umweg eingeschlagen werden, den Theil der beob-
achteten Verzerrung, welcher durch die Protection allein
veranlafst wird, zu igoliren und diesen mit der leicht zu
berechnenden zu vergleichen.
Fixirt man mit beiden Augen den Mittelpunkt eines
i
thang .l.r.M-U,,,! mit d« 11 •■ 1 mh <> 1 1
gegebenen Gruden <ler W!n-
kcl iwudnn Guiehlilimi und Borok.HU
a, wie icli IM in memei' fru-
bereu Arbeit ingffilbrl habe, beruht mf
tinem Mifj'criliindnifi. wel-
che« eiuigc liniiclwldigung darin finilcu u
lig, data mit der Aufjati vun
Heimholt t oirlil iui Disposition itand,
70
rechtwinkligen Kreuzes, dessen verticaler Schenkel in der
Medianebene des Körpers sich befindet, und verschiebt auf
letzterem eine Gerade parallel dem horizontalen Schenkel,
so kommt man bei einigermaßen geringer Entfernung der
Kreuzebene von den Augen sehr bald zu Stellungen, wo
stark gekreuzte Doppelbilder jener Geraden auftreten, zu-
gleich bemerkt man eine zunehmende Krümmung dersel-
ben, mit der Concavität nach dem fixirten Punkt gerichtet
In Fig. I Taf. II gehört ED dem rechten, FC dem lin-
ken Auge an. Sperrt man nun die inneren Netzhauthllften
ab (durch Vorschieben undurchsichtiger Scheiben von au-
fsen her), so fallen die entsprechenden Hälften der Geraden
(BD und BF) fort, es bleibt der Winkel EBC; bei Ab-
sperrung der Bufseren Netzhau thftlften dagegen (durch Auf-
setzen einer undurchsichtigen Scheidewand auf die Nase)
bleibt ein nach oben schauender Winkel FBD. Bewegt
mau nun die Hälften der Geraden um den Punkt B in ei-
ner Richtung, welche der jedesmaligen Dislocation entge-
gengesetzt ist, so kommt man tu einer Stellung { wo sie
parallel dem horizontalen Kreuzschcnkel erscheinen. Die
hiernach beobachteten Winkel a und ß sind das Resultat
1) der Protection, herbeigeführt durch die Neigung der
Kreuzebene gegen die Tangentialebene der Netzhaut im
Punkt -des directen Sehens, also abhängig vqxxl L(p\ 2) der
Verzerrung durch die optischen Begränzungsflächen unseres
Auges. Beide Momente wirken für den Winkel FBD in
gleicher, für EBC in entgegengesetzter Richtung, den Pro-
jectionseffect allein bekomme ich also als a—^. Die Wir-
kung des zweiten Moments, a~~-, kann ich alsdann noch
kontrolliren durch Beobachtungen bei einer Stellung, wo
qp = 0°, d. h. die Protection unwirksam ist.
Die nach diesen Methoden erhaltenen Resultate erga-
ben, dafs für das Bereich des deutlichen Sehens (d. h. für
die Punkte eines auf der Netzhaut um den Fufspunkt der
Gesichtslinie mit einem Radius, vou höchstens 2,5*" ge-
schlage neu Kreises) die Annahme eines einzigen Kreuzungs-
punliles der Richtung slinien zuzulassen ist. Für die noch mehr
eicentriscli gelegenen Punkte ergaben sich Abweichungen;
loch bin ich auiser Staude anzugeben, wie weit sie auf
der sich liier ergebenden Uugenauigkeit der Hcobachtun-
oder auf der Unregelmäßigkeit der Hornhautlläche be-
uIm.'h, ob sie daherzu der Annahme mehrerer Kreuzungs-
miikte berechtigen.
Weiter stellt sich nun die Frage: In welchen Puukl
■ Riclilungslinieu verlegen wir einen Gesichlseindruck?
Hier mufs ich einige einleitende Bemerkungen voraus-
schicken.
Bekanntlich ordnet man sich die Netzhaut punkte in Me-
ridiane (Trenn ungsliuien Rütc's), indem man den Punkt
des direclen Sehens als Pol auffaßt, Jeder Punkt in einem
Auge hat einen sogenannten identischen Punkt im anderen.
.). li. einen Punkt, dessen Erregung in unserem BcwufsL
»eyn mit der des anderen zu einem einzigen Eindruck ver-
schmolzen wird. Hinsichtlich der Lagerung derselben ist
bekannt, dafs im Allgemeinen die rechte Hälfte der einen
Netzhaut der rechten der andern, die linke der linken ent-
spricht. Ferner exisliren identische Meridiane, welche bei
einer gewissen Augeustellun'g, den Primärstellungen (d. h.
beim Blick mit parallelen Gcsichtslinien) im Baume parallel
stehen, bei den Sekundärstellungen (d. h. bei einer Nei-
gung der Visirebene um 35" unter der Horizontalebene
des Kopfes und beliebiger Convcrgenz der Gesichtslinien )
so gelagert sind, dal's die horizontalen Meridiane sich uoeb
in der Visirebene befinden; bei allen übrigen Stellungen
»ber, deu sogenannten Tertidrsleltungen, welche mit einer
Baddrehuug des Auges um die Gesichlslinie als Aue ver-
bunden sind, treten die horizontalen Meridiane iu entgegen-
setzter Richtung aus der Visirebene und zwar bei Fixa-
.011 eines Punktes der Mcdiaiiebene oberhalb — 35u mit
72
ihren inneren Extremitäten nach oben, unterhalb —35° nach
unten aus (Meifsner) ').
Diese identischen Meridiane geben uns nur einen Ort
für die Lage der identischen Punkte, die Auffindung eines
zweiten wird sie vollständig bestimmen. Untersuchen wir"
nun > ob nicht den ' zweiten Ort der identischen Punkte
Kreise bilden , welche mit gleichen Radien um die Punkte
des directen Sehens geschlagen sind. Die Richtungsstrahlen
je eines solchen Kreises würden den Mantel eines geraden^
Doppelkegels bilden und auf einer Ebene, welche im Fi-
xationspunkt auf der Medianlinie des Körpers senkrecht,
also zur Axe des Kegels, zur Gesichtslinie, geneigt ist, eine
Ellipse abschneiden; die beiden Ellipsen aber, welche durch
die Richtungskegel zweier identischen Kreise hergestellt
werden, mfifsten sich nicht einander decken, sondern in
der Richtung der grofsen Axe so über einander geschoben
seyn , dafs in Fig. 2 Taf. II die Ellipse mit der grofsen Axe
BC dem rechten, die mit DE dem linken Auge angehören
und die im Fixationspunkt A errichtete Senkrechte FG jede
in zwei Theile theilen würde, von denen der kleinere je
der inneren, der gröfsere je der äufseren Netzhauthälfte
entspräche. Ist diese Lagerungsweise der identischen Punkte
wirklich vorhanden, so mufs ein reeller Kreis mit dem
Durchmesser FG, welcher in einer Stellung senkrecht auf
der Medianlinie mit seinem Mittelpunkt beobachtet wird,
zwei jenen Ellipsen ähnliche, aber in entgegengesetzter Rich-
tung über einander geschobene Doppelbilder darbieten;
ferner müssen zwei gleiche Kreise, von denen jeder auf
der Gesichtslinie annähernd senkrecht steht, zu einem Kreise
verschmolzen werden, da bei dieser Stellung die Ursache
jener Verziehung, die Protection, aufgehoben wird. Das
Erstere ist ziemlich leicht zu constatiren, das Zweite aber
einer genauen Experimentation nicht zugänglich, da die
unwillkührliehe Verrückung des Fixationspunktes, wie wir
sie weiter unten noch kennen lernen werden, eine scharfe
Beobachtung von Doppelbildern und derogemäfs eine scharfe
1 ) Beil rage zur Physiologie de« Sehorgans.
Messung der erforderlicheu Stellung der gleichen Kreise ver-
hindert. Ein kleiner Umweg führt hier zum Ziele. Da
wir Langendiineusionen iu allen Meridianen schätzen nach
der Gröfse der von den Bildern bedeckten Netzhautstrecke,
also A F gleich AB gleich AC, so mufs bei Absperrung
der inneren Nclzhauthälften (der Tbeilc AD und AC) der
reelle Kreis AF in horizontaler Richtung bedeutend zusam-
mengeschoben, bei Absperrung der äufsereu Netzliautliälf-
Un (AB und .1 £,'",, wenn die Verschiebung der Ellipsen
hiurcichend grofs, horizontal verlängert erscheinen. Dieses
ündet wirklich statt, zugleich nimmt man wahr, dafs die F
und G zunächst gelegenen Theile des Kreises nicht eine
continuirlichc Curve, sondern einen Winkel bilden, wie
es die Figur leicht begreifen lüfst. Weiter mufs der Kreis
bei einer Knickung seiner Ebene in der Linie FG als eiu
Kreis erscheinen, sobald jede Hälfte auf der Gesichtsliuie
im Fixalionspunkl senkrecht steht; die hierzu erforderlichen
Flächcnwiukel müssen bei Absperrung der SuCscren Netz-
haulhälften die Convexität, bei Absperrung der inneren
die Concavität dem Beobachter zukehren, stets aber 2ep
zu 180" suppliren. Die Identität der bei beiden Modi für
dasselbe tf erforderlichen Winkel ergiebt alsdann einen
Scblufs auf die Lagerung der identischen Punkte.
i
/=
70
80
n
100
120
150
las
200
= Hälften
130"
137«
Hl"
145°
147"
151«
161*
167"
Ti. ;.ur»r..
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J29°
137*
140°
m*
148'
ISO* -2.f
131*
136°
141°
146«
150«
156»
159-
102°
Hiernach ist folgender Satz erwiesen: die identischen
Nelzktiul punkte sind bestimmt 1) durch die identischen (in
den Sekundarskllungeu um gleiche Winkel gegen die Vi-
nrebene geneigten) Meridiane und 2) durch die identischen
(um die beiden Punkte des directen Sehens mit gleichen
74
Radien geschlagenen) Kreise. Beide Netzhäute sind con-
gruent, nicht symmetrisch«
Es wird uns nun leicht seyn, die Punkte des Raumes
aufzusuchen, deren Richtungsstrahlen bei einer bestimmten
Fixation identische Punkte treffen, also nur einen einzigen
Eindruck, d. i. keine Doppelbilder veranlassen. In einem
solchen Punkte müfcten sich die Richtungsliuien zweier
identischen Punkte schneiden, hierzu also beide Linien in
einer Ebene liegen* Da nun bei einer Sekundärstellung
beide horizontalen Meridiane in der Visirebene gelegen
sind, so giebt es für sämmtliche identischen Punkte dersel-
ben Durchschnittspunkte ihrer Richtungslinien, und zwar ge-
legen auf einer durch den Fixationspunkt und die beiden
Kreuzungspunkte der Richtungslinien bestimmten Kreislinie.
J. Müller. Zur Feststellung der Möglichkeit solcher Durch-
schnittspunkte für die übrigen Meridiane stelle Fig. 3 Taf. II
eine Sekundärstellung dar, wo K und K1 die Kreuzungs-
punkte, Z und X die Punkte des directen Sehens, S T und
QR die in der Visirebene AKK' befindlichen horizontalen
Meridiane, OP und MN zwei beliebige identische, also um
gleiche Winkel a gegen die Visirebene geneigte Meridiane
bezeichnen. Sind nun MK und OK1 Richtungsstrahlen
eines und desselben Raumpunktes, liegen sie also mit KK'
in einer und derselben Ebene, so ergiebt sich das Vcr-
hältnifs ihrer Winkel (£ und £*) mit den Gesichtslinien
KZ und üTZ' nach der Formel (s. Note II):
cotg £'= cotg § + 2tg<jp cosa.
Da nun nach unserer Feststellung für identische Punkte
£ = £' seyn mufs, so kann diese Formel nur erfüllt wer-
den, wenn (f = i) oder a==90°, d. h. Durchschnittspuukte
der Richtungslinien identischer Netzhautpunkte im Räume
existiren für alle Netzhautpunkte in der Primärstellung, in
den Sekundärstellungen nur für die verticalen und hori-
zontalen, endlich in den Tertiärstellungen nur für die ver-
ticalen Meridiane. , •
Der Inbegriff sämmtlicher Punkte des Raumes, welche
ihre Richtungsstrahlcn in identische Netzhautpunkte sich
einsenken lassen, der Horrapter, bildet daher bei einer
Primärst clluug eine Ebene, bei einer Sekundärste! In ng gicbt
es nur eiue senkrechte gerade, und horizontale k reis f Ur-
in ige Horopterlinie, in einer Tertiärstellung bleibt nur er-
stere übrig. Eine physiologische Bedeutung dieses Horop-
ters ist nicht bekannt.
Wir wollen nun nach dieser Feststellung der Lage der
identischen Puuktc Ebenen, bestimmt durch die Gesichts-
linic und je einen Meridian, Richtung sebenen und solche
einander zugehörige in beiden Augen identische Bichtungs-
ebeuen nennen. Bei der Fixation irgend eines Punktes
werden sich stets je zwei identische Bichtungscbenen schnei-
den, die säuimtlicheii geraden Durchschnittslinien derselben
eine nach der Augenstclluug verschiedene, aber leicht be-
stimmbare Lage zu einander haben. Jeder Punkt dieser
Durchschnittslhiien timfs sciue Bilder in beiden Augen auf
identische Meridiane werfen, aber nicht auf identische Punkte,
die Dislocation beider Bilder im gemeinschaftlichen Ge-
sichtsfeld kann somit nur in der Richtung der Durchschnitts-
Ihnen selbst statt finden. Die Doppelbilder einer geraden
»Linie, welche in dieser Durchschnitt slinie gelegen ist, müs-
sen also genau über einander geschoben erscheinen und
sieh zum Theil decken, ohne dafs eine seitliche Disloca-
tion im Geringsten vorhanden ist. Die sich nicht decken-
den 'flink' werden nur schwierig zur Wahrnehmung kom-
men können, da sie einerseits executrischen Thcilen der
»Netzhaut entsprechen, andererseits von einem nud demsel-
ben Object herrühren. Somit wird es wahrscheinlich, dafs
wir gerade Linien, welche sich in der erwähnten Lage be-
finden, als einfach gesehene auffassen und diese Lage von
allen übrigen im Baume unterscheiden. Da wir es ferner
hei der Betrachtung von Gegenständen sehr selten mit
Punkten, dagegen fast stets inil geraden Linien zu thun
haben, so müssen dcingemäfs die Durcbschnittslinicn iden-
tischer Bichtungscbenen für eine solche Betrachtung einen
gewissen Werth besitzen.
Bezeichnen in Fig. 4 Taf. II K und K' die Kreuzuugs-
76
punkte beider Augen, welche in einer Tertiäretellmg nach
oben einen Punkt (diesseits der Ebene der Zeichnung) in
der Medianlinie der Art firiren mögen, dafg diese auf der
Ebene der Zeichnung in M senkrecht steht, so werden die
(identischen) verticalen Richtungsebenen letztere in KC
und K' C schneiden und diese Durchschnittslinien mit ein-
ander einen Winkel =2£, gleich dem doppelten Winkel
der Raddrehung eines jeden Auges, bilden. Die Richtungs-
ebenen zweier anderer identischer Meridiane, welche gegen
die verticalen je um den beliebigen Winkel a geneigt sind,
werden durch die Ebene der Zeichnung in Geraden durch-
treten, welche annähernd mit KC und K'C gleiche Win-
kel a bilden; KD und K'D müssen aber alsdann, da noch
LK'EC=KED, ebenfalls einen Winkel =2£ einschlie-
fsen. Die Durchschnittspunkte säinmtlicher Durchschnitts-
linien identischer Richtungsebenen mit der Ebene KCK*
liegen also auf einer Kreislinie, bestimmt durch die Grund-
linie KK1 als Sehne und den Peripheriewinkel 2|. Diese
Kreislinie ist nun offenbar ein Ort der Durchschnittslinien
von je zwei identischen Richtungsebenen im Räume, den
zweiten Ort bildet der Fixationspunkt, jene Durchschnitts-
linien bilden somit den Mantel eines schiefen kreisförmigen
Doppelkegels, dessen Spitze im Fixationspunkt gelegen , des-
sen Höhe gleich der Länge der Medianlinie (f) und dessen
Basis durch den eben bezeichneten Kreis gegeben ist
Lassen wir an tinserm Doppelkegelmantel aus später
anzuführenden Gründen die dem Bogen KC'K' entsprechen-
den Theile unberücksichtigt, so bleiben zwei gekrümmte
Flächen übrig, von denen bei einer Tertiärstellung nach
oben die oberhalb der Visirebene gelegene sich jenseits
einer im Fixationspunkt auf der Visirebene Seukrecfiten er-
strecken und dem Beobachter ihre Convexität zukehren,
während die unterhalb der Visirebene befindliche, diesseits
jener Senkrechten gelegen, mit ihrer Concavität nach dem
Beobachter schauen wird. Für eine Tertiärstellung nach
unten mufs das Entgegengesetzte stattfinden; die oberhalb
der Visirebene gelegene Fläche mufs diesseits jener Senk-
77
I rechten ihre Concavität, die unterhalb jenseits der Senk-
rechten ihre Convexität dem Beobachter zuwenden. Da
der Winkel der Raddrchung abnimmt, je mehr mau sich
der Sekundärstellung nähert, so uiufs hiermit auch die
Stärke der Krümmung, wie die Abweichung von der Ver-
tieakn abnehmen; endlich in der Sekundär Stellung selbst
die Fläche der DurchsehnUtslinien eine Ebene seyn , welche
auf der Medianlinie im Fixationspunkt senkrecht steht.
Betrachtet man nun einen Stern, dessen Strahlen in
einer Ebene liegen, mit scharfer Fixation seines Mittelpunk-
tes in einer Tertiärstellung nach oben, so scheinen die
»oberhalb der Horizontalen gelegenen Halbstrahlen eine con-
cave, die unterhalb gelegenen eine convexe Fläche zu bil-
den; führt man den Stern in eine Sekundärstejlung, so er-
scheint er eben; führt man ihn hierauf in eine Tertiärstel-
lung nach unten, so bilden die Halbstrahlen Über der Ho-
rizontalen eine convexe, die unterhalb gelegeneu eine cou-
cave Fläche. Steht hierbei die Medianlinie auf der Ebene
des Sterns senkrecht, so erscheint der verticale obere Haub-
strahl bei einer TertiärstcIIung nach oben dem Beobachter
tzu-, bei einer Tertiärstellung nach unleu von dem Beob-
achter abgeneigt Neigt man den Stern gegen die Visir-
ebenc um die horizontalen Halbstrahlcn, so bleiben die
Verkrümmungen in gleicher Weise fortbestehen. Biegt
man dagegen die Halbstrahlcn im Mittelpunkt zu dieser
Dislokation in entgegengesetzter Richtung, so kann man eine
scheinbare Ebene herbeiführen und zwar bei einer Ter-
tiärste! lung nach oben durch Producirung einer oberliatb
der Horizontalen convexen, unterhalb derselben coneaveu
Flüche; umgekehrt für eine Tertiärste! long nach unten.
Wir sehen also einen Stern eben, wenn wir die Strahlen
eine jener Fläche der Durehschnitlslinien ähnliche Fläche
einnehmen lassen, ferner einen ebenen Stern eine Disloca-
tion in entgegengesetzter Richtung darbieten.
Befestigt man auf einem geraden, dünnen Stab
anderen senkrecht und dreht erstefen um letzteren als Axe
während einer Fixation des Fufspunkles in einer *t«rt5äx-
■*
78
Stellung, so -beobachtet man eine 3er obigen Verziehung
des ebenen Sternes entsprechende Dislocation des gedreh-
ten Stabes, besonders dann, wenn die Axe sich in der
Verlängerung der Medianlinie befindet
Dieses Experiment führt zur Nachweisung der Identität
der construirten und der beobachteten Flächen. Ein star-
ker Holzständer AB (Fig. 5 Taf. II), senkrecht auf dem
viereckigen Fufsbrett, trägt eine senkrechte Durchbohrung,
in welcher sich die starke Eisenstange D C mit Angabe ih-
rer Drehung an einer in D angebrachten Kreistheilung dre-
hen läfst, die dünne Drahtstange EF ist in C mittelst eines
Charniergelenks, also nur beweglich in der Ebene DEF,
angebracht, schwarz angestrichen und auf ihr ein feiner
weifeer Faden der Länge nach ausgespannt Der ganze
Apparat wird durch Neigung des Fulsbrettes gegen den Ho-
rizont in eine solche Lage gebracht, dafs ich C in einer
starken Tertiärstcllung nach oben bequem fixiren kann und
der Neigungswinkel des Apparates genau mit der Erhe-
bung meiner Visirebene über die Horizontalebene des Kop-
fes tibereinstimmt; hierzu müssen sich D C genau in der Ver-
längerungslinie der Medianlinie, ihre Doppelbilder in der
Visirebene befinden. Der Stab EF wird in eine solche
Lage gebracht, dafs er senkrecht auf der Medianlinie er-
scheint, die Messung des Winkels ECD(fi) bei verschie-
denen Drehungswinkeln um die Axe CD (v) ergiebt die
gesuchte Abweichung von der auf der Medianlinie senk-
rechten Ebene. (S. d. Note III).
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80
Die Za8ammen8tellangen der Berechnungen für Ellipse
und Kreis eirgicbt, dafs die Annahme einer kreisförmigen
Basis, also eine sehr einfache Rechnung, unseren Anforde-
rungen vollkommen genügt Was nun die Beobachtungen
betrifft, so können die Werthe, wenn v 70° überschreitet,
wegen der starken Dislocation und der Schwierigkeit der
Beobachtung nicht in Betracht kommen. Die übrigen Un-
terschiede zwischen Beobachtung und Berechnung, selbst
die von 6° sind zu gering, um Zweifel an einer fast voll-
ständigen Uebereinstimmung der berechneten und beobach-
teten Flächen zuzulassen.
Hiernach sind also folgende Sätze bewiesen : Wir sehen
gerade Linien mit beiden Augen nur dann senkrecht auf
der Medianebene unseres Körpers, wenn sie liegen in der
Fläche der Durchschnittslinien identischer Richtungsebenen.
Auf diese fläche, für welche ich den Namen Normal-
fläche vorgeschlagen habe, beziehen wir nun zufolge des
obigen Experimentes die im Raum aufserhalb derselben
gelegenen Punkte mittelst unserer Hfllfsmittel zur Beurthei-
lung der Tiefendistance. Setzen wir letztere nicht in Thätig-
keit oder bieten die Objecte uns keine Anhaltspunkte, so ver-
legen wir diese einfach in die Normalfläche. Beobachtet man
vor einem dunklen Hintergründe drei verschieden farbige
kleine Objecte A, B, C in der Stellung Fig. 6 Taf. II bei
scharfer Fixation von B, so nimmt man bei Verrückung
von A oder C eine seitliche lineare Fortbewegung ihrer
Doppelbilder wahr. Eine genaue Betrachtung ergiebt aber
ein Fortrücken derselben auf einer und derselben Linie ED;
bei einem bestimmten Gröfsenverhältnifs von AB, BC und
f deckt sich je ein Doppelbild von A und C, sie fallen
sogar vollkommen in einander. Dieses findet statt, wenn
die Bilder von A und C möglichst auf identische Netzhaut-
punkte fallen. Die Beobachtung der hierzu erforderlichen
Gröfsen von AB, BC und f würde sogar zu einer Bestim-
mung der Normalflächen führen, wenn man nicht zu grofse
Objecte A und C und zu wenig excentrische Netzhaut-
punkte wählen mtifste, um das Decken der Doppelbilder
unehmen. Doch ergaben sich bei gleichbleibendes
Gröfsen von AB und A C in Sekundär- und Terriärstel-
lungen Differenzen von f, welche mehrere Centimcter be-
tragen.
Die oben aufgeworfene Frage beantwortet sich also
folgendennafsen : Wir lokalisiren einen Gesichlseindruch
beim Sehen mit zwei Augen auf den Richtung slinien in die
Durchschnitts punkte derselben mit der jeweiligen Normair
fläche, wenn Mittel ;wr Bearthetlung der Tiefe fehlen: im
entgegengesetzten Falle in Punkte diesseits oder jenseits der
Normalfläche, entsprechend der Gröfse dieser Mittel. Beim
Sehen mit einem Auge dient wahrscheinlich die durch die
Erfahrung bekannte* NonnalÜäche ebenfalls zur Norm.
fenil
rieh
Betrachtung führt zu der weiteren Frage: Wel-
ches sind unsere Mittel, um die Objecfe auf die Norinal-
(lachen zu beziehen, um also die Tiefe zu beuriheilen?
Bekanntlich hat Brücke1) für den körperlichen Ef-
fect des Stereoskops die Erklärung gegeben, dafe er be-
ruhe auf eiuer Reihe von Veränderungen des Convergeuz-
wmkcls unserer Gcsichtslinieu, mittelst dereu wir vorher
existirende Doppelbilder zu einfachen machen und den Oh-
jeeten dann in Bezug' auf früher einfach gesehene eine an-
dere Tiefendislanz im Räume anweisen. Wir würden also
bei den beiden stereoskopischen Bildern Fig. 7 Taf. II in
dem gemeinschaftlichen Bilde zwischen den einander cor-
respoudirenden Mittelpunkten A und A' und zwei anderen
correspoiidirendcu Punkten B und B' nur dauu eine Tie-
fendifferenz wahrnehmen, wenn BB' ^. AÄ. Danu müssen
aber folgende Erscheinungen einstellen:
1) Der entgegengesetzte körperliche Effect uiufs eintre-
wenu wir die Zeichnungen mit einander vertauschen.
War früher BB ;> AÄ , so wird es jetzt < A Ä, der ent-
sprechende Punkt im gemeinschaftlichen Bilde liegt jetzt
somit diesseits des Mittelpunktes, wenn er früher jenseits
I) Maller'l Arcln» 1841.
■fr. Ann.L Bd. CX.
82
lag. Die einfachen stereoskopischen Zeichnungen lassen
diesen pseodoskopischen Effect leicht hervortreten. Dove1).
Bei den complicirteren treten noch die übrigen Mittel zum
körperlichen Sehen (besonders Perspective und Beleuch-
tung) mit in Thätigkeit und wirken dieser Pseudoskopie
entgegen; doch lassen freie Gegenstände, « bei denen die
Wirkung letzterer Mittel fehlt (auf Zeichnungen einer Strafte
z. B. eine frei hängende Laterne) nach dem Umtausch der
Bilder ebenfalls diese Differenz des Effectes wahrnehmen.
2) Verringern oder vermehren wir in unseren Zeich-
nungen während der Beobachtung die relative Differenz
von AÄ und BB\ so werden wir successive andere Tie-
fendistanzen, also Bewegungserscheindngen in der Tiefe
bekommen. Hiernach erklären sich die von Dove*) und
Halske") gemachten Experimente. Nimmt man zum §te-
reoskopircn zwei Kreise mit radiär gestellten Pfeilen und
dreht dieselben um ihre fixirten Mittelpunkte in entgegen-
gesetzter Richtung, so scheint das gemeinschaftliche Bild des
Pfeiles in der Medianebene unseres Körpers zu schwingen.
3) Die gewöhnlichen stereoskopischen Zeichnungen wer-
den für eine Convergenzstellung unserer Augen auf einem
fernen Punkt aufgenommen, so dafs einer Entfernung cor-
respondirender Punkte BB\ gröfcer als AA\ eine Verklei-
nerung des Convergenzwinkels entspricht, also dem Punkte
B eine gröfsere Entfernung als A zugemessen wird, wenn
wir das gemeinschaftliche Bild durch eine Convergenzstel-
lung auf einen Punkt jenseits der Ebene der Zeichnungen
produciren. Rufen wir dagegen durch Einstellung unserer
Gesichtslinien auf einen Punkt diesseits dieser Ebene ein
gemeinschaftliches Bild hervor, so wird dieselbe Distanz
BB eine Vergrößerung des Convergenzwinkels im Gegen-
satz zu AÄ verlangen, der Punkt B also näher als A er-
scheinen. Es begreift sich daher, dafs wir nach dieser zwei-
ten Methode einep pseudoskopischen Effect wie in 1 ) be-
1 ) Po gg. Add. Bd. 83, S. 185.
2) I. c. and 106, S. 655.
3) Po gg. Ann. Bd. 100, S. 657.
83
ieii, den richtigen Eifert aber dann, wenn wir die
r vertauschen.
) Stellen wir die Bilder auf den Kopf, so kann in
den betrachteten Verhältnissen keine Aeuderung eintreten.
Drehen wir dagegen jedes der beiden um 90" nach der-
selben Richtung um seinen Mittelpunkt, so mufs der ma-
gische Effect ganz schwinden: die einander zugehörigen
Punkte werden jetzt die Lage B„ B, (Fig. 7 Taf. II), also
noch eine verticale Verschiebung eingenommen haben; da
wir nun nicht die Fähigkeit besitzen, verticale Doppelbil-
der zu vereinigen, so fehlt uns das früher angewandte Mit-
tel zur Iteurtheilung der Tiefe. Auch diefs bestätigen am
besten einfache stereoskopischc Zeichnungen z. II. jeue
Kreise mit radiär gestellten Pfeilen. Aber auch die kom-
plicirtesten Zeichnungen zeigen bei einer solchen Drehung
um 90° das vollkommene Schwinden des magischen Ef-
fectes des Stereoskops, trotzdem man auch hier scheinbare
Einfachheit im gemeinschaftlichen Bilde ohne störende Dop-
pelbilder vor sich zu, haben glaubt; letzteres erscheint wie
eine gewöhnliche Zeichnung, wie jedes einzelne stereosko-
pische Bild für sich. Drehen wir die Bilder um fernere 90u
in derselben Richtung, so tritt der körperliche Effect wie-
der hervor, aber pseudoskopiscb, da BjB,>AÄ.
5) Endlich mufs ein stereoskopischer Effect bei Zeich-
nungen, in deren gemeinschaftlichem Bilde gerade Linien
sich genau über einander schieben, erzielt werden dadurch,
dafs ich auf die doppelt gesehenen Endpunkte derselben
beide Gesichtslinicn einrichte, sie dadurch zur deutlichen
Wahrnehmung bringe und vereinige. Bringt man zwei un-
gleich lange horizontal gestellte Gerade auf einer Ebene
zu einem gemeinschaftlichen Bilde zur Vereinigung, so er
scheint dasselbe schräg; durch die Ebene hindurchgesteckt.
Nimmt man zwei Gerade von gleicher Länge, so sollte al-
lerdings durch Vereinigung der symmetrisch gelegeneu End-
punkte eine Stereoskop ische Anschauung; ebenfalls erzielt
werden; bis jetzt aber kann ich die Neigung, die identisch
84
gelegenen Endpunkte zu combiniren, nicht hinreichend fiber-
winden.
Die Existenz von Gröfsendifferenzen in den stereosko-
piscben Zeichnungen nach Art des Unterschiedes zwischen
BB und AÄ kann man durch directe Messung leicht nach-
weisen.
Diese zahlreichen Thatsachen beweisen ganz evident die
Richtigkeit der obigen Theorie von Brücke. In Bezug
auf das am häufigsten , auch noch in neuester Zeit von
Panum1) dagegen geltend gemachte. Experiment von Dove,
welcher selbst bei der eminent kurzen Beleuchtung durch
den elektrischen Funken einen stereoskopischen Effect beob-
achtete, ist zu bemerken, dafs vorläufig die Beweiskräftig-
keit noch zu demonstrireu ist. Complicirte Zeichnungent
wie sie wahrscheinlich genommen wurden, können natür-
lich nichts beweisen, da hier noch die unten anzuführen-
den Momente zur Wahrnehmung des Körperlichen mit in
Wirksamkeit treten.
Nachdem uns somit die grofse, bereits früher bekannte
Wichtigkeit der Veränderungen der Convergenzwinkel für
die körperliche Anschauung entgegengetreten, will ich noch
hinzufügen, daüs diese Veränderungen für sich allein zur
Producirung eines körperlichen Effectes nicht genügen; es
gehört dazu gleichzeitig noch die Existenz von wahrnehm-
baren Doppelbildern und die Möglichkeit, sie zu einfacheu
zu vereinigen. Wie wichtig zunächst jene sind, beweist
folgendes Experiment. Spannt man vor einem weifsen Hin-
tergrunde drei hinreichend lange schwarze Fäden parallel
so auf, dafs der mittlere sich 5 bis 8"* hinter oder vor
der Ebene der beiden äufsereu, etwa um 10mm von einan-
der entfernten befindet, und betrachtet sie in einer solchen
Lage, dafs sie parallel der Medianebene des Körpers stehen,
so nimmt man eine bedeutende Tiefendistanz wahr; diese
verschwindet indefs gänzlich oder fast gänzlich, wenn man
die Fäden um 90° dreht „ also senkrecht auf die Median-
ebene stellt. Mag man bei der letzteren Stellung irgend
I ) Physiol. Untersuch, über dat Sehen mit zwei Augen.
s
eichen Faden luiren, immer erscheinen die Doppelbilder
eines der beiden anderen über einander geschoben, ihre
Wahrnehmung ist also unmöglich; in der ersten Stellung
zeigen sie dagegen einen bedeutenden seitlichen Abstand-
Die Richtigkeit dieser Erklärung erweist sich dadurch, dafs
der angegebene Unterschied zwischen den beiden Stellun-
gen verschwindet, wenn man auf den Fäden einzelne Punkte
markirl (etwa durch Aufkleben kleiner Papicrstückcheu);
die Doppelbilder der letzteren gelangen natürlich iu allen
Stellungen leicht zur Wahrnehmung. — Da uns die Möglich-
keit fehlt, unseren Gesichtslinien eine verticale Divergenz
zu geben, die eine nach oben, tue andere nach uuten aus
der Visirebene zu entfernen, so künuen wir vertical ver-
schobene Doppelbilder nicht zur Vereinigung bringen, son-
dern nur solche mit horizontaler Verschiebung. Diese zweite
Anforderung an die Doppelbilder ergiebt sich schon aus
den Experimenten unter 4); mau überzeugt sich am leich-
testen davon bei der stereoskopischen Betrachtung einfa-
cher Zeichnungen, so der obigen Kreise mit radiär ge-
stellten Pfeilen oder auch nicht schatlirter, stereoskopischer
Zeichnungen eines Cjlinders.
Ein anderes bis jetzt in der Physiologie des körperli-
chen Sehens fast gar nicht berücksichtigtes und dennoch
äufserst wichtiges Mittel ist die Perspective; die einfache
Betrachtung einer stereometrischen Figur beweist die Wich-
tigkeit derselben. Wir gehen bei der perspectivischen Be-
trachtung der Körper von der Erfahrung aus, dafs an ih-
dic geraden Linien factisch meist rechte Wiukel, die
uimcn Linien Kreise bilden. Nehmen wir daher an ih-
Bildcru auf unserer Netzhaut andere Wiukel oder au.
■ Curven wahr, so verlegen wir die betreffenden Linien
weit diesseits oder jenseits unserer Nor mal ebene, als die
Abweichung von jenen einfachen Formen vcrlaugl, d. h,
in eine solche Lage, von weicher aus die senkrechte Pro-
jektion eines rechten Winkels oder Kreises auf unsere
Netzhaut dieselbe Abweichung ergeben würde. Offenbar
entsprechen nun je einer bestimmten Abweichung hinsicUL-
66
Ikh der Protection auf unsere Netzbaut zwei reelle Lagen
eines rechten Winkele (resp. Kreises )7 eine diesseits, die
andere jenseits der Normalebene. Demgemäfs müssen wir
auch bei blofser Anwendung der Perspective eine Verle-
gung in beide Lagen möglich machen, ja ohne Hinzuzie-
hung neuer Mittel zwischen beiden nicht entscheiden kön-
nen. Um dieses zu bestätigen, brauche ich nur an die
bekannte Erfahrung zu erinnern, dafs wir rein stereome-
trische Zeichnungen stets in einer doppelten Weise körper-
lich sehen können. Ein Würfel z. B. erscheint uns bald
aus der Ebene der Zeichnung hervorzuragen, bald sich hin-
ter dieselbe zu erstrecken. Ziehen wir eine Lage vor, so
sind noch andere Momente zur-Beurtheilung des Körper-
lichen mit in Wirksamkeit. Am deutlichsten beobachtet
man begreiflicherweise die Doppelsinnigkeit bei der Aus-
schliefsung eiües Auges. Hierbei kann man auch am be-
quemsten Bewegungserscheinungen in der Tiefe mittelst der
Perspective beobachten, so z. B. durch successive Verän-
derungen der Winkel in den Zeichnungen.
• Ein drittes wichtiges Moment bildet die Beleuchtung oder
die Vertbeilung und Intensität von Licht und Schatten, und
mufs ich hier der Behauptung Ludwig' s ') entgegentreten,
dafs »sie keinenfalls einen Einflufs gewinnt innerhalb der
deutlichen Sehweite.« Mir ist es möglich zu pseudoskopi-
ren durch blofse Veränderung der Beleuchtung. Verschaffe
ich mir ein gemeinschaftliches Bild von zwei neben einan-
der gelegenen, gleichgeformten Uhrsch aalen, schneide durch
eine Scheidewand die directe Beleuchtung von einer mir
gegenüber befindlichen Lichtquelle ab, beleuchte aber beide
durch einen vor meine Brust gehaltenen Spiegel, so er-
scheint mir das gemeinschaftliche Bild convex, wenn mir
die Schaalen ihre Concavität, concav, wenn ihre Convexität
zukehren.
Fernere Mittel zur Beurtheilung der Tiefe sind alsdann
die Accomodation (Czermak) und die relative GröCse
des Netzhautbildes; weiter kommen noch manche andere
I ) Lebrbach der Physiologie 2. Auflage,
Momente von geringerer Wirksam Lei t hinzu, so z. It. das
Verdeck (werden eines Gegenstandes durch den anderen
II. 8. W.
Sainmtliche angeführten Mittel können nun in den ver-
schiedensten Coinbiuationen einander unterstützend oder
einander hemmend ihre Wirkung äufsern, Unser Unheil
wird sich dann nach der Stärke der einzelnen, andererseits
nach unserer Aufmerksamkeit auf dieselben bestimmen lassen.
Einen Widerstreit unter ihnen führt vielleicht am passend-
sten folgendes Experiment vor Augen. Befestigt man auf
einer Drahtstange concentrisch gestellte Kreise, und fixirt
den gemeinschaftlichen Mittelpunkt mit beiden Augen aus
geringer Entfernung in einer Sekundärstellung, so erscheint
die Figur wegen der S. 72 angedeuteten Abplattung der
Kreise in verlicaler Richtung mittels der Perspective ab
flacher Kegelmantel; diese Krümmung tritt aber weit starker
hervor in einer Tertiarstellung, ja es erscheint jetzt die ge-
rade Drahtstange durch diesen Kegel schief hin durchgesteckt
uild zwar bei einer Tertiärstellung nach oben mit seiner
oberu Hälfte diesseits, bei einer Tertiarstellung nach unten
jenseits der Fläche des Kegelmantels. Achtet man jetzt
scharf auf die Durchschnittspunkte, so beobachtet man nach
einiger Zeit eine Knickung der Kreise an diesen Stellen
(um der unmittelbaren Deckung au diesen Punkten Rech-
nung zu tragen).
Eine einfache Betrachtung der Verhältnisse lehrt aber,
dafs bei der oben besprochenen Verziehung eines ebenen
Sternes in einer Tertiarstellung nur ein körperliches Mo-
ment zur Wirksamkeit kommt, nämlich die Veränderung
der Convergenzwinkel und Vereinigung von Doppelbildern.
Sämmtliche Sternslrahlen geben bei scharfer Fixation des
Mittelpunktes Doppelbilder und zwar kreuzen sich je zwei
Doppclbilder gerade in dem Mittelpunkte. Verrücke ich
nun meinen Fixatiouspunkt auf der Meridianlinie, so wer-
Si die Kreuzungspunkte der Doppelbilder nicht mehr in
in einzigen zusammenfallen, sondern sich je auf ihrem
eborigen Sternstrabi verschieben, und zwar für eine Tw-
88
tiärstellung nach oben bei Fixation eines Punktes diesseits
des Sternmittelputtktes oberhalb, im entgegengesetzten Falle
unterhalb der Horizontalen. Diese Kreuzungspunkte stellen
dar die Durchschnittspunkte eines jeden Sternstrahles mit
den successiv hn Räume producirten Normalflächen. Nach
S. 33 verlege ich nun die zu einer bestimmten Normalfläche
gehörigen Durchschnittspunkte in eine Ebene, die sämmt-
lichen successiv gewonnenen Durchschnittspunkte werde ich
also versetzen auf eine Flache, welche eine ungefähr gleiche,
aber entgegengesetzte Krümmung besitzt wie eine der pro-
ducirten Normalflächen. Ist diese Erklärungsweise richtig,
so ergeben sich folgende Consequenzen: 1 ) kann bei irgend
welcher Drehung des Sternes um seine Horizontale nie eine
wesentlich abweichende Dislokation eintreten, da die suc-
cessiven Kreuzungspunkte der Doppelbilder ihre relative
Lage zu einander in derselben Weise beibehalten; 2) knicke
ich den ebenen Stern in dem verticalen Strahl, so werden
jetzt zwei Sternstrahlen vollkommen in der ersten Normal-
iläche liegen, also im Fixationspunkt senkrecht erscheinen,
die übrigen Strahlen müssen dann zu beiden Seiten jener
beiden wiederum eine der Krümmung der Norwalflächen
entgegengesetzte Dislokation darbieten.
Ferner begreift sich jetzt leicht, dafs eine Verziehung
in den horizontalen Sterntheilen nur mit grofaer Schwierig-
keit erlangt werdeu kann, da die starke Krümmung der ho-
rizontalen Theile der Normalflächen eine starke Verrückung
des Fixationspunktes verlangen würde, um -neue Durch-
schnittspunkte mit neuen Normalflächen zu produciren; wei-
ter erklärt es sich, dafs die KCK (Fig. 4 Taf. II) entspre-
chenden Theile unseres Doppelkegelmantels ganz aufser Be-
tracht fallen müssen, da auf diesen Theilen gelegene Punkte
ihre Bilder auf symmetrischen, nicht identischen Nctzhaut-
theilen entwerfen.
Bei der Betrachtung von Körpern mufs die Verrückung
des Fixationspunktes auf der Medianlinie denselben grofsen
Effect, dieselbe Wirkungsweise haben. Hierbei werden wir
allerdings das Zusammenfallen der Doppelbilder nicht beob-
89
achten durch die Punkte des directen Sehens, sondern durch
excentrisch gelegene Netzhautpunkte. Da aber das Zusam-
menfallen von Doppelbildern ziemlich scharf beobachtet
werden mu£s, um solche präcisirte Raumvorstellungen zu
veranlassen, so werden nur Netzhautpunkte mit geringer
Excentricität in Betracht kommen können. Doch wird man
begreifen, dafs durch Beurtheilung der dem Fixationspunkt
zunächst gelegenen Punkte eines Körpers eine scharfe räum-
liche Vorstellung auch für die entfernteren gewonnen wer-
den kann, wenn wir über die Beziehungen dieser zu jenen
auf sonstige Weise schon im Klaren sind; liegen sie z. B.
mit jenen in geraden Linien, so ist die scharfe körperliche
Auffassung vollkommen gegeben. Mittelst einer geringen
Ausdehnung des Bereiches der scharfen Wahrnehmung auf
unseren Netzhäuten siud wir also frn Stande, gro£se Effecte
für die körperliche Anschauung zu erzielen.
Nach allen diesen Betrachtungen mufs man wohl die
Richtigkeit der oben (S. 81; aufgestellten Principien zur
Feststellung der Punkte auf den Richtungslinien, in welche
wir die Gesichtseindrücke lokalisiren, zugeben. — Was noch
den innigen Zusammenhang, um nicht zu sagen, die Identi-
tät der Richtungsstrahlen der Lichtkegel und der Richtungs-
linien der Lokalisation anbelangt, so sey hier noch gestattet,
die Verrouthung auszusprechen, dafs wahrscheinlich die Licht
percipirenden Elemente der Netzhaut, die Stäbchen, säinmt-
lich ihre Längsaxe gerichtet haben nach dem Kreuzungspunkt.
Zum Schlüsse möge es noch erlaubt seyu, einen Ueber-
blick über die Gröfse der oben erwähnten Raddrehungen
(|) in den Terüärstelluugen bei Fixation eines Punktes in
der Medianebene zu geben.
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tNotc I. Statt) in Fig. 6 Tal. II A den Kreuzraittelpunki, AC de» ho-
totalen Krcuuel.enkel, ACD die Krcuaebene, BGF die brechende Eben«
r Hornhaut, I» die Ge.iehtilinie dar, <•> soll die Ebene ¥ B AC senk-
recht auf ADV, die Ebene GBAD senkrecht tatBGF stehu, .1.»... bil-
det also GBAD die Brechungiebene, innerhalb welcher die Linie .( B
dem Einfällst), um die Differenz y — 7 ..... I, S f / »»gelenkt wird. Be-
P ichneu wir nun des Winkel, welchen beide Ebenen auf der Kreuzebene
lebneiden, mit .« und LB AC mit R — .,- , to e.giebt du reclil winklige
■»liehe Dreieck CDE (mit /_C=90e): tgE=^;fert
> Dreieck
GFE (mit Z.G=90°): ltGF=tgEüoGE, endlich das Dreieck CFH
(mu LG = B0*):
IgH- Ig« - ^gp-— -^ß^"
Da nun eE=90"-x' und CH=90'-|-/(dcrBreclmng>cocr.cien, der
„= 1,336), io folgt
*f
. ig« l/l — it'iin,)-
>' bezeichnet den Winkel, um welchen ,!.
rehen iil, damit der horizontale Schenkel in dl
e WinkelTeniehung verschwindet, bei
i die Brcchungsebene fällt,
45°, et in alsdann = 45*
(D-
i!l in ;■ eu berechnen.
Nole II. Stellt (Fig. 3 Taf. II) MKfCO eine Ebene dar, io ist in
sphärischen Dreiecken DCE und GFHLH=LE. Da nun LEC
=90" + v und LHF=90° — 9, ferner LC—LF—m, so
colg£ coj^i = cotg E sin« — sin .; cusa
cotgf'co»9 = totgiY stna + sinpcos«
Iglich
colg£' = colgE-|-2l(o'co.o (2).
Note HI. Um die Berechnung des Kegelmantels genau zu machen, mufi
ich die Schiefstellung der Hornhäute einerseit. und die Neigung der Tan-
gentialebene der Netzhäute gegen eine auf der Medianlinie senkrechte Ebene
andererseits berücksichtigen. Suche ich also in einer solchen Ebene die
Durchschnlitslinicn der Richtungicbcncn nach ihrem Amtritt aus ,i.m
Auge, n lege ich am einfachsten jene Ebene wieder durch die heideti Kreu-
,ung.p°nk<c K, K (Fig. 9 Taf II), und in derselben durch den Mittelpunkt
.|. r Grundlinie M ein ConrdinalenjYjtem. Dann ergeben sieb für die beide»
Dnrchlritulinien {DKaud DK') identischer Bichlungsebenen die Formeln:
In einer Tertiärstellung zeigen nun (nach S. 16)
nicht dieselbe Neigung gegen die Visi
92
gleich a'-M, die »oder« a — £; die»« Flichenwinkel werden nach dem
Austritt aas den Ange io der auf der Medianlinie senkrechten Ebene Win-
kel abschneiden, deren Grölse sich ans Formel (1) bestimmt; somit beben
die Richtuogscoostaaten die Werthe:
n ss ig (a* — |) cos o)
wi = ts;(a,-f-0COÄ9
1/ .-»in»?
f 1— j»*«n*y
1/ I-»inV
f 1-n'sinV
Setzen wir:
cos
l/ 1-sinV
*,
so bekoiomen wir ans (3) als Ort der Durchschnittspunkte von DK
und DK':
*•*•— 2s?X4fctg25^-y*«d, ....... (4).
Die gesuchte Curve ist also eine Ellipse, deren Mittelpunkt am — ^*
von M absteht, deren kleine Axe b
d d
. 0tr» deren grofse Axe a=- . ■.
sin 2 5 ° Asin2£
Um nun mit Hülfe dieser Ellipse den Winkel ft zq bestimmen, nehme
ich noch den Mittelpunkt der Grundlinie als Scheitel der Ellipse (die wahre
Entfei nuug »wischen beiden beträgt höchstens 3mm bei einer grofsen Axe 6
von 250mm); ich habe alsdann mittels der Scbeitelgleichuug, wenn ich noch
y = x lg t? setze :
<ry=&"(2<i*-**)=:<iVt>*'
2ao*
a'tg'tf-M
f
Da nun MD=* — — , so ist tg/4= — — — ss - — m berechnen.
cost> / /cos 17
Für den Kreis ergieht Fig. 4 Taf. II:
MC= — , MD=MCco*ct
, deosv
V- Krystallograpfiische Beiträge;
von Dr. G. com Math in Bonn.
. (ir den Krystallographen sind gleich nichtig die beiden
Klassen der unorganischen Eiuzclküiper — die Mineralien
und die EJroducle chemischer Laboratorien. Die genaue
Formkennlnifs dieser letztem dient nicht allein dein Che-
miker zur Erkennung seiner Verbindungen, sondern ist eine
unentbehrliche Grundlage für die Untersuchungen des Phy-
sikers. In der Krystallform treten die Eigenschaften der
Materie in die Erscheinung. Der Zusammenhang ist klar
für die physikalischen Eigenschaften; unzweifelhaft aber un-
erforscht ist er in Hinsicht der chemischen Zusammensetzung.
Hier herrschen die beiden groben Thatsachen, die lsomor-
phie und die Heteromorphic. Welches aber die Grämen
ihrer gegenseitigen Herrschaft seyeu, wie sie ihre Gebiete
durchdringen, ist unbekannt. Auf der Lösung dieser Fra-
gen beruht die Erkenntnifs des Zusammenhanges vun der
Form und Mischung1.
Den grüTsten Theil der untersuchten Krvslalle übergab
mir Professor Baumert, ■welchem ich für diese freund-
schaftliche Unterstützung aufrichtigen Dank sage. Die Mes-
sungen wurden mittelst eines einfachen Oci tlingschcn Ue-
Üections- Goniometer ausgeführt.
1. Pnribnniäure C„ ll2 V. 0, -
Die folgenden Messungen beziehen sich auf eine Para-
bansaure, die nicht nach dein gewohnlichen Verfahren durch
Einwirkung von Salpetersäure auf Harnsäure, sondern durch
freiwillige Umsetzung des Alloxans erhalten wurde. Prof.
Baumert (heilte mir über die Entstehung und das che-
mische Verhalten der von ihm dargestellten Parabansänrc-
Krystallc Folgendes mit: ■ Das Alloxan ist bekanntlich durch
verschiedene Einwirkungen sehr leicht zersetzbar. Schon
Gregory beobachtete, dafs das wasserhaltige Alloxan beim
94
langem Aufbewahren sich theilweise in eine Flüssigkeit und
KrystaUe, die nicht mehr AUoxan waren , verwandelt hatte
(Vergl. Annalen der Chemie und Pharmade Bd. 87, S. 126)»
» Als ich sie, so sagt er, untersuchte, fand ich kein AUoxan
mehr, sondern eine Menge des reinsten Alloxantins, sodann
einen schön krystallisirten Körper (B), der weder AUoxan
noch Alloxantin ist und eine grofee Menge eines dritten
noch löslichen Körpers (C), welcher stark sauer res gilt«.
Die chemische Natur der Körper B und C hat Gregory,
so weit mir bekannt, nicht näher ermittelt
»Meine Aufmerksamkeit wurde cum ersten Male vor etwa
fünf Jahren auf diesen Gegenstand gelenkt, als mir Prof.
DufIo8 eine Ähnliche von ihm gemachte Beobachtung mit-
theilte. Die freiwillige Umsetzung des Alloxans war aber
in diesem Falle von einer vollständigen Zertrümmerung der
fest verschlossenen Flasche begleitet gewesen, so dafs nur
geringe Mengen der neu gebildeten Producte gesammelt
werden konnten. Unter diesen liefs sich Alloxantin mit
Leichtigkeit nachweisen. «
»Im vorigen Sommer hatte ich Gelegenheit diese Um-
wandlung an einem AUoxan -Präparate sich wiederholen zu
sehen, das erst seit einigen Wochen dargestellt tind aus der
warm gesättigten, noch etwas Salpetersäure enthaltenden
Lösung in sehr grofsen Krystallen angeschossen war. Die
Zersetzung war auch diefsmal mit explosionsartiger Gewalt
erfolgt, denn ich fand nicht nur die Flasche, welche zum
Aufbewahren des AUoxans gedient hatte, bis auf das untere
Dritttheil zu kleinen Splittern zerschmettert, sondern noch
andere in der Mähe befindliche Präparatengläser arg be-
schädigt. Der Ueberrest der Flasche enthielt eine roth
gefärbte, stark sauer reagirende Flüssigkeit, untermischt mit
undeutlichen gelblichen Krystallen, die nach ihrer Reinigung
die charakteristischen Reactionen des Alloxantins zeigten.
Als die saure Flüssigkeit einige Tage unter einer Glocke
über Aetzkalk gestanden hatte, schieden sich KrystaUe aus.
Sie wurden durch zweimaliges Umkrystallisiren rein erhal-
ten. Ihre chemische Untersuchung, deren wesentliche Er-
95
gebnisse ich hier mittheile, läfet keinen Zweifel, dafe sie Pa-
rabansäure sind.«
»Sie reagiren stark sauer, lösen sich leicht in Wasser,
schmelzen beim Erhitzen unter Ausstoßen eines stechenden
nach Blausäure riechenden Dampfes, und hinterlassen eine
schwer verbrennliche Kohle« In verdünnter wässeriger Lö-
sung mit Ammoniak, neutralisirt, geben sie mit Kalksalzen
sogleich keine Fällung; letztere tritt aber nach einiger Zeit,
schneller beim Erwärmen ein. Der gebildete Niederschlag
löst sich leicht in Salzsäure, schwieriger in Essigsäure. In
concentrirter wässeriger Lösung scheiden sich bei Zusatz
von Ammoniak nadeiförmige Krystalle von ozalursaurem
Ammoniak aus. Ich habe aus dem oxalursauren Ammoniak
die entsprechende Silberverbindung dargestellt und diese
analysirt: 0,3085 Grm. Substanz hinterließen nach dem Ver-
brennen 0,1395 Grm. Silber = 45,21 Proc Die Theorie
▼erlangt 45,19 Proc Silber.«
«Ein anderer Theil der Säure wurde in Wasser gelöst
und mit kohlensaurem Baryt bis zur erfolgten Neutralisa-
tion erwärmt. Nach dem Erkalten des Filtrats schied sich
ein krystallinischer Körper ab, der wie die mikroskopische
Untersuchung zeigte, aus rhombischen Tafeln bestand. Die-
ses Barytsalz ist in kaltem Wasser schwer löslich und ent-
hält kein Krystallwasser. «
0,475 Grm. bei 100° getrocknete Substanz gaben 0,276
Grm. BaOSOa.
0,397 Grm. bei 100° getrocknete Substanz gaben 0,2225
Grm. Kohlensäure und 0,064 Grm. Wasser.
Rechnet man zu der direct gefundenen Kohlensäure die
dem Baryt zurückgebliebene (0,0437 Grm.), so erhält
folgendes Resultat der Analyse:
Berechnet
Gefunden.
C, -36
18,0
18,2
H, - 3
1,5
1,7
N, —28
—
—
Ba — 68,5
34,3
34,1
O, -64
—
—
199,5 100 \00
06
Diefs entspricht der Zusammensetzung des oxaluroaftren
Baryts. Berücksichtigt man die die freiwillige Umsetzung
des Alloxans begleitende Explosion, so labt sich die gleich-
zeitige Bildung von Kohlensaure mit grofser Wahrschein-
lichkeit voraussetzen. Der Zersetzungsprocefe kann unter die-
ser Annahme durch folgende Gleichung dargestellt werden:
Alloxan Alloxantin
3 (C, N, Ht O.) = C16 H« N4 Ol4 +
Parabansiure Kohlensaure
+ C6 H8 Nt 06 + Ct 04.
Es würde diefs die schon von Fehling (VergL chemi-
sches Handwörterbuch 2. Auflage, Artikel Alloxan) ausge-
sprochene Vermuthung bestätigen.
Kry$tall$y$tem, zwei- und eingliedrig f (monoklinisch);
S. Fig. 1 bis 8 Taf. HL Ausgezeichnet durch die nahe sym-
metrische Ausbildung der vorderen und hinteren Seite des
Krystalls.
Axen - Verhältnifs :
a: 6: c= 1,301318: l : 0,616326 ').
Die Axe a neigt sich nach vorne abwärts, so dafe der
Winkel der Axen a und c vorne oben beträgt 92° 54'?
Die Axcnfläche beträgt demnach 2° 54'£.
Folgendes sind die von mir beobachteten Flächen nach
der Bezeichnung von Weifs und derjenigen von Nau-
mann:
1. Flächenpaare und Einzelflächen mit den Zeichen (od c)
rhombisches Prisma i = (a : 6 : od c) =qoP
rhombisches Prisma m=(a : 2 b : od c) = od P2
Querfläche a = (a : ao b : <x> c) — <x>P (x>
Längsfläche 6 = (6:aDa:cz)c) = xPao
2. Eiuzelflächen der Endigung mit dem Zeichen (od 6)
vordere schiefe Endfläche P = (a : c : od 6) = — P od
hintere Gegenfläche x = (a' : c : ao 6) = P od
sehr steile hintere Schiefendfläche 3 = (7'Ta':c: od ft) *)
= 2lP<x>
1 ) Axe a läuft auf den Beschauer eu, b an ihm vorbei, c sieht senkrecht.
2) Ich verhehle mir nicht, dafs diese Flachenformel auffallend und der
3. Flächen aus Diagonalzone von /' und x,
vorderes Augit arligcs Flächenpaar 0=(a:fi:c) = — P
hinteres Augit- artiges Flächenpaar 0'=(<x ':b:c)=P
Das Verhälmifs der Axen und die Axeuscbiefe wurden
berechnet ans den gemessenen Neigungen:
der Flachen des rhombischen Prismas m:ro=113°58'
vorne, (Mittel aus 10 Messungen),
der vordem Schiefen d IIa che P zur Quertläche a=117°42'
(Mittel aus 32 Messungen),
der hintern Gegenllä'che x zur Querfläche u= 112° 57'
(6 Messungen).
Ich selze neben einander die aus den angegebenen Ele-
menten berechneten Winkel wert he und die gemessenen.
Die in Klammern sichende Zahl hinter den gemessenen Nei-
gungen bedeutet die Anzahl der meist an verschiedenen
Krystallen ausgeführten und zum Mittel hinzugezogenen
Messungen:
m
m
= 66° 2'
m
a
= HG 59
147° 6' (6)
m
b
= 123 1
—
l
l (über
a)
= 75 9
—
l
l (über
fi)
= 104 51
—
l
a
= 127 34|
127 34 (9)
l
b
= 142 25}
142 27 (28)
m
l
= 160 -35|
160 30 (2)
o
0
=r 122 45}
122 14 (4)
0
P
= 151 22$
151 10 (17)
o'
o'
X
= 120 504
120 51 (15)
o'
= 150 25}
150 26 (7)
o
0
p
= 136 5J
136 4} (10)
o'
= 123 28
123 32 (9)
0
a
= 114 5
114 5 (6)
Sprung iwijcheo
i,-.,
feefOcuoHn der beiden 1
ntem Endflächen (I : ,'T)
on.erromelt in.
Dil
Flache X IHr eine b!„l
e Störung oder tu l, II !..-.,
Bretlmng fo Q
.:i 1! ,, In- tu halten . -erbiete
in 9 Krjtlsllen ange-
•teilte. üLereimtir
HM
de Me,...ngen.
orW, Add>1. Bd. CX.
T
98
B^Htflülwi^ft-
BcobaditM.
o :b
= 118° 374'
118" 41' (6)
o : m
= 127 6
—
0 : l
ss 128 65
—
o' : a
= 109 49
—
o':b
ss 110 344
119 26 (8)
c! : m
= 123 354
123 -64 (1)
o'x l
= 126 43|
126 47 (2)
P: l
= 106 28
106 33 (9)
P:m
•= 112 56
P : x (in Axe c)
) — 129 21
129 26 (3)
P:« (über
X)
s: 68 4
67 50 (2)
x : a
= 118 43
118 20 (1)
* : a
ss 174 144
.174 17 (9)
Die Kiystalle der Parabansäure (s. Fig. 1 Taf. III) sind
stets tafelförmig ausgedehnt, indem die Querfläche a vor-
herrscht. Die Längsfläche b fehlt niemals. Die beiden
verticalen rhombischen Prismen erscheinen nur mit schmalen,
oft nur linsenförmigen Flächen. I ist häufiger und meist
mehr ausgedehnt als m. Zuweilen fehlt aber auch jede Spur
von beiden.
In der Endigung der Krystalle (s. Fig. 2 Taf. III) sind
höchst selten die vordere Schiefendfläche P und die hintere
Gegenfläche x gleichmäfsig ausgebildet. Niemals vermifst
man P, nicht selten x, welches zuweilen auf eine linienför-
mige Kanten -Abstumpfung reducirt ist Immer ist P aus-
gedehnter als x. Umgekehrt verhalten sich in ihrer Aus-
bildung die beiden augitartigen Flächenpaare. Das hintere o'
fehlt nicht leicht, herrscht oft allein auf der hinteren Seite
des Krystallendes. Das vordere o bildet oft nur schmale
Abstumpfungen der Combinationskanten zwischen P und
der Längsfläche 6, fällt auch wohl einmal ganz fort. Die
sehr steile hintere Schiefendfläche * ist nicht immer vor-
handen, doch ist sie auch nicht selten. Sie erscheint theils
mit x und dem Paare o\ theils mit ersterem oder letzterem
aHein, theils ausschliefslich die hintere Seite des Krystall-
endes bildend.
Die Querflache a zeichnet sich vor allen anderen Flä-
chen durch ihre matte Beschaffenheil aus. Sie bietet bei
Weitem nicht den glänzenden und vollkommnen Spiegel
der übrigen Flächen. Legt man einen Krystall mit seiner
Tafelfläche a auf einen dunkleu Grund uud betrachtet ihn
genau, so bemerkt mau ein Andreas-Kreuz, dessen Anne
nach den 4 Ecken der Krystalltafel sich erstrecken. Das
Kreuz ist dunkel, da seine durchsichtige Beschaffenheit die
Unterlage durchscheinen läfst; der übrige Theil der Fläche
ist weifs und undurchsichtig. Diese eigenthiiiuliche Erschei-
nung, von welcher Fig. 3 Taf. III eine Andeutung* geben
soll, wird bei keinem der Kristalle vermifst. Zuweilen zeigt
die Querfläche a eine buchst feine, verlicale Streifung. Die
Längsfläche b ist an einer besondern Eigenlhümlichkeit meist
sogleich kenntlich. Sie wird nämlich in ihrer Mitte ge-
wöhnlich von einer tiefen, verticaleu Rinne zerschniLtcn.
Dieser Schnitt durchsetzt zuweilen die Fläche von oben
bis unten, und dringt parallel zur Querlläche bis nahe zur
Mitte ein, so dafs alsdann der Krvstall wie aus zwei La-
mellen gebildet erscheint, welche nur in der Mittellinie par-
allel der Axe c verwachsen sind. Sic bilden indefs nur
einen einzigen Kryatall. Die inneren Seiten der Rinne wer-
den durch KrystallMächen gebildet, den verschiedenen Flä-
chen der horizontalen Zone. Fig. 4 Taf. III stellt den Quer-
schnitt durch einen wie beschrieben zertheiltcn Kryslall dar.
Beide Erscheinungen, diejenige auf a und die auf b hängen
wohl unzweifelhaft mit einander zusammen, und haben ihren
gemeinsamen Grund in den Gesetzen des Fortwachsens der
Krystalle.
Die vordere Schiefendfläche P besitzt, wie mir scheint,
den stärksten Glanz. Zuweilen findeu sich auf ihr kasten-
förmige Verliefungen. Einmal fand ich auf derselben einen
einspringenden Winkel (= 178" 58), dessen Kaule horizon-
tal lag. Die steile hinlere Endfläche s Iritt nicht immer
allein zwischen x und a auf, sondern unierbricht zuweilen
mehrere Male den oberen Verlauf der Fläche a. Die Fig. 5
u. 6 Taf. III stellen naturgetreue sehr vergröfserte Sctttüttfe
100
durch zwei Krystalle parallel der Axenebene ac dar und
werden das Gesagte veranschaulichen. An solchen Kry-
stallen spiegelt die Längsfläche b in ihrer ganzen Länge
genau ein. Die sehmalen Prismenflächen erscheinen indefs
an denselben Stellen wie die Querfläche gebrochen. Eine
deutliche Spaltbarkeit geht parallel der Längsfläche, eine
weniger dentliche parallel der Querfläche.
Die von mir untersachten Krystalle der Parabansäure
erreichen die Gröfse von 2 bis 2\ Linie in der Richtung
der Axe e9 von 1 bis 1| Linie in der Richtung der Axe 6,
und i Linie nach Axe a. Fig. 7 Taf. III stellt die Linear -
Projection eines Parabansäure -Krystalls dar auf die Axen-
Ebene ab, ausgeführt nach* der zuerst von Quenstedt pu-
blicirten Methode. 9
Die Krystallform der Parabansäure unter Aufstellung
derselben chemischen Formel wie oben wurde bereits durch
J. Schabus in seiner gekrönten Preisschrift: Ueber die
Bestimmung der Krystallgestalten u. s. w. S. 163 ]), unter,
sucht. Die Schabus 'sehen Krystalle zeigen eine analoge
Flächen- Combination wie die meinigen, was sogleich ins
Auge springt, wenn man jene so wendet, dafs die basische
Endfläche zur Querfläche wird. Fig. 8 Taf. III ist eine
Copie der Schabus 'sehen Zeichnung, r' wird zur vor-
dem Schiefendfläche. In der Täuschung, dafs unsere bei-
derseitigen Untersuchungen zu gleichen Resultaten geführt,
werden wir noch dadurch bestärkt, dafs Schabus die Nei-
gung r':c genau so angiebt, wie ich sie von Pia gefunden
(117° 42'). Auch stimmt die Kante, in welcher das hintere
Augit-Paar sich schneidet, tibercin: 0:0 = 120° 52' ent-
sprechend in meiner Zeichnung o':c! = 120° 50'. Weiter
geht die Uebereinstimmung nicht. Sowohl die Kante des
vorderen Augit- Paares (o':o' Schabus) als auch die Nei-
gung der hintern Schiefendfläche zur Querfläche (r:c) wei-
chen durchaus ab von den oben angeführten Winkelwer-
then. Bei den von Schabus gemessenen Krystallen müfste
1) S. Raromelsberg, die neuesten Forschungen in der krjstallographi-
schen Chemie. Berlin 1857, S. 178.
die Axe a sich nach hinten und zwar bedeutend hinabuci-
gcu. Vergebens versucht man die von SchabuG gemesse-
nen Flächen auf meine Axcn - Elemente zurückzuführen.
Auf diese bezogen würde Schabus Flache r die Axe o'
iu der Entfernung 0,5153 schneiden. Au den von mir be-
schriebenen Kryst allen kann sie demnach unmöglich auftre-
ten. Wie diefs Räthsel zu lösen, inufs ich dahingestellt
seyu lassen.
2. Zweifucti mrihMrniviun:.-, Ammoniak. AnO, 2MoO,-r-aq.
Dargestellt durch Auflösen von M ol yb da n säure in Am-
moniak und Eindampfen.
Kristallsystem, zwei- und eingliedrig, (inonoklinisch)
s. Fig. 9 bis II Taf. Hl. Das Ansehen der Krystalle bald
F" [förmig bald prismatisch; iu der Zuspitzung zwei augit-
liche Flächcupaarc. Es verhalten sich die Axenlängen
a:b:c= 0,62967 : 1 : 0,29359.
Axe a neigt sich nach vorne abwärts, so dafs sie mit
der Axe c vorne oben den Winkel 91" I2'4 bildet. Die
Axenschicfc beträgt demnach
Wie die Fig. 9 u. 10 Taf. III es veranschaulicht, finden
ch iu der horizontalen Zone zwei rhombische Prismen l
und s, dazu die Längslläche b und zuweilen die Queriläche a.
Die Endigung wird durch ein vorderes Augil-Paar o und
ein hinteres » gebildet. Den Zonenzusammcnbang dieser
Flüchen lehren folgende Beobachtungen:
Die Fläche / bildet oben und unleu parallele Gomuina-
liunskanlen mit o und n, welche Flächen fast gerade auf /
aufgesetzt sind. Die Fläche n bildet parallele Combinalions-
kanten mit o und s; hat man überdiefs durch eine unge-
fähre Messung ermittelt, dafs s das dreifach stärker gescho-
bene Prisma ist wie I, d. li, dafs die langen Diagonalen der
Querschnitte jener Prismen sich verhalten wie 3:1,
die kurzen Diagonalen gleich sind, so erhält man die Li
uear-Projectiou, Fig. II Taf. III uud folgende Zeichen.
102
1. Für Flachenpaare and Einzelflächen mit dem Zei-
chen ae c
rhombisches Prisma / = (a :&:<*> c) = <r>P
» » * = (<»:36:<x>c) = gdP3
QuerflSche a = (s :cob:ccc) = <x>PcD
Längsfläche 6 = (6 : od a : or c) = od P od.
2. Für die Augit- ähnlichen Flächenpaare
vorderes o = (a : b : c) = — P
hinteres n = (±a' : *6 : c) = + 2P.
Die Axen - Elemente wurden berechnet aas folgenden
drei Kantenwinkeln
des vorderen Augit -Paares 0:0 = 150° 26' (Mittel von
25 Messungen)
des rhombischen Prismas / : / an Axe a = 115° 87' (8)
desjenigen unter welchen die vordere Augit- Fläche auf die
rhombische Prismenfläche, aufgesetzt ist
0:/ = 119°38' (14).
Sogleich ergiebt sich, dafs 0 (wie auch n) nicht vollkom-
men gerade auf l aufgesetzt ist, da der ebene Winkel auf J,
welcher beiträgt zur Bildung des körperlichen Ecks (0*0
90° 38' j mifst.
Wollte man annehmen, jener ebene Winkel sey ein
Rechter, so findet sich rückwärts Kante ~ = 118° 37', wäh-
rend der untere Gränzwerth jener 14 Messungen, deren
Mittel angegeben, nur bis zu 118° 55' hinabgeht.
Aus den mitgetheilten Elementen ergeben sich nun unter
Vergleichung der durch Messung gefundenen folgende Kan-
tenwinkel:
Berechnet
Gemessen
/ :
/ (an Axe 6) = 64° 23'
64° 28' (5)
/ :
b ^122 12
122 6 (20)
/ :
b nicht anliegend = 57 48
57 32 (11)
s :
* (an Axe a) = 1 56 17-J
156 2 (7)
S :
b über / = 101 51^
102 4 (10)
S :
b über s und / = 78 8£
78 2 (7)
S :
/ =159 39£
159 39 (24)
103
Berechnet
G«M**en
s : l über s
= 135° 56f
135 • 49' (1)
l :a
= 147 48
147 55 (1)
n : n .
= 133 4
133 3 (4)
n : o .
= 115 23
115 37 (14)
n : o über /
= 76 58*
76 59 (2)
o : 6
= 104 47
104 48 (16)
o : 6 Über o
= 75 13
75 3 (4)
n : 6
= 113 28
113 32 (9)
ff : 6 über n
= 66 32
66 22 (8)
n:l
= 137 20i
137 0 (6)
0 : S
= 117 50J
n : s
= 133 23 j
133 36 (4)
Neigung der Kante — zur Axe o = 64° 1'
2- « » =47 37'
n
Die Krystalle gewinnen eine tafelähnliche Ausbildung
dadurch, dafs die Flächeu des sehr stark geschobenen rhom-
bischen Prismas s meist breiter sind als diejenigen des Pris-
mas I. Die Längsfläche 6 ist meist schmal, zuweilen fehlt
sie auch. Nur ein einziges Mal habe ich eine glatte glän-
zende Querfläche a gefunden. In der Endigung herrscht
gewöhnlich das vordere Flächenpaar o, welches niemals fehlt.
Das hintere Flächenpaar n bildet meist nur schmale Ab-
stumpfungen der scharfen Kanten — , so dafs sich nn bei
Anwesenheit der Querfläche a nicht in einer Kante schnei-
den. Die Flächen n fehlen auch wohl ganz. Sehr selten
sieht mau das vordere und hintere Flächenpaar im Gleich-
gewichte ausgedehnt Die Flächen n sind durchaus glänzend
und glatt, geben einfache klare Spiegelbilder. Auch die
Flächen o obgleich sie eine sehr feine Streifung parallel
ihrer vordem schiefen Kante tragen und nicht so glänzen
wie das hintere Flächenpaar, geben gute einfache Bilder.
Die Längsfläche b ist perlmutter- und seidenglänzend. Ist
sie matt, so braucht man nur die ihm parallel stehende
Spaltungsfläche darzustellen, um einen vollkommenen Spie-
104
gel xu erhalten. Viele Mfihe habe ich anwenden müs-
sen, am genügend übereinstimmende Winkelwerthe der rhom-
bischen Prismen za erhalten, besonders in Bezog aaf *, das
dreifach starker geschobene. Eine verticale Streifong bringt
oft verwaschene Bilder hervor. Auch mufs ich mit Be-
stimmtheit schliefsen, dato hier Unregelmfifsigkeiten in den
Neigungen sich finden. Auffallender Weise gab bei der
Messung die Combinationskante y weit übereinstimmendere
Resultate als irgend ein anderer Winkel in der horizonta-
len Zone '). Die Neigung o:l liefe sich mit befriedigender
1) Es erscheint nicht unwichtig für den oben bezeichneten Fall, der ja
bei zwei- nnd zweigliedrigen (rhombischen) und zwei- und eingliedri-
gen (roonokhniscbeii) Systemen hlnfif vorkommen kann, zu dedociren
wie aus der gemessenen Combinationskante zweier rhombischen Prismen
die Winkelwerthe dieser beiden letztern sofort gefunden werden. Bei
dieser Deduction erfreute ich mich des Ratbes von Dr. R. Lipschits.
In nebenstehender Fi-
^ * D " gur sey: LAOB=*q>,
gleich dem halben vorde-
ren Kantenwinkel des ei-
nen Prismas. L. AOC
= 1//, gleich dem halben
vorderen Kanten winkel des anderen Prismas. ED =}= OB. Daher
Z-O.EZ) = J2, gleich der gemessenen Combinationskante beider Prismen.
AO=**, AB=b, AC=fcb. Nun folgt,
y— 9=>=1800 — Sl.
Da nun
tSf"=r*»f*
so ergiebt sich
*\V <Pß H-^tgy.tg^)'
Dieser Ausdruck fuhrt su einer quadratischen Gleichung; geordnet auf-
gelöst giebt sie
tg*9 —
— 1
^Y^
H tg (y— q>)
(y — 9K f*
Es sey bemerkt, dafs der Wertb von fi, d. h. das Tangenten -Ver-
hälinifs der halben vordem Kantenwinkel der beiden Prismen, gemÜs
Genauigkeit ermitteln, da die quer gegen die Vertical-Strei-
fung auf / relleclirten Bilder recht scharr sind.
Die Krystalle des zweifach molybdänsaureu Ammoniaks
besitzen eine vollkomuiuc Spaltbarkeit parallel der Längs-
fläche b. In dieser Richtung springt wie bei dein Euklas
ein Lichtschein aus dein Innern des Kryslalls hervor.
Unter der grofsen Zahl der mir zur Verfügung stehen-
den Kryslalle eind auch mehrere von laf eiförmiger Gestalt,
welche nur uingranzt zu seyn scheinen von der Querlläcbe,
der Längsfläche, einer vorderen Schiefendfläche, welche die
Kante — und einer hintern, welche die Kante — abstumpfen
würde. Die Querilachc ist stark verlical, die Schiefcudflä-
chen parallel ihrer schiefen Diagonalen gestreift. Bei ge-
nauerer Bestrahlung überzeugt man sich, dafs bei diesen
Krystallen weder die QuerÜache, noch die beiden Schicf-
cndllächeu wahre Flächen sind, sondern nur den Schein von
den krpwtliigrap bischen G<
i, ilufrti twei ungrfährc Messungen so-
Ausdruck für die laug .; ist irreideutig
er twel sinnvolle Wertl.e Beieicl.nen wir mit Ig ,p,
lgT, den indem Werlb, in «eben beide in dem Ver-
bähniC, uafs
Igcfl • tga>,=
Den beiden WertheD für Ig ./ entspreche]
'gfi =f*->g,Pi
igV> = f -'SV'
1
'Sfl
= cotgu>.
p.tg?,
<g V» = f ■ fl 9> — colI ?■•
Wclehen vnn beiden Werllien für lg<j> oder Ig f man ;.u wählen babe,
darüber entscheidet sofort eine jener ungefähren Messungen.
Stapitl. ß = IS9°39'. u- — y=20»21'. ,,=3.
Wählt nun im Ausdruck für ig o> den positiven Wurielwcrth, 10 er-
gebt sich
T, = 57M7i', u>,=78D8J'.
Aul dem uegiliien Wunelwerlhe folgt
Vl=ll*Sli', f, = 32e12i'.
keinen Augenblick iweifelhaft sejn.
106
solchen haben, dadurch, dafs unzählige Male die Prismen«
flächen * und die Flächenpaare o und n sich wiederholen.
AoCser den bisher geschilderten regelmäfsigen Krystalleri
fand ich in dem mir übergebenen Glase noch eigenthüm-
liche Krystaügruppen, welche yermuthlich von einer beson-
dern Abdampfung herrührten. Sie bilden knglige Aggre-
gate von zahlreichen parallel der Längsfläche tafelförmig
gewordenen Krystallen, welche mit ihrer Tafelfläche so an-
einander liegen, dafs ihre pheripherischen Theile sich schnel-
ler von der Medianebene (Axenebene ac) der KrjstalL-
gruppe entfernen, als die centralen der Axe 6 näher liegen-
den Theile. So entstehen auf den Längsflächen dieser Kry-
stallgruppen flach -trichterförmige Vertiefungen.
Während die regelmäbigen Einielkrystalle keine Spar
von anderen Flächen ab die oben bestimmten zeigen, bie-
ten die Kryslallgruppen noch eine interessante Fläche dar,
welche leicht durch Zonenbeobachtung zu bestimmen ist
Sie gehört einem vorderen Augitpaare an und stumpft einer-
seits die Kanten ~ ab, fällt also in die Diagonalzone der-
selben Schiefendfläche, zu der auch o gehört. Andrerseits
bildet sie parallele Combinationskanten mit s und n. Die
punklirtc Linie in der Projectionsfigur Fig. 11 Taf. III stellt
diese Fläche dar, der das Zeichen
* u= (a:$b:c) = — 3P3
zukommt. Diefs Flächenpaar würde in seiner schiefen Kante
den Winkel 103° 16' messen.
Nachdem ich Messung und Berechnung des zweifach
molvbdänsauren Ammoniaks vollendet, erfuhr ich, dafs von
demselben Salz bereits Messungen von Haidinger und
Mariguac vorhanden. Ihre Resultate liegen mir nur in
Rauimelsberg's Supplement vor S. 98. Haidinger's
und Marignac's Untersuchungen stimmen in wenig be-
friedigender Weise mit einander überein. Schwerlich be-
ziehen sie sich auf dieselbe Substanz. Auch scheint die
Vergleichuug der beiderlei Winkel nicht ganz richtig zu
seyn. Der von Marignac gemessene Winkel 115° 59'
107
besieht sich auch wohl nicht auf die seitliche Endkante des
zwei- und ein-gliedrigen Octaedere o*, o'*, sondern auf die
Combinationskante der beiden Augitpaare o und 0'*. Dann
stimmen Marignac's Messungen auch wohl mit den mei-
pigen überein; Marignac fand:
0:0= 150° 24', n:o es 115» bff, J:6 = 122° — 123°,
n: 6 = 113° 45', n:/= 137° lff, 0 : 6 = 104° 48'.
3. Benauid C" H* °| J N.
Das mir zur Untersuchung übergebene, durch Schmel-
zung erhaltene Benzamid stellte einA schwach honiggelb ge-
färbte, krystalbnisch -blättrige Masse dar. Auf dieser Masse
sitzen, hineinragend in die innere durch Abgiefsen der noch
nicht erstarrten Substanz entstandene Höhlung, sehr kleine
wohlausgebildete Krjrstalle. Ihre Gestalt ist tafelförmig,
kaum bis T'ir Linie dick. Die Tafel gewöhnlich oblong,
nicht in der einen Richtung 2 bis 3, in der andern 1 Linie.
Zuweilen erscheint die Tafel zu einer Nadel ausgedehnt,
selten quadratisch. Sowohl die lange als auch die schmale
Seite der Tafel trägt Zuschärfungsflächen (Fig. 12 Taf. III,
bei welcher um die zuschärfenden Flächenpaare deutlicher
zu zeigen, die Dicke der Tafel verhältnifamäfsig bedeuten-
der ist, als ich es in der Natur gefunden).
Das Krystallst/Mtem »wei- und zweigliedrig (rhombisch).
s. Fig. 12 — 15. Es verhalten sich die Längen der Axen
a:b:c = 0,9838 : 1 : 0,2277.
Das zur Grundform gewählte Rhomben -Octaeder 0 =
(a : 6 : c) = P Fig. 13 Taf. III uiifst in der
vordem oder hintern Endkante .155° ö'
seitlichen Endkante 154 34
Seitenkante 35 59.
Die Basis dieses Octaedere weicht nicht allzusehr von einem
Quadrate ab, indem ihre an der Axe a liegenden Winkel
90° 56', die an der Axe 6 liegenden 89° 4' messen. In
der Protection Fig. 14 Taf. III ist die Grundform durch ge-
strichelte Linien (0) bezeichnet.
106
Weder die Grundform noch andere Octaeder habe ich
an den Krjstallen gefunden, wohl aber folgende Flächen:
erstes (zur Grundform) zugehöriges Flächenpaar — verli-
cales rhombisches Prisma
m = (a:6:aDc) = <z>P
ein anderes verticales Prisma , dessen Querschnitt bei glei-
cher Diagonale a mit n> nur eine halb so grofse Diagonale
b besitzt als n,
I =(a: 46:qdc) =od JP2
Querfläche a = (a : od 6 : od c)= od P od
Längsfläche 6 = (6 : x> a : od c) = ao P od
zweites zugehöriges Flächenpaar, Querprisma,
i =(a:CQD&) = ooP2
Weder das dritte zugehörige Paar, Längsprisma , noch die
Geradenfläche habe ich beobachtet.
Die Axen wurden aus folgenden zwei Winkeln berech-
net: der Combinationskante des Querprismas und der Quer-
fläche
i:a = 103° 2' (Mittel aus 10 Messungen),
der Combinationskante des ersten verticalen Prismas zur
Querfläche
m:a= 135° 28' (11).
Es betragen die Neigungen:
Bcrecli
m : m (vorne) = 90°
l : l (vorne) = 53
t : a (über *) = 76
t : t (an Axe c) = 153
i : m =99
l : a (überm) =116
l im =161
l : b = 153
i . l =95
Eine gröfeere Uebereinstimmung der Winkel liefs sich
bei der geringeren Zahl der zum Messen geeigneten Kry-
oet.
Gemessen.
56'
—
52
—
58
77° 5' (7)
56
154 17 (3)
15
98 38 (1)
56
116 35 (1)
28
161 29 (1)
4
153 24 (1)
52
_
stalle und ihrer Kleinheit nicht erreichen. Tafclflächc ist
stets die Qucrtlächc a. In dieser Ebene sind die Krystall-
tafcln entweder in der Richtung der Axe b oder der Aue C
ausgedehnt. Das eine zeigt die schiefe Projeclion Fig. 12
Taf. III, das andere die gerade Projeclion auf die Querfläche
Fig. 15. Mit einer ihrer schmalen Seiten sind die Tafeln
stets aufgewachsen, daher an einein Ende stets abgebrochen.
Zuweilen dehnen sich die Krystalle zu Nadeln aus. Die
Liiiigs Wiche b ist immer äufserst schmal, fehlt aber gewöhn-
lich nicht. Un regelmässig gebogene Tafeln, an die Biegun-
gen der Gyps-Krystalle erinnernd, kommen auch vor. Die
Kryslalle sind vollkommen spaltbar parallel der Querflüche a,
auf welcher Newton'sche Farbenringe erscheinen.
• O,
Wie Baumert und Landolt (Ann. d. Chemie und
Pharmacie Bd. CXI, S. 5 u. 6) gefunden haben, bilden sich
beim Eintragen von mit Aether befeuchtetem Kaliuinanml
in eine Auflosung von Chlorbcnzoyl in Aether farblose
Kryslalle von Benzamid und Dibenzauiid, welche gereinigt
und durch kaltes Wasser, worin das Dibenzamid fast un-,
löslich ist, getrennt wurden. Die Kryslalle dieses letzteren
entstanden durch freiwillige Verdunstung der wässerigen
Lösung. Wenn auch im chemischen Verhalten beide Kör-
per die grölste Aehnlichkeit zeigen, so sind sie doch kei-
neswegs isomorph. Das Kryslallsyslem zwei- und zwei-glie-
drig (rhombisch) a. Fig. 16 u. 17 Taf. III. Die Kryslalle
sind Combinationeu eines Rhomben od aeders mit einein ver-
licalen Prisma, auf dessen Seitenflächen die Oclae'der-Flä-
chen nicht gerade aufgesetzt sind. Andere Flächen kommen
nicht vor.
Axen-Verhältnifs a-.b: c = 0,9305 :!: 1,0690.
Beobachtete Flächen sind: des
Hauptoclaeders 0 — (a;b:c) = P
vcrlicalcn rhombischen Prismas (=:(fl:J6:irc) = icPl
iio
Aus der Neigung der Octaederfläcben in seinen schär-
feren seitlichen Endkanten — 103° 45' — and aas dem Kan-
tenwinkel des rhombischen Prismas l an der Aze b 123° 30*»
welcher der schärfern Endkante des Octaeders anliegt, wur-
den die Axenlängen berechnet.
Berechne! Gernetten
Vordere Endkante des Octaeders o — 109° 59V 109° 5^
Seitenkante des Octaeders o=114 59 —
o:l =s 142 58 143 3
Querflgehe zur anliegenden
Octaederfläche 128 7£ 128 12
Querfläche zur nicht anliegenden
Octaederfläche * 51 52£ 51 55
An dem Octaeder o beträgt die Neigung der
scharfen Endkanten zur Axe c — 43° 5*
stumpfen » » » — 41 2£
Seitenkanten zur Axe a — 47 3£
Die Krjstalle erscheinen stets säulenförmig ausgebildet pa-
rallel der Axe c.
Die Querfläche erscheint nicht als Krystallfläche, ob-
gleich man sie bei ihrem häufigen Auftreten leicht für eine
solche halten könnte (s. d. cit. Auff. S. 6). Eine sehr voll-
kommene Spaltbarkeit, wenigstens so vollkommen wie der
erste Gjpsbruch, stumpft parallel der Querfläche die vor-
dere scharfe Kante des verticalen Prismas ab. Kaum ver-
mag man einen anderen Bruch wahrzunehmen. Die Spal-
tungsflSche zeigte Perlmutterglanz. Die Krjstalle sind zum
Theil vollkommen durchsichtig, farblos, bis sechs Linien
lang, bis 1 Linie dick, äufserst zerbrechlich.
5. KaUnmplatinsesquicyanür, 2 (KaCy) + Pta Cy, + 5 aq.
Diefs Salz war nach der von Knop angegebenen Me-
thode durch Einwirkung von Chlor auf Kaliumplatincjanür
dargestellt worden.
Krystallisirt im viergliedrigen - quadratischen Systeme.
Die Krjstalle sind nadeiförmig, eine bis drei Linien lang,
äufserst dünn, und spiegeln, wenn man sie um die ausge-
zeichnete Axc dreht, stets acht Mal. Jeder dieser Spiegel
bildet mit dem benachbarten den gleichen "Winkel von 135°,
je zwei abwechselnde neigen sich unter °(>", Es folgt daraus,
dafs die Nadel durch eine Combiuation des ersten und
zweiten quadratischen Prismas gebildet wird. Eines dersel-
ben zeicliuet sich gewöhnlich vor dem andern durch grö-
feere Ausdehnung seiner Flächen aus. Das eine Ende fand
ich stets abgebrochen, das andere durch die gerade End-
fläche begrünst. Oclaeder oder andere Zuspitzungs-Flachen
fehlen, so dafs das Axen-Verhältnifs nicht zu bestimmen ist.
Eine besondere Aufmerksamkeit verdient das Kalium-
platinsesquicjanür durch seine Farbenerscheinungen. In die-
ser Hinsicht würde dasselbe zu den schönsten Körpern der
Natur geboren, wenn es möglich wäre, gröfsere Kristalle
darzustellen. Die Substanz ist durchscheinend, was indefs
bei der Kleinheit der Krystallc und ihrem vollkoimnnen
Metallglanz nicht ganz leicht wahrnehmbar ist. Beim Hin-
durebseben ist die Farbe pistaziengrün, wie die des durch-
sichtigen PJstazits aus der Dauphine. Beim Darangehen im
retleclirten Lichte haben die Krystallc eine schwer zu be-
schreibende Farbe. Sie kommt mit keiner der bekannten
metallischen Farben Überein — ist noch viel rölher als
Kupferroth.
Betrachtet man eine Krjslallnadel im reflectirten Tages-
lichte, indem man sie allmählich um ihre Hauplaxc hori-
zontal dreht, so dafs die Drehung oben sich vom Be-
schauer entfernt, so sieht man die Flächen zuerst beim
Emporsteigen mit blutrolhcui Lichte erglänzen. Je weiter
man dreht, um so mehr Gelb mischt sich in das Both, so
dafs die Fläche endlich in rein gelbem Lichte strahlt. In
dem Augenblicke, in welchem für das Auge die Fläche sich
zu einer Linie verkürzt, blitzt sie nochmals mit grünem
Lichte auf. Betrachtet man nun dieselbe Fläche, indem
man sie nm eine Axe dreht parallel der Combinationskante
jener Fläche und der Endfläche, so zeigt der rothe Glanz
sich stetig, keinerlei Veränderung unterworfen. Diese Er-
scheinungen bieten gleichermafscn alle acht Prismenllächen
112
dar. Von denselben unterscheidet rieh wesentlich die End-
fläche. Sie hat den stärksten Glanz, so daCs ich sie noch
recht gut messen konnte, ob sfe gleich mit dem blofeen
Auge nur selten wahrzunehmen war. Ihr Glanz ist indefo
rein weiCs.
6. Nlfrophenyloxjrtf-phosphoraaiires Kali CiiH^N^q|pOi -hM-
Eine neue Verbindung von Prot Baumert dargestellt
durch Sättigen der Säure mit kohlensaurem Kali aus wäß-
riger Lösung.
Krystallsystem «toet- und zweigliedrig (rhombisch) Fig.
18 u. 19 Tai III.
Axenverhältnife: a:b:c = 0,7194 : 1 : 0,5462
Die feinen nadeiförmigen Kiystalle lassen folgende Flä-
chen beobachten:
Rhombisches Prisma l = (a : | b : ao c) = od P2
Querfläche a = (a : od 6 : od.c) = od P od
Längsfläche 6 = (6 : od a : od c) = od P od
Querprisma A = (a : 7 c : od 6) = £ P od
Rhombenoctaeder o = (a : b : c) = P
Die Axen- Elemente wurden aus folgenden zwei Win-
keln abgeleitet:
Seitliche stumpfe Kante des rhomb. Prismas
/ : / (an Axe 6) = 110° 24' (M. aus 11 M.)
Combinationskante h: l = 101 42 (17 Mess.)
Aus dem Axcn-Verhältnifs findet man am Octaeder o die
vordere Eudkante = 132° 58'
seitliche » =112 39
Seitenkante = 86 9
Es betragen die Winkel nach der
Berechnung Messung
/ : / (an der Axe d) = 69° 36' 69° 3tf (2)
h : l (über h) = 78 18 78 17 (9)
h : h (an Axe c) = 138 25| 138 34 (4)
h: a =110 47^ —
113
Bit« Im un g Mwung
A: A*ec =69" 12|' —
o.l =130 5 129" 25' (4)
o.h =151 37 152 9 (2)
Die Krvstal In adeln sind ausgedehnt in der Richtung der
Axe c, und werden vorherrschend durch die Flachen des
rhombischen Prismas / umgräuzt. Die Quer- und Längs
fläche erscheinen nur als äufserst schmale Abstumpfungen
der zweierlei PriunenkanteD, so schmal, dafs sie Dur bei
Lampenlicht einen höchst schwachen Reflex geben.
An dem einen Ende waren die Nadeln stets zerbrochen.
Die Zuschärfungsllächeii, welche das andere Ende bilden,
trclcn auffallend un regelmässig auf. Oft findet sich in der
Zuspitzung nur die eine Flache des Querprismas h; ist auch
die andere vorhanden, so ist meist die eine ausgedehnter
als die andere, Nicht weniger unregelmäßig treten die
Octaederllachen auf. Bald zeigt sich nur eine einzige, bald
zwei nach der Weise der Tetraederllächcn sich gegenüber-
liegende, bald zwei anliegende. Vollflächig sah ich das
Octaeder nicht auftreten. Diese auffallende Unregelmäfsig-
keit im Auftreten der Flächen h und o liefs mich anfangs
glauben, dafs das System zwei- und eingliedrig sey. Doch
ist diel's nicht der Fall, wie ich mich überzeugt habe; eine
Ucberzeugung, welche bei der Kleinheit der zu messenden
Flachen — der Querdurchincsser der Krystalluadelu betrug
kaum -J Linie — nur durch deren starken Glanz zu gewin-
nen war. Es ist Dia
lantglanz. Die Farbe steht zwischen
Honiggelb und Pommerauzcngelb, sie entspricht vollkommen
derjenigen des Grecnockits.
Nitrojihctij-Ioxydpliosphorsnurer Baryt.
C,,H,(l*Ot)0 jp
Dargestellt von Baumert durch Sättigen der Säure mit
kohlensaurem Baryt, krystallisirt aus heifser Lösung.
Die Krystallform ist ein- und eingliedrig, triklüiisch,
uud es zeigen die äufserst kleinen mir übergebenen Kry-
i1üfgc,j.u„rr. AhuI. Bd. ex. %
114
stalle das Ansehen der Fig. 20 o. 21 Taf. III. Ihre Farbe ist
goldgelb.
8. Pikrinsäure (triBltrophensaure) Strontianerde.
8r°+ snS: 1 o+5ho
erhalten durch Sättigen der freien Säure mit kohlensaurer
Strontianerde. Krystallsystem ein- und ein-gliedrig, trikli-
nisch, s. Fig. 22 Taf. III.
Die pikrinsaure Strontianerde erscheint in feinen, etwas
breiten Krystallnadeln von rein citronengelber Farbe wie Au-
ripigmcnt und von Deuiantglanz. Parallel der breitern Fläche
spalten sich die Kryställchen leicht, so dab sie sich meist
als äufserst dünne Flitterchen darstellen. Jene breite Fläche
giebt einen sehr deutlichen Spiegel. Dreht man den Krj-
stall um die Säulenaxe, so glänzt er noch zwei Mal, bevor
man wieder den Hauptspiegel erhält. Bei der Dünnheit
der Krystalle ist es nur selten möglich, die beiden Flächen
zu sehen, welche jenen Glanz erzeugen. Doch macht das
ausgezeichnete Reflections- Vermögen der Substanz es mög-
lich, die Neigungen jener schmalen Flächen zu messen. Die
Figur stellt einen Querschnitt durch den Krjstall senkrecht
gegen die Säulenaxe dar.
Es beträgt die Neigung:
Gemessen
m (Tafelfläche) : I = 147° 6r
1:/ =131 51
tri : / = 81 4
ni : t = 98 55 1).
In der Säulenzone finden sich also keine Flächenpaare,
1 ) Es verhält sich demnach tangZ.-- (32° 54') zu tang^y- (81°4') nahezu
wie 1:10. Beziehen wir daher jene drei Flächen der horizontalen Zone
auf zwei «ich rechtwinklig schneidende Linien a und o, von denen er-
sten? auf in senkrecht steht, so werden ihre Ausdrucke:
m^a : od 6
sondern nur Einzelflächcu. So gehören die Kryslallc dem
1 -I- 1 gliedrigen Systeme an, wenn nicht etwa wie beim
Epidot und der Oxalsäure die SchirTcndllächen zur Säule
ausgedehnt sind. In diesem Falle mufsten sich unter den
Zuspitzungsllächcn keine Einzelllächen, sondern nur Flächen -
paare finden. Die Klriuheit der Krystallnadeln erlaubte
leider nicht, etwas Bestimmt«! über ihre Endigung zu ermit-
teln, Die Flächen der horizontalen Zone werfen einen bläu-
lichen Lichtschein zunick, besonders die schmalen Flächen.
9. Jodsiibmetbyliiim (i:.H,),sln-J,
erhielt Hr. Prof. Landolt »durch Einwirkung von Jodme-
thyl C5H5J auf Slibmelhyl (C,H3),Sb. Diese beiden
Flüssigkeiten vereinigen sich in einer weifsen Masse, wel-
che durch Umkryslallisiren aus Wasser gereinigt wird-.
S. Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. 84, S. 44.
Krystallsystem secksgHedrig, hexagonal, s. Fig. 23 Taf.III.
Beobachtete Flächen sind:
Dihexaeder x —(a:a: x fl : c) =: /*
erstes sechsseitiges Prisina o=(a.a;xa:»c) = ccP
Gra den d (lache c = (c:«ffl:=ßffl:aDffl)=oP
Es verhält sich die Länge der Nebenaxe zu derjenigen
der Hauptaxe = 0,7(13 : 1 oder = 1 : 1,422, welches Vcr-
hällnifs abgeleitet wurde aus der Neigung der Dihexaeder -
zur Prismenfläche = 148° 40'.
Kcrcclinei 'Dcobarhiei
Eudkantcn -Winkel des Dihexaeders = 129° 26' 129°-130"
Seitenkanten-Winkel- - =117 20 —
x:c =121 20 121 17
Neigung der Dihexaeder- Endkante zur Axe c = 35° 6i'
Neigung der Dihexaeder -Fläche zur Axe =31 20.
Die Krystalle stellen sich als niedrige sechsseitige Pris-
men dar mit herrschender Gradendilächc c. Nicht immer
tritt das Dihexaeder x auf, niemals vorherrschend.
Das Jodstibmcthylium, welches mir nur in geringer
Menge zur Verfügung stand, bildet eigentümliche Kry stall
Gruppirungen, indem um ein mittleres hervorragendes in-
116
dividuum Kränze von andern Individuen in paralleler Stel-
lung sich anlegen, die lofseren Kränze stufenweise tiefer
liegend als die innern. So entstehen terrassenförmige Ge-
stalten.
10. Dreifach Jodsckwefel 8Ja
bildet sieh nach den Untersuchungen des Prof. Landolt
»immer wenn Jod und Schwefel in beliebigen Verhältnissen
in Schwefelkohlenstoff aufgelöst und die Flüssigkeit lang-
sam verdunstet wird. Nimmt man mehr Jod als dem obi-
geu Atomen -Verbältnils entspricht, so krystallisirt zuerst
ein Theil desselben als solches heraus, nachher scheidet sich
dreifach Jodschwefel ab. Ist umgekehrt der Schwefel im
Ueberschufs, so erhält man erst Krystalle von Jodscbwefel
und dann eine braune Blasse von jodhaltigem Schwefel.«
KrystalUystem zwei- und *u>ei-gliedrig, rhombisch, (s.
Fig. 24 bis 28, Taf. III).
Die mir zuerst übergebenen Krystalle von Jodschwefcl
zeigten die Gestalt Fig. 24, 25 Taf. III, stellten also die
Coinbination eines rhombischen Octaeders mit der Längs*
fläche dar, welche letztere stets als Tafelfläche ausgebildet
ist Tafelförmige Krystalle (I).
Später erhielt ich in grofser Menge Krystalle von einem
sehr abweichenden Ansehen, Fig. 26, 27, 28 Taf. III. Theils
waren es Rhombcnoctaeder, theils Combinatiouen desselben
mit einem rhombischen Prisma. Octaedrische und prisma-
tische Krystalle (II). Beide letztere Formen sind durch
Zwischengestalten mit einander verbunden, und kommen
zahlreich aus derselben Flüssigkeit gebildet vor.
Die Krystalle (I) und (II) wurden nicht gleichzeitig aus
derselben Flüssigkeit erhalten, doch soll die Darstellungs-
weise stets völlig gleich gewesen seyn, wenigstens war man
sich keiner Abweichung bewufst.
An den Formen (I) mafs ich folgende zwei Winkel:
Combinationskante des Octaeders o = (a : 6 : c) = P und der
Längsfläche b = (6 : x a : od c) = od JP od 121° 4' (Mittel aus
9 Messungen, gröfste Differenz 45').
■
Seilenkautc des Octaeders — = 136" 8' (3 Messungen,
Differenz 15').
Daraus finde! man das Axeii- Verhältnis
0:6:0 = 0,668:1: 1,382.
i ;.-.,], ...■!,!,■!
79" 30'
117 50
Seitliche Eudkante des Octaeders 79" 8'
Vordere Eudkante ■ •• 117 52
Bei Messung der Kryslalle mufstc ich mich als Spiegel-
bilder der Flamme einer Lampe bedienen, da die Flächen
nicht sehr glänzend waren. Zusehends werden dieselben
trüber, indem Jod entweicht, und sg die Krystalle allmäh-
lich zerstört. Die Kristalle (I) haben also offenbar die
Form des Jods und zwar dessen einfachste Combination.
Die Abweichungen, wenn sie wirklich existiren, sind nicht
gröfser, als sie bei allen isomorphen Korpern vorkommen,
Mitscherlich, Monatsberichte der Acnd. d. Wissenschaft,
iu Merlin 1855, S. 416, fand die drei Kantcnwinkel des Oc
taeders 135" 52', 78" 58', 118° 18; das Axeii- Verhältiufs
;Ä:C = 0,6644:l:l,3ti53.
All den oetaedrischen Kristallen (II) Fig. 26 fand ich die:
seitliche Endkantc = 57ü20'
Seitenkante =128 30
woraus das Axeii- Verhältnis o : 6 : c = 0,2318 : 1 : 0,(682
oder =0,6954:3: 1,4046
■ich ergiebt. Vernachlässigt man den Unterschied iu den
Axeu a und c von denselben Axcn bei den Kristallen (I),
so erhält das Oclaedcr e das Zeichen («:&: c), =^Pj.
Winkel des Octaeders e bercebnet nach den Axen
rJtt kr j stjlk (1) Hiucbarlicli'i
iu der seitlichen Endkanle = "iti" 1' 56° 16'
» « vorderen Endkante = 157 20 157 28
■■ ■ Scileukantc =129 30 129 12.
Mit dem Octaeder e trilt gewöhnlich in Combination
ein Querprisma, desseu Combiualionskautcu mit dein Octae-
der gegen die Eindecke (an der Axc c) divergircu, dessen
I lachen also einen gtütscren Winkel mit c bildcu als die
118
vordere Endkante des Octaedere. Zuweilen ist diefe Quer-
prisina so wenig ausgedehnt, dafs seine Flächen an der
Axe a sich nur berühren, ohne «ich in Kanten zu schnei-
den. Häufiger indefs siud die Krystalle in der Richtung
der Axe 6 aufserordentlich ausgedehnt, und erscheinen in
spiefsigen Formen, einen Zoll lang, kaum eine Linie dick. Ihre
Spitze ist bald ganz scharf, bald schwach abgestumpft durch
die Längsfläche 6, welche als Tafelfläche an den Krystallen
(() erscheint Zu genauen Messungen sind die Flächen des
Querprismas durchaus ungeeignet Ich fand die stumpfe
an der Axe a liegende Kante in mehreren Messungen schwan-
kend zwischen 116° 2ff und 118° 30\ Der wahrscheinlich
richtige Werth ist
117° 45',
derselbe entspricht auf die Axen der Krystalle (I) bezogen
der Formel
A = (|a: c:oc6), = 4P».
Anch für die Krystalle (II) ist also die Isomorphie mit
dem Jod nachgewiesen, so genau wie es nur die Flächen -
.Beschaffenheit erlaubt; wenn auch beim Jod das Octaeder e
als aussen liefslich herrschende Form nicht bekannt ist, und
das Querprisma h hier gar nicht vorkommt Wenn aber
der Jodschwefel in der Form des Jods krystallisirt, so folgt
mit Nothwendigkeit, dafs auch der Schwefel für sich die
Form des Jods unter geeigneten Umständen annehmen könne;
dafs derselbe also trimorph sey, indem er im zwei- und
cin-gliedrigcn, und mit zwei nicht auf einander zurückzu-
führenden Axen -Elementen im zwei- und zwei-gliedrigen
Systeme krystallisire.
Ich verhehle mir nicht, dafs man diese Folgerung nur
mit Widerstreben kann gelten lassen. Denn dem Gesetze
der Isomorphie sollten nur chemisch ähnliche oder ähnlich
constituirte Köfper gehorchen. Jod und Schwefel sind
aber äufserst verschiedene Stoffe.
Dem könnte man Folgendes entgegenstellen:
1 ) Es siud mehrere Beispiele bekannt von unähnlich zu-
sammengesetzten und doch isomorphen Körpern. Die
110
*
kohlensaure Kalkcrde iso dimorph mit salpetersaurem
Kali und salpetersaurem Natron, die rhomboedrischeti
Metalle isomorph mit den Oxyden des Aluminiums
Eisens und Chroms.
*i) Die Beispiele der Isomotphie einfacher Körper sind
so wenig zahlreich, dafs wohl ein Zweifel berechtigt
ist, ob diese Klasse von Körpern in ihrer Form durch-
aus demselben Gesetze gehorchen.
Wenn aber diese Erwägungen noch nicht genügen, die
Isomorphic von Jod und Schwefel glaublich zu machen, so
bleibt nur folgende Ansicht Übrig. Steht vielleicht der Jod-
schwefel an der üufsersten Gräuze einer chemischen Mi-
schling, zwischen einer solchen und einchi Gemenge? Ist
er als Schwefel haltiges Jod anzusehen?
In diesem Falle hätte es nichts Ucberrascheudes, dafs
die 4,03 Proc. Schwefel des SJa die 95,97 Proc Jod nicht
hindern können, die Jod-Formen anzunehmen. So zwingt
ja in dein kryslallisirleu Sandstein von Fontaincbleau, den
Landes von Bayonue, von Bergerac, die geringe Menge
kohlensauren Kalkes die überwiegende Masse von Quarz-
sand in die Kalkspalh-Fonn hinein.
Dieser Ansicht steht indefs der Umstand entgegen, dal's
die im Laboratorium des Prof. Landolt angestellten Ana-
lysen in den tafelförmigen Krystallen (I) stets ein Atom
Schwefel auf drei Atome Jod ergaben. In Betreff der Kry-
slalle (II) will Landolt dasselbe noch nicht mit Bestimmt-
heit behaupten, doch sind sie jedenfalls Jodschwefel. Seiner
Zeit wird er das Besultat der betreffenden Analysen ver-
öffentlichen.
Der iitinospuärischcu Luft ausgesetzt, zersetzt sich der
Jodschwefel schnell, indem er Jod aushaucht. Die beiden
Formen (I) und (II) verhalten sich in dieser Hinsicht etwas
verschieden. Die tafelförmigen Kryslalle haben nach einigen
Tagen alles Jod verloren, der gelbe Schwefel bleibt zurück
als eitl feines Gewebe und wahrt ganz wohl Kanten und
Ecken der Tafeln, während die Flächen stark aufgelockert
sich zeigen. Obgleich 5* der Subslauz verloren gegangen,
120
t
ist die Form erhalten. Vor ungern Augen entstehen Pseu-
domorpbo8eu von Schwefel . nach Jodschwefel resp. nach
Jod. Die octaedrischen und prismatischen Krystalle behal-
ten bei der Zersetzung ihre Form nicht. In 24 Stunden
sah ich einen etwa drei Linien groben octaedrischen Kry-
stall verschwinden, an seiner Stelle blieben einige kleine
Schwefelkörner zurück.
VI. Chemisch -analytische Beiträge;
von Heinr. Rose.
Ueber die Bestimmung der Mengen von Metall In
Schwefel Verbindungen.
JL/ie meisten Metalle werden bei analytischen Untersuchun-
gen gewöhnlich theils durch Schwefelammonium, theils durch
Schwcfclwasserstoffgas als Schwefelmetalle abgeschieden»
aber selten nur bestimmt man wegen der leichten Zersetz-
barkeit der auf nassem Wege erhaltenen Schwefehnetalle
die Menge des Metalls aus dem Gewichte der erhaltenen
Schwefelverbindung. Gewöhnlich zersetzt man das erhal-
tene Schwefelmetall durch Chlorwasserstoffsäure, durch
Salpetersäure, durch Königswasser oder durch chlorsaures
Kali mjt einem Zusätze von Chlorwasserstoffsäure, und
fällt aus der erhaltenen Lösung das Oxyd des Metalls, aus
dessen Gewicht man das des Metalls berechnet.
Hierdurch wird die Untersuchung indessen erschwert
und zeitraubend. Man kann indessen in den meisten Fäl-
len die Menge des Schwefelmetalls mit solcher Genauigkeit
und in möglichst kurzer Zeit bestimmen, dafs man die des
Metalls daraus mit grofser Sicherheit berechnen kann.
Rivot hatte zuerst vorgeschlagen, das durch Schwefel-
wasserstoffgas gefällte Schwefelkupfer nach dem Trockneu,
wobei es sich mehr oder weniger oitydirt, in einem be-
deckten Porcellantiegcl stark zu glühen, nachdem man vor
dem Glühen etwas SchwefeJpulver hinzugefügt hat. Mau
erhält auf diese Weise nur annähernd das Schwefelkupfer
<-n 'S, aus welchem mau die Menge deä Kupferoxyds oder
des Kupfers berechneu kaun, und zwei Glühuiigen und
Wägungen, nachdem man vor dem Glühen etwas Schwe-
felpulver hinzugefügt hat, differiren gewöhnlich nur um ein
oder zwei Milligramme. Die Menge des erhaltenen Schwe-
fclkupfers ist aber um etwas zu grofs.
Man kann aber mit grofser Genauigkeit die richtige
Menge des Schwcfelkupfcrs, so wie die eehr vieler auf nas-
sem Wege dargestellter Schwefelinetalle erhalten, wenn
man das Glühen in einer Atmosphäre von Wasserstoffgas
bewerkstelligt. Man kann dazu zwar einen gewöhnlichen
Entbindungsapparat von Wasserstoffgas anwenden, weit
lieberer, bequemer und vorthcilhafler ist es aber, beson-
ders da das Glühen in einer Atmosphäre von Wasserstoff-
gas (so wie von Schwefel wasserstoffgas und Kohlcusäure-
gas) bei chemischen Untersuchungen und namentlich bei
analytischen Arbeiten häutiger als bis jetzt vorkommen wird,
sich eines besonderen Eutbindungsapparales zu bedienen,
in welchem das Zuströmen des Gases weit sicherer gere-
gelt werden kaun, als durch Nachgiefsen von Säure in ei-
ner gewöhnlichen Entbinduugstlasche. Das Wassers toffgas,
das aus solchem Apparate entwickelt wird, ist zugleich frei
von atmosphärischer Luft, so dafs keine Zeit damit verlo-
ren gehl, beim Anfange des Versuchs die Luft aus dem
Apparate auszutreiben. Man leitet das Wasserstoffgas, um
es zu trocknen, erst durch concentrirte Schwefelsäure, dann
über Chlorcalcium und darauf in ei neu Porcellantiegcl
(oder auch in einen Plalintiegcl), in welchem mau die zu
untersuchende Substanz nach dem Glühen wägen kann.
Her Tiegel ist mit einem Platindeckel bedeckt, der in der
Mille ein Loch hat, durch welches eine dünne Porcellan-
röhre (oder auch eine Röhre von Platin; eine Glasrühre
eignet sich weniger zu diesem Zwecke) auf die Weise hin-
«2
eingebracht wird, dafs die Mündung der Röhre bis so. eini-
ger Entfernung vom- Boden des Tiegels reicht. Dag Gante
ist so eingerichtet, wie es in beistehender Figur abgebildet
ist. Wird der Deckel fest auf den Tiegel gesetzt, so ent-
weicht das Gas zwischen Deckel und Tiegel. Man setzt
dann, nachdem der ganze Apparat mit Wasserstoffgas an-
gefüllt ist, den Tiegel einer starken Rothgltihhitze aus, wah-
rend ein nicht zu rascher Strom von Wasserst off ga6 in
denselben geleitet wird. Das Ganze mufs iu der Wasser-
stoffattnosphare vollständig erkalten.
Die verschiedenen auf nassem Wege erhaltenen Schwe-
fclmetalle verhalten sich beim Glühen in einer Atmosphäre
von Wasserst off gas verschieden.
Oft wird bei Analysen das Manganoxydul durch Schwe-
felammonium als Schwefelmangan gefällt, obgleich diese
Art der Abscheidung nicht sehr zu empfehlen ist, da das
Schwefelmaugan nicht ganz unlöslich in inancheu Losun-
gen ist, besonders in solchen, welche eine bedeutende Menge
von ammoniakalischeu Salzen enthalten; es scheidet sich
wenigstens daraus sehr langsam aus. Die Bestimmung
des Mangauoxyduls aus dem Scbwefclwangan, das beim Zu-
tritt der Luft so leicht sich zersetzt, geschah bistier allge-
mein entweder auf die Weise, dafs mau es in Chlorwas-
serstoff säure löste, und aus der Lösung das Oxydul durch
kohlensaures Natron fällte, oder dafs man zur Losung ver-
dünnte Schwefelsäure anwandte, und schwefelsaures Mau-
ganoxjdul durch Abdampfen der Lösung zu erhalten suchte.
Weil schneller und genauer ist es, das Schwefelmangan
auf dein Fillrum zu trocknen und es dann in einem kleinen
Porcellanticgel dem Wasscrsloffstrome bei Rothglühhitzc aus-
zusetzen, nachdem man es mit etwas Schwefelpulver be-
streut hat. Das Fillrum verbrennt man besonders, uud
fügt die Asche zu dem getrockneten Sclnvefelmaugan im
Porcellantiegel. Es ist hierbei ganz gleichgültig, ob der
Niederschlag des Schwcfclmangans durch längeres Stehen
all der Luft durch Oxydation ganz braun geworden ist.
Aus der Menge des erhaltenen Schwefelmangans von der
Zusammensetzung MnS berechnet man die Menge des Me-
talls oder des Oxyduls. Man kann das Glühen, nachdem
man eine neue Menge von Schwefelpulver in deii Porccl-
lantiegel gebracht, im Wasserst offstroinc wiederholen, um
zu sehen, ob das Gewicht des Tiegels dasselbe bleibt, was
immer der Fall seyn wird, wenn kein Fehler vorgefallen
ist. Das erhaltene Schwefelmangan ist von hellgrüner Farbe,
wenn es bei nicht zu starker Rolbglübbilze bereitet wor-
den ist. Wendet man aber bei der Darstellung eine stär-
kere Itothglühhitze au, so wird es dunkelgrün, und durch
noch stärkeres Glühen wird es schwarz, erscheint aber gerie-
ben grün. Es verhält sich dann also wie das in der Natur
vorkommende Schwefelmangau, der Manganglanz von Nagyag
in Siebenbürgen, der auch grünlich -schwarz ist, aber ein
licht -grünes Pulver giebl. Weder das auf diese Weise
erhaltene grüne noch das schwarze Schwefclmangan zieht
schnell Sauerstoff oder Wasser aus der Luft an, uud es
124
kami daher mit Genauigkeit gewogen werden. In Chlor-
wasserstoffs&ure bildet es eine vollkommen klare Lösung.
Hr. O e s t e n fällte aus 1,690 Grm. krystallisirtem schwe-
» • • • •
feisauren Manganoxydul (MnS + 5H) das Schwefelmangan
▼ermittelst frisch bereiteten Schwefelammoniums; der Nie-
derschlag wurde erst nach 3 Tagen filtrirt, und nach dem
Trocknen im Wasserstoffstrome unter Zusatz von etwas
Schwefelpulver geglüht. Es wurden 0,607 Grm: Schwefel*
mangan erhalten. Das, nach dem von Schneider bestimm-
ten Atomgewicht des Mangans (337,5, O = 100 oder 27»
H = l), berechnete Aequivalent des angewandten schwe*
feisauren Manganoxyduls an Schwefelmangan ist 0,606 Grm.
2,055 Grm. desselben schwefelsauren Manganoxyduls
wurden ebenfalls mit Schwefelammonium gefällt, der Nie-
derschlag aber schon nach 4 Stunden filtrirt, und auf die
angeführte Weise in Schwefelmangan verwandelt Es wur-
den nur 0,699 Grm. davon erhalten; die berechnete Menge
beträgt indessen 0,736 Grm. Aber aus der vom Schwefcl-
mangan abfiltrirten Flüssigkeit setzte sich durch die Länge
der Zeit noch Schwefelmangan ab.
Man sieht aus diesen Versuchen, dafs man genaue Re-
sultate erhalten kann, wenn man das Mangan durch Schwe-
felammonium aus seinen Lösungen fällt; es ist indessen uö-
thig, dafs der Niederschlag lange steht, ehe man ihn fil-
trirt. Besonders aber ist diefs nöthig, wenn in der Lö-
sung bedeutende Mengen von ammoniakalischen Salzen vor-
handen sind.
Auf die beschriebene Weise kann man viele Mangan-
Verbindungen nach einem Zusätze von Schwefelpulver durchs
Glühen in einem Wassersloffstrome mit grofser Leichtig-
keit in Schwefelmangan verwandeln, und aus dem Ge-
wichte desselben den Mangangehalt in der Verbindung be-
rechnen.
Man pflegt oft das Mangan als wasserfreies schwefel-
saures Maugauoxydul zu bestimmen.. Diese Bestimmung des
Mangaus ist aber eiue unsichere; es ist sehr schwer, die
richtige Temperatur zu treffen, so dafs nach der Verja-
m
::
sie
gung des Wassers nicht auch etwas Säure entweicht. Wenn
man das erhitzte schwefelsaure Mangan oxy du I indessen mit
etwas Schwefel pul ver im Wasserst offstroinc glüht, so wird
es in Schwefelmangan verwandelt, aus dessen Menge man
mit Genauigkeit die des Mangans in der Verbindung be-
rechnen kann.
Hr. Oesten erhielt aus 1,659 Gnn. des schwefelsauren
Manganoxvduls (MnS + 511) durch gelindes Erhitzen 1,013
Grm. wasserfreies schwefelsaures Manganoxydul, durch slär-
cres Erhitzen 1,023 Grm; die berechnete Menge ist
1,037 Grm.
Beim stärkereu Erhitzen war das Salz indessen au eini-
■it Stellen etwas braun geworden:
Durch Glühen mit etwas Schwefelpulver im Wasser-
sloffgasstrome wurden erhalten 0,597 Gnn. Schwcfelinangan.
Die berechnete Menge ist 0,595 Grm.
Aus 1,481 Gnn. des kryslallisirten schwefelsauren Mau-
gauoxyduls wurden an wasserfreiem Salze erhalten:
durch gelindes Erhitzen 0,931 Grm.
durch schwaches Rothglühen 0,905 »
durch starkes Rolhglühen 0,725 -
die berechnete Menge ist 0,926 »,
1,430 Gnn. krystallisirlcs schwefelsaures Mauganoxvdul
gaben durch schwaches Rolhglühen 0,880 Gnn. wasserfreies
Salz: die berechnete Menge ist 0,893 Grm. Mit Schwefel
im Wasserstoffstrome geglüht, wurden erhalten 0,5119 Grm.
Schwi'felmangan ; das berechnete Acquivalent ist 0,512 Gnn.
Auch in allen hühcreu Oxydationsstufeu des Mangans
kanu die Menge des Maugans leicht bestimmt werden, wenn
eine gewogene Menge davon im gepulverten Zustande mit
Schwefelpulver gemengt und im Wasserstoffs! rome der Kolli-
-liitiliüze ausgesetzt wird. Es ist zweckmäßig, so stark zu
glühen, bis das Schwefelmangan schwarz geworden ist. Es
wird hierbei vorausgesetzt, dafs in der Manganverbindung
kein anderes Metall enthalten eey, und keine feuerbestän-
dige Säure, die durch fSchandlutig mit Schwefel nicht oder
nicht leicht verändert und verflüchtigt wird. Die Ver-
.
Wandlung des höheren Oxyds des Mangans in Schwefel-
niangan erfolgt auf diese Weise weit schneller und leich-
ter, als die Verwandlung derselben in Oxyd-Oxydul durch
blofses Glühen.
Hr. Oesten erhielt aus 2,546 Grin. Mauganoxyd-oxy-
ilnl (Mn + Mn) durch starkes Glühen mit Schwefel im
Wasserstoffgasstrome 2,901 Grto. schwarzes Schwefclmaii-
gaii. Die berechnete Menge ist 2,906 Grin.
2,443 (Irin, des Manganoxyd -Oxyduls gaben in einem an-
deren Versuche 2,784 Grin. Schwefelmangan; das Aequivalent
des angewandten Oxyds an Schwefelmangan ist 2,7 S9 Grin.
Bei dem Versuche wurde das Manganoxyd-oxydul mit
Schwefel gemengt, zuerst ohne Anwendung eines Wasscr-
slofl'gasstromes im bedeckten Porcellanticgcl geglüht, und
dann schnell erkaltet. Es wurden 2,990 Gnu., bei Wie-
derholung 2,948 Gm. Schwefclmangau erhalten, also be-
trächtlich mehr als dem Schwcfelmaugan MuS entspricht.
Man sieht, dafs das Schwefelmangan bei einer erhöhten
Temperatur Schwefel mit einer gewissen Verwandtschaft
fest hallen kauD; eine Neigung, die offenbar davon her-
rührt, dafs es eine höhere Schwefelungsstufe, MnSs, bil-
den kann, eine Verbindung, welche in der Natur als Haue-
rit vorkommt.
Werden grofse Krystalle von Manganit mit Schwefel-
pulver bestreut, und im Wasserstoffstrome einer nicht zu
starken Kolhglübhitze ausgesetzt, so verwandeln sie sich
durch die ganze Masse, ohne die Form zu andern, in dich-
tes grünes Schwefelmangan, das das Aussehen eines ur-
sprünglichen Minerals und nicht das einer Pseudomor-
phose hat.
Wenn man aus einer Lösung das Eisen vermittelst des
Schwefelammoniuins als Schwefeleisen gefällt hat, so kann
man dasselbe genau so behandeln, wie das Schwefclmaiigau,
um es in das Schwefeleisen FeS zu verwandeln, aus dessen
Gewicht mau mit grofser Genauigkeit darauf das des Eisens
bestimmen kann. Man inufs hierbei nicht eine zu schwache
Rothglübbilze atmenden, da von dem Sehn efeleisen FcS
Schwefel bei höherer Temperatur inil ziemlich starker Ver-
wandtschaft festgehalten wird. Es ist bei diesen Versuchen
für das Resultat durchaus nicht nachlhcilig, wenn das Schwe-
f feieisen sich an der Oberfläche uder auch durch die ganze
Masse oxydirt und rolh gefärbt hat. Die Asche des Filirums
fügt mau gemeinschaftlich mit Schwefelpulver zu dem Schwe-
feleisen. Das erhaltene Schwefeleiseu giebt mit Chlorwas-
serstoffsäure eine klare Lösung. Dafs es nicht auf die
Magnetnadel wirkt, habe ich schon vor sehr langer Zeit
bemerkt ').
Auf dieselbe Weise kann schwefelsaures Eisenoxydul
und Eisenoxyd in Schwefeleiseu verwandelt werden; nach-
dem sie vorher im Porcellaiiliegcl geglüht worden und ihren
Wassergehalt verloren haben. Auch im reinen Oxyd und im
Oxyd -Oxydul, so wie in einer Menge auderer Verbin-
dungen des Eisens kauu der Eisengehalt durch Verwand-
lung des Eisens iu Schwefeleiseu mit Genauigkeit bestimmt
werden.
0,506 Grui, schwefelsaures Eiseuoxydul, aus seiner con-
centrirten Lösung durch Alkohol gefallt, uud durch sehr
gelindes Erwärmen getrocknet, gaben im Wassersloffgas-
strome mit Schwefel geglüht 0,211 Grm. und 0,212 Gi in-
Schwefeleisen.
Von demselben Salze wurden 0,880 Grm. in Wasser
gelöst und durch Schwefelammonium gefällt. Nach dem
Trocknen wurde das Schwefeleiseu mit etwas Schwefel im
Wasserstoffgasstrome geglüht Es wurden 0,36°Grin.Schwe-
felcisen erhalten.
In beiden Fällen wurden genau 41,9 Proc. Scbwefclciscn
vom angewandten Salze erhalten. Dasselbe enthielt daher
etwas mehr als 3 Atome Wasser.
1,916 Grm. Eisenoxyd mit Schwefel gemengt iin Was-
serstoffgasstrome geglüht gaben 2,10-1 Grm. Schwereleiscn
FcS; die berechnete Menge ist 2,108 Grm.
1) P-.es. Ann. Bd. 5, S, 53*.
128
Zink.
Wenn man Zinkozyd ans einer Lösung durch Schwe-
felammonium geteilt hht, so kann man es in das Schwefel-
zink ZnS verwandeln, wenn man es nach dem Trocknen
mit etwas Schwefelpulver in einem Wasserstoffstrome bei
starker Rothglühhitze behandelt Man entgeht dadurch dem
langweiligen Auflösen des Schwefelzinks und dem Fällen
des Zinkoxyds. Man verfehlt genau so wie beim Glühen
des Schwefelmangans und des Schwefeleisens. Aus dem
Gewichte des Schwefelzinks kann man mit grofser Sicherheit
die Menge des Zinks und des Zinkoxyds berechnen.
Auf dieselbe Weise kann auch das schwefelsaure Zink-
oxyd, und das Zinkoxyd, wenn es mit Kohlensäure ver-
bunden ist, so wie auch das reine Zinkoxyd in Schwefel-
ziuk verwandelt werden.
Nach Hrn. Oesten gaben 1,035 Grm. krystallisirtes
• • • • •
schwefelsaures Zinkoxyd (ZnS-f-7H) mit Schwefel im Was-
serstoffgasstrome geglüht 0,345 Gnu. Schwefelzink. Das
Aeqirivalent des angewandten schwefelsauren Zinkoxyds an
Schwefelzink ist 0,344 Grm.
In einem anderen Versuche gaben 0,362 Grm. Zinkoxyd
0,435 Grm. Schwefelzink; das berechnete Aequivalent ist
0,433 Grui. Schwefelzink.
Es ist jedoch hierbei eine Vorsichtsmafsregel nicht zu
übersehen. Man umis sich hüten das Zinkoxyd im Was-
serstoffstrome stark zu glühen, ohne dasselbe mit der ge-
hörigen Menge von Schwefelpulver, das heifst mit einem
Ueberscbufs desselben gemengt zu haben. Das Schwefel-
zink ist nämlich im Wasserstoffstrome bei Rothglühhitze
feuerbeständig, nicht aber das Zinkoxyd, das zwar sich nicht
dem äufsern Ansehn nach verändert, aber bei Rothglühhitze
beständig an Gewicht abnimmt, indem kleine Mengen durch
Wasserstoff zu Metall reducirt und verflüchtigt werden ' ).
1) 1,012 Grm. Zinkoxyd im Wasserstoffstrome eine halbe Stunde hindurch
bei starker Rothglühhitie behandelt, verloren 0,013 Grm. an Gewicht.
Noch einmal bei derselben Hitie teho Minuten hindurch geglüht, verlo-
ren sie 0,004 Grm.
Hai man daher Zinkoxyd, kohlensaures Ziukoxyd und selbst
auch schwefelsaures Zinkoxyd mit zu wenig Schwefel ge-
mengt, so kann ein kleiner Verlust entstehen. Will mau
schwefelsaures Zinkoxyd auf die beschriebene Weise iu
Sclmcfelzhik verwandeln, um aus demselben die .Menge
des Zinks zu bestimmen, so iiuit's es erst beim Zutritt der
Luft geglüht werden; darauf wird es mit Schwefelpulver
engt und im Wnsserstoffstrome geglüht.
Es ist bemerk eos wert h, wie leicht Zinkoxyd durchs
Glüheu mit Schwefel sich in Schwefelzink verwandelt, wäh-
rend die Bildung desselben aus metallischem Zink und
Schwefel so schwer und erst bei einer sehr starken Hitze
zu bewerkstelligen ist.
Lufl
gern
1
Wenn das Kobaltoxyd aus seineu Losungen durch Schwe-
felammoniuin als Schwefelkobalt gefällt worden ist, so kann
aus dem Gewichte des erhaltenen Schwefelkobalts nicht
tntt Genauigkeit das des Kobalts bestimmt werden. Aber
vielfältige Versuche haben auch gezeigt, dafs es nicht mög-
lich ist, durch Glühen des Schwefelkobalts iu einer At-
mosphäre von Wassersloffgas mit oder ohne Zusatz von
etwas Schwefelpulvcr eine bestimmte Schwefln ngsslufe des
Kobalts zu erhalten, aus welcher mau mit Sicherheit die
Menge des Kobalts berechnen kann. Man erhält je nach
der Temperatur des Glühens die Schwcfelungsstufen CoS*,
Co'S', CoS und bei Weifsglühhitze selbst CVS und
Mengungen dieser untereinander. Das Resultat wird kein
günstigeres, wenn mau statt in einer Atmosphäre von Was-
serstoffgas in Seh wc fei wasserstoffgas oder in Kohlensaure
gas das Schwefelkobalt glüht, uud erkalfeu läfst.
Ale Hr. Oesten 0,972 Grm. von schön krystallisirtem
schwefelsaurem Koballoxyd (CoS + 7H) in Wasser löste,
die Lösung durch Schwefelammonium fällte, und das er-
haltene Schwefelkobalt mit Schwefel im Wasserstoffgas-
slrome bei schwacher Rothglühhitze glühte, erhielt er 0,319
Grm; 0,313 Grm. u. 0,3l0Grm. Schwefelkobalt. Das Aequi-
Po(1cniJuriri Auu.l. Bd CX. U
130
raleot das angewandten schwefelsauren Kobahoxyds an ein-
fach Schwefelkobalt, CoS, ist 0,314 Grm.
Ab 0,619 Grm. desselben schwefelsauren Kobaltoxyds
mit Schwefel gemengt im Wasserstoffstrome bei einer Ahn»
liehen Hitze geglüht wurden, wurden erhalten:
bei dunkler Rothglübhitze 0,194 Grm. Schwefelkobalt
unter dunkler Rothglühhitze 0,202 »
bei starker Rothglühhitze 0,191 »
unter starker Rothglübhitze 0,200 » »
Bei jedem erneutem Glühen wurde zum Schwefelkobalt
etwas Schwefel hinzugefügt
Das Aequivalent an Schwefelkobalt CoS ist 0,200 Gnp.
Als darauf 0,905 Grm. desselben schwefelsauren Kobah-
oxydes mit Schwefel gemengt im Wasserstoffgasstrome ver-
mittelst eines kleinen Gebisses bei Weifsglühhitze behandelt
wurden, wurden 0,272 Grm. und 0,269 Grm. Schwefelko-
balt erhalten. Das Aequivalent des angewandten schwefel-
sauren Kobaltoxyds an Schwefelkobalt von der Zusammen-
setzung CoS ist 0,291 Grm. und an Schwefelkobalt von
der Zusammensetzung Co9 S 0,240 Grm.
Es wurde ferner eine nicht bestimmte Menge von schwe-
felsaurem Kobaltoxyd mit Schwefel gemengt im Wasser-
stoffgasstrome bei verschiedenen Temperaturen behandelt;
es konnten aber keine constanten Gewichte erhalten werden.
Bei einer Temperatur von der dunkelsten Rothglühhitze bis
zur Weifsglühhitze schwankte das Gewicht bei 24 Behand-
lungen zwischen 0,762 Grm. und 0,642. Grm. Bei dunkler
Rothglühhitze bildet sich ein schwarzes Pulver, das wesentlich
aus CoS besteht Bei starker Rothglühhitze sintert das-
selbe etwas zusammen, und Ahnelt gepulvertem Schwefelkies;
bei Weifsglühhitze schmilzt es leicht zu einer gelben Kugel
zusammen, die stark auf die Magnetnadel wirkt.
Da man also nicht auf eine so leichte Weise, wie beim
Schwefelmangan, beim Schwefeleisen und beim Schwefel-
zink aus dem Schwefelkobalt durchs Glühen in Wasserstoff-
gas eine bestimmte Schweflungsstufe erhalteu kann, so ist
man gezwungen, in dem durch Schwefelammonium gefällten
Schwefelkobalt nach der allen Methode das Kobalt zu !•••
stimmen. Man oxydirt es durch Salpetersäure oder durch
Königswasser, und fällt das Kobaltoxyd durch Kaühydrat.
Die Fällung keines Oxyds aber durch Kalihydrat kann ein
so fehlerhaftes Resultat geben, wie die des Kobaltoxyds,
da es durch Auswaschen nicht gänzlich von einem Kalige-
halte befreit werden kanD, den man erst aus demselben aus-
ziehen kann, wenn das Oxyd durch Wasserstoffgas zu Metall
reducirt, und dann mit Wasser behandelt worden ist.
Wird das durch Scliivctelaininoniu.il] gefällte Schwefel-
nickel nach Verbrennung des Filtrums mit Schwefelpulvcr
in einem Wasserstoffstrome der starken Rothglühhitze aus-
gesetzt, so erhält man Schwefelnickel, aber von nicht so
constanter Zusammensetzung, wie beim Schwefelmangan, beim
Schwcfcleisen und beim Schwefelzink. Gewöhnlich bildet
steh ein geschmolzenes Schwefelnickel von der Zusammen-
setzung Ni' S, von dichtein Bruch, blafsgelbcr Farbe und
metallischem Glänze. Es wirkt stark auf die Magnetnadel.
Es ist diefs eine Schwefel ungsstufe des Nickels, die schon
früher von Arfvedson dargestellt worden ist, als er Was-
serstoffgas über glühendes schwefelsaures Nickeloxyd lei-
tete ').
Dasselbe Schwefelnickel erhält man aueb, wenn schwe-
felsaures Nickeloxyd, nachdem man aus demselben das Kry-
stallwasser verjagt, mit Schwefel gemengt im Wasserstoff-
gassfrome erhitzt. Aus dein krystallisirten schwefelsauren
Nickeloxyd kann man leichter das Krystallwasser durch ge-
linde Hilze verjagen, ohne dafs dabei Säure entweicht, als
diefs beim krystallisirten schwefelsauren Manganoxydul der
Fall ist.
Durch gelinde Erhitzung erhielt Hr. Oesten aus 0,752
Grm. des (viergliedrig) krystallisirten schwefelsauren Nickel-
oxyds (NiS + 6 H) 0,4-13 Grm. wasserfreies Salz; die be-
rechnete Menge ist 0,442 Grm.
1) Po«. Ami. Bd. 1, S. 65.
132
1,061 Gnu. desselben schwefelsauren Nickeloxydes . bei
starker Rothglühhitze mit Schwefel im Wasserstoffgasstrome
erhitzt, gaben 0,307 Grm., 0,306 Giro, und 0,306 Grm. Sehwe-
felnickeL Das Aequivalent des angewandten schwefelsauren
Salzes an Schwefelnickel von der Zusammensetzung Ni*S
ist 0,300 Grm.
2387 Grm« des schwefelsauren Nickeloxydes wurden
in einem offenen Porcellantiegel vermittelst eines Gebläses
geglüht. Eis wurde hierdurch die. Schwefelsäure vollständig
ausgetrieben, und 0,815 Grm. Nickeloxyd erhalten, was ge-
nau mit der berechneten Menge übereinstimmt, wenn man
die Bestimmung des Atomgewichts von Schneider zu
Grunde legt ') (29, H=l, 362£, O=100). Man muh hier-
bei sorgfältig den Zutritt der reducirenden Gasarteu verhin-
dern,, wodurch etwas Nickeloxyd reducirt wird. In eiuem
Strome von Wasserstoffgas geglüht wurden 0,638 Grm. me-
tallinisches Nickel erhalten, während die Berechnung 0,639
Grm. giebt Diese wurden mit Schwefel gemengt zwei Stun-
den hindurch im Wasserstoffgasstrome der Rothglübhitze
ausgesetzt Es wurden 0,916 Grm. Schwefelnickel erhalten,
welches der Zusammensetzung Ni4 S' entspricht, also eine hö-
here Schwefelungsstufe des Nickels als Ni2 S ist,* und welche
sich der des gewöhnlichen Schwefelnickels Ni S nähert
Wurde aber mit dem Glühen im Wasserstoffgasstrome nach
Zusetzen von Schwefel noch einmal 2 Stunden hindurch
fortgefahren, so wurden 0,847, und nach wiederum 2 Stunden
0,849 Grm. Schwefelnickel erhalten. Aber dieses Schwefel-
nickel entspricht noch nicht der Zusaminnnsetzung Ni*S,
nach welcher 0,815 Grm. hätten erhallen werden müssen,
oder ebenso viel an Gewicht wie das angewandte Nickel-
oxyd, mit welchem das Schwefelnickel Ni'S dasselbe Atom-
gewicht theilt
3,509 Grm. des schwefelsauren Nickeloxyds wurden dar-
auf erst ohne Zusatz von Schwefel stark geglüht, und so-
dann mit Schwefel gemengt und ohne Hülfe des Wasser-
stoffstromes einer sehr starken Rothglühhitze ausgesetzt
Dadurch wurden 0,994 Grm. an Schwefelnickel erhalten»
1) Po||. Ann. Bd. S. 107, S. 616.
2
Sei
Hei
ziemlich genau von der Zusammensetzung Ni*S, nach wel-
cher 0,931 * irm. hallen erzeugt werden müssen. Als die-
selben bei starker Rothglühhitzc einem Strome von Wasser-
offgas ausgesetzt wurden, verminderte sich das Gewicht des
rhwefclnickcls bis auf 0,967 Grm. und darauf mit Hülfe
les Gebläses bis auf 0,950 Grm. Als nun dag Schwefel-
nickel unter Zusetzen von Schwefel, ohne Hülfe von Was-
serstoffgas geglüht wurde, vermehrte sich das Gewicht bis
auf 0,978 Grin. und 0,979 Grm.
Bei einem fernem Versuche gaben 1,026 Grm. Nickel-
oxyd (durchs Glühen dos schwefelsauren Nickeloxydes ver-
mittelst des Gebläses erhallen) mit Schwefel in einem Was-
serstoffgasBtrome geglüht 1,(183 Grm. Schwefelnicke!.
Es wurde endlich schwefelsaures Nickeloxyd, nachdem
aus ihm das Wasser verjagt worden war, mit Schwefel ge-
mengt in einem Strome von Schwefel Wasserstoff gas einer
Rolhgliihhifze ausgesetzt. 1,591 Grm. des schwefelsauren
Nickeloxyds gaben auf diese Weise nach wiederhollein Zu-
setzen von Schwefel 0,557 Grm., 0,562 Grm., 0,574 Grm.,
0,569 Grm., 0,574 Grm. und 0,567 Grm. Schwefelnickel.
Aus diesen Versuchen ergiebt sich, dafs es nicht möglich
ist, durch« Glühen in einem Wasscrsloffgasstrome ein Schwe-
felnickel von einer bestimmten Zusammensetzung zu erhal-
len. Man isl daher gezwungen, in dem durch Schwefelam-
inonium gefällten Schwofeini ekel bei quantitativen Analysen
das Nickel nach der alten Methode zu bestimmen; das heifst,
es mit Salpetersäure, mit Königswasser oder mit Chlorwas-
sersloffsäure mit einem Zusätze von eblorsaurem Kali zu
behandeln, und aus der erhaltenen Lösung das Nickeloxyd
:b Kalihydrat zu fällen.
s
C*d n
Es geht nicht an, das auf nassem Wege erzeugte und ge-
trocknete Schwefelcadinium in einem Wasserstoffs trome zu
erhitzen, um wie bei anderen Metallen aus dem Gewichte des
auf diese Weise erhaltenen Schwefelmelalls das des Metalls
zu bestimmen. Das Schwefelcadmium ist für diese Beat.«».-
134
mung ' zu flüchtig, und wenn bei diesem Versuche selbst eine
geringe Hitze angewandt worden ist, so verflüchtigt sich eine
nicht unbedeutende Menge.
■ lei.
Wenn man das Bleioxyd durch Schwefelwasserstoffes
aus seinen Lösungen ab Schwe/elbiei geteilt hat, so pflegt
man es auf einem gewogenen Filtrum bei 100° zu trock-
nen und aus dem Gewichte desselben das des Bleioxyds
oder des Bleis zu berechnen. Ich habe indessen schon
früher bemerkt, dafs durch dieses Verfahren unrichtige Re-
sultate erhalten werden '). Je länger das gefällte Schwe-
felblei einer Temperatur von 100° ausgesetzt wird, desto
mehr nimmt es durch Oxydation an der Luft an Gewicht
zu, und diese Gewichtszunahme kann mehrere Procente be-
tragen, wenn das Trocknen längere Zeit fortgesetzt wor-
den ist. Diese Oxydation des Schwefelbleis an der Luft
wird auch nicht verhindert, wenn man nach dem Auswa-
schen dasselbe mit starkem Alkohol auf dem Filtrum über-
gössen hat.
Häufig wird das auf nassem Wege erhaltene Schwefel-'
blei, besonders wenn man vermuthet, dafs es eingemeng-
ten Schwefel enthält, durch starke Salpetersäure zu schwe-
felsaurem Bleioxyd oxydirt; bisweilen auch verwandelt man
es durch Chlorwasserstoffsäure in Chlorblei. Aber diese
Umänderungen des Schwefelbleis sind langwierig und kön-
nen mit Verlusten verbunden seyn, wenn sie nicht mit
Sorgfalt ausgeführt werden.
Man hat sie indessen nicht nöthig; man kann das Schwe-
felblei als solches bestimmen, wenn man es nach dem
Trocknen und nach Verbrennung des Filtrums mit etwas
Schwefelpulver in einem Strome von Wasserstoffgas bei
ziemlich starker Rothglühhitze glüht. Wenn zwei Behand-
lungen der Art dasselbe Gewicht zeigen, so hat man die
richtige Menge des Schwefelbleis erhalten, aus welchem
man die des Bleioxyds mit grober Sicherheit berechnen
1) Pogg. Ann. Bd. 91, S. HO.
kann. Es verflüchtigt sich bei iler RotliglUbbitzc in der
Wasserst offgas • Atmosphäre kein Schwefel blei, Weadet
man eine schwache Rothglühhitze an, so enthält das Schwe-
felblei mehr Schwefel, als der Zusammensetzung PbS ent-
spricht. Das erhaltene Schwefelblei mufs ganz kristallinisch
■eyn.
Aus 0,890 Grin. schwefelsaurem Bleioxyd erhielt Hr.
Oesten bei der Behandlung mit Schwefel und Wasser-
stoffgas in starker Rothglühhitze 0,703 Grm. Schwcfelblei
PbS. Die berechnete Menge ist 0,702 Grm. Bei schwa-
cher Bothglühhitze bleibt ziemlich viel schwefelsaures Blei-
oxyd uuzcrsetzl, und hat seine weifsc Farbe behalten.
Wliniilli,
Das durch Schwefel wasserstoffgas aus den Losungen de»
Wisinulhoxyds gefällte Schwefelwismuth gebort zu den we-
nigen auf nassem Wege erzeugten Schwefelmetalleu, die
sich beim Trocknen und bei einer Erhitzung bis zu 100g
nicht verändern und ozydiren. Es scheint indessen etwas
Wasser zu enthalten, wie das analog zusammengesetzte
und auf nassem Wege erzeugte Schwefelantimou, aber nicht
mehr als 0,5 bis 0,60 Fror,., welches erst bei 200" ent-
weicht. Indessen wohl nur in seltenen Fällen kann mau
von der Reinheit des gefällten Schwefehvismulhs überzeugt
seyn, fast immer enthalt es weniger Wisinuth und mehr
Schwefel, als es enthalten sollte, besonders da mau es bei
analytischen Untersuchungen aus ziemlich stark sauren Lo-
sungen, namentlich aus Lösungen in Salpetersäure zu fällen
pflegt, und die Salpetersäure das Schwefelwismuth leicht
angreift, und zwar schon bei gewöhnlicher Temperatur.
Das Schwefelwismuth ist von den Schwefelmetalleu, welche
aus sauren Lösuugcu durch Schwefel Wasserstoff gas gefällt
werden können, eins vou denen, welche am leichtesten
durch oxydireude Sauren zersetzt werden können. Man darf
daher das gefüllte Schwefelwismuth nur dann filtrircn, wenn
Flüssigkeit stark nach Schwefelwasserstoff riecht. Es
•reiguet sich sehr oft, dafs durchs Stehen nach nicht gar
136
zu langer Zeit eine solche Flüssigkeit den Geruch nach
Schwefelwasserstoff ganz verliert, und die Salpetersäure
zersetzend auf das Schwefelwismuth einwirkt. Man mufs
dann zu der Flüssigkeit mehr Wasser hinzufügen, von
Neuem Schwefelwasserstoffgas durch dieselbe leiten, und
besonders darauf sehen, dafs während des Filtrirens/dfe
Flüssigkeit nach Schwefelwasserstoff riecht.
Es ist daher nothwendig, in dem Schwefelwismuth den
Gehalt von Wismuth zu bestimmen. Es kann diefs zwar
geschehen, wenn man das Schwefelwismuth wie andere
Schwefelmetalle in einem Strome von Wasserstoffgas glüht.
Da das Schwefelwismuth schon durch blofse Einwirkung
einer erhöhten Temperatur sich langsam,. wie Schneider
gezeigt hat, in metallisches Wismuth verwandelt, so ge-
schieht diefs leichter in einer Atmosphäre von Wasserstoff-
gas. Aber auch in dieser wird die vollständige Umwand-
lung des Schwefelwismuths zu langsam bewirkt, so dafs es
nicht zweckmäßig wäre, diese Methode zur Bestimmung des
Metalls in der Scbwefelverbindung benutzen zu wollen.
Man mufs also, um die Menge des Wismuths im Schwe-
felwismuth zu bestimmen, die alte gewöhnliche Methode
anwenden, das Schwefelwismuth durch Salpetersäure zer-
setzen, und in der salpetersauren Lösung das Wismuth-
oxyd bestimmen.
Man kanu indessen den Wismuthgehalt im Schwefel-
wismuth durchs Schmelzen mit Cyankalium abscheiden, eine
Methode, welche ich schon vor längerer Zeit vorgeschlagen
habe2). Man schmelzt das Schwefelwismuth mit ungefähr
der fünffachen Menge von käuflichem Cyankaliuin in einem
kleinen bedeckten Porcellantiegel zusammen; es wird da-
durch das Schwefelwimuth vollständig reducirt. Das Schwe-
felwismuth erfordert zur Reduction ein längeres Schmelzen
bei gröfserer Hitze, als die oxydirten Verbindungen des
Wismuths und die Bleiverbindungen. Schmelzt man zu
kurze Zeit bei schwächerer Hitze, so erhält man einen Me-
tallregulus und ein schwarzes Pulver, das eine Mengung
1) Po gg. Ann. Bd. 91, S. 104.
vnii metallischem Wismuth und
bei längerem Schmelzen aber vereinigt sich gewöhnlich Al-
les zu einem grofsen metallischen Korne. Die geschmol-
zene Masse wird mit Wasser Übergossen, wodurch sie bi>
auf das reducirte Wismut h aufgelöst wird. Man giefsl die
Lösung sobald wie möglich von dem metallischen Wismuth
ab, und wäscht dieses erst mit Wasser, dann mit verdünn-
tem und endlich mit etwas concentrirtem Alkohol ab, wor-
auf man nach dem Trocknen sein Gewicht bestimmt. Hat
man nach der Behandlung der geschmolzenen Masse mit
Wasser neben einem grofsen Regnlus von Wismuth schwar-
zes Pulver erhallen, so mufs letzteres- noch einmal mit Cy-
aukalium geschmolzen werden. Beim Schmelzen des Schwe-
felwismulhs mit Cyankalium findet ein Sprülzcn statt. Ge-
schieht das Schmelzen in einem zu kleineu Porccllauliegcl,
so wird etwas von der schmelzenden Masse gegen die Un-
terseite des Deckels gesprützt, und dadurch kann etwas
vom Schwefel wismuth sich der Einwirkung des schmelzen-
den Cyankaliums entziehen. Das Schmelzen mufs daher in
einem nicht zu kleinen Porcellanlicgel stattfinden.
Bei diesen Reductionen verraitlelsl des Cyankaliums wird
man oft dadurch in Verlegenheit gesetzt, dafs beim Schmel-
zen mit Cyankalium die Glasur des angewandten Porcel-
laiiticgcls leicht ziemlich stark angegriffen wird. Früher gab
es in der hiesigen königlichen Porcellanfnbrik kleine Por-
ccllautiegel, welche der Eiuwirkung des schmelzenden Cyan-
kaliums widerstanden. Bei Anwendung aber von gewöhn-
lichen Pu reell an li cgel i) lösen sich kleine Stückchen der Tie-
gelmassc ab, die mau oft nicht gut vollkommen von dem
metallischen Wismuth trennen kann, wenn dieses nicht in
einem Korne erhalten worden ist. In diesem Falle erhält
man iudessen immer noch ein gutes Resultat, wenn man
auf folgende Weise verfährt: Der anzuwendende kleine
Porcellantiegel wird vor dem Versuche gewogen. Nachdem
in ihm die Reduction mit Cyankalium vorgenommen wor-
den ist, und man die erkaltete geschmolzene Masse mit
Wasser behandelt hat, giefst man die Lösung durch ein.
138
kleines gewogenes Filtrum, taf welchem man auch die grö-
Cseren Wismuthkugeln mit den vom Tiegel abgelösten
TheUchen der Tiegelmasse sammelt und auswischt. Das
Filtrum mit dem Inhalte wird darauf in den gereinigten Tie-
gel gelegt, getrocknet und mit demselben gewogen.
Kupfer.
Das durch Schwefelwasserstoffgas gefällte Schwefelku-
pfer wird durch Glühen in einem Porcellantiegel in einer
Atmosphäre von Wasserstoffgas unter Zusetzen ron etwas
' Scbwefelpulver vollständig in das Schwefelkupfer Cu* S
verwandelt Man erhält Resultate, welche vollkommen zu-
verlässig sind.
Ebenso werden 'andere Verbindungen des Kupfers, na-
mentlich Kupferoxyd und ftupferoxydul, schwefelsaures
Kupferoxyd und andere Kupferoxydsalze unter Zusetzen
von Schwefelpulver in einem Strome von Wasserstoffgas
vollständig in das Schwefelkupfer Cu9S verwandelt.
Als Hr. O es ten 1,380 Grm. krystallisirtes schwefelsau-
• • • • •
res Kupferoxyd, CuS+5H, nach Verjagung des Wassers
mit Schwefel ohne Hülfe von Wasserstoffgas in einem be-
deckten Tiegel erhitzte, erhielt er 0,440 Grm. Schwefelku-
pfcr Cu9 S, und bei einer Wiederholung 0,441 Grm. Mit
Schwefel im Wasserstoffgasstrome erhitzt, wurden 0,437
Grm. Schwefelkupfer bei wiederholten Versuchen erhalten.
Das Aequivalent des angewandten schwefelsauren Kupfer-
oxyds an Schwefelkupfer Cu3S ist 0,438 Grm.
Diese leichte Bestimmung des Kupfers macht die viel
Zeit raubende gewöhnliche Behandlung des durch Schwe-
felwasserstoffgas erhaltenen Schwefelkupfers, dasselbe durch
Salpetersäure oder durch Königswasser zu oxydiren, und
aus der Lösung das Kupferoxyd durch Kalihydrat zu fällen,
ganz überflüssig.
Durch die genaue Bestimmung des Kupfers als das
Schwefelkupfer Cu'S ist es bei weitem zweckmässiger, un-
ter fast allen Verhältnissen das Kupferoxyd aus seinen Lö-
sungen, dieselben mögen neutral oder sauer seyn, durch
Schwefelwasserstoffgas zu fällen. Es ist diese Methode der
Abscheidung des Kupfers der Fällung des Oxyds vermit-
telst Kalihydrats weit vorzuziehen. Denn das gefällte Schwe-
fclkupfer läfst sich sehr leicht auswaschen, wenn man als
Waschwasser ein Wasser anwendet, zu welchem man
Schwcfelwasserstoffwasser hinzugefügt hat, während das
durch Kaliliydrat ausgeschiedene Kupferoxyd schwer und
nur durch langes Waschen von einem Kaligehalte zu be-
freien ist.
■
Silber.
Es ist bisweilen zweckmässig, das Silber aus seinen Lö-
sungen durch Schwefelwasserstoffgas als Schwefelsilber zu
fällen. Wenn mau dasselbe nicht unmittelbar nach der
Fällung Qllrirt, sondern erst nachdem es sieb vollständig
abgesetzt hat, so läfst es sich gut filtrireu und sehr leicht
auswaschen.
Das auf nassem Wege erhaltene Schwefelsilber gehört
zu den Schwefelmetallen, die, durch Schwefelwasserstoff gas
erzeugt, beim Zutritt der Luft auf einein gewogenen Fillrum
bei 100" getrocknet werden können, ohne sich zu ver-
ändern, Alan kann daher mit Genauigkeit aus dein Ge-
wichte des getrockneten Schwefelsilbers das des Silbers be-
rechnen.
Man kann indessen auch sehr leicht in dem Schwefel-
silber den Gehalt an Silber unmittelbar bestimmen, wenn
man dasselbe nach dem Trocknen im Porcelloniicgel in
einem Strome von Wasserstorfgas der Rolhglübhilze aussetzt.
Es verwandelt sich dadurch sehr leicht in metallisches Silber.
Man umgeht dadurch die Behandlung des Schwefelsilbers
mit Salpetersäure, und die Fällung als Chlorsilber. Diese
Reduclion, welche immer geschehen mtifs, wenn mau im
Schwefelsilber eingemengten Schwefel vermulhet, ist so
leicht auszuführen, dafs man sich ihrer statt der Wägung
des Schwefelsilbers bedienen kann, zumal, da man in diesem
Falle nicht ein gewogenes Fillrum anzuwenden braucht.
Aus einer Losung von 1,635 Grm. Salpetersäuren Silber-
140
oxyds erhielt Hr. O est eh darch Schwefelwasserstoffgas
1,191 Grm. bei 100° getrockneten Schwefelsjlbers; die be-
rechnete Menge ist 1,192 Grm. Nach Verbrennung des
Filtrums im Wasserstoffstrome geglüht, wurden 0,976 Grm.
metallisches Silber erhalten; der Berechnung nach sind 0,97"
Grm. darin enthalten.
Quecksilber.
Wenn man vermittelst des Schwefelwasserstoffgases aus
einer Lösung des Quecksilberoxyds oder des Chlorids Schwe-
felquecksilber gefällt hat, so kann dasselbe wie das Schwe-
felsilber auf einem gewogenen Filtrum bei 100° an der
Luft getrocknet werden, ohne sich in seiner Zusammen«
setzung zu verändern, so dafs man durch WSguug der ge-
trockneten Schwefelverbindung sehr genau die Menge des
Metalls bestimmen kann.
Ist man indessen nicht vollkommen von der Reinheit
des Schwefelquecksilbers überzeugt, und will man die Menge
des Quecksilbers in demselben bestimmen, so ist eine der
besten Methoden, dasselbe aufzulösen, folgende: Man sam-
melt das Schwefelquecksilber auf einem kleinen Filtrum
von nicht zu dickem Papier, und nachdem es ausgewaschen
ist, bringt man es noch feucht mit dem Filtrum in ein
Becherglas, und übergiefst es in demselben mit einer ver-
dünnten Lösung von Kalihydrat: Man leitet darauf durch
das Ganze einen Strom von Chlorgas, während man von
Zeit zu Zeit umrührt. Wenn man das Becherglas auch nur
inäfsig während der Operation erwärmt, so ist nach kurzer
Zeit das Schwefelquecksilber aufgelöst worden. Man mufs
hierbei einen Ueberschufs von Kalihydrat vermeiden, so
dafs die Lösung schnell sauer werden kann. Ist diefs ge-
schehen, so ist auch die Lösung des Schwefelquecksilbers
erfolgt. Durch die erste Einwirkung des Chlorgases wird
vor der Lösung das Schwefelquecksilber zuerst roth, dann
heller und weifs, indem sich die weifse Verbindung von
Schwefelquecksilber mit Quecksilberchlorid bildet. In der
'
141
"
Lösung bestimmt man darauf das Quecksilber ain besleu
nach Methoden, von denen später die Kede seyu wird.
Auf diese Weise wird nicht nur das schwarze Sehwe-
felquecksilber aufgelöst, sundern auch der Zinnober, nach-
dem er pulverisirt worden ist.
Man konnte auch das Sehwefelquecksilber in verdünnter
Chlorwassersloffsaure suspeudiren, und durch das Gemenge
Chlorgas leiten, oder chlorsaures Kali hinzufügen und er.
hitzen, aber dadurch erfolgt die Lösung des Schwefelqueck-
silbers bei weitem später, als durch Kalihydr.it und Clilorgas.
Aus neutralen oder aimnoniakalischen Lüsungen kann
man das Quecksilber als Sehwefelquecksilber vollkommen
durch Schwefelammonimn füllen, ohne dafs ein UcbersrhuTs
desselben Sehwefelquecksilber auflost. Dieses Sehwefel-
quecksilber kann mit reinem Wasser ausgewaschen werden.
Es ist sicherer, es auf die angeführte Weise aufzulösen, und
in der Losung das Quecksilber zu bestimmen, als es nach
dem Trocknen seinem Gewichte nach zu bestimmen. — Um
das Quecksilber vollständig durch Scliwefelammoniuw als
Sehwefelquecksilber fällen zu können , darf iu der Lüsuug
nicht freies Kali- oder Natronhydrat, oder auch nicht koh-
lensaures Alkali zugegen seyu. Solche Lösungen können
namentlich cnlstebeu, wenn Quecksilberchlorid mit einer
bedeutenden Menge vou einem alkalischen Chlonnetall ver-
bunden ist; zu einer solchen Lösung kann mau Knhhydrat
setzen, ohne dafs eine Ausscheidung von Quecksilberoxyd
erfolgt. Durch Scriwcfclamuiouium (so wie durch Schwc-
felkaliumj erfolgt in einer solchen Lösung kein Niederschlag
vou Sehwefelquecksilber. Man mufs iu diesem Falle die
Lüsuug durch Chlorwassersloffsaure übersättigen, und kann
dann durch Sc hwc-fel wasserst offgas das Quecksilber als
Schwefel Verbindung niederschlagen.
Uranoxydul (durch Rcduclion des Urauoxyds vermittelst
Wasserstoffgas erhallen) verändert sich nicht im Mindesleu,
wenn es inil Schwefel gemengt in einer Atmosphäre vou
142
Waeserstoffgas gemüht wird. Man erhält das ursprüngliche
Gewicht des Uranoxyduls wieder. — ' Uranoxyd wird auf
diese Weise, wie durch reines Wasserstoffgas, in Oxydul
▼erwandelt
VII. Mütheilungen aus dem Laboratorium*
von IL Schneider*
IV. Ueber das Queoksllberfltiorflr; tob B. ffisfceier.
JLSerzelius ') hat in Bezug auf das QuecksilberfiuorQr
Folgendes angegeben: Es konnte noch nicht mit Sicherheit
hervorgebracht werden. Wird ein Gemisch von Calomel
und Fluornatrium in einem Glaskolben erhitzt, so erhält
man ein weifses Sublimat, welches sowohl Fluor als Chlor
enthalt. Fluorwasserstoffsäure trübt nicht salpetersaures
Quecksilberoxydul; bei dem Abdampfen entweicht die Was-
serstoffsäure und das salpetersaure Salz schiebt unverän-
dert an.
Das Quecksilberfluorür war also bis jetzt unbekannt Ich
habe gefunden, dafs diese Verbindung auf verschiedene
Weise erhalten werden kann.
Wird in eine Auflösung von Fluorsilber, erhalten durch
Zusatz von kohlensaurem Silberoxyd zu Fluorwasserstoff-
säure, frisch gefälltes Quecksilberchlorid im Ueberschufs
eingetragen, so nimmt dasselbe sofort, indem es sich zum
Theil in Quecksilberfluorür verwandelt, eine gelbe Farbe
an; allmählich wird sämmtliches Silber als Chlorsilber ge-
fällt und Quecksilberfluorür tritt in Lösung. Beim Ab-
dampfen dieser Lösung im Wasserbade erhält man kleine
gelbe (kubische?) Krystalle, die aus reinem Quecksilber-
fluorür bestehen.
1 ) Lehrbuch Bd. III, S. 807.
Noch leichter und bequemer wird diese Verbindung
hallen durch Eintragen von frisch gelalltem kohleusauren
Quecksilberoxydul in Fluorwasserstoffsäure '). Dabei fin-
det unter Entweichen der Kohlensäure sofort die Bildung
von Quccksilberfluoriir statt. Anfangs bleibt Alles gelöst;
bei weiterem Eintragen des kohlensauren Salzes, womit
solange fortgefahren wird, als die Zersetzung energisch statt-
findet, scheidet sich ein schweres, hellgelbes, kristallinisches
Pulver ab. Dieses ist Quecksilberfiunrür. Durch Waschen
mit wenig Wasser, Abpressen zwischen Fliefspapier und
Trocknen über Schwefelsäure und Kalk wird es leicht rein
erhalleu.
Behufs der Analyse wurde die feingeriebene Substanz
in ciuem geräumigen Platinliegcl in stark verdünnter Salpe-
tersäure aufgelost, mit Salzsäure versetz!, das gefällte Queck-
silberchlorid auf ein gewogenes Filiruin gebracht und nach
dein Trocknen bei 70 bis 80° C gewogen. Ans dem Fil-
tral wurde das Flunr nach der von H. Rose °) angegebe-
neu Methode als Fluorcalcium bestimmt. Zur Controlle
wurde diefs durch Schwefelsäure in schwefelsaure Kalkcrde
verwandelt und diese gleichfalls gewogen.
In einem anderen Falle wurde die stark verdünnte salpe-
tersaure Auflösung des Quccksilbcrlluorürs in eiueu Ueber-
schufs einer mit Schwefelwasscrstoffwasser versetzten Auf-
lösung von kohlensaurem Natron eingetragen, das gefällte
Schwefelnuecksilber nach dem Auswaschen mit Salzsäure
und chlorsaurem Kali behandelt, aus der filtrirten, von Chlor
befreiten Flüssigkeit durch Schwefelwasserstoff das Queck-
silber gefällt und als Schwefelquecksilber gewogen. Das
Fluor wurde auf dieselbe Weise wie bei der ersten Analyse
bestimmt.
Die erhaltenen Resultate waren folgende:
1) 1,107 Grm. angewandter Substanz gaben 1,185 Gnu.
Quecksilberchlorid und 0,189 Grm. Fluorcalcium. Aus
1 ) Friid. .ui.-r.i1li,-. raun Queckillbcroijdul sthtmt von PImtwuMM
»iure fast gar nickt angrgiilltn M wwittn.
1) Hindbticl. d« intl. Cl.cuiie Bd. II. S. 5»2.
144
0,189 Gnn. Fluorcakfam wurden Of327 Grm.
schwefelsaure Kalkerde erhalten, denen 0,188 Grm.
Fluorcalcium entsprechen.
2) 1,037 Grm. Substanz gaben 1,097 Grm. Schwefelqueck-
silber und 0,178 Grm. Fluorcalcium, resp. 0,312 Grm.
schwefelsaure Kalkerde, denen 0,179 Grm. Fluorcal-
cium entsprechen.
Der Formel des Quecksüberfluorürs (Hgt Fl) entsprechen
folgende Zahlen:
Gefunden.
Berechnet.
" L '"~~
" IL ■"
Mitte!.
Hg« = 200
91,32 Proc
90,91
91,19
91,01
Fl es 19
9,68 »
8,32
8,36
8,34
219
100,00
99,23
99,55
99,39
Aus einer fluorwasserstoffsauren Auflösung von Queck-
silberfluorür , wie man sie durch Eintragen von kohlensau-
rem Quecksilberoxydnl in stark verdünnte Fluorwasserstoff-
säure erholt, scheiden sich beim Verdampfen im Wasserbade
kleine gelbe, mit einander verwachsene Kry stalle aus. Wird
die Lösung bei gewöhnlicher Temperatur (über Schwefel-
säure und Kalk) verdunstet, so sind die ausgeschiedenen
Krystalle gröfser, aber auch so innig mit einander verwach«
gen, dafs ihre Form nicht mit Sicherheit erkannt werden
kann. Es scheinen Würfel zu seyn.
Die Analyse dieser Krystalle, gleichviel ob dieselben
bei gewöhnlicher oder bei höherer Temperatur angeschos-
sen waren, führte ebenfalls zu der Formel Hg9 Fl, wie sich
aus folgenden Zahlen ergiebt:
1 ) 0,987 Grm. (bei 50 bis 60° krystallisirt) gaben 1,052
Grm. Quecksilberchlorür und 0,170 Grm. Fluorcalcium,
resp. 0,298 Grm. schwefelsaure Kalkerde (entsprechend
0,171 Grm. Ca Fl).
2) 0,923 Grm. (bei gewöhnlicher Temperatur angeschos-
sen) gaben 0,986 Grm. Quecksilberchlorür und 0,158
Grm. Fluorcalcium, resp. 0,274 Grm. schwefelsaure
Kalkerde (entsprechend 0,157 Grm. Ca Fl).
91,32 Prc-.
_8,68_ •■
100.
9(1,7 1 911,92
8,39 8,31
99,11). 99£6\
wird von Wasser
Das Quecksilbcrfluonir wird von Wasser iheilweise
zersetzt; es bildet sieb Quecksilberoxydul und Fluorwasser-
stoffsäure, in welcher sich ein Theil des unzersclzten FIuo-
rürs auflöst. Diese Zersetzung scheint schou durch den
Wassergebalt der Luft bewirkt zu werden, da die Verblö-
dung sieb beim Liegen an der Luft (besonders bei Zutritt
des Lichts) leicht schwärzt. In Irockncr Luft läfst sich
das Quecksilberiluorür bis ungefähr 2611" C. erhitzen, ohne
zersetzt zu werden; bei höherer Temperatur subliuiirt Queck-
silber, während gleichzeitig das Glas, in dein das Erhitzen
stattfindet, stark angegriffen wird.
Kali scheidet aus einer iluorwassersloffsauren Auflösung
von Quecksilberiluorür Quecksilberoxydul aus.
Aetzammouiaklliissigkeit bringt in derselben einen schwar-
zen Niederschlag hervor, der jedoch gleich nach seiner Ent-
stehung die schwarze Farbe verliert und wehr oder weni-
ger grau wird. Filtrirt mau die schwach alkalische Flüssig-
keit sogleich ab, so enthält dieselbe eine erhebliche Menge
Quecksilberoxyd aufgelöst und setzt nach kurzer Zeit eiue
weifse Masse ab, die sich in ziemlich conccutrirler Salz.
saun; löst und die Quecksilber, Ammoniak und Fluor als
wesentliche Bestandteile enthält. Auf diese Substanz werde
ich bei einer späteren Gelegenheit ausführlich zurück,
kommen.
Wird der schwarze Niederschlag mit verdünnter Salpe-
tersäure übergosseu, so bildet sich uuter Stickstoffoxyd-
Entwjckelung salpetersaures Quecksilberoxydul, das in Lö-
sung tritt, während eine weifsc Quecksilbcroxyd-haltige
Masse zurückbleibt. liekanntlich verhält sich das Salpeter-
säure Quceksilberoxydul unter gewissen Umstanden auf
ähnliche Weise: in conccntrirterLösuug wird es durch e
grofsen Ueberscbufs von Ammoniak tbeilweise in Queck-
PoggindorlTj Anna]. Bd. CK,
146
silber und eine Queclwilberoxyd- Verbindung zersetzt. Bei
dem Quecksilberfluorür scheint diese Zersetzung immer vor
sich zu gehen. Selbst wenn man zu einer wenig freie Fluor-
wasserstoffsäure enthaltenden, stark verdünnten Auflösung
von Quecksilberfluorür eine kleine Menge verdünnter Am-
moniakflüssigkeit setzt, so dafs noch eine saure Reaction
stattfindet, enthalt die sogleich filtrirte Flüssigkeit eine er-
hebliche Menge Quecksilberoxyd und der Niederschlag,
auch wenn er bei gewöhnlicher Temperatur und unter Ab-
haltung des Lichts getrocknet wurde, metallisches Queck-
silber.
Vollständig ist die Zersetzung, wenn man trocknes
Quecksilberfluorür einige Zeit unter häufigem Umrühren
mit Ammoniakflüssigkeit behandelt. Verdünnte Salpeter-
säure zieht dann aus dem Rückstande, bei längerer Berüh-
rung mit demselben, eine Menge Quecksilber aus, die von
dem Quecksilbergehalte des angewandten Fluorürs sehr
nahe die Hälfte beträgt. 1,993 Giro. Fluorür (mit 91,32
Proc. Hg) auf diese Weise behandelt, gaben bei der Fäl-
lung des salpetersauren Auszuges mit Salzsäure 1,053 Grm.
Quecksilbcrchlorür, entsprechend 44,87 Proc. Quecksilber.
Von trocknem Amuioniakgas wird das Quecksilberfluo-
rür geschwärzt. Um die Menge des hierbei absorbirten
Ammoniaks zu bestimmen, wurde die feingeriebene Sub-
stanz in eine Kugelröhre gebracht und diese zwischen zwei
ungefähr 2 Fufs lange, mit frisch geglühten Kalkstücken
gefüllte Glasröhren eingeschaltet, von denen die eine mit
der zur Ammoniak- Entwickelung dienenden Retorte, die
andere mit einer rechtwinklich gebogenen, unter Quecksil-
ber mündenden engen Glasröhre verbunden war. In die-
sem Apparate wurde das nach der oben beschriebenen Me-
thode dargestellte Quecksilberfluorür längere Zeit der Ein-
wirkung des Ammoniaks bei gewöhnlicher Temperatur aus-
gesetzt. Dabei zeigte sich, dafs nur eine äuferst langsame
Absorption stattfand; dieselbe war selbst nach mehrtägigem
Darüberleiten des Gases noch nicht beendigt.
Etwas schneller verlief die Absorption bei Anwendung
Quecksilberfluorüi
Zustande sehr feiner Verthei-
(ung-, wie es durch Zusatz von Fluorkai ium zu eiuer Auf-
lösung von krystallisirtetn Quecksilbertluorür in verdünnter
Fluorwasserstoffsäure erhallen wird '). In diesem Falle
war die Absorption nach zwei- bis dreitägiger Behandlung
des Fluorlirs mit Ammoniak beendigt; es fand keine fer-
nere Gewichtszunahme mehr statt. Die erhaltenen Resul-
tate waren folgende:
1) 1,389 Grm. Hg' Fl absorbirten 0,108 Gnn. Ammoniak
2) 1,522 Grm. Hg'Fl absorbirten 0,114 Grm. Ammoniak.
Diese Zahlen drücken sehr nahe das Verhältnifs glei-
cher Aequivalenle aus, führen also zu der Formel Hg, Fl,
NH„.
HgäFI = 219
NH, = 17
92,80 Proc.
7,20 -
7,21 6,97 7,09
236 100,00.
In trockener Luft scheint das Quecksilbertluorur- Am-
niak beständig zu seyn. Auch wenn es in einem trock-
nen Luftstrome bis 100* C erwärmt wird, giebt es nur
sehr wenig Ammoniak (0,2 Proc.) ab; zugleich wird eine
:hr kleine Menge von metallischem Quecksilber ausge-
schieden. Durch Wasser scheint es in Quecksilber und
eine Quecksilberoxyd- Verbindung zerlegt zu werden.
V. Ueber Wismnth- und Anlimonjodosulfurcl;
von 11. Schneider.
Schon gelegentlich meiner früheren Mitlheiluugen ') über
die Darstellung des Jodwismuths aus Jod und Schwefel-
.visimuli habe ich angegeben, dafs nach beendigter Subli-
1) Da. auf die» Welit dargc.iellie QuecUlberfli.oriJr. cm hellgelbe», .ehr
lockerei Pulter, halt beim Ao.wa.ehcn licmlirh ha, »■:;. k!g eine kleine
Menge von f!i.,>r-.v^-,r-. tK.,r,r. .r. FluorkaKnm zurück, .l..s ;„.!,[. ,!„,, I,
fnrlgeictitei Waschen volhländlg entfernt werden kann. In 100 Theilen
die». FluorSr» «nln 91,08 Proc. Queck.ilbrr und 8,33 Proc, Fluor
gefunden, — Zahlen al.n, die der Formet Hga Fl fall genau enlipreclien.
2) Dieae Ann.I. Bd. 99, S. 470
148
mationam Boden des Kolbens ein spröder, krystallinisch -
strahliger Rückstand bleibt, der Wismuth, Jod und Schwefel
enthalt
Bei näherer Untersuchung hat sich gezeigt, dafe dieser
Rückstand aus etwas unverändertem Jodwismuth, zum gröfc-
ten Theil aber aus einer Verbindung besteht, deren Zu-
sammensetzung in der Formel BiJS* ihren einfachsten Aus-
druck findet. Diese Verbindung ist in Form kleiner glän-
zender stahlgrauer Krystallnadeln in die Masse des Jod-
wismuths eingelagert und kann daraus durch Behandeln mit
verdünnter Salzsäure, worin nur das Jodwismuth sich löst,
leicht ausgesondert werden.
Dieselbe Verbindung wird stets und am Leichtesten er-
halten, wenn man in schmelzendem bis zum Sieden erhitzten
Jodwismuth soviel pulverisirtes Schwefelwismuth aufgelöst,
als jenes aufzunehmen vermag. Beim Erkalten erfüllt sich
die Masse mit zahlreichen Krystallen der neuen Verbindung,
die von dem Jodwismuth, in das sie eingelagert sind, durch
verdünnte Salzsäure vollständig befreit werden können. Das
Behandeln mit Salzsäure mufs indefe so oft wiederholt und
so lange fortgesetzt werden, bis reines Wasser auch bei
längerer Berührung mit den Krystallen nicht mehr milchicht
getrübt wird.
Endlich kann die Verbindung, wie Hr. Linau gefunden
hat, auch durch Sublimation erhalten werden und zwar in
schönen glänzenden, bisweilen zolllangen Nadeln. Man ver-
fährt dabei am Besten so, dafs man in einem geräumigen
Thontiegel Jod, Schwefel und Schwefelwismuth übereinan-
der schichtet und den Tiegel bei aufgelegtem Deckel län-
gere Zeit einer höheren Temperatur aussetzt. Der Rück-
stand im Tiegel findet sich dann oberflächlich mit Krystal-
len der neuen Verbindung bekleidet
Die Analyse dieser Verbindung wurde nach bekannten
Methoden ausgeführt. Behufs der Bestimmung des Wismuths
und des Schwefels wurde die Substanz mit Salpeter und
Soda geschmolzen, das Wismuth als Oxyd, der Schwefel
als schwefelsaure Baryterde gewogen. Für den Zweck der
Jodbestiininung wurde die f re ige rieben e Substanz anhaltend
mit mäfsig conceiitrirler Knlilö'suiig digetirt und 311s der au-
gesäuerten Lösung des Jod als Jodsilber gefällt. Die Re-
sultate waren folgende:
1) 0,914 Grra. gaben 0,580 Gnu. schwefelsaure Baryterde
und 0,580 Gnn. Wisinulhoxjd.
2) 1,138 Gnn. gaben 0,724 Grm, Jodsilber.
Diese Data führen zu der Formel BiJS,.
Bi = 208
J = 127
S, =^32
367
56.6 Proc.
34.7 >
8,7 •
lOO.Ö;
Diese Verbindung kann hiernach aufgefafst werden als
Wismutbjodosulfurel (BUS,); d. h. als Schwefelwismuth,
1 dem 4 des Schwefels durch Jod vertreten ist; sie lafst
aber auch betrachten als aus 1 Aeijuiv. Jodwisinulh
I 2 Aequiv. Schwcfelwismuth zusammengesetzt = BiJa,
BiSj. Das chemische Verhallen derselben spricht mehr
für die erste als für die letztere Formel.
Aeufscrlich hat das Wismulhjodosulfurct viel Aehnlich-
keit mit dem Wismuthglanz und scheint, soweit steh bei
der mikroskopischen Betrachtung; erkennen läfst, mit diesem
dieselbe Gestalt zu habeo. Die Kryslalle sind stalilgrau
und zeigen lebhaften Metallglauz.
Weder von kallem noch von siedendem Wasser wird
diese Verbindung angegriffen. Auch verdünnte Miucralsäu-
ren sind ohne Wirkung. Coucentriitc siedende Salzsäure
dagegen bewirkt unter Schwefelwasserstoff -Fiilwickelung
vollständige Zersetzung; ebenso concentrirte Salpetersaure
unter Ausscheidung von Jod und Schwefel. Durch er-
wärmte Kalilosung wird der Verbindung das Jod vollstän-
dig entzogen; im Rückstände bleibt ein Wismulhojvsulfuret.
Aehnlich aber weit träger wirkt Aclzammoniakllüssigkeit.
Auch durch Kochen mit Wasser und Zinkoxvd wird dem
Wismuthjodosulfuret allmählich Jod entzogen, das als Jod-
150
zink in Lösung tritt; doch findet diese Zersetzung nur sehr
langsam und unvollständig statt.
Beim Erhitzen unter Luftabschlub schmilzt die Verbin-
dung und verliert Jodwismuth; ein Theil des Jods bleibt
indefs beim Rückstände und kann auch durch anhaltendes
Erhitzen desselben nicht ausgetrieben werden.
Unter ganz ähnlichen Verhältnissen wie bei der Dar-
stellung des Jodwismuths das Wismuthjodosulfuret, wird
bei der Darstellung des Jodantimons (aus Jod und Schwe-
felantimon) die entsprechende Antimon - Verbindung, das
Antimonjodosulfuret erhalten. Weit leichter indefs läfst sich
diese Substanz darstellen durch Auflösen von pulverisirtem
Schwefelantimon in schmelzendem Jodantimon und Behan-
deln der langsam erstarrten Masse mit verdünnter Salzsäure.
Darin löst sich nur der Ueberschufa des Jodantimons auf
und das Antimonjodosulfuret, das in jenes eingelagert war,
bleibt im reinen Zustande übrig.
Behufs der Analyse wurde die Verbindung durch ko-
chende Sodalösung zersetzt, darauf Essigsäure bis zur sauren
Reaction zugesetzt, die Flüssigkeit mit Schwefelwasserstoff-
gas übersättigt, das Schwefelantimon abfiltrirt und aus dem
von Schwefelwasserstoff befreiten Filtrate das Jod durch
Silberlösung gefällt. In dem Schwefelantimon wurde der
Gehalt an Antimon bestimmt. Eine andere Menge der
Substanz wurde mit Salzsäure und chlorsaurem Kali bis
zur völligen Lösung behandelt und aus der mit Weinstein-
säure versetzten, stark verdünnten Flüssigkeit die Schwefel-
säure als schwefelsaure Baryterde gefällt.
Die erhaltene Resultate waren folgende:
1) 1,003 Grm. gaben 0,856 Grm. BaO, SO, und 0,438
Grm. Antimon.
2) 1,890 Grm. gaben 1,568 Grm. Jodsilber.
Diesen Werthen entspricht die Formel Sb J S2 :
Sb = 12lt,3 43,07 Proc.
J =127 45,48 «
S, = 32 11,45 -
'2"y,;i i«o,öo.
Die Krystalle des Anlimoiijodosulfurets zeigen, wenn sie
unverletzt sind, lebhaften Meudlglanz, sind von dunkelrotb-
brauner Farbe, unter dein Mikroskop mit rubiurother Farbe
durchscheinend und geben ein duukclkirschrothes Pulver.
Sic haben äufserlich eine unverkennbare Achnlichkcit mit
dem Rollispiefsglauzerz, zu dein sie auch durch ihre Zusam-
mensetzung in eine sehr nahe Beziehung gestellt sind. Sie
können nämlich als solches betrachtet werden, in dem der
Sauerstoff durch eine aenuivalenle Menge von Jod vertre-
ten ist. Der einfachste formul arische Ausdruck für ihre Zu-
sammensetzung ist, wie gesagt, SbJS,; doch lassen sie sich
auch betrachten als eine Verbindung von 1 Aequiv. Jod-,
antimon mit 2 Aequiv. Schwefelantimon — Sb J„, 2SbSs.
Gegen Wasser und Sauren verhüll sich das Antimon-
jodosulfurct ähnlich wie die entsprechende Wismulh Verbin-
dung. Aetzendc und kohlensaure Alkalien dagegen entzie-
hen der Verbindung nicht nur das Jod, sondern es tritt
auch ein Theil des Schwefels und des Antimons (als Schwe-
felsalz) in Lösung, beim Erkalten zum Theil als Kermes
sich ausscheidend.
Wird feingepulvertes Antimonjodosulfuret mit einein
Ucberschufs von Zinkoxyd und Wasser gekocht, so wird
ihm allmählich der ganze Jodgehalt entzogen. Im Rückstaude
befindet sich neben dem überschüssigen Zinkoxyd eine Sub-
stanz, die annähernd nach der Formel Sb O SM also dem
Rothspicfsglnnzciz entsprechend zusammengesetzt ist. Die-
selbe bleibt bei der Behandlung jenes Rückstandes, mit stark
verdünnter Salzsaure, worin das Zinkoxyd sich füst, als ein
rolhbraunes Pulver zurück, dem indefs bei längerer Berüh-
rung mit schwacher Salzsäure leicht etwas Antimon als Oxyd
entzogen wird.
Die M&tode, nach der die hier beschriebenen Verbin-
dangen erhalten wurden, bietet defshalb einiges Interesse«
weil sie zeigt, dafe die schmelzenden Chlor-, Brom* and
Jodmetalle vortreffliche Lösungsmittel für die entsprechen-
den Schwefelverbindungen sind. Diese letzteren scheiden
sich aus solchen Lösungen entweder unverändert und dann
bisweilen sehr schön krystaltisht fz. B. das Einfach -Schwe-
felzinn •)] wieder ab oder sie bilden, und dieCs ist der häu-
figere Fall, ktjstallisirte Verbindungen nach Art der oben
beschriebenen. So krjstallirirt, wie ich früher*) gezeigt
habe, aus einer Auflösung- von Zinnober in schmelzendem
Quecksilberchlorid die Verbindung Hg8 ClSt, aas einer
Auflösung von Scbwefelwismuth in schmelzendem Chlor-
wismuth die Verbindung BiCIS, u. s. w.
Berichtigung.
In No. I dieser Mittheilungen (Aprilheft) ist über die
Einwirkung von StibBthvl auf Senföl eine Angabe gemacht
worden, die einer Berichtigung bedarf.
Hr. Schellbach hatte sich nämlich bei seinen ersten
Versuchen, bei denen die früher erwähnte krvstallisirte
Substanz erhalten wurde, eines Stibäthyls bedient, das,
wie sich erst später herausstellte, Jodäthvl enthielt Da
dieses Stibäthjl nicht in meinem Laboratorium dargestellt
und da mir der Gehalt desselben an Jodäthyl unbekannt
war, so konnte ich in den damit erhaltenen Krystallen un-
möglich Jod voraussetzen; dagegen war ich um so geneig-
ter, dieselben für das früher bezeichnete complicirte Dia-
min (für dessen Bildung ohnehin vielfache Analogien spra-
chen) zu halten, als bei der Prüfung derselben wenn
auch nicht starke, so doch deutliche Reactionen auf Stick-
stoff und Schwefel erhalten wurden. Es verdient Berück-
sichtigung, dafs bei dieser ersten Prüfung nur über sehr
kleine Mengen der betreffenden Substanz verfügt werden
konnte.
Als Hr. Schellbach bei späteren Versuchen (die übri-
1) Diese Ann. Bd. 95, S. 169.
2) Die« Ann. Bd. 95, S. 167 a. Bd. 93, S. 464.
gens nicht in meinem Laboratorium angestellt wurden) ein
jodfreics Stibätbyl auf Seuföl einwirken liefs, erhielt er,
selbst nach längerem Erwärmen des Gemisches in zuge-
schmolzeneu Röhren, keine Krystallc; solche bildeten sich
erst, als dem Gemisch von Stibüthyl und Senfül Jodälhyl
hinzugefügt wurde. Es war damit angedeutet, dafs Tür die
Bildung jener Kristalle die Gegenwart von Jodäthyl we-
sentliche Bedingung sey und dafs Jod einen Bcstaudtheil
derselben ausmache. Hr. Schellbach hat nun in der That
gefunden, dafs diese Krystallc durch wiederholtes Umkry-
stallisiren aus Weingeist oder Wasser von den Bestand-
teilen des Senfüls frei erhalten werden und dafs sie die
Zusammensetzung des Slibälliyliumjodiirs besitzen. Der Um-
stand, dafs dieser Verbindung etwas Senföl hartnackig an-
haftet, macht es erklärlich, dafs in dem früher erhaltenen
Präparate, das nur einmal aus Weingeist umkrystallisirt
war, Stickstoff und Schwefel nachgewiesen werden konnten.
Berlin, den 29. Mai 1860. R. Schneider.
VIII. Veber ein einfaches Verfahren, mit Anwen-
dung ton Eisensalzen unmittelbar kräftige, po-
sitive Photographien zu erzeugen;
ton F. Zöllner.
In neuerer Zeit hat Hr. iSicpcc de 8ai n t-Victor ein
Verfahren bekannt gemacht '), durch welches man mit An-
wendung des salpetersauren Uranoxydes Lichtbilder erhalten
kann, die durch Behandlung mit salpctersaurcm Silberoxyd
zum Vorschein kommeu. Man tränkt zu diesem Zwecke
ein Blatt Papier mit einer Lösung von salpetersaurem Uran-
oxyd, bedeckt dasselbe, nachdem es getrocknet ist, mit dem
zu copirendeu negativen Bilde und setzt es ungefähr eine
Viertelstunde dem directen Sonnenlichte aus. Legt man
alsdann das exponirte Papier in eine Lösung von salneler-
1) Compltt rend. T. XLVl, p. täfl. 4S9.
m
saurem Silberoxyd, «o erscheint ein positives Bijd 4a braun-
rother Farbe» das pich durch Schlrfe und Deutlichkeit aus-
zeichnet Einige Zeit später tbeilte Hr. Magnus in der
Gesammtsitznog der Berliner Academie am 29. April 1868
einige Verbesserungen mit, welche Hr. O. Hagen in dem
so eben mitgetheilten Verfahren gefunden hat. Diese Ver-
besserungen bestehen in Folgendem*
1) Es mufs angeleimtes Papier angewandt werden oder
das geleimte durch Kochen mit Wasser vom Leim
befreit werden. „
2) Das angewandte Uransais darf keine freie Salpeter-
säure . enthalten und nicht durch die Beimengungen
des käuflichen Uransalzes wie Kupfer und Arsenik
verunreinigt seyn.
3) Die wässerige Silbersalzlösung erh< einen Zusatz von
Alkohol oder Aether.
Mit Beobachtung dieser Vorschriften ist es Hrn. Hagen
gelungen, Bilder in grauschwarzem Tone zu erhalten, wel-
che 30 höchstens 60 Sekunden, auf Löschpapier sogar nur
15 Sekunden Expositjonszeit erfordern.
Auf die augeführten Punkte Bezug nehmend giebt Hr.
Hagen eine Theorie des hierbei stattfindenden chemischen
Processes und bringt denselben mit der Eigentümlichkeit
der alkoholigen Lösungen des salpetersauren Uranoxydes
in Verbindung, welche dem Sonnenlichte exponirt, sich zu
Oxydul reduciren. Zur genaueren Feststellung dieser theo-
retischen Ansicht unternahm ich eiue hierauf bezügliche Un-
tersuchung, durch welche ich zu Resultaten geführt worden
bin, welche abgesehen von ihrem wissenschaftlichen Interesse,
wie ich glaube auch für die practische Photographie und
ihre allgemeinere Verbreitung nicht ohne Bedeutung sind.
Es kam mir zunächst darauf an, den im Lichte stattfin-
denden Reductionsprocefs des salpetersauren Uranoxydes
sichtbar zu machen und zu diesem Zwecke den frei wer-
denden Sauerstoff an einen Körper zu binden, durch dessen
Oxydation eine deutlich hervortretende Färbung an denje-
nigen Stellen des Papieres entsteht, an welchen das Licht
seine reducirende Wirkung geltend macht. Eiii solcher
Körper bot sich mir in dem Jodkaliumslärkcklcistcr dar;
ich legte daher das mit salpetersaurcin Uranoxyd getränkte
und dann getrocknete Papier auf eine verdünnte Stärke-
kleisterlüsung, in welcher geringe Mengen von Jodkalium
aufgelöst waren uud setzte das so präparirte Papier getrock-
net dein direclen Sonnenlichte aus. Schon nach Verlauf
von wenigen Sekunden fing das Papier an sich merklich
zu bläuen uud nach 10 Minuten halte dasselbe eine tief
blaugraue, etwas ins Violette spielende Farbe angenommen,
so dafs ich schou bei der ersten Wiederholung dieses Ver-
suches, wobei das Papier mit einer undurchsichtigen Schrift
auf transparentem Papier bedeckt war, die getreuen und
scharfen Züge dieser Schrift in weifser Farbe auf blauem
Grunde erhielt. Die Empfindlichkeit wurde, wie es schien,
noch etwas erhöht, wenn mau die salpetersaure Uranoxyd-
Lösung mit reinem Stärkekleister versetzte. Zur Fiiiruug
des Hildes ist es nur erforderlich dasselbe gehörig mit de-
Büllirlem Wasser abzuspülen, wobei die Farbe noch weit
deutlicher hervortritt und zugleich eiuen mehr blauen Ton
annimmt.
Weun nun aus dem hier beschriebenen Versuch her-
vorgeht, dafs durch die Einwirkung des Lichtes auf das
erwähnte Uranpapier in der Thal eine Sa uerstoffeut Wicke-
lung stattfindet und somit die von Hrn. Hagen aufgestellte
Ansicht bestätigt wird, so müssen nun auch alle die obeu
angeführten Umstände, welche die Empfindlichkeit des Pa-
piers bei dem Niepcc'scheu Verfahren vermehren, bei
der Behandlung des Uranpapiers mit Jodkaliiimstärkcklcisler
vermindern, da es hier gerade darauf ankommt, allen dispo-
niblen Sauerstoff ungelheilt auf die Zersetzung des Jodka-
liums zu verwenden. In der That gelangen mir auch die
Bilder auf Löschpapier nur äufserst unvollkommen und
erwies sich die Gegcuwart geringer Mengen von freier
Säure ohne merklichen Ei u flu ('s auf die Empfindlichkeit des
Papieres.
lu der Absicht, meine Untersuchungen in derselben Weise
IM
an Eisensalzen fortwnetxen, deren Zerfegbarkeit durch Licht
schon anderweitig bekannt war J ) , behandelte ich ein mit
Eisenchlorid prftparirtes Papier mit Jodkaliumlösung und
beobachtete an allen mit dieser Lösung in Berührung gewe-
senen Stellen durch Ausscheidung von Jod eine tief schwarz-
blaue Färbung des Papiers. Wurde hingegen das mit Eisen-
chlorid Aberzogene Papier hinreichend lange dem Lichte
ausgesetzt, so verlor es die Eigenschaft, sich in Berührung
mit Jodkaliumlösung zu schwarzen. Ganz dasselbe Verhal-
ten zeigte ein mit Eisenrhodanid priparirtes Papier und es
war somit hierdurch die Möglichkeit gegeben, mit Anwen-
dung gewisser Eisensalze und Jodkaliumlösung immittelbar
positive Photographien zu erzeugen.
Von der soeben Angegebenen Reaction machten alle
von mir untersuchten Verbindungen des Elisenoxydes mit
organischen Sauren eine Ausnahme. Vermischt man aber
eine gewisse Menge einer Lösung von oxalsaurem Eisenoxyd
npt Eisenchloridlösung, so erhält mau ein Gemenge, dessen
Empfindlichkeit um sehr viel gröfser ist, als Eisebchlorid
allein. Während ein mit letzterem getränktes Papier sich
in der Sonne erst in 15 bis 20 Minuten entfärbt, thut diefs
ein mit der erwähnten Mischung präparirtes Papier schon
in 2 Minuten. Diese Eigenschaft, die Empfindlichkeit der
Eisenchloridlösung so bedeutend zu steigern, kommt jedoch
von den von mir untersuchten organischen Eisenverbindun-
gen dem Oxalsäuren Eisenoxyd allein zu.
Es sey mir nun gestattet, im Folgenden kurz das Ver-
fahren mitzutheilen, wie sich dasselbe nach vielen Versuchen
zur Herstellung photographischer Copien nach den oben
angedeuteten Principien als dqfi beste und einfachste be-
währt hat.
Man bereitet ein Gemisch aus 1 Vol. conceutrirter Eisen-
chloridlösung, 6 Vol. mit einer concentrirten Lösung von oxal-
saurem Eisenoxyd 9) und 14 Vol. destillirten Wassers. Auf
1) Gmelin, Handbuch der Chemie 1843, S. 164. Draper, Phil.
Mag. SepL 1857.
2) Das oxalsaore Eisenoiyd wurde dargestellt, indem man das aus einer
157
"
[diesem Gemisch lälVl mau au einem dunklen Orte ein mil
Stärke geleimtes Papier *) 30 bis 60 Sekunden schwimmen
und hängt dasselbe zum Trocknen auf. Das vollkommen
getrocknete Papier, welches eine schwach gelbe Farbe hat,
wird nun mit dein zu copirenden Gegenstande auf der prä-
parirten Seite bedeckt und unter einem photograpliischen
Copirrahmen dem Lichte ausgesetzt. In weniger als 3 Mi-
nuten findet im Sonnenlichte eine vollkommene Entfärbung
aller nicht bedeckten Stellen Blatt und die Copie ist vol-
lendet. Um die nicht vom Lichte getroffenen Stellen so-
gleich kräftig hervortreten zu lassen, bestreicht man das
Papier mit einer Losung von Jodkalium in Albumin (2 bis
•i Ann. Jodkaliinn auf das Weifse von 3 Eiern), spült als-
dann das ganze Bild auf beiden Seiten gehörig mit gewöhn-
lichem Wasser ab und trocknet dasselbe zwischen Lösch-
papier. Die Anwendung des Albumins zur Lösung des
Jodkaliums ist sehr wesentlich, indem an allen dunklen
Stellen des Bildes durch Ausscheidung von Jod das Eivteifs
wahrscheinlich in seine unlösliche IWodificalion übergeführt
und hierdurch das Verwaschen der Conloren beim Behan-
deln mit Wasser vermieden wird. Daher der Glanz an
allen dunklen Sielleu. Beim Abwaschen der Bilder beob-
achtet man eine Veränderung des Farbentoues von Brauu-
» schwarz in Blauschwarz.
Zur Anwendung dieses Papiercs in der Camera obscura
habe ich mich bis jetzt vergeblich bemüht, die Empfindlich-
keit desselben zu steigern. Indessen ist es mir gelungen
auf Papier, welches mit einer couceutrirlen Lösung von
zweifach chromsauren Kali getränkt worden ist '), in ver-
hältnifsmälsig kurzer Zeit negative Bilder in der Camera
obscura zu erzeugen, die jedoch bis jetzt zu wenig intensiv
EiienrhloriillG.nng m|i Ammoniak gtBlll« und gehörig lu.gcwuchcne
EiienoijiJhydrat An einem dunklen Orle in einer conrcnlrirlen I.Öiung
von öiiUton inUösle. Durch «im freie Sinn wird die Empfind lich-
te« trhöt.1.
1 ) Am heilen du im Handel unter dem Namen "neg.iiiiei photographisen«
PV«4 vorkommende mil dem WumtuicdM: De Can.on Frcrej.
2) Cosmo, Vol. fl/I, p. 7- II. Bull. Je /* M«. ,/'.»<■. Oel. 1857,
158
sind, um hiervon positive Copieu anzufertigen. Sichtbar
werden diese Bilder ebenfalls durch Jodkaliumlüsuug ge-
macht, zu der eiue Spur von verdünnter Schwefelsäure ge-
setzt ist. Die Empfindlichkeit dieses, mit zweifach chrom-
saurem Kali präparirten Papiers ist übrigens so aufseror-
denllich grofs, dafs ein theilweis bedeckter Streifen dessel-
ben bei 2 Zoll Entfernung von der Flamme einer Argand'-
schen Lampe schon nach 2 Minuten eine deutliche Einwir-
kung des Lichtes an den nicht bedeckt gewesenen Stellen
zeigt.
Abgesehen von der grofsen Einfachheit und Wohlfcil-
hcil des beschriebenen Verfahrens verdienen noch folgende
Umstände hervorgehoben zu werden,
1) Soweit bis jetzt die Erfahrung reicht, kann das prä-
parirte Papier bequem 8 bis 14 Tage vor dem Ge-
brauche präparirt und im Dunkeln aufbewahrt wer-
den, ohne irgend wie seine Brauchbarkeit zu verlieren.
In Betreff der Eisenlösung bemerke ich, dafs eine vor
3 Monaten bereitete Mischung, die an einein dunklen
Orte aufbewahrt wurde, noch vollkommen brauchbar
ist ')-
2) Das Sichtbarmachen des Bildes kann bis 12 Stunden
nach der Exposition verschoben werden, ohne dadurch
die Deutlichkeit des Bildes zu beeinträchtigen. Bei
einer längeren Zwischenzeit findet allmählich wieder
eine Oxydation der im Lichte desoxy dir teil Stellen
statt.
3) Die über die Dauerhaftigkeit dieser Photographien an-
gestellten Versuche sind bis jetzt durchaus zu Gun-
sten des milgelheillen Verfahrens ausgefallen. Ich
cxponirle oiuigc derselben ununterbrochen mehrere
Wochen lang; dem Tages- und Sonnenlichte und be-
merkte nach fünfstündiger Bestrahlung; durch diiccles
Sonuenlicht nur eine Aenderung* des Farbenlones von
Blauschwarz in Braunschwarz, ohne dafs die Bilder
hierdurch merklich an Intensität verloren hatten. End-
gültig kann über diesen Punkt natürlich nur erst die
Zeil entscheiden.
Die zahlreichen Copien von getrockneten Pllanzen, Ku-
pferstichen und einigen Handschriften, welche ich nach der
hier mitgeteilten Methode augefertigt habe, zeichnen sich
alle durch Schärfe und intensive Färbung aus.
1) V«gl. Draper, Vhil. Mag, Sept. 1S57.
159
Die ziemlich umfangreiche Litlcralur über Photographien
ohne Anwendung von Silbcrsalzcn ist von mir bis zu Ende
des vorigen Jahres berück sich ligt worden. Abgesehen von
einigen Bemerkungen des Hrn. Niepce de Saint-Victor,
über die Reaction einer concenlrirlen Jodkaliumlüsnng auf
dem Sonnenlichte ausgesetztes Papier '), isl liier nur eine
Arbeit von Hrn. Rotissieu b cm erkens wert h "), welche in
gewisser Beziehung dein oben angegebenen Verfahren ahn-
lich ist. Das Verfahren des Hrn. Koussieu besteht in
Folgendem.
Tränkt man ein Stück Papierrnit Bleizuckerlösung und
bringt dasselbe getrocknet in Jodkaliumlüsuug, so schlägt
sich auf seiner Oberfläche gelbes Jodblei nieder. Diefs
hat die Eigenschaft in Gegenwart von Stärke durch das
Licht sehr schnell eine olivengrüne Färbung anzunehmen,
welche nach Hrn. Rotissieu aus dem Violett der Jodstärke
und dein Gelb des unverändert gebliebenen Jodbleis ent-
steht. Der Verfasser benutzte dieses Verhalten des Jod-
bleis, indem er Papier mit einem Gemisch aus Jodblei mit
Slärkeklcister überzog, zu photographischen Abdrücken von
Spitzen, Federn, Blättern etc. Wie man siehl, können durch
dieses Verfahren nur negative Bilder erhallen werden und
da dieselben sowohl nach der ausdrücklichen Bemerkung
des Hrn. Ronssicu als auch nach meinen hierüber ange-
stellten Versuchen nur sehr wenig intensiv siud, so mtifs
man auf die Herstellung von positiven Abdrücken bei die-
sem Verfahren verzichten.
Schönweide, im März 1860.
Nachtrag.
Die oben angedeuteten Versuche über die Dauerhaftig-
keit der beschriebenen Photographien sind in den Winter-
inonalen, also in einer für diesen Zweck sehr ungünstigen
Jahreszeit angestellt worden. Bei Wiederholung derselben
in den letzten Wochen des Mai hat sich gezeigt, dafs der-
gleichen photographische Abdrücke unter einem CopiiTah-
m tu andauernd den dircclen, möglichst senkrecht auffallen-
den Sonnenstrahlen ausgesetzt, nicht nur, wie oben be-
merkt, ihre Farbe verändern, sondern hierbei auch an In-
tensität verlieren. Diese Veränderung isl jedoch, wie es
1) Cumptei ,.■„.!„■< Na,: 185B, N„. 22.
2) Ann. de thim. T. XLFIt, p. 154 - 163,
scheint, weniger der Einwirkung des Lichtes als viclmehr
der durch die Insolation unter einem Copirrahmen erzeug-
ten, sehr bedeutenden Temperaturerhöhung; zuzuschreiben,
indem solche n holographischen Abdrücke einfach im Son-
nenschein aufgehängt eine weit geringere Veränderlichkeit
zeigten. Werden aber dergleichen Abdrücke bis zum Ver-
sengen des Papiers erhitzt, so verschwindet kurz vor dem
Eintritt der Zerstörung des Papiers die darauf befindliche
Copic. Dasselbe findet bei Behandlung der Copie'n mit
Alkalien statt. — Obgleich also die Umstände, unter denen
die beschriebenen Photographie'*! vernichtet werden, im
Allgemeinen nur abnormer Natur sind, so ist es dessenun-
geachtet für die Haltbarkeit derselben von höchstem Inter-
esse, dafs es Payen') durch eine einfache Behandlung
der Stärke mit Kupferoxyd- Ammoniak gelungen ist, die
Farbe der Jodslarkc gegen die Einwirkungen des Lichtes
und der Wärme zu schützen.
Im Uebrigcn ist zu bemerken, dafs sowohl in der Halt-
barkeit gegen die angeführten Agentien als auch in dem
Ausfall des Farbenlones sich bei den einzelnen Copien
nicht unbedeutende Variationen zeigen, ohne dafs es mir
bis jetzt gelungen wäre, die Bedingungen, unter denen
diese Erscheinungen am vorteilhaftesten auftreten, mit der
wünschenswerlhcn Pjäcision festzustellen. Indessen hat die
allmähliche Vervollkommnung der gesammlen Photographie
bis zu ihrer heuligen, hohen Ausbildung gelehrt, dafs der-
gleichen Bedingungen, bei dem vollkommnen Mangel au
eigentlich theoretischer Basis über die hierbei stattfindenden,
niolecularcn Vorgänge, lediglich durch eine möglichst viel-
fache und allseitige Wiederholung der Proceduren auf rein
empirischem Wege ermittelt werden können, und daher zu-
nächst auch nur auf diesem Wege eine Verbesserung des
initgetheilteu Verfahrens zu erwarten steht.
Schöuweidc, im Mai 1861).
I ) Com,
:ndus T. 48, (1859) /.
1860 ANNALEN .Vo. 6.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
BAND CX.
I. Chemische Analyse durch Spectralbeobachtungen;
von G. Kirchhof/ und R. Bunsen.
JQjs ist bekannt, dafs manche Substanzen die Eigenschaft
haben, wenn sie in eine Flamme gebracht werden, in dem
Spectrum derselben gewisse helle Linien hervortreten zu las-
sen. Man kann auf diese Linien eine Methode der qualitativen
Analyse gründen, welche das Gebiet der chemischen Reac-
tionen •erheblich erweitert und zur Lösung bisher unzugäng
lieber Probleme führt. Wir beschränken uns hier zunächst
nur darauf, diese Methode für die Metalle der Alkalien und
alkalischen Erden zu entwickeln und ihren Weith an einer
Reihe von Beispielen zu erläutern.
Die erwähnten Linien zeigen sich um so deutlicher, je höher
die Temperatur und je geringer die eigene Leuchtkraft der
Flamme ist. Die von Einem von uns augegebene Gaslampe1)
liefert eine Flamme von sehr hoher Temperatur und sehr
kleiner Leuchtkraft; dieselbe ist daher vorzugsweise geeig-
net zu Versuchen Über die jenen Substanzen eigentümli-
chen hellen Linien.
Auf Taf. V7 sind die Spectreu dargestellt, welche die
genannte Flamme giebt, wenn die so rein als möglich dar-
gestellten Chlorverbindungen von Kalium, Natrium, Lithium,
Strontium, Calcium, Baryiim in ihr verflüchtigt werden. Das
Sonnenspectrum ist, um die Orientirung zu erleichtern, bei-
gefügt.
Die zu den Versuchen benutzte Kaliumverbindung wurde
durch Glühen von chlorsaurem Kali, welches zuvor sechs
bis achtmal uinkrystallisirt war, dargestellt.
1) Diese Anoal. Bd. 100, S. Hb.
Pog geodorfPt Anna). Bd. CX. VV
162
Das Chlornatrium setzten wir aus reinem kohlensaurem
Natron und Salzsäure zusammen, uud reinigten dasselbe
gleichfalls durch öfters wiederholtes Umkrystallisiren.
Das Lithiousalz war durch vierzehnmalige Fällung mit
kohlensaurem Ammoniak gereinigt.
Zur Darstellung der Calciumverbindung diente ein mög-
lichst reiner, in Salzsäure gelöster Marmor. Aus der Lösung
desselben wurde durch fractionirte Fällung mit kohlensau-
rem Ammoniak kohlensaurer Kalk in zwei Portionen nie
dergeschlagen , von welchen nur die zuletzt niederfallende
in salpetersauren Kalk verwandelt wurde. Das so erhal-
tene Kalksalz lösten wir zu wiederholten Malen in absolu-
tem Alkohol auf und verwandelten es endlich nach Ver-
flüchtigung des Alkohols und Fällung mit kohlensaurem Am-
moniak durch Salzsäure in die Chlorverbindung.
Um das Chlorbar vum rein zu erhalten, extrahirten wir
die käufliche Verbindung zu wiederholten Malen durch Zu -
sammenreiben und Kochen mit nicht ganz absolutem Alko
hol. Der so extrahirte, von Alkohol befreite, in Wasser
gelöste Rückstand ward fractionirt in zwei Portionen ge-
fällt, nur die zweite in Salzsäure gelöst und das erhaltene
Chlorbaryum noch weiter durch wiederholtes Umkrystalli
siren gereinigt.
Um das Chlorstrontium möglichst rein zu gewinnen, wurde
die käufliche Verbindung wiederholt aus Alkohol umkry-
stallisirt, fractionirt iu zwei Portionen mit kohlensaurem
Ammoniak gefällt, die zweite Füllung in Salpetersäure ge-
löst und das salpetersaure Salz durch Zusammenreiben und
Auskochen mit Alkohol von den letzten Spuren Kalk be
freit. Aus dem so gereinigten Producte wurde endlich durch
Fällen mit kohlensaurem Ammoniak und Auflösen des Nie-
derschlags in Salzsäure das Chlorstrontium erhalten. Alle
diese Reinigungen geschahen, soweit es ausführbar war, in
Platingefäfsen.
In Fig. 1 Taf. VI ist der Apparat abgebildet, dessen wir
uns meistens zur Beobachtung der Spcctren bedient haben.
A ist ein innen geschwärzter Kasten, dessen Boden die
i
163
Gestalt eines Trapez hat und der auf drei Füfsen ruht; die
beiden schiefen Seitenwände desselben, die einen Winkel
von etwa 58° mit einander bilden, tragen die beiden klei-
nen Fernrohre B und C. Die Ocularlinsen des ersteren
sind entfernt und ersetzt durch eine Platte, in der ein aus
zwei Messingschneiden gebildeter Spalt ßich befindet, der
in den Brennpunkt der Objectivlinse gestellt ist. Vor dem
Spalt steht die Lampe D so, dafs der Sauin ihrer Flamme
von der Axe des Rohres B getroffen wird. ' Etwas unter
halb der Stelle, wo die Axe den Saum trifft, läuft in den-
selben das zu einem kleinen Oehr gebogene Ende eines
sehr feinen Platindrahtes, der von dem* Träger E gehalten
wird; diesem Oehr ist eine Perle der zu untersuchenden,
vorher entwässerten Chlorverbindung angeschmolzen. Zwi
sehen den Objectiven der Fernröhre B und C steht ein
Hohlprisma F von 60° brechendem Winkel, das mit Schwe-
felkohlenstoff angefüllt ist. Das Prisma ruht auf einer Mes-
singplatte, die um eine verticale Axe drehbar ist. Diese
Axe trägt an ihrem unteren Ende den Spiegel G und dar-
über den Arm ff, der als Handhabe dient, um das Prisma
und den Spiegel zu drehen. Gegen den Spiegel ist ein
kleines Fernrohr gerichtet, welches dem hindurchblickenden
Auge das Spiegelbild einer in geringer Entfernung aufge-
stellten horizontalen Skale zeigt. Durch Drehung des Prisma's
kann man das ganze Spectrum der Flamme bei dem Verti-
calfaden des Fernrohrs C vorbeiführen und jede Stelle des
Spectrums mit diesem Faden zur Deckung bringen. Einer
jeden Stelle des* Spectrums entspricht eine an der Skale
zu machende Ablesung. Ist das Spectrum sehr lichtschwach,
so wird der Faden des Fernrohrs C beleuchtet mit Hülfe
einer Linse, die einen Theil der von einer Lampe ausgehen-
den Strahlen durch eine kleine Oeffnung wirft, die in der
Ocularröhre des Fernrohrs C seitlich angebracht ist.
Die Taf. V dargestellten, mit Hülfe der oben erwähnten
reinen Chlorverbindungen erzeugten Spectren haben wir mit
denjenigen verglichen, welche man erhält, wenn man die
Bromide, lodide, Oxydhydrate, die schwefelsauren and kak-
164
lensauren Salze der entsprechenden Metalle in folgende
Flammen bringt:
in die Flamme des Schwefels,
» » » » Schwefelkohlenstoffs,
» • » » wasserhaltigen Alkohols,
» - nicht leuchtende Flamme des Leuchtgases,
» » Flamme des Kohlenoxydgases,
- • • » Wasserstoffs und
• • Knallgasflamme.
Bei dieser umfassenden und zeitraubenden Untersuchung,
deren Einzelnheiteu wir fibergehen zu dürfen glauben, hat
sich herausgestellt, dafs die Verschiedenheit der Verbindun-
gen, iu denen die Metalle angewandt wurden, die Mannig-
faltigkeit der chemischen Procepse in den einzelnen Flammen
und der ungeheure Temperaturunterschied dieser letzteren
keinen Einßufs auf die Lage der den einzelnen Metallen ent-
sprechenden Spectrallinien ausübt.
Wie bedeutend die erwähnten Temperaturunterschiede
sind, ergiebt sich aus der folgenden Betrachtung.
Man gelangt zu einer Schätzung der Temperatur einer
Flamme mit Hülfe der Gleichung
in der t die fragliche Temperatur der Flamme, g das Ge-
wicht eines der mit Sauerstoff verbrennenden Stoffe, w die
Verbrennungswärine desselben, p das Gewicht und s die
specifische Wärine eines der Verbrennungsproducte bedeutet.
Nimmt man die Verbrenn ungs wärme
des Schwefels ... zu 2240° C.
» ^Schwefelkohlenstoffs » 3400
» Wasserstoffs . . » 31462
» Grubengases
» Elayls . .
» Ditctryls . .
» Kohlenoxyds
» 13063
n 11640
» 11529
» 2403
an und setzt nach Regnault die specifische Wärme bei
constantem Druck
165
für schweflige Säure = 0,1553
» Kohlensäure = 0,2164
* Stickstoff =. 0,2410
» Wasserdampf = 0,1750,
so findet man hiernach die Temperatur
der Schwefelflamine .... 1820° C.
- Schwefelkohlenstoffflamme 2195
- Leuchtgasflamme1) . . , 2350
» Kohlenoxydflamme ') . . 3042
» Wassersfoffflamine in Luft H) 3259
- Knallgasflamme4) . . . 8061
Es zeigte sich, dafs dieselbe Metallverbindung in einer
dieser Flammen ein um so intensiveres Spectrum giebt, je
höher die Temperatur derselben ist. Von den Verbindun-
gen desselben Metalls lieferte in einer Flamme diejenige die
gröfsere Lichtstärke, der eine gröfsere Flüchtigkeit zukommt.
Um noch einen weiteren Beleg dafür zu erhalten, dafs
jedes der mehrfach genannten Metalle immer dieselben hel-
len Linien in dem Spectrum hervortreten läfst, haben wir
die gezeichneten Spectren mit denjenigen verglichen, welche
ein elektrischer Funke gewährt, der zwischen Elektroden,
die aus jenen Metallen bestehen, überspringt.
Kleine Stücke von Kalium, Natrium, Lithium, Strontium
und Calcium wurden an feine Platindrähte gebunden und
in Glasröhren paarweise so eingeschmolzen, dafs sie durch
einen Zwischenraum von 1 bis 2mm von einander getrennt
waren und die Drähte die Glaswand durchdrangen. Jede
dieser Röhren wurde vor dem Spalt des Spectralinstrumen-
tes aufgestellt: mit Hülfe eines Ruhmkorff'schen Inductions-
apparates liefsen wir zwischen den genannten Metallstücken
elektrische Funken überspringen und verglichen das Spectrum
derselben mit dem Spectruui einer Gasflamme, in welche
die Chlorverbindung des entsprechenden Metalls gebracht
1) Liebig1« Anu , Bd. CXI, S 258.
2) Geometrische Methode von K. Booten, S. 254.
3) Ebendaselbst.
4) Ebendaselbst.
166
war. Die Flamme befand sich hinter der Glasröhre. Indem
der RuhmkorfFsche Apparat abwechselnd in und aufser
Thätigkeit gesetzt wurde, war es leicht, ohne Messung sich
mit Schärfe davon zu überzeugen, dafs in dem glänzenden
Spectrum des Funkens die hellen Linien des Flamnienspec-
trums un verrückt vorhanden waren. Aufser diesen traten
iu dem Funkenspectrum noch andere helle Linien auf, von
denen ein Theil der Anwesenheit von fremden Metallen in
den Elektroden, ein anderer dem Stickstoff, der die Röhren
erfüllte, nachdem der Sauerstoff einen Theil der Elektroden
oxydirt hatte, zugeschrieben werden mufs ').
Es erscheint hiernach unzweifelhaft, dafs die hellen Li-
nien der gezeichneten Speciren als sichere Kennzeichen der
Anwesenheit der betreffenden Metalle betrachtet werden
dürfen. Sie können als Reactionsmittel dienen, durch welche
diese Stoffe schärfer, schneller und in geringeren Mengen
sich nachweisen lassen, als durch irgend ein anderes analy-
tisches Hülfsmittel.
Die abgebildeten Spectreu beziehen sich auf den Fall,
dafs der Spalt so weit ist, dafs von den dunkeln Linien
des Sonnenspectrums nur die deutlichsten wahrnehmbar sind,
dafs die Vergröfsernng des Beobachtung Fernrohres eine
geringe (etwa viermalige) und die Lichtstärke eine mäfsige
ist. Diese Bedingungen scheinen uns die vorteilhaftesten,
wenn es sich darum handelt, eine chemische Analyse durch
Spectralbeobachtungen auszuführen. Der Anblick der Spec-
tren kann unter anderen Bedingungen ein wesentlich anderer
sein. Wird die Reinheit des Spictrums vermehrt, so zer-
fallen viele von den als einfach gezeichneten Linien in nieh
I) Als wir bei einem Versuche mit Slrontiumelcktrnden ein mit Wasser-
stoff statt mit Stickstoff gefülltes Röhrt hen anwandten, verwandelte sich
der Fuokenstrorn »ehr bald in einen Lichtbogen, wahrend die Wäude
de* Röhrchen* sich mit einem grauen Beschläge bedeckten. Reim Oeff-
nen des Rohrchens unter Strinöl reigte et sich, dafs das Wasserstoffes
verschwunden und ein luftleerer Raum entstanden war. Das Gas scheint
daher bei den ungeheuren Temperaturen des elektrischen Funkens das
Strontiumoxyd, welches nicht völlig von der Oberfläche des Metalls ent-
fernt worden war, reducirt zu haben.
16?
rere, die Natriuinlioie z. B. in zwei; wird die Lichtstärke
vermehrt, so zeigen sich in mehreren der gezeichneten
Spectren neue Linien, und die Verhältnisse der Helligkeiten
der allen werden audere. Im Allgemeinen wächst bei Ver-
mehrung der Lichtstärke die Helligkeit einer dunklereu
Linie schueller als die einer helleren, doch so, dafs jene
nicht diese überholt. Ein deutliches Beispiel hierfür bieten
die beiden Lithiumlinien. Nur eine Ausnahme haben wir
von dieser Regel beobachtet, und zwar bei der Linie Ba ?],
welche bei geringer Lichtstärke gar uicht wahrnehmbar ist,
., während Ba y sehr deutlich erscheint und bei grofser Licht-
stärke sehr viel heller als diese ist. Diese Thatsache scheint
uns von Wichtigkeit und wir werden dieselbe einer wei-
teren Untersuchung unterwerfen.
Eis sollen jetzt die Eigentümlichkeiten der einzelnen
Spectren, deren Kenntnifs in praktischer Hinsicht von Wich-
tigkeit ist, näher besprochen, und die Vortheile, welche die
auf nie gegründete chemisch-analytische Methode bietet, her-
vorgehoben werden.
Natrium.
Von allen Spectralreactionen ist die des Natriums am
empfindlichsten. Die gelbe Linie Na a, die einzige, welche
das Natriumspectrum aufzuweisen hat, fällt mit der Fraun-
hofer'schen Linie D zusammen und zeichnet sich durch ihre
besonders scharfe Begrenzung und ihre ausserordentliche
Helligkeit aus. Ist die Flammentemperatur sehr hoch und
die Menge der angewandten Substanz sehr grofs, so zeigen
sich in den nächsten Umgebungen der Linie Spuren eines
continuirlicben Speclrums. Schon an sich sehr schwache,
in ihre Nähe fallende Linien anderer Stoffe erscheinen dann
noch mehr geschwächt und werden daher nicht selten erst
sichtbar, wenn die Natriumreaction zu erlöscheu beginnt.
An der Sauerstoff , Chlor-, Iod und Brom-Verbindung,
an dem schwefelsauren und kohlensauren Salze zeigt sich
die Reaction am deutlichsten. Allein selbst bei den kiesel-
v
168
sauren, borsauren, phosphorsauren und anderen feuerbestän-
digen Salzen fehlt sie uicht. .
Schon Swan1) hat auf die Kleinheit der Kochsalzmengen
aufmerksam gemacht, welche die Natriumlinie noch deut-
lich hervorbringen können.
Folgender Versuch zeigt, dafs die Chemie keine einzige
Reaction aufzuweisen hat, welche sich auch nur im Entfern-
testen mit dieser spectralanaly tischen Bestimmung des Na-
triums an Empfindlichkeit vergleichen liefse. Wir verpuff-
ten in einer vom Standorte unseres Apparates möglichst
entlegenen Ecke des Beobachtungszimmers, welches unge-
fähr 60 Kubikmeter Luft fafst, 3 Milligramm chlorsaures
Natron mit Milchzucker, während die nicht leuchtende
Lampe vor dem Spalt beobachtet wurde. Schon nach we-
nigen Minuten gab die allmählig sich fahlgelblich färbende
Flamme eine starke Natriumlinie, welche erst nach 10 Mi
nuten wieder völlig verschwunden war. Aus dem Gewichte
des verpufften Natronsalzes und der im Zimmer enthaltenen
Luft läfst sich leicht berechnen, dafs in einem Gewichtstheile
der letzteren nicht einmal -tOüJ0uOu Gewichtstheil Natron
rauch suspendirt sein konnte. Da sich die Reaction in der
Zeit einer Secunde mit aller Bequemlichkeit beobachten
läfst, in dieser Zeit aber nach dem Zuflufs und der Zusam-
mensetzung der Flammengase nur ungefähr 50 CC. oder
0,Ot>47 Gnn. Luft, welche weniger als .2 0- o ,-.o o u o des ^a~
tronsalzes enthalten, in der Flamme zum Glühen gelangen,
so ergiebt sich, dafs das Auge noch -weniger als 7o0iooo
Milligramm des Natronsalzes mit (!er gröfsten Deutlichkeit
zu erkennen vermag. Bei einer solchen Empfindlichkeit der
Reaction wird es begreiflich, dafs nur selten in glühender
atmosphärischer Luft eine deutliche Natronreaction fehlt. Die
Erde ist auf mehr als zwei Drittel ihrer Oberfläche mit einer
Kochsalzlösung bedeckt, v. eiche von den zu Schaumfällen
sich überstürzenden Meereswogen unaufhörlich in Wasser-
staub verwandelt wird. Die Meerwassertröpfchen, welche
I) Diese Ann. Bd. C. S. 311.
169
auf diese Art in die Atmosphäre gelangen, verdunsten und
hinterlassen kochsalzhaltige Sonnenstäubchen, die zwar einen
der Gröfse nach wechselnden, aber wie es scheint nur selten
fehlenden Gemengtheil der Atmosphäre ausmachen, und die
vielleicht dazu bestimmt sind, den kleinen Organismen die
Salze zuzuführen, welche die gröfseren Pflanzen und Thiere
dem Boden entnehmen. Dieser durch Spectralanalyse leicht
erweisliche Kochsalzgehalt der Luft verdient noch in einer
andern Hinsicht Beachtung. Wenn es nämlich, wie man
jetzt wohl kaum mehr bezweifeln kann, kataly tische Ein-
flösse sind, welche die miasmatische Verbreitung der Krank-
heiten vermitteln, so möchte eine antiseptisch wirkende Sub-
stanz, wie das Kochsalz, selbst in verschwindend kleiner
Menge wohl kaum ohne wesentlichen Einflufs auf solche
Vorgänge in der Luft seyn können. Aus täglichen, längere
Zeit fortgesetzten Spectralbeobachtnngen wird sich leicht
erkennen lassen, ob die Intensitätsänderungen der durch die
atmosphärischen Natriumverbindungen erzeugten Spectral-
linie Naa mit dem Erscheinen und mit der Verbreitungs-
richtung endemischer Krankheiten in irgend einem Znsam-
menhange steht.
In der unerhörten Empfindlichkeit dieser Natronreaction
ist zugleich der Grund zu suchen, dafs alle der Luft aus-
gesetzten Gegenstände nach einiger Zeit bei dem Erhitzen
in der Flamme die Natriumlinie zeigen, und dafs es nur bei
wenigen Verbindungen gelingt, selbst wenn man sie zehn-
und mehrraal aus Wasser, das nur mit Platingefäfseu in Be-
rührung kam, umkrystallisirt, die letzte Spur der Linie Naa zu
beseitigen. Ein haarförmiger Platindraht, den man durch Aus-
glühen von jeder Spur Natron befreit hat, zeigt dieReaction auf
das Deutlichste wieder, wenn man ihn einige Stunden der
Luft ausgesetzt hat. Nicht minder zeigt sie der Staub, wel-
cher sich in Zimmern aus der Luft absetzt, so dafe z. B.
das- Abklopfen eines bestäubten Buches schon genügt, um
in einer Entfernung von mehreren Schritten das heftigste
Aufblitzen der Naa- Linie zu bewirken.
170
Lithium.
Der glüheud leuchtende Dampf der Lithiumverbindungen
giebt zwei scharf begrenzte Linien, eine gelbe sehr schwache
hiß und eine rothe, glänzende Linie Li ct. An Sicherheit
und Empfindlichkeit übertrifft auch diese Beaction alle in
der analytischen Chemie bisher bekannten. Der Natriuin-
reactio'n steht sie indessen an Empfindlichkeit etwas nach
vielleicht nur weil das Auge für gelbe Strahlen empfindli
eher ist als für rothe. Durch Verpuffen von 9 Milligr. koh-
lensaurem Lithium mit einem grofsen Ueberschufe von Milch-
zucker und chlorsaurem Kali in der ungefähr 60 Cubikmeter
fassenden Luft des Zimmers war die Linie schon deutlich
sichtbar. Das Auge kann daher auf diese Weise, wie eine
der oben angeführten ähnliche Rechnung zeigt, noch weni-
ger als TtnnrüüTT eines Milligramms kohIensaures#Lithiom mit
der gröfslen Schärfe erkennen. 0,05 Grm. desselben Salzes
auf die erwähnte Art verpufft, ertheille der Luft desselben
Zimmers die Fähigkeit, länger als eine Stunde andauernd
die Li a -Linie hervorzubringen.
Die Sauerstoff-, Chlor , Iod- und Bromverbinduug ist
am geeignetsten zur Erkennung des Lithiums. Aber auch
das kohlensaure, schwefelsaure und selbst das phosphorsaure
Salz eignen sich fast eben so gut zu diesem Zwecke. Li
thionhaltige Fossilien, wie Triphyllin, Triphan, Petalit, Le
pidolith brauchen nur in die Flamme gehalten zu werden,
um ohue weiteres die Linie Lia im intensivsten Glänze zu
geben. Auf diese Weise läfst sich Lithion in manchen Feld
späthen , z. B. in Orthoklas von Baveno unmittelbar nach-
weisen. Die Linie zeigt sich dann nur einige Augenblicke
lang gleich nach dem Einbringen der Probe in die Flamme.
So zeigten sich als lithionhaltig die Glimmer von Altenberg
und Penig, als frei von Lithium dagegen Glimmer von Miask,
Aschaffenburg, Modum, Bengalen, Pensylvauien etc. Wo in
natürlich vorkommenden Silicaten nur ein verschwindend
kleiner Lilhiongchall auftritt, entzieht sich derselbe der un-
mittelbaren Beobachtung. Die Prüfung geschieht dann in
solchen Fällen am besten auf folgende Weise: man digerirt
171
und verdampft eine kleine Menge der zu prüfenden Sub-
stanz mit Flufcsäure oder Fluoraimnonium, dampft etwas
Schwefelsäure über dem Rückstand ab und zieht die trockne
Masse mit absolutem Alkohol aus. Die zur Trockenheit
abgedampfte alkoholische Lösung wird dann noch einmal
mit Alkohol extrahirt und die so erhaltene Flüssigkeit auf
einer möglichst flachen Glasschale verdunstet. Der Anflug,
welcher dabei zurückbleibt, läfst sich leicht mittelst eines
Radirtnessers zusammenschaben und am Platindrähtchen in
die Flamme bringen. T'0 Milligr. davon reicht gewöhnlich
für den Versuch vollkommen aus. Andere Verbindungen,
als kieselsaure, in denen man noch die letzten Spuren Li-
thion entdecken will, werden nur durch Eindampfen mit
Schwefelsäure oder auf irgend einem anderen Wege in
schwefelsaure Salze verwandelt und dann ebenso behandelt.
Mit Hülfe dieses Verfahrens läfst sich leicht die uner-
wartete Thatsacbe aufser Zweifel setzen, dafs das Lithion
zu den am allgemeinsten in. der Natur verbreiteten Stoffen
gehört. Dasselbe liefs sich mit der gröfsten Leichtigkeit
schon in 40 Cubikmeter Meerwasser nachweisen, welches
unter 39° 14' westl. Länge und 41° 41' nördl. Breite im at-
lantischen Ocean geschöpft war. Asche von Fucoideen (Kelp),
welche vom Golfstrom an die Schottischen Küsten getrieben
werden, enthielt erbebliche Spuren davon. Sämmtliche Or-
thoklase und Quarze aus dem Granit des Odenwaldes, die
wir geprüft haben, zeigteu sich lithionhaltig. Ein sehr reines
Trinkwasser aus einer Quelle am granitischen westlichen
Abhänge des Neckarthales in Schlierbach bei Heidelberg
enthielt Lithion, während die im bunten Sandstein entsprin-
gende Quelle, welche die Wasserleitung des hiesigen che-
mischen Laboratoriums speist, frei davon war. Mineral-
wasser, bei welchen Lithium kaum uoch in 1 Litre nach
dem gewöhnlichen analytischen Verfahren nachgewiesen wer-
den kann, zeigen die Li a Linie oft schon, wenn man nur
einen Tropfen davon an einem Platindraht in die Flamme
bringt ' ). Alle von uns untersuchten odenwälder Aschen
I) Wenn es sich daran» handelt, eine Klüssjgkeit in die FUrarae nn bringen ^
172
aus Hölzern, welche auf Granilboden wachsen , sowie Rus-
sische und andere käufliche Pottaschen enthalten Lithion.
Selbst in den Aschen des Tabaks, der Weinblätter, des
Rebholzes und der Weinbeeren ' ;, sowie in der Asche der
Feldflüchte, welche in der Rheinebene bei Waghäusel, Dei-
desheim und Heidelberg auf nicht granitischem Boden ge-
zogen werden, fehlt das Lithion eben so wenig, als in der
Milch der Thiere, welche mit jenen Feldfrüchten genährt
werden ').
Es braucht kaum bemerkt zu werden, dafs ein Gemenge
von flüchtigen Natron- und Lithionsalzen neben der Reaction
des Natriums die des Lithiums mit einer kaum merklich
verminderten Schärfe und Deutlichkeit zeigt. Die rothc
Linie des letzteren erscheint durch eine kleine in die Flamme
gebrachte Perle noch deutlich sichtbar, wenn diese Perle
nur lö'1)0 Lithiumsalz enthält, wobei das Auge für sich an
der Flamme selbst nichts als das gelbe Licht des Natriums
ohne jede Andeutung einer röthlichen Färbung wahrnimmt.
In Folge der gröfseren Flüchtigkeit der Lithiousalze hält
die Natronreactiou gewöhnlich etwas länger an. Wo es
sich daher um die Erkennung sehr kleiner Spuren von Li-
thion neben Natron handelt, inufs die Probeperle in die
Flamme geschoben weiden, während man schon durch das
Fernrohr blickt. Man gewahrt dann die Lithiumliuie oft
nur auf wenige Augenblicke unter den ersten Verflüchti-
gungsproducten.
Wo es sich bei der technischen Gewinnung der Lithium-
Verbindungen um die Auswahl des zu benutzenden Roh-
so birgt mau au» dein einen Kode eines pferdehaardicken Platindrahtcs
einen kleinen mit einem Dut chmesser versehenen Hing und schlägt den-
selben platt. Läfci man in d*s so gebildete Oehr einen Flüssigkeitslropfen
fallm. so bleibt eine füi den Versuch hinreichende Menge darin hangen.
1) In den bei der fabiikmäfsigen Weinsänn-ngewinming fallenden Mutter-
laugen ronrentrirt sich das Lithion so »ehr, dafs man aus denselben er-
hebliche Mengen davon darstellen kann.
2) Herr Di. r olwarczny hat sogar in der Asche des menschlichen Blutes
und Muskelfleisches durch die Linie Li a leicht Lithiumverbindungen
nachweisen können.
173
roaterials und die Auffindung einer zweckmässigen DarsteL
lungsinethode handelt, gewährt die Spectralanaljse ein Hülfs-
mittel von unschätzbarem Werthe. So genügt es z. B. schon,
von verschiedenen Sooknutterlaugen nur einen Tropfen in
der Flamme zu verdampfen und durch das Fernrohr zu be-
obachten, um sich sogleich zu überzeugen, dafs in vielen
dieser Salinenrückstände ein reiches, bisher übersehenes Li-
thionmaterial gegeben ist. Dabei kann man im Verlaufe
der Darstellung jeden Verlust an Lithiou in den Neben pro
dueten und Abfällen durch die Spectralreaction unmittelbar
verfolgen und so leicht zweckmäfsigere Darstellungsmetho-
den als die bisher gebräuchlichen sich aufsuchen ').
Kalium.
Die flüchtigen Kaliumverbindungen geben in der Flamme
ein sehr ausgedehntes continuirliches Spectrum, welches nur
zwei charakteristische Linien zeigt; die eiue Kaa in dein
äufsersten an die ultrarotheu Strahlen grenzenden Roth, ge-
nau auf die dunkle Linie A des Sonnenspectrums fallend,
die andere Ka ß weit in Violet nach dem anderen Eude
des Spectrums hin ebenfalls einer Fraunhofer'schen Linie
entsprechend. Eine sehr schwache, mit der Fraunhofer-
sehen Linie B zusammenfallende Linie, die aufserdem noch,
aber nur bei der intensivsten Flamme, sichtbar wird, ist
wenig charakteristisch. Die blaue Linie ist ziemlich schwach,
eignet sich aber fast eben so gut wie die rothe Linie zur
Erkennung des Kaliums. Die Lage beider Linien in der
Nähe der beiden Grenzen der für das* Auge wahrnehmba-
ren Strahlen macht die Reaction zu einer weniger empfind-
lichen. In der Luft unseres Zimmers wurde sie erst sicht-
bar, ab wir gegen 1 Gramm mit Milchzucker gemengtes
I) Wir erhielten nach einer solchen verbesserten Methode aus zwei Mi-
neralwasserk rügen (gegen 4 Lilre) einer Soolrautlerlauge , welche durch
Eindampfen mit Schwefelsäure 1*,2 Rückstand gaben, eine halbe Cnte
kohlensaures Lithion von der Reinheit des käuflichen, dessen Haodels-
werlh ungefähr 140 fl. per Pfund beträgt. Eine grofse Zahl anderer
Soolmutlerlaugen, die wir untersuchten, zeigten einen ähnlichen Reich-
thum an Lithiumvtrbindungen.
174
chlorsaures Kali abbrannten. Man kann daher dem Auge
auf diese Weise nur ungefähr , qVu Milligr. chlorsaures Kali
noch sichtbar machen.
Kalihydrat und sämmtliche Verbindungen des Kalis mit
flüchtigen Säuren zeigen die Roaction ohne Ausnahme. Kali-
Silicate und ähnliche feuerbeständige Salze dagegen bringeu
sie für sich allein nur bei sehr vorwiegendem Kaligehalt
hervor. Bei geringerem Kaligehalt darf man die Probeperle
nur mit etwas kohlensaurem Natron zusammenschmelzen,
um die charakteristischen Linien zum Vorschein zu bringen.
Die Gegenwart von Natronsalzen \ erhindert mithin die Re
action nicht und beeinträchtigt die Empfindlichkeit derselben
nur wenig. Orthoklas, Sanidin und Adular lassen sich da
durch leicht von Albit* Oligoklas, Labrador und Anorthit
unterscheiden. Um verschwindend kleine Kalispuren noch
nachzuweisen, braucht man die Silicate nur mit einem gro
fsen Uebetschufs von Fiuoiammonium auf einem Platindeckel
schwach zu glühen und den Rückstand am Platindraht in
die Flamme zu bringen. Auf diese Weise findet man, dafs
fast alle Silicate kalihaltig sind. Lithionsalze stören die Re-
action eben so wenig. So genügt es z. B. schon, den
Aschenslmnpf einer Cigarre in die Flamme vor dein Spalt
zu halten, um sogleich die gelbe Linie des Natriums und
die beiden rolheu des Kaliums und Lithiums, welches letz-
tere Metall in den Tabaksaschen fast niemals fehlt, auf das
Deutlichste hervorzubringen.
Strontium
Die Spectren der alkalischen Erden stehen denen" der
Alkalien an Einfachheit bedeutend nach. Das des Strontiums
ist besonders durch die Abwesenheit grüner Streifen Charak-
ter isirt. Acht Linien darki sind sehr ausgezeichnet, sechs
rothe nämlich, eine orange und eine blaue. Die Orange
linie Sra, welche dicht neben der Natriumlinie nach Roth
hin auftritt, die beiden rothen Linien Sr (i Sry und endlich
die blaue Linie Sr ö sind ihrer Lage und Intensität nach
die wichtigsten. Um die Empfindlichkeit der Rcaction zu
175
prüfen, erhitzten wir eine wässerige Chlorstrontiumlösung
von bekanntem Salzgehalt in einem Platinschälchen rasch
über einer grofsen Flamme, bis das Wasser verdunstet war
und die Schale zu glühen anfing. Hierbei decrepitirte das
Salz zu mikroskopischen Partikelchen, die sich in Gestall
eines weifsen Rauches in die Atmosphäre erhoben. Eine
Wägung des Salzrück Bland es in der Schale ergab, dafs auf
diese Weise 0,077 Grm. Chlorstrontium in Gestalt eines
feinen Staubes in die 77000 Grm. wiegende Luft des Ziin- *
mers übergegangen war. Nachdem die Luft des Zimmers
mittelst eines aufgespannten, rasch in Bewegung gesetzten
Regenschirmes gleichwäfsig durcheinander gemengt war, zeig
ten sich die charakteristischen Linien des Stronliumspectrums
sehr schön ausgebildet. Man kann nach diesem Versuche
die noch nachweisbare Chlorstrontiummenge zu Tü06öüü eines
Milligramms anschlagen.
Die Chlorverbindung und die übrigen Halogenverbindun-
gen des Strontiums geben dieReactiou am deutlichsten. Stron-
tianerdehydrat und kohlensaure Strontianerde zeigen sie
viel schwächer: schwefelsaure noch schwächer; die Verbin-
dungen mit feuerbeständigen Säuren am schwächsten, oder
gar nicht. Man bringt daher die Probeperle zunächst für
sich und dann nach vergängiger Befeuchtung mit Salzsäure
in die Flamme. Hat man Schwefelsäure in der Perle vor
auszusetzen, so hält man sie vor dem Befeuchten mit Salz-
säure einige Augenblicke in den reducirenden Theil der
Flamme, um das schwefelsaure Salz in die durch Chlor-
wasserstoffsäure zersetzbare Schwefel Verbindung umzuändern.
Zur Erkennung des Strontiums in Verbindungen mit Kiesel-
säure, Phosphorsäure, Borsäure oder anderen feuerbeständi-
gen Säuren verfährt man am besten auf folgende Weise:
Zum Aufschliefscn der Probe mit kohlensaurem Natron dient,
statt eines Platintiegcls, eine conische Spirale von Platin-
draht. Dieselbe wird in der Flamme weifsglübend gemacht
und in entwässertes, fein pulverisirtes, lockeres kohlensaures
Natron getaucht, welches wo möglich noch so viel Wasser
enthält, dafs die nftthige Menge des Salzes schon ta\ tacb.
176
ersten Eintauchen daran hängen bleibt. In dieser Spirale
läfst sich die Schmelzung viel schneller als in einein Platin-
ticgel bewerkstelligen, da die zu erhitzende Masse des Pla-
tins nur gering ist und das zu schmelzende Salz mit der
Flamme in unmittelbare Berührung kommt. Hat man die
aufzusch liefsende fein pulverisirte Substanz- mittelst einer
kleinen Platinschaufel in die glühend flüssige Soda einge-
tragen und einige Minuten im Glühen erhalten, so braucht
man die mit ihrer Spitze nach oben gekehrte Spirale nur
auf den Rand des Lampentellers aufzuklopfen, um den In-
halt derselben in Gestalt einer grofsen erkaltenden Kugel
auf dem Teller zu erhalten. Man bedeckt die Kugel mit
einem Blätterten Schreibpapier und zerdrückt dieselbe mit
telst einer elastischen Messerklinge, die man auch nach Ent-
fernung des Papiers benützt, um die Masse weiter noch zum
feinsten Pulver zu zerdrücken. Dieses wird an den Rand
des etwas abwärts geneigten Tellers zusammengehäufl, vor-
sichtig mit heifsem Wasser übergössen, das man durch sanf-
tes Hin und Herneigen des Tellers über der aufgehäuften
Substanz hin und her Hiefsen läfst, und endlich die über
dein Bodensatz stehende Flüssigkeit abdekantirt. Es gelingt
leicht, unter abwechselndem Erwärmen des Tellers durch
mehrmalige Wiederholung dieser Operation die löslichen
Salze auszuziehen, ohne den Bodensatz aufzurühren und
erhebliche Mengen davon zu verlieren. Wendet man statt
des Wassers eine Kochsalzlösung an, so gelingt die Opera-
tion noch leichter und sicherer. Der Rückstand enthält das
Strontium als kohlensaures Salz, von dem schon einige Zehn-
tel Milligramm am Platindiaht mit etwas Salzsäure befeuch-
tet die intensivste Reaction geben. Es wird auf diese Art
möglich, ohne Platintiegel, ohne Reibschale, ohne Digerir-
schale uud ohne Trichter und Filter alle erforderlichen Ope-
rationen des Aufschliefseus, Zerkleinerns, Digcrirens und
Auswaschens in wenigen Minuten auszuführen.
Die Reaction des Kaliums und Natriums wird durch die
Gegenwart des Strontiums nicht gestört. Auch die Lithiuin-
reaction tritt neben den drei erwähnten in voller Deutlichkeit
auf, «'.■nii die Lithiuminenge gegen die des Strontiums nicht
zu gering isl. Die Lithiumlinic Li a erscheint dann als ein
■hmnliT, intensiv rother, scharf begrenzter Streifen auf dem
wacher rothen Grunde des breiten Stronüuinstreifens Srfi.
Das Calciumspectruin läTst sich schou auf deu ersten
ick von deu vier bisher betrachteten Spectreo daran un-
terscheiden, dafs es in Grüu eine höchst charakteristische
und iutensive Linie, Ca ß, enthält. Als zweites nicht min-
der charakteristisches Kennzeichen kauu die ebenfalls sehr
intensive Orangelinie Caa dienen, welche erheblich weiter
nach dem rothen Ende des Spectrums hin liegt als die Na-
tronlinie Na a und die Orangelinie des Strontiums Sr a.
Durch Abbrennen eines Gemenges von Chlorcalcium, chlor-
saurein Kali und Milchzucker erhält man einen Rauch, des-
sen Reaction ungefähr vou gleicher Empfindlichkeit ist mit
dem unter denselben Verhältuissen hervorgebrachten Chlor-
strontiumrauch. Aus einem auf diese Weise angestellten
Versuche ergab sich, dafs -i-ovova Milligramm Chlorcalcium
ich leicht und mit völliger Sicherheit erkannt werden Kün-
Nur die in der Flamme flüchtigen Calciuinverbiudun-
gen zeigen die Reaction, und zwar mit um so grosserer
Deutlichkeit, je flüchtiger sie sind. Chlorcalcium, Jodcal-
ciuin. Bromcalcium stehen in dieser Beziehung oben an.
Schwefelsaurer Kalk giebt das Spcctruin erst, nachdem er
angefangen hat basisch zu werden, dann aber sehr glänzend
und lange andauernd. Ebenso entwickelt sich die Reaction
des kohlensauren Kalks am deutlichsten, nachdem die Koh-
lensäure entwichen ist.
Verbindungen des Calciums mit feuerbeständigen Säuren
verhalten sich in der Flamme indifferent; werden sie durch
Chlor wasserstoffsäure angegriffen, so Iäfst sich die Reaction
einfach auf folgende Weise erhalten: Man bringt einige
Milligramme oder selbst nur einige Zehntel Milligramme
der fein pulverisirten Substanz an das etwas befeuchtete
PoHcndorflTi ,-Un»l. Bd. CX. 12
Ve
no<
nei
«ei
178
plattgeschlageae PktMhr in den wenig Jieifsen Theil der
Flaume, bis das Pulver ohne zu schmelzen angefrittet ist
Läfet man. einen Tropfen Salzsäure in das Oehr fallen, so
bleibt derselbe «im grObten Theil darin hingen. Schiebt
man diesen Tropfen vor dem Spalt des Spectralapparates
in den heifeesten Theil der Flamme, so verdampft er, und
iwar in Folge des Leidenfrost'schen Phänomens, 'ohne ins
Kochen zu gerathen. Blickt man; wahrend der Tropfen
verdampft, dorch das Fernrohr, so erscheint in dem Augen-
blick, wo die leisten Antheile der Flüssigkeit in Dampf ver-
wandelt werden, «in glänzendes Calciamspectrum, welches
bei geringem Kalkgehah nnr einen Moment aufblitzt, bei
erheblicheren Kalkmengen aber mehr oder weniger, lange
anhfllt.
Nur in Silicaten, welche von Salzsäure angegriffen wer-
den, l&ftt sich der Kalk auf diese Weise finden; in nicht
durch Salzsäure angreifbaren Silicaten gelingt die Nachwei-
sung am besten folgendermafsen: Eitrige Milligramm der
zu prüfenden, auf das Feinste pulverisirten Substanz wer-
den auf einem flachen Tiegeldeckel von Platin mit ungefähr
einem Gramm halb zerflossenen Fluorammonium versetzt
und der Deckel in die Flamme gehalten, bis er nach Ver-
flüchtigung des Fluorammoniums glüht. Man befeuchtet den
auf dem Deckel befindlichen Salzanflug mit 1 bis 2 Tropfen
Schwefelsäure, und entfernt den Ueberschufs derselben durch
abermaliges Erhitzen über der Flamme. Wird der jetzt aus
schwefelsauren Salzen bestehende Anflug auf dem Deckel
mit dem Fingernagel oder einem Spatelchen zusammenge-
schabt und ungefähr ein Milligramm davon mittelst des
Drahtes in die Flamme gebracht, so erhält man, wenn Ka
Na und Li vorhanden sind, zunächst die charakteristischen
Reactionen dieser drei Körper neben oder nach einander.
Ist noch Kalk und Strontian vorhanden, so erscheinen deren
Spectren gewöhnlich erst etwas später, nachdem das Ka
Na und Li verflüchtigt ist. Bei sehr geringem Calcium oder
Strontiumgehalt bleibt die Reaction dieser Metalle aus; man
erhält sie dann aber sogleich, wenn man den im Reductions-
räum der Flamme einige Augenblicke behandelten Draht
mit Salzsäure betropft und wieder in die Flamme bringt
Alle diese Proben, die Erhitzung für sich oder mit Salz-
säure, die Behandlung mit Fltioraimnoniuin für sich oder
mit Schwefelsaure und Salzsäure geben dem Mineralogen
und mehr noch dem Geoguosten eine Reihe höchst einfacher
Kennzeichen an die Hand, um viele in der Natur auftretende
Substanzen, und namentlich die einander so ähnlichen aus
kalkhaltigen Doppelsilicatcn bestehenden Mineralien noch in
den kleinsten Splitlerchen mit einer Sicherheit zu bestimmen,
wie sie sonst kaum bei einem rcichUch zu Gebote stehen-
den Material durch weit lauf tige und zeitraubende Analvscn
erreichbar ist. Einige Beispiele werden dies am besten
zeigen.
1. Ein Tropfeu Mccrwasscr am Platindraht verflüchtigt
zeigt eine starke Natriumreaction, und nach Verllüchligung
des Kochsalzes eine schwache Calciumreaction, die durch Be-
feuchten des Drahtes mit Salzsäure auf Augenblicke höchst
intensiv wird. Behandelt man einige Deeigraminc Meer-
wasserrückstaud auf die beim Lithium angegebene Weise
»mit Schwefelsäure und Alkohol, so erhält man leicht die
Rcaction des Kaliums und Lithiums. Die Gegenwart des
Strontiums im Meerwasser kamt am besten in den Kessel-
steinen der Seedampfschi ffc nachgewiesen werden. Die lil-
trirte salzsaure Lösung desselben hinlerläfst nach dein Ab-
dampfen und Auflösen in müglichsL wenig Alkohol eine von
basischem Eisenchlorid gelblich gefärbte Trübung, die sich
nach einigen Tagen absetzt und auf einem Fillerchen ge-
sammelt und mit Alkohol ausgewaschen werden kann. Das
in einem feinen Plaliudraht verbrannte Filter gicbl neben
den Calciumlinien ein vollständiges und intensives Strontium-
speetrum.
2. Soolwasser zeigen oft schon unmittelbar die Kalium-,
Natrium-, Lithium-, Calcium- und Strontiumreaction. Bringt
man z. B. einen Tropfen des Dürkheimer oder Kreuznacher
Mineralwassers in die Flamme, so erhält man die Linien
Naa, Li<x, Caa und Caß. Wendet man statt des Soul
VI*
180
wassere einen Tropfen serner Mutterlauge an, so entstehen
dieselben Linien mit dem intensivsten Glänze. In dem
Maafse als das Cbloruntrium und Chlorlitbium verdampft
und das Chlorcalcium basischer wird, entwickeln eich all-
mählich die charakteristischen Linien des Stronlitimspectrtims,
welches sich nach und nach immer plauzender in seiner gan-
zen Vollständigkeit zeigt. Man erhält hier also durch den
blofsen Anblick eines einzigen in der Flamme verflüch-
tiglen Tropfens in wenigen Augenblicken die vollständige
Analyse eines Gemenges von fünf Stoffen.
3. Der Aschciistumpf einer Cigarre mit etwas H Cl be-
feuchtet aai in die Flamme fehalte*, giebt die Linien IV» a,
Katt, Lia, Caa, Caß. ■ ■ . ■' ).'->Wu-
4. Kaliglas von einer Verbrennungsröhre gab sowohl
mit als ohne Salzsäure Na a and fe n, mit f tooraannonium
und Schwefelsaure behandelt noch Caa, Caß und Spuren
von Lia.
5. Orthoklas von Baveno giebt für sich oder mit Salz-
saure nur Na a nebst Spuren von Ka a und Li a ; mit Fluor-
ammonium und Schwefelsaure die intensiven Linien Naa,
Ka a und etwas schwächer Li tx, Nach Verflüchtigung der so
nachgewiesenen Bestandtheile, mit HCl in die Flamme ge-
bracht," giebt die Probe nur ein kaum unterscheidbares Auf-
blitzen der Linien Ca a uud Ca ß. Der nach diesen Prü-
fungen dem Platindrahte angefrirtete Bückstand zeigt, mit
salpetersaurem Kobaltoxydul befeuchtet und geglüht, die.
für Thonerde charakteristische Färbung. Nimmt man noch
die bekannte Beaction auf Kieselerde hinzu, so ergiebt sich
aus diesen in wenigen Minuten ausführbaren Prüfungen,
dafs der Orthoklas von Baveno, Kieselerde, Thonerde, Kali
mit Spuren von Natron, Kalkerde und Lilhion enthalt, so
wie dafs jede Spur von Baryterde und Strontianerde darin
fehlt.
6. Adular vom Gotthard verhielt sich ganz ähnlich wie
der Orthoklas von Baveno, nur dafs die Lilhiuuireaction
völlig, die Caldnmreaction fast völlig fehlte. m
7. Labradorit von St Paul giebt für sich nur die Na-
luuuiliuie IVoo, nicht über das Calci umspectruui. Die mit
Chlorwasserstoffsäure befeuchtete Probe aber bringt die
Calciumlinicu Caa und Caß sehr glänzend hervor. Bei
derProbcmitFluoramuioniiim erhalt mau noch eine schwache
K.iliuuireaclioti und kaum bemerkbare Spuren von Lithium.
8. Labradoril aus dem Kugeldiorit von Corsika verhielt
sich ebenso, nur dais die Spuren der Lilhiumreaction fehlten.
9. Mosandrit aus Brevig und Tsclicffkinit aus dem llmen-
gebirge gaben für sich nur die Natriumrcaction, bei der Be-
handlung mit Salzsäure aber die Calciumlinien Ca « und Caß
10. Melinophau vou Lamoe gab für sich nur Na «, mit
Salzsaure aber noch Caa, Caß und Litt.
11. Scheelit und Spheu geben schon bei Behandlung
mit Salzsäure die Calcium read ton sehr iutensiv.
12. Finden sich geringe Mengeu Stronlitim neben dem
Calcium, so wählt man am zweck wäfsigsleii die Linie. Srd
zur F.rkcunung der ersteren. Mit Hülfe derselben gelingt
es leicht, in sehr vielen neptuiiisclien Kalksteinen einen ge-
ringen Stroiitimngehalt nachzuweisen. Na et, Lia, Kaa, be-
sonders Li a, zeigen sich schon unmittelbar bei dein Glühen
des Kalksteins in der Flamme. Durch Salzsäure in Chlor-
calcium verwandelt und in dieser Form in die Flamme ge-
bracht, geben diese Gesteine dieselben Linien uud außer-
dem häutig noch deutlich genug die Linie Srd'. Dieselbe
erscheint aber nur auf kürzere Zeit, indem sie sich in Folge
der Verdaiupfnngsprocessc in der Flamme allmählich ent-
wickelt and kurz vor dem Erblassen des Kalkspectrums am
deutlichsten hervorzutreten pilegt.
Auf diesem Wege wurden die Linien iVa«, Li et, Kaa,
Caa, Caß, Srd bei folgenden Kalksteinen gefunden:
Silnrkalk') von Kugelbad bei Prag,
Wellenkalk (Muschelkalk) von Rohrbach bei Heidelberg,
Liaskalk von Maisch in Baden,
Kreide aus England.
I) l>ir Ull.nn
r bri ditifr tlrbirgsan i
ln-nui'ii, die Linie Sri dagegen lehr il»rk.
182
Folgende Kalksteine zeigten nur die Linien Naa, lAa,
Kaa, Caa, Caß, ohne die blaue Strontiumlinie.
Marmor von Auerbach aus dem Granit1),
Devonkalk von Gerolstein in der Eifel,
Kohlenkalk von Planitz in Sachsen,
Zechstein von Nordhausen am Harz,
Jurakalk vom Streitberg in Franken.
Man sieht schon aus diesen wenigen Versuchen, dafs
umfassendere und sorgfältige spectralanalytische Untersu-
chungen über den Lithium-, Kalium-, Natrium- und Strontium-
gehalt verschiedener Kalkbildungen mit Beziehung auf die
Altersfolge und locale Verbreitung derselben von grofsein
geologischen Interesse sind, und vielleicht zu unerwarteten
Aufschlüssen über die Natur der früheren Oceane und Mee-
resbecken, in welchen die Bildung jener Kalkgebirge er-
folgte, führen können.
Baryum.
Das Baryumspectruin ist das verwickeltste unter den
Spectren der Metalle der Alkalien und alkalischen Erden.
Von den bisher betrachteten unterscheidet es sich schon
auf den ersten Blick durch die grünen Linien Ba a und Baß,
welche alle übrigen an Intenstität übertreffen und bei schwa-
cher Reaction zuerst erscheinen und zuletzt wieder verschwin-
den. Bay ist weniger empfindlich, aber immer noch als
charakteristische Linie zu betrachten. Die verhältnifsmäfsig
ziemlich grofse Ausdehnung des Spcclrums ist Ursache, dafs
überhaupt die Spectralreaction der Baryumverbindungen
etwas weniger empfindlich ist als die der bisher betrachte-
ten Körper. 0,3 Gnn. chlorsaurer Baryt mit Milchzucker
gaben in unserem Zimmer verbrannt, nachdem die Luft ver-
mittelst eines aufgespannten Regenschirms gehörig durchge-
I ) Mittelst des oben beschriebenen Verfahrens mit Alkohol wurde aus
20 Grni. dieses Marmors so viel salpelersaurer Sltontian erhalten, dafs
sieh damit ein vollständiges intensives Slrontinmspectruin hervorbringen
livl». Ob sieh auch die fihrigrn aufgeführten Kalksteine, auf diese Art
behandi'll, als slrontiumhaltig erweisen, haben wir nicht untersucht.
mengt war, längere Zeil auf in deutlichste die Linie
Hau kann daher um einer der beim Natrium ausgeführten
ähnlichen Rechnung schliefscn, dafs durch die Reaction noch
weniger als ungefähr , n'nn Milligramm mit völliger Deut
Uchkeit angezeigt wird.
Chlorbaryum, Biombarvuin, lodbamuu, Fluorbaryuni,
Baryterdehydral, kohlensaurer und schwefelsaurer Baryt
zeigen die Reacliou am ausgezeichnetsten, und können daher
durch unmittelbares Erhitzen iu der Flamme erkannt werden.
Durch Salzsäure angreifbare, Itarylerde enthaltende Si-
licate geben die Keactioii, wenn sie, wie beim Kalk ange-
geben, mit einem Tropfen Salzsäure in die Flamme gebracht
werden, ebenfalls. So erzeugt z. II. Rarylharmolom, aal
diese Weise behandelt, die Linie Ca a und Ca ß neben den
Linien Ba a und Baß.
Verbindungen der Baryterde mit feuerbeständigen Sau-
ten, die sich mit und ohne SthaAva in der Flamme indif-
ferent verhalten, schliefst man am besten auf die beim
Stiuiilium angegebene Weise mit kohlensaurem Natron auf
und prüft den dadurch erhaltenen r thhrntimtrB IJaryt. Koni-
len Verbindungen Ca, Ha und SV in sehr un-
gleichen Mengen gemeinschaftlich vor, -o löll man die durch
Aufschliefsen erhaltenen kohleiisauicn SaJw in einem Tropfe»
Salpetersäure und zieht aus dem abgedampften Rückstand
deu Kalk durch Alkohol aus. Der Rückstand enthält dann
noch Rani uud Strontium, die sich, weun sie nicht in allzu
ungleicher Menge vorkommen, leicht neben einander erken-
nen lassen. Handelt es sich darum, die leiten noch wahr-
nehmbaren Spuren von SV oder Ba nachzuweisen, so ver-
wandelt man deu Rückslaud durch Glühen mit Salmiak in
Chlorveibindiingcn, aus denen sich das Qilorslroniium durch
Alkohol in der Hat Erkennung hinlänglich couccnirirlcii Form
leicht ausziehen läisl. Sind unter den uaclumv eisenden
Stoffen nicht einzelne in verschwindend kleinen Mengen
vorhanden, so werden alle solche \orgängige Scheidungen
ganz unuülhig, wie folgeuder Versuch zeigt: Eiu Gemenge
von Chlornatriuui, Ghlorkabum, Chlorlithiuin, Uhlorcalciuiu,
184
ChlorsfroDtitim und Cblorbaryuni, welches von jedem dieser
sechs Stoffe höchstens TV Milligramm enthielt, wurde in
die Flamme gebracht und beobachtet. Zuerst erschien die
intensiv gelbe Nalroulinie Naa auf dein Untergründe eines
schwachen oonÜnmrlldHm Spectrums, fei dam M»f»,'*W
dieses m tMumm ht^mt, «ttriekrft» «eh. «> «durf be-
grenzte irteach« rotte Ltoic de* Lithium« üa icd )m»M
dmelben «** weiter v*n der Natriwmliaie -entfernt «u»
— UewKriJ— nniaJfa«, itdsfo dieBai-yuntönienfi»««»*
Äa£ in ihrer charaktaratfseaM Lage «id iil^WhnndMii«
Scaurttiraag sof das Deatnohrte hervortraten. Indem ja*,
denuf ctteVerbhMloii^iidmKayae^UthJoins nndlfoiTWB»
erfaia&Wm oder Ttnchwusei
einigen Minuten mos den immer weniger überlagerten Uttfctt
des Calciums and Strontium«, wie ans einem Nebelbilde,
die Linien Caa, Caß and Ära, Sr/9, Sry und SrS mit
aller Schürfe in ihrer charakteristischen Form, Schattirung
and Lage hervorhoben, um dann erst nach sehr langer Zeit
wieder zo erblassen and ganzb'ch zu verschwinden.
Die Abwesenheit irgend eines oder mehrer dieser Ge-
mengtheile giebt sich bei diesen Beobachtungen augenblick-
lieb dnreb die Abwesenheit der ihnen zugehörigen Linien
zu erkennen.
- Für Denjenigen, welcher die einzelnen Spectren aus
wiederholter Anschauung kennt, bedarf es einer genauen
Messung der einzelnen Linien nicht; ihre Farbe, ihre gegen-
seitige Lage, ihre eigentümliche Gestalt und Abschattirung,
die Abstufungen ihres Glanzes sind Kennzeichen, welche
selbst für den Ungeübten zur sichern Orientirung vollkom-
men hinreichen. Diese Kennzeichen sind den Unterschei-
dungsmerkmalen zu vergleichen, welche wir bei den aU
Reactionsmittel benatzten, ihrem Sufseren Ansehen nach
höchst verschiedenartigen Niederschlagen antreffen. Wie
es als Charakter einer Fsllung gilt, dafs sie gelatinös, pul-
verförmig, käsig, körnig oder krystalli irisch ist, so zeigen
mich die SpeclralÜnien ihr eigentümliches Verhallen, indem
die einen au ihren Rändern scharf begrenzt, die andern
entweder nur nach einer oder nach beiden Seiten entweder
gleichartig oder ungleichartig verwaschen, oder indem die
einen breiter, die anderen schmäler erscheinen. Und wie
wir nur diejenigen Niederschläge, welche bei möglichst gro-
fscr Verdiinnung der zu fällenden Substanz noch zum Vor-
schein kommen, als Erkennungsmitlel verwenden, so benutzt
man auch in der Spectralanalyse zu diesem Zwecke nur
diejenigen Linien, welche zu ihrer Erzeugung die geringste
Menge Substanz und eine nicht allzu hohe Temperatur er-
fordern. In Beziehung auf solche Kennzeichen stehen sich
daher beide Methoden ziemlich gleich. Dagegen gewährt
die Spectralanalyse rücksichtlich der als Reactionsmittel be-
uulztcu Farbenerscheiuungen eine Eigentümlichkeit, die ihr
unbedingt einen Vorzug vor jeder andern analytischen Me-
thode sichern mufs. Unter den Niederschlägen, die zur
Erkennung von Stoffen bestimmt sind, erscheinen die mei-
sten weifs und nur einige gefärbt. Dabei ist die Färbung
der letzteren nur wenig constaut und varürt iu deu ver-
schiedeuslcn Abstufungen je nach der dichteren oder mehr
zerlheilten Form der Fälluug. Oft reicht schon die kleinste
Beimengung eines fremden Stoffes hin, eine charakteristische
Färbung Ins zur Unkenntlichkeit zu verwischen. Feinere
Farbcuunt erschiede der Niederschläge kommen daher als
chemische Kennzeichen gar nicht mehr in Frage. Rci der
Spectralanalyse dagegen erscheinen die farbigen Streifen
unberührt von solchen fremden Eintlüssen und unverändert
durch die Dazwischenkunft anderer Stoffe. Die Stellen,
welche nfl im Spectrum einnehmen, bedingen eine chemische
Eigenschaft, die so unwandelbarer und fundamentaler Natur
wie das Atomgewicht der Stoffe, und lassen sich daher
mit einer fast astronomischen Genauigkeit bestimmen. Was
;ibiT der speclralanahtisciien Methode eine ganz besondere
Bedeutung verleiht, ist der Umstand, data sie die Schranken,
bis zu welchen bisher die chemischen Kennzeichen der Ma-
terie reichten, fast ins Unbegrenzte hinausriickl. Sie *«-
188
spricht uns Ober die Verbreitung und Anordnung der Stoffe
in den geologischen Formationen die wertvollsten Auf-
schlüsse. Schon die wenigen Versuche, welche diese Ab-
handlung enthält, fahren zu dem unerwarteten Aufschlösse,
daCs nicht nur Kalium und Natrium, sondern .auch Lithium
und Strontium w den zwar nur in geringer Menge, aber
allgemein verbreiteten 'Stoffen unseres Erdkörpers gezlhlt
werden müssen.
Für die Entdeckung bisher noch nicht aufgefundener
Elemente dürfte die Spectralanaljse eine nicht minder wich-
tige Bedeutung gewinnen. Denn wenn es Stoffe giebt, die
so sparsam in der Natur verbreitet sind, data uns die bis-
herigen Mittel der Analyse bei ihrer Erkennung und Ab-
scheidung im Stiche lassen, so wird man hoffen dürfen, viele
solcher Stoffe durch die einfache Betrachtung ihrer Flam-
menspectren noch in Mengen zu erkennen und zu bestim-
men, die sich auf gewöhnlichem Wege jeder chemischen
Wahrnehmung entziehen. Dafs es wirklich solche bisher
unbekannte Elemente giebt, davon haben wir uns bereits
zu überzeugen Gelegenheit gehabt. Wir glaubet), auf un-
zweifelhafte Resultate der spectralanalytischen Methode ge-
stützt, mit völliger Sicherheit schon jetzt die Behauptung
aufstellen zu können, dafs es neben dem Kalium, Natrium
und Lithium noch ein viertes der Alkaliengruppe angehöri-
ges Metall giebt, welches ein eben so charakteristisches und
einfaches Spectrum giebt wie das Lithium — ein Metall,
das mit unserem Spectralapparate nur zwei Linien zeigt,
eine schwache blaue, die mit der Strontiumlinie Srä fast
zusammenfällt, und eine andere blaue, die nur um Weniges
weiter nach dem violetten Ende des Spectrums hin liegt
und au Intensität und Schärfe der Begrenzung mit der Li-
thiumlinie wetteifert.
Bietet einerseits die Spectralanaljse, wie wir im Vor-
stehenden gezeigt zu haben glauben, ein Mittel von bewun-
derungswürdiger Einfachheit dar, die kleinsten Spuren ge-
wisser Elemente in irdischen Körpern zu entdecken, so
eröffnet sie andererseits der chemischen Forschung ein bisher
völlig verscli Josse Des Gebiet, das weit über die Grenzen der
Erde, ja selbst unseres Sonnensystems, hinausreicht. Da
es bei der in Rede siebenden analytischen Methode aus-
reicht, das glühende Gas, um dessen Analyse es sich han-
delt, zu sehen, so liegt der Gedanke nahe, dafs dieselbe
auch anwendbar sei auf die Atmosphäre der Sonne und
; helleren Fixsterne. Sie bedarf aber hier einer Modifi-
kation wegen des Lichtes, welches die Kerne dieser Welt-
körper ausstrahlen. In seiner Abhandlung -über das Vcr-
hällnifs zwischen dem Emissionsvermögen und dein Absorp-
tionsvermögen der Körper für Wärme und Licht»') hat
I Einer von uns durch theoretische Betrachtungen nachgewie-
sen, dafs das Spectram eines glühenden Gases umgekehrt
wird, d. h. dafs die hellen Linien iu dunkele sich verwan-
deln, wenn hinter dasselbe eine Lichtquelle von hinreichen-
der Intensität gebracht wird, die an sich ein eontinuirliches
Spcctititn giebt. Es läfst sich hieraus schliefsen, dafs das
Sonnenspcclrum mit seinen dunkeln Linien nichts Anderes
ist, als die Uinkehrung des Spectrums, welches die Atmo-
sphäre der Sonne für sich zeigen würde. Hiernach erfor-
dert die chemische Analyse der Sonueiialmosphärc nur die
Aufsuchung- derjenigen Stoffe, die, in eine Flamme gebracht,
helle Linien hervortreten lassen, die mit den dunkeln Linien
des Sonnenspectrums eoineidiren
Au dem angeführten Orle sind als experimentelle Belege
r den erwähnten theoretisch abgeleiteten Satz die folgen-
den Versuche augeführt:
Die helle i mite Linie im Speclruin einer Gasflamme, in
Jic eine Perle von Chlorlilhiuui gebracht ist, verwandelt
ich in eine schwarze, wenn mau volles Souuenlichl durch
die Flamme gehen läfst.
Erselzl man die Perle von Chlorlithium durch eine von
Ihloruatriuiu, so zeigt sich im Sonnenspeclrum die dunkle
DoppelUoic D (die mit der hellen Natriauiliuie coiucidirt)
in ungewöhnlicher Deutlichkeit.
In dem Speclrum des Drmnoiid'scheii Lichtes tritt die
I) Kirchhof!, Pogj. Add., Ba. CIX, S. 275.
188
dunkle DoppelUnie D au£ wenn man seine Strahlen' durch
die Flamme von wässerigem Alkohol gehen lilst, in den
man Chlornatriwn gebracht hat1).
Es schien uns nicht ohne Interesse, noch mehr Bestäti-
gungen jenes merkwürdigen theoretischen Satzes tu erhal-
ten. Es ist uns diefs durch die Versuche, die nun beschrie-
ben werden sollen, gelungen.
Wir machten einen dicken Platindraht in einer Flamme
glühend und brachten ihn durch einen elektrischen Strom
seinem Schmelzpunkte nahe. Der Draht gab ein glänzendes
Spectrum ohne jede Spur von hellen oder dunkeln Linien.
Wurde zwischen den Draht und den Spalt des Apparates
eine Flamme von sehr wässerigem Alkohol gebracht, in dem
Kochsalz aufgelöst war, so zeigte sich die dunkle Linie D
iu grofser Deutlichkeit
In dem Spectrum eines Platindrahtes, der allein durch
eine Flamme glühend gemacht ist, kann man die dunkle
Linie D hervorrufen, wenn man vor ihn ein Reagenzglas
hält, auf dessen Boden man etwas Natriumamalgam gebracht
hat, und dieses bis zum Kochen erhitzt Dieser Versuch
ist deshalb wichtig, weil er zeigt dafs weit uuter der Glüh-
hitze der Natriumdampf genau an derselben Stelle des Spec-
trums seine absorbirende Wirkung ausübt, wie bei den
höchsten Temperaturen, welche wir hervorzubringen ver-
mögen, und bei denjenigen, die in der Sonnenatmosphäre
stattfinden.
1) In der Märznumroer de* Phil. Mag, für 1860 erinnert Stokes daran,
dafs Poucault schon im Jahre 1849 eine Beobachtung gemacht hat, die
der oben erwihnten ihnlich ist. Bei der Untersuchung des elektrischen
Bogens zwischen Kohlenspitren bemerkte dieser {? Institut 1849 p. 45),
dafs in dem Spectram desselben helle Linien am Orte der Doppellinie D
des Sonoenspectrums vorhanden sind, und dafs der Bogen die dunkle
Linie D verstärkt oder erzeugt, wenn man durch ihn die Strahlen der
Sonne oder einer der glühenden Kohlenspitren gehen lafst und dann zu
einem Specirani auseinander legt. Die im Texte erwähnte Beobachtung
giebt die Erklärung dieser interessanten, schon vor 11 Jahren von Fou-
rault bemerkten Erscheinung und zeigt, dafs dieselbe nicht bedingt ist
durch die Eigenschaften des in vieler Hinsicht noch so rithselhaften
elektrischen Lichtes, sondern herrührt von einer Natriuroverbinduog, die
in der Kohle enthalten war und durch den Strom in glühendes Gm
verwandelt wurde.
Die helleren Linien der Spectren von A'ß, Sr, Ca, Ba
umzukehren, ist uns gelungen bei Anwendung von Sonnen-
licht und von Mischungen der chlorsaurcn Salie dieser Me-
talle mit Milchzucker. Vor dem Spalte des Apparates war
eine kleine eiserne Rinne aufgestellt; in diese wurde die
Mischung gebracht, volles Sonnenlicht längs der Kinne auf
den Spalt geleitet und die Mischung durch einen glühenden
Draht seillich entzündet. Das Beobachtungsfern röhr war
mit dem Schnittpunkt seiner schräg gestellten Fiiden auf
die helle Linie des Flammenspectruins, deren Umkehrbarkeit
geprüft werden sollte, eingestellt; der Beobachter conecn-
trirte seine Aufmerksamkeit darauf, zu beurtheilen, ob im
Augenblicke der Verpuffuug eine dunkle durch den Schnitt-
punkt des Fadenkreuzes gehende Linie sich zeigte. Auf
diese Weise war es bei richtiger Mischung der abbrennen-
den Gemenge sehr leicht, die Umkehrbarkeit der Linien
8a a und Baß und der Linie Ka ß zu constatiren. Die
letzte von diesen fällt mit einer der deutlichsten, aber von
Fraunhofer nicht bezeichneten, dunkeln Linie des Soti-
nenspccliums zusammen; diese Linie erscheint im Augen-
blicke der Verpuffung des Kalisalzes sehr viel deutlicher
als sonst. Um auf die beschriebene Weise die Umkehrung
der hellen Linien des Stronliumspectrums zu sehen, mufs
der chlorsaure Strontiau auf das Sorgfalt igst e getrocknet
seyn; eine Spur Feuchtigkeit bewirkt, dafs bei der Verpuf-
fung herumspritzendc SalztheÜchen die Flamme erfüllen, die
Sonnenstrahlen dämpfen und das positive Stronliumspectrum
zum Vorschein komineu lassen.
Wir haben uns in dieser Abhandlung darauf beschränkt,
die Spectren der Metalle der Alkalien und alkalischen Erden
und diese auch nur in so weit zu untersuchen, als es für die
Analyse irdischer Stoffe nöthig ist. Wir behalten uns vor,
diesen Untersuchungen die weitere Ausdehnung zu geben, die
wünschenswert!) ist in Beziehung auf die Analyse irdischer Kör-
per und auf die Analyse der Atmosphären der Gestirne.
Heidelberg, im April 1860.
II. Lieber die elektrische Kcitungsfähigfteil der Le-
girangen; von Dr. A. Mntthiefsen.
JLsic Methode, welche zu den nach folgenden Bestimmungen
der Leilungsfähigkeit angewandt wurde, ist näher beschrie-
ben iu diesen Annalen Itd. 100, S. 188. Es wurden dabei
folgende Vorsichtsmafsregeln beobachtet:
1) Beinahe alle Drähte lagen in SteinoL desseu Tempe-
ratur') beobachtet wurde.
2) Sie wurden alle au zwei dicke Kupferdrähtc gelö-
thet, deren Widerstände bekannt und in Rechnung
gebracht waren.
3) Von jeder Legirung wurden zwei besondere Drähte,
gewöhnlich mit verschiedenem Durchmesser geprefst
oder gezogen, und zwei Bestimmungen wurden mit
Drähten gemacht, die vom ersten nbgesthnillcn waren,
während zur dritten Bestimmung ein Stück des andern
Drahtes genommen wurde. (Es war nämlich die Mög-
lichkeit vorhanden, dafs die geprcfsleu Drähte Legi-
rungen von verschiedener Zusammensetzung enthalten
könnten, da z. B. beim Pressen von Amalgamen zuerst
fast reines Quecksilber aus der feinen Oeffnung her-
auskommt).
4) Da die meisten Wismuthlegi rungen beim Erkalten
der geschmolzenen Metallmasse eine an Wismuth rei-
chere Legirung aus der erstarrten Oberlläche her-
austreten lassen, so wurden dieselben in kleine Stücke
gegossen und ein solches zum Pressen verwand!.
5) Von den an Wismuth reichen Legi rungen wurden sehr
dünne Drähte, etwa von 0,2""" Durchmesser, geprefst,
um übereinstimmende Resultate zu erhalten. (Diese
Annalen, Bd. 103, S. 432.)
6) Der Durchmesser der Drähte wurde, nach der Bestim-
mung ihres Widerstandes, au jedem Eudc und gewöhn-
1) AU* angegebenen TeniptrJlarcn jini] i"o Cenligridi
r
lieh auch in der'Mitle bestimmt; die betreffenden Slückc
waren so gebogen, dafs sie im rechten Winkel ge-
messen werden konnten. Die spröden Drähte wurden
in kurze Stücke gebrochen und eine gröfsere Anzahl
derselben gemessen, das Mittel der gefundenen Wcrthe
wurde als richtig angenommen.
7) Es wurden Normaldrähte von verschiedener Länge
benutzt, um je nach der Gröfsc des 'Widerstandes
Resultate von gleicher Genauigkeit zu erhalten.
Eine gröfsere Uebereinstimmung der Resultate als die,
welche erreicht wurde, konnte nicht erwartet werden, in
Anbetracht der Schwierigkeit, vollkommen runde Drähte
und von einer absolut homogenen Zusammensetzung zu
pressen oder zu ziehen. Bestimmungen mit geprefsten und
gezogenen Rlcidrähten gaben genau dieselben Werthe. (Je
prefst wurden alle die Legirungcn, von denen die spec. Ge-
wichte bestimmt waren; nur die Gold- Silber, Gold Kupfer
und Silber-Kupfer, sowie die letzte Wismutn -Silber und
die letzten zwei Silber-Blei, Silber-Zinn und Gold-Zinn
Legiiungcn wurden gezogen. Die Methode, nnch welcher
diese dargestellt waren, wird in der Abhandlung " über tlicLei-
liingsfähigkcit des Kupfers etc.1)« toii Dr. M. Holziuanu
und mir näher beschrieben werden. Die Menge des Goldes
und Silbers wurde in diesen letzteren Legirungen analytisch
bestimmt. Alle gezogenen Drähte waren hartgezogen, und
die Bestimmungen sind sammtlich verglichen mit einem hart
:ogencn reinen Silberdraht, dessen Leitungsfähigkeit bei
C = 100 gesetzt ist.
Die Metalle können, hinsichtlich ihres Verhallens als Le-
girungen, in zwei Klassen gel heilt werden, nämlich:
Klasse A: diejenigen Metalle, welche, wenn mit einander
legirt, die Elektricilät in dein Verhältnifs ihrer
relativen Volumina leiten;
Klasse B: diejenigen Metalle, welche, wenn legirt, mit einem
Metall der Klasse A, oder mit einander, die
EIcktricität nicht in dem Verhältnifs ihrer Vo-
lumina leiten, sondern stets schlechte
1) Sitte dir «Abt folgende Abhandlung.
192
Zu Klane A gehören Blei, Zinn, Cadmium and Zink.
Zu Klasse B müssen Wisnrath, Quecksilber, Antimon»
Platin, Palladium, Eisen, Aluminium, Natrium, Gold, Kopfer,
Silber und sehr wahrscheinlich die ineisten der übrigen Me-
talle gerechnet werden.
Ich werde nun einige Worte sagen:
1. Aber die Leitungsfthigkeit der angewandten Metalle,
. 2. Aber die Leitungsfthigkeit der Legirangen f gebildet
aas den Metallen der Klasse A mit einander,
3. Aber diejenige der Legirongen, bestehend aas Metallen
der Klasse A und Klasse B,
4. Aber die der Legirongen, zusammengesetzt aas Metal-
len der Klasse B, and
5. allgemeine Schlußfolgerungen machen.
1. Heber die LeitangsfUügkeit der Metalle.
Die Leitungsfthigkeit aller angewandten Metalle wurde
bestimmt, die gefundenen Werthe waren die nämlichen als
die, welche ich in meiner Abhandlung ȟber die elektrische
Leitungsfthigkeit der Metalle« (diese Annalen Bd. 103, S. 428)
angegeben habe. Ausgenommen sind nur das Gold (Siehe
Anhang zu dieser Abhandlung, S. 205 u. ff.) und das Kupfer
(»Über die elektrische Leitungsfthigkeit des Kupfers etc.«).
Die Werthe sind angeführt in Tabelle I.
2. Ueber die LeitongsfUiigkeU der Legirangen, gebildet aas Metallen
der Klasse A.
In Tabelle II sind die drei Bestimmungen und das Mittel
derselben mit den beobachteten Temperaturen angegeben
sowie ihre Leitungsftbigkeiten berechnet in der Voraus-
setzung, da£s die Leitungsfthigkeiten der angewandten Me-
talle Antheil nehmen an der der Legirung in dem Verhältnifs
ihrer relativen Volumina1), Aequivalente2), Gewichte3).
1) p-*c+*'*, 2) P-»«+«'* 3) P-we + w*'\
*-f-*i *-H*i tr-Hir,
wenn P die LeitnnftfSnigkeit der Legirang , v und r, die Atoro-Volo-
1f)3
Aus Gründen, die ich in meiner Abhandlung über die spee.
Gewichte der Legirungen angegeben habe, sind die beiden
letzten" Arien der Berechnung für diese Gruppe von Legi*
rungen mit ausgeführt.
Obgleich die gefundenen Zahlen bei einigen Leginiugen
von Cadmiuui-Zink und ßlei-Cadmium nicht genau mit der
berechneten Leitungsfähigkeit übereinstimmen, so ist doch
aus Fig. 1 Taf. VII ') ersichtlich, dafs die Linien nicht viel von
geraden Linien abweichen; und wir werden weiter unten fin-
den, dafs sie keiner der andern Gruppen angereiht werden
können.
3. Ueber die Leittingsfilhiglteit von Leg innigen, bestehend aus Me-
tallen der Klassen / und I!
Die gefundenen Wert he für die Leginiugen dieser Gruppe
siud enthalten in Tab. 111 S.209, mit der nach dein Volumen
berechneten Lcilungsfähigkeit. Hier linden wir merkwür-
dige Uesullate, nämlich dafs manche Legirungen schlechter
leiten, als irgend eins der Metalle, aus welchen sie zusam-
mengesetzt sind. Betrachten wir ferner Fig. 2 u. 3 Taf. VII,
in welchen die Curveu für die Leitungsfähigkeit der Legi-
rungeu aus dieser Gruppe gezeichnet sind, so ist es auffällig,
wie schnell die Leitungsfähigkeit auf der einen Seite der
Curve mit geringem Procentgehalt des Metalls aus Klasse 1
abnimmt, während wir beim Hinübergehen zur andern Seite
finden, wie wenig die Leiluitgsfähigkeit des Metalls aus
Klasse A durch einen bedeutenden Procentgehalt an Metall
der Klasse B afficirt wird. Auf diese Thatsache werde ich
bei den allgemeinen Seh lufsfol gerungen zurückkommen.
Die Legirungen von Blei und Zinn mit grofsen Mengen
von Antimon konnten nicht zu Draht geprefst werden wegen
ihrer aufserordentlichen Sprödigkeit und Härte. Die Legi-
niinn der angewandten Metalle, n und n, die AnuLI der Aeouiraleole
der rinielnen Melalle, w und IC, ihre rein Gewichte, und c und c, die
Leilung'lahigkeiten der beiden Metalle bedeuten.
1) Die Punkte aut den Linien zeigen den Pmien [gehall und die gefundene
Leitungifähigfcrit der n nl tri nebten Legirungen an.
PofirndorlT. Aaial. Bd. CX. Vi
194
ttn%en tm Blei iftil überwiegendem Goldgebalt waren so
überaus hart, spröde und schwer schmelzbar, dab sie nicht
geprefat werden konnten; selbst Gold, legirt mit 0,25 Pro*.
Blei, waren wir nicht iin Stande zu ziehen, es erschien völlig
mürbe und bröcklig. Die meisten der angefahrten Gold-
Blei-Legimngeil waren am Vieles spröder als Glas; bei
einigen derselben war In der That mehr ab eine' Stunde
nötbig, um einen Draht ton 306"* Ltoge tu pressen. Das-
selbe nnrfs von den Gold -Zinn -Legirungen gesagt werden,
welche, obgleich schmelzbar genug, am geprebt werden zu
können, doch wegen ihrer Zerbrechlichkeit eben so lange
Zeit erforderten. Silber mit Blei oder Zinn konnte auch
nur bis zu gewissen Grinsen geprebt oder gezogen werden,
und es ist daher der T&eil derXlürve, wo keine Dr&hte zu
erhalten waren, durch puuktirte Linien angedeutet Fast zu
allen Goldlegirangen, namentlich zu den an Gold reicheren,
wurde Gold verwendet, welches durch Algarothpulver nie-
dergeschlagen war (s. Anhang). In Tab. V S. 221 siud ei-
nige Versuche mit Legirungen angeführt, die aus einigen
käuflichen Metallen mit Blei, Zinn oder Zink bereitet waren.
Aus dem Mittel der bei zwei Bestimmungen gefundenen
Werthe geht hervor, dafs die betreffenden Metalle sämuit-
lich zur Klasse B gehören, da die Leitungsfähigkeit bedeu-
tend niedriger ist, als die Rechnung verlangt.
4. Üeber die Leituogsflhlgkeit von Legirungen ftusammengeseUt
aus Metallen der Klasse B.
Die für diese Gruppe gefundenen Zahlen finden sich in
Tab.IVS.216, die Corven derselben in Fig. 8 Taf. VI. Von den
Wismuth-Gold-Legiruugen konnten nur sehr wenige bestimmt
werden, da wir der groben Sprödigkeit halber nicht einmal
Gold mit 0,25 ProcWismuth zu Draht zu ziehen vermochten.
Bei Wisuiuth-Silber erhielten wir bessere Resultate. Wis-
muth- Antimon- Legirungen wurden zwar bestimmt, da aber
keine übereinstimmenden Resultate zu erzielen waren, so
sind die Zahlen nicht angefahrt; die Curve schien jedoch
den Habitus dieser Gruppe zn besitzen. Bei näherer Be-
Irachtung der Gold-Silber-Rcihc linden wir, dafs von AuAg
nach beiden Seiten mit Zunahme der Aequivalente ein bei-
nahe gleichmäßiges Aufsteigen in der Leituiigsfühigkeit statt-
finde!, liSlllliHi:
All A;: leitet 14,59,
An, Ag und Au Ag, leiten rcspectivc 16,20 nud Mi. .'in.
Au, Ag und Au Ag4 leiteu respectivc 20,91 und 20,94,
Au6 Ag und Au Ag,, feiten respcctive 24,99 und 25,29.
Von diesen Funkten an wird die Differenz gröfser, je
ichr wir uns den reinen Metallen nahern. Da nun das
Atomvolum des Goldes :
rnen des Silbers i
sr^ = 10,226, das Aloinvolu-
= 10,317, so können wir die Le-
" 10,46»
girung Au Ag aus einem Volume Gold plus einem Volume
Silber zusammengesetzt anselieu, und wir mögen innerhalb
der obigen Glänzen zu der Legirung Au Ag gleiche Vo-
lumtheile von Gold oder Silber hinzufügen: wir erhalten
dieselbe Leitungsfähigkeit. Es geht also daraus hervor, dafs
Gold und Silber, wenn sie in diesen Gränzen mit einander
legirt werden, eine gleiche Leituugsfahigkeit besitzen. Die-
selben Betrachtungen lassen sich mit eiuigeu Gold Kupfcr-
und Silber- Kupfer -Legiruugcu anstellen. Die Curven dieser
Gruppe zeigen an beiden Seiten ein schnelles Hinuntergehen,
das ich bald nither besprechen werde.
5. Allgemeine Sc hl ufs folgern pgen.
Vor Allem wirft sich uns die Frage auf: was sind Le-
girungen? Sind sie chemische Verbindungen,' oder eine Lö-
sung des einen Metalls im andern, oder sind sie mechanische
Gemenge? Dann entsteht die Frage: was ist die Ursache
der reifsend schnellen Abnahme in der Leilungsfahigkeit.
Die erste dieser Fragen können wir, glaube ich, damit
»antworten, dafs die meisten Legirungen lediglich Lösuri
ines Metalls im andern sind; dafs wir nur in wenigen
Fällen chemische Verbindungen annehmen dürfen, wie z. B.
einigen der Gold-Zinn- und Guld- lUeM^fuvuv-^vv
Vi*
und dafs wir ül- mechanische Genietige einige der Silber-
Kupfer- uiul Wismulli-Zink-Legirungen belrachten können.
Die Gründe für diese Annahme sind:
1) Dafs, wenn wir nur mit chemischen Verbindungen zu thuii
hallen, wir nicht für die Lcittingsfähigkeit der Legiruugen die
Regelmäßigkeit in den Curven finden würden, welche ohne
Zweifel exislirt. Denn bei Betrachtung der zu den verschiede-
neu Gruppen gehörigen Curven sehen wir auf den ersten Blick,
dafs jede Gruppe von Legiruugen eine Curve von besonderer,
deutlich ausgeprägter Form besitzt. So haben wir für die
erste eine nahezu gerade Linie. Bei der zweiten zeigt sich ein
aufserordeiitiich schnelles Hinabgehen an der Seite des Me-
tnils aus Klasse //'. und dann umwendend, geht die Curve
in fast gerader Linie zu dem Metall der Klasse A hinüber.
Für die dritte Gruppe linden wir das schnelle Hinabfallen
au beiden Seiten der Curve, und die Drehungspunkte sind
durch eine annähernd gerade Linie vereinigt.
Prüfen wir nun den Tlieil der Curven genauer, iu dem
die schnelle Abnahme vor sich geht, so finden wir, dafs
bei Legirtingen von Blei oder Zinn im Allgemeinen noch
einmal so viel vom erstem als vom letztern erforderlich ist,
um ein Metall der Klasse B auf eine gewisse Leitungsfähigkeit
hinabzudriieken; z. B. um die Lcituugsfähigkeil des Silbers
auf 67 zu reduciren, würden 0 9 Vol. Proc. Blei oder etwa
0,5 Vol. Proc. Zinn nöthig seyn, — um sie auf 47,6 zu
bringen, werden 1,4 Vol. Proc. Blei oder 0,7 Proc. Zinn
verlangt1). Ferner, um Wismulh auf die Leitungsfähigkeit
von 0,261 zu reduciren, sind 1,4 Vol. Proc Blei, oder 0,62
Ziun erforderlich, und um es auf den niedrigsten Punkt in
der Curve zu bringen, der bei Legirung mit Blei 0,255, bei
der Zinn-Legirung 0,254 entspricht, müssen 1,76 Vol. Proc.
Blei oder 0,85 Vol. Proc. Zinn hinzugefügt werden.
2) Wir können nicht annehmen, dafs wir an den Dre-
hungspunkten der Curven chemische Verbindungen vor uns
haben; denn es ist durchaus nicht wahrscheinlich, dafs es
solche geben könute, die nur 0,6 Proc. Zinn auf 99,4 Proc.
]) Hirse '/.Mm lind r»n den Gurren ibgeltien.
Wismuih, oder 2 Proc. Ulei auf 98 Proc. Wismuth, oder
2,6 Proc Zinn auf 97.4 Proc. Silber etc. etc. enthalten.
3) Dafs die Legirungeu an diesen Wendepunkten ihr
berechnetes speeifiselics Gewicht besitzen.
Ueberblicken wir auf Taf. VI Fig. 8 dieCurven der Legt-
rungen aus der dritten Gruppe, so könnten wir eher geneigt
seyn zu glauben, dafs wir es mit chemischen Verbindungen zu
thun halten. Aber wenn wir in Betracht ziehen (die Gold-Sil-
ber-Cnrvc als Typus genommen), dafs die Leitungsfahigkeil des
Silbers durcli einen geringen Proccntgehalt eines andern Metalls
so bedeutend erniedrigt wird, dafs dasselbe auch vom Gold
gesagt werden inufs, und wenn wir diese Abnahme als wirk-
lich stattgefunden voraussetzen: so finden wir bei Vereini-
gung der Drehuogspunktc, bis zu denen die Leituugsfahig-
keit erniedrigt ist, fast genau die Gold-Silber- Curve. Neh-
men wir z. 1t, die Gold-Zinn und Silber Zinn-Curveu und
verbinden durcli eine Linie die Drehungspunkte derselben,
so erhalten wir dadureb eine Curve, die derjenigen der
Gold-Silber-Reihe sehr ähnlich ist. Betrachten wir weiter
die Silber- Wismuih- Curve und vergleichen sie in gleicher
Weise mit der Zinn-Silber- und Zinn-Wismulh-Curve, so
erhallen wir ebenfalls das gleiche Resultat. Die Geld
Wismuih- und Silber-Wistnuth-Ciirveu sind fast gleich; nur
leiten die Legirungeu von Gold und Wismuih etwas schlech-
ter als die von Wismuih und Silber, wie auch erwartet
werden konnte, weil Silber ein besserer Leiter als Gold ist.
In Folge dieser Achnlichkejt der Curven von Legirun-
gen, in denen wir annehmen können, dafs sie Lüftungen
eines Metalls im andern sind, werden wir in den Stand ge-
setzt annähernd die Curve von Legirungeu aus zwei belie-
bigen Metallen zu ziehen, sobald wir nur wissen, zu welcher
Klasse die Metalle gehören. Auf diese Weise haben wir
in der That, che eine einzige Kupfer-Gold-Legining bestimmt
war, beinahe genau die Curve gezeichnet, welche nachher
gefunden wurde.
Dafs einige Legirungeu wirklich chemische Vcrbindun-
geu sind, können wir aus folgenden Thatsachen schliefsen:
498
1) Im Allgemein« faden wir, dafa dann, an den Dro-
hungspunkten der Carve die Legirung sich ausdehnt oder
zusammenzieht.
_ 2) Wir haben dann keine regelmässig« Form der Cur«
(siehe GoULZinn, Gold-Blei und Silber-Kupfer), ao dafa wir
nicht im Stande sind, dieselbe a priori annähernd n ziehen»
3) Dia Legirungen halten an diesen Punkten gröbere
Mengen, eines jeden Metalls.
4) Das lufeere Ansehen (kristallinische Form etc.) dieser
Legirungen an den Drehungspankien ist auffollig verschie-
den. Betrachten wir hiernach s. B. die Gold-Zinn-Curve,
die, einzige beinahe vollständige dieser Gruppe, and gehen
wir von der Zinn-Seite aus, so finden wir ein allmähliches
Sinken der Leitnngsfthigkeit bis ur Legirung Sn, Au, von
da ein langsames Aufsteigen bis zuSn* Au, und von diesem
Punkte bis zu Sn Au, wiederum eine allmähliche Abnahme.
Ans den oben angefahrten Gründen konnten Jteine Legi-
rangen bestimmt werden zwischen Sn Au, und der, welche
2,7 Proc. Zinn enthält. Von dieser letztern Legirung haben
wir eine gerade Linie bis zum reinen Gold schnell aufstei-
gend. Gehen wir noch einmal von der Zinn -Seite der
Curve aus, so mögen wir die Legirungen bis zu Sns Au
betrachten als eine Lösung einer chemischen Verbindung
in reinem Metall, — vonSn, Au bis Sn, Au, und von hier bis
SnAu, als Lösungen je zweier chemischen Verbindungen
in einander, weil alle diese Punkte durch gerade Linien mit
einander verbunden sind, — in dem nicht bestimmten Theile
von Sn Au, bis zur Legirung mit 2,7 Proc. Zinn als Lösung
einer chemischen Verbindung in irgend einer beliebigen
Legirung, und von diesem letzteren Punkte bis zum reinen
Gold als eine Lösung einer geringen Menge von Zinn in
überschüssigem Gold.
Hinsichtlich ihres spec Gewichts findeu wir, dafs, wäh-
rend Sn5 Au nahezu das berechnete spec Gewicht besitzt,
Sn, Au eine gröfeere Ausdehnung und Sn Aut eiue stärkere
Zu8ainmenziehung zeigt, als irgend eine andere der unter-
suchten Gold - Zinn - Legirungen. Ferner enthalten nun
Sus Au 60 Proc, Sa, Au 37 Proc. und Sn Au, 13 l'roc.
Ziuu; es wäre dies also kein Hindernils, sie als chemische
Verbindungen zu betrachten, lu Bezug auf ihr aufseres
Anschcu finden wir, dafs Sil Aua und Sn, Au nicht kristal-
linisch sind und einen körnigen oder glasigen Bruch zeigen,
wogegen Sns Au so überaus kristallinisch ist, dafs beim Zer-
schlagen der Legiruug mit dem Hammer vollständig ausge-
bildete Spaltuugslläclicu der Krystalle hervortretet). Hier-
nach, glaube ich, kann kein Zweifel obwalten, dafs die Uu-
regeluiüfsigeit der Gold-Zinn- Curve durch chemische Ver-
bindungen hervorgerufen ist, cbeuso die der Gold - Blci-
Curvc. Dafs einige Legiruugen mechanische Gemenge sind,
wissen wir aus den Versuchen anderer Beobachter; so er-
hält man z. B. nach dem Zusammenschmelzen von 17,73
Theileu Wisuiulh mit 16,12 Theileu Zink zwei Schichten;
die obere aus 13,40 Theileu Zink bestehend, die untere
Wisuiulh, mit geringen Mengen von Zink enthaltend. (Four-
nel, Ann. de chim. etphys. T.54. ;».247). Halten wir aber die
Metalle wohl zu sa m in eu gemischt und schnell abgekühlt, so
würden wir eine Legiruug erhalten haben, die als mecha-
nisches Gemenge halle betrachtet werden müssen. Feiner,
wenn man nach Levol {Jaurn.de Pharm. 7'. 17. p. 111) Silber
und Kupfer zusammenschmilzt und die Masse ruhig in ge-
schmolzenem Zustande erhall, so findet mau bei der Ana-
lyse von verschiedeueu Theileu der Legirung verschiedene
proceutische Zusammensetzung. Levol fand dies bei allen
•giriuigei), ausgenommen bei der, welche 28,11 l'roc. Kupfer
enthält (entsprechend Agä Cu4) und er betrachtet alle Sil-
:r Kupfer Legirungcu als Gemenge von Ag3 Cu4 mit Silber
Kupfer. Wenn dies der Fall wSre, so würdeu wir
der Curvc von jenem Punkte aus nach den reinen Me-
liiti gerade Linien haben; indessen bei Betrachtung
selben findeu wir (ausgehend von der Kupfer-Seile), dafs
■rsl ein schnelles Hinabgehen Statt hat, verursacht durch
die Verunreinigung des Kupfers mit einer geriogen Menge
von Silber; dann haben wir von derLcgirung mit 90 Vol.
Proc. Kupfer bis zu der mit 35 Vol. Proc. eine gerade
200
Linie, in der wir ein Gemenge, oder YieUekbt eine Lösung
der beiden Legirangen an den Gtlnzptmkten annehmen
könnten. Die Legirungen von 35 VoL Proc. Kupfer bis
xu der nrit 28 Proc. konnten wir wiederum ab ein Gemenge
oder eine gegenseitige LOrang der beiden Endpunktsleginmgea
betrachten. Diese letztere Leginmg nun mit 28 VoL Proc.
oder 25,08 Gew. Proc Kupfer bildet den niedrigsten Punkt
in der Curre und correapondirt ziemlich nahe mit der Le-
girung Aga Cu4. Von hier aus bis xum Silber könnten wir
ein Gemenge Ojder eine Lösung der erwähnten Legirung mit
oder in reinem Metall annehmen. Es dringt sich nun die
Wahrscheinlichkeit auf, da£s in der Nlbe des. Punktes, der
die Legirung mit 35 VoL Proc. Kupfer repräsenttrt, eben*
falls eine Verbindung von eonstanter Zusammensetzung ▼or-
handen sey, da wir sonst eine gerade Linie von der Legirung
mit 28 Proc bis zu der mit 90 Proc Kupfer hotten erwar-
ten sollen. Es ist natürlich' kaum möglich, aus dieser einen
Curve irgendwelche sichere Schlüsse zu ziehen, zumal wir
es hier aller Wahrscheinlichkeit nach mit mechanischen Ge-
mengen und mit Gemengen aus chemischen Verbindungen und
Lösungen des einen Metalls im an3ern zu thun haben ; aus
Allem geht aber so viel hervor, dafs wir durch Bestimmung
der elektrischen Leitungsfähigkeiten in den Stand gesetzt
.werden zu zeigen, wo constante Verbindungen sind, indem
wir dann sicher in den Curven Unregelmäfsigkeiten finden.
Dafs wir bei den Legirungen der ersten Gruppe nicht
mechanische Gemenge, sondern Lösungen des einen Metalls
im andern vor uns haben, mag aus der Thatsache hergeleitet
werden, dafs die Schmelzpuukte derselben im Allgemeinen
tiefer liegen als die berechneten.
Wir kommen jetzt zur zweiten Frage: was ist die Ur-
sache der oft reifsend schnellen Abnahme in der Leitung*»
flfthigkeit? Die einzige Antwort, die ich gegenwärtig darauf
zu geben im Stande bin, ist die: sind nicht beinahe alle
physikalischen Eigenschaften in einer ähnlichen Weise ver-
ändert?
Betrachten wir nämlich zuerst die Legirungen aus Me-
lallen der Klasse A, mit theoretischer Leilungsfähigkeit, su
linden wir, dflfs die meisten ihrer übrigen physikalischen
Eigenschaften von denen der Melalle nicht abweichen; wir
bemerken z. B. keine Sprödigkcit. Die Legi mu gen scheinen
in der Thal gleichen Antlieil zu nehmen an den Eigenschaf-
ten der beiden Metalle, aus denen sie bestehen. Prüfen
wir dagegen die Leginingen der zweiten Gruppe, so ent-
decken wir aufserord entliehe Verschiedenheiten. Man legirc
Gold, das ductilste der Metalle, mit nur kleinen Mengen
von Zinn oder Blei: es wird zerbrechlich wie Glas; ferner,
man füge zu Silber nur wenige Procente der obigen Me-
talle: wie sehr werden die Eigenschaften desselben geändert.
Das Silber, in reinem Zustande eins der am leichtesten zieh-
baren Melalle, waren wir der Sprödigkeit und verringerten
Festigkeit wegen zu Draht zu ziehen nieht im Stande, so-
bald es mit mehr als 3 Proc. Zinn oder 2 Proc. Blei ver-
bunden wurde. Ich will nicht sagen, dafs es durchaus un-
möglich wäre, es wurde nur zu wiederholten Malen erfolglos
versucht. Auf der andern Seile linden wir keine merkliche
Verschiedenheit in der DuctiliUit, Harte etc. von Zinn oder
Biet, wenn legirt mit verbällnifsmät'sig bedeutenden Mengen
von Silber. Wir können zehn, ja zwanzig Procent Silber
hinzufügen: sie bleiben duetil und lassen sich ohne alle
Schwierigkeit zu Draht pressen. Natürlich bei Zinn nud
Blei in Legirung mit geringeren Quantitäten von Gold ist
die Sache etwas verschieden, weil hier chemische Verbin-
dungen ins Spiel kommen; aber nichtsdestoweniger können
wir ihnen bis zu 5 Proc. Gold beimischen, ohuc ihre Ducti-
litüt etc. in einiger Bedeutung zu verändern. Wjsnmlh in
Legirung mit Blei oder Zinn wird spröder und verliert iu
Draht form bedeutend an Festigkeit; aber Zinn und Blei mit
einem verhältnifsmäfsig gröfsereu Proeentgehnlt von Wisuiuth
bewahren immer einen bemerkenswerthen Grad von Dehn-
barkeit etc. Nehmen wir endlich die Legiruugen der dritten
Gruppe. Obgleich wir unter den Gold -Silber- und Gold-
Kupfer-Legirungeu keine spröden finden, so wissen wir
doch, wie hart Gold, Silber oder Kupfer werden, wn\\\s«\
geringen Mengen vom andern Metall verbunden, itfiddaili
sie verhlltuiCunlbig mehr an ihrer Ductilitlt eto, verlieren
durch Hintuftgung kleiner Quantitäten von fremdem Metttt»
als durch grobe, in Folge dieser Thatsachen können wir
nicht erstaunt sejn Aber die schnelle Abnahme der Leitange-
ftbigkeit von Metallen aus Klasse B, in Legfarung mit irgend
einem andern tyetall; denn trenn wir die meisten der übri-
gen physikalischen Eigenschaften mehr oder weniger durch
Spuren fremder Metalle verludert finden, warum sollten
wir dasselbe Resultat nicht auch hier erwartet haben. . Fin-
den wir dagegen in den meisten physikalischen Eigenschaf-
ten von Legirangen keine bemerkenswerte Aendet ung gegen
die der Metalle, wie in der ersten Gruppe und in den iwefe-
ten Gruppe auf Seite des Metalls ans Klasse A9 so werden
wir auch eine der Berechnung sich nähernde Leitungsfähig-
keit haben.
Es würde sehr interessant seyti, einige der übrigen phy-
sikalischen Eigenschaften von Legirungen quantitativ zu be-
stimmen, um zu sehen, ob diese Eigenschaften in der glei-
chen ausgeprägten Weise wie die elektrische Leitungsfähig-
keit sich ändern, wenn ein Metall der Klasse B mit irgend
einem andern Metall legirt wird, und ob ähnliche Curven
aufzustellen seyen. Ich beabsichtige daher, namentlich vou
diesem Gesichtspunkte aus, mit der Leitungsfähigkeit für die
Wärme zu beginnen. Wir werden dadurch auch sehen
können, ob die Classificirung der Metalle, wie sie in dieser
Abhandlung aufgestellt ist, eine ausgedehntere Geltung
finden werde.
Die spec. Gewichte und Schmelzpunkte der Legirungen
stimmen mit der gegebenen Gruppirung nicht übereiu; aller
Wahrscheinlichkeit nach werden es aber Härte, Dehnbarkeit,
Leitungsfähigkeit der Wärme etc. etc. thun.
Ich kann diese Abhandlung nicht schliefsen, ohne Dr. M.
Holzmann meinen Dank zu sagen für die ausgezeichnete
Weise, in welcher er den gröfseren Theil der Bestimmun-
gen ausgeführt hat.
203
Während ich das Obige niederschrieb, war Herr Calverl
so gütig, mir die Abhandlung: "Ueber die relative Fähigkeit
der Metalle und Legirungcn in Leitung der Wärme-, aus-
geführt von ihm selbst und Herrn Johnson '), in senden,
und ich fühle mich verpflichtet, einige Bemerkungen über
dieselbe hier anzuführen. Es ist hier nicht der geeignete
Platz die Verdienste der Methode zu discutiren, welche sie
anwandten, sondern ich will nur auf einige Thatsachen Be-
zug nehmen.
1) Dafs das Kupfer, welches sie benutzten, nicht rein
gewesen seyn kann, sonst würden sie nicht "glücklich genug
gewesen sevn, Resultate zu erhalten, die mit denen von
Professor W. Thomson übereinstimmen, nämlich dafs ei-
nige Metalle die Lcituugslahigkeit des Kupfers vermehren,
andere dagegen vermindern" (p. 35b). Es ist mehr als
wahrscheinlich, wie wir au einer andern Stelle zeigen wer-
den, dafs Professor Thomson's Versuche mit Suboxyd
haltendem Kupfer angestellt wurden, denn ohne diese Vor-
aussetzung sind seine erhaltenen Resultate unverständlich,
da wir in keinem Falle gefunden haben, dafs eine geringe
Quantität irgend eines Metalls die Leitungsfähigkeit des
reinen Kupfers erhöht.
2) H;il.- das Antimon, welches sie aus metanlimonsaurem
Natron mit Holzkohle reducirten, aller Wahrscheinlichkeit
nach Natrium eulhielt, da Dexter') bei seiner Arbeit über
das Atomgewicht des Antimons, aus mctautimonsaurcin Na-
tron, selbst nach wiederholter Behandlung mit Salpetersäure,
ein Antimon erhielt, welches mit Natrium verunreinigt war,
und das er daher noch einmal mit Antimonoxyd umschmcl-
len mufsle. Dieselbe Vorsicht wurde auch von Bunten*)
beobachtet bei seiner Arbeit Über Trennung des Autimons
von Zinn etc.
3) Sie geben nicht an, nach welcher Methode sie genau
ein, ein halbes und ein Viertel Procent Arsen mit Kupfer
i) l>h,i. Trift, l'.ir/. II. 1H58.
t) rÜMi Aon. Bd. IUI), S. 563.
3) Lieb. Ann. Bd 106, S. 1.
leglrtcn, was sie jedenfalls gethan Intim sollten, da diefs
bisher als eine sehr schwere, ja fast unmögliche Operation
betrachtet worden ist.
4) Dinelb« Eru>kan» rtigeworfa. werde» fc» •*»
Htm LejiDMujeo vo»Jtnpt» •* »»k «c
• etM
sine.««» dar Mefelle. i „,: . fc.v.lj' ....„,..-, d«»*«,.
0) In ihrer Abhandlung Maar die apee. Gewicht«,»)»
LegiruiiwSD,') b&bts awibre HawcknalwjMi *af MM, fldKbe
V«« »tut (rojrDjidet, .iHntrh d»J. d.c »pao. 1>»T»1.
de* Metalle A.theü n atmen a. de» dar Lcgiog in A«.
VethJltniMi ihrer nUhaanfinridaw, aatoll ibrer iilillw
Volumin. (Siebe, «wane *»***■»•*" <"•«"«• GoridM-
von Legiraacen) i denn: SM bwecham nach der Fonoalt
..pec.G».=^^l.
^ anstatt -s^^,"
wenn A und ^4,; * und ■ ,; e und r, die resp. Mengen,
spec Gewichte und Alomvolumina bedeuten. Berechnet
man z. B. das spec. Gewicht einer Legirung, gemacht aus
1 Grm. Platin und 1 Grat. Aluminium, nach ihrer Methode,
so würde
■pec Gew. = LW±^M?= „,9,
Heyn, während nach der richtigen Weise
.pec. Gew. =5^^, = . ,46 ist.
Ich habe dieses Beispiel gewühlt, um den Unterschied zwi-
schen den beiden Berechnangsmethoden recht deutlich zu
zeigen, da die Berechnung nach der ersten Formel nur dann
richtig ist , wenn die spec Gewichte der beiden Metalle '
gleich sind. Denn da A — t>s und A, =e. »,, so erhalten
wir bei Subslituirung dieser Werthe in der Formel, wenn
» = #,:.
spec. Gew. = '-■— = — -_LJ 1= ■■■ ■ -'.
1) Phil Mag. No-br. 1859.
205
7 ) Man kann auch hier fragen, wie sie es möglich mach-
bei Darstellung ihrer Leprungeu den Verlust von
Quecksilber, Zink etc zu vermeiden, z. B. bei den Legi-
rungen Hg Sn6, Zu Cu. etc. Bei ineinen eigenen Versuchen
habe ich gefunden, Hafs selbst Hg Sn, nicht ohne bedeu-
tenden Quecksilberverltist um geschmolzen werden kann, und
ich bestimmte keine Legirungen von Kupfer mit Zink etc.
da es eine bekannte Thatsachc ist, dafs Messing stets beim
Schmelzen merkbare Mengen von Zink verliert,
8) Sic sagen, dafs alle Amalgame sich ausdehnen, wo-
gegen nach den Versuchen in meiner Arbeit über die spec.
Gewichte von sechs Amalgamen sich fünf zusammenziehen;
und wenn sie ihre Resultate mit der richtigen Berechnung1
vergleichen, so werden sie finden, dafs die Amalgame im
Allgemeinen eine Contraction zeigen, namentlich wenn beim
Schmelzen kein Quecksilber verloren ging.
■
■
■
T
belle I
Metall
Ldh.opW.ig-
keii
T,„„
Spec. Gewicht
As~
Silber
l<ju,oo
0°
10,468
108,0
Kupr«')
93,16
19,4
N,9S1
31.7
Gold
72,88
21,3
19,265
197,0
Aluminium
astffl
19,6
Zink3)
27,39
17,6
7.148
32,6
Ci.lmii.m
22,10
18.»
8,655
66,0
Khan
11,14
20,4
Palladium
12,64
17,2
Zinn
11,45
21,0
7,294
58,0
PUrin
10,53
20,7
Anlim.m
4,29
18.7
6,713
122,3
Qu*, k.ilbci
1,63
22.8
13,573
100,0
WiMnu.l.
1,19
13,8
9,822
208,0
S) Dm Ben
7,150 bri I4",4 ]
7,149 b,i 15 ,0
7,146 b« 15,6 1
1.» Rupfen lieht! (imcliii Bd. III, 5.1
c. Gewiclit» gaben:
Mtiiel; 7,148 bei 15°,0.
20«
Tabelle IL
Grfu-
Vo- dcM
Um-\ Lri-
Mittel
Berechnete Leitung*-
fthifkeit,
Tcm-
TW
dkK BM-b ■■eh
LcgiruDf.
P*o- hwfli-
p«r*-
MnLei-
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dem
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1*0.
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Ti-
Ge-
kot.
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Pb,Sn
Pb,Sn
Pb.So
PbSn
PbSn,
PbSo4
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Sri, Cd
So, Cd
So, Cd
So Cd
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87,31
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8,1»
8,09
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8,18
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8,71
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10,21
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15 ,8
16 ,0
10,15
15 ,9
10,11
+0,04
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22,28
10,56
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10,50
16 ,0
16 ,2
16 ,5
10,57
16 ,2
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16,04
10,70
10,85
10,79
16 ,2
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19 ,0
10,78
18 ,6
10,86
-0,08
10,92
ZioD-Cadmiam l'.cibe,
88,06
12,82
12,63
12,71
22»,0
22 ,1
22 ,1
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22»,1
12,72
12,97
83,10
13,39
13,13
13,17
22 ,0
22 ,2
22 ,6
13,23
22 ,3
13,25
—0,02
13,58
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14,30
14,45
20 ,0
20 ,2
20 ,4
14,44
20 ,2
14,53
— 0,09
15,00
55,14
16,1«
19.14
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21 ,0
21 ,0
16,14
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18,55
18,47
SnCd,
23,50
19,72
19,42
19,71
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20 ,5
19,62
20 .3
19,60
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19,97
19,91
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17,00
20,55
20,28
20,44
20 ,2
20 ,7
20 ,6
20,42
20 ,5
20,29
-H),13
20,58
20,53
Sn.Zn
i
Sn.Zr.
Sn,Zn
SnZn
SnZo,
SnZn,
Cd.Zo
Crt.Zo
Cd, Zu
91,28
12,77
12,68
12,63
21', 2
21 ,4
21 ,4
Ziafc B
12,66
eihe.
21 »,3
12,84
-0,18
1
13,72
87,46
13,34
13,35
13,26
20 ,0
20 ,0
20 ,Q
13,22
20 ,0
13,45
—0,14
14.64
77,71
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15,25
15,20
20 ,0
20 ,0
20 ,0
16,28
20 ,0
15,00
+0,28
16,76
63,56
17,32
17,36
17,36
19 ,8
19 ,8
20 ,2
17,35
19 ,9
17,26
+0,08
19,42
46.58
19,57
19,67
19,67
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21 ,0
21 ,4
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22 ,1
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22,42
22,18
20 ,0
20 ,0
20 .2
22,28
20 ,1
22,56
—,017
24,20
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89,49
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20 ,3
22,86
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206
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20 ,7
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209
T
belle
III.
Ufirung.
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0,91 1
0,901
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0,904
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0,610
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1,213
Bi„„Pb
99,57
0,437
0,422
0,424
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24 ,9
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0,428
24 ,8
1,218
BisiPb
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0,307
0,308
0,315
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0,310
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1,223
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0,293
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25 ,0
25 ,0
0,291
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1,23
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99,11
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1,25
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0,259
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23 ,0
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0.261
22 ,9
1,28
B;„Pb
98,24
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0,258
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0,257
24 ,1
1.31
B;„pb
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0,271
0,289
0.289
0,288
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24 ,0
24 ,1
23 ,8
23 ,8
24 ,0
0,271
0,289
24 ,0
23 ,9
1,33
1.39
Bi„Pb
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0,305
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23 ,5
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0,303
23 ,5
1,42
B;„Ph
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0,316
0,314
0,310
21,0
21 ,3
21 ,5
0,313
21 ,3
1.46
B.'.Pb
91,89
.0,357
0,358
0,356
22 ,0
22 ,9
23 ,0
0,357
22 ,6
1,53
Poggend
.11'» Ann
1. Bd. CX.
2fl>
Legiraag.
Volam-
Proemi.
GciBDdCDC)
Leitaogtft-
bigfceit.
V
■ ■ 1 k ■
Tcmp.
•
Mittel.
Temp.
i
■
Leitavfsft-
higkeit be-r
fetilBCt DMSD
den Volwrt
BicPb
93,31
0»402
0,402
0,412
MM
21 ,4
21 ,8
0,405
•
2l°,5
1,63
Bi4M>
90,28
0,513
0,9«
0,527
19 fi
20,0
10,2
1
0,521
29,0
1,83 '
Bi9Pb
82,29
0,856
0,872
0,850
19 ,8
19 fi
20 ,0
0,859
19,9
2,35
BiPb
09,91
M4
IM
lf38
19 .2
19 ,2
19 ,2
1,41
19,*
«,M
BiPb,
53,74
2,09
2,12
2,07
21 ,6
22 ,4
22 ,6
2,09
22 ,2
4,23
BiPb4
36,74
2,83
2,88
2,89
22 ,7
22 ,8
22 ,0
2,87
22 ,5
5,35
BiPbö
27,91
3,45
3,49
3,47
20 ,8
21 ,5
21 ,6
3,47
21 ,3
5,93
BiPb8
22,50
4,00
4,05
4,01
21 ,6
21 ,6
21 ,8
4,02
21 ,7
6,29
BiPblt
18,85
4,32
4,35
4,38
20 ,8
20 ,8
21 ,0
4,35
20 ,9
6,53
BiPbs4
8,83
5,51
5,59
5,54
24 ,2
24 ,5
24 ,5<
5,55
24 ,4
7,19
BiPb1M
2,27
7,00
7,11
6,97
23 ,9
24 ,0
24 ,2 |
7,03
24 ,0
7,62
Antimon -Blei Reihe.
Sb9Pb
SbPb
TOD Sb
80,00
2,92
2,84
2,83
24*,0
24 ,3
24 ,3
2,86
24°,2
66,67
3,26
3,29
3,37
26 ,2
26 ,4
26 ,3
3,31
26 ,3
i
4,99
5,45
Legini ng.
Volnro-
Procent.
Gefundene
Lti'iu»«|Jl-
w
MiutL
T«mp.
LaitongtlX-
higkeii be-
rechnet' tneti
d«m Toi um.
SbPb,
&0,00
3,99
3,94
3,85
23«,2
23 ,3
23 ,7
3,93
28*,4
6,03
S> Pb,
33,33
4,81
4,67
4,67
24 ,0
24 ,0
24 ,2
4,72
24 ,1
6,61
SbPb,
1*5,00
5,48
5,52
5,55
26 ,0
26 ,1
26 ,3
5,52
26 ,1
6,90
SE.PL,,
16,66
5,98
6,05
6,00
26 ,2
25 ,6
26 ,6
6,03
25 ,4
. 7.1»
SbPb,«,
9,09
6,69
6,61
6,63
26 ,5
25 ,6
25 ,5
6,64
26 ,6
7,45
SbPb,,
3,86
7,04
7,06
7,16
23 ,5
23 ,7
23,9
7,09
23,7
7,64
Pb„<\D
94,96
5,89
5,83
5,81
24»,0
26 ,0
263
5,84
26*,4
Pb„Au
89,91
4,36
4JW
4,28
22 ,8
23 ,0
23,1
4,31
23 ,0
Pb,A„
87,70
3,79
3,79
3,71
26 ,0
26 ,0
26 ,2
3,76
26 ,1
Pb,Ao
84,26
2^3
2,85
2,81
19 ,6
19 ,8
19 ß
2,83
19 ,7
PI», Au
78,10
3,02
3,01
3,00
21 ,6
22,4
22 ,8
3411
22 &
Pb.An
64,07
8,60
3,58
3£9
16 ,0
17 ,0
a*w
16 ,8
212
Gefundene
l.i iliirifif.i-
Ülci- Silber HclUe.
PbSDAg
97,69
7,87
7,91
7,95
25*,2
25 ,4
25 ,4
7,91
25»,3
Pb»Ag
94,64
8,14
8,03
8,01
24 ,0
24 ,0
25 ,0
8,06
25 ,3
Pb.Ag
87,60
8,50
8,49
8,48
26 ,4
26 ,6
26 ,8
8,49
26 ,6
Pb.Ag
77,94
9,02
9,00
8,92
26 ,0
26 ,2
26 ,2
8,98
26 ,1
Pb,Ag
63,86
10,72
10,64
10,67
14 ,8
16 ,0
16 ,0
10,68
15 ,6
PbAg
46,96
11,60
11,81
11,66
16 ,0
16 ,6
16 ,8
11,69
16 ,5
PbAg,
30,64
15,95
15,45
15,48
13 ,6
13 ,8
14 ,3
15,63
13 ,9
Pbu.Ag
1.39
47,66
47,81
47,70
23 ,5
24 ,0
24 ,0
47,92
23 ,8
Pb u. Ag
0^9
67,36
66,92
67,11
22 ,0
24 ,0
24 ,2
67,13
23 ,4
In den beiden lelrteu LegiruDgcn wurde die Menge i
Analjte oicbgeincMD.
Wiinmlli-Ziuri Reibe.
Lei langt Hi -
h.gkch be-
!!■ Iin.-t n»eh
dem Volum.
12,71
19,20
28,11
41,10
56,73
71,74
98,72
99,18
Silbe» durch
BhhSd
99,81
1,08
1,08
1.97
25", 0
25 ,2
25 ,3
1,08
25*,2
Bi^Sn
89,68
0,420
0,414
0,42t
27 ,0
27 ,0
27 .2
0,418
27 ,2
BiuSa
99,38
0,262.
0,267
0,262
26 ,2
26,4
26 ,4
0,264
26,3
"
213
I<(irung.
Volum -
Prownl.
L.iumg.fä-
ügkA.
-
MTlicI.
Temp.
LcilODgtfS-'
tthntl nacli
cm Volum.
b;„Sd
99,15
0,246
0,244
0,244
26e,7
26 ,9
26 ,9
0,245
26» .8
1,28
Bi„Sn
98,76
0,256
0,253
0,256
23 ,6
23 ,8
24 ,8
0,255
24 ,1
1,32
Bi,„Sn
96,38
0,352
0.357
0,360
24 ,4
24 ,8
24 ,8
0,356
24, 7
1,56
Bi«So
94,11
0,513
0,515
0,510
29 ,6
29 ,8
29 ,7
0,513
29 ,7
1.79
Bi.Sn
91.«
0,630
0,629
0,637
29 ,4
29 ,6
29 ,8
0,632
29 ,6
2,07
Bi,Sn
BIS»
84,19
72,70
1,03
1,02
1,06
2,22
2,23
2,28
30 ,0
29 ,9
29 ,9
28 ,3
28 ,5
28 ,7
1,04
29 ,4
2,81
2,24
28 ,5
3,99
BiSn,
57,10
3,93
3,97
3,97
25 ,6
25 ,7
25 ,8
3,96
25 ,7
5,59
BiS0l
40,05
5,84
5,65
a,83
23 fi
24 ,2
24 ,4
5,84
23 ,9
7,35
BiSn,
30,81
7,02
7,12
6,99
27 ,8
28 ,0
28 ,0
7,04
27 ,9
8,29
Bi5.i„
25,04
7,79
7,82
7,84
24 fi
24 ,8
25 ,0
7,82
24 ,9
8,89
BiSo„
5,73
10,22
10,43
10,57
24 ,0
24 ,4
24 ,3
111,41
24 ,2
10,86
Sit Sa«
VOD Sl.
36,42
An tili
6,03
6,04
6,lä
od -Zinn
20",8
20 ,7
20 ,7
Keil».
6,07
20*,7
8,81
2)4
Legirung.
Volum -
Procem.
Gefundene
Leituug.ß-
i.;skeit.
-
Mittel.
-
Lei.nng.fS-
lilgbeit be-
rechnet nach
dem Volum.
ShSa,
37,63
6,63
6,56
6,60
20» ,3
20 ,3
20 ,5
6,56
20' ,4
9,47
SbSo10
18,64
7,21
27 ,0
10,12
10,71
SbSo»
10,28
7,66
7,66
7,78
27,4
27 ,4
27 ,4
7,70
27 ,4
SbSn„
M2
8,52
8,48
8,47
37 ,0
27 ,0
27 fi
8,49
27 ,0
11,06
SbSö|„0
2,24
9,62
9,64
9,60
25 ,2
25 ,8
26 ,0
9,62
25 ,7
11,29
SbSn,00
1,13
10,01
9,91
10,02
27 ,7
27 ,9
28 ,0
9,98
27 ,9
11,37
Von der I.eglruog SbSnIB
den Verlachen angegeben, w
icbl übereinjtim
7,70 !,,,..
Zinn-Gold Reibe,
98,73
11,21
11,05
11,07
24",9
22 ,0
24 ,0
11,11
23',6
95,89
9,89
9,89
10,12
23 ,8
23 ,8
23 ,8
9,97
23 ,8
93,33
9,31
9,11
9,11
23 .9
24 ,0
24 ,7
9,18
24 ,2
90,32
7,66
7,81
7,81
19 ,8
19 ,8
19 ,8
7,76
19 ,8
86,15
6,05
6,19
6,16
20 ,2
20 ,0
17 ,4
6,13
19 ,2
82,35
4,97
4,99
4,98
21 ,6
21 ,6
21 ,8
4,98
21 ,7
79.54
4,30
4,25
4,30
21 ,2
21 ,2
21 ,5
«
21 ,3
17,40
19,96
22,30
Legironj.
Volum -
Gefunden«
Uimng.fi-
higkeir.
''-
Millcl.
t™p.
higkrlt 1.,
i-urlinrl ...ich
de.» Vcluru.
Sc.Au
So Au
SdAu
Sa Ad
75,67
70,00
60,87
43,75
28,00
2,11
1,17
5,IS
5,10
5,11
8,86
8,80
8,92
14,18
14,08
14,54
8,91
8,85
8,89
5,20
5,15
5,19
13,14
13,10
13,13
19,84
19,43
19,51
21°.4
22 ,8
22 ,8
20 ,6
21 ,0
21 ,5
17 ,4
18 ,2
18 ,6
14 ,6
16 ,0
17 ,2
14 ,0
17 ,0
14 ,0
20 ,6
21 ,6
20 ,0
18 ,4
19 ,n
19 ,0
5,12
8,86
14,27
8,88
5,18
13,12
19,59
22 ,3
21 ,0
18,1
15 ,9
15 ,0
21 ,4
18 ,8
26,41
29,90
35,51
46,03
55,72
71,58
72,16
Sni«.Ag
99,28
11,29
11,37
11,46
2I°,B
21 ,8
22 ,0
11,37
21°,9
5DloA(
99.47
11,52
11,34
11,51
SO ,6
20 ,0
20 ,2
11,46
20 ,3
SnMAg
96,52
11,41
11,49
11,48
19 ,8
20 ,4
20 ,6
11,46
20 ,3
SuMAg
94,87
11,65
11,57
11,49
20 ,3
20 ,3
20 ,2
11,57
20 ,3
«tt«
93,28
11,62
11,5t
11,55
19 ,7
20 .0
20 ,6
11,56
20 ,1
Sn„A|
»0,25
11,56
11,58
11,46
20 .4
20 ,5
19 ,5
11,53
20 ,1
Lcgimng.
Vulum-
Gefundene
l.iiliinc'l.i-
hi(Kfii.
t™p.
Miiul.
rcitiragiia-
IMtb Lc-
r«Wl n«k
du» Votum.
Su.Ag
So.Ag
Su,Ag
SnAg
SuAg
82,23
75,51
60,66
2,01
0,93
12,22
12,17
12,28
12,70
12,40
12,65
14,40
14,75
13,91
23,97
23,86
24,01
35.57
36,08
35,47
23',7
23 ,3
23 ,0
19 ,7
19 ,8
20 ,0
20 ,3
20 ,8
20 ,8
20 ,5
20 ,5
20 ,7
20 ,6
20 ,8
20 ,8
12,23
12,58
14,35
23,95
35,70
33» ,3
19 ,8
20 ,6
20 ,6
20 ,7
37,19
33,14
46,28
98,22
99,17
In den beiden hl;
a Legirungcn wurde <U» Silt
W«moth-Goln Reib*.
b;„Au
BI.Ao
Bit Au
Bi,Au
BiAu
89,47
1,02
1,01
1,00
24 ,0
24,4
1^1
24«,0
98,81
0,993
0.991)
1,010
21 ,5
21 ,7
21 ,7
0,998
21 ,6
97,64
1,08
1,10
1,10
19,7
20 ,0
W ,0
139
19 ,9
94,31
1.3A
1,26
1,25
21 ,7
21 ,9
32 ,6
1,28
21 ,9
89,23
1,41
1,43
1,43
22 ,6
22 ,7
22 ,6
1,42
22 ,6
80,55
1,80
1^5
1,81
13,4
13 fi
14,0
1,82
13 ,7
«7,43
2,90
3,98
2,98
15^
14 ,2
18 ja
3,95
14 3
2,88
5,27
8,92
217
Legiruog.
Volum -
Procent,
Gefundene
Leitungsft-
higkeit.
Temp.
Mittel.
Temp.
Leituogsfa-
higkeit be-
rechnet nach
dem Volum.
von Bi
B'woAg
99,76
*
BiMAg
99,04
b;ma(
98,01
Bi„Ag
96,10
Bi.Ag
92,49
Bi.Ag
89,15
Bi,Ag
80,42
BiAg
67,23
BiAg,
50,64
BiAg4
33,91
Bi u. Ag
2,33
\Vismuth- Silber Reibe.
1.11
1,12
1,13
1,08
1,12
1,12
1.U
1,14
1,15
1,34
1,29
1,33
1,64
1,65
1,67
1,78
1,77
1,78
2,48
2,47
2,41
3,33
3,32
3,26
4,60
4,78.
4,60
7,95
8,11
8,18
48,33
47,34
47,94
21 »,5
21 ,0
21 ,5
1,12
21 »,3
«,4
21 ,5
21 ,2
Ml
21 ,4
21 ,5
21 ,5
21 ,3
1,14
21 ,4
18,9
20 fi
20 fi
1,32
19 ,9
21 ,5
21 ,5
21 ,8
1,65
21 ,6
20,1
20 ,4
26,4.
1,78
20 ,3
20 ,0
20 ,0
20 ,2
2,45
20 ,1
21 ,0
21 ,5
21 ,8
3,30
21 ,4
22,2
22 ,4
22 ,5
4,66
22 ,4
19 ,7
20 ,6
20 ,5
8,08
20 ,3
22 ,6
22 ,0
24 ,2
47,87
22 ,9
1,43
2,14
3,16
5,05
8,61
11,92
20,54
33,56
49,95
66,49
97,70
Die Menge des Silben in der leisten Legiruog wurde analytisch bestimmt
Au u. Gu
von Au
97,72
Gold -Kopfer Reibe.
46,59
46,64
46,76
18%6
19 ,4
19 ,4
46,66
19»,1
73,34
Lcptt.fr
Volum -
Gefundene
Lciiuogtfi-
liigleit.
t™p.
Miiul.
liii mir
fc,DP- rechne, „arh
Au ...Co
95,67
32,97
32,94
33,11
19*,4
19 ,4
19 ,4
33,01
19*,4
73,75
Auu.Cu
91,54
22,23
22,65
22,46
17 ,5
18 ,2
18 ,1
22,46
17 .9
71,58
Au u.Co
83,83
15,22
15,38
15,44
20 ,2
20 ,3
20 ,3
15,35
20 ,3
76,16
Auu Cu
73,15
12,41
■2.80
12,77
19 ,0
19 ,8
20 ,0
12,66
19 ,6
78,32
Aou.Cu
53,20
11,31
11.55
11,50
17 ,2
18 ,0
18 ,2
11,45
17 &
82,37
Aon Cu
38,05
12,55
12.52
12,40
20 ,0
20 ,2
20 ,1
12,49
20 ,1
85,44
Auu.Co
31,07
13.93
13,94
14,14
17 ,0
17 ,2
17 ,2
14,00
17 ,1
86,91
Auo.Cn
19,36
19,79
19,82
19,98
16 ,S
17 ,0
17 ,0
19,86
16 ,9
89,23
Au u.Cu
11,43
28,59
28,61
'.19,03
19 ,4
19 ,5
19 ,6
28,74
19 ,5
90,84
Auo.d
9,06
32.97
13,34
33,18
17 ,0
17 ,0
17 ,0
33,16
17 ,0
91.32
Ao u.Ca
3.53
53,20
53,09
53,25
18 ,0
18 ,2
18 ,1
53,18
IS ,0
92,44
Au u.Cu
1,64
65,10
65,80
66,00
18 ,0
18 ,2
18 ,1
65,36
18 ,1
92,82
Die Heagc de* Golde* wurde- in
durch die Amijm leitgettellt.
«im uill ich cu Lecirungen diuer Reihe
LeilungilS
rochaet nach
dem Volum.
Au„Ag
»OB All
98,81
Gol
59,41
69,41
68,46
■Silber R
«•,7
26 ,0
26 ,6
69,09
25*,1
Au,,Ag
98.23
62,60
63,23
5S\90
26 ,6
25 ,7
25 ,8
63,24
25 ,7
Au„Ag
97,27
48,86
48,79
48,92
26 ,8
25 ,8
26 ,0
48,86
25 ,9
Au,«Ag
94,07
37,93
37,87
38,67
26 ,2
26 ,4
26 ,5
38,12
26 ,4
...A,
88,80
28,47
28,22
29,06
26,6
26 ,6
26 fi
28,58
26 ,6
Ao.Aj
86,61
25,12
21,96
24,90
21 ,2
21 ,4
22 ,0
24,99
21 ,5
*,».
79,86
20,86
20,95
20,91
20 ,6
21 ,0
21 ,2
20,91
20 ,2
Av»A(
66,47
16,29
16,06
16,22
20 ,0
20 ,2
20 ,4
16,20
21 ,0
AuAg
49,79
14,68
14,60
14,60
22 ,0
22 ,2
22 ,5
14,59
22 ,2
A,.Ag,
33,14
16,32
16,25
lti,3I
19 ,6
20 ,0
20 ,0
Iß,30
19 ,9
A«A„
19.86
21,00
20,86
20,80
21 ,0
21 ,2
21,4
20,91
21 ,2
AuAg.
14,18
25,36
26,22
25,18
19 ,0
20 ,2
20 ,4
25,29
19 ,9
AuAg,
11,02
29,93
29,69
30,00
19 ,3
19 fi
19^
29,87
19,5
73,67
74,54
75,96
76,83
78,38
82,01
86,52
91,03
94.62
»6,16
97,02
^^BJ
220
Lcgirung.
Volum -
Pro«Dt.
Gefunden.
l.igk«..
,„,
Mine 1.
w
Lrlinngt[,i-
rschael aacli
d™ Volum.
AuAg,,
5,84
41,16
U. IS
41,24
20',2
20 ,6
20 ,7
41,19
20'3
98,42
AuAg,,
■2,68
56,41
56,72
56,49
23 ,6
23 ,8
24 ,0
56,54
23 ,8
99,27
AuAg,.
1,74
61,05
60,27
60,56
21 ,8
22 ,0
21 ,9
60.63
21 ,9
99,58
AllAgg,
U7
' 73,95
73,40
74,19
21 ,9
22 ,2
22 ,2
73,85
22 ,1
99,68
.„« n..
K„pf
r- Silber
Reihe.
Cuu.Ag
98,96
87,61
86,65
86,46
20 ',6
20 3
21 ,0
8631
20»,7
Cu u. Ag
97,94
80,01
79,21
78^3
19 ,6
19 3
19 ,8
7938
19 ,7
Cuu.Ag
94,84
76^9
76,21
75,62
19 3
20 ,0
20 ,2
75,64
20 ,0
Cu <i. Ag
89,83
70,52
69,38
69,86
21 ,0
21 ,2
21 ,2
69,92
21 ,1
«..*
78,33
67,74
6732
68,19
18 ,6
19 ,0
18 ,8
67,82
18 ,8
c.„».
67.45
6837
68,00
67,33
19 ,0
19 ,0
19 ,0
67,90
19 ,0
Cuu.Ag
63,29
68,28
67,88
68,31
24 ,0
22 ,2
22 ,5
68,18
22 ,2
Cu u. Ag
45,37
67,12
6735
67,61
18 3
19 ,0
19 ,0
67,43
19 ,0
Cn u. Ag
38^7
65,13
64,54
65,15
19 3
19 ,6
19 3
64,94
19 ,6
93,86
94,64
95,38
9537
95,89
97,34
Legirung.
Volura-
Procent.
Gefundt-nc
Leitungsfa-
lugkeit.
Temp.
Mittel.
1 cmp.
Leitungsfn-
higkeit be-
rechnet nach
dem Volum.
Cu u. Gu
28,21
68,25
62,55
62,30
17°,4
17 ,2
17 ,0
62,71
17 »,2
98,07
Cu u. Ag
17,84
63,83
63,48
63,82
17 ,0
17 ,0
17 ,0
63,71
17 ,0
98,74
Cu u. Ag
13,15
67,86
67.50
66,96
17 ,0
17 ,6
18 ,0
67,44
17 ,5
99,10
Cu u. Ag
6,12
75,19
74,37
73,87
16 ,5
16 ,8
17 ,0
74,48
16,8
99,58
Cu u. Ag
3,23
78,32
78,60
77,78
17 ,0
17 ,0
17 ,2
78,23
17 ,1
•
95,78
Cu u. Ag
2,01
84,69
83,42
83,31
16 ,8
17 ,0
17 ,2
83,80
17 ,0
99,86
In allen Legirun|
bestimmt.
en dieser R
eibe wurd
e die Men|
;e des Silbers analytisch
T
abelle
V.
HgSn
3,82
3,74
22»,0
22 ,0
33,78
22»,0
Pb und
0,10 Pd
6,22
6,22
24 ,5
24 ,5
6,22
24 ,5
Sn und
0,10 Pd
9,02
9,10
24 ,0
24 ,5
9,06
24 ,2
Pbund
0,10 Pt
5,21
5,15
21 ,2
21 ,5
5,18
21 ,4
Snund
0,10 Pt
9,38
9,37
21 ,0
22 ,2
9,37
21 ,1
Sn und
0,25 Fe
9,82
9,60
20 ,5
20 ,5
9,71
20 ,5
Sn und
0,10 AI
23,94
24,10
24 ,4
24 ,5
24,02
24 ,5
London,
im Nora
ober 1859.
HL Ueber die elektrische Leitungsfähigkeit des, reinen
Kupfers und denn Verminderung durch Metalloide
- - - und MetaUet -, — — --
von A. Matthie/sen und M. HoUmanfl, -
Da die elektrische Leitungsfahigkelt käuflicher Knptet.
sorten Öfters so aaCserordentUch niedrig gefanden witd, ohne
dafs bedeutendere Mengen von Veranreiniguag darin ent-
halten waren, so schien es vori Interesse, den Einflufe etwas
genauer zu unterencben, welchen nicht allein fremde Me-
talle, sondern namentlich auch Metalloide auF die Leittmgs-
fahigkeit des reinen Kapfers ausüben. Vor Allen hielten
wir es aber für nöthig, die letztere selbst festzustellen, da
die bisherigen Angaben verschiedener Beobachter sehr be-
deutend differiren. Setzt man nämlich die Leitungsfähigkeit
des reinen Silbers gleich 100, so ist die des Kupfers nach:
Riet«') Im»') H. D.rj') Chri.tie') Barrla*)
67,2 73,4 91,2 66,0 100,0
Buff) Ponillet') Arndleen»).
95,4 73,0 98,69
Wir unternahmen daher, das Kupfer sowohl auf che-
mischem, als auf elektrolytiscbem Wege rein darzustellen,
und wir bestimmten aufserdem auch käufliches galvanisch
niedergeschlagenes Kupfer. Mit sämmtlichen Sorten erhiel-
ten wir Wertbe, welche in die Feblergränzen der Beob-
achtungen bei ein- and derselben Sorte fielen. Käuflicher
1 ) Di™ Add. Bd. 45. S. 20.
2) Die» Anoil. Bd. 45, 5.105.
3) Gmelio, Bd. I, S.289.
4) Baff, Grundrib der Phyiik, S. 348.
5) Müller, Lehrbuch der Phteik, Bd. 2, S. 202.
6 ) Die.« AddiI. Bd. 104, S. 1.
NB. Die Temperaturen lind ran deo meinen der obigen Beobachter leider
Dicht mit engefebcDi aar die Zihlen ron Lern und Arndlsen, welche
die Leitongifahigkeit bei rer»ch jeden eo Temperaturen bcttimmlen, «nd
lür 0* berechnet.
223
reiner Kupfervitriol wurde in Wasser gelöst, filtrirt, nach
dein Ansäuern durch Schwefelwasserstoff gefallt, das Schwe-
felkupfer in Königswasser gelöst, die filtrirte Flüssigkeit in
der Wärme mit einem groisen lieberschuls von kohlensau-
rem Natron niedergeschlagen und das geglühte Kupferoxyd
durch reinen Wasserstoff reducirt. Das auf galvanischem
Wege erhaltene Kupfer war aus der nämlichen Kupfervi-
triollösung durch eine sehr schwache Ihm seil 'sehe ftattcrie
langsam niedergeschlagen: als Kathode diente ein mit Oel
überzogenes Plalinblech, als Auode ein Plnlindrnht.
Zur Bestimmung der Lcitungsfahigkeit wurde die Me-
thode angewandt, welche der eine von uns in diesen An-
nalen Band 101), S. I7S, naher beschrieben hat. Die Drähte
waren säinmtlieh hart gezogen, besafsen einen Durchmesser
von 0,25—0,5 Millimeter und eine Lange von 0,5—1,5 Me-
ter; von jeder Kupfersorte wurden zwei oder drei Drahte,
gewöhnlich mit verschiedenem Durchmesser, bestimmt. Als
Leitungsfähigkeit (verglichen mit einem hart gezogenen Sil-
berdraht sc 100 bei 0° C) erhielten wir folgende Zahlen:
1. Auf chemischein Wege a) 02,63 bei I8°,0) Mittel:
gereinigtes Kupfer: 6)93,36 - 19 ,2(93,00 bei 18n,6.
2. Galvan. niedergeschla- a) 93,81 bei 19°,7) ... ,
13,46 bei 20",2,
Mittel:
;\93,02 bei 18°,
genes Kupfer, nicht b) 93,56 <
geschmolzen: c) 93,00 ■
. Käufliches g.ilvauopla- a) 92,21 bei IB\0j
stisches Kupfer, nicht b) 93,01
geschmolzen: c) 93,81 ■ 18 ,7 T
Dasselbe ineinemPor- ^ ^ ^
celanrohrnn Wasser- _ ^ ^ ^
stoff ström geschmolz.:
. Dasselbe, „ach der „,,- a) ^ bei „.^ „^
thode geschmolzen:
Das Mittel aus diesen zwölf Bestimmungen giebt demnach
für die Leilungsfabigkeit des Kupfers die Zahl:
93,08 bei 18°,9.
224
Da schon früher von Peltier1) beobachtet worden
ist, dafs Kupferdrnht nach dein Glühen besser leitet als
ungeglülit, so wiederholten wir diesen Versuch, indem ein
aus galvanisch niedergeschlagenem, uwgeschmolzenem Kupfer
hart gezogener Draht bestimmt, in reinem Wasserst off gas
geglüht, und dann wieder bestimmt wurde. Zwei Versuche
bestätigten die Angabe Peltiers vollkommen:
a) hart gezogen: 95,31 bei II ",t).
nach dem Glühen: 97,83 - 11 ,0;
b) hart gezogen: 95,72 » 11 ,0,
nach dem Glühen: 98,02 - 11 ,0.
Der Unterschied zwischen harten und geglühten Drähten
beträgt demnach beim Kupfer etwa 2,5 Proc. der Leitungs-
fähigkeit; weit gröfser ist derselbe bei Silberdrähten, wie
aus nachstehenden Zahlen hervorgeht:
ä) hart gezogen: 95,28 bei 14°,0,
nachdem Glühen: 103,98 » 14,8;
6) hart gezogen: 95,36 - 14 ,6,
nachdem Glühen: 103,33 « 14,6.
Der Sauerstoff wird vom Kupfer (aller Wahrscheinlich-
keit nach als Kupferoxydul) hartnäckig zurückgehalten, und
es gelingt nicht, denselben durch Schmelzen mit Flufsmitteln
gänzlich aus dein Kupfer zu entfernen; sogar Wasserstoff,
wenu er Stunden lang über geschmolzenes Kupfer geleitet
wird, scheint den Sauerstoff nicht vollständig hinweg-
nehmen zu können. Auf der andern Seite nimmt das ge-
schmolzene Kupfer an der Luft mit so grofser Energie
Sauerstoff auf, dafs es nicht möglich ist, beim Ausgiefsen
des Metalls in die Formen Oxydation zu verhindern. Nach
vielen vergeblichen Versuchen, um diesem Uebelstande vor-
zubeugen, gelaugten wir endlich zu einer Methode, die eben
so einfach als zweckentsprechend ist. In einem gut ziehen-
den Ofen wird eine Muffel eingemauert, deren Inneres nicht
mit dem Feucrraum des Ofens in Verbindung steht, und
deren Mündung durch die Thiir des Ofens geschlossen wird.
Durch das obere der in die Thür gebohrten zwei Löcher
1) Ann. <1* Cnim. tl Phyi. T. 56. />. 371-
225
ein Verbrennungsrohr etwa einen Zoll weil in die
Muffel hinein, und durch das untere ist eiue irdene Pfeife
mit langem Stiel bis au die hintere Wand der Muffel ge-
hoben. Im Pfeifenkopfe, dein die Wölbung der Muffel
i Deckel dient, liegt das Metall, während der Pfeifenstiel
i Wasserstoff-, das Verbrennungsrohr mit einem
.ohlensäure- Apparat verbunden ist. Der Wasserstoff sl reicht
durch Kali, salpelersaures Silber und concentrirte Schwefel-
säure, die Kohlensäure wird durch kohlensaures Kali und
concentrirte Schwefelsäure geleitet. Sobald das Kupfer')
geschmolzen ist, wirkt der Wasserstoff nicht allein auf die
Oberfläche desselben eiu, sondern er ist genölhigl, Blase für
Blase durch das Metall hilldurchzustreichen, welches dadurch
in fortwährender Bewegung erhalten und Überall der Ein-
wirkung des Gases ausgesetzt wird. Ist die zur Operation
verlangte Zeit verstrichen, so löst man vom Wasscrsloff-
Apparat das Zuleitungsrohr ab, saugt das geschmolzene Me-
tall vorsichtig in deu Pfeifensliel hinein und zieht die Pfeife
aus der Muffel. Zerschlägt man nach dem Erkalten die
Pfeife, so hat man das Metall schon in der Form eines
Drahtes, der sich mit Leichtigkeit dünner ziehen läfst. Eiu
Blick auf die beigegebeue Zeichnung wird die Art und
Weise der Schmelzung deutlich inachen. Fig. 2 Taf. VI
stellt die Operation in vollein Gange dar, Fig. 3 zeigt die
Form des Metalls nach beeudigter Schmelzung. Zur Prü-
fung der Methode wurde das oben unter 3. angeführte
Kupfer benutzt; es gab, nachdem es etwa eine halbe Stunde
in geschmolzenem Zustande erhalten worden war, folgende
Zahlen:
a) 92,57 bei 17u,8 j
fi) 93,« - 17 ,
Wir haben auf diese WTeise nicht allein das Kupfer vor
Einwirkung der atmosphärischen Luft geschützt, sondern auch
dem oxydirten Kupfer deu Sauerstoff entzogen. Ueberhaupt
wurden alle Kupfersorten, die wir untersucht haben, nach
I ) El winden tu jeder Schmelzung gewöhnlich etwa nein Gramm hnjifn
genommen.
PnCKndnrlT. Aiu.l BJ CX. \"^
Mittel: 92,99 bei 17°,
dieser Methode gfrchmohwu nur bei V-erbfagamgdea sTnsfail
not den Stoffen, die dnrdi Wumihnf ■tawMMHHCwMF
durch toMWW -*Mm
oder das Metall nur eben um Schmelzen gebneht- «ivJ
dann wiederholt umgeschmolzen. '■■ "
'Wir haben nicht versucht, die Menge dea Sanetatatt
durch Analyse festzustellen, da die direeten Bestiansananai
desselben keine hinreichende Genauigkeit geliefert hall—
wurden1), and weil »ach die KapferbetÜmmaDgen haaner
noch not nt groben Fehlerquellen behaftet sind, aladatJ
man bei einer veihllrrriferoaJirig ao geringen Menge von Sana*-
Stoff denselben ana dar gefundenen Qoanttttt des Kamfca»
berechnen konnte. Wir fahren daher nur die Zahle* ftr
die Leftungsflliigkeit an, welche das Kopier durch staaaa- ■
weise Entziehung des Sauerstoffs angenommen hatte. I)at
auf chemUchem Wege gereinigte Knpfer wurde mit etwas
Borax und dann mit Kochsalz geschmolzen (jedoch ohne
dafs das Metall mit der Salzmasse bedeckt gewesen wäre)
and in eine mit Oel eingeriebene Form von Messing aus-
gegossen. Es wurde hierauf im Wasserstoffstrom mehrere
Stunden laug in einem Porcellanrobx geschmolzen, und nach-
dem es darin erkaltet war, eine halbe Stunde bog nach der
oben beschriebenen Methode behandelt; es erhielt aber erat
nach dreistündigem Schmelzen in dieser Weise eine Lei-
tongsfabigkeil , welche mit der übereinstimmt, die wir für
das auf galvanischem Wege dargestellte Kupfer gefunden
hatten. Folgendes sind die Leitungsfahigkeiteu der verschie-
denen Stufen der Schmelzung:
1. Mit Borax und Koch- a) 69,44 bei 24°,2) „.
sab, bei Zutritt der 6) 69,38 - 23 •»! ^ JJTtL,. .
Luft geschmolzen: o) 69,30 - 24 fl)***1 *" ■ •*
1) A. Diak, io Kineo Bdiri*ea iar Mt Uli orgle du Kupfen (Phil. Mag.
Juni 1886), «hielt bei Aaweedans ttnebiedaier Methoden kell« be-
friedigenden HeMlute. San« im Laboratorium ron Profcuor Percy
«jugifEhrt«! Venoche «ad namentlich in Betreff du Stidutoff- Knpfcrt
a) 89,32 bei 17°,0)
) 91,07 * 17 ,8
' c) 88,40 - 17 ,4)
Mittel:
J.fiO bei 17°,1
227
_', Dasselbe im Porcel-
laurohr im Wasser- a) 87,20 bei 18ü,8* Mittel:
stoffstrom geschmol- 6) 85,50 » 19 ,0< 86,35 bei 18n,9
zeo:
3. No.2 '. Stunde nach
der oben beschrie-
benen Methode
schmolzen :
4. No. 2 drei Stunden a) 92,63 bei is .11, Mittel:
lang geschmolzen: b) 93,36 ■ 19 ,2 i 93,00 bei 18°,li
Aehnliche Resultate gab galvanisch niedergeschlagenes
Kupfer, das zuvor mit etwas Kochsalz bei Zutritt der Luft
geschmolzen war, als es successive auf die angegebene
"Weise vom Sauerstoff wieder befreit wurde:
i „ -nm-JL a t r. o) 73>20 b« *9°-2
1. Be,Zurntt der Luft J730g . ^
geschmolzen: p) ^ ( w g
2. Dasselbe | Stunde
nach der oben be-
schriebenen Methode
geschmolzen:
3. Dito 1 Stunde ge- o) 83,14 bei 16n,l
schmolzen: 0)82,25 » 17 ,0J 82,70 bei 16°,9
4. Dito 14 Stunde ge- a) 90,36 bei 19",7 Mittel:
Bchmolzen: (<) 91,00 ■ 19 ,7J 90.68 bei 19°,7
5. Dito 3 Stunden ge- a) 91,92 bei 18",5j Mittel:
schmolzen: 6) 92,76 - 18 ,lj 92,34 bei 18°,3
Es scheint hiernach die Bestimmung der elektrischen
Leitungsfähigkeit das sicherste Mittel zu sein, um in sonst
reinem Kupfer die Gegenwart von Sauerstoff nachzuweisen;
ferner erklärt es sich hieraus sehr einfach, warum die bis
berigen directen Bestimmungen der Sauerstoffmenge so we-
nig befriedigende Resultate gaben.
Obgleich der Kohlenstoff nach Karsten ') bis zu 0.2
Proc vom Kupfer aufgenommen wird, so gelang es uns
doch nicht, Drähte zu ziehen, die mehr als 0,05 Proc Koh-
1) Schweigt"'* Journal für Chemie und Phj.il, Bd. RS, S. 395,,
V»*
o) 76,27 bei 17
' fc) 75,55 - 17
! c) 75,38 ■ 17 ,8
Mittel:
73,32 bei 19°.5
Mittel:
75,73 bei 17",7
Mittel:
:
lenstoff eat halten hätten; aber schon diese geringe Menge
genügt, um die Leitungsfähigkeit des Kupfers ziemlich be-
deutend herabzudrücken. Galvanisch niedergeschlagenes
Kupfer, welches in kleinen Stücken mit Kohle geschichtet
und wiederholt damit unigeschmolzen wurde, ergab bei der
Analyse einen Gehalt von 0,05 Proc. Kohlenstoff: die Lei*
tungsfäbigkeit war:
o) 74,2» bei 18", 1 1 _,.,, . .
») 75,53 - |8g5JMUteI: 74,91 b«lfi^
Wir wollen nicht mit Bestimmtheit behaupten, dafs der
Kohlenstoff wirklich im Kupfer gelöst war; vielleicht konnte
derselbe nur mechanisch darin vertheilt seyn.
Der Phosphor verändert die Eigenschaften des Kupfers
in hohem Grade, auch wenn er nur in geringen Mengen
demselben beigemischt ist: die Farbe ist gelblich, die HSrte
vergröfsert sich a über ordentlich, wahrend die Festigkeit be-
deutend verringert wird, und die Leitungsfähigkeil nimmt
stärker ab, als bei irgend einer andern Verunreinigung.
Das Phosphorkupfer war dargestellt,' indem rother Phosphor
auf geschmolzenes Kupfer geworfen, das Metall schnell ab-
kühlt und noch ein- oder zweimal umgeechmolzeo wurde.
Die Menge des Phosphors wurde als phosphorsaure Magnesia
bestimmt.
1. Kupfer mit 2,50 Pro- a) 7,37 bei 17°,0j Mittel:
cent Phosphor: 6) 7,11 - 18 ,0( 7,24 bei 17°,5
2. Kupfer mit 0,95-Pro- o) 23,43 bei 22",3j Mittel:
cent Phosphor: b) 23,05, » 22 ,oj 23,24 bei 22", 1
3. Kupfer mit 0,13 Pro- o) 67,88 bei 20°,0 Mittel:
cent Phosphor: 6) 67,46 » 20 ,0 j 67,67 bei 20°,0
Schwefelkupfer scheint sich nicht in Überschussigem Kupfer
aufzulösen, sondern sich nur mechanisch .darin zu vertheilen.
Obgleich wir nämlich in einem Draht bei der Analyse einen
Gehalt von 0,16 Proc, Schwefel fanden, so war doch die
Leitungafä&igkeit verhSltnifnnSfsig so wenig vermindert, dafs
wir diese Erniedrigung der Brüchigkeit der Drähte zuschrei-
ben muteten. In Folge dessen wurde auch bei vier Be-
Stimmungen keine hinreichende Uebereinstimmung erzielt,
das Mittel derselben war 38,58 bei 19 ,1.
Durch Selen oder Tellur wird das Kupfer überai
brüchig, es ninitnt eine schmutzig graue Farbe und stark
kryslallinisches Gefüge an: wir waren daher nicht im
Staude Drahte von Kupfer zu ziehen, welches nachweisbare
Mengen der beiden Substanzen enthielt.
Wirft mau Arsen auf geschmolzenes Kupfer, so wird es
zum gröfsten Theil unter Zischen aufgenommen, der übrige
Theil verbrennt oder verdampft. Schmilzt mau diese Masse
noch einmal um, so erhalt man, schon bei sehr geringem
Proceutgehall von Arseu, ein sehr hartes, etwas sprödes
Metall von schmutzig grauer Farbe, das jedoch hinreichende
Dehnbarkeit und Festigkeit besitzt, um sich zu Draht ziehen
zu lassen. Es gelang uns, einen Kupferdraht mit 5,4 Proc.
Arseu bis zu einer i)icke von 0,29 Millimeter im Durch-
messer zu ziehen, und wir würden ihn noch dünner zu zie-
hen im Staude gewesen seyn. wenn uns feinere Zichplatlen
zu (tehote gestanden hätten. Es steht diefs mit neuerdings
aufgestellten Behauptungen in Widerspruch« dafs es nämlich
unmöglich sey, dünne Kupferdrähte zu ziehen, in denen
eine erhebliche Menge Arsen enthalten. — Das Arsen wurde
als arsensaure Ammoniak-Magnesia bestimmt, bei einer Probe
aber nur qualitativ im Marsh'schen Apparat nachgewiesen-
Die nachfolgenden Zahlen zeigen, dafs die Leituugsfähigkeit
des Kupfers durch Arsen in einer ebenso überraschenden
Weise als durch Phosphor erniedrigt wird.
1. Kupfer mit 5,40 Pro- a) 6,17 bei 16°,7j
cent Arsen: b) 6,19 > 17 ,ii\
. Kupfer mit 2,80 Pro- a) 12,97 bei 18",8
cent Arsen: b) 13,38 - 19 ,i\
I. Kupfer mit nochgerin- a) 57,72 bei 19"
Mittel:
6,18 bei I6U,
Mittel:
13,14 bei 19",
Mittel :
gcrer Menge Arsen: b) 57,89 • 19 ,9} 57,80 bei 19°,7
Die mehrfach .-»(geführten Beobachtungen '), dafs glühen-
des oder geschmolzenes Kupfer Ammoniak gas unter Bildung
, IM, 3, S. 411).
23U
ml
fkupfer zersetze, welche indessen schon von
Schröiv_. bestritten und von Dick widerlegt worden
aiod, vcraulafsten uns, auch in dieser Richtung eineu Ver-
such anzustellen. Ein Draht von reinem Kupfer, dessen
Leitungsfähigkeit bestimmt war, wurde eine Viertelstunde
lang in einem Verbrennuugsrohr geglüht, während ein Strom
trocknen Ammoniakgases darüber geleitet wurde; nachdem
Erkalten hatte sich weder das äufsere Ansehen, noch seine
Ductilität geändert, auch die Leitungsfähigkeit war dieselbe
geblieben. Es scheint also, dafs bei den früheren Versuchen
entweder sauerstoffhaltiges Kupfer, oder nicht vollständig
reines Ammoniak augewandt worden war.
Silicium und Bor, auf geschmolzenes Kupfer geworfen
und wiederholt damit um geschmolzen, vereinigen sich uicht
mit demselben und werden nicht davon aufgelöst.
Die Beeinträchtigung; der elektrischen Leitangsfabigkeft
des reinen Kapfers durch geringe Mengen fremder Metelle
ist nicht ganz so bedeutend, als der Einflufs, den die Me-
talloide darauf ausüben; jedoch bewirken namentlich des
Eisen and Zinn «ine sehr starke Erniedrigung der Leitungs-
fähigkeit. Die Metalle wurden mit dem Kupfer nach der
oben beschriebenen Methode legirt, welche hier besonders
den Vortheil gewahrt, dafs durch die unaufhörliche Dewe-
gnng des geschmolzenen Metalls eine möglichst vollständige
Mischung erzielt wird.
Die Mengen der mit dem Kupfer legirlen Metalle wur-
den analytisch bestimmt.
1. Kupfer mit3,20Pro- u) 56,96 bei 1<>°,0| Mittel:
cent Zink: &) 57,01 ■ 10 ,fij 56,98 bei 10°,:)
2. Kupfermit 1,60 Pro- a) 76,25 bei 15°,2 Mittel:
cent Zink: 6) 76,45 - 16 ,4J 76,35 bei 15°,8
3. Kupfer mit Sparen a) 85,67 bei 1S°,0{ Mittel:
Zink: 6) 84,43 - 20 Jü\ 83,05 bei 19 °,0
4. Kupfermit I,08Pro- a) 27,44 bei 14°,2) Mittel:
cent Eisen: b) 26,46 - 12 M 26,95 bei 13°,1
5. Kupfermit0,48Pro- a) 34,40 bei 1I",0 Mittel:
cent Eisen: 6) 34,72 •• 11 ,4( 34,56 bei 11",2
6. Kupfern]il4,90Pru- a) 19,35 bei 14°,8) Mitlei:
ceut Zinn: b) 19,611 - 14 .öj 19,47 bei 14°,4
7. Kupfermit2,52Pro- a) 32,49 bei 17°,«) Mittel:
cent Zinn: ») 32,79 • 17 ,2) 32,64 bei 17°,l
8. Kupfermitl,33Pro- a) 48,76 bei 16",8j Mittel:
ceul Zian: b) 48,28 - 16 ,8) 48,52 bei 16°,8
9. Kupfermil2,45Pro
cent Silber:
. Kupfern» 1 1,22 Pro
ceut Silber:
11. Kupferinit 3,50 Pro-
cent (iold:
o) 80,01 beil9",6)
b) 79,21 » 19 ,8,
c) 78,93
19 ,8
Mittel:
\ 79,38 bei 19°,7
a) 87,61 bei20D,6'
6) 86,65 » 20 ,6
c) 86,46 » 21 ,0]
o) 65,10 bei I8",0'
6) 65,80 - 18 ,2
c) 66,00 - 18 ,1
Mittel:
86,91 bei 20",7
Mittel:
65,36 bei 18°, 1
Wir vermochten nicht einen Draht von reinein Kupfer
zu ziehen, iu dem nur Spuren von Blei enthalten waren,
■la (Jiels augenscheinlich das Kupfer vollkommen mürbe und
brüchig macht. In Gmelin's Handbuch ist ebenfalls an-
gegeben, dafs Kupfer mit nur 0,1 Proc. Blei vreder zu
feinem Draht gezogen, nuch iu dünnes filech ausgewalzt
werden kann. Da nun aber in Kupfcrschrnelzereien eine
geringe Quantität Blei dem Kupfer zugefügt wird, um es
dehnbarer und zäher zu machen, so nimmt mau au, dafa
durch Ilinzufügung von Blei das vorhandene Kupferoxydul
reducirt werde. Indessen wurde nach den Aualysen von
J. Napier (Philo*. Mag. Vol. 5. p. 488) stets Blei gefun-
den, wo es hinzugefügt worden war, und zwar oft iu Men-
gen gleich dem Beirage des Hinzugefügten. Wir haben daher
iu dieser Richtung einige Versuche angestellt.
Es wurde zu Kupfer, das bei Zutritt von Luft geschmol-
zen war, 0,1 Proe. Blei oder Zinu hinzugesetzt, und die
Lcgtrung iu der Tabakspfeife in einer Kohlensäurealmosphäre
geschmolzen. Die Bestimmung dir elektrischen Leitungs-
fähigkeit ergab folgende Zahlen:
232
1. Leitfähigkeit des bd ,3 M.||eI:
="6C"*°d'e" KU|" 6) 81,15 - 13 ,6 83,91 bei 13»,3
fers:
2. Nach Zusatz von 0.1 a) 8»,E>5 bei 12",Oj Millel:
Proc Blei: 6) 89,42 » 13 ,8j 89,49 bei 12°,9
■■i) Nach Zusatz von 0,1 a) 90,00 bei U°,0 Mittel:
Proc Zinn: b) 89,80 » 14 ,tlj 89,90 bei 14\(t
o) 91,27 bei 13",8 Mittel:
oj 90,96 bei I3U,9
Die beim Kupfer zurückbleibende Menge des Blei's oder
Zinn's war so gering, clafs es unmöglich war, dieselbe quan-
titativ zn besliinmeu. Die Versuche beweisen indefs, dafs
durch Zusatz von Blei etc, zu suboyydhaltigem Kupfer ein
wirklich reineres Metall erhallen wird; und wir können ans
dem Vorsieh enden den Schlufs ziehen, dafs keine Kttpfer-
legirung existirt, welche die Eleklricilät besser leitet, als
reines Kupfer.
Es mögen hier auch die Bestimmungen eine Stelle finden,
welche mit mehreren Kupfersorten des Handels ausgeführt
wurden, und »war mit Drahten, die in Wasserstoffgas ge-
. glüht waren.
1. Spanisches Kupfer a) 13,57 bei U°,7j Mittel:
(Rio Tinto): o) 13,73 - 14 ,9) 13,65 bei 14°,8
2. Russisches Kupfer a) 57,34 bei 12",0) Mittel:
(Demidofl): b) 57,92 - 13 ,5) 57,63 bei 12",7
3. Englisches Kupfer ä) 68,24 bei I7°,2 Mitfei:
(Garkupfer) 6) 68,24 « 17 ,4) 68,24 bei 17-.3
4. Dito (s. g. Bright a) 69,56 bei 15n,0| Mittel:
copper) b) 69,29 - 16 ,4J 69,42 bis 15°,7
. _,., . o) 78,41 bei 14 °,0 Mittel:
5.D.IO auserlesenes fc)7?fi0 _ ,4 5| 7810 bei |4u2
6. Australisches Kupfer a) 85,20 bei M",Ol Mittel:
(Burra Burra) o) 85,96 - 14 ,uj 85,58 bei 14°,0
7. Amerikanisches Kup a) 89,63 bei I5",0| Mittel:
fer (Lake Superior) b) 88,57 - 15 ,0) 89,10 bei 15°,0
Dm spanische Kupfer No. 1 enthielt neben Kupferory-
dul und Spuren von Blei, Eisen, Nickel etc. auch 2 Proc.
.
Ohne Zweifel ist der Gegenwart dieses
Körpers die geringt; Leilungsfähigkeit des spanischen Kupfers
izuschreiben.
No. 2, das russische Kupfer, enthielt Spuren von Arsen,
jsen, Nickel und Kupferoxydul; auch liier kann das Arsen
Hauptursache der geringen Leitungsfähigkeit betrachtet
erden.
In No. 3 wurden Spuren von Blei, Eisen, Nickel, Anti-
mon und Kupferoxydul gefunden.
No. i enthielt Spuren von Eisen, Nickel, Blei und
Kupfer oxydul.
In No. 5 waren Spuren von Eisen, Nickel, Antimon und
upferoxydul enthalten.
In No. 6, dem australischen Kupfer, konnten nur Spuren
von Eisen und Kupferoxydul nachgewiesen werden.
In No, 7, dein amerikanischen Kupfer, wurden Spuren
von Eiseu, Silber (0,03 l'roc.) und Kupferoxydul gefunden.
Als die Ursache der Verschiedenheil in deu Leituugs-
lalij-kciten obiger Kupfersorten mui's natürlich der verschie-
dene Gehalt au Verunreinigungen befrachtet werden; da
aber, wie schon früher angeführt, keine Methode für genaue
ijiiitntitalive Itcslumnung des Kupferoxyduls bekannt ist, und
da letzteres in allen Kupfersorten gefunden wurde, so schien
es nutzlos, die übrigen Verunreinigungen uuanlilaliv zu be-
stimmen, zumal die Erniedrigung der Lcilungsfähigkcit durch
Oxydul, wie oben nachgewiesen, in manchen Füllen gleich
28 l'roc. seyu kann.
Schliefslich möchten wir noch die Aufmerksamkeit Derer,
welche in der gleichen Richtung beschäftigt sind, auf fol-
.eiide Punkte richten;
} auf die Wichtigkeit der Angabc, ob die Drähte hart
gezogen oder in geglühtem Zustande angewandt wur-
den, da es in manchen Fällen einen sehr bedeutenden
Unterschied in den gefundenen Werlhen macht;
2) auf den Eintlufs der Temperatur auf die Leitungsfähig-
keit. Da wir nur in wenigen Fällen die Temperatur
iiiigegeben linden, bei der die Beobachtungen angestellt
letzteren
der Verhm* mK A, die Rotitiooegeachwindigkcfr de* «Erde
an der betreffenden Stelle mit E. Sie ist- offenbar von der
geographischen Breite ß abhängig and wenn man die Ro-
tationsgeschwindigkeit unterm Aequator c nennt, =u>.cot/Sl
Bezeichnet man noch die wirklich sich ergebende Geschwin-
digkeit längs der Erdoberfläche mit Q and das Axtnrath der
Richtung, ans welcher der Wind kommt, von Norden .Obec
Osten etc. von 0° bis 360° geitidt, mit a, das fisinwih
der Richtung, nach welcher der Wind hin weht, *)a*pit
180 -Ho, so ergeben sich offenbar folgende Glekhoags»*
1) A— c.coa/9=08in(l80+a) and. .. iu
jr=s0coe(18O+a).
Daraus 2) tg(IB0+a)==^4^,
3) Q% =(A—c.co%ß)*+M%.
Um nun hiernach die Bewegung eines Lufttheilchens zu be-
stimmen, nehme man an (Taf. I Fig. 5), dasselbe befinde siclr
zur Zeit t in dem Punkte der Erdoberfläche B. Es sei P
der Pol, AQ der Acquator, PA der Nullmeridian. Der
Punkt B sey bestimmt durch die Breite BC = ß und die
Länge A C = X.
Nach Verflufs des sehr kleinen Zeitraums dt befinde
sich das Lufttheilchcn in D und habe die Breite DE=ß+dßf
die Länge AE = X + dL Legt man noch durch B den
Bogen des Parallelkreises BF, so ist offenbar
4) DF=dß=M.dt und
B F = CE . cos ß = dX . cos ß.
Es mufs aber auch
BF = (A — c. cos/9) dt sein, weil die Ge-
schwindigkeit in westöstlicher Richtung = A — c . cos ß ist«
Also bat man
5) d X . cos ß = (i4 — c . cos ß) dt.
Die Gleichung 4) giebt integrirt:
6) Mt = ß — ßQf wo ß0 die Breite ist, unter
welcher sich der Punkt zur Anfangszeit t0 befand.
Eliminirt man ferner dt aus 4) und 5), so erhält man
als Differentialgleichung der Bahnlinie:
237
7) M.d?.=——^.dß = -±-.dß—c.dß,
J eotß ' cos ß ' ' '
welche durch Integration ergiebt:
8) M(l-lJ = A.rA\S&±flß-e.\ß-ßJ.
(Es bezeichnet hierbei / den natürlichen Logarithmus, r den
Erdradius. Wo ß und X als Bogen vorkommen, sind es
die rectificirten Bogen, in demselben Maafs, etwa in Toisen,
gemessen, wie A, M, c, r.) •
Bei der Discussion der eben aufgestellten Formeln will
ich zunächst nur die nördliche Halbkugel in Betracht ziehen;
die theil weise Umkehrung der Resultate für die entgegen-
gesetzte Halbkugel ist in jedem Falle leicht auszuführen.
Findet zunächst eine Strömung vom Aequator nach dem
Nordpol statt, so ist Jf positiv/ mithin mufs die Breite ß
wachsen und in jedem Punkte der Bahn gröfser seyn als
die Breite des Anfangspunktes ß0.
Haben wir es nun mit einem Westwind zu thun, für
welchen A^>c. cos ßu ist, so bleibt der Ausdruck A — c . cos ß
positiv und wächst um so mehr, je längere Zeit die Strö-
mung dauert; es wird daher die Richtung immer östlicher,
(siehe 2.), die Geschwindigkeit immer gröfser (siehe 3.)* Ist
dagegen die Anfangsrichtung des Windes eine westliche, so
ist A<C.c.cos ß0. Wenn aber mit der Zeit die Breite ß
wächst, also c . cos ß kleiner und kleiner wird, so wird end-
lich einmal A gleich c . cos ß werden. Dann wird tg (180-1- a)
= 0, die Richtung der Strömung geht genau von Süden
nach Norden, und ihre Geschwindigkeit 0 ist in diesem
Augenblick = M. Von da ab geht das Zeichen der tg (180+a)
in das dem früheren entgegengesetzte über, und der Wind
ist von West nach Ost gerichtet Den wichtigen Punkt der
Windbahn, in welchem diese Umkehr der Richtung statt-
findet, nennt der Verfasser Wendepunkt, wobei natürlich
nicht an den gewöhnlich von den Mathematikern so genann-
ten Curvenpunkt zu denken ist, in. welchem die Curve aus
einer gegen die Tangente concaven eine convexe, oder um-
gekehrt, wird.
Die Breite B eines solche» Wendepunkts orgiebt sich
aus der Gleichung:
9) cobB = ^-.
Da sich indefs A Dicht direct beobachten läfst, sondern nur
die Geschwindigkeit Q und das Azimuth der Richtung a
für irgend einen bestimmten Punkt der Erdoberfläche, so
ist es zweckmäßig, B durch diese letzteren Beslimmungs-
stücke auszudrücken. Selten wir daher den Funkt, an wel-
chem die Beobachtung gemacht wird, als Anfangspunkt au,
bezeichnen also seine Breite mit ß,„ die zugehörigen Gröfsen
mit ('., , ct.,, so erhält man, da
A — c.coeß0 = 0„sio(l8fH-«0) ist, die Breite
des Punktes der Bahn, in welchem die Richtung des "Win-
des sich wenden wird, durch "tiie Formel:
io) „,»='•-'•■"«•*<■■+->. ;;'***•'
(Das zweite Glied des Zählers ist für einen nach Waten
gerichteten Wind negativ, mithin dann cos B <z cor ßa, mm
B > ßa, daher ist im weitem Verlaufe der Bahn ein Wende-
punkt zu erwarten. Bei einem nach Osten gerichteten Winde
dagegen ist das zweite Glied positiv, cos B >■ cos ß0 , mithin
B-<.ßu. Ein Wendepunkt hat also, wenn damals die Strö-
mung schon herrschte, in einer frühem Zeit stattgehindeOt
kann aber in der Folge nicht mehr eintreten.)
Die Lange des Wendepunktes und die Zeit, zu weich»
der bewegte Punkt dahin gelangt, werden erhalten, neu
man den für B gefundenen Werth in die Gleichungen fi)
und 8) einsetzt. m - .,■
In dem Tbeile der Bahn bis zum Wendepunkt wird die
Richtung mehr and mehr eine süd nördliche (im Wende-
punkt selbst genau nach Norden weisend), wobei die Ge-
schwindigkeit mehr and mehr bis zur Gröfse 0 — M abnimmt
Von da an ist der Verlauf ganz wie bei dem vorher schon
charakterisirten Südwestwind.
In Bezog auf diese vom Aequator nach dem Pol g*erkA-
teten Strömungen hat der Verfasser der angeführten Ab- I
liandlung eine irrthümliche Ansicht ausgesprochen, dafs näm-
lich der bewegte Punkt den Pol nie erreichen könne. Da
die Bewegung in der Richtung des Meridians durch nichts
gestört immer gleichmäfsi'g mit der Geschwindigkeit M erfolgt,
so mufs der Theorie nach der Pol allerdings erreicht wer-
den, und zwar in einer Zeit
II) T =
M
Allerdings wird der zur Breite <? = 90" gehörige Längen-
unterschied i — 10 unendlich grofs, da (siebe 8) für den
Werlh ^ = 90° die tg (45° -+-•,'/?) und mithin auch der
Logarithmus derselben unendlich grofs ist. Diefs Lrgebnifs
der Formel mufs aber offenbar so gedeutet werden, dafs
das bewegte Lu fit hei Ich en, bis es zum Pol gelangt, unend-
lich oft denselben umkreist haben mufs, dafs also in der
nächsten Nahe des Pols eiue Hufserst schnelle Wirbelbewe-
gung stattfindet. Ob diefs sich wirklich so verballe, wage ich
freilich nicht zu behaupten, da die Ergebnisse der Theorie
durch wichtige Umstünde, die nicht in Rechnung gezogen
wurden, vielleicht beträchtlich modificirt werden.
Ich wende mich nun zur Betrachtung der Polarströmung,
für welche M negativ ist. In diesem Falle wird die Breite ß
im Laufe der Zeit immer kleiner, cos ß also immer grofser.
Wenn daher der Wind ein Ostwind ist (A<1 c . cos ß„),
so bleibt A für jedes im Verlauf der Bahn erreichte ß klei-
ner als c.cosß: die Tangente des Azimulhs der Richtung,
lg (18H" -+- a), behalt also immer dasselbe Vorzeichen und
zwar das Vorzeichen +, da Zähler und Nenner beide ne-
gativ sind. Der Wind bleibt daher ein Ostwind, und seine
Richtung wird nach und nach immer westlicher; dabei nimmt
seine Geschwindigkeit immer mehr und mehr zu.
Bei einem vom Pol nach dem Aequator strömenden
estwind ist A > c. cos/?,,. Da aber c.cosß nach und
nach wächst, kann ein Zeitpunkt eintreten, wo /l — r . en- ''
wird. Die Richtung der Strömung wird dann eine südliche,
und geht von diesem Wendepunkt an in die entgegenge-
setzte Richtung von Ost nach West über. Von da an wl
240
der ganze Verlauf gleich dem des früher geschilderten Nord-
ostwindes.
Die Breite des Wendepunkts bestimmt sich auch hier
nach Formel 10). Es kann aber der Fall eintreten, cUfs
der Werth für cos B gröfser als l ist, mithin die Bahncurve
keinen Wendepunkt bildet.
Die gefundenen Resultate lassen sich, wobei immer nur
von der nördlichen Halbkugel die Rede ist, mithin kurz so
zusammenstellen :
Der Nordost- und der Südwestwind behalten im Verlauf
ihrer Bahn diese ihre Richtung im Ganzen bei, wobei beide
mehr und mehr sich der Richtung der Parallelkreise nähern»
ohne jemals ganz damit zusammenzufallen, und an Stärke
zunehmen.
Der Südost und der Nordwest gehen anfangs mit ab-
nehmender Stärke mehr und mehr in die Richtung der Me-
ridiane über, werdeu an einer Stelle ihrer Bahn, dem
Wendepunkt, reine Süd- oder Nordwinde und verfolgen
von da an den Verlauf der eben cbaraktcrisirten Südwest-
oder Nordostwinde.
Schon hieraus erklärt sich also das entschiedene Vor-
walten der Südwest- und Nordostwinde, der gewissermafseu
normalen Richtung der Aequatorial- und der Polarströmung.
Wie diese Ergebnisse der Betrachtung sich für die ent-
gegengesetzte Halbkugel abändern, ist leicht ersichtlich.
Es bleibt nur noch übrig, die Windbahnen über den
Aequator hinaus aus einer Halbkugel in die andere zu ver-
folgen: Ein auf der nördlichen Halbkugel entstandener
Nordost wird, wenn er als ein noch etwas südlich gerich-
teter Ost bis zum Aequator gelaugt ist, ihn natürlich durch-
schneiden und von nun an dem Südpol zustreben. Aber
da von jetzt an die Breite wieder zunimmt, wird die Rich-
tung sich nach und nach mehr der des Meridians nähern.
Die Windbahn wird also auf beiden Seiten des Aequators
ihm ihre convexc Seite zukehren, und es findet daher an
der Stelle, wo dieselbe den Aequator schneidet, ein wirk-
licher Wendepunkt, nach der Definition, die die Mathematik
davou gicbl, stau. Die Fortsetzung der Bahn auf der süd-
lichen Halbkugel hat dann ganz den Verlauf eines gewöhn-
lichen Nordostwindes der südlichen Halbkugel, entsprechend
dem Sudostwind der nördlichen Halbkugel, wie er im Obi-
gen geschildert wurde, und wendet sich also später nach
Osten zurück.
Ganz analog ist die Bahn eines Sil dost 's der südlichen
. Halbkugel, welcher den Aequator schneidet und auf die
nördliche Halbkugel übergeht. Da dieser Fall eiu prakti-
sches Interesse hat, hebe ich hervor, dafs mithin ein solcher
Südost einige Grade nördlich vom Aequator zu einem Süd
oder gar einem Südwest geworden seyn kann.
Ein an einem gewissen Punkt der nördlichen Halbkugel
entstehender Nordwest wird, wie wir im Vorigen gesehen
haben, im Allgemeinen auf dieser Halbkugel umbiegen und
in einen Nordost übergehen. Ist diefs aber nicht der Fall
(wenn A > c ist, siehe 9), so ist um so mehr nach dem
Durchgang durch den Aequator A ;> c . cos ß, der Wind
bleibt ein Westwind und wird im Laufe der Zeit sich im-
mer mehr dem reinen Westwind uähern. Auch in diesem
Falle ist unterm Aequator eiu Wendepunkt im mathemati-
schen Sinne, auf beiden Seiten vom Aequator ist die coli-
cave der Seite der Curve ihm zugekehrt
Symmetrisch nach der entgegengesetzten Seite gerichtet
tst die Bahn eines Südwest der südlichen Halbkugel, der
als ein solcher den Aequator durchschneidet.
Wenn wir übrigens nur die Gestalt der Bahncurven
betrachten, in ihrem ganzen Verlauf längs der Erdoberfläche,
ohne auf Aufangszeit und Anfangspunkt der Bewegung zu
rücksichligeu, so lassen sich die im einzelnen erhaltenen
Resultate leichl in folgender Art übersichtlich zusammen,
fassen !
Die Gleichungen 1) 2) 3) ergeben, dafs für gleiche nörd-
liche und südliche Breite sowohl Richtung, als Geschwin-
digkeit des Windes einander gleich sind, die Bahn liegt also
symmetrisch zu beiden Seiten des Aequalors. Am Aequa-
P«Ggct>dorfr> Add»1. Bd. ex. 18
im selbsl findet ein mathematischer Wendepunkt statt. Wenn
M sein Zeichen lindert, bleibt die Geschwindigkeit dieselbe
und das Aziinulh der Richtung verwandelt sich in sein Sup-
plement. Die Bahncurven sind ihrer Gestalt nach dieselben,
den vorigen symmetrisch, so dafs rechte und linke Seite
sich gegenseitig vertauschen. Ich betrachte daher nur die
Bahnen für ein positives M, wo also die Bewegung vom
Aeuuator nach dein Nordpol, oder, da wir auch den fro-
hem Verlauf der Bahn in Betracht ziehen, vom Südpol nach
dem Nordpol gerichtet ist.
Dann ist die Gestalt der Bahn nur wesentlich verschie-
den, je nachdem A gröfser oder kleiner als c ist. Ist nam
lieh A ;> c, so ist es auch ;> c . cos ß, was auch ß für einen
Werth annehme; eine Umkehr der Richtung kann daher nie-
mals stattfinden. Der Verlauf der Curve wird (Fig. 6 Taf. I)
Airch die Linie I— I dargestellt Ist aber A<.c, so surf* (
es irgend eine Breite B auf beiden Seiten de« Aeqtnton
geben, für welche A = c . cos B ist. An diesen Stellen lo-
dert die Bahn ihre Richtung, es sind die vom Verfasser so-
genannten Wendepunkte. Die ungefähre Gestalt der Bahn
ist in derselben Figur von II bis II verzeichnet. Die Wende-
punkte sind mit W W bezeichnet. Bei beiden Bahnen ge-
ben die Pfeile die Richtung der Bewegung an, die starken
Auszeichnung der Linien soll die Zunahme der Geschwin-
digkeit andeuten.
Der besondere Fall, wo A = c ist, unterscheidet sieh
nicht wesentlich von dem ersten Fall (Linie I — I); nur
schneidet die Bahnlinie den Aequator unter rechtem Winkel
Die symmetrischen Gestalten der Windbabnen, wenn die
Richtung der Bewegung von Nord nach Süd gebt, zeigt
Fig. 7 Taf. I.
Inwieweit die entwickelten Formeln den wirklichen Ver-
lauf der Erscheinung darstellen, Iafst sich zur Zeit wohl nicht
genügend prüfen, weil keine Angaben über den Lauf des
Windes existiren, welche die notbwendigen Elemente, na-
mentlich die- Geschwindigkeit, mit der erforderlichen Ge-
243
lauigkeit angeben. Trotzdem wird eine ungefähre Schätzung
'» 11 u m eri seilen Resultate von Interesse seyti:
Wenn A = c ist, so geht die Formel 3) für Q* in fei-
nde über:
Q* = 4c* sin* (!,ß)-i-M>,
Diefs ergiebl z. B. für die Breite /? = 60°, dasin|^ = {
ist: Q* =^ct+M\ mithin Q jedenfalls gröfser als |tt
Noch gröfser wird Q offenbar unter dieser Breite, wenn
A >■ c ist. Da nun c, die Rotationsgeschwindigkeit der
de unterm Aequator beinahe 1500 Fufs in der Sekunde
betragt, so würde diefs für alle solche Winde (I — I der
Figur) eine Geschwindigkeit von über 700 Fufs in der Se
künde ergeben, etwa viermal so grofs als die wirklich be-
obachtete Geschwindigkeit der a Herlief tigsten Stürme.
Wahrscheinlich kommen also Wiode, welche eine der-
artige Bahn beschreiben, überhaupt nicht vor; mit andern
Worten: die hier gemachte Annahme, als befände sich un-
term Aequator Luft, deren Geschwindigkeit in ost-wesUicher
Richtung = o sey, oder die gar eine Bewegung in der
Richtung von West nach Ost habe, scheint unstatthaft
«u seyn.
Aber selbst bei den Winden der zweiten Art (II— Ilj,
wo die Richtung der Bewegung untenn Aequator von Ost
nach West geht, wo erst von dein in einer gewissen Breite
liegenden Wendepunkt an die Geschwindigkeit sich zu stei-
gern beginnt, erreicht sie in den meisten Fällen bald eine
öfse, die weit über die erfahrungsmäfsige Starke des
Vindes hinausgeht. Wenn z. B. der Wendepunkt unter
lern 30slcu Grad der Breite liegt, wo also A = c . cos 30"
, so wird unterm fiOsten Grad der Breite
Q* = c* (cos 30" — cos 60°)* + ffl% mithin
Q > c(iK3-i)
Q >■ c . 0,366 . . .
Wir sehen hieraus, dafs die Geschwindigkeit eines der
Art bewegten Lufltheilchens durch verschieden!] i che Ein
virkungon sehr beträchtlich verzögert wird, wie sieh das
16*
«ach der Natur der Sache aafch nicht andere erwarte»!
Aber diese Einwirkungen müssen gani gleiche? weise
auf die Componente der Bewegung in der Richtung
Meridians wirken, und wenn nun die Erfahrung in
auf diese nicht in demselben Maafoe eine Verlagerung
wefet, wenn die Geschwindigkeit in der Richtung de* Mo*
ridians etwa gleichmäßig bleibt, oder vielleicht gar
so mufs man, wie mir acheint, daraus den Schiris m
dafe in dieser Richtung eine stetig wirkende Kraft
den sein mufa, welche Jener Verzögerung entgegenwkkt
Ich werde auf. diese Bemerkung in der Folge noch turtelt-
kommen« ■■•■■ r
Endlich will ich, ohne mich rorliufig auf eine Erkliwg
dieses Verhaltens einzulassen* hier nur darauf aufaMtküp
machen , dafs bei den Wirbelstflrmen das Centruto des
Wirbeb bei seinem Vorrücken genau eine solche Bahn ein-
schlägt, wie unsere Formeln sie gewissen bewegten Luft-
theilchen vorschreiben. Bei den Bahnen der westindischen
Wirbelstürme t. B. geschieht das Vorrücken des Wirbels
(nicht die Bewegung der Luft innerhalb desselben) genau
in den Bahnen eines Südostwindes der nördlichen Halbku-
gel. (Ich verweise in dieser Hinsicht auf das Werk von
Dove: »Ueber das Gesetz der Stürme.« Besonderer Ab-
druck aus des Verfassers »Klimatologischen Beiträgen«, Ber-
lin bei Reimer 1857 und die beigefügte Karte IL)
Der Wendepunkt der Bahn, das schnellere Fortschrei-
ten in der Richtung nach Osten, nachdem derselbe passirt
ist, alles läfst die Wege des Wirbelcentrums genau den
oben charakterisirten Windbahnen gleich erscheinen.
IL
Wir haben gesehen, wie die Drehung der Erde den
längs ihrer Oberfläche dahingleitenden Massentheilchen sehr
beträchtliche Bewegungen in der Richtung der Parallelkreise,
▼on Ost nach West und umgekehrt zu ertheilen vermag.
Aber sie kann ihre Wirksamkeit nur äufsern, wenn dem
zu bewegenden Körper ein Impuls in der Richtung des
245
Meridians, vom Aequator nach dem Pol, oder vom Pol nach
dem Aequator hin innewohnt, durch den er zu andern Pa-
rallel kreisen, wo eine andre Rotaliousgeschwiudigkeit herrscht,
gelangen kann. Wir haben uds demnach nunmehr mit der
Frage zu beschäftigen, durch welche Ursache ein Strömen
des Wassers oder der Luft in der Richtung der Meridiane
hervorgebracht werde.
Was nun die nach dem Aequator hioslrebcnden Polar-
Strömungen betrifft, so ist man über den Gruud derselben
längst im Klaren. Durch die starke Erwärmung des Erd-
gürtels um den Aequator herum verdunstet dort das Wasser
in gröfserer Menge, es mufs daher zur Herstellung der
Gleichgewichtsoberlläche von beiden Seiten her fortlaufend
Wasser hinzuströmen. In ähnlicher Weise werden die
nach dem Aequator hingehenden Winde durch Verdiinuung
der Luft, welche Über der heil'scn Zone ruht, hervorgerufen.
Dagegen hat man, wie es mir scheint, keine befriedigende
Erklärung über den in entgegengesetzter Richtung vom
Aequator nach dein Pole hinziehenden Aequatorialstrom an-
gegeben. Was man in Bezug auf ihn als Erklärung auf-
gestellt hat, scheint mir nicht unerheblichen Bedenken zu
unterliegen. — Ich werde aber die Strömungen des Wassers
und der Luft gesondert behandeln müssen, da die beiden
obwaltenden Verhältnisse nicht ganz dieselben sind, und
beginne mit der Betrachtung der Strömungen des Meeres:
Die Aequatorialströmung des Atlantischen Oceans, die
vom Busen von Guinea zunächst nach der Ostspitze Süd-
amerika'.* hinlenkt, worauf der gröfstc Theil derselben seinen
Weg nach dem Karaibischcn Meer und dem Busen von
Mexiko nimmt, findet ihre genügende Erklärung in den
Wassennassen , die aus höhern Breiten beider Halbkugeln
in das tun den Aequator herum durch Verdunstung entste-
hende WelUnthal zuströmen. Da diese auf der nördlichen
Halbkugel von Nordost nach Südwest, auf der südlichen
von Südost nach Nordwest gerichtet sind, so resullirt aus
dem Zusammentreffen beider Slromrichlungen jene von Ost
nach West ziehende Strömung. Aber wir müssen den
weitem Verlauf derselben, den Golfatrom, efaer
Betrachtung unteriieben. Dafc die im Merikanisehcn M— fr
bösen sich anstauenden Wassermasseu wieder ahfliefsÜB
■
müssen, ist natürlich; ebenso ist der weitere Verlauf.
Strömung, nachdem sie am die Halbinsel nm Florida
nach Neiden gelenkt, ein ganz gesetunäfsiger, die alknlfe
liehe Ablenkung der Bahn nach Osten eine Folge der Dre-
hung der Erde. Dafc sie aber diese Anfaogarichtung ein-
schlagt, mofs ein Blick auf die Karte höchst aufteilend er-
scheinen lassen. Hltten wir es hier mit einem bloben
Abströmen aufgestauter Wassennassen nach Gegenden^ wo
das Meer ein etwas niedrigeres Nireau hat, zu then, s*
würde wohl einestheils eine Rückströmung imd in Folg*
dessen eine Vcrlarigsamnng, ein Aufhalten der ursprOnglfc
dien Strömung stattfinden, anderntheils würde das Westes^
nachdem es durch den Kanal zwischen Cuba und Florida
einen Ausweg gefunden , sich nach allen Seiten, besonders
aber in der Richtung von West nach Ost, welcher die
Wände des Kanals ungefähr folgen, ausbreiten müssen. Das
Forlströmen in einer ganz andern Richtung, in einein An-
fangs verhaitnifsmäfsig schmalen, beinahe scharf begränzten
Bette, mit so beträchtlicher Geschwindigkeit, wie es in
Wahrheit stattfindet, weist, wie mir scheint, entschieden
auf eine andere bestimmende Ursache einer so auffallenden
. Erscheinung hin.
Ehe ich meine Ansicht über die hier und in ähnlichen
Fällen wirkende Ursache ausspreche, liegt mir ob, die an-
derweitig darüber beigebrachten Erklärungen anzuführen
und zu beurtheilen. Sehr eingehend hat sich in neuerer
Zeit mit dem Golfstrom, den merkwürdigen Erscheinungen,
die er darbietet, sowie den muthmafslichen Gründen der-
selben der Amerikaner M. F. Maury, eine grofse Autori-
tät in nautischen Angelegenheiten, beschäftigt. Ich verweise
auf sein Werk : Die physische Geographie des Meeres. Deutsch
bearbeitet von Dr. C. Böttger, Leipzig bei G. Mayer 1856.
Der Charakter dieses Werkes, dafs es neben einer Fülle
der schätzbarsten erfahr ungsmäfsig festgestellten Angaben,
neben bedeutenden und geistreichen theoretischen Aus füll
rungen und Hypothesen nicht selten einen auffallenden
Mangel an Kritik zeigt und wahrhaft phantastische Annah-
men vorbringt, zeigt sich auch bei dieser Gelegenheit. Der
Verfasser giebt in Bezug auf den Golfstrom zwei Hypothe-
sen, die auf geradezu entgegengesetzten Voraussetzungen
beruhen, sich vollkommen gegenseitig ausschlief seil. Er stellt
sie aber ruhig neben einander hin, ohne auf ihren Gegen-
satz auch nur aufmerksam zu machen. Bei der einen, die
ich für gänzlich unzulässig halle, wie ich demnächst zu zei-
gen versuchen werde, bleibt er schiiefslich stehen, und läfst
die andere fallen. Gerade diese aber scheint mir die rich-
tige zu sein und eine viel weiter greifende Auwcnduug zu-
zulassen.
Die meiner Meinung nach unrichtige Hypothese besteht
in Folgendem:
Auf die gemachte Bemerkung hin, dafs das Wasser der
Karaibischen See und des Golfs von Mexiko den Kupfer-
beschlag der Schiffe mehr angreife als das Wasser anderer
Meere, weshalb es wahrscheinlich salziger sey als anderes
Meerwasser, wird die Folgeruug gebaut: "dafs die Gewäs-
ser des Golfstroms, da sie in solcher Masse uud mit solcher
Geschwindigkeit in das Wellmeer hin ausströmen, nicht allein
iliuen eigenth jimliche chemische Affinitäten besitzen, sondern
wegen ibres gröfsern Salzgehaltes auch specifisch schwerer
sind als das Meerwasscr, durch welches sie in einem so
klaren und wohl abgegräiizleu Kanal hindurchfliefsen« (S. 23
des angeführten Werkes). Dem gegenüber wird auf den
geringen Salzgehalt der Ost- und Nordsee aufmerksam ge-
macht. "Wir haben nun auf der einen Seite das Karaibi-
sche Meer und den Golf von Mexiko mit ihrem Salzwasser,
auf der andern die Ostsee mit einem Brackwasser von sehr
mafsiger Stärke. In der einen Gruppe dieser Meeresbeckeu
ist das Wasser schwer, in der andern leicht. Zwischen,
ihnen liegt der Oceaii; aber das Wasser will nothwcud
weise lein Niveau und Gleichgewicht suchen um! behaupte
Hier fördern wir «In Alna der den Golfstrom Biiaug— aal
Kräfte tu Tage.« *•«-■
Das Unhaltbare dieser Hypothese liegt wohl Uftttaif
Tage. Gebaut tat sie auf die Annahme, dab daa Waaaar
des Mexikanischen Meerbusens schwerer sey als da« -dar
Ostsee, wofür entschieden der Beweis nicht gefohlt tat, »ad
schwerlich geführt werden kann. Der Verfasser selbrt'kebt
hervor, dafs die grauere Ansdahnnng durch die Witwe,
welcher das Wasser im Mexikanischen Meerbusen ansge
setzt ist, in entgegengesetztem Sinne wirken mnfs. Weiek»
Einwirkung die überwiegende sey, müfste daher tot «Um
Dingen und cwar durch bestimmte quantitative Ansah—
entschieden werden. Die daiu nOthigen BeobacbtsjBgsji
wurden dem Verfasser vielleicht in Gebote gestanden hnbant
ich mufs mich mit rein theoretischen Erwägungen begnügen.
Ich bin in Bezug auf das specifische Gewicht des Wassers
der gerade entgegengesetzten Ansicht. Zugegeben, dafs am
den Aequator herum im Laufe des Jahres eine beträchtliche
Quantität reinen Wassers verdunste, was darauf hinwirken
mufs, das Oberfiäcbenwasser salzhaltiger zu machen, so wird
diefs durch den gerade in diesen Gegenden sehr massen-
haften Niederschlag wieder ausgeglichen. Wenn ferner die
der starken Verdunstung ausgesetzte obere Schicht des
Meeres dadurch wirklich schwerer werden sollte, so uiüfste
sie natürlich herabsinken und durch anderes Wasser ersetzt
werden. Da(s aber die Verdunstung in dieser Weise auf
die ganze Wassermasse, bis zum Meeresgründe einen irgend
merkbaren Einflulg ausüben könne, wird man doch wohl
nicht behaupten wollen.
Aber ferner, wenn die behauptete Ungleichheit im spe-
eifiseben Gewicht des Golfstrom- und des Ostseewassers
stattfände: würde diefs Verhalten eine Bewegung der Ge-
wässer wie den Golfstrom hervorzubringen im Stande seyn?
Ganz gewifs nicht. Das in so weiter Entfernung vom Mexi-
kanischen Meerbusen belegene, .nur in so engen Strafsen
sich öffnende Becken der Ostsee sollte eine merkbare
249
Wirkung bis auf so weite Entfernung hin ausüben? Und
wenn diefs der Fall wäre, intifste nicht jedenfalls die Strö-
muug in der Nähe der Ostsee durch den Sund und die
Belle am stärksten seyn, und würde in gröfserer Entfernung
sich nur mit abnehmender Stärke äufsern? Der Golfstrom
zeigt aber in Wahrheit gerade das entgegengesetzte Ver-
halten
Die Hypothese zur Erklärung der dem Pole zustreben-
den Richtung der Gewässer des Golfstroms, der ich mich
anschlicfse, und dieMaury gleichfalls aufstellt, beruht auf
der Annahme, dafs das durch den Aequatorialslrom dahin-
gewälztc Wasser, welches sich seh li eis! ich im mexikanischen
Meerbusen ansammelt und aufstaut, durch die Wärine, der
es ausgesetzt ist, sneciliscli leichler wird als die Meergewa's-
ser in höheren lireitcn. hl diefs aber der Fall, so wird
es vermöge der Gen Irifugal kraft vom Aequator nach den
Polen hin abzudienen streben, um durch anderes schwere-
res, das von den Polen dem Aequator zutliefst, ersetzt zu
werden. Maury erläutert diefs sehr zweckmäfsig, indem
er sagt, man möge sich den Aequator mit einer Schicht Oel
statt von Wasser umzogen denken. Sowie die Erde ihre
Rotation beginnt, würde offenbar die Oclmassc nach den
Polen hinfliefsen, das schwerere Wasser, zum Theil unter
der Oberfläche hinllicfsend, dein Räume um den Aequator
zuströmen. Offenbar wird das speeifisch leichtere Wasser
eich in dieser Hinsicht ganz wie das Oel verhalten.
Aber diese Strömung des leichteren Wassers vom Aequa-
tor nach den Polen hin kann mir dann Platz greifen, wenn
res bis zur Höhe der Gleichgewichlsoberlläche der Erde an
der betreffenden Stelle heranreicht, oder durch Aufstauung
über sie emporgehoben ist.
Diefs der Grund, warum die warmen Gewässer des
Aequatorialslroms nicht früher schon nach den Polen ab-
zusirömen suchen. Der Aequalorialstrom fand ja dadurch
seine Entstehung, dafs um den Aequator herum durch Ver-
dunstung sich gewissermafsen ein Thal in der Mcercsllächc
bildete, das Wasser unter das ihm an dieser Stelle zukom-
910
mende Nnre»» hef*bg#drflckt ward«. IjjbtMkfcp^tadM
Wasser der höbern Braten vermöge der Schwere fonUr
den Seiten herbeüfiefsen. Die Einwirkung der Ontrifitph
kraft auf leichteres Wasser nm den Aeqqator heran Um
offenbar erst dann in Kraft traten, wenn nicht die sMrkere
Gegenwirkung der Schwere au tiberwinden ist, a|m eist
dort, wo an den Rändern der Wasserbecken durdfc Arf- J
Stauung das Niveau hergestellt oder nocb überstiegen wfed»
So erklären sich die Erscheinungen, die der Golftop
in seinem Verlaufe zeigt, vollkommen: ..,,,*.... ..t
Im Golf von Mexiko staut sich das betfse Warne des
Aequatorialstroms (die Temperatur de* Meerwassers steigt
dort bis auf 32 ° G, am höchsten auf der Erde) bis über
die Höbe der GlekhgewkhtsoberflÄche der Erde auf. Es
mufs daher als specifisch leichter, sowie es dem umfliafrea*
den Becken entkommen kann, direct dem Pole zuströmen.
Die spätere Ablenkung ist eine nothwendige Folge der Ro-
tation der Erde.
Da der Einflufs der Centrifugalkraft als eine stetig wir-
kende Kraft anzusehen ist, erklärt sich auch, wie der Golf-
strom trotz des zu überwindenden Widerstandes der übri-
gen Meeresgewässer, der gewifs höchst bedeutend ist, trotz-
dem ferner, dafe seine spätere Ausbreitung natürlich die
Geschwindigkeit beträchtlich vermindert, noch weiterhin
eine so grofse Geschwindigkeit in nördlicher Richtung be-
halten kann. Wenn nicht auf diese Weise der Impuls, der
ihn dem Pole zutreibt, sich stetig erneuerte, würden die
bewegten Wassermassen, wie mir scheint, viel früher zum
Stillstand gelangen müssen.
Die verwandten Erscheinungen anderer Meeresströmun-
gen sind durchaus geeignet, den angegebenen Erklärungs-
versuch zu unterstützen.
Der Abflufs der warmen Aequatorialgewässer längs der
ostasiatischen Küste, der vielfach mit dem Golfstrom ver-
glichen worden ist, zeigt ein ganz analoges Verhalten. Ja
die localen Verhältnisse sind der Art, dafs der Verlauf, den
er nimmt, noch cntsclnc Jener zu Guusten meiner Hypothese
spricht. Maury, dessen positiven Angilben mau gcwjfo
volles Vertrauen schenken kann, charaklerisirt diese Strö-
mung so:
■ Eine andere dieser Strömungen (nämlich der wannen
Gewässer des Indische» Oceans) entweich! durch die Strafsc
von Malacca und fliefst, nachdem sich andere wanne Strome
aus den Meeren von Java und China mit ihr vereinig!, wie
ein zweiter Golfstrom zwischen deo Philippinen und den
Asiatischen Küsten hindurch in den stillen Oceau. Dana
Irin sie den grofsen Kreislauf nach den Aleulischeu Inseln
au, das Klima mildernd und sich in dem Meere gegen die
Nordwest küsle Amerikas hin verlierend (S. 128).«
Nun betrachte man die Karte! Wenn ein Strom, nach-
dem er die Slrafse von Malacca in fast ganz südlicher Rich-
tung durchflössen hat, von da au den Weg zwischen der
Ktistc von Iudieu und den Philippinen einschlagt, statt die-
selbe Richtung beibehaltend zwischen Sumatra und Java
i inrr.'iMts, llornco andererseits (laliiuzullieLscii, so mufs wohl
gewifs eine Kraft exisliren, die ihn jenen ersten Weg, fast
genau in nördlicher Richtung zu nehmen zwingt — und
«las kanu füglich keine andere seyu als die Cetilrifugalkraft.
Eine entschiedene Richtung nach dem Pol zeigt diese Strö-
mung in ihrem Verlauf noch ein zweites Mal, da, wie
Maury berichtet, eine Oberllfichcnslrüinung nördlich durch
die Behringsstrafse ins Eismeer llicfst.
Dergleichen Strömungen warmen, also specitisch leich-
teren Wassers in der Richtung von den Aequatorialgegendcn
nach den Polen hin sind noch mehrere erfahruiigsmliiMg
festgestellt. Einige von ihnen verfolgen mehr oder weniger
nur die schon überkommene Richtung, soweit die entgegen-
tretenden Coiitineulalmasscn es gestalten. So die Brasilia-
nische Strömung, der südliche Arm der durch das Cap Roque
gespaltenen Aequalorialslrüinung des Atlantischen Oceans,
die iMoz;iinbi(|uc-Strümung samint dem auf der andern
le von Madagascar nach Süden ziehenden Strom im In
gesp;
und
Seile
dischen Meer. Wir finden
der OstkOste der Continente angestauten Wi
dieser Richtung abflieJsen. *'•
Dagegen giebt es auch gewisse andere Strömungen dseaar
Art, die ohne erweislieh durch ein Hindernifa Tniünhiftt an
seyn, von dem Bette warmen Gewässers um den AssetHr
hemm sich loslösen, um den Polen «oostrebeo. Und dien»
seheinen mir für die behauptete Einwirkung des Cantrif»*.
galkrnft auf spedfisch leichteres Wasser einen in In whls
geoden Beweis nj liefern. Dabin rechne ich ilim sjQsmsmmsj
ten nordwestlichen Ansflou der atlantischen Aeqaatoriak
Strömung, der etwa unter dem lOten Grad westlicher Uns«:
(Ferro) von dem Haoptstrom sich trennend gegen Nordwest
fliefst, wlhrend Jener, soweit die Gestaltung des Conrnaents
von Südamerika es gestattet, die westliche Richtung beibe1
halt. Es kann an dieser Stelle sehr wohl unter Einwirkung
der Ostspitze von Südamerika eine Aufstauung des Wassers
erfolgen, wo dann sofort die Ceutrifugal kraft in Wirksam-
keit treten lnufs.
Ferner berichtet Maury, dafs wenigstens zu Zeiten ein
Strom warmen Wassere im Indischen Ocean nach Süden
hin mitten zwischen Australien und Afrika seinen Weg fin-
det, der also offenbar durch keine gegenstehenden Land-
uiassen in diese Richtung gezwungen wird.
Noch eine Strömung würde sehr entschieden zu Gunsten
der angeführten Hypothese sprechen, wenu ihr Daseyn un-
zweifelhaft ausgemacht wäre. Maury berichtet Über sie:
«Die unerwartetste Entdeckung aber ist die der warmen
Fluthung längs der Westküste Südafrikas, ihrer Vereinigung
mit der Lagullasströmung, die höber hinauf die Mozambique-
etrömung heifst und danach des gemeinschaftlichen Laub
heider nach Süden* (S. 239). Diefs widerspricht allerdings
der früheren Annahme, wie sie noch auf den Bergbaus' sehen
Karten zur Darstellung gekommen ist, nach welcher länge
der Westküste Südafrikas die Wässer gerade in entgegen-
gesetzter Richtung vom Cap nach dem Busen von Guinea
strömen sollen, was sich auch sehr gut dadurch erklären
liefse, dafs dieselben das um den Aequator hemm durch
Verdunstung herabgcdrückle Niveau herzustellen Elreben.
Sollten indefs nicht vielleicht beide Angaben richtig
seyu? Steht in der Nähe des Guineabusens das Wasser
unter dem dieser Stelle der Erdoberfläche zukommenden
Niveau, so wird der Verlauf der Strömung der früheren,
von Berghaus adoptirleu Angabe geuiäfs sevn. Wenn
dagegen zu gewissen Zeilen des Jahres dort das Wasser
höher angestaut wird und die Gleicbgewichtsobcrlliiche er-
reicht oder übersteigl, so mufs vermöge der Centrifugalknft
auch hier das Wasser nach dem Pol hin abströmen. Un-
terstützt wird diese Ansicht dadurch, dafs in der Nabe des
Golfs von Guinea der in diesem Erdgürtel sonst herrschende
Südoslpassat zur Sommerzeit durch einen Südwestwind {ent-
elanden durch die Einwirkung der hohen Temperatur Su-
dans und der Sahara) ersetzt wird. Hierdurch wird offenbar
die zur Entstehung der von Maury behaupteten Südströ-
muiig nach unserer Hypothese nolhwendige Aufstauung des
Wassers hervorgebracht werden können.
Ich möchte noch eine Erscheinung hierherziehen, die
vielleicht auf dieselbe Kraft zurückzuführen ist: Von ver-
schiedenen Polarreisenden wird berichtet, dafs sie bisweilen
gewaltige Eisberge angetroffen haben, die dem Wind und
derObertläcbcnstrÖmung entgegen mit bedeutender Geschwin-
digkeit in nördlicher Richtung hintrieben. Damit, die« Er-
scheinnng unterseeischen Strömungen zuzuschreiben, kann
ich mich nicht einverstanden erklären, weil, der aufgestell-
ten Hypothese gemäfs, wie ich im Folgenden gleich aus-
führen werde, diese nur von den Polen nach dem Aequator
hin gehen können. Aber ist nicht das Eis gleichfalls spe-
zifisch leichter als das umgebende Wasser, und erscheint
es daher nicht ganz natürlich, dafs dergleichen Eisberge ge-
rade wie warmes Wasser der Centrifugal kraft anheimfallend
dem Pole zugetrieben werden?
Es ist selbstverständlich, dafs die Zentrifugalkraft das
schwerere Wasser umgekehrt von den Polen nach dem
Aequator hiutreiben mufs. Sie wird daher zunächst noch.
beschleunigend auf die Gewisser der hohem 1
ken, wann sie domo di« Sehware gelrieben wie aaf «ortr
schiefen Ebene berabfliefaen, das durch die stark« ▼ertön- -
irtang um den Aeqnator entstehende Thal auszufüllen. Dtan
aber haben wir ihrer Einwirkung die zahlreich*« unter-
seeischen Strömungen kalten 'Wassers, die samrnllicfc vofe
den Polen dem Aeqnator «Hieben, mmchrdben ,- Jaren
Vorkommen auf keine andere "Weise erklärt werden, an
HL
Ich wende mich nun cor Betrachtung der Luflah-dsatn»
gen und «war vorzugsweise des vom Aeqnator naca'dha
Polen gerichteten sogenannten Aeqnatorialttronis. Den» In
der That lflfst die seit Halley feststehende Erklärung des
andern Theils des phBuomens, der Polarstromungen und
ihrer Fortsetzung, der Passatwinde, nichts zu wünschen übrig.
Auch" die Erklärung des Gürtels der Windstillen um den
jeweiligen W&rmeäquator herum, wo der durch die starke
Hitze hervorgebrachte aufsteigende Luftstrom dicht Ober der
Erdoberfläche im Allgemeinen keine andere Strömung auf-
kommen löfst, wird ziemlich tibereinstimmend gegeben und
scheint mir vollkommen zufriedenstellend zu seyn. Aber
über den Weg, den von nun an die bewegten Loftmassen
einschlagen, über die Ursache, die sie vom Aequator nach
den Polen treibt, gehen die Meinungen sehr auseinander
oder scheinen auch wohl etwas unbestimmt und unklar in
bleiben. »Durch die Passatwinde wird fortwährend Luft
dem Aequator zugeführt, so dafs sie sich dort anhäuft, und
daher wiederum nach den Polen abströmen mufs-, so un-
gefähr spricht man sich in geographischen Büchern Über
diesen Gegenstand aus, wobei als ErlSuteruug das Beispiel
der warmen Stube angeführt zu werden pflegt, in welche
durch die geöffnete Thür von unten her ein kalter Luft-
ström eindringt, wo dann ein Theil der warmen Stubenluft
in der Nühe der Decke abströmt. Aber das Beispiel scheint
mir wenig zutreffend, da bei dem hervorgebrachten Erfolg
255
die bestimmte Begrenzung der Luftmasse durch die Wände
des Zimmers und die Decke offenbar sehr wesentlich mit-
bestimmende Elemente sind, die bei der grofsen geheizten
Stube des Ae<[ualors nicht in gleicher Weise vorhanden
sind, und da der bald sich wieder verlierende dem obera
Theil der Thüröffnung entströmende warme Luftzug sich
schwer mit dem bis tu so hohe Itreiten wirksamen Acqua-
torialstrom der Luft in Parallele stellen läfst. Verwandt
mit obiger ist die Erklärung, die Kämtz in seiner ftfoteo-
logie {Band I S. 138 ff.) giebt, Sie besteht im Wesentlichen
darin, dafs, wenn die Über einer Stelle der Erdoberfläche
ruhende Luftsäule durch die Wärine stärker ausgedehnt
wird und sich über das Niveau der umliegenden Gegenden
erhebt, sie abströmen müsse, um die Gleichgewichtsober-
llSctie wieder herzustellen.
Aber abgesehen davon, dafs das Niveau der Atmosphäre
keine fest best in mite Oberfläche ist, sondern jedenfalls durch
die Temperatur mit bestimmt wird, ist es wohl durchaus
unzulässig, solche in vcrhällnifsmälsig grofser Nähe der Erd-
oberfläche vorgehende Erscheinungen wie die Winde her-
zuleiten aus den Veränderungen, welche die obersten Re-
gionen der Atmosphäre, dort wo sie an den luftleeren Raum
gränzt, oder sich allmählich verliert, über deren Wesen und
Beschaffenheit wir gar nichts wissen, betreffen. Die Ge-
wichtigkeit dieses Einwandes scheint mir um so gröfscr, da
die Aufwühluug der Luft sich schwerlich mehr als einige
Meilen hoch erstrecken dürfte. Kämtz selbst bemerkt
(Theil 1 S. 283): »Nun sind aber die obersten Theilc der
Atmosphäre so dilatirt, haben so wenig Adhäsion an einan-
der, dafs die obersten Luftschichten einen Druck leiden
können, ohne dafs dadurch die untern iin mindesten niodi-
licirt werden.»
In neuerer Zeit hat Maurv eine ganz abweichende Au-
sicbl über die Circulalion der Luft ausgesprochen, auf die
i li hier etwas näher eingehen tnufs, da ich einigen Auf-
stellungen desselben beipflichte, andere als unbegründet
zurückweisen zu müssen glaube. Im Wesentlichen bestell
Mine Hypothete in Folgendem, wobei ich auf die
tische Figur S. 65 seine« Werkes verweise: .1.
Ein Laftatom steigt am Nordpol in die Hohe, fliefat von,
dort als oberer Loftstrom (der die Erdoberfläche Dicht be-
rührt) dem Aeqoator zu bis in die Gegend des Wende-
kreises des Krebses, wo'Manry einen Gürtel der Wind*
stillen annimmt Hier sinkt es herab and macht sich ran
Dun an, In der Nahe der Erdoberfläche hiü wehend, als dar
bekannte Nordostpassat bemerklich. Am Aeqoator, oder
vielmehr in der Gegend des aequatorialen Calmengfirtnln>
steigt es empor, and geht, nachdem es den Calmengttrttl
überschritten, nach der- andern Halbkugel Ober, bb sam
Wendekreis des Steinbocks in den oberen Regionen blei-
bend. Dort aber senkt es sieh wieder und zieht in den*
bekannten Aequatorialstrom der südlichen Halbkugel als
Nordwest dem Südpol zu, wo es emporsteigt, am den ent-
sprechenden Weg vom Sttd- nach dem Nordpol einziischla-
. gen, den man nach obigen Angaben leicht wird verfolgen
können. Ich hebe daraus nar hervor, dafs nach Maury's
Ansicht mithin der Aequatorialstrom unserer Breiten mit der
vorherrschenden Richtung von Südwest nach Nordost von
der südlichen Halbkugel herkommt, am Acqualor in die Höhe
gestiegen ist, und sich in der Gegend des nördlichen Wende-
kreises zur Oberfläche herabgesenkt hat.
Was Maury ferner als Hypothese über die diese Cir-
culation bewirkende Kraft vorbringt, namentlich in Betreff
der behaupteten Hebungen, Senkungen und Durchkreuzun-
gen der Luflströme, wobei er an den' Magnetismus der
Erde und die magnetischen Eigenschaften der verschiedenen
Bestandteile der Luft denkt, ist so gänzlich vag und un-
bestimmt, dafs man wohl vorläufig der Mühe überhoben
ist, darauf naher einzugehen. Ich kann mir jede Berück-
sichtigung dieser höchst hypothetischen Hypothese um so
mehr ersparen, da ich nur einen Theil seiner Aufstellungen
mir zu eigen mache, und dieser mir ganz naturgemäCs 10
seyn, keiner so unsichern Annahmen zu bedürfen scheint.
Mir scheint nämlich die Annahme eines vom Pol bis zu
257
dem zugehörigen Wcudekrcise in oberen lieg\
ziehenden Luftslroms, der eist liier sich zur Oberfläche her-
abseuke, durch nichts erwiesen, seine Annahme in keiner
Weise durch die Erscheinungen gefordert. Weht denn nicht
in der kalten und gcmäfsigteii Zone der nördlichen Halbkugel
der polarische Nordost oft genug an der Oberfläche hin?
Dafs er nicht fortwährend der herrschende Wind ist, wie
später in der hejfseii Zoue als Nordostpassat, liegt einfach
darin, dafs der aequatoriale Südwest so oft mit ihm im
Streite liegt, oder Über ihn die Oberhand behält. Die na-
tnrgemäfse Vorstellung über den Polarstrom ist offenbar
di«, dafs nach der stark verdünnten Luft des heifsesten Erd-
gürtels die kältere Luft von höheren Breiten und vom Pole
her gewiss ennafsen durch Saugen fortwährend hingezogen
wird.
Dafs dagegen in der Nähe der Wendekreise der bis
dahin nur in den oberen Regionen der Luft herrschende
AequatorJalstrom sich der Oberfläche der Erde nähert, er-
klärt sich genugsam dadurch, daTs die früher erhitzte, be-
trächtlich leichtere Luft vom Acquator her beim Vorrücken
in höhere Breitcu allmählich sich abkühlt und daher schwe-
rer werden mufs, ohne dafs man dabei den Magnetismus zu
Hülfe rufen dürfte.
Ebenso wird man Maury beistimmen müssen, wenn er
eine Durchkreuzung der über den Calmcn emporsteigenden
Luftströmungen des Nordost- und Südostpassats behauptet.
Eine derartige Durchkreuzung ist, soviel mir bekannt, in
Werken, welche diefs Thema behandeln, zwar meistens nicht
geradezu in Abrede gestellt: vorherrschend war aber immer
die Vorstellung, dafs die Luftmassen, nachdem sie um den
Aequator in die Höhe gestiegen, im Allgemeinen, auf der-
selben Halbkugel bleibend, rückwärts dem l'olc wieder zu-
strömten. Es ist Maury's Verdienst, diese Durchkreuzung
entschieden behauptet, und in ihren Gonsequenzen, die er
freilich bisweilen mir etwas zu weil zu ziebeo scheint, ver-
folgt zu haben. In der Thal kann die Geschwindigkeit
eines Lufttbeilchens , das vom Nordostpassat getrieben bis
PüggcnJorfP. Anul. Bd. CX. VI
i dahin-
258
an die Grunze des aequatorialcn Calmcngiirtcls gelangt, in
dieser Richtung; keineswegs aufhören, wenn es auch durch
die starke Erhitzung in die Höhe zu steigen gezwungen
wird, da ein senkrecht in die Höhe gerichteter Impuls die
horizontalen Compouenten der Bewegung gar nicht ändert.
Die Bewegung von Nordost nach Südwest wird daher dem
Lufttheiichen verbleiben müssen, auch wenn es in einem
aufsteigenden Luftslrome in die Höhe getragen ist, und es
wird demnach den Carmc-DgQrtel zu durchschneiden und in
die andere Halbkugel überzugehen streben. In ähnlicher
Weise wird die vom Südostpassat zugefßbrte Luft in hö-
heren Regionen durch den Calmcngürtel hindurch zu unserer
Halbkugel den Weg; finden. Dafs diese Richtung nach dein
Uebergang in die andere Halbkugel nach und nach in die
entgegengesetzte übergeht, ist im Vorigen nachgewiesen.
Zwar wird während des Aufstcigcns beider Luflslröme
und durch ihre gegenseitige Einwirkung auf einander die
ihnen eingeprägte Geschwindigkeit in der Richtung von
Nord nach Süd und von Süd nach Nord sich vemiiudcrri:
bisweilen werden die von beiden Passaten bewegten Luft-
inassen sich gegenseitig aufhalten, uft aber werden sie auch
einander vorbeigehen, oder sich durchkreuzen können, oder
die stärkere Strömung wird die schwächere verdrängen.
Wir sehen somit schon, wie eine Bewegung in der Richtung
des Meridians vom Aequator nach den Polen hin entstehen
kann, nämlich als Fortsetzung des Polarstrums der entgegen-
gesetzten Halbkugel. Maury nimmt diese Art der Luft-
bewegung als die Regel an, so dafs im Allgemeinen die auf
der nördlichen Halbkugel vom Aequator dem Pole zuwe-
hende Luft von der südlichen Halbkugel herkomme, und
umgekehrt. Meiner Meinung nach wird diefs zwar oft der
Fall seyn, aber nicht immer. Es kann auch vorkommen,
dafs die Luft unserer Halbkugel am Cahnengflrlel zurück-
gehalten, wieder als Aeqnntorialwind nach höheren Breiten
zurückströmt; durch welche Kraft getrieben, werden wir
später sehen.
Wir wollen nun die Beläge, die Maury für seine An-
259
sieht anführt, dafs die den höheren Breiten einer Halbkugel
vom Aefjualor her zuströmende Luft von der entgegenge-
setzten herkomme, etwas »«her ins Auge fassen. Ich be-
merke Übrigens, dafs vorzugsweise für die nördliche Halb-
kugel die Beweise stichhaltig erscheinen, nicht in gleichem
Grade für die südliche.
Bekanntlich enthält die südliche Halbkugel sehr viel mehr
Wasser als die nördliche, Irotzdem ist der Niederschlag
auf der nördlichen beträchtlich gröfscr. Berghaus giebt
die mittlere Höhe des jährlichen Niederschlags in der nörd-
lichen gemässigten Zone auf 35 Zoll, in der südlichen ge-
mäßigten Zone auf 25 Zoll an. Eine Bestätigung findet
diese Bemerkung dadurch, dafs, wenn man den Amazuncn-
strom, der beiden Gebieten augehört, abrechnet, mit Aus-
nahme des La Plata kein einziger bedeutender Strom der
südlichen Halbkugel angehört. Gewils also isl es eine auf-
fallende Erscheinung, dafs auf der einen Halbkugel die
ausdünstende Oberfläche, auf der andern die Condcnsation
des Wasserdunstes zu Niederschlagmassen so bedeutend
überwiegt. Allerdings wirken hierauf zwei Umstände ein,
die mit der hier entwickelten Hypothese über die Circula-
üon der Luft in keinem Zusammenhange stehen: die durch-
schnittlich etwas höhere Temperatur der nördbehen Halb-
kugel, welche eine stärkere Verdunstung zur Folge hat,
und die gröfserc Masse des zum Thcil hoch aus dem Was-
ser emporragenden Festlandes, welches gleichfalls, indem es
die mit Wasserdunst geschwängerten Wolken aufhält, den
Niederschlag befördert. Indefs erscheint es wohl fraglich,
ob man ein so bedeutendes Resultat diesen beiden Umstän-
den allein wird beimessen wollen. Offenbar würde der
Uebergang von Lnflmassen aus einer Halbkugel in die an-
dere nach derselben Richtung hin sich wirksam erweisen.
Wenn ich übrigens mit Maury einen solchen Uebergang
annehme, so kann ich doch im Einzelnen seinen Ausfüh-
rungen keineswegs beistimmen. Indem er die mulhmafsliclien
Wege der Wasserdunst führeudeu Luftmassen verfolgt, lei-
tet er fast immer den auf einer Halbkugel fallenden Nieder-
\1*
,
260
schlag aus der jenseitigen Halbkugel her, oft uliue dafs diese
Annahme im mindesten nothwendig oder auch nur nähr-
sebeinlich wäre. So, um deu starken Niederschlag bei Pa-
lagouien und dem Gap Iloorn zu erklären, nimmt er an,
es müsse diese Fülle von Wasscrdunst schon von dem
Nordostpassat der nördlichen Halbkugel angesammelt seyn,
als wenn nicht auf dein langen Wege vom Wendekreis
des Steinbocks an über ein weites Meer hin Gelegenheit
genug wäre, mit Wasserdunst übersättigt zu werden. Eben
so nieint er, wie mir scheint, gleicherweise ohne zwingenden
Grund, die Hegenmenge in Oregon komme aus dem Gebiet
des Südostpassats der südlichen Halbkugel.
Da, wenn eine solche Ueberführung von Wasscrdunst
aus einer Halbkugel in die andere stattfindet, die Ansamm-
lung desselben vorzugsweise innerhalb des Passat jiiirteU
stattfinden mufs, so kommt es wesentlich nur darauf an, in
welchem Veihülfuils innerhalb dieser Gürtel die Wasser-
fläche zur Oberfläche des Festlandes steht. Nun ist die
Wasserfläche des südlichen Passalgürlels zwar überwiegend,
aber nicht in sehr hohem Grade; es scheint daher die so
sehr viel gröTsere Menge des Niederschlags auf der nörd-
lichen Halbkugel darauf hinzuweisen, dal« die mit Wasser-
dunst überladene Luft aus der südlichen Halbkugel Öfter
in die nördliche übergebe, als umgekehrt.
Maury führt ferner eine positive Thatsachc an, die
wohl als beweis für die Ueberführung der Luft aus der
südlichen iu die nördliche Halbkugel angesehen werden
kann. leb beziehe mich hierbei auf den sogenannten Pas-
satstaub, au welchem die Macht des Mikroskops in den
Händen Ehrenbcrg's sich in so glänzender Weise be-
thäligt hat, der, ausgetrockneten SchlnniniberkenSüdauierika's
entstammend, bis zu den Küsten von Nordafrika, Süd- nnd
Mittel -Europa geführt wird.
Ich verkenne nicht, dafs die angeführten Umstünde kaum
als wirkliche beweise anzusehen sind.
Ihre Hauptstütze haben die gemachten Annahmen, sowie
die, welche ich im Folgenden uoch aufzustellen habe, in
261
theoretischen Erwägungen. Doch hielt ich es immerhin für
zweckmäfsig, sie soweit als thimltch der Prüfung thatsäch-
licher Erfahi uugen zu unterwerfen, wobei sich wenigstens
herausgestellt hol, dafs dieselben mit der Hypothese vidi
kommen in Einklang sind.
Es bleibt uns noch die Einwirkung der Zentrifugalkraft
auf die Bewegung der Luft zu betrachten. Sie wird sich
im Wesentlichen in derselben Weise zeigen, wie bei den
Strömungen des Wassers. Schwerere Luftmassen werden
dem Aeijii.ttor zustreben, leichtere vom Acnualor nach den
Polen hinströmen. Dafs neben diesen Impulsen in horizon-
taler Richtung die durch die Schwere bedingten Bewegun-
gen in senkrechter Richtung sich geltend machen, dafs die
schwere Luft sich dicht über der Erdoberfläche lagert, die
leichtere in die Höhe steigt, dafs ferner alle aus der Aus-
dehusaiiikeil der Luft hervorgehenden Bewegungserscheinun-
gen iu Kraft bleiben, versteht sich von selbst, und es wird
dadurch das Phänomen ein viel coinplicirteres als bei den
Strömungen des Wassers, Im Ganzen aber wird es den
oben angegebenen Charakter bewahren. Eine Masse spe-
eifisch leichter Luft wird natürlich zunächst in die Hohe
steigen, bis sie gewissermafsen das ihr zukommende Niveau
erreicht hat. Zugleich aber, wenn sie leichter als die iu
gleicher Hohe befindliche Luft ist, wird sie der Centrifugal-
kraft folgend vom Ac<[uator nach den Poleu hinwehen. So-
mit wird zunächst diejenige Luft, welche nach Durchschuei-
Jun: der Aequatorialcahnen in die jenseitige Halbkugel
vorgedrungen ist, stetig neue Impulse in der Richtung der
Meridiane nach dem Pole zu erfahren, und iu der Thal
scheint es schwer erklärlich, wie ohne eine solche Beschleu-
nigung der Geschwindigkeit die Bewegung iu der Richtung
des Meridians sich auf so weite Strecken hin erhalten könnte.
Dann aber werden auch diejenigen Luftmassen, die im Gür-
tel der Windstillen des Aeuualors sich ansammeln, ohn
ihn durchschneiden zu können, durch die Zentrifugal krnf
wieder zum Pole zurückgetrieben werden. Wir haben
also auch iu diesem Falle nicht mit einem blossen WaVw.W.w
iür-
ilme
NM
n es
262
der aufgestauten Luft zu thuii, wodurch dieselbe unmöglich
ciue so bedeutende Geschwindigkeit erhallen könute, um
bis zu hohen Breiten zu gelangen.
In Bezug hierauf aber mim Is der Umstand, dafs der
Wärmeäquator und im Zusammenhange damit der Gürtel
der Caimen fast tiberall und zu allen Zeiten des Jahres auf
der nördlichen Halbkugel liegt, unsere Aufmerksamkeit auf
sich ziehen. Was wird wohl die Folge hievon seyn müs-
sen? Von beiden Seilen her slromt die Luft dem Calmen-
gürlel zu und steigt dort wegen der starken Erhitzung, der
sie ausgesetzt wird, in die Höhe. Als specilisch leichter
verfällt sie nun dem Eintlufs der Centrifugalkraft. Nähme
nun der Caluiengürlcl gerade die Gegend in der Mitte der
Erde genau um den Aequalor ein, so würde die Luft gleich-
mäfsig nach beiden Polen hin abströmen. Da er aber ganz
in der nördlichen Halbkugel liegt, so treibt die Centrifugal-
kraft nach dein Nordpol bin, beschleunigt jede Bewegung
in dieser Richtung, widerstrebt dagegen den nach dein Aequa-
lor gehenden Strömungen und verhindert vielleicht in man-
chen Füllen, dafs der Nordostpnssat der nördlichen Halb-
kugel bis in die südliche vordringe. Der Südoslpassat da-
gegen, der, um bis zum Calmcngürtcl vorzudringen, schon
den Aequator passiren mufste, wird dadurch in semer dem
Nordpol zugerichteten Geschwindigkeit beschleunigt. Wir
würden daher, worauf auch die Beobachtung, wie wir ge-
sehen haben, hinzuweisen schein!, häufigere und stärkere
Strömungen aus der südlichen Halbkugel in die nördliche
zu gewärtigen haben, als umgekehrt.
Endlich scheint mir die Cenlrifugalkraft auch bei dem
noch so rälhselhaflcn Phänomen der Wirbelstürme eine
Bolle zu spielen. Versetzen wir uns, um die Vorstellung
zu fixiren, nach dem Antillenmeer, jenem Hauptschauplatz
der furchtbaren Naturerscheinung. Bekanntlich springen die
westindischen Wirbclorkane in der Regel zwischen dein
10*™ bis aO""" Grade nördlicher Breite, also unweit der
nördlichen Gränzc des Gürtels der Aequalorialcalmeu auf.
Diefs deutet entschieden darauf, dafs sie durch das Zusam*
meni reffen der Passalc beider Halbkugclu entstehen. Und
wieder stimmt der Umstand, dafs sie iin Allgemeinen liier
nur in der nördlichen Halbkugel erscheinen, uiit dein ebeu
erwähnten Verhalten der Luftstrümungcu zusammen, dafs
nämlich der Nordostpassat wenig oder gar nicht in die süd-
liche Halbkugel vordringt.
Aus dem, was im ersteu Abschnitt über die Bahnen
bewegter Luftmassen gesagt ist, geht hervor — und die Er-
fahrung bestätigt das vollkommen (S. Maury S. 210) —
dafs der Südostpassat, wenn er an die G ranze der Aequa-
lorialcalmcu gelaugt, mit der Richtung der Parallelkreise
einen viel gröTser» 'Winkel macht, als der Nordostpassat
der nördlichen Halbkugel. Noch entschiedener nürdlicb
wird er wahrscheinlich nach dem nolhweudigcn Aufenthalt
während des Emporsteigcns innerhalb der Calmcn. Trifft
also der Passat der südlichen Halbkugel, nachdem er die
Calmen durchschnittet], mit dein der nördlichen zusammen,
60 mufs die rcsultirendc 'Bewegung offenbar von Südost
nach Nordwest gerichtet scyu, was in der That regelmässig
die Richtung ist, welche das Wirbelccntrum beim Beginne
des Laufs einschlägt. Da ferner beide Winde beim Zu-
sammentreffen jedenfalls einen bei rächt liehen Winkel mit
einander bilden, so finden wir das Entstehen einer Wirbel-
bewegung begreiflich, wogegen ein System von Kräften,
die unter sehr spitzen Winkeln auf eine Linie treffen, nicht
zu einer drehenden, sondern nur zu einer fortschreitenden
Bewegung in der Richtung der Diagonale Veranlassung
geben würde. Hierin mag auch der Grund liegen, weshalb
im Australocean au der Gränzo beider Passate dergleichen
Virbelstürme nicht so häutig stattfinden. Die Region der
Leimalorialcalmcn weicht hier nicht so weit von dem ma-
thematischen Aequator ab, und beide Passate treffen daher
in sehr spitzem Winkel auf einander. Es scheinen über-
haupt Wirbelslürme durch das Zusammen treffen beinahe
entgen gesetzt er Winde zu entstehen, nur dafs anderwärts
k nicht die Passalc beider Halbkugeln, sondern die entgegen-
gesetzten Monsoonc dazu Veranlassung geben, Uebrigeus
im .
Wi,
Aeip
tlien;
lasse
bclbev
uiaafs;
der Wi
noch e('
Silin, il.'ii'
Luflmu
wird n
dann in die
schreitet
nimmt
kurricane l
Sollle
vielleicht in 1
264
ich hier auf die nähere Betrachtung der Wir-
j, die dabei obwaltenden Erscheinungen und
!en Verhältnisse nicht ein. Nur die Bahn, die
in seinem Fortschreiten beschreibt, soll uns
beschäftigen. Ich machte schon «In rauf aufmerk-
ese Bahn gerade so ist, nie die einer bewegten
Ein Südostwind auf der nördlichen Halbkugel
ml i. ' i ' nach Norden gerichtet, wendet
; lichtuiig nach Osten und
)esc inigter Geschwindigkeit fort, er
W den das C'eiiiniro eines Weslindia
ichfit merkwürdige Ucbereiiistimmung nicht
n eine naturgemäße Erklärung frudeu?
Bekanntlich stellt innerhalb des Wirbels das Barometer
immer auffallend niedrig, die Luft ist dort in hohem Grade
verdünnt, wahrscheinlich weil die heftige Drehung des Wir-
bels mittelst der Cenlrifugalkraft die Luft nach aufsen treibt.
Die ganze vom Wirbel umschriebene Luftmasse wird daher
speeifisch leichter seyn, als die umgebende Luft. Mithin
tritt nunmehr die durch Rotation der Erde hervorgerufene
Centrifugalkraft in Wirksamkeit und ertheilt der ganzen
Luftmasse einen Impuls nach dem Nordpol zu. Aus der
Anfangsrichtung und diesem Impulse erklärt sich dann die
Bahn des Wirbels vollkommen.
Den Gründen, welche ich dafür angeführt habe, dafs
man bei den Strömungen des Wassers und der Luft der
Centrifugalkraft eine gewisse Rolle beizulegen habe, fehlt
allerdings, um entscheidend zu seyn, eine sorgfältige Prüfung
an dein Maafsstabe (ha (sächlich er Erfahrung. Indefs wollte
ich mit meiner Ansicht nicht zurückhalten, damit eben die
Aufmerksamkeit der Beobachter sich darauf richte, und sie
um so eher entweder Bestätigung oder Verwerfung finde.
V. Das Dichrooskop; von IL TV. Dove.
/
Ich verstehe darunter einen Apparat, welcher bestimmt ist
folgende Aufgaben zu lösen:
1 ) Interfereuzerschcinungen und Spectra in verschieden
farbigen Beleuchtungen getrennt und in ihrer Coi
bination darzustellen.
2) Die Phänomene des Dichroismus nachzubilden, sowohl
die, wenn die dichro'itischen Krystallc durch
doppelt brechende Vorrichtung z. ß. die dich roi tische
Loupc von Haidinger betrachtet werden als auch
die, welche hervortreten, wenn die dichroitischen
Krystallc selbst als analysirende Vorrichtung in einen
Polarisationsapparat angewendet werden.
3) Elliptisches, circulares, geradlinig polarisirtes und uu-
polarisirtes Licht beliebig mit einander zu combiuiren
nicht in der Weise, dafs das eine durch die polari-
sirende, das andere durch die analysirende Vorrich-
tung für sich hervorgerufen werde, sondern so, dnfs
es gleichzeitig die donpeltbrcchenden Körper durch-
strahle und dann einer beliebig analysircndcn Vor-
richtung unterworfen werde.
Bezeichnet Fig. I Taf, IV1) ab das dreiseitige auf einem
gewöhnlichen Fernrohrstativ mit horizontaler und verticaler
Bewegung in einer Hülse bewegliche messingene Prisma
^ meines (Pogg. Ann. Bd. 35, S. 596 und Darstellung der
Farbenlehre S. 202) beschriebenen Polarisaliousapparales,
welches am Ende die Colleclivlinse mit dem darauf zu schrau-
benden Polarisalionsspiegel cd, bei « den analysircuden
Nicol mit der Ocularlinse trägt, so ist hegf das Dichroos-
kop, welches in einen der gewöhnlicheren Schieber, welche
die übrigen Vorrichtungen tragen, eingesetzt werden kann,
wobei diese (ibrigen Vorrichtungen (der polarisirendc Nicol
und die circularpolarisirenden Glimmerblällchcn) zur Seite
gelegt werden.
I) El in die Octavlaftt, die irrllmmlkl, >U Tat. 111 bcuicWl i»l. (l> }
266
Das Dicfarooskop für eich ist ein Tiereckiger messingne!
Kasten, dessen hänge 81"°. dessen Höhe 75°"", dessen Breite
70°"", Die in der Figur biulerc Seite des Kastens ist ge-
schlossen und in der Mille dieser Seitenwand eiu cylindri-
scher Aufsatz, iu welchen ein Stift sich einschiebt, der ent-
weder an einen durch ef bezeichneten Glassatz oder an
einer drehbaren Glasscheibe sich befindet, die auf diese
Weise mit einander vertauscht werden können. Die Dre-
hung des Glassatzes oder der Scheibe erfolgt durch einen
an der andern Seite desselben befindlichen aus dein Kasten
hervorragenden Knopf, nachdem das aus der Oeffnung des
cvlindrischen Ansatzes hervorragende Ende des EiusatzsüT-
tes, in welchen eine Schraube geschnitteu ist, durch eine
Schraubenmutter so weit befestigt, dafs die Drehung noch
erfolgen kann. Iu die beiden offenen Seiten des Kastens
hf und fg können farbige Gläser eingesetzt werden, wäh-
rend he, wenn man nicht andere Ständer anwendet, zur
Aufnahme von gekühlten Gläsern oder Krystallen oder ei-
nes circular polarisii enden drehbaren grofsen Glimmerblatts
dient. Die Oeffnungeu hf und gf können durch Schieber
verschlossen werden, während in he ein Schieber einge-
setzt werden kann, der für prismatische Versuche eine Län-
genspalte erhält, für Gitterversuche hingegen einen andern
mit kreisrunder Oeffnung. Zu dem Apparat gehören aufser-
dem zwei Spiegel 108" laug und 60~" breit, ein belegter
und ein schwarzer, von denen entweder der eine oder der
andere bei g vermittelst eines nach g e hingehenden Schlit-
tens unter dem Polarisationswinkel eingesetzt werden kann,
wo dann der gewöhnliche Polarisationsspiegel cd eutfernt
wird. Ich werde in der Folge die bei g einzusetzenden
Spiegel mit cd bezeichnen.
Der Apparat ist bestimmt für gewöhnliches Tageslicht
oder directes unter dem Polarisationswinkel auf cd fallen-
des Sonnenlicht.
Um die Erscheinungen bei den verschiedenen Combi
nationen einfach zu bezeichnen, nehme ich an, dafs die
>
267
linear analysirende Vorrichtung bo gestellt sey, dafs auf
einer senkrecht auf die Axe geschliffenen Kalkspathplattc
das Riugsystem mit dein schwarzen Kreuz erscheint. Es
ist dabei vorausgesetzt, dafs die Ocularlinsc senkrecht steht.
Ist die Platte die eines Körpers, dessen Doppelbrechung
schwach, oder soll eine Krystallplattc mit grofsein Axen-
winkel betrachtet werden, so wird als analysirende Vorrich-
tung das polarisirendc Mikroskop angewendet, welches ich
(Farbenlehre S. 209) beschrieben habe. Es ist so einge-
richtet, dafs das zu circularcr oder elliptischer Analyse die-
nende Glimmerblätlcheu iu gleicher Weise wie bei dem ge-
wöhnlichen < »ciliar vorgeschlagen werden kann. Betrachtet
mau hingegen gekühlte oder geprefste Gläser oder Kry-
stallplatleu aus der Weite des deutlichen Sebeus, so wird
die Ocularlinse umgelegt und durch den gewöhnlichen ana-
lysircuden Nicol gesehen.
Man erhält nun folgende Coinbinationeu:
1) cd belegter Spiegel, ef die Glasscheibe. Es gelangt
zur aualysireiidcn Vorrichtung, natürliches Licht von
cd, linear polarisirles von ef.
n) fg durch den Schieber geschlossen, weifses Licht
linear polarisirt.
6) fg durch den Schieber geschlossen, in hf ein far-
biges Glas, nach der Natur des Glases linear po-
larisirles Licht monochromatisch oder mehrfarbig.
c) Ohne Schieber und ohne farbiges Glas, weifses
natürliches Licht und weifses linear polarisirtes,
daher (heil weise polarisirtes, die Ringe kaum sicht-
bar. Zieht man einen in fg eingesetzten Schieber,
nachdem man lauge das Riugsystem mit schwarzein
Kreuz betrachtet, schnell hiuwcg, so sieht man
zuerst subjeetiv die coinplemeutarcn Ringe mit
hellem Kreuz.
d) Ohne Schieber, das farbige Glas iu fg, Verbin-
dung unpolarisirtcn farbigen Lichtes mit weifsein
linear polarisirlcn. Das Kreuz lebhaft iu der Farbe
268
des Glases gefärbt, die Ringe in weifser Beleucl
tung etwas verändert durch die gleich förmig far-
bige lieleuchlung.
e) Ohuc Schieber das farbige Glas in hf, farbig li-
near polarisirtes Licht mit weifsem uupolarisirten.
Die Ringe fast verschwindend, wegen der über-
wiegenden weifsen Beleuchtung.
f) Verschieden farbige Glaser in hf und gf. Da*
Ringsyslem erscheint fast so, als wenn die ann-
lysirende Vorrichtung um ü0" gedreht wäre, das
Kreuz ist farbig und die Ringe erscheinen als Ab-
wechselungen aus den Farben beider Gläser, in-
dem die im homogenen Licht dunklen Stellen
durch die durch fg eintreude farbige Beleuchtung
erhellt werden.
g) Setzt inau bei eh ein grofses drehbares Glimmer-
blatt ein, so erhält man die entsprechenden Cum-
binalionen von cir ciliarem und elliptischem Licht
mit uupolarisirteiu.
2) Der belegte Spiegel wird mit dem l'olarisationsspie-
gel vertauscht. Es gelangen zur analys ircndcii Vor-
richtung zwei Massen in derselben Ebene linear pola-
risirten Lichtes, oder wenn in he das GliiinncrblaU
eingesetzt ist, circularen oder elliptischen und zwar:
u) Beide weil's oder beide farbig, wenn in hf und
gf keine Gläser oder glcichgcfärbte (wie in 1 a.b)
l>) weifs uud farbig, wenn in hf oder fg ciu farbi-
ges Glas, wobei das Weifs so überwiegt, dafs
die Wirkung des farbigen fast verschwindet.
c) Verschieden farbig, wenu in hf ein farbiges Glas,
in fg ein anders farbiges, wobei streng genom-
men, das I'langlas nicht dem Spiegel parallel seyn
darf, sondern jedes geneigt unter dem der Farbe
entsprechenden Winket des lJolarisa(ions-Maximuni.
Concentrin man bei dem Polarisationsapparat ohne Di-
chrooskop das Licht einer weifsen Flamme auf den pola-
risirenderj Nicol, und schaltet vor dem Auge eiu 6""" dickes
Koballglas ein, so erhalt man die blauen und rolhen Ring-
syitcme im kohlensauren lilei scharf getrennt ') einander
durchschneidend und im Kalkspat!) die prachtvolle Abwech-
selung lief rolher, blauer und violetter conccnlrischer Kreise.
Durch Hinzufügung eines grünen Glases, kann man die
blauen Ringe isolircn, durch die eines rothen IJeberfang-
glases die rothen. Aber solche Koballgliiser, die die Mitte
des Spcclrum vollständig vertuschen, sind anfsert seilen,
und die Verdunkelung des Lichtes so grofs, dafs in we-
iliger lichtstarken Apparaten die Erscheinung Uufscrt ver-
kümmert wird, bei der gewöhnlichen Tagesbeleuchtuug
überhaupt nicht sichtbar ist, da die rothen Ringe dann ganz
verschwinden. Di chromatische Combinationeu durch Ueber-
eiuanderlegen verschieden farbiger Glaser sind aber für
manche Farbe unmöglich, da ein rein rot lies und rein grü-
nes Glas überhaupt dann vollkommen undurchsichtig werden.
Diese Uebelstünde beseitigt vollständig das eben angege-
1 ) In diesem Falle ebenso, wie wenn in» Halt dei dicken Kobaltgl.ises ein
blau» und rolhrs im DicbrnosVop ennibmirl, kann es auffalten, d>r9 die
dunkeln Hinge im blauen l.iebl viel mehr In der Richtung der Verbin-
dungslinie der Mittelpunkte beider Systeme In die Länge gelogen sind, als
die im rollten Lieht, obgleich der Aienwintel in rolher Beleuchtung . r ,..,.-,
als iu blauer Ist. Der Grund der Erscheinung leuchtet aber durch die
prismatische Analyse sogleich ein, das Spcclrum der durch das Koball-
glas >cl.einenden Flamme erschein! nämlich bestehend an] iwel durcl.
einen dunklen Kaum getrennte» 1 i. I..n. ...... . von denen die rollte ho.
„ .,.;.■!,, da die Geilalt der Spille scharf hervortritt, während hingegen
die blaue Lirhtmasse sich üher einen grüTsrrn Itaum verbreitet und am
hellblau in dunkelblau Übergeht. Die von dieser Liclxrmsse eraeugten
Ringe sind also nicht einfach sondern verhallen sich so, wie die Kreis-
weiten, welche in. einer Wauerdarhe durch Tropfen gebildet werden,
die nach einander in einer geraden Linie herabfallen. So wie aus den
tusanjincnfallendcn Uleroeuur wellin hier iwei geradlinige etwas gegen
einander geneigte Weilen entliehen, in bilden siel, Um die dunklen
Streifen, welche deswegen an der Srilc geradlinig erscheinen und an
dem einen Kode durch eine (lächere Curve begrämt sind als an dem
andern. Diese Entstehung wird anschaulich, wenn man mit dem Co
baltglasc ein dunkelgrünes combiniri. Bei prismatischer Analjse v
dann die blaue Llchlraasse. schmaler, im Pulnrisatinnsap parat die Hinge
abgerundeter.
270
bcne Arrangement c). Durch die Combination monochro-
matischer und dichroitiatischor Gläser, welche in hf und fg
eingesetzt werden, kann man jede beliebige Vereinigung der
Farben zu vielfarbigen Beleuchtungen erhalten, die man
durch Verdecken von hf oder fg sogleich in ihre Com-
ponenten zerlegt, ja man sieht, wenn man ein rothes und
grünes Glas verbindet, die Newton'schcu Ringe in wei-
fser Beleuchtung gleichsam unter seinen Augen entstehet!.
Um hiervon eine nähere Anschauung zu geben, habe
ich in Fig. 3, 4, 5, 6 Taf. IV die Erscheiuung zweier ge-
kreuzter sehr (lach geschliffener Gypskeilc in rother, gelber,
grüner und blauer Beleuchtung gezeichnet, wo die in der
Zeichnung weifsen Zwischenräume der dunklen Interferenz-
liuien in der entsprechenden Farbe erscheinend zu denken
sind. Denkt man sich nun zwei dieser Zeichnungen über-
einandergelcgt, so erhält man die Phänomene der coinbinir-
tea Beleuchtung. Da das den beiden Keilen gemeinsame
Quadrat im Roth fünf, im Blau sieben Interfereuzlinien zeigt,
so ist die Abwechselung rother und blauer Streifen dann
unmittelbar ersichtlich, da die Diagonale beider Farben ge-
meinsam schwarz erscheint Eine sehr histruclive Erschei-
nung erhalt man, wenn man fg durch den Schieber ver-
deckt, nur einen Gypskeil betrachtet aber in hf ein Glas
einsetzt, dessen eine Hälfte die eine Farbe, dessen andere
die andere hin durch läfst. Das scharfe Absetzen der Inter-
ferenzstreifen tritt dann besonders klar hervor. Will man
den Antheil anschaulich machen, welchen jede einzelne Farbe
an der Erscheinung im weifsen Licht nimmt, so wählt man
in hf ein Glas, dessen eine Hälfte farblos, die andere hin-
gegen farbig ist.
Es sind mir keine durchsichtigen Körper bekannt, welche
homogenes Gelb durchlassen. Für diese Farbe wurde da-
her eine andere Anordnung getroffen. Der Spiegel cd
wurde entfernt, in ef statt der Glasplatte der polarisirende
Glassatz substituirt, und bei b die Collectivlinse aufgesetzt
Nahe in den Brennpunkt derselben wurde nun dicht hin-
tereinander eine durch Kochsalz gelbgefärbte Weingeist-
271
flamme auf der der Linse zugekehrten Seile gestellt und
hinter derselben eine weifse Flamme, endlich zwischen beide
die zum Farben dieser Flamme bestimmte Glasplatte. Da
nun eine homogene Flamme durch andersfarbiges Licht durch-
strahlt wird, so erhält man auf diese Weise die verlangte
Combination.
In Ermangelung gut geschliffener Gypskcile kann man
sich gut gekühlter Gläser oder Bcrgkrvstall-Compcnsatorcn
bedienen.
Um das fiir die Interferenzen, wo gleiche Wege mit
ungleicher Geschwindigkeit durchlaufen werden, gefundene
auszudehnen auf Interferenzen, wo ungleiche Wege mit
gleicher Geschwindigkeit durchlaufen werden, kann man sich
dioplrischcr Gitter bedienen.
Ich habe Pogg. Ann. Bd. 26, S. 310 gezeigt, dafs wenn
man durch zwei gekreuzte dicht vor das Auge gehaltene
Glasgitter nach einer hell beleuchteten Oeffnung oder einer
Lichttlauime blickt, man die prachtvolle Erscheinung der in
den Quadranten verzogenen Speclra in grofser Ausdehnung
sieht, welche Fraunhofer auf der sechsten Tafel seiner
Gilterversuche abgebildet hat. Die Zurückfiihrung der schief
verzogeneu Speclra auf die von der Wellenlänge abhängige
scheinbare Ablenkung des Lichtes erhält man sehr schön
durch Einschalten eines monochromatischen, dichromatischen
oder dreifarbigen Glases, in welchem Falle mau die un-
veränderten Bilder der Oeffnung in regelmäßigen Abstän-
den, Systeme von Quadraten mit gemeinschaftlichen Ecken
bilden sieht, und zwar im ersten Falle eins, im zweiten
zwei u. s. f., oder durch Betrachtung monochromatischer
Flammen. Bei Anwendung des Dicbrooskops befindet sich
die kreisförmige Oeffnung in einem in he eingesetzten Schie-
ber. Sie wird durch die auf einander drehbaren Gitter aus
der Weite des deutlichen Selicus betrachtet. Das abwech-
selnde Verdecken von /i/'nml ijf giebt die Componenten.
Für alle bisherigen Inlerferenzversuche ist es natürlich
wülischcnswerth die bei der Zusammenwirkung der Gläser
sich geltend machenden homogenen Farben zu kennen. Mau
272
erhält cliefs, wenn man die kreisrunde OcffnuDg mit ciuer
engen Spalte verlauscht und stall des gekreuzten oder ein-
fachen Gitters ein stark brechendes Flintglasprisma anwen-
de!. Man erhält iu gleicher Weise wie vorher die zusam-
mensetzenden Spectra und das Ergcbnifs ihrer Verbindung.
3) Zwischen dein belebten Spiegel cd und dem I'lauglase
ef wird das drehbare Gliiumerblalt eingeschallet.
Man erhält hierdurch Combinalioncn von durch ef linear
polarisirtem Lichte mit circularen] oder elliptischem, welches
aus ff zum Auge gelang!.
a) Ist ohne Farbengläser das Liebt durch gf rechts
circular, das durch hf einfallende linear, so zeigt
das verschobene Kreuz in der Kai kspath platte,
dafs das atistretende Licht rcctils elliptisch.
6) Ist ohne Farbenglüser das Licht durch gf links
circular, so giebt diefs mit dein durch hf einfal-
lenden linearen links elliptisches.
c) Ist durch Drehen des Glimm erhlat! es da« Licht
durch gf rechte oder links elliptisch, so bleibt es
durch Combiuation mit dem linearen rechts and
links elliptisch, nähert sich aber mehr dem linearen,
welches es erreicht, wenn das Azimuth des Haupt-
schnittes 0° wird,
d) Setzt man ein farbiges. Glas ein, um entweder das
lineare oder das circulare (elliptische) Licht zu
färben, so Überwiegt die weifse Beleuchtung so,
dafs man entweder die Figur des circularen (ellip-
tischen) oder die des linearen in weifser Beleuch-
tung zu sehen glaubt.
e) Setzt man hingegen zwei farbige Gläser ein, so
erscheint die Farbenfolge in den Ringen der ge-
raden Quadranten verschieden von denen in den
ungeraden und abgesetzt, während das Kreuz sich
verzieht und gefärbt erscheint, in der Farbe des
circularen (elliptischen) Lichtes.
4) Das Parallelglas wird mit dem polarisirenden Glassatz
vertauscht uud in g der belegte Spiegel eingesetzt.
^1
273
) Der Glassalz wird so gestellt, dafs das bei fg ein-
tretende dann durch Refraction polarisirtc Licht
eine Intensität hat gleich der des hei hf eintre-
tenden dann durch Reflexion senkrecht darauf po-
larisirten. Auf der Kalkspathplatle entsteht keine
Figur, das Lichl ist unpolarisirt.
) Bei gf wird der Schieber allmählich vorgeschoben
und bei der immer steigenden Verschiedenheit
der aufeinander senkrecht polarisirten Lichtinasscu
geht das unpolarisirte Licht durch die Mittelstufe
der theilweisen Polarisation in vollständig polari-
sirtes über. Man sieht die Erscheinung, als wenn
zwei flache Prismen von Turmalin, deren Kanten
der Axe des Krystalls parallel sind, allmählich zu
einer immer dicker werdenden Platte übereinander
geschoben werden.
) Bei hf wird der Schieber allmählich vorgeschoben,
nachdem der bei gf entfernt. Man erhält die Er-
scheinung, als wenn zwei Prismen von Rauchtopas
(Rauchquarz) der Kante der Axe parallel, über
einandergeschoben werden.
) Man setzt in hf und fg farbige Gläser ein und
erhält dann die Erscheinungen der dichroitischen
Krystalle, und zwar:
et) Man entfernt die Kalkspathplatle und verlauscht
den Nicol mit einein doppellbrechcndeu achro-
matischen Prisma. Man erhält nun, wenn bei
he eine runde Oeffnung eingesetzt, zwei Bilder
derselben in verschiedener Farbe, die bei der
Drehung des analysirenden Prismas in einander
Übergehen. Diefs ist die dichroi tische Lupe.
Bei Anwendung des Nicola sieht man ein Bild
seine Farbe ändern. Setzt man bei hf und gf
gleichfarbige Gläser ein, und stellt den Glassalz
so, dafs die Brechung und Spiegelung polari-
sirten Lichtinengen ungleiche Intensität habca,
so erhält man zwei Bilder gleicher ¥ai\i& wxA
forfft .1 »«.,/. Bd. CX. Vft
274
ungleicher Intensität, das austretende Liebt ist
th eil weise polarisirt. Dicfs repräsentirt die Kri-
stalle, welche nur un eigentlich dicbroi tisch ge-
nannt werden, aber au dieselben eich dadurch
auschltefsen, dafe sie als analysirende Vorrich-
tung angewendet, die Erscbeinuugen des Ti.ii-
malins in schwächerem Grade hervorbringen.
Ist hingegen die Intensität und Farbe gleich, so
stellt die Vorrichtung die Platte eines doppelt-
brechendeu Krystalls dar, der keine dichro'iti-
sehen Eigenschaften hat.
ß) Mau setzt die Kalkspathplatte ein und erhSlt
nuu die Erscheinungen, welche d ich ro'i tische
Krystalle entwickeln, wenn jene als n na ly sirende
Vorrichtungen im Pularisalionsapparat angewen-
det werden. Streng geuommen, ist aber hier
das die polarisirende Vorrichtung, was dort die
analysirende ist und umgekehrt. Da nach dem
Reciprocilälsgeselz sich die eine Anordnung
unmittelbar aus der anderen ergiebt, so babe
ich der gröfsereu Bequemlichkeit wegen, hier
die Anordnung der Apparate beibehalten, wie
sie bei den vorhergehenden Versuchen war.
Von den nun eintretenden Erscheinungen, wird mau am
einfachsten sich eine Vorstellung bilden, wenn man das, was
man in der Kalkspathplatte in einer bestimmten farbigen
Beleuchtung bei zusammenfallenden Reflexionsebenen des
polarisirenden und analysirenden Spiegels erhielt, gelegt
denkt auf die Erscheinung, welche diese Platte entwickelt,
wenn sie bei gekreuzten Spiegeln in einer anders farbigen
Beleuchtung betrachtet wird. Die Ringe sind eine Combi-
nation zweier farbigen Ringsysteme mit hellem und dunklem
Kreuz, welches daher lebhaft gefärbt erscheint in der Farbe,
welcher das helle Kreuz entspricht. Die Farbenfolge der
Ringe ist daher eine höchst eigentümliche, wie besonders
deutlich hervortritt, wenn mau gut gekühlte Gläser betrach-
tet. Von der Farbe der Gläser hängt es ab, ob man das
275
nachbilden will, «tos man sieht, nenn man einen Dichrolt, di-
cliroi'lischen Glimmer, einen Rubellit, Repidolitb oder Rauch-
quarz als analysirende Vorrichtung anwendet. Im ersten
Falle erscheint das Kreuz blau, im zweiten roth bei vor-
waltend grünen Ringen, im Rubellit ist das Kreuz das Roth
der Alpenrosen, im Repidolitb tiefgrau beinahe schwarz wie
in dunklen Rauchquarzen, während die Ringe brnungelb
erleuchtet erscheinen. Was man durch Drehung des ana-
lysirenden Nicols um 90" erhält, ist ersichtlich, wenn man
die Erscheinung mit dunklem Kreuz für die eine Farbe sich
in die mit hellem, für die andere Farbe hingegen die mit
hellem in die mit dem dunkeln verändert denkt. Besonders
schön ist, wenn man bei einem rolhen und blauen Glase
als analysirende Vorrichtung ein achromatisches Kalkspath-
prisina anwendet. Die Ringsvstcmc, das eine mit blauem,
das anrfere mit rothein Kreuz durchschneiden einander dann
tbeilweisc.
Von den Farben, welche durch die Combination der
Ringsysteme hervortreten können, bekommt man unmittelbar
eine Anschauung, weun man an der dem Auge zugewandten
Vorderseite eine Läugsspalle eingesetzt und diese durch ein
Bergkrystallprisma betrachtet. Durch das Uebercinandergrei-
fen der beideu Spectra erhält man Farbcucindrücke, die
man aus den Componenteu nicht erwarten dürfte, entspre-
chend den Untersuchungen von WG tisch und Heimholt/.
Die mitwirkenden Componenten erhalt man aber in den
verschiedenen Intensitätsverhältnissen, wenn man zwischen
dem Bergkrystallprisma und dem Auge eiDen drehbaren Ni-
co! einschaltet.
y) Das Arrangement bleibt dasselbe nur wird bei eA
das drehbare Glimmerblatt von \ Gangunter-
schied eingesetzt. Man sieht hier, dafs rechts
oder links circtilares oder elliptisches Licht von
einer bestimmten Farbe sieb verbindet mit links
oder rechts ctreularem oder elliptischem Licht
einer anderen Farbe. Die hier eintretenden Er-
L Schonungen geben einen AuSsciAuia V&cv S\fe
verwickelten Phänomene, welche man im Po-
larisationsapparate sieht, wenn man das circular
polarüircnde Glimmer- oder Gypsbläitchen mit
■ «Dem vertauscht, welches einen viel grobem
Gangunterschied giebt. --■;.-.
Der Bedingung zur Entstehung der Circukrpolarkatk«:
gleiche Intensität zweier auf einander senkrecht polariairxea
Liehtmengei deren Ganguut erschiede ein ungerade« Viel
fache« Ton Vierlelundulatton, kann bekanntlich auf xwai«|itt
Weise genügt werden, durch zweimalige .inner*: total« R«*
flexion in etuem einfachbrechenden Körper oder durch Bre-
chung in . einem doppeltbrecbenden. Der Bedingung der
gleichen Intensität wird im ersten Falle entsprochen, dafs
des Azimuth der Reflexions ebene mit der primitiven Pola-
risation* ebene ± -15", im zweiten das der Hauptscbnitte.
Für totale Reflexion dient das Rhomboeder vonFresnel,
oder wenn das Licht in der Axe des Instruments bleiben
foll, das von mir angegebene Reversionsprisma (Berichte
der Berl. Acad. 1851; S. 492 und Farbenlehre S. 240). Bei
der totalen Reflexion ist der Gangunterschied bei «Reflexio-
nen ~, bei Anwendung doppeltbrechender Körper der Dicke
des Blättchens und der doppeltbrechcnden Kraft derselben
proportional. Airy spaltet daher ein Glimmerblätteben ■),
bis es den geforderten Gangunterschied giebt, wahrend bei
Babinet's Coropensator die Veränderung allmählich durch
Übereinandergeschobene Bergkrystallkcilc erfolgt. In beiden
Fällen wird bei gleichbleibender doppel (brechender Kraft
die Dicke verändert. Diese bleibt hingegen gleich bei verän-
derter doppeltbrechender Kraft, wenn man, wie ich (Pogg.
Ann. Bd. 35, S. 579) gezeigt habe, die Circularpolarisation
dadurch hervorruft, dafs man zwischen der polarisirenden
und analvsirenden Vorrichtung eine Glasplatte prefst oder
erwärmt. Da aber für die verschiedenen Stelleu des Spec-
trums die Wellenlänge verschieden, so kauu der Bedingung
I) Bei Dirker IM dlef* ein Gjpjblä liehet, and eine Combioation meh-
nrer in dem sr-hSDen Appir»!, den er retardig Siide nennt.
277
eines bestimmten Gangunterschiedes nur für eine bestimmte
Farbe gleichzeitig entsprochen werden, und es ergiebt sich
unmittelbar aus den Intensitätsformeln für die beiden durch
Doppeltbrechung getrennten Strahlen, dafs mit zunehmender
Dicke des Blättchens der zwischen den verschiedenen Far-
ben in dieser Beziehung stattfindende Unterschied 'entspre-
chend zunimmt, so dafs dieselbe Vorrichtung in dem einen
Theile des linearpolarisirten Spectrums das Licht in circu-
lares verwandelt, in einem andern in lineares, 'in andern in
darauf senkrecht lineares mit allen Uebergängcn durth rechts
und links elliptisches. In den angeführten Versuchen über
Circularpolarisation habe ich diefs nachgewiesen, indem ich
durch ein sich drehendes Prisma die einzelnen Theile des
Spectrums über die Oeffnung des polarisirenden Nicols
streichen liefs, wo man das Ringsystem des Kalkspaths, dann
alle den verschiedenen Polarisationszuständen entsprechende
Formänderungen in den einzelnen Farben durchlaufen sieht,
woraus die dann im weifsen Licht hervortretende, sehr ver-
wickelte Erscheinung ihre unmittelbare Erklärung findet.
Das Dichrooskop giebt nun eine andere Ableitung dersel-
ben Erscheinung. Schaltet man nämlich das Glimmerblatt
bei he ein und setzt in hf ein blaues, in gf ein rothes
Glas, so sieht man bei Verdecken von fg die in den Qua-
dranten abgesetzten, Ringsysteme in rechts circularem (ellip-
tischem) Licht, verdeckt man hft die in den Quadranten
abgesetzten Ringe in rother Beleuchtung in links circularem
(elliptischem) bei Entfernung der Schieber, das Kreuz, des-
sen Aeste nach der einen Seite hin anders gefärbt sind als
nach der anderen.
Der von mir angebene Polarisationsapparat gestattet die
Erscheinungen objectiv darzustellen. Es ist nur nöthig durch
die Collectivlinse eine intensive Lichtquelle auf der Oeff-
nung des polarisirenden Nicols zu concentriren und die
Ocularlinse von dem analysirenden Nicol durch Annäherung
an dem polarisirenden zu entfernen. Das aus dem analy-
sirenden Nicol austretende Licht wird dann auf einer wei-
fsen Fläche aufgefangen, wo das Ringsystem sich in ent-
■Brechender Gröfse darstellt. leb habe ilieia nicht auf da«
Dfchrooakop angewendet, denn in der Thal ist die Ver-
dunkelung der objeetiven Bilder schon sehr erheblich, wenn
■M vor das es betrachtende Aoge ein tief farbige« Glas
einschaltet.
"WiH man dag Dichrooskop mit dem Nörrenb«rfl;'-
sehen Apparat verbinden, so kann es folgende Einrichtung
erhalten. Für die Zusammensetzung der Inlerfereuziarben
fögt man der polarisirenden Glasplatte eine zweite ihr pa-
rallele hinzu Die farbigen Gläser stehen dann in derselben
lotbrechteD Ebene übereinander. Für die Nachbildung der
dichroIÜscben Erscheinungen stellt man die beiden Glas-
platten M, dafs ihre Reßeiionsebenen auf einander seuk-
recht stehet). Wegen der Schwierigkeit der Beleuchtung
wird man den Apparat nur in unmittelbarer Nahe des Fen-
sters gebrauchen können, welches wegen des Ncbenlichteg
die Intensität der Polnrisationsfarben stark beeinti ächtigt.
Iu dieser Beziehung ist entschieden ein Apparat vorzuziehen,
der indem er wie eiu Fernrohr direet uach der Lichtquelle
gerichtet werden kann, ebenso gut bei Tage als bei Abend
auf jeder Stelle eines Zimmers gebraucht werden kann, und
der wenn er der Wcltaxe parallel gestellt wird, nach dem
(Po gg. Ann. Bd. 35, S. 596) angegebenen Verfahren un-
mittelbar als Sonnenuhr, auch wenn nur Dämmerung ist,
gebraucht werden kann* eine Anwendung, welche ich (Maafi
und Messen S. 62) 1845 angegeben habe, 10 Jahr früher,
ehe diese Apparate als Polaruhren unter einem besonderen
Namen erschienen.
Das hier beschriebene Dichrooskop ist vom Mechanikus
Langhoff in mehreren Exemplaren sehr zweckmäfsig an-
gefertigt werden.
VL Vetter die Absorption des Lichtes in doppelt-
brechenden Körpern; von H. VF. Doee.
jrVlIe doppellbrechenden Körper zerfallen nach den in der
vorhergehenden Abhandlung erläuterten Erscheinungen :
Beziehung auf die Absorption des Lichtes in folgende Ab
theilungen:
»1) Die Doppeltbrechung erfolgt ohne AbsorptioD. Diefs
sind die farblosen doppellbrechenden Kristalle. Das
austretende Liebt ist farblos uud unpolarisirt durch
Uebereiuauderlegen zweier auf einander senkrecht po-
larisirter Licbtuiengen gleicher Intensität. In der di-
ebroitisebeu Lupe geben sie farblose Bilder gleicher
Intensität.
2) Die Doppellbrechung erfolgt mit Absorption und zwar
für alle Farben beider Strahlen. Diefs siud die un-
durchsichtigen doppellbrechenden Kiyslalle. Ihre dop-
pellbrcchende Eigenschaft kann nur ermittelt werden
durch Ablenkung der Polarisationscbene eiues auf ihre
Oberflache fallenden polarisirten Lichtes uud dadurch
unterscheiden sie sich von den einfach brechenden 1
durchsichtigen Krystallen.
3) Die Doppeltbrechung erfolgt mit Absorption, diese ist
aber für den ordentlichen und aufserordenllicben Strahl,
in dein Sinne, in welchem dieser Ausdruck auch für
oplisch zweiaxige Kryslalle gebraucht wird, dieselbe.
Dieses sind die farbigen (möglicher Weise grauen)
nicht dichro'j tischen doppeltbrecbeuden Körper. Sie ge-
ben gleichfarbige Bilder gleicher Iulcnsität iu der Hai-
ding er'schen Lupe.
4) Die Absorption erfolgt in der Weise, dafs der ordent-
liche und aufserordeullichc Strahl au Farbe gleich aber
an Intensität verschieden sind. Sie geben ungleich helle
Bilder gleicher Farbe iu der Lupe und das aus ihnen
austretende Licht ist theilweise polaris irl. Diese Po-
larisalion erfolgt im Sinne des ordentlichen oder a
V ordentlichen Strahls, je nachdem J.>J. oder /.«d^-
Sie können als Polarisatoren unmittelbar angewendet
werden, welches bei der ersten und zweiten Klüse
Dar dann stattfindet, wenn sie als Prisma das aufser-
ordentliche Bild neben. das ordentliche legen oder
wenn, wie im Nicol' sehen Prisma erfolgt, nun die
Richtung de* einen Strahls unverändert Utst, waamu
man die des andern so verändert, dafs es abaffennat
nicht zum Auge gelangt. Der Uebergang Ton I) In
4) Mögt sich sehr schon an Platten der Elbaer Tanna-
line, die ans dem Farblosen in immer tieferes Violett
Obergehen. Worden alle Farben gleichmütig abeor-
birt in dem einen Strahl und gar nicht in dem andern,
so worden solche Tormsline dasselbe leisten, wie
ein Nicol, aber ihm erheblich vorzuziehen sevn wegen
geringer Dicke der Platte. Die stark polarisirenden
grünen und ledergelben Tnnnaltne nähern sich nur
diesem Nicol durch die eine stets überwiegend bleibende
Farbe
5) Die Absorption ist abhängig von der Schwiugungsdauer
und der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes, der
ordentliche und außerordentliche Strahl haben daher
verschiedene Farbe und verschiedene Intensität in der
Lupe. Diefs siud die eigentlichen dichroitischen Kry-
stalle. Sie unterscheiden sich als Polarisatoren ange-
wendet dadurch, dafs die Farben der Ringe audere und
das diese durchschneidende Kreuz mehr oder minder
intensiv gefärbt (Dichroit, Kubellit, Glimmer, RepidoUUt
und die durch Färbung von Seuarraont erhaltenen
künstlichen dicbroltjscbeu Krystalle).
6) Da mit Verminderung des Unterschiedes der Intensi-
täten des ordentlichen und aufserordentlicben Strahles
die eiuscitig polaris! reu de Wirkung der dichroitischen
Krvstalle abnimmt, so tritt als Gräuzfall der ein, dafs
die durch Doppeltbrechung entstehenden Bilder bei
gleicher Intensität ungleiche Farbe haben. Ob <*»-
Fall didiro'ilischer Färbung ohne einseilig polarisirendi
Wirkung in aller Strenge erfüllt ist, lüfsl sich schwer
ermitteln aber annähernd ist diefs allerdings der Fall.
Der Glimmer von Jeffersou County, der früher we-
gen seines grofsen Magucsiagehaltes für eiuaxig galt,
und von dem ich (Pogg. Ann. Bd. 5S, S. 158) nach-
gewiesen habe, dafs er zw ei ax ig ;-rv, welcher in der
dichroilischcn Lupe ein braungelbcs und hellgelbes
Bild zeigt und als analysirende Vorrichtung ein System
von rothen und blafsgrüncii Ringen entwickelt, zeigt,
mit einem rothen Ueherfangglase couibinirl, keine Spur
von Ringen.
Die theoretische Untersuchung der dichroilischcn Er-
scheinungen erheischt die Bestimmung der Zusammeuwirkung
zweier uitgleichfarbiger senkrecht auf einander poiarisirter
Strahlen im Allgemeinen von ungleicher Amplitude, ti im i
licli hat in seinen Beiträgen zur Theorie gemischter Farben
eine einfachere Aufgabe ausführlich behandelt, die nämlich,
dafs unter Voraussetzung einer gleichen Amplitude ver-
schieden farbige Strahlen in derselben Ebene polarisirt sind.
Was den resullirenden Farbencmdruck betrifft, so ist dieser
unabhängig davon, ob die PolarisatJousebcue zusammenfalle
oder nicht, wovon man sich auch durch das Dichrooskop
überzeugen kann. Man braucht nur bei der Stellung, wo
die Lichlmcuge des durch Brechung und des durch Spie-
gelung durch den Glassalz polarisirtcn verschieden farbigen
Lulilcs gleich sind, die dann hervortretenden Farben durch
blofscn Anblick oder durch prismatische Analyse mit denen
zu vergleichen, welche dieselben farbigen Gläser entwickeln,
^wenn das durch sie hindurchgegangene Licht gesondert von
zwei parallelen Glasplatten, die hinler einander gestellt
sind, in derselben Ebene polarisirt sind. Was aber die
Gestalt der resultireuden Schwingung und den Gcsamuil-
effect des aus der continuirlich sich ändernden Polarisations-
weise resultireuden Lichtes betrifft, so ist hier zunächst
die einfache Frage zu beantworten, ob verschieden farbi-
ges Liebt gleicher Intensität in zwei auf einander senkrech-
irisirende
rieht ohne Weitem, «afs die resalürend« flihiihgliiy nach
einander alle db* ▼enchtedmen PolsjTSstoaaarlen -stetig
durchlauft, weichet eben eine Sdnriogaogurt ist, «EMUe
Porro die wirkliche Schwingung des uopoUrisirten. Lichtes
nirückfohrt. Der experhnentale Beweis, ds(s dieses licht
wie aDpeUrietrtes ach verhalt, ist aber schwer -m gaben,
denn Ober die relative Helligkeit der au diesem Licht durch
ein doppeltbrecbendes Priema hervorgerufenen zwei ver-
schieden farbigen Bilder vermag das Auge es wenig « ent-
scheiden, daü ein tief rotbee und blanea Bild, wo nie ober
einandergehend rosa erscheinen, eher an dieser Statt« we-
niger bell erscheinen, als wo sie getrennt sind. Durchstrahlt
dieses Licht aber doppeltbrechende Korper, so treten eVe
stärksten Interferenzerscheinungen auf, wo sie sieb bot
gleichfarbigem Licht vollständig neutralisiren.
So wie aus der nach drei auf einander senkrechten Rich-
tungen verschiedenen Elasticilät nur zwei Strahlen resulti-
reu, die mit ungleicher Geschwindigkeit die verschiedenen
Richtungen eines Krystalls durchlaufen, so habe ich stet»
hier nur vom Dichrolsinus gesprochen in Beziehung auf
diese beiden Strahlen. Die Frage, wie dieser Dichrolsinus
auf einen Tricfaofsmus in der Richtung jener drei Azen
ku rück geführt werden könne, ist eine andere, auf welche
ich hier nicht eingehe. Besonders interessant wäre es in
untersuchen, wie sich die Verlhettung der Farbe in der
durch die conische Refraction entstehenden Lichtscheibe
verhalt
Betrachtet man eine senkrecht auf die Axe geschliffene
Turmalinplatle durch die d ich roi [tische Lupe, so erscheinen
beide Bilder gleichfarbig und gleich hell. Als analysirende
Vorrichtung angewendet entwickelt sie in einer Kalkspatb-
platte keine Interferenzringe. In der Richtung, in welcher
sich die doppelte Brechung in eine einfache verwandelt,
finden also keine dichroHischen Erscheinungen statt. Diese
Betrachtung hatte mich veraniafst, die polarisirende 'Wir-
kung als Kennzeichen anzuwenden, um darüber so ent-
scheiden, ob du Glimmer einaxig oder zweiaxig sey, da
selbst, wenn die optischen Axen einen unmefsbar kleinen
Winkel mit einander bilden, doch dadurch die Lage zweier
Hauptschnitte bestimmt wird, während die Lage des Haupt-
Schnitts bei seukrechter Stellung der Axe unbestimmt bleibt.
Nun hat aber Fresuel die Erscheinungen des Bergkryslalls
im polarisirlen Licht darauf zurückgeführt, dafs dessen Axe
mit ungleicher Geschwindigkeit von zwei Strahlen durchlau-
fen wird, von denen der eine rechts circular, der andere
Unke circular, uud durch eine Combinatiuu von Quarzpris-
incii diese Strahlen wirklich gesondert, endlich Aiiv samint-
liclic Polarisationsphäuomene des Quarzes darauf zurückge-
führt, dafs das in der Richtung der Axe circularc Licht
mehr gegen die Axe geneigt durch elliptisches in lineares
senkrecht auf der Axe übergeht Es schien mir daher nicht
unwahrscheinlich, durch di chronische Bergkryslallc diese An-
sichten einer neuen Prüfung unterwerfen zu können.
Brewster hat nachgewiesen, dafs die Amethyste aus
rechts und links drehenden ßcrgkrystallen bestehen und
ich habe spater gezeigt, dafs diefs auch für Bcrgkrystalle
gilt, welche auf den Pyramidal II ach cu abwechselnd matte
und glänzende Stellen zeigen, oder rolh und grün ange-
laufen erscheinen, endlich von den sehr seltnen IndiviJucu,
au welchen beiderlei Trapezllächeu vorkommen. Wollte
man alle Verwachsungen rechts und links drehender Bcrg-
krystalle Amethyste nennen, so müfstc man also die farblosen
von den farbigen unterscheiden.
Eine grofse Platte eines Brasilianischen Amethyst, senk-
recht auf die Axe geschliffen, bis auf eine schmale gelbliche
Stelle vollkommen farblos, welche die charakteristischen
Erscheinungen des Amethyst im Polarisatiousapparat in aus-
gezeichneter Weise entwickelt, gab keine Spur weder von
Dichroismus in der Lupe, noch von polarisirender Wirkung
als analysirende Vorrichtung. Ebenso verhielten sich säinmt-
liehe von mir früher untersuchte aus rechts und liuks dre-
henden Theilen bestehende farblose Bcrgkrystalle, von denen
■ch sehr bezeichnende Stücke untersuchen konnte, ebenso
die künstliche HadriHldimg derselben tob' Soleil
keilförmiges Zusammensetzen rechts und Knies drohender
Individuen. Ebenso wenig fand ich an geschliffenen ütancb-
qnareen, welche senkrecht auf die Axe stark linear pofe-
risiren, Dicfarolsmus in der Richtung der Axe» und von po-
larisirender Wirkung so sehwache Spuren, dab ich darfiber
nichts entscheiden konnte. Anders hingegen verhielten sich
senkrecht auf die Axe geschliffene Platten der tief violetten
Amethyste, bei denen die Färbung in den eigentümlichem
bandartigen unter stumpfen Winkeln' zusammenstehende»
Streifen vertheilt war. In der dichroltischen Lupe erscBei-
nen diese Streifen in der Weise verschieden, dafs die ▼»-
letten Streifen in dem einen Bilde den hellen in deur an-
dern entsprechen und umgekehrt
Da in den rechts drehenden Quarzen die rechts circu-
lare Schwingung, in den links drehenden die links circa-
lare mit gröfserer Geschwindigkeit fortgepflanzt wird, beide
aber unter Voraussetzung gleicher Intensität linear polari-
sirtes Licht geben, dessen Polarisationsebene mit der pri-
mitiven des geradlinig polarisirten Strahles einen Winkel
nach der rechten oder linken Seite hin macht, so sieht man
leicht ein, welchen Einflufs bei Amethysten, welche aus
rechts und links drehenden Theilen bestehen, die bei dem
Dichroisuius hervortretende ungleiche Absorption hervor-
rufen kann. * Unter der Voraussetzung, dafs der links cir-
culare Strahl vollständig vernichtet werde, wird das austre-
tende Licht rechts circular seyn, hingegen links circular,
wenn der rechts circulare Strahl vollständig absorbirt wird.
Zwischen diesen beiden Extremen, deren Mitte das gerad-
linig polarisirte Licht bei gleicher Intensität beider Strahlen
bildet, liegen alle Mittelstufen des elliptischen Lichtes. Bei
der ungleichen Vertheilung der die Absorption bedingenden
Färbung in den Amethysten hat man also, je nachdem man
verschiedene Stellen bei dem Auge vorüberföhrt, diese ver-
schiedenen Fälle zu erwarten, und diefs ist in der That der
Fall, wobei zu beachten ist, dafs in der gesehenen Erschei-
nung sich diese Phänomene über cinanderlegen können,
wenn verschieden wirkende Tlieile gleichzeitig vor die Pupille
treten. Bei Anwendung der Amethyste als analjsirende
Vorrichtung habe ich auf diese Weise vom linear polari-
sirten Licht an grofse Annäherung durch elliptisches Licht
i rechts und links ciretdares erhalten, ohne dieses je zu
erreichen.
Der Quarz bildet auf diese Weise, wenn er dichroi'risch
ist, einen Polarisationsapparat eigenlhümlicher Art. Wäre
die absorbirende Kraft so stark wie bei dem TermaÜn, so
würde, wenn mau bei den aus rechts und links drehenden
Individuen die verschieden wirkenden Thcile mechanisch
sonderte, man zwei Apparate erhalten, von denen der eine
senkrecht auf die Axc linear polarisirtes Licht austreten
liefse, schief gegen dieselbe rechts elliptisches, in der Rich-
tung der Axe rechts circulares, der andere in den ent-
sprechenden Richtungen lineares, links elliptisches und links
circulares.
Der Mangel der Erscheinung bei dem Rauchquarz fühlt
zu der Annahme, dafs die senkrecht auf die Axe verschie-
dene Absorption in der Richtung der Axe gleich wird oder
sich wenigstens, wenn dort eine schwache Wirkung stalt-
findet, der Gleichheit nähert. Der Mangel der Erscheinung
in den farblosen Verwachsungen rechts und links drehender
Individuen beweist, dafs in der ZwillingsbiMung als solcher
der Grund nicht liegt. Es ist also weder diese, noch die
Färbung als solche, sondern eine bestimmte, welche das Re-
dingende ist. Ilei schief geschnittenen Amellivfitplalten, wel-
che die geradlinigen inlcrferenzstreifen geben, zeigen sich
Polarisationswirkungcn analog denen in der Richtung der
Axe, doch konnte ich nicht darüber entscheiden, ob sie sich
der linearen Polarisation mehr nähern.
Optische Notizen; von H. VF. Doce.
1. Deber KalkapMliKwilllnge.
In Pogg. Adii. Bd. 107 S. 333 bat Hr. Pfaff die Erschei-
nungen beschrieben, welche geprefste auf die Axc senk-
recht geschliffene Kalkspalhplnltcn im Polarisalionsopparat
zeigen und sie Fig. 10 bis 14 abgebildet. Bei dem An-
blick, dieser Zeichnungen fiel es mir auf, dafs diese so ge-
nau die Erscheinungen auf die Axe geschliffener Kalkspath-
zwillinge zeigen, dafs ich ehe ich die Abhandlung gelesen,
glaubte, es scy diefs die Darstellung solcher Zwillinge, von
denen ich die Nachbildung der einen durch Einschalten eines
Glimmerblaües zwischen zwei centririen Kalkspalhplatlcn
erhalten und in den Versuchen über Circularpolarisaüoo
beschrieben habe. Ich besitze noch 5 Platten von jener
Zeit her und auch andere haben sich von der Ueberein-
stiuimung der Figuren mit den in diesen Platten hervortre-
tenden Ringsvstemen überzeugt. Die Beobachtung des
Hm. Pfaff scheint mir dadurch au Interesse zu gewinnen,
dafs aus ihr hervorgebt, dafs eine Zwiltingsbildung mögli-
cherweise durch einen einfachen mechanischen Druck her-
vorgerufen werden kann.
2. Deber flatternde Herzen.
Die von Wheatstone gemachte Beobachtung, dafs
ein in lebhaften Farben auf einen anders farbigen Grund
ausgeführtes Bild rasch hin- und herbewegl, auf dem Grunde
zu schwanken scheint, habe ich, gestützt auf die von Brevr-
* ster zuerst gemachte Wahrnehmung, dafs auf einer geog-
nostieeben Charte blau und rotb nicht in einer Ebene zu
liegen scheinen, durch eine scheinbare Parallaxe erklärt
Bewegt nämlich das Blatt sich in einer Ebene, so beschreibt
Jas Bild und der Grund gleich grofse Tangenten an Krei-
bcd, deren Radien wir verschieden «metanen, ero» Kw
sieht, die dadurch wahrscheinlich wird, dafs diese Täu-
schung am deutlichsten im indirecten Sehen hervortritt, wo-
bei dem Nichtachromatismus des Auges stärker sich geltend
macht als bei dem directen Sehen. Nun habe ich aber
durch vielfache Versuche gezeigt, dafs die Beurthcilung
einer Entfernung durch binoculares Sehen erfolgt, nicht
durch monoculares, und es schien mir daher wahrschein-
lieh, dafs der Einflufs, welchen selbst bei binocularem Se-
hen die Nichtachromasie des Auges auf die Beurtheilung
der Entfernung äufsert, in erhöhtem Maafse eintreten müsse
bei monocularem Sehen. Natürlich müssen, wenn es sich
um eine genauere Untersuchung die Achromasie betreffender
Erscheinungen handelt, Farben des Speclrums angewendet
werden.
Stellt man einen dunkeln Schirm mit einer mehrere
Millimeter weiten Oefihung vor eine helle Lichtflamme,
and betrachtet dieselbe durch ein dicht vor die Augen ge-
haltenes gekreuztes Glasgitter, so sieht man die auf der
sechsten Tafel der Fraunhofer'schen Gitterversuche dar-
gestellte Erscheinung der in den vier Quadranten verzoge-
nen Spectra in gröfster Ausdehnung. Hier hat man also
in derselben Ebene eine grofse Anzahl von Abwechselun-
gen verschiedener Farben. Diese erscheinen aber durchaus
nicht in einer Ebene, die Spectra erscheinen nämlich in
der Weise, dafs sie den Eindruck machen von Cometen,
deren rothe Köpfe dem Beobachter sämmtlich zugekehrt
sind, während die blauen Schweife abgewendet. Ich er-
kläre mir diesen Eindruck dadurch, dafs indem das Auge,
welches für roth weitsichtiger ist als für blau, sich den
mittleren Strahlen anpafst, das Roth ihm zu nahe, das Blau
ihm zu fern erscheint Schaltet man nun zwischen dem
Gitter und dem Auge ein tief violettes Glas ein, so sieht
man die kreisrunden rothen Bilder die Ecken von Schach-
brettartig verteilten Quadraten bilden, deren Seiten gröfser
sind als die der blauen Bilder, welche in Ähnliche Qua«
drate vertheilt sind.
Die Ebene dieser Quadrate scheint iura e^&&iäb\ta*
te 3er im rothen in hegetr and wenn ann an <Hm*im*
wendet, welches necn grflne Bilder jenen Maden inasugtttfff
so sieht man die VertheHong in drei Ebenen, von wcaahfcaj
die der grünen Bilder die mittlere Stelle einnimmt IeV
halte, am gegen Täuschung lieber in teyn, die Yenfadbi
aach von udern nrit gleichem Erfolge wiederholen brntemi'
Es wurde 'nun durch dieselbe Oeffnnng in einen 'Audi,
kein Raum Sonnenlicht eingelassen und durch eine hrndetf
du Gitter gestellte CoUectivhnse die Spectrt ebjeetiv anf-
einem werken Schirm projidrt Die Eracheinong trttf Hef
bei den kleineren Dimensionen des Budes -weniger anf&nV
lend hervor, aber bei monocnlarer Betrachtung enlsoMedBaV
auffallender als bei binocularer. "'■■.■'■£■-:'*
Es ist aas diesen Versochen unmittelbar ersichtlich, wW-
um nach der gegebenen Erklärung ein rothes BiM auf
grOnem Grand sich weniger zu verschieben scheint als ein
rothes auf blauem.
3. lieber die Reflexion des Lichtes von rauben Flächen.
Bekanntlich hat Fresnel die Erscheinung, dafs eine matt-
gescliliffene Glasplatte unter schiefer Incidenz des Lichtes
röthlich erscheint, auf eine äufserst sinnreiche Weise da-
durch erklärt, dafs wegen der gröfsern Wellenlänge des
rothen Lichtes für dieses Licht die Platte bereits spiegelnd
wirke, während sie das blaue und violette Licht wegen
seiner kürzeren Wellenlängen noch zerstreue. Neuerdings
hat Hankel die Fresnel' sehe Erklärung dadurch za er-
härten gesucht, dafs er nachgewiesen, dafs nach der Fein-
heit des Schliffes die Färbung bei verschiedenen Einfalls-
winkeln auftritt, auch einen prismatischen Versuch ange-
stellt, bei welchen "wenn das spiegelnd zurückgeworfene
rothe Licht auf das Auge fällt, das Roth im Spectrum au-
fs er ordentlich stark strahlend und leuchtend wird, während
an den übrigen Farben keine Aendernng zu bemerken ist.«
Da man aber auf sehr verschiedenem Wege die Fresnel*-
sehe Erklärung ganz direct prüfen kann, so werde ich hier
die Methoden, wie diefs geschieht, angeben.
■
Dicht neben eine Licht flamme wurde horizontal
QMttgeachliffenc Glasplatte gelegt, welche ihre untere HS [Tic
verdeckte, so dafs wenn das Auge nahe in der Ebcuc der
Platte, das Spiegelbild derselben sich unmittelbar an die
Flamme als Verlängerung derselben nach Unten anschlofs.
Betrachtet man beide aus einer etwas gröfsern Entfernung
als der Weite des deutlichen Sehens durch ein dickes Ko-
baltglas, so erscheint wegen der Nichlachromasie des Au-
ges die rothe Flamme in der blauen, die in einem inten-
siven Rande sie und ihr ßild umhüllt. Erhöht man nun
das Auge über die Fläche der Scheibe allmählich, so ver-
schwindet diese blaue Umsäuuiuug im Spiegelbilde zuletzt
vollständig.
Verdeckt man die Flamme dicht an der Glasplatte durch
eine kleine Oeffuung und betrachtet sie und ihr Spiegel-
bild durch ein vor das Auge gehaltenes gekreuztes Gitter,
so verschwindet das violette Ende in den Spectris der ge-
spiegelten Ocffnung in gleicher Weise.
Dasselbe erfolgt, wenn man eine Längsspalte aufstellt,
deren obere Halflc durch das directe, die unlere durch
das gespiegelte Licht beleuchtet ist und beide durch eiu
Flinlglasprisma von 60" betrachtet.
Noch überzeugender wird der Versuch, weun das Prisma
von Bcrgkrvstall ist, wo das violette Ende des einen Spec-
trums das rothe Ende des andern übergreift, und jenes ei-
genthümliche lebhafte Roth erzeugt, welches im Spectrum
nicht vorkommt. Das Verschwinden des violetten Anlheils
und das ("ebergehen in das homogene Roth des einen Spec-
trums tritt hier in derselben Weise hervor, als wenn man
durch einen zwischen dem Bergkrystallprisma und dem Auge
eingeschalteten Nirol das eine Spccfrum durch Drehen des
Nicola zum Verschwinden bringt.
Combiuirt man in den vorigen Versuchen die Gitter
oder Prismen mit einem dichromatischen die Mitte des Spec-
truins verlöschenden Glase, so erhält man das Verschwin-
den der gesonderten blauen Lichlmasse, wahrend die rothe
bleibt.
P.'SecaJoifl-» Add*1. Bd. CX.
4. Ein Gitter vertu eh.
Unterschied der Wellenlängen für die *er-
i Farben besonders k In r dar st eilender Versuch ist
folgf^er. Maabel«KMetdenGWMtxiBDi<*rw»k«p**«
Terscbieden, farbig Güter} »etat* nmhAtm «tan W W.«*M
kleine Oeffhung angebracht hat, n « ein dtypeJt himliiltü
ttriiraa «in, fend! blickt in dasselbe dnnh <u dofaefae* tat.
mitteln** vor da* Aog* gehaltenes Gitter, deeten Link*. M
VefbtndiapliriadOTheidaiBiMsrpmllelafad. Man «lil»w|
■an st*» d* Sekeo^Mwfrm dW WiederboIunpMi etaM*
▼ei-scniedeta bringen OeäbUogeo in da -*- "y-"— T"|lfi
iliiFiilnii ■ii1ii ■ inii im Ihm niitlniin In in i iiaTiullai pww
lelen geraden Linien. Durch dies« Gitter oder flÜi.gWah'
der Farbenanthale ,; welche in beiden Bilden lwai'inii»
treten, wenn man das doppeltbrechende Prisma -Hrnihlfrti
dreht und dadurch die Erläuterung der entsprechenden Far-
ben Veränderungen In der dichroltischen Lupe.
VIII. Eine Bemerkung über die Flüssigkeiten,
welche die Polarisationsebene des Lichtes drehen;
von H. W. Dove.
l\achdem es gelungen ist, die Erscheinungen, welche der
Bergkrvstall in der Richtung der Axe zeigt, darauf zurück-
zuführen, dafs derselbe mit ungleicher Geschwindigkeit von
einem rechts und links cücular polarisirten Strahle durch-
laufen werde, erscheint die Annahme gerechtfertigt, dafs
dasselbe in Flüssigkeiten erfolge, welche die Eigenschaft
zeigen, die Polarisationsebene linear polarisirt einfallenden
Lichtes proportional der Länge des von diesem in ihnen
durchlaufenen Weges nach der Aechten oder Linken hin
abzulenken, mag diese Eigenschaft ihnen ursprünglich in-
wohnen, oder durch sie uinfliefseude elektrische Ströme
erst in ihnen hervorgerufen oder die bereits vorhandene
modificirt werden. Die Annahme einer doppeltbrechenden
Kraft in Flüssigkeiten hat, da jene sich in allen festen Kör-
pern so innig an die kristallinische Structur derselben an-
schließt, dafs sie diese vorauszusetzen scheint, etwas so
wenig wahrscheinliches, dafs es auffallend erscheint, dafs
das von Fresnel angewendete Verfahren, die circulare
Doppelbrechung in der Richtung der Axe des Bergkrystalta
nachzuweisen, nicht auf eine Combination von Flüssigkeits-
prismen ausgedehl worden ist, von denen die eine rechts,
die andere links dreht. Solche Versuche sind vielleicht mit
negativem Erfolge angestellt, aber so viel mir bekannt ist,
nicht veröffentlicht worden.
Der von mir am Amethyst in der Richtung der Axe
nachgewiesene Dichroi'smus und die aus demselben her-
vorgehende polarisircnde Wirkung desselben, schien mir
ein Mittel anzudeuten, die hier angeregte Frage einer Prü-
fung zu unterwerfen. Ich habe eine concentrirtc Zucker-
lösuug durch übermangansaures Kali und durch- Indigo ge-
färbt, ebenso Terpentin durch Bernstcüilack, und diese un-
mittelbar und dann auch unter dem EinQufs eines Rum-
korff sehen Apparates, welcher die Polarisationsebene det
in die Flüssigkeit eintretenden Lichtes sehr deutlich drehte,
darauf untersucht, ob sie als polarisircnde oder analysi-
rcmlo Vorrichtung augewendet irgend wirksam sich zeigten
aber diefs nicht gefunden. Die Farbstoffe waren so ange-
wendet, dafs eben noch die Intensität des Lichtes ausreichte,
um durch die Fliissigkcitssäule hindurch sich von dem Nicht-
vorhandensein der polarisirenden Wirkung zu Überzeugen,
und wenn man bedenkt, wie gering die Menge des Farbstoffs
im Amethyst ist, wird diefs als ausreichend betrachtet wer-
den dürfen. Aber negative Ergebnisse entscheiden nie
darüber, ob kräftigere Apparate oder eine andere Wahl
der Farbstoffe und Flüssigkeiten nicht ein positives Resul-
tat geben würden. Meine Absicht bei Veröffentlichung
dieser Versuche ist daher nur, die Aufmerksamkeit auf euu
Frtg« «n .fenkM/ datfe» BN
m AMktoM^iifMdte iMeres«« darbietet
: Chemisch - analytische Jkilrifye; ..... ..^
, ,[, van Heinr* Rase. ,\ ;.':.,;,,:*[
(■'der «bB»ri8;TtJii;derK«I!terte. ",: ■■■•i*'im|
t> '**■•'■■'!■•'■■ '.'■' ■■' ■ l-; ■■' .V--iw^f.
JJei dem gewöhnlichen Gange ddr UalersudkMi;, 4*mPH*
bis jetzt allgemein befolgt hat, pflegte man dies* B*a«at dprafc.
Ammoniak xn trennen. Obgleich die Kalkerde dnrch eine Am-
moniakflulsigkeit, welche vollkommen frei von kohlensaurem
Ammoniak ist, nicht gefüllt wird, so ist diese Art der Tren-
nung unangenehm, da man sorgfältig bei der Operation den
Zutritt der atmosphärischen Luft abhalten mufs, durch wel-
che sich kohlensaure Kalkerde erzeugt, welche die Thon-
erde verunreinigen kann. Man hat dieselbe Schwierigkeit,
wenn man die Lösung der Basen mit Ammoniak der Sätti-
gung nahe bringt, und die Thon erde dann durch Schwefel-
ammonium fallt. Es ist bei diesen Füllungen durchaus nö-
thig, die Thonerde, wenn man nicht zu Weine Mengen er-
balten hat, noch einmal in CblorwasserstoffsSure oder in
einer anderen Säure aufzulösen, und von Neuem mit Am-
moniak zu fällen, um sich zu überzeugen, ob in der abfiU
trirten Flüssigkeit noch Kalkerde enthalten ist, oder nicht
Durch eine sehr einfache Vorsichtsmafsregel kann man
indessen alle Ungenauigkeiten und alle Unannehmlichkeiten
bei der Fällung der Thonerde vermeiden, und ein sehr ge-
naues Resultat erzielen. Nachdem man nämlich die Thon-
erde durch UebersSttigung mit Ammoniak gefüllt hat, bringt
man das Ganze bis znm leisen Kochen und unterhalt das-
selbe so lange, bis kein Geruch nach freiem Ammoniak
mehr zu bemerken .ist. Ea wird dadurch die Thonerde
293
"
vollständig gefällt, und man braucht statt des Ammoniaks
nicht Schwcfclamnionium anzuwenden, was gewifs nur an-
genehm seyit kann. Denn der Nachlheil bei der Fallung
der Thoucrde durch Ammoniak besteht nur darin, dafs man
ein Ucbermaafs desselben anwendet, wodurch etwas Thou-
crde aufgelöst wird. Man hat aber nun den gTofscn Vor-
theil, das Filtrireti der Thouerde mit Bequemlichkeit vor-
nehmen zu kfinnen; mau braucht sich nicht damit zu Über-
eilen, und den Zutritt der Luft mit Aengsllichkeit auszu-
gchlielsen. Es ist ferner nicht not h wendig, eine Ammoniak -
llüssigkcit anzuwenden, die mau mit Sorgfalt von jeder
Spur von kohlensaurem Ammoniak befreit hat; man kanu
selbst nach der Füllung mit Ammoniak das Ganze vor dem
Filtriren so lange stehen lassen, dafs die Thoncrdc sichtlich
mit kohlensaurer Kalkerde verunreinigt ist. Durchs Kochen
wird alle gefällte kohlensaure Kalkerdc durch das vorhan-
dene ammoniaknlische Salz zersetzt und vollständig wieder
aufgelöst.
Es versteht sich, dafs in der Lösung so viel Chloram-
monium oder ein anderes ammoniakalisches Salz vorhanden
sey, dafs die Auflösung der kohlensauren Kalkerdc durchs
Erhitzen möglich wird.
Man stufst hierbei bisweilen auf einen unangenehmen
t instand. Wenn gefällte Thouerde längere Zeit mit der
Flüssigkeit, aus welcher sie gefällt worden, gekocht worden
ist, so ist sie oft von einer so gelatinösen Beschaffenheit,
Idafs sie, wenn sie ausgewaschen werden soll, die Poren
des Filtrums vollkommen verstopft, und kein Waschwasser
hindurchläfsl. Sie ist dabei vollkommen durchscheinend.
Eine Thouerde von dieser Beschaffenheit mufs man, wie
Gr. Schafgotsch gezeigt hat, auf folgende Weise behan-
deln: Nachdem sie auf das Fillrum gebracht, wird dieselbe
gar nicht ausgewaschen, sondern, nachdem alle Flüssigkeil
tollstandig abgetrönfelt ist, bringt mau sie mit dein Trichter
in. das Trockeuspindc, und setzt sie so lange einer gelinden
Hitze aus, bis sie ein geringeres Volumen eingenommen bat,
halb trocken geworden ist, und gegen das Papier des Fil-
Mnh*<§edjAckt, dieses noch benetzt Wen*. «MSii
satt Wim», namentlich mit hcifsem, übergiefst, aBjJSjfa}
■fe Sita 4*1 und vollkommen auswaschet». Hat maaf„dav
Hisdamhjag zu stark getrocknet, so dafs er beim Drucken
d»! Papier uichl mehr benetzt, und homartig gewordeu
ist, (s* läfit er sich nicht gut vom Wasser durchdringen;
«Vi ulliiliwil auf demselben und kann nicht gut ausge-
waschen ^werden. — Die gallertartige Thonerde, welche
Kildorcb: Kochen erhalt, löst sich auch im feuchten Zu-
stand etwas schwer iu Chlorwasserstoffsaure auf, wie Über-
hängt Thonerde, die .heiTs gefällt worden ist.
< :i:-.Sehr :kkine Mengen von Kalkerde können von der
Tsatnord» auch auf folgende Weise getrennt werden: Man
fflsjtxu dir. Auflösung etwas Weinsteinsaure, und übersät-
tigt sie darauf vermittelst Ammoniaks. Wenn Kalkerde
allein in der Losung eulhalleu wäre, so würde weiostein-
saure Kalkerde gefüllt werden, ist indessen iu der Lösung
neben der Kalkerde eine nicht zu geringe Menge von Thon-
erde (oder von einer anderen Base von der Zusammen-
setzung R' O ", so erfolgt bei Gegenwart von Wein-
tfeinsäure durch Uebersättigung mit Ammoniak keine Fäl-
lung, die Kalkerde kann daun aber aus der ammouiakali-
fchen Lösung durch Oxalsäure als oxalsaurc Kalkerde ge-
fällt werden; die Thonerde hingegen ist schwieriger und
nur durch Abdampfen der Flüssigkeit und Glühen des
trocknen Rückstandes beim Zutritt der Luft zu bcäliuunen.
Diese Methode kann daher mit Vortheil nur in einigen Fäl-
len angewandt werden, besonders wenn es wichtig ist, nur
die Menge der Kalk crtle schnell zu bestimmen.
TreaaME der Tbonerde von der Magnesia.
' Auch Magnesia pflegte man gewöhnlich von der Thon-
erde durch Ammoniak zu trennen, nachdem man dafür ge-
sorgt halte, dafs sich eine hinlängliche Menge von Chlor-
ammonium oder von anderen ammoniakalischen Salzen in
der Lösung befand. Es ist indessen bekannt, dafs auch
bei Gegenwart von grofsen Mengen von ammoniakalischen
295
Salzea mit der Thonerde auch etwas Magnesia gefällt wird,
uod mau war gezwungen, durch Auflösung der Thonerdc
in Kalibydrat die kleine Menge der Magnesia von ihr zu
[rennen, wodurch die Untersuchung langwierig und minder
genau wurde. Man zog es daher oft vor, die Trennung
der Magnesia von der T htm erde durch zweifach-kohlensau-
res Kali oder Natron, oder auch durch Schwefelammoniuin
zu bewirken.
Die Trennung der Magnesia von der Thoucrde durch
Ammoniak gelingt indessen sehr gut, wenn man die Lösung
nach Uebersättiguug mit Ammoniak oder mit kohlensaurem
Ammoniak (dessen Anwendung in diesem Falle indessen
nicht vorzuziehen ist) bis zum gelinden Kochen erhitzt, uud
mit dem Erhitzen so lange fortfährt, bis kein freies Ammo-
niak mehr zu bemerken ist. Wenn die gehörige Menge
von Chlorammonium oder von ammoniakalischeu Salzen
überhaupt in der Lösung vorhanden ist, so wird alle mit
der Thoucrde gemeinschaftlich gefällte Magnesia gelöst.
Diese Methode giebt gute Resultate. Es ist indessen
zu bemerken, dafs auf diese Weise die Thonerde nicht so
vollkommen vou der Maguesia wie vou der Kalkerde ge-
trennt werden kann. Es bleiben äuiserst geringe Spuren von
Magnesia bei der Thonerde, die jedoch so aufserordcutlich
unbedeutend sind, dafs ich diese Methode der, die Magnesia
vou der Thonerde durch zweifach -kohlensaures Alkali oder
durch Scliwefclammonium zu trennen, den Vurzug gebe.
Mau erhält auch hierbei die Thoucrde von gallertartiger
Beschaffenheit, welche man dann auf die obeu augeführte
Weise behandeln mul's.
Sind Kalkerde und Magnesia gemeinschaftlich vou der
Thonerde zu trennen, so ist es besonders anzuratheu, die
Trennung nur durch Ammoniak und durch uachheriges Ko-
chen bis zur Vertreibung des freien Ammoniaks zu bewir-
ken. Man erspart auf diese Weise viel Zeit, und erhalt
Resultate, welche genauer sind als die, welche man nach
lern alten Verfahren erhalten hatte.
Um kleine Mengen von Kalkerdc und vou Magnesia
296
von gröfscrcti Mengen von Thonerdc zu scheiden, kann
man in einigen Fällen folgende Methode anwenden: Man
fügt zu der Losung Weinstein säure und übersättigt darauf
mit Ammoniak; man erhält dadurch keiue Fällung. Durch
Oxalsäure fällt man darauf aus der ammoniakalischeu Lo-
sung die Kalkerde als Oxalsäure Kalkcrde und iu der ab-
ii 1 tri r ten Flüssigkeit die Magnesia als phuspliorsaure Ammo-
niak-Magnesia durch phosphorsaures Natron. Die Thon-
erde ist aber in diesem Falle schwieriger ihrer Menge nach
zu finden. -Diese Methode ist daher nur dann besonders
anzuwenden, wenn mau Kalkerde und Magnesia bei Anwe-
senheit grosserer Mengen von Thouerde allein und schnell
bestimmen will.
Trennung der hlruaiiiincnlc voo der Kulkerde.
So leicht es jetzt ist, die Baryterde sowohl von der
Strontianerde als auch von der Kalkcrde mit (Genauigkeit
zu scheiden, namentlich wenn diese Hasen in ihren schwe-
felsauren Verbindungen von einander zu trennen sind, so
hat die Scheidung der Strouliaucrde von der Kalkcrde be-
sondere Schwierigkeiten. Die beste Methode der Trennung
beider ist immer noch die alte, von Stromeycr angege-
bene, die salpetersauren Erden durch wasserfreien Alkohol
von einander zu trennen. Ich habe zu dieser Si&eJmsJSge-
inetbode nur noch das hinzuzufügen, dafs sie noch -besser
gelingt, wenn man sich statt des wasserfreien Alkohols «baer
Mengung desselben mit einem gleichen Volumen Aethers
bedient, in welcher die Salpetersäure Strontianerde noch
schwerlöslicher ist, eis im reinen Alkohol. Während -von
diesem ungefähr 8500 Theile einen Theil der salpetersau-
ren Strontianerde aufzulösen im Stande sind, wird dieft
erst von ungefähr 60001) Thcilen des Gemenges bewirkt,
während letzteres die salpetersaure Kalkerde eben so voll-
kommen klar löst, wie der wasserfreie Alkohol.
Eine andere Trennung der Strontianerde von der Kalk-
erde kann darauf begründet werden, dafs aus einer Lösung
von schwefelsaurer Streatianerde dieselbe vollständig ge-
297
■
i'ällt werden kann, wenn sie mit einer etwas Concentrin eu
Lösung eines schwefelsauren Alkalis vermischt wird, wäh-
rend die schwefelsaure Kalkerde durch eine solche Lösung
weit leichter gelöst werden kann, als durch reines Wasser.
Durch diese Art der Scheidung kann man beide Erden in
der Lösung jedweder Säure trennen, und auch, wenn sie
als schwefelsaure Salze zur Untersuchung angewandt wer-
den sollen.
Man wählt am besten das neutrale schwefelsaure Ain-
inouiak zur Trennung. Fügt man dasselbe in einer etwas
concentrirten Lösung zu einer Lösung eines Strontiancrdc-
salzes, so wird zuerst der allergröfstc Thcil derselben als
s< -luvclrlsaure Stroutianerdc niedergeschlagen, und der kleine
Thcil der schwefelsauren Slronlianerde, welcher aufgelöst
bleibt, bildet nach und nach mit dem schwefelsauren AI-
kab ein Doppclsalz, welches unlöslich in der Lösung des
schwefelsauren Alkalis ist und gemeinschaftlich mit der
schwefelsauren Strontiauerde füllt. Dieses Doppelsalz er-
zeugt sich sowohl, wenn das Ganze längere Zeit gekocht
wird, als auch, wenn es bei gewöhnlicher Temperatur län-
gere Zeit steht. Ich habe vor längerer Zeit ein ähnliches
Doppclsalz von schwefelsaurer Slronlianerde mit schwefel-
saurem Kali dargestellt '), das aus gleichen Atomen der
beiden einfachen Salze zusammengesetzt ist.
Um die schwefelsaure Stronfiauerde ganz unlöslich zu
machen, nimmt man gegen einen Thcil des Slronlianerde-
saizes 5t) Tlieile schwefelsaures Ammoniak, welches in dem
Vierfachen von Wasser gelöst worden ist. Itehandelt man
mit einer solchen Lösung die Lösung eines Kalkcrdcsalzes,
so bleibt dieselbe klar, sowohl bei gewöhnlicher Tempe-
ratur, als auch beim Kochen. Es bildet sich ein Doppel-
salz, das in der Lösung des schwefelsauren Ammoniaks
atiflöslich ist. Es ist diefs ein Doppelsalz von ähnlicher
Art, wie wir ein solches von schwefelsaurer Kalkerde und
schwefelsaurem Kali kennen, das Arthur Phillips ent-
duckt, und Potasso-Gypsil genannt hat.
1) P*fp AM. UJ. 93, S. 6U5.
Bei dec Trennung der Strontiancrde von der 1
löst man die Salze der beiden alkalischen Erden, aie uiü-
gen mit irgend einer Säure verbunden seyn, mit welcher
sie auf lösliche Salze bilden, in möglichst wenigem Wasser
auf, und fügt dann die Lösung von schwefelsaurem Am-
mouiak in vier Theilcn Wasser hinzu, welche ungefähr
50inal so viel festes Salz enthält, als das zu untersuchende
Salzge menge beträgt. Man kocht entweder das Ganze einige
Zeit hindurch unter Erneuerung des verdampften Wassers,
und unter Hinzu fügung von sehr wenigem Ammoniak, (weil
durchs Kochen die Lösung des schwefelsauren Ammoniaks
etwas sauer wird) oder man läfst es 12 Stunden bei ge-
wöhnlicher Temperatur stehen. Man filtrirt darauf und
wäscht die schwefelsaure Slrontianerde mit einer concen-
Irirtcu Lösuug von schwefelsaurem Ammoniak so lange aus,
bi* im Waschwasser durch oxalsaures Ammoniak, leane
Fällung- mehr hervorgebracht wird. ' Das Auswaschen ist
in kurzer Zeit vollendet. .
Der Niederschlag wird nach Verbrennung des Filtrume
vorsichtig im Platintiegel erhitzt, zuerst schwach und dann
stärker, um das in ihm enthaltene schwefelsaure Ammoniak
-zu verjagen. Durch das Glühen wird eine höchst geringe
Menge von Schwefelstrontium erzeugt; man befeuchtet daher
den geglühten Niederschlag mit etwas verdünnter Schwe-
felsaure, erhitzt, glttht und bestimmt das Gewicht der schwe-
felsauren Slrontianerde. Aus der getrennten Flüssigkeit und
aus dem Waschwasser wird die Kalkerdc durch oxalsaures
Ammoniak gefallt. Man mnfs aber vor der Fällung che
Losung mit ziemlich vielem Wasser verdünnt haben.
Das Resultat, das man durch diese Methode erhält, ist
nur ein der Wahrheit sich näherndes und nicht so genau
als das durch die verbesserte Methode von Strome v/er
erhaltene. Aus den Resultaten der angeführten Versuche
wird man ersehen, wie weit die gefundenen Resultate von
den berechneten abweichen.
Als Hr. Oesteu 1,053 Grm. Salpetersäure Slrontianerde
und 0,504 Grm. reine kohlensaure Kalkerde (welche in sal-
petersaure Kalkerde verwandelt wurde) auf die angeführte
Weise kochend mit schwefelsaurem Ammoniak behandelte,
erhielt er 0,910 Grm. schwefelsaure Stroutianerde, die 1,018
Grin. salpetersaurer Stroutianerde entsprechen, und 0,279
Grm. Kalkerde, für die 0,497 Grm. kohlensaurer Kalkcrdc
ein Aequivaleut sind.
In einein andern Versuche wurdcu 0,489 Grm. Salpe-
tersäure Stronlianerde, welche 0,424 Gnn. schwefelsaurer
Stronlianerde entsprechen, und 0,505 Gnn. Salpetersäure
Kalkerde, welche 0,172 Grm. Kalkcrde enthalten, ange-
wandt. Die Trennung geschah ebenfalls bei Kochhitze.
Es wurden erbalten 0,416 Grm. schwefelsaure Stroutianerde
und 0,177 Gnn. Kalkcrdc.
In einem dritten Versuche wurden 1,798 Gnn. salpeter-
saurer Stroutianerde und 0,970 Grm. kohlensaurer Kalkerde
(welche in Salpetersäure Kalkerde verwandelt wurde) mit
der Lösung von schwefelsaurem Ammoniak bei gewöhnli-
cher Temperatur behandelt, und uach 36 Stuuden fillrirt.
Es wurden erhalten 1,532 Gnn. schwefelsaure Stronlianerde,
für welche 1,760 Grm. Salpetersäure Stronlianerde ein Aequi-
valent sind, und 0,563 Grm. Kalkerde, die 1,006 Grm. koh-
lensaurer Kalkerde entsprechen.
Eine feste Verbindung von schwefelsaurer Stroutianerde
und von schwefelsaurer Kalkerde wird, um beide von ein-
ander zu trennen, im sehr fein gepulverten Zustande mit
der conceutrirten Lösung des schwefelsauren Ammoniaks
übergössen, und damit unter Erneuerung des verdampften
Wassers und Hinzu fügung von etwas Ammoniak gekocht.
Im l.lebrigcn wird eben so verfahren, wie so eben erör-
tert worden ist.
Es wurden 0,503 Gnn. wasserfreie schwefelsaure Kalk-
erde (schwach geglühter strahliger Gyps) mit einer nicht
bestimmten Menge von schwefelsaurer Stroutianerde ge-
mengt, und auf obige Weise mit einer conceutrirten Lö-
sung von schwefelsaurem Ammoniak behandelt. Es wurden
0,208 Gnn. Kalkcrdc erhalten, welche 0,504 Gnn. schwe-
felsaurer Kalkcrde entsprechen.
Es wurde nach der oben beschriebenen Methode durch
Hrn. Braun der strahl ige Stroutianil von Hamm in Weil-
finalen untersucht. Aus 11,978 Gnn. desselben (nachdem
er in Chlovwasserstofrsaurc gelöst worden war) wurden
1,161 (Irin, schwefelsaure Slronlianerde, und 0,1129 Grm.
Kalkerde erhallen. Nach dieser Analyse besieht daher der
untersuchte Strontianit im Hundert aus:
95,6 kohlensaurer Slrontiauerde
5,8 kohlensaurer Kalkerde
"NU;
Statt des schwefelsauren Ammoniaks kann man sich bei
dieser Trennung auch des schwefelsauren Kali's oder Na-
trons bedienen. Bei Anwendung derselben hat man aber
den grofsen Nachtheil, dafs man die gefällte schwefelsaure
Strontianerde von dem zugleich gefällten feuerbeständigen
schwefelsauren Alk'aH trennen mufs, was füglich ' nicht ■&•
den bewerkstelligt werden kann, als dafs man die schwe-
felsaure Strontianerde durch kohlensaures Alkali in koh-
lensaure Strontianerde verwandelt.
( des Kittnoxyds tod der Kalkerde und von de*
Magnesia.
Bei der Trennung; des Eisenoiyds von der Kalkerde
und der Magnesia kann man sich derselben Methoden be-
dienen, wie bei der Trennung dieser Basen von der Thon-
erde. Bekanntlich fallt durch Ammoniak das Eisenoxyd
immer mit kleinen Mengen von Magnesia verbunden nieder,
selbst wenn die Lösung eine bedeutende Menge ammoniakV
lischer Salze enthalt. Wenn man aber das Eisenoxyd durch
Uebersatligung der Lösung mit Ammoniak gefällt, und das
Ganze bis zur Verflüchtigung des freien Ammoniaks er-
hitzt bat, so ist das gefällte Eisenoxyd frei von Kalken!«
und Magnesia. Wenn man auf diese Weise verfahrt, m
ist der Zutritt der Kohlensaure der Luft von keinem nach-
tbeiligen Eiuflufe. Es ist auch hier tu bemerken, dafs *v-
fserord entlich kleine Spuren von Magnesia beim Eisenoxyd
bleiben können, während dasselbe von der KaJkerde voH-
kommen getrennt wird; dennoch aber i.-l diese Methode
jeder anderen vorzuziehen. Uns Eisenoxid scheidet sich
hierbei in einem Zustund ab, in welchem es sich leicht
auswaschen läfst, namentlich durch heifses Wasser, und ist
niemals von gallertartiger Beschaffenheit, wie die Thonerde.
Wenn geringe Mengen von Kalkcrdc und von Magne-
sia mit grofsercu Mengen von Eisenoxyd in einer Lösung
enthalten sind, so können die Kalkcrdc ebenso wenig wie
das Eisenoxyd als weinsleJnsaure Salze gefallt werden, wenn
man Weinsteiusäure hinzufügt und mit Ammoniak übersät-
tigt. Ist Kalkcrde allein ohne Eisenoxid in einer Lösung,
so wird, wie diefs schon früher bemerkt, nach dem Zu-
setzen von Weinsteinsätire und nach Uebersätligung mit
Ammoniak die Kalkcrdc als weinsteiusaurc Kalkerde ge-
fallt, wenn auch oft bei sehr geringen Mengen von Kalk-
erde die Fällung erst nach einiger Zeil geschieht. Nach
Hinzu füg ting von Weinsteinsiiurc und Uebersätligung mit
Ammoniak kann man die Kalkerdc durch Oxalsäure, und
darauf die Magnesia als phosphorsaurc Ammoniak- Magnesia
durch phosphorfiau res Natron abscheiden, worauf man end-
lich noch das Eisenoxid durch Schwefelainmonium füllen
kann.
Bestimmung des Mangans.
. Es ist bei uuanfitativen Analysen oft sehr vorthcilhafl,
das Manganoxydul in Manganoxyd oder in noch höhere
Oxyde zu verwandeln, um es von anderen Basen zu tren-
nen. Die Verwandlung des Manganoxyduls geschieht durch
Chlorgas. In der Lösung eines Manganoxvdulsalzcs ver-
wandelt sich indessen nur schwer und nur zum kleinsten
Theilc durch Chlorgas das Oxydul in Oxyd, das sich ab-
setzt. Man erhalt um so mehr davon, je verdünnter die
Lösung des Manganoxydulsalzes, und je schwächer die Säure
ist, welche mit dem Oxydul verbunden, so wie auch, je
höber die Temperatur der Lösung während des Durchlei-
teus des Gases ist. Man kann aber vollständig alles Man-
ganoxydul in Oxyd, oder auch in Superoxyd verwandeln.
302
und dasselbe aus der Lösung fallen, wenn man zu derselben,
nachdem sie inil Chlnrgas gesättigt, eine starke Base im
Uebennaafs hinzufügt, welche ihren Sauerstoffgehalt dem
Oxydule zufßhrt, wahrend sie sich in Chlormetall verwan-
delt. Je starker die hinzugefügte Base, je verdünnter die
Manganuxydullösung ist, und je heifser das Chlorgas zuge-
führt wird, desto vollständiger und höher oxydirt sich das
Mangauoxydul. Daher wird gewöhnlich durch UebereStli-
gung mit Knlilivih.il aus einer solchen Lösung schwarzes
Mangansuperoxyd gefällt, während Ammoniak eine Füllung
bildet, welche anfangs hellbraun ist, und nach einiger Zeit
dunkler wird, aber gewöhnlich nie so dunkel, wie die, wel-
che durch Kalihydrat hervorgebracht wird. Einfach und
zweifach kohlensaures Kali und Natrou erzeugen anfangs
fast weifse Niederschläge, die durchs Stehen oder durchs
Erhitzen braun werden. Auch hinzugefügte kohlensaure
Barylerdc bringt anfangs fast keine Veränderung hervor,
aber nach einiger Zeit erzeugt sie einen braunen Nieder-
schlag von Manganoxydhydrat. Durch Kalihydrat, durch
Ammoniak und durch kohlensaure Barylerdc wird die ganze
Menge des Mangans als Oxyd oder als Suncroxyd gefallt,
(auch wenn das Oxydul mit einer sehr starken Säure z. B.
mit Schwefelsäure verbunden ist) wenn nur die Lösung hin-,
reichend verdünnt, und stark mit Chlorgas angeschwängert
gewesen ist. Ist diefs aber nicht der Fall, so erzeugen na-
mentlich Ammoniak und kohlensaure Baryterde Fällungen
von hellerer Farbe, und in der abfiltrirten Flüssigkeit kann
mehr oder weniger Mangan als Oxydul enthalten seyn.
Wenn die Einwirkung des Chlorgases zu lange gedauert,
so kann nach Ucbcrsättigung mit einer Base und nach lan-
gem Stehen sich Uebermaugansäure bilden. Diese erzeugt
sich immer, und zwar in sehr bedeutender Menge, so dafs
die ganze Menge des Mangans bis zu Uebcrmangansäiire
oxydirt werden kann, wenn die Base zu der Manganoxr-
dullösung hinzugesetzt und dann erst das Chlorgas durch
die Flüssigkeit geleitet wird. (In diesem Falle mufs man
nicht vorher Ammoniak zu der Manganlösung hinzufügen,
durch welche mau Chlorgas leiten will, weil dann
Stickstoff sich bilden kaon.)
Da man jede höhere OxydalionsElufe des Mangans durchs
Erhitzen mit Chlorwassersloffsäure in Oxydul, und dieses
wiederum durch Chlorgas in Oxyd verwandeln kann, so
hat man es in seiner Gewalt, das Mangati leicht entweder
als Oxydul oder als Oxyd von anderen Vasen zu scheiden.
Will man daher das Mangan vou starken Basen trennen,
so verwandelt man es in Oxyd; soll das Maugan hingegen
von schwachen Basen geschieden werden, so wird zuvor
das Mangan zu Oxydul reducirt, weuu es als solches nicht
schon vorhanden isL
Durch Salpetersäure kann bekanntlich das Manganoxy-
dul in seiuen Lösungen auch nicht durch Erhitzen höher
oxydirt werden. Es geschieht diefs nur, wenn durch Sal-
petersäure (oder auch durch Schwefelsäure) Sauerstoff aus
braunem Lleisupcroxyd auf Manganoxydul Übertragen wird.
Es bilden sich dann purpurrothe Manganoxydlösungen, wor-
auf die bekannte Probe auf Mangnuoxydul von Crutn
beruht.
Uui iinl grofser Sicherheit die Menge des Sauerstoffs
■ii den höheren Oxydationsstufen zu bestimmen, bedient
man sich bekanntlich der vou Bimsen angegebenen maafs-
analytischen Methode. Um aber die Menge des Mangans
darin unmittelbar schnell zu finden, kann man dieselben
vermittelst eines Zusatzes von Schwefelpulvcr durch Glühen
in einer Atmosphäre von Wasserstoffgas in Schwefel maiigan
verwandeln.
n Chlor-
ns durchs
Trennung des ftUnganoxyduls von der Thonerde
Gewöhnlich geschieht diese Trennung wenn nur kleine
Mengen von Manganoxydul vorhanden sind auf die Weise,
dafs man aus der Lösung die Thonerde durch Ammoniak
fällt. Es schlägt sich indessen, auch wenn eine bedeutende
Menge von aminoniakalischcn Salzen in der Lösung eilt
halten ist, mit der Thonerde etwas Manganoxydul nieder,
:
304
das sich beim Zutritt der Lufl höher oxydirt, und als Oxyd
die Thoncrdc braun färbt. Man pflegt dann durch Lösung
der Thouerde in Kalihydratlüsung dieselbe von der kleineu
Menge des gebildeten Manganoxyds zu scheiden.
Die Trennung der Thouerde vom Manganoxydul kann
indessen sehr gut bewirkt werden, wenn man die Lösung,
welche Thouerde und Manganoxydul enthält, mit etwas
Chlorammonium versetzt, zum Kochen bringt und dann
Ammoniak hinzufügt. War die Auflösung sauer und eut-
hielt sie namentlich freie Chlorwasserstoffsäurc, so ist ein
Zusetzen von Chlorammonium nicht nölhig. Wenn die
cblorwassersloffsaurc Lösung zum Kochen gebracht worden
ist, SO kaun man sicher seyn, dafs alles Mangan als Ox v.lul
in der Lösung enthalten ist, worauf es bei dieser Trennung
besonders ankommt, man mufs daher das Ammoniak nicht
froher zur Lösung hinzufügen, als bis dieselbe zum Kochen
gebracht worden ist. Nach der Ucbcrsaltigung mit Ammo-
niak setzt mau das Kochen so lange fort, bis kein Geruch
von Ammoniak mehr zu bemerken ist. I>ie Thouerde ist
dann gänzlich gefällt und das Mangan als Oxydul in der Lö-
sung. Man braucht hierbei das Ganze nicht ängstlich j.-'^'h
den Zutritt der Luft zu schützen, denn bei Abwesenheit
des freien Ammoniaks kaun das Oxydul nicht in Mangan-
oxyd durch Berührung mit der Luft verwandelt weiden.
Sie Thouerde zeigt indessen oft auch nach dem völligen
Auswaschen tinen sehr schwachen Stich ins Rölhlichc. Löst
man sie durchs Erhitzen in Cblorwasscrsloffsäurc auf. und
behandelt die kochende Lösung mit Ammoniak' auf dieselbe
Weise wie vorher, so wird dieser Stich ins Rotbuche zwar
noch schwächer, es ist indessen schwer, ihn ganz zu be-
seitigen. Dieser Mangangehalt in der Thonerdc ist indessen
so ganz außerordentlich gering, dafs er nicht durch das
Löthrohr entdeckt werden kann; die Thouerde erwheiiil
nach dein Glühen von ganz weii'scr Farbe. Jedenfalls ver-
dient diese Methode der Trennung allen anderen vorgezo-
gen zu werden, namentlich der das Manganoxydul, oder
dasselbe durch Chlorgas höher oxydirt worden ist.
s Mangalioxyd durch Kalihydrat von der Thonerde zu
Irnnmwi
Trennung des MangHDOyyduls von der Magnesia.
Gewöhnlich geschieht diese Trennung vermittelst des
Scbwcfelammoniums, indem uiau durch dasselbe Schwcfel-
mangau füllt, und in der abfiltrirten Flüssigkeit die Mag-
nesia abscheidet.
Diese Methode giebt nicht sehr genaue Resultate. Man
nitits überhaupt die Fällung des Manganoxyd nls durch
Schwefclainmonium zu vermeiden suchen, da das dadurch
erzeugte Schwefelmaiigan nicht vollkommen in ammoniaka-
lischen Salzlösungen unlöslich ist, und sich erst nach sehr
langer Zeit ausscheidet.
Die beste Methode der Trennung, besonders wenn nur
kleine Mengeu von Magnesia vom Mangan zu trennen sind,
ist folgende: Mau verdünut die Flüssigkeit mit einer hin-
reichenden Menge vou Wasser, fügt essigsaures Natron
hinzu, erhitzt sie, und leitet, während sie noch heifs ist,
einen Strom von Chlorgas durch dieselbe. Die Flüssigkeit,
welche durch Bildung von Ucbermangansäure purpurrot!]
geworden ist, wird mit Ammoniak übersättigt, und so lange
gekocht, bis das freie Ammoniak gänzlich verjagt ist. Es
wird dadurch die Ucbermangan säure ganzlich zerstört und
alles Mangan als Mauganoxyd gefällt, während die Magnesia
aufgelöst bleibt, und aus der abfiltrirten Flüssigkeit geschie-
den werden kann.
Ist die Menge der Magnesia bedeutend, so fügt man
nach Sättigung der Losung mit Chlorgas zugleich mit dein
freien Ammoniak noch Chlorammonium hinzu.
in man gemeinschaftlich Manganoxydul uud Magne-
Thouerde zu trennen hat, so darf man nicht die
beiden starken Basen von der Thonerde durchs Kochen
der Losung, die Chlorammonium enthält, nach Uebcrsätli-
guug mit Ammoniak und Verjagung des freien Ammoniaks
trennen, wenn man darauf die Magnesia vom Mangan auf
die so eben erwähnte Weise durch Sättigung «tti Oäöx^m.
VoSgendorrP, Aaatl. Bd. CX, ^
das sich beim Zutritt der Luft höher oxydirl, und als Oxyd
die Thonerde braun färbt. Man pflegt dann durch Lösung
der Thonerde in Kalihydrallösung dieselbe von der kleinen
Menge des gebildeten Manganoxyds zu scheiden.
Die Trennung der Thonerde vom Mauganoxydul kann
indessen sehr gut bewirkt werden, wenn man die Losung,
welche Thonerde und Manganoxydul enthalt, mit etwa»
Chlorammonium versetzt, zum Kochen bringt uud dann
Ammoniak hinzufügt. War die Auflösung sauer und ent-
hielt sie namentlich freie Chlor wasserst offsäure, so ist ein
Zusetzen von Chlorammonium nicht nülhig. Wenn die
chlorwasscrsloffsaure Lösung zum Kochen gebracht worden
ist, so kaun man sicher seyn, dafs alles Mangan als Oxydul
in der Losung enthalten ist, worauf es bei dieser Trennung
besonders ankommt, man mufs daher das Ammoniak nicht
früher zur Lüsuug hinzufügen, als bis dieselbe zum Kochen
gebracht worden ist. Nach der Uebersättigung mit Amma»
niak setzt mau das Kochen so lange fort, bis kein Geruch
Ton Ammoniak mehr zu bemerken ist. Die Thonerde ist
dann gänzlich gefüllt und das Mangan als Oxydul in der fc*.
gung. Man braucht hierbei das Ganze nicht ängstlich gegen
den Zutritt der Luft zu schützen, denn bei Abwesenheit
des freien Ammoniaks kann das Oxydul nicht in Mangan-
oxyd durch Berührung mit der Luft verwandelt werdest/
Die Thonerde zeigt indessen oft auch nach dem völligen
Auswaschen einen sehr schwachen Stich ine Kö thliche. LcM
mau sie durchs Erhitzen in Cblorwasscrstoffsäure auf, ani
behandelt die kochende Lösung mit Ammoniak' auf dieselbe
Weise wie vorher, so wird dieser Stich ins Röthliche zwar
noch schwächer, es ist indessen schwer, ihn ganz zu be-
seitigen. Dieser Mangangehalt in der Thonerde ist indessen
so ganz aufserordentlich gering, dafs er nicht durch 'das
Löthrohr entdeckt werden kann; die Thonerde erscheint
nach dem Glühen von ganz weifser Farbe. Jedenfalls ver»
dient diese Methode der Trennung allen anderen vorget*^
gen zu werden, namentlich der das Manganoxydul, oder
wenn dasselbe durch Chlorgas höher oxydirt worden «ny
anwenden: Mail oxydirt die mit Wasser verdünnte Lösung
durch Chlorgas. übersättigt mit Ammoniak, und trennt
durchs Kochen Thonerde und Manganoxyd von Magnesia
um] Kalkerde. Letztore scheidet man nach bekannten Me-
thoden von einander; Thonerde und Manganoxyd werden
durchs Erhitzen in Chlor wasserstoffsaure gelöst, und die
Thonerde vom Manganoxydul nach Ucbersatligung mit Am-
moniak durch Kochen gelrennt. Man kann auch gleich nach
Zusetzen von Chlorammonium die Thonerde vom Maugau-
Oxydul, der Magnesia und der Kalkerdc durchs Erhitzen
nach Ucbersättigung mit Ammoniak scheiden; dann aber
das Manganoxydul nicht von der Magnesia und der Kalk-
erde durch Chlorgas, Uebersättigung mit Ammoniak und
Erhitzen trennen. Man kann aoeb nach Oxydation durch
Chlorgas Manganoxyd und Thonerde durch kohlensaure
Baryterde abscheiden, oder auch unmittelbar die Thonerde
durch kohlensaure Baryterdc fallen und sodann durch Oxy-
dation vermittelst Chlorgas das Manganoxyd von der Mag-
nesia und der Kalkerde trennen. Die zuerst erwähnte Tren-
nung ist wohl die zweckmäßigste.
i ii ■niimiu iii-.-ä Kiseooxj-di vom Mangnnoxydu).
Sind nur kleine Mengen von Manganoxydul von güt-
igeren Mengen von Fisenoxyd zu (reonen, so kann die
Trennung auf dieselbe Weise bewirkt werden, wie die der
Thonerde von kleinen Mengen von Manganoxydul: man
übersättigt nämlich mit Ammoniak und kocht bis das freie
Ammoniak verschwunden ist.
Ist hingegeu die Menge des Manganoxyduls gegen die
des Eisenoxyds bedeutend, so fällt mit dein Eisenoxyd eine
nicht unbedeutende Menge von Manganoxydul, welche auch
durch längeres Kochen der chlorainmoniumhaltigen Flüssig-
keit nicht aufgelöst werden kann. Man mufs alsdann das
Eisenoxyd, das nicht völlig ausgewaschen zu werden braucht,
in Chlor wasserst offsäure lösen, von Neuem mit Ammoniak
fällen und bis zur Verflüchtigung des freien Ammoniak*
kochen, um es rein vom Mangan zu erhalten.
Bei dieser Trennung mufs man immer die chlorwasaer-
Btoffsaurc Lösung der Basen erst zum Koclien bringen, dann
mit Ammoniak übersättigen, und ohne Unterbrechung das
Kochen bis zur Verflüchtigung des freien Ammoniaks fort-
setzen. Nur auf diese Weise vermeidet man die Bildung
von Spuren von Manganoxyd.
Sind in der Lösung aufsef Eisenoxyd und Manganoxydul
noch Thonerde, Kalkerde und Magnesia enthalten, so be-
handelt man, wenn die Menge des Mnngnnoxyduls nicht
zu bedeutend ist, die Lösung mit Chlorgas, und fallt durch
Uebersättigung mit Ammoniak und durch Koclien Thon-
erde, Eisenoxyd und Mangauoxyd. Man löst den Nieder
schlag in Chlorwasserstoffsaurc auf und scheidet in der
Lösung wiederum durch Uebersältigung mit Ammoniak und
durch Kochen das Eisenoxyd vom Manganoxydul.
Die Trennung des Eisenoxyds vom Mangnnnxydul kann
indessen eben so gut nach den bekannten Methoden ver-
mittelst Kochens nach einem Zusätze von essigsaurem Al-
kali oder vermittelst des bernsteinsauren Ammoniaks be-
wirkt werden.
Trennung des Eiscnnxvds vom Zinkoxvd.
Das Zinkoxyd kann nicht auf eine ähnliche Weise wie
die Magnesia von Eisenoxyd getrennt werden, nämlich durch
Uebersättigung der Chlorwasserstoff sauren Lösung mit Am-
moniak und dmchs Kochen, obgleich das Zrnkoxyd Für
sich, und selbst in stark geglühtem Zustande sich leicht un-
ter Ammoniak -Entwicklung beim Erhitzen in einer Cklor-
ammomiimlosung auflöst. Mau kann auf diese Weise nur
die gröfsle Menge des Zinkoxyds, aber nicht die ganze
Menge desselben vom Eisenoxyd trennen. (Ehen so wenig
läfst sich das Zhikoxyd vollständig auf diese Weise von
der Thonerde trennen). Die besten Methoden der Tren-
nung des Zinkoxyds vom Eisenoxyd bleiben daher die ver-
mittelst bernsteinsauren Alkalis, oder die durchs Kochen
nach einem Zusätze von essigsaurem Alkali.
(
JJeber Ringbildung in Flüssigheiten;
von E. Reusck in Tübingen.
IVlanche Raucher haben bekanntlich die Fertigkeit, den
Tabaksrauch in Fnrui von woblgcbildelen Ringen aus dem
Munde zu entlassen. Mit aller Sicherheit erhält man aber
diese Ringe mit Hülfe eines in wenigen Minuten herzustel-
lenden Apparats aus sccIib Spielkarten, welche durch recht-
winkliges Aufbiegen der schmalen Kanten zu einem Hohl-
würfel zusammengesetzt sind, dessen eine Seile eine Oeff-
nuug von 1 Centim, oder mehr enthält. Füllt man nun
durch Hineinra neben den Würfel mit Tabaksrauch, so fliegt
bei jedem kurzen und schwachen Schlage auf eine der
Seitenflächen ein artiges Ringlein aus der Oeffnung.
Die Betrachtung, dafs, bei jedem Schlage auf die elasti-
sche Seitenfläche, der Verkleinerung des Hohlraums sofort
eine Vergröfseruug nachfolgt, veraulafste mich einen Appa-
rat zu coustruiren, der auch die Vorgänge im Rauchrautne
zu beobachten erlaubte. Eiu Glasrohr (Fig. 8, Taf. I)
(das Glas eiuer sogenannten Congrel'slaterne) 6 Cent, im
Durchmesser und 12 Cent, laug, ist an einem Ende durch
eine angebundene Meinbraue M von dünnem vulkauisirtem
Knutschuck geschlossen und enthält am auderen Ende eine
Metallfassung FF mit Schraube, so dafs eine Kreisscheibe
SS' von Carton oder Blech mit einer passenden Oeffnung 0
daselbst eingeklemmt werden kann. Wird nun der Appa-
rat mit Hauch gefüllt und ein kurzer Druck auf die Mem-
brane ausgeübt, so fliegt ein Rauchring von der Oeffnung
weg; läfst man nachher mit dem Drucke rasch nach, so
sieht man einen Luftring durch den Rauchraum gegen di
Membrane gehen. Bei einem kurzen Impuls auf dieselh
sieht man, scheinbar gleichzeitig den Rauchiing durch
Luft, und den Luftring durch deu Rauch nach entgegenge-
setzten Richtungen von der Oeffnung wegfliegen,
■
lurch die
tgegenge-
■
Mit grüfeere]
Mit grofeerem Behagen beobachtet man <Iie ausgel
uen Raucbgebilde, indem man den Apparat Fig. 8 Taf. I
auf ciuem Glascyliuder oder besser Glaskasten von 15
bis 20 Cent. Weite, die OeiTnung nach unten mit Hülfe
einer dureblücherten Scheibe aufpflanzt Die Ringe siiikeu
daun ruhig herab und werden durch die in freier Luft immer
vorhandenen Strömungen nicht so rasch gestört. Bei einem
schwachen Druck sieht mau sonderbare Gestalten wie um-
gekehrte Pilze sanimt Stiel austreten; bei stärkerem Druck
erscheinen Ringe in verticaler Richtung verlängert; bei ra-
schem Druck Ringe von kreisförmigem Querschnitt , deren
Durchmesser beim Fortschreiten wächst und welche tiber-
diefs häufig in eigenthüui lieber, bald naher zu besprechenden
Weise wirbeln und rolircu. Einen artigeu Anblick gewährt
es hierbei, wenn man einem ersten Ringe rasch einen zwei-
ten nachschickt, der dann häufig den ersten durchsetzt uud
dessen Rauchmassc als conuidischen Wirbel nach sich zieht
Zum Behuf einer Erklärung dieser nicbl einfachen Er-
scheinungen denke ich mir, dafs durch einen kurzem Impok
zunächst eine Rauchscheibe obngefahr vom Querschnitt der
Austin fsöffoung ausgesto&en wird. Schon während ihres
Durchgangs durch die Oeffnung setzen sich die ausserhalb
und rings herum liegenden Lufttheilchen gegen die Baucb-
scheibe in Bewegung, sofern der Seitendruck der bewegten
Luft kleiner ist als der der ruhenden. Ist aber die Scheibe
ganz ausgetreten, so stürzen sich die Lufttheilchen vou allen
Seiten in den von ihr leergelaufenen Raum und stauen sich,
da sie zugleich der Vorwärtsbewegung derselben folgen,
zu einem spitzigen Luftconoide Jf+A" (Fig. 9 Taf. I) zu-
sammen, welches die Rauchscheibe von hinten durchbricht.
Dieser Act der Durchbrechung ist aber bei vollständiger
Kingbildung von zwei weiteren Wirkungen begleitet Ein-
mal erhalten nämlich die Bauchtheilchen, deren Bewegungs-
richtung zunächst parallel der Axe Ox der Oeffnung ist,
durch das plötzliche Eindringen des Luftcouoids einen seit-
lichen auf Expansion des Rings hinzielenden Druck, ver-
möge dessen sie bei der weiteren Bewegung von der Ase
.111
■
mh den Richtungen C und C ilivergireti. Der Durch-
messer der Kitige wird daher während des Fortschreitens
wachsen.
Atii'serdein wird im Allgemeinen der Rauchring in eine
von Innen nach Auiscn gehende Rotation versetzt, wie sie
für die in der Papier ebene liegenden Meridiane durch die
gekrümmten Pfeile D und If vorgestellt ist. Uns eindrin-
gende Luftconoid bestreicht nämlich die innere Seite des
Kings und bewirkt dadurch ein Wirbeln desselben um die
kreisförmige Mittellinie.
Alle diese Erscheinungen beobachtet mau in schönster
Ausbildung an den zierlichen Ringen, welche beim Vcr-
brenneu von Phosphorwass erst off gas entstehen und bei de-
ren Bildung miitatis mulandis offenbar dieselben Umstünde
statt haben wie bei den Tabaksriiigen. Die. Ringe von Phos
phorsäurchvdrat sind viel voluminöser, erreichen oft einen
Durchmesser von einem Fufs und zeigen die Rotation in
dem angegebenen Sinne sehr deutlich, besonders wenn, was
häufig vorkommt, Massentheilchen in einigem Abstand vom
Ringe milwirbeln, welche dann den Ring zierlich zu um
Heckten scheineu.
Auch die Wirkung von Ausätzen habe ich etwas sludirt;
sind sie kurz, so geht die Kingbilduug noch gut vou statten,
beträgt aber ihre Länge das Fünffache des Durchmessers
der Oeffuung, su verschwinden die äufseren und iuueren
Ringe.
Der Kartenwürfel, au welchem -die Karle mit der Oeff-
uuug leicht durch eine andere ersetzt werden kann, dient
noch um eine weitere Figenlhümlichkeit der Rauchriuge zu
zeigen. Die Ringe sind nämlich rund, selbst wenn die Ocff-
nuug ein Dreieck oder Viereck oder gar eine nicht zu lange
rechtwinklige Spalte ist.
Von den nicht runden Oeffnungen habe ich die recht-
winkligen etwas näher untersucht. Die Spalten waren in
Cartouscheiben geschnitten, welche au> Apparat Fig. 8 Tai. I
befestigt wurden; ihre constnntc Breite betrug T> lYlillim..
während die Längen der Reihe nach das 2-, 3- bis 7fache
312
der Breite waren. Bezeichnet man die Spalten nach den
letztgenannten Zahlen, so lassen sich die Erscheinungen
ohngefähr so charakterisiren: Spalte 2 giebt allezeit einen
runden Ring; bei 3 sieht man häufig Formen, die man dop-
pelt gekrümmte Lemniscaten nennen könnte und welche
während des Fortschreitens in eigenthümlichen Pulsationen
begriffen sind. Dieselbe Erscheinung kann sich bei den
längeren Spalten wiederholen. Aufserdein sieht man aber
sehr häufig bei den Spalten 4 und 5 zwei Ringe und bei
6 und 7 gar drei Ringe, deren Mittelpunkt in einer zur
Länge der Spalten senkrechten Ebene fortlaufen. Im Falle
der drei Ringe ist der mittlere vertical absteigende manch-
mal verkümmert. Ich bemerke, dafs die Hervorbringung
der mehrfachen Ringe einige Uebung erfordert, sowie dafs
die Membrane nie zu stark gespannt seyn darf.
Bei der kreisrunden Oeffnung ist das allseitige Zuströ-
men der Lufttheilchen vollkommen symmetrisch gegen die
Axe; das oben besprochene Luftconoid besteht aus einem
System von Luftfäden, welche bei gleicher Orientirung ge-
gen die Axe an homologen Punkten auch gleiche Geschwin-
digkeit haben; daher hat es eine, wenn auch nur momen-
tane Stabilität. Kommen aber, wie diefs bei allen nicht
kreisrunden Ocffnuugen der Fall ist, die Lufttheilchen theils
nicht mehr genau gegen die Axe, theils mit verschiedenen
Geschwindigkeiten herbei, so scheint sich bei Oeffnungen,
die vom Kreise oder einem regulären Polygone. nicht gar
zu sehr abweichen, durch einen Act rascher (Kompensation
zwischen Richtung und Geschwindigkeit der zuströmenden
Luftfäden ein stabiles Gouoid herzustellen. Bei langen Spal-
ten scheint sich das Gonoid zu spalten, so dafs seine Be-
gränzungsfläche im Moment der höchsten Ausbildung zwei
oder drei Hörner darbietet, oder es zerfallen, wenn man
lieber will, jene lemniscatenartigen Gebilde durch seeundäre
Wirkungen in mehrere Ringe.
Man wird mir, denke ich, nicht zum Vorwurf machen,
dafs ich diese complexen Erscheinungen nicht besser zu
erklären vermag. Noch haben wir keine Theorie der so
313
mannichfalligeii Erscheinungen, die sich bciui permanenten
AusUuls tropfbarer Flüssigkeiten darbieten; Gase sind iu
dieser Beziehung nur wenig studirt worden. "Wie viel grö-
fser müssen die Schwierigkeiten werden, wenn es sieb um
den stofsweisen Ausflufs und die dadurch bedingten Ströme
und Wirbel handelt!
II.
Die Beobachtungen an den l\auchringen legten mir die
Frage nahe, ob nicht auch in tropfbaren Flüssigkeiten die
Ringbildutig beim plötzlichen Durcliflufs nachgewiesen wer-
den kiiiine. Es ist mir das gelungen mit Hülfe eines ein-
fachen Apparats, den ich zuerst beschreiben will. Fig. 10
Taf. I stellt einen Querschnitt desselben dar: der Fufs
wird gebildet durch eine metallene Trommel TT von 6Cent.
Hohe und 9 Cent. Durchmesser. Die obere ringförmige
Ocffnung R !>' der Trommel ist durch eine dünne bartge-
hiimmerte nach unten etwas ausgebauchte Mcssingplatte P,
welche von unten an den Ring gelüthet ist, geschlossen.
Zu der Platte gelangt man durch ein im Cvlindermantel
der Trommel angebrachtes Loch L; durch einen Druck auf
dieselbe bewirkt man, dafs sie eine kurze knackende Be-
wegung nach oben und wieder zurück annimmt, und je
nachdem man die Platte mehr in der Mitte oder am Rande
angreift, hat man die Gröfse und Raschheit ihrer Excursio-
nen ziemlich in seiner Gewalt. Auf dem Ring tili' der
Trommel steht ein Glascvlinder AA' von fiCent. Durchmes-
ser und 10 Cent. Höhe, auf ihm liegt eine Melallscheibe BS
mit einer centralen Oeffuung von SMillim. Weite Ueber
dieses endlich erhebt sich ein zweiter gleicher Glascvlinder
CC\ und das Ganze wird durch einen oberen Metallriug
rr und durch drei bis vier Zugstangen s, welche oben mit
Schrauben versehen und unteu an der Trommel befestigt
sind, zusammengehalten. Die Glascvlinder sind au ihren
Rundem natürlich eben geschliffen, so dafs ein wenig
Luftpumpenfett ausreicht, den Apparat wasserdicht zu
füllt mau nun den unteren Cyliuder mit gefärbtem,
den oberen util reinem Wasser, so sieht man bei jedem
Knack, eiu gefärbtes ftinglein durch das helle Wasser lliegen.
Ist die untere Flüssigkeil nicht zu intensiv gefärbt, so kann
man auch bei jedem Rückgang der l'lalte einen hellen Ring
durch das gefärbte Wasser herabsteigen sehen. Wird gepul-
verter Bernstein in den oberen Cylindcr gebracht, so las-
sen sich die Wirbel eiuigennafsen verfolgen: uamcnllich
zucken bei jedem Knack die auf der Zwischen platte BB
liegenden Bcuisteiustückchen gegen die Axc der Oetfnung
hiu, werden auch wohl in de» Wirbel mit hinein gerissen.
Sehr schöne aber nur kurz dauernde Ringe erhalt mau,
wenn sich unten Wasser, oben Oel befindet. Die Wasser-
ringe im Ocf erblickt mau besonders schön, wetiu man oben
hineinsieht. Aber auch die Oelringe im Wasser werden
oft beobachtet. Freilich verschwinden diese Ringe rasch,
indem sie bei zu raschem Impuls in mehrere Kugeln zer-
fliegen, oder bei schwächeren schnell die Kugelform an-
nehmen, wobei sie gewöhnlich eine Portion des Mediums,
in dein sie sich gebildet haben, einschliefseu. Bei ganz
langsamen Impulsen erheben sich pilzartige Gebilde, welch«
aber fast immer den Charakter der nicht zu voller Wir-
kung gekommenen Riugbildung an sich tragen. Entscbleim-
tes Provence) öl dürfte besser seyn, als das angeblich ge-
reinigte Lampenol, mit ric/n ich operirt habe; zähes kaltes
Oel liefert meist nur formlose Gebilde.
Entfernt man das Oel aus dem oberen Cylinder und
ersetzt es durch Wasser, so bleibt unter der Zwischen-
platte vom vorhergehenden Versuch immer eine dünne Oel-
sebicht zurück. Knackt man nun, so sieht man sehr häu-
fig, besonders bei der abwärts gehenden Bewegung zier-
liche Perlringe, aus rotirenden Oeltröpfcben bestehend, ge-
gen den Boden hinabwirbeln.
Ich habe auch Versuche angestellt mit Oel und Alko-
hol, Wasser und Aether. Bei der ersten Combiuation er-
hielt ich wohl Oelringe im Alkohol, aber nicht gut umge-
kehrt; noch weniger günstig zeigte sich das zweite Paar.
Vielleicht sind Andere glücklicher in der Wahl zweier
Flüssigkeiten; eilt mäfsiger Unterschied i» den speciftschen
Gewichten und Unlöslich keit der einen in der andern schei-
nen mir jedenfalls für die Uingbildung güustig.
Uebcr die Entstehung der Ringe in tropfbaren Flüssig-
keilen noch Weiteres zu sagen, scheint mir nach den bei
den Rauchringeu gegebenen Erläuterungen überflüssig; alle
Umstände sind der Hauptsache nach hier dieselben wie dort.
Aus demselben Grunde habe ich auch keine besonderen
Versuche mit verschieden geformten Oeffuungen angestellt
in der Ueberzeuguug, dafs nichts wesentlich Neues über
Ringbildung auf diesem Wege zu erfahren sey. Dagegen
ist wir ein anderweitiges Experiment gelungen, das mir von
gröTscrer Wichtigkeil zu sejn scheint und zu dessen An-
stellung- ich durch die im Verlauf meiner Versuche erlangte
Einsicht in die morphologische Bedeutung der Riugbildung
geleitet worden bin. Die Zwischcnplallc l> B' wurde da
durch eine andere ersetzt, bestehend aus zwei mit runden
centralen Oeffnuugen vou I Cent. Weite versehenen Me-
tallplatten, zwischen welche eine Kautschuk platte von glei-
cher Grofse geklemmt war. Der in den Oeffuungen dcrMe-
lallplalten freiliegende Theil der Membrane war durch eiuen
kt euzsi limli in vier Quadranten gelheilt. Der unlere Cylin-
der wurde nun mit Oel, das durch Alkanna roth gefärbt war,
gefüllt, der obere mit ungefärbtem Oel. Bei dieser An-
ordnung, wo also die Ausllufs Öffnung im Momente des
Knackens sich erst bildet, habe ich mehrfach hintereinander
die schönsten rothen Ringe im ungefärbten Oele gesehen.
Die im Moment des Üurchilusses aufgestülpten Kautschuk-
lappeu scheinen die Herbeibewcgung der benachbarten Flüs-
sigkeit zu dirigiren und für die Bildung des perforir enden
Couoids ganz besonders güustig zu seyn. Leider hält sich
die Membrane nichl sehr lange in brauchbarem Stand, in-
dem sie sich bald in der einen oder anderen Richtuug
umstülpt.
Ich glaube, wir dürfen aus diesem Experimente schlie-
fsen, dafs die Bingbilduug auch stattgefunden halte, wenn
316
dje vorher ganze Membrane durch den Knack erst geplatzt
wäre; auch können wir nach Früherem vennuthen, dafs die
Form des Risses ohne grofsen Einflufs auf die Ringbilduug
ist, sowie dafs aus demselben Risse unter Umständen gleich-
zeitig mehrere Ringe hervorquellen können. Natürlich bleibt
nicht ausgeschlossen, dafs vielfach die Ringe nicht zu voll-
ständiger Ausbildung gelangen, oder ganz formlose Massen
ausgcslofsen werdeu.
Hr. Prof. Magnus, dem ich die vorliegende Abhandlung
im Manuscriple mitgelheilt hatte, machte mich aufmerksam
auf eine mir leider nicht bekannt gewordene Abhandlung
von W. II Rogers über denselben Gegenstand (Amer.
Journal of sciencet and arts. Vol. 2(j, Spet. 1858). Ro-
gers hat in mancher Beziehung die Ringe schärfer studirt
als ich und insbesondere die aus platzenden Blasen aufstei-
genden Ringe einer sorgfältigen Analyse unterworfen. Beide
Arbeiten dürften sich gegenseitig ergänzen, iJer Theorie
der Ringbildung selbst anlangend, so mufs ich es den Phy-
sikern überlassen zu entscheiden, ob die von Rogers ent-
wickelte oder die meinige das Ganze der Erscheinungen
besser erkläre.
XL Verallgemeinerung des Begriffes Pendel;
oon Prof. Dr. H. Emsmann zu Stettin.
Ixewöbnlicb versteht man unter einem Pendel einen Kör-
per, der au einer horizontalen über seinem Schwerpunkte
befindlichen Axe befestigt ist und aus seiner Ruhelage ge-
bracht und dann sich selbst überlassen, um diese Axe in
schwingende Bewegung gerätb. Es scheint nun, als ob
man unter den Bestimmungstücken des Begriffs Pendel die
unveränderliche Stelle der Axe und die Aufhängung Ober
dem Schwerpunkte als etwas Wesentliches aufgefafst habe;
317
gleichwohl ist diefs nur eine Nebensache und nur das
Charakteristische eines speciellen Falles, nämlich des ge-
wöhnlich sogenannten Pendels, welches besser das gemeine
Pendel zu nennen seyn dürfte. Es bedarf wohl nur der
Angabe eines allgemeineren Falles, um das Begründete der
an der bisherigen Auffassung von mir gemachten Ausstellung
zu zugeben.
Die Bewegung eines Schaukelpferdes oder einer Wiege
ist jedenfalls eine pendelnde; trotzdem liegt hier der Stütz-
punkt nicht über, sondern unter dem Schwerpunkte und
aufserdem ist die Stelle dieses Stützpunktes eine veränder-
liche. Denken wir uns die Gängel eines Schaukelpferdes,
wie es gewöhnlich der Fall ist, kreisförmig und die Unter-
lage, auf welcher dasselbe seine pendelnde Bewegung voll-
zieht, als horizontale Ebene, so kommt es nur darauf an«
dafs der Schwerpunkt tiefer liege, als der Mittelpunkt des
Kreises, von welchem die Gängel Bogen sind. Würde
der Schwerpunkt in dem Mittelpunkte liegen, so hätten wir
den Fall einer Kugel, z. B. einer Billardkugel, die auf ho-
rizontaler Unterlage an jeder Stelle in Ruhe bleibt. Läge
der Schwerpunkt über dem Mittelpunkte, so würde der
Körper die stabile Lage zu gewinnen suchen, umschlagen
und die Stellung einnehmen, bei welcher der Schwerpunkt
tiefer als der Mittelpunkt des Kreises liegt
Da es gar nicht nothwendig ist, dafs die Gängel Kreis-
bogen sind, eben so wenig, dafs die Unterlage eine Ebene
ist, denn es bewegt z. B. auch ein gerader Balken auf einer
walzenförmigen Unterlage pendelnd, so ergiebt sich hieraus
eine Verallgemeinerung des Begriffes Pendel, namentlich in
Bezug auf die beiden oben bemerkten Punkte: unverän-
derliche Lage des Stützpunktes und Lage des Stützpunktes
unter dem Schwerpunkte. Das Charakteristische des Pen-
dels ist die Beweglichkeit und das Bestreben, die stabile
Buhelage zu gewinnen, mit der Möglichkeit in Folge des
Beharrungsvermögens diese Ruhelage bei eingetretener Be-
wegung zu überschreiten. Fafst man das Pendel aus diesem
allgemeinen Gesichtspunkte auf, so ergiebt sich eine Reihe
der verschiedenartigsten Untersuchungen, welche in dem Ar-
tikel •'Pendel" der physikalischen Wörterbücher einen Platz
linden iniifsle, wo man dieselben bisjetzt aber vergeblich
sucht; auch dürfte es nicht unzweckmäßig seyn, in den
physikalischen Compendien diese allgemeinere Auffassung
zur Geltung zu bringen.
Da es mir zunächst nur darauf ankommt, die gewöhn-
liche Auffassung des Begriffs Pendel als nicht allgemein ge-
nug hervorzuheben, so sehe ich für jetzt von der ganz all-
gemeinen Aufgabe, wo sowohl die Unterlage als die Gän-
gcl, um bei der beim Schaukelpferde gebräuchlichen Be-
nennung zu bleiben, nach einer Curve gekrümmt sind, ab)
und erlaube mir nur einen Fall kurz zu behandeln, durch
welchen sieh das gemeine Pendel als nur specicllen Fall
eines allgemeineren deutlich herausstellt und also die Not-
wendigkeit der Verallgemeinerung des Begriffs Pendel noch
entschiedener hervortritt.
Auf der Geraden EAF (siehe Fig. 14 Taf. H) rolle ein
Kreis mit dem Radius M A r. Der Berührungspuukt des
Kreises und der Geraden sey A, wenn der Mittelpunkt sich
in M befindet. In der Richtung MAC denken wir uns eine
scbwerlosc Linie, und auf derselben irgendwo einen schwe-
ren Punkt, %. B. C oder A oder K. Ist der Mittelpunkt
des rollenden Kreises nach m und der Berührungspunkt
nach a gekommen, so liegt die Linie MAC in der Lage
nnc und es befindet sich Chi c, A in a und K in k. Den
Winkel ama bezeichneu wir mit if>\ der Anfangspunkt ei-
nes rechtwinkligen Coordinatensystems liege auf MKAC,
und zwar respective in dem Punkte C, A oder A', dessen
Bewegung verfolgt werden soll, z.B. iu C; die +x wer-
den gerechnet von dein respecliven Punkte in der Rich-
tung von C nach M hin, die + y entgegengesetzt der Rich-
tung, nach welcher der Kreis rollt, also in der Richtung
von A nach F hin; der Abstand des respecliven schweren
Punkes von M, also MC oder MA oder MK sey = /.
Für deu schweren Punkt C ist, wenn er nach c gekom-
men ist,
319
opz=y = Isiucp — rq> und Cp = a?=:/ — /cosgr.
Ist l = r, so giebt diefs die gewöhnliche Cycloide; ißt
i^>rf so erhalt man die verkürzte oder verschlungene Cy-
cloide; ist Kr> so bewegt sich der schwere Punkt in einer
gedehnten oder geschweiften Cycloide.
Allgemein ist
dy = lcoa<pd<p — rd(p = (lcoscp — r)d<p und
dx = Is'incpdcf.
Da nun
cosqp = — — , so ist sin9 9 = ^ — , folglich
P
dy = (/ — a? — r) dqp und da; = \/2lx — x* dqp,
also d, = dx Yl^£ = d* |/(^)!±p.
Fallt nun c nach c' hin, so ist die in c' erlangte Ge-
schwindigkeit, wenn g der Fallraum in der Sekunde beim
freien Falle ist,
v = V2g(Cp-Cp.)
Fängt die Bewegung in c an, und nennen wir Cp = e9
so ist Cp'=zx, also
0 = )/2g(e — x).
Da nun , = g ist, so wird I =/£ = /p=^==,
das Zeichen — genommen werden mufs, weil a? abnimmt,
wenn t wächst. Setzt man für ds den Werth ein, so ist
— f -** yv£
wo
t
r)2+2rx
2lx—x%
1/2*«/ !/**_*' 2/—
-H2rx
1/2^)/«*-*'
r 2/
Diefs wäre somit Sie allgemeine Zeitgleichung für einen
unter den angenommenen Umständen schwingenden schwe-
ren Punkt, in welcher, um die halbe Schwinguugszeit eines
ganzen Bogens zu erbalten, das Integral von x=e bis a; = 0
320
zu nehmen ist, Uberdiefs aber alle Integrale für x = e zu
Null werden müssen.
Ohne liier auf die weitere allgemeine Entwicklung ein-
zugehen, beschranken wir uns auf den Nachweis, dafs in
diesem allgemeinen Falle das gemeine uia thematische Pendel
enthalten ist.
Es sej r = 0, so wird der rollende Kreis zur sich dre-
henden Axe, und
"°*ifäJVSZ?\l st)
Diefs ist die bekannte Zeitgleich uns des gemeiueu ma-
thematischen Pendels, aus welcher die halbe Schwingmigszeit
i-mi
i-h
i<sr+-i
sich ergiebt. Also ist das gemeine Pendel in der That nur
ein specieller Fall einer allgemeinen Aufgabe.
Nicht ohne Interesse ist noch ein zweiter specieller Fall,
nämlich / = r. oder die Schwingung in der gewöhnlichen
Cjrcloide. Das grofse Interesse, welches für die Cycloide
rege gewesen ist, knüpft sich bekanntlich daran, dafs
diese Curve tauloctiron und brach ystochron ist; es bezieht
sieb diefs indessen auf die umgekehrt gestellte Cycloide,
wahrend im vorliegende!) es sich um die Cycloide in ihrer
aufrechten Stellung bandelt.
Ist / = r, so erhalten wir aus der allgemeinen Zeit-
gleicbui
— i ' /* -**
i
V2r
ian hier die Integration unter de
n aus, so erhält man für die halb'
izeu Bogeus:
Fuhrt man hier die Integration unter den angegebenen
Bedingungen aus, so erhalt man für die halbe Schwingungs-
zeit des gauzeu Bogeus:
um] für e~2r, d. h. für den Fall der höchsten Pt
bis zum tiefet«,
/•= V±-r (1+^+1 + ;-*-
■ )-*«]
Schliefslich noch der Vorschlag: die Wiegen nicht in
Zapfen hängen, oder auf Gangein unten an den Füfaen des
Betlgcslelles schaukeln zu lassen, sondern die Gänge) nach
Art der Rüder an Eisenbahnwagen mit einem vorspringen-
den Rande oder noch besser mit einer Rinne, also mit
zwei vorspringenden Rändern zu verschen und am Bett-
gestelle beim Kopf- und beim Fufsende oben anzubringen.
Zu solcher Wiege würde dann noch ein Gestell gehören
mit geraden Leisten, auf welchem die Gängel wie auf Schie-
nen ruheten und ihre Bewegung vollzögen. Die Stabilität
einer so eingerichteten Wiege würde gegen die gewöhnliche
Gängclwiegc eine viel bedeutendere seyn, und scheint eine
solche somit jedenfalls den Vorzug zu verdienen.
Uhm
[II. lieber den Braunstein von Olpe;
von Dr. K. List,
. Physik D. Chemie »n ä. Pro.in^I Ot/WcAtAaH tu H.gen.
xVtif der Grube Löh bei Rothemöhl an der Bigge, zwei
Stunden südlich von Olpe, wird seit 1829 Brauneisenstein
gefördert, der dort einen mächtigen Gaug in der Grauwacke
bildet. Das Sireichen geht fast genau von Norden nach
Süden bei einem schwachen fast unmerklichen Fallen. Ueber
den Thaleiuschnitt hinaus, an dessen südlichem Abhang das
Mundloch der Grube Löh gelegen ist, setzt der Gang mit
demselben Streichen fort und wird hier durch die Grube
Poggrndo.ir. hantl Bd. CX. IV
322
Fahlberg bebaut, welche von einer englischen Gesellschaft
mit grofsartigen Forderungsanstalten versehen ist. Der süd-
liche Theil des Ganges wird durch einen Spatheisenstein
und Bleiglanz führenden Gang durchsetzt, welchen der
150 Lachter lange Stollen der Grube Löh noch nicht er-
reicht hat, der aber durch alten, schon 6eit langer Zeit
verlassenen Bergbau aufgeschlossen ist. Je mehr der Haupt-
gang sich diesem durchsetzenden Gange nähert, um so mehr
findet man dem Brauneisenstein Psilomelau eingemengt» so
dafs dieser gegenwärtig vor Ort an vielen Stellen in sol-
chem Maafse vorwaltet, dafs der Betrieb der Grube haupt-
sächlich auf die Gewinnung von Braunstein gerichtet ist.
Die Braunsteinstücke werden vom Brauneisenstein ausge-
lesen, gepocht und gewaschen, um sie von thonigen Thei
len zu befreien, und darauf in verschiedeneu Sorten nach
dem Grade der Reinheit dem Handel übergeben.
Obgleich die äufsern Eigenschaften sowohl als auch meh-
rere zur Ermittelung; des technischen Werthcs ausgeführte
Bestimmungen keinen Zweifel liefsen, dafs der fragliche
Braunstein Psilomelau scy, so habe ich doch eine genaue
Untersuchung desselben vorgenommen, weil ja die bishe-
rigen Analysen von l'silouiclancn verschiedener Fundorte
so abweichende Resultate gegeben haben, dafs es nicht ge-
stattet ist, aus ihnen auf die Zusammensetzung dieses Mi-
nerals von einem neuen Fundorte zu schlicfsen.
Das Mineral findet sich theils in stalactischen traubigen
Massen von blauschwarzer Farbe, deren Zwischenräume
von einem fleischfarbenen Thon ausgefüllt sind, theils dicht,
mit unvollkommen muschligem Bruch, metallisch schimmernd
und von eisengrauer Farbe. Die Härte der dichten Varie-
tät ist sehr bedeutend, indem sie Feldspath deutlich ritzt,
ja sogar in die Fläche xP des Bergkrystalls einschneidet
während sie die Pyramidenflächen desselben nicht angreift
Das specirische Gewicht fand ich =1,699; die Bestimmung
geschah mit aller Sorgfalt mit Hülfe der bekannten de«
besten Oertling sehen Waagen beigegebenen Einrichtung.
Die dichten Massen sind von dünnen krvsfallinischen strah
l
Hgen Lagen durchzogen, von denen es nicht möglich war,
hinreichend reines Material zu sammeln, um entscheiden zu
können, ob sie, wie es den Anschein hat, aus Pyrolusit
bestehen. Zur Analyse wurden von einer dichten Stufe
mit gröfster Vorsicht vollkommen homogene Stücke ausge-
sucht und besonders darauf geachtet, die krystalliuischcu
Thcile völlig fern zu halten. Das Pulver ( 1,794 Grm.) wurde
in Salzsäure gelöst, wobei ein geringer weifscr, aus Quarz
bestehender, Röckstand blieb; die wenig gefärbte Lösung
wurde mit dem Ungelösten zur Trockne verdampft, um
etwa aufgelöste Kieselsäure unlöslich zu machen, der Rück-
stand unter Zusatz von Salzsäure wieder gelöst, vom Uu-
gelösten (0,015 Grm. =2,51 Proc.) abfiltrirt und die Lö.
siinginit Schwefelwasserstoffgas gesättigt. Der braunschwarze
Niederschlag wurde rasch filmet und ausgewaschen, in Sal-
petersäure gelöst und die Lösung mit Kali erhitzt, wodurch
0,023 Grm. CuO = 1,28 Proc. erhalten wurden. Das Fil
trat vom Schwefelwasserstoff- Niederschlag wurde durch
Schwefel amnioni um gefällt, der sorgfältig ausgewaschene,
etwas grau gefärbte Niederschlag mit verdünnter Salzsäure
behandelt, wobei ein geringer schwarzer Rückstand blieb,
welcher durch Salpetersäure gelöst, nach dem Erhitzen mit
überschüssigem Kali einen geringen mifsfarbenen Nieder-
schlag lieferte, der nach dem Trocknen und Glühen 0,0055
Grm. -—0,31 Proc. CoO gab. Die Lösung des Schwcfel-
ainiiiouiiiin-Nicderschlagcs in Salzsäure wurde kochend mit
kohlensaurem Natron gefällt; der Niederschlag lieferte, nach-
dem er so lange bei' Luftzutritt geglüht war, bis das Ge-
wicht constant blieb, 1,528 Mu'O* =85,17 Proc. Von
der Abwesenheit des Eiseus hatte ich mich vorher über-
zeugt. Das Fillrat vom Schwefelanunonium Niederschlage
wurde mit Salzsäure angesäuert, mit einigen Tropfen Schwe-
felsäure versetzt und erhitzt, der ausgeschiedene Schwefel
abfiltrirt und das Filter verbrannt; etwa vorhandener Ba-
ryt hätte hierbei als BaO, SO1 zurückbleiben müssen, da
aber das Gewicht des Verbrennungs- Rückstandes das Ge
wicht der Filleiasche nicht übertraf, so war die Ab'
324
heil des Baryts dargclhan. Die vom Schwefel abfiltrirte
Flüssigkeit wurde mit Ammoniak neutralisirt und durch
oxalsaures Ammoniak eine geringe Menge oxalsaurcr Kalk
gefüllt, welcher nach dein Glühen und der üblichen Be-
handlung mit kohlensaurem Ammouiak 0,012 CaO, CO?
= 0,37 Proc. CaO lieferte. Zur Bestimmung der Alkalien
und der etwa vorhandenen Bittererde habe ich die indirecte
Methode angewandt, welche ich in den Annalcn der Che-
mie und Pharmacie Bd. 81, S. 117 beschrieben habe. Das
Filtrat vom Kalkerdcnicilerschlag wurde zur Trockne ver-
dampft, die trockne Salzmasse im Platintiegel zur Verta-
gung der Ammoniaksalze geglüht, der Rückstand durch
Schwefelsäure zersetzt und durch Glühen mit kohlensaurem
Ammoniak in neutrales Salz verwandeil. Dieses wog 0,015
Grm.; seine Lösung im Wasser wurde mit Chlorbaryuin
gefällt und 0,060 BaO, SO3 erhalten. Im Filtrat wurde,
nachdem der überflüssige Baryt durch Schwefelsäure aus-
gefällt war, nur eine unwägbare Spur von Biltererdc ent-
deckt. 0,060 BaO, SOd entsprechen 0,0206 SO', die ge-
fundenen 0,015 Grm. enthalten also neben diesen noch
0,0211 Grm. Base. Da nun die 0,0206 Grm. SO1 mit Kali
zu KO, SOJ vereiuigt 0,0417, also fast genau die gefun-
dene Menge (0,015) liefern müssen, so ist es unzweifelhaft,
dafs in der gefundenen Salzmenge nur Kali vorhanden ist.
Zur Bestimmung des Wassergehaltes wurden 1,379 Grm. bei
110" getrocknetes Pulver in einer Kugclrohrc geglüht, wäh.
rend ein Aspirator die entweichenden Dampfe in ein Chlor-
calciumrohr führte, dessen Gewicht hierbei um 0,0555 Grm.
zunahm, entsprechend 1,02 Proc, HO. Die Kugel rubre mit
dem Pulver halte während des Glühens 0,136 Grm. verlo-
ren; zieht mau hiervon die 0,0555 HO ab, so ergiebt sich,
dafs beim Glühen 0,0805 Gnu. O entwichen sind. Eine
Probe des in der Kugelrühre geglühten Pulvers zeigte beim
heftigsten Glühen im Platintiegel keine Gewichtsverän-
derung.
Hiernach ergiebt sich folgende Zusammensetzung des Mi-
nerals:
325
Mangan 61,37,
als Mn'O* bestimmt
Sauerstoff 23,80'
Sauerstoff 4,49 durch Glühen ausgetrieben
Kupferoxyd 1,28 ... . mit 0,26 Sauerstoff \
Kobaltoxyd 0,31 . . . . » 0,06 » / 0,66
Kalkerde 0,37 . ...» 0,11 » > Sauer-
Kali 1,36 ... . - 0,23 » l Stoff.
Wasser 4,02 .... * 3,55 * ' /
Unlösliches 2,51
99,51.
Das untersuchte Mineral würde also zu den Kali-Psi-
lomelanen gehören. Seine Zusammensetzung unterscheidet
sich aber von der anderer Psilomelane wesentlich durch den
geringen Gehalt an sogenannten freiem oder überschüssi-
gem Sauerstoff. Zur leichtern Uebersicht habe ich in Fol-
gendem die früheren Analysen von Psilomelanen verschie-
dener Fundorte, wie sie in Rammelsberg's Handwör-
terbuch gesammelt sind, mit der meinigen zusammengestellt.
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1 g» g| im im" II
- M ™» -•**«,■ isss 22
327
Diese Zusammenstellung zeigt deutlich, dafs zu den mei-
sten Analysen kein reines Mineral verwendet ist. Auch da*
durch, dafs man, von der Ansicht ausgehend, dafs der Psi-
lomelan eine Verbindung von MnO mit einer höheren
Oxydationsstufe des Mangans sey, für sämmtliche Basen
von der Formel RO die aequivalente Menge MuO berech-
net, erhält man für das Verhftltnifs zwischen der Anzahl
der Sauerstoffatome und den Atomen des reducirten Man-
gans, ziemlich abweichende Werthe. Es sind nämlich
in 1 auf 1 Atom Mangan 1,75 Atom Sauerstoff
A»
2
»
1
M
1,75
»
M
»
3
»
1
n
M
1,70
»
»
W
4
W
1
M
1,71
»
»»
M
5
J»
1
W
2,03
m
»
»»
6
J»
1
n
1,85
»
>»
»>
7
ll>
1
H
1,83
M
1»
lu
8
»
1
M
U
1,77
»
M
n
9
J»
1
»
n
1,84
»
J«
»>
10
J»
1
u
»»
1,82
J»
J»
M
11
M
1
M
a»
1,88
W
1»
M
12
M
1
U
»
1,82
M
u
M
13
J»
1
M
u
1,68
M
M
«
14
W
1
V
»
1,86
n
J»
w
15
1»
16
w
1
l
*»
1,59
»
M
enthalten.
Bekanntlich hat Rammelsb
erS. 1
gestützt
auf seine Ro-
baltschwärre -
CoO)
2 MnO
>* + 4HO —
und der Ku-
pfermanganschwärze — J!"q j 2 MnO« -4-2HO — für den
Psilomelan die Formel MnO, 2MnO'-t-2HO aufgestellt,
wonach er auf 3 At. Mangan 5 At. Sauerstoff (oder I At.
Mn : 1,66 At. O) enthalten würde. Dafs fast alle Analysen
mehr Sauerstoff nachweisen, als diesem Verhftltnifs entspricht,
erklärt sich ungezwungen aus der Annahme, dafs die unter-
suchten Proben Pyrolusit eingemengt enthalten haben. Die
328
Analyse des Braunsteins von Olpe allein giebt weniger
Sauerstoff an, als dem Verhällnifs 1 : 1,66 entspricht Dieses
kann, da die Analyse mit grofser Sorgfalt ausgeführt wurde,
nicht durch die Annahme einer fehlerhaften Reslimmung,
sondern nur dadurch erklärt werden, dafs nur solche Stücke
zur Untersuchung ausgewählt sind, welche vollkommen ho-
mogen waren. — Die Analjse giebl für Mangan, Sauerstoff
und Wasser das Atomverhaltnifa
1 : 1,6 : 0,22
oder
5 : 8 : 1,1,
welches auf die Formel
2MnO, 3MnO' + HO
führen würde.
Ich wage nicht, auf Grund dieses Ergebnisses meiner
Untersuchung den Braunstein von Olpe als eine neue, von
dem Psilomclan verschiedene Mineralspecies zu erklären, und
ebensowenig, zu behaupten, dafs für den l'silomelan von
andern Fundorten die Formel 2MnO, 3MuO* +HO rich-
tiger sey als MnO, 2MnO*-f-HO. Es ergiebt sich ans
dem Obigen von neuem, dafs es wiederholter Analysen rei-
ner Stücke bedarf, um über die Formel des Psilomelans im
Allgemeinen entscheiden zu können.
XIII. Veber ein aus braunsteinhaltigen Erzen
blasenes Roheisen; vom Dr. K. List.
Lser im vorhergehenden Aufsatz erwähnte Brauneisenstein
von der Grube Loh ist viele. Jahre hindurch vorzugsweise
" auf dem Hochofen von Rüblinghausen bei Olpe verhüttet
worden. Obgleich die mit der Zeit immer mehr zuneh-
mende Beimengung von Psilomelan nicht unbemerkt geblic-
ben ist, so hat man doch das wirkliche Wesen desselben
nicht geahut, sondern sich damit begnügt, das Erz durch
den Namen «Blaustem" als ein besonderes Eisenerz zu be-
zeichnen. Erst im Anfange vorigen Jahres, als die Menge
des ausgebrachten Eisens bedeutend hinter der berechneten
zurückblieb, wurde das Erz einer genaueren Untersuchung
unterworfen, welche ergab, dafs der sogenannte Blaustein
zum grüfseren Theile aus Braunstein bestand.
Die Möllerung bei der fraglichen Campagne zu Rübling-
bausen bestand nach einer mir durch Hrn. G. Lehrkind
in Haspe gütigst gemachten Mittheilung im Durchschnitt aus
i Spalheisenstein, aus dem Siegener Revier, beste Sorte
und ' Brauneisenstein, welcher zur Hälfte von der Grube
Loh war, und 50 bis 60 Proc. Braunstein enthielt. Hier-
durch bestand etwa ,'■ aus Psjlonielan. Da es mir unzwei-
felhaft schien, dafs die Analyse des bei einer an Mangan
so reichen Beschickung crblascncn Eisens das Maximum des
Man gan gchaltes ergeben würde, welcher von Roheisen auf-
genommen werden kann, so bemühte ich mich, mir eine
Probe davon zu diesem Zwecke zu verschaffen. Ich erhielt
eine solche in Rübünghauseu selbst durch den Platzmeister
der Hütte und halte mich über die Acchtheit derselben
vollkommen überzeugt. Leider waren die zugleich gefalle-
nen Schlacken schon völlig vom Hütlcnplalze abgeräumt.
so dafs ich darauf verzichten mufste, diese zugleich zu un-
tersuchen.
Das fragliche Eisen ist im Aeufsern von normalem wei-
fsem Eisen durchaus nicht verschieden. Es zeigt indessen
geringe Härte, indem es nicht in Glas einschneidet und
seihet vou Spiegcleisen stark geritzt wird. Es hat sich als
sehr strengilüssig gezeigt und aus diesem Grunde beim Her-
ausziehen aus dem Heerde grofse Schwierigkeiten verur-
sacht. Es rostet sehr schnell und wird von Salpetersäure
ungewöhnlich stark angegriffen. Bei der Behandlung mit
Königswasser scheidet sich kein Kohlenstoff ab, es entsteht
eine vollständige Losung.
Ich habe mich vorläufig auf die Bestimmung des Silicunns
330
und Mangans beschränkt. 1,761 Gnu. lieferten 0,055 voll
kommen weifse Kieselsäure und (1,092 Mn1 O1. Hiernach
enthält das Eisen
Silieium 1,46 Proc.
Mangan 3,80 -
Die Voraussetzung, dafs das fragliche Eisen sich durch
einen ungewöhnlich hohen Mangangohnlt auszeichnen würde,
bat sich mithin nicht bestätigt. Die gefundene Menge bleibt
sogar hinter der im Spiegeleisen von verschiedenen Chemi-
kern nachgewiesenen Menge (I bis 7 Proe.) noch zurück
und stimmt mit derjenigen überein, welche Broineis in
ordinärem weifsein, aus Spalhciscustciu zu Mägdespnmg im
Harz erblasenem Eisen gefunden hat (3,72 Proc). Es er-
giebt sich also hieraus, dafs durch einen vermehrten Zusatz
von Mangan haltenden Erzen zur Beschickung der Mangan-
gehalt des Roheisens nicht über das bisher gefundene Maxi-
mum gesteigert werden kann. Dafs dennoch der bedeutende
Mangangehalt einen indirecten EinÜuls auf das Eisen aus-
geübt hat, ergicbl sich aus seinen oben erwähnten Eigen-
thümlkhkeiteu. Diese machen es unzweifclhalt, dafs es eine
sehr geringe Menge Kohlenstoff enthält. Es folgt dieses
nicht nur aus dem Verhalten gegen Säuren; die geringe
Härte, die Slreugflüssigkeil, ja auch einige Notizen, die ich
über das Verhallen im Puddelofen erhalten habe, zeigen,
dafs es in einem unvollständig gekohlten, halbgefrischten
Zustande den Hochofen verlassen hat. Bei einem Versuch
das Eisen für sich allein zu Stabeisen zu puddeln »ist es
nicht recht hoch gekommen", d. h. es ist keine starke Ent-
wickelung von Kohlenoxydgas eingetreten, hat aber schliefs-
luli doch gutes Stabeisen geliefert ; als Zusatz zu schwer-
frischenden, also kohlensloffreichen Eiscusorteu hat es ■
günstigen Ein Hüls ausgeübt. Durch alle diese Verhält-
nisse scheint mir ein geringer Kohlenstoffgehalt mit ebenso
grofser Entschiedenheit bewiesen zu sejn, als wenn es durch
eine analytische Bestimmung geschehen wäre, zu welcher
mir leider die Hülfsmittel gefehlt haben.
Auf welche Weise der Braunstein die höhere Kohlung
des Eisens verhindert, ist leicht zu erklären. Weun im
Hochofen die mit Braunstein gemischten Eisenerze in die
Reductionszone gelangen, so wird durch Eiuwjrkung des
Kohlenoxydgases das Eisenoxyd zu metallischem Eisen re-
ducirl, wahrend die höheren Oxydationsslufcn des Mangaus
nicht weiter als zu Manganoxydul reducirt werden können,
da dieses weder durch Wasserst offgas noch durch Kohlcn-
oxyd, sondern nur durch Kohle in der Weifsglühhilzc in
Metall verwandelt werdeu kann. Während das erhaltene
Gemenge von metallischem Eisen und Manganoxydul die
Kohlungszoue passirt, nimmt ersteres allmählich mehr und
mehr Kohlenstoff auf, das Mangauoxydul aber bleibt un-
verändert. Erst in der Sclimelzzone findet eine chemische
Einwirkung auf das Mauganoxydul statt; ein Theil wird
bei der hier eintretenden Schlackenbildung verwendet, ein
anderer bei der vorhandenen hohen Temperatur durch Koh-
lenetoff reducirt. Durch diese Reduclion aber wird dem
Eisen unmöglich gemacht, sich mit Kohlenstoff zu sättigen,
indem theils der zur Sättigung erforderliche Kohlenstoff durch
den Sauerstoff des iVlanganoxyduls in Anspruch genommen
wird, theils aber auch vielleicht das Manganoxydul auf
Kosten des mit dem Eisen verbundeneu Kohlenstoffs redu-
cirt wird. Die durch den Mangangehalt leicht flüssig ge-
wordene Schlacke bewirkt ein schnelles Herahfiiefsen aus
r Schmclzzone und das Eisen kommt unvollkommen ge-
kohlt in den Heerd.
Hagen, im August 1859.
XIV. Heber den Einfluß des Nordlichts auf den
elektrischen Zustand der Atmosphäre;
von F. Dellmann.
His ist eine sehr beachtenswerte, in den letzten Jahren
mehrfach beobachtete Erscheinung, dafs das Nordlicht elek-
trische Strome in den Tclegraphcndrähten hervorruft. Diese
Thatsachcn liefsen mich vermuthen, dafs es auch deo sta-
tisch-elektrischen Zustand der Atmosphäre verändere. Erst
gestern Abcud hatte ich Gelegenheit, darüber Beobachtun-
gen zu machen.
Gegen halb 9 Uhr wurde ich darauf aufmerksam ge-
macht, dafs ein Nordlicht zu sehen sey. Ich ging hinaus,
um es auf einem freien Platze zu beobachten. Die Er-
scheinung war unzweifelhaft ein Nordlicht, aber es war
schwach. Zuerst zeigte es sich in NW., ohne Strahlen,
aber mit einer kleinen Wolke am Horizonte; sonst war der
ganze Himmel wolkenfrei. Anfangs war die Erscheinung
im Zunehmen, das Licht wurde heller, die Wolke am Ho-
rizonte vergrüfsertc sich, das Ganze zog sich immer mehr
nach N. Jetzt, etwa 8h 45', ging ich hinauf zum Messen
der Luft-Elektricität. Die auf einander folgenden Quanti-
täten betrugen: 217,3; 182,2; 141,4; 126,4; 127,6. "Wäh-
rend dieser Messungen war es 9b geworden, die Erschei-
nung hatte abgenommen und sich immer weiter nach N
bewegt. Nach einer etwas längeren Pause wurde wieder
gemessen. Die Lichterscheinung war schwach, aber die
Wolken in NW. und N. halten sich bedeutend gemehrt.
Die Quantitäten zweier durch eine kleine Pause getrennter
Messungen betrugen: 88,5; 82,3. Jetzt wurde eine gröTsere
Pause gemacht.
Etwa 15' vor i c ' waren die Wolken geringer, aber das
Licht in N. stärker. Die erste Messung ergab jetzt das
Quantum: 85,5; eine zweite nach 5 Min.: 83,3.
Die nun folgenden Beobachtungen von 10h bis 12U stelle
333
ich der bessern Uebersicht wegen in folgender Tabelle zu-
sammen. Wo zwei oder mehr Quantitäten stehen, wurden
ebensoviel Messungen unmittelbar hintereinander gemacht.
Die Zeit für eine Messung ist 1 bis 2 Minuten. Die Einheit
bei den Zahlen ist, wie früher, die Spannung eines Ele-
mentes einer Zink -Kupfer -Säule.
Zeit. Quantitäten. Bemerkungen.
10* 101,6 Die ganze Erscheinung schwach.
10* 5' 100,5
10* 15' 91,7 Wolken fast verschwunden und Licht
ebenfalls. Am Rande einer Wolke
in N. ein plötzliches, helles Leuch-
ten, als rühre es von einer Stern-
schnuppe her.
10b21' 95,1 Licht fast unscheinbar.
10b30' 90,3 Die ganze Erscheinung fast ver-
schwunden.
10* 39' 128,9 Ebenso.
128,9
10*45' 121,3 Licht etwas stärker.
121,3
10*52* 125,1 Licht und Gewölk im Zunehmen. .
125,1
ilh 128,9 Zunahme des Lichts und Gewölks.
128,9 Licht fast strahlig, was vorher nicht.
11* 8' 126,3 Zunahme des Gewölks, welches jetzt
121.3 zum ersten Mal das Licht überragt
122,2 und Lücken bekommt, vorher aber
ein dichter Streifen von NO. nach
SW. gerichtet.
11* 15' 1 11,7 Gewölk bedeutend zerrissen, Licht des-
109.4 halb mehr sichtbar.
11*22' 95,9 Das obere Gewölk theilt sich immer
95,9 mehr, aber am Horizont bildet sich
wieder ein neues, dichtes Band.
Licht kaum noch wahrnehmbar.
Zeh, QnaaUMJ
11*30" 1U,0
123,8
123,8
109,4
108,2
68,3
69,2
334
BcmeHtnngen
Gewölk am Horizont immer höher,
fängt an sich zn theilen ; Licht etwas
stärker.
Der ganze nordwestliche Himmel be-
wölkt und vom Nordlicht Nichts
mehr zu sehen.
12*
Wie oben, nur dafs in NW. am Ho-
rizont ein hellerer Streifen sich zeigt
Der Himmel fast ganz mit Streifen
überzogen.
Bei allen Messungen war die Luft -+■ elektrisch.
Das mittlere Quantum der Beobachtungen der Luft
Elektricität vom Sept. Abends in1' ist 97,9; das von gestern
Abend ist um dieselbe Zeit 101,6, und sinkt, wie wir se-
hen, bald unter jenes Mittel. Das Nordlicht war gegen
10k auch sehr schwach. Ein Quantum, wie das erste ge-
stern Abend beobachtete, findet sich in meinen Tabellen
nicht vom März bis incl. September: das zweite ungefähr ein-
mal inj Mai und eiumal im Juni; beide rühren also wobl von
der beobachteten Erscheinung her. Nehmen wir dazu das
ziemlich regelmässige Fallen und Steigen der Quantitäten
mit der Ab- und Zunahme der Erscheinungen des Nord-
lichts, so möchte sich daraus die Behauptung rechtfertigen:
Das Nordlicht erhöht den •+■ elektrischen Zustand der
Atmosphäre.
Kreuznach, d. 2. October 1859.
335
XV. lieber ein Elektrometeor;
von J. Schneider in Dusseldorf
Am 18. Augost y. J., des Abends am 9 Uhr 50 Minuten,
beobachtete ich von einem Garten der Stadt Emmerich
aus, etwa 30 bis 35° über dem südlichen Horizonte, eine
Lichtsäule am Himmel, die mich für den ersten Augenblick
bald an das Zodiacallicht, bald an die Streifen des Nord-
lichts erinnerte, wovon ich mich jedoch bald überzeugte,
dafs sie zu keinem dieser Lichtphänomene zu rechnen sey.
Die Breite dieses Lichtgürtels betrug durchschnittlich vier
Vollmondsbreiten, und in seiner Längsrichtung zog sich der-
selbe von Osten nach Westen auf mindestens 20° her,
wobei eine etwaige Fortsetzung nach dem östlichen Hori-
zonte hinab ungewifs bleibt, da hier eine Häuserreihe die
Beobachtung verhinderte. Die Seiten des Lichtstreifens wa-
ren ziemlich scharf und fast parallel begränzt, das westliche
Ende aber zeigte einen ganz unregelmäfsig wolkenartig zer-
zausten Saum; es hatte hier das Ansehen eines leuchtenden
Wölkchens, von welchem ausgehend der Lichtstreif, indem
er sich nach Osten erstreckte, allmählich sowohl an Breite
als an Lichtstärke etwas abnahm. Das ganze Meteor leuch-
tete mit gelblichem etwas ins Röthliche spielendem Lichte,
das sich von dem dunkeln, wolkenleeren Nachthimmel stark
abhob; auch rückte dasselbe fast unmerklich in nordwest-
licher Richtung vor, wobei in seinem wolkenartig gestalteten
westlichen Ende eine stärkere Bewegung, wie eine Art Gäh-
ren, vor sich ging, die eine starke Formänderung desselben
zur Folge hatte. Zu gleicher Zeit wurde vom westlichen
Horizonte her ein starkes Wetterleuchten wahrgenommen,
das von einem in weiterer Entfernung uuter dem Horizonte
befindlichen Gewitter herrührte, und ich glaubte zu bemer-
ken, dafs die Helligkeit des Lichtstreifens bei dem jedes-
maligen Aufleuchten des Blitzes am stärksten gewesen und
in Pausen wiederum abgenommen hatte; wenigstens kowxvVs.
336
ich tuit voller Sicherheit ein wechselndes Ab- und Zuneh-
men der Lichlintensität deutlich beobachten, und mit dein
Aufhören des Wetterleuchtens erlosch auch gleichzeitig das
Meteor, ohne einen sichtbaren Rückstand zu hinterlassen.
Die ganze Dauer der Beobachtung betrug 6 bis 7 Minuten,
wobei die wirkliche Dauer des Phänomens nngewifs bleibt,
indem derselbe bereits vorhanden war, als ich auf jenen
Thcil des Himmels aufmerksam wurde. Als sehr bemer-
kenswerth ist noch hervorzuheben, dafs der ganze östliche
Himmel, der nur hier und da einen kleinen dunkeln Wol-
kenstreifen zeigte, sonst aber völlig klar war, bis zum Ze-
niili herauf mit einem hcllwcifscu Lichte leuchtete, das der
Milchstrafse in ihrem hellsleu Theile völlig gleich kam. Die-
ser weilse Lichtschimmer nahm mit dem Aufhören des Wet-
terleuchtens gleichfalls aber nur allmählich ab, dauerte je-
doch mit stetig verminderter Intensität noch einige Zeit an,
als bereits die (ihrigen Phänomene völlig verschwunden
waren ').
1) Ich enthalte mich vorläufig jedea Erklärungaverauchea, und bemerke
nur, data die Erscheinung mit den von mir in diesen Annale)! Bd. 96,
von Gsllenkamp ebend. und in meiner Abhandlung über elektrische
Figuren, Emmerich 1856, aowie mit den vonArago in der Abhandkaof
Über Danner und Blitz, und von Muncke in Gehler', phjab*-
lischem Wörterbuche j. g. Nordlicht beschriebenen, sowie den in Km-
ner's Meteorologie II, S. 411, 624, 683 angezogenen Phänomenen in ein
nnd dieielbe Clane gehört, Mao hat diesen der Luftclcktridtät angchO-
rigeo Lichtmeteoren nicht die ihnen mkommende Aufmerksamkeit ge-
widmet, vielmehr dieselben gar häufig mit dem eigentlichen Nord-
lichte »erwechtelt, obgleich nicht tu betweifelu ist, data wir eine ei-
gene Clane von EUktrometeoren vor um haben, deren genaueres Studium
mit einer künftigen Theorie dea Gewitter« in naher Beziehung atabl.
Gedruckt, bei A. W. Schade in Berlin, Grüns traft« 18.
1860. ANNALEN JTb. 7.
BER PHYSIK UTSD CHEMIE.
BAND CX.
I. XJeber Membrandiffusion;
fon Dr. Wilh. Schumacher,
Agneullurchemiker In Bona.
Unter den Erscheinungen des thierischcn und pflanzlichen
Lebens ist gewifs eine der hervorragendsten die Durchdrin-
gung der permeablen Membranen von flussigen Stoffen. Es
ist diese Durchdringung meist eine Mischung flüssiger Stoffe
von verschiedener chemischer Natur, die durch die Mem-
bran von einander getrennt siud, — Erscheinungen, die Du-
trochet Endosmosc und Exosmose nannte, die ich jedoch
lieber aus spater mitzulheilenden Gründen Membrandiffu-
sion nennen möchte. Der Physiologe weifs jetzt, dafs diese
Erscheinungen die verbreitetsten im Thierkörper und iu
der Pflanze sind und vorzüglich da ihren Sitz habei
der Anatom Zellen nachweist.
Wir besitzen schon manche Untersuchung über diesen
Gegenstand, doch sind wir bis jetzt noch nicht im Stande
gewesen.
all*
i Ausdrücke für die Gesetze dieser Er-
scheinungen mit Sicherheit aufstellen zu können. Besonders
die Versuche von Jolly, Vierordt, Ludwig haben einen
gewissen Werlh für uns; durch dieselben lernten wir theils
eine eigen th um liehe Gestaltung der Membrandiffusionsbe-
wegungen kennen, anderenteils gestatteten sie uns einen
Blick in das physicalische Wesen der Membrandiffusion.
Den Experimentatoren konnte es nicht entgehen, dafs
die Verhältnisse der endosmotischen Mischung sich sehr
verschieden gestalten, je nr-ch der Natur und (anatomischen)
Structur der Scheidewand, der chemischen Natur der sich
mischenden Stoffe, der Grüfse der Berührungsflache beider
PoggrndiKfP. AqihI. Bd. CX.
338
Flüssigkeiten (der Scheidewand also), der ConcciKratioit,
der Temperatur u. s. w. Das Gesetzliche in diesen Erschei-
nungen kann nur durch vergleichende Versuche erforscht wer-
den. Schon Dutrochet erkanuie diefs, doch verdienen
die Resultate seiner vergleichenden Untersuchung sehr wenig
Zutrauen. Juli v schenkte denselben mehr Aufmerksam-
keit, und Jolly's Irrthümer riefen die Versuche von Lud-
wig hervor. Sie berühren hauptsächlich die Mengenver-
hältnisse, in welchen die sich mischenden Flüssigkeilen
aneinander vorbeigehen. Dasselbe gilt auch von den Ver-
suchen Vicrordt's.
Die hohe Bedeutung der Membrandiffusioii erkennend,
glaubte auch ich, meine chemische Thätigkcit der Sache
zuwenden zu müssen, und besonders wurde ich durch die
grofse Vernachlässigung, die sie bis jetzt erfahren mufste,
dazu bestimmt. Anfangs schlofs ich mich den bekannt ge-
wordenen Untersuchungen and den dabei in Anwendung
gekommenen Metboden an, mufste mich indefs bald über-
zeugen, dafs auf diesen Wegen nicht zu Resultaten zu ge-
angen sey, welche in der Physiologie Anwendung finden
könnten. Vor Allem war es nölhig- sich eine klare An-
schauung von den physicaliscben Vorgängen bei der Mem-
brandiffusion zu verschaffen; wenn wir hierbei vielleicht
such nur auf einen hypothetischen Boden gelangen, wird
es doch möglich seyn ganz bestimmte Fragen zu stellen.
Physlcallache Theorie.
Wenn wir die Vorgänge bei der Endosmose etwas naher
ins Auge fassen, so werden wir uns leicht überzeugen, dafs
sie weiter nichts sind, als Mischungserscheiuuugen. Ver-
schliefse ich das eine Ende einer Röhre mit einer permea-
blen Membran z. ß. einem Stück Harnblase, fülle die Röhre
mit einer Salzlösung und bringe sie in ein Gefäfs mit Was-
ser, so geht das Salz der Röhre ins Wasser und das Was-
ser des Gefäfses in die Röhre, und zwar werden diese Be-
wegungen so lange fortdauern bis im Gefäfs und in der
Röhre Salzlösungen von gleichem procen tischen Gehalte
sind. Ganz dasselbe wird auch stallfinden, wenn ich auf
-
I
:
'■im' Schicht Salzlösung eine Schicht Wasser bringe; auch
hier geht das Salz der untern Schicht in die obere, und
umgekehrt das Wasser der oberen in die untere Schicht,
und die Bewegungen hüren auf, wenn die beiden Schichten
gleichprocenlige Salzlösungen sind. Das Endresultat der
Diffusion und der Endosmose is! dasselbe. Es ist klar,
dal's die Endosmose eine Diffusion ist, deren Bewegungen
jedoch modificirl Mini durch die die beiden sich wischenden
Flüssigkeiten trennende Membran; es ist weiter aber auch
einleuchtend, dafs die Ursache, welche die Bewegungen bei
der Diffusion hervorruft, auch bei der Mcnibrandiffusiou
thätig ist, und wie die Bewegungen bei der erstcren
gestalten, wollen wir zunächst untersuchen.
Diffusion.
Gleichwie die Gase, so haben auch die meisten flüssigen
Stoffe das Bestreben sich gleichmäfsig zu mischen; wir nen-
nen diesen Vorgang -Diffusion". Um sich mischen zu
können, müssen die Stoffe einen gewissen Grad von che-
mischer Anziehung besitzen. Ocl mischt sich z. B. nicht
mit Wasser. Die Affinität veraulafst nicht blofs Verbin-
dungen in bestimmten Zahlenverhültuisscn, sondern auch in
sonst beliebigen Zahlenverhältuissen, in welchen letzteren
aber keine neue chemische Körper erzeugt werden, wie
diefs bei den ersteren der Fall ist. Zu den letztgenannten
Verbindungen gehören die Salzlösungen , Säurelös un^en
lt. s. w, Speciellcres hierüber findet man in Liebig's
»Untersuch, über einige Ursachen der Säftebewegung« und
in Fick's Aufsatz "Ueber Diffusion» '). In einer Salzlö-
sung sind die Salzinolecülc gleichmäßig vcrlheilt: es inufs
das Salzmolecül nach allen Seilen glcichuiüfsig von Wasser-
inoledilcn umgeben seyn, die dasselbe auch nach allen Sei-
ten hin gleichmäfsig anziehen: denn es würde ohne diese
gleich mäfsige Anziehung wegen seines gröfseren speeifischen
Gewichtes sich im Wasser senken müssen. In einer Lö-
sung, tue mehr Salz als Wasser enthält, wird ein Wasser-
molecül gleichmäfsig von Salzmolecül eo umgeben und
1) Di*« \an*\. Bd. 94, 5.59.
H
n
-
u
gezogen scvn, wodurch dann das spccifiscli leichtere Was-
sermolccül am Aufsteigen verhindert wird. In einer Lösung
von 10 Volumproc. ist I Salzuiolecül von 9 Wassermol ecülen
umgeben; in einer Lösung von 5(1 Volumproc. hält 1 Salz-
mol. 1 Wassennol. angezogen, uud in einer Losung von
90 Volumproc. 9 Salzmol. I "Wassennolecül.
Komineu Salzlösung und Wasser, wenu sie schichten-
weise übercinandergebracht sind, mit einander iu Wech-
g ■ » • o selwirkung, so tritt ein ungleicher Zu-
' stand der Anziehung ein, wie diefs iu der
k ,.,,,.. .. nebenstehenden Figur anschaulich wird.
° ° ° ° " In derselben stehen 25 Mol. Salzlosung
" n o o „ 0 mit 25 Mol. Wasser in Berührung. l>ie
........... Salzlösung enthält iu 25 Mol. 1 Mol. Salz
J5 Ö o * l l l,I,d 24 Mol, Wasser. Das Salzuiolecül
« = Sa1t-, n = Wm- wird nach der Seite des Wassers stärker
lermulecüle. angezogen und setzt sich nach diesem
hin in Bewegung, wodurch aber alle Molecüle in Bewegung
gerathen müssen; denn wenn das Gleichgewicht wieder her-
gestellt ist, wird das Salzuiolecül von 19 Wnssermolecülcu
umgeben seyn; kurz es tritt eine vollständige Umlagerung
der Molecüle ein. Wir wollen uns eine Schicht 4-pro-
centiger Salzlösung mit einer Schicht Wasser in Berührung
denken: Die der Wasserschicht zunächst liegenden Salzmo-
lecülc werden sich zu dem Wasser hinbewegeu, in die Was-
serschicht übertreten; hierdurch treten die den ersten Salz-
mole cülen zunächslliegendcn Salzinolecüle in einen unglei-
chen Zustand der Anziehung und auch diese werden eine
Bewegung nach der Wasserschicht hin beginnen u. s. w,;
es tritt auf diese Weise eine continuirliche Bewegung ein,
nämlich der Salzinolecüle zur Wasserschicht und der Was-
sermolecüle zur Salzlösungsschicht. Je grüTscr die chemi-
sche Anziehung zwischen dem gelösten Stoffe und dem
Wasser ist, um so schneller bewegen sich die Molecüle,
wenn z. B. die Säure a eine gröfsere Verwandtschaft zum
Wasser hat als das Salz b, so bewegen sich die Molecüle
von a schneller zum Wasser, und umgekehrt die Wasser-
341
1
lern Salze b.
molecüle schneller zur Säurelüsung, als bei dem '
Um die Verhältnisse bei der Diffusion genauer zu sludiren,
benutzte ich den Apparat Fig. 11 Taf. I. .1 ist eine Rubre,
welche aus einem unteren weiten und oberen eugeren Theile
besteht, welche oben so abgeschliffen ist, dafs inau sie mit
einem Finger luftdicht schliefscu kann, und unten in eine
sehr feiue Spitze (pipelteuartig) ausgezogen ist. In ihr be-
findet sich die specilisch leichtere Flüssigkeit z. B. das Was-
ser; in dem Cylinder B die schwerere, z. B, Salzlösung.
Uin z. B. die Bewegung der Saureinolecüle aus der Säure-
lösung ins Wasser zu beobachten, fülle ich zum Theil den
Cylinder mit Oxalsäurclösung; in die Bohre A bringe ich
durch Aufsaugen ein mit Lakmustiuctur blaugefärbtes Was-
ser und zwar bis zur Marke <t, hierauf verschliefse ich die
obere Oeffnung und senke die Bohre langsam in die Säure-
losung des Cylinders. Ist die Spitze auf dein Boden des
Cylinders angekommen, nehme ich den Finger weg, und
nach hydrostatischen Gesetzen bewegt sich die Säurelüsung
in die Röhre und hebt das Wasser bis Gleichgewicht ein-
getreten ist, wenn das Niveau aufserhalb der Röhre höher
steht wie innerhalb derselben. Das Eindringen geschieht
so langsam, dafs die beiden Flüssigkeiten in ungestörten
Flächen sich berühren und von diesen aus sich mischen.
Zuerst sieht mau einen äufserst dünnen rothen Streifen, der
allmählich an Dicke zunimmt. Wenn Anfangs das Wasser
bis zur Marke a stand, so ist es bald bis a gehoben, und
die Säure ist bis c eingedrungen; die Säurelüsung steht
dann bis ß im Cylinder. Wie man leicht einsieht, mufs
bei derartigen Versuchen soviel Flüssigkeit in dem Cylinder
seyn, dafs das Wasser in der Nähe bis c gehoben wird.
Um vergleichende Versuche anzustellen, mufs die Röhre
immer bis zur Marke a angefüllt seyn, und der Cylinder
stets gleiche Mengen der Lösung enthalten. In allen Ver-
suchen stehen gleiche Flachen in Berührung. Um die in
das Wasser aufgesliegcne Menge Sali oder Säure quanti-
tativ zu bestimmen, nahm ich die Röhre, mit dem Finger
oben verschlossen, nach Verlaut einer gewissen Zeit heraus,
342
spritzte die an der Röhre äufserlich anhängende Versuchs-
flüssigkeil ab, liefs darauf die Flüssigkeit in der Röhre
durch geringes Lüften des Fingers bis auf a abtropfen und
brachte darauf den weiteren Inhalt der Röhre in ein Gc-
fäfs zur Analyse. Den Versuch mufs mau überhaupt aufhe-
ben, elic die Mischung die Röhre selbst verläfst; sie darf
nie weiter als bis d vordringen, was dann auch nach unten
d entspricht. Um diefs coutroüren zu können, verwendete
ich immer ein schwach blaugefärbtes Wasser bei Säuren.
Die in gleicher Zeit, bei gleicher Temperatur, aus gleich-
procentigen Lösungen in die Wasserschicht üb ei getretenen
Mengen (oder Volumen) Salz oder Saure sind ein Ausdruck
für die Gröfse der Anziehung dieser Stoffe zum Wasser.
So fand ich, dafs in vier Stunden und unter den genannten
Bedingungen ein gröfseres Volum Schwefelsäure zum Was-
ser giug als Weinsteinsäure, und ein gröfseres Volum von
dieser als von schwefelsaurem, kohlensaurem Kali, schwe-
felsaurem Ammoniak o. s. w. Dafs die Anziehung der
Säuren zum Wasser gröfser ist als die der Salze zum Was-
ser, ist übrigens ja auch schon aus der Chemie bekannt.
Weiter fand ich, dafs die zum Wasser übergetretene Menge
proportional der Concentration der Lösung war, wofür die
Erklärung auf der Hand liegt. TJeberbaupt dürfte der be-
schriebene Apparat zum Studium der Diffusion sehr geeig-
net seyn, wenigstens geeigneter wie die von Fick und
Simmlcr und Wild in diesen Annaleu Bd. 94, S. 59 und
Bd. 100, S. 217 empfohlenen.
Fick (a. a. O.) glaubt, dafs die Verbreitung eines ge-
lösten Körpers im Lösungsmittel nach demselben Gesetze
vor sich gehe, welches Fourier für die Verbreitung der
Wärme in einem Leiter aufgestellt bat. Ich möchte diefs
doch so unbedingt nicht annehmen.
Membrandiffusioö.
Auch dann noch mischen sich Flüssigkeiten mit einan-
der, wenn sie durch eine permeable Scheidewand von ein-
343
' en dosin o tische Mischung, Membrau-
ich mischenden Flüssigkeiten stehen
ander getrennt sind -
dilfusion. Die beidei
durch die Poren der Scheidewand niit einander in Berüh-
rung und sind so dein chemischen Einflüsse unterworfen,
welchen sie auf einander ausüben. Bedenkt man, dafs die
Anziehung zwischen der Salzlösung auf der einen Seite der
Scheidewand zu dem Wasser auf der andern Seite die-
selbe ist, wie die Anziehung zwischen Wasser und Salzlö-
sung, so dürfte mau vcriuulhen, dafs die e u dosin o tische Mi-
schung eine gleichend feige sey, d. h. dafs nicht mehr Was-
ser zur Salzlösung ginge als Salzlösung zum Wasser, dafs
also die ßaumverhältnisse unverändert blieben. Dem ist
jedoch in Wirklichkeit nicht so, wie bekannte Thalsachcn
gelehrt haben; gewöhnlich gehl mehr Wasser zur Salzlö-
sung als Salz zum Wasser, die Salzlösung nimmt an Vo-
lum zu. Was ist nun die Ursache dieser Störung? Sind
fast alle Forscher über den einen Factor einig, daTs er
nämlich eine chemische Anziehung sey, so sind sie aber
gerade über den andern, welcher eben jene Störung her-
vorruft, gcthcillcr Meinung. Es kann meine Aufgabe nicht
seyn, diese Ansichten naher zu besprechen, sondern ich inufs
inirli auf jene beschranken, welcher ich bei meinen Arbeite»
gefolgt bin, und die ich weiter auszuführen versucht habe.
Nach Liebig soll die Ursache der Störung eine grö-
fserc Anziehung der l'orenwandung zum Wasser als zu den
Salzen, Sauren u. 6. w. seyn. Er weist a. a. O. darauf
hin, dafs die Flächenanzichung je nach der Natur des an-
gezogen-werdendeu Stoffes eine verschiedene Wirkung her-
vorbringe, einmal stärker, ein andermal schwächer sey. Die
Capillaratlraction giebt uus ciu Mittel au die Hand, den
Grad der Anziehung fesler Körper gegen Flüssigkeiten zu
messen. Die Versuche mit Haarröhrchen haben gezeigt,
dafs Alkohol, Terpentinöl, Säuren, Salzlösungen u. b. w,
nicht so hoch gehobeu werden, wie Wasser, offenbar weil
die Anziehung des Glases zum Wasser grülser ist als zu
den anderen Stoffen. Die Zeit, in welcher Alkohol und
Wrasser ihren Höhepunkt erreichen, ist gleich, obgleich die
344
Höhe der Wassersäule doch eine bei weitem gröfscre ist,
wie die des Alkohols; eine concentrhie Schwefelsäure- ge-
braucht fast die doppelte Zeit des Wassers zu ihrer nur
geringen Erhebung. Wir sehen, dafs sich der eine Stoff
langsamer bewegt als der andere, Wasser schneller als
Alkohol. Poiseuille trieb vermittelst Druck Flüssigkei-
ten durch Haarröhrchen und fand, dafs die Schnelligkeit
der Bewegung abhängig ist von der chemischen Natur der
Flüssigkeit. Wenn er auf den Inhalt eines GefäTses, wel-
ches mit einem Capillarrobrcheu in Verbindung stand, einen
Druck wirken liefs, so dafs die Flüssigkeit durch das Ca-
pillarrobrcheu ausflofs, uud er die ausfliefseude Menge be-
stimmte bei gleichem Druck, gleicher Zeit und gleicher
Länge und gleicher Weile des Capillarröhrchcus, so war
die Aus tlufsm enge verschieden für reines Wasser, für ver-
schiedene Salzlösungen u. s. w. — eine Thatsaehe, weiche
■ich nur durch eine verschieden starke Anziehung der Röh-
renwand zu den Flüssigkeiten und die dadurch hervorge-
rufene langsamere oder schnellere Bewegung erklären Ufot
(S. diese Ann. Bd. 99, S. 337 Schmidt: -Versuche Über
Filtrationsgeschwindigkeit u. s. w.-)
Es ist eine gangbare Vorstellung, die permeablen Mem-
branen als ein System von Capillarröbrcben zu betrachten.
A eh nliche Erscheinungen wie Poiseuille bei Haaröhrchen,
fandeu Liebig, Ludwig und Schmidt bei thierischen
Häuten. Besonders des Letzteren Arbeiten sind von gro-
sser Wichtigkeit. Schmidt preiste durch Druck Flüssig-
keiten durch eine thierische Membran, uud auch hier war
die durchgeprefste (durchfiltrirte) Menge bei gleichem Druck,
gleicher Zeit, gleicher Temperatur und derselben Membran,
verschieden je nach der chemischen Natur der Flüssigkeit;
bei reinem Wasser war die Filtrationsgeschwindigkeit grober
als bei Salzlösungen und bei diesen unter sieb verschieden.
(Schmidt a. a. O.) Die Bewegung durch die Meinbrau hat
zwei Ursachen: den Druck und die Anziehung der durch-
gehenden Flüssigkeit zur Porenwandung; es ist leicht ein-
zusehen, dafs die geringere Anziehung des Salzes zur Po-
345
renwand eine langsamere Bewegung der Salzlösung zur
Folge hat als die gröbere Anziehung des Wassers.
Bei der Membrandiffusion tritt an die Stelle des Druckes
die chemische Anziehung. Auf den beiden Seiten der Scheide-
wand befinden sich Flüssigkeiten, die chemisch verschieden
sind Ist auf der einen Seite der Scheidewand eiue Salz-
lösung, auf der andern Wasser, so zieht das Salz auf der
einen Seite das Wasser auf der andern an, und so auch
umgekehrt wirkt das Wasser anziehend auf das Salz: beide
haben das Bestreben sich gegenseitig zu mischen. Von der
einen Seite kommen die Salzmolecüle, von der andern die
Wassermolecüle, welche sich in der Pore mischen. Auf der
Seite des Wassers werden die Salzmolecüle aus der Pore
fortgeführt, es müssen neue Salzmolecüle nachrücken; ebenso
auf der Seite der Salzlösung Wassermolecüle. Ist die An-
siehung der Porenwandung zu den Wassermolecülen und
den Salzmolecülen gleich, so werden sich beide mit glei-
cher Geschwindigkeit bewegen und die Membrandiffusion
ist weiter nicht von der Diffusion verschieden. Solche Fälle
werden wir später kennen lernen. Ist die Anziehung der
Porenwand zum Wasser aber gröfser als die zum Salze, so
werden die nachrückenden Salzmolecüle, ähnlich wie die
Salzlösung in der Capillarröhre, sich langsamer bewegen als
die von der andern Seite kommenden, mehrangezogenen
Wassermolecüle. Aus diesen verschieden starken Bewegun-
gen resultirt eine Volumzunahme der Salzlösung. Es be-
wegen sich also Salz- und Wassermolecüle in entgegenge-
setzten Richtungen an einander vorbei, gerade so wie bei
der einfachen Diffusion. Es findet also zunächst eine Mi-
schung in den Poren statt, wobei die Bewegungen der sich
mischenden Stoffe verschieden sind; haben die Molecüle die
Poren verlassen, so geht die Mischung ohne weitere Stö-
rung vor sich.
Durch diese Theorie lassen sich fast alle Erscheinungen
erklären, die wir später werden kennen lernen, und be-
reits bekannt sind.
Die permeablen Membranen.
Die meisten permeablea Stoffe könnten zu endosmoli-
■iFu'ii Untersuchungen benutzt werden, iudels bat man bis-
jelzt den tlicriscbeu Hauten den Vorzug gegebeu. Bei ein-
zelslehcnden Untersuchungen wogen diese zulässig seyn,
bei vergleichenden Untersuchungen sind sie zu verwerfen,
weil sie 211 sehr der Veränderung unterworfen sind. Nicht
allein dafs sie, wie alle Iciuigebcndcn Gewebe, leicht, der
Fnulnifs unterworfen sind und dadurch eine grüfsere, auf
Wochen sich ausdehnende Versuchsreihe nicht gestatten,
haben auch die Versuchsfliissigkciten einen Ein flu fs auf
sie. Ludwig, Jolly und Schmidt fanden, dafs Was-
ser und Salzlösungen vcrbrennlicbc Substanzen aus den
thierischen Membranen auszogen. Schmidt z. B. faud
(a.a.O.), wenn er reines Wasser durch solche Membranen
vermittelst Druck fillrirtc, dafs das Filtrat ein giüfseres
speeifisches Gewicht durch Aufnahme von Substanzen aus
der Membran batte, die durch Alkohol und Kochen als
flockige Massen abgeschieden wurden. Geeigneter würden
die pflanzlichen Häute sejn, die gewifs unveränderlich sind
und dem Einflüsse des Wassers und der meisten Versuch*
Flüssigkeiten widerstehen. Die Häutchen von Bohnenhül-
sen, Kautschuckplatten, die innere Haut der Hülse von
Colutea, das Blatt der Caulerpa prolifera (einer einzeiligen
Alge), diese Stoffe sind schon versucht worden, haben aber
das Mifsliche, dafs sie gar zu leicht reihen, und in gröbe-
rer Flächenausdehnung nicht zu finden sind. Mit den Häu-
ten, welche sieb aus Collodjum bilden, beim Verdampfen
des Aethers und Alkohols, habe ich ausgezeichnete Erfolge
gehabt und habe sie bei allen Versuchen, die später initge-
thcilt werden, in Anwendung gebracht. Sie besitzen eine
ausgezeichnete Permeabilität, besonders wenn sie vor dem
völligen Verdampfen des Aethers unter Wasser gebracht
werden; sie erleiden durch Wasser, die meisten Salze, ver-
dünnte Säuren, bei gewöhnlicher Temperatur keine Verän-
derungen und sind in beliebige Form zu bringen. Uebrt-
gens wird der Zweck der Arbeit oft auch über das Mate-
al der Scheidewand entscheiden, und wenn ich hier mit
icile, dafs meine Arbeiten besonders im Interesse der
flanzenphjsiologie gemacht wurden, so wird es erklärlich
■\n, dafs ich zu plläuzlicheu Stoff griff. Wie die che-
ische Natur der Scheidewände verschieden auf die durch-
ehenden Flüssigkeiten wirkt, wissen wir aus den Versuchen
■ scher's mit Knutschukblällchen, und aus Schachl's
Ar interessanten Versuchen mit dem Blatte von Caulerpa
rolifera, mit Goldschlägeiliäutchen und Schweinebiase (s.
chacht, Annt. und Vhys. der Gewächse S. 3G2). Hin-
chtlich der Wirkung des Alkohols uud Wassers gegen
iciue Membran, stimmt sie mit dein Häulchcn von Boh-
cnhülscn uud dein Caulerpa -Blatte übercin; ebenfalls mit
ein erstgenannten in der Wirkung gegen Chlorcalciiun
nd Wasser (das Caulerpa -Blatt wurde in dieser Hinsicht
iclit untersucht). Die von mir in Anwendung gebrachte
leinbran besteht aus Nitrocellulose, welche in ihrer che-
lischen Constitution von reiner Cellulose nur durch Sub-
tittilion -von 3H durch 3NO« abweicht; es steht zu er-
rarten, dafs beide in ihren eudosmolischcn Wirkungen,
iahe verwandt sind, wenn nicht ganz übercinslimnien. Meine
Versuche über Uuixii^Aiiifsfäliigkeit mit der Nitrocellulose-
lembran haben eine auffallende Uebereinsliinmung mit den
le Saussurc'sciten Versuchen mit der lebenden I'Uaiize,
vas nur zu Gunsten der Uebereinstimmung beider iu ihren
ndosmotiseben Wirkungen sprechen kann. ( S. B o u s -
iugault -die Landwirtschaft« übersetzt von Grägcr
id. 1).
leb gab der Scheidewand meines Apparates Ruhrenform,
im bei kleinstem Raum die grüfste Fläche zu haben. Die
»arstclliuigsweise dieser Rühren, so wie des Apparates will
eh hier kurz besprechen. Einen Rcagircylindcr von etwa
)0 Millimeter Länge und 17 bis 18 Millimeter Durchmesser
iille ich mit Coliodiuui an, giefse dasselbe aber sogleich
wieder aus, wobei au den Wänden immer etwas haften
)Ieibt; nachdem ich noch einige Zeil habe abtropfen lassen,
iichc ich durch die verschiedensten Drehungen des t ■<. I in -
348
ders Jas Zurückgebliebene über die innere Wand glei
uiafsig zn verlheilen, was ich so lauge fortsetze bis das C
lodiuin eiuigermafsen abgetrocknet ist; hierauf stelle ich c
Cylinder zum weiteren Verdunsten des Aethers bin. Dil
Operation wiederhole ich je nach der Concentration i
Cullodiums und der gewünschten Wanddickc der Membr;
rühre: oft reicht schon eine einmalige Füllung hin. 1
Wiederholung darf dann erst geschehen, wenn die Röl
eine milchigle Trübung angenommen hat. Ist der Aelt
soweit verdunstet, dafs das CuIIodium eine zähe Haut 1
det, die röhrenförmig der itincrn Wand des Cylinder« ;
liegt, so stecke ich eine Glasröhre, die so eben in die C
lodiumrühre pafst, ungefähr 5 Mi] lim. weit in diese hinc
lose sie von dem Rande des Crliuders ab. Nach einif
Zeit hat sicli die Collodiumröhre so fest au die Glas röl
angelegt, dafs crslere sich bei einigen Drehungen und {
lindem Ziehen an der Glasröhre aus dem Cylinder herai
ziehen Iäfst. Sanftes Hioeinblaseu entfernt die entstand
nen Falten. Das Ende der Collodiumröhre, welches i
die Glasröhre liegt, bestreiche ich noch mit etwas Coli
ilium, um allenfallsige Zwischenräume zu verkleben. Ni
wird die Collodiumrobre mit destillirtcm Wasser angefu
und in einen Cylinder mit Wasser hineingehängt, w
bleibt so mehrere Tage unter öfterer Erneuerung des Wi
sers in Cylinder und Röhre an einem mäfsig warmen Oi
(25° — 35") sieben. Durch das Aufbewahren in Wasi
werden die letzten Anlheile Aether und Alkohol ausga
gen, wenigstens nimmt man nicht den geringsten Gera
nacb diesen Stoffen mehr wahr. Die Glasröhre bat eil
Cubikcentimeter- Scale mit Zehnteluntcrtbeilung (ähnlich«
bei Büretten), und kann 10 CC. grofs seyn. Der Nullpua
der Scale schneidet mit dem untern Rande der Glasras
ab Die Glasröhre steckt leicht verschiebbar in etat
Korke, welcher so auf einem Cylinder (von 40 — 80 D
Inhalt) ruht, dafs die Membranröhre sich in dem Cylioi
befindet und höher oder liefer gestellt werden kann. B
einiger Uebung kann man es leicht dabin bringen, Ma
349
brmnröhren von beliebigem Inhalte anzufertigen; so faCsten
die meisten bei meinen Versuchen etwa 10 CC. Siehe den
Apparat auf Tau I. Fig. 12 a Cylinder, b Kork, worin
die Röhre ec steckt; a) das Membranstück ß das Glasstück
der Röhre.
Ausführung der Versuche.
In die Röhre wurde in der Regel die specifisch schwe-
rere Flüssigkeit gebracht z. B. Salzlösung , in den Cylinder
die leichtere, z. B, Wasser; bei Versuchen mit Eiweifs, be-
fand sich dieses in der Röhre, Wasser oder Salzlösung im
Cylinder. Bei den meisten Versuchen waren in dem Cylin-
der 60 CC, in der Röhre 10 CC, d. h. in dem Membran-
stück der Röhre, wobei dieses gerade angefüllt ist. Die
Temperatur suchte ich dadurch auf gleicher Höhe zu erhal-
len , dafs ich den Cylinder in ein gröfseres Becherglas, mit
Wasser gefüllt, setzte, und in diesem die Temperatur auf
dem bestimmten Grade hielt. Die Temperaturangaben in
dieser Abhandlung beziehen sich auf das Wasser im Be-
cberglase. Nachdem der gefüllte Cj linder 10 Min. lang in
dem Becherglase gestanden hat, um die Temperatur in bei-
den auszugleichen, wird die Röhre mit einer Pipette ge-
füllt, so dafs an den Wänden der Glasröhren keine Flüs-
ngkeit haften bleibt und sich keine Bläschen bilden, die
Röhre darauf gleich in den Cylinder gebracht und die Zeit
aotirt. Bei Anfang des Versuchs mufs das Niveau aufeer-
balb und innerhalb der Röhre gleich hoch stehen; erhebt
rieh im Verlaufe des Versuchs das Niveau in der Röhre,
10 wird diese bis zum gleichem Niveau in dem Cylinder
wieder hinabgedrückt, im entgegengesetzten Falle herausge-
EOgen. Bei Beendigung des Versuchs lese ich den Stand
der Flüssigkeit in der Röhre an der CC- Scale ab, giefse
den Inhalt der Röhre in ein Becherglas oder sonstiges
Gef&fs, spüle die Röhre mehrmals nach und verwende die-
len (den Inhalt der Röhre nebst dem Nachgespülten) zur
Analyse. Ich kenne den Inhalt der Röhre vor demNct-
mch, die Volamzanahme bei Beendigung des Vei«a&Ä,wVA>
350
bestimmt, und das, was die Ritlire an Salz u. dergl. ver-
loren hat, finde ich durch Analyse und weifs dann, wie-
viel in das Wasser des Cylindcrs übergetreten ist. Wäh-
rend des Versuchs rührte ich die Flüssigkeit in dem Cy.
linder von Zeit zu Zeit mit der Rühre um, wodurch ich di*
austretenden Salztheilchen gleichmütiger in dem Wasser
verthcilen wollte; es ist dieses Verfahren jedoch un zweck -
mälsig, scheint übrigens auch nicht von wesentlichem Be-
lang zu seyn, wie die folgenden Versuche zeigen, die zu-
gleich mich als ein ausführliches Beispiel dieuen mögen.
In der Röhre 10CC. einer Oxalsäurelösung von 6,3 Pror
(C,H04 + 2HO) (Iu 100 CC. Lösung 6,3 Grm. Ö); \m
Cylinder 60CC. destillirfes Wasser; Versuchsdancr 1 Stunde;
Temperatur 20° C.
1. Mit tWihrfü.
IndcrRührc .... 10 CC. Lösung mit 0,6300 Gr. Ö
nach 1 Stunde 12,2 CC. « ■ 0,2180
Uebergetreteu aus der Röhre in den Cylinder 0,4120 » "
Volumzuuahme in der Röhre 2,2 CC.
2. Ohne Ümriiliren.
In der Röhre .... 10,0 CC. Lösung mit 0,6300 Gr.Ö
» ■ ■ nach 1 Stunde 12,3 CC. - ■ 0,2148 - -
Uebergetreteu aus der Röhre in den Cylinder (1,4152 « ■
Volumzuuahme 2,3 CC.
Eine Differenz von 0,003 Gr., die nicht außerhalb der
Grunzen der unvermeidlichen Fehler liegt. Dafs die Ver-
suche mit meinem Apparate eine sehr grufse quantitative Ge-
nauigkeit gestatten, ersieht man aus dem eben mi Ige (heilten
Versuche.
Die Bedingungen der vergleichenden Versuche. Ver-
gleichende Untersuchungen müssen stets unter gleichen Be-
dingungen angestellt werden, und hinsichtlich der eudosrao-
tischen vergleichenden Versuche rechne ich zu den Bcdiu-
gungen: J) dieselbe Membvaü, 1>\}»\tvtoÄM\vVVftWd«6el-
351
ben, 3) gleiche Mengen, 4) gleiche Versuchsdauer, 5) glei-
che Temperatur und 6) Aufgehobenseyn des hydrostatischen
Druckes.
Ad 1. Weil man wohl selten zwei Membranen von glei-
cher Permeabilität finden wird, so ist man gezwungen zu
Einer Versuchsreihe eine und dieselbe Membran zu ver-
wenden.
Ad 2. Die Veränderungen, welche bei einer Membran
eintreten können, sind: Veränderung der chemischen Natur
der Substanz, Ablagerung von Stoffen in die Poren der
Membran, und, besonders bei meinen Membranröhrchen,
Veränderung des Volums der Röhre durch Zusammenzie-
hung derselben. Was die zweite Möglichkeit betrifft, so
kann man derselben vorbeugen, wenn man aus einer Ver-
suchsreihe alle Stoffe entfernt hält, welche Niederschläge
bilden z. B. Kalksalze und Oxalsäure; auch Firnifs setzt
sich in den Poren ab. Die chemische Natur des Collo-
diummembran ist völlig unveränderlich bei den meisten Ver-
suchsflüssigkeiten; die chemisch verändernden Stoffe kennt
man aus der Chemie und hält diese fern. Mehr schon
dürfte die fragliche Membran der letzten Veränderung un-
terworfen seyn, nämlich durch Eintrocknen; ist dieselbe
jedoch auf die oben beschriebene Weise dargestellt und
wird sie stets unter Wasser aufbewahrt, so dafs sie nie
längere Zeit der Luft ausgesetzt ist, so hat man nichts zu
befürchten. Von meinen vielen Controlversuchen will ich
nur einen mittheilen, welcher sich auf eine Membran be-
zieht, die wenigstens fünf Wochen lang und zu sehr vielen
Versuchen benutzt wurde. Es ist die Membran der Ver-
suchreibe IL
In der Röhre 10 CC. einer verdünnten Schwefelsäure
▼on lOProc. SO,; im Cylinder 60 CC. Wasser, Versuchs-
-dauer I Stunde; Temperatur 20° C.
1. No. 3 aus Versuchsreihe IL
3n der Röhre .... 10,0 CCSäuremit 1,0038 Gr. S03
» » » nach 1 Stunde 1 2,3 CC. » » 0,4013 » »
"IJebergetreten in den Cylinder in 1 Stande 0£M& * *
2. Conlrol versuch (gegen 5 Wochen nach dem ersten
Versuche).
In der Röhre .... lO.OCC.Säurcmit l,0038Gr.SO'
• - ■ nach 1 Stunde 12.2CC. ■ - 0,3990 - ■
Uebergetreten in den Cy linder in 1 Stunde U.iiOls • »
Die Differenz von 0,0()23Gr. ist zu Übersehen. Weniger
günstige Resultate erhielt ich mit concentrirten Lösungen
von kohlensaurem Kali; dieses wirkt chemisch verändernd
auf Nitrocellulose ein; mit ihm beschliefse ich gewöhnlich
die Versuchsreihe, um der Veränderung zu entgehen.
Ait 3 bis 5 habe ich nichts Weiteres hinzuzufügen. Die
Bedingung 6 wird bei meinem Apparate vollständig erfüllt.
Dutrochet, Jolly und Vicrordt glaubten ihren Ver-
suchen das Gesetz ableiten zu können, dafs die Menge der
in einer Zeiteinheit übertretenden Stoffe unter tonst gleichen
Verhältnissen der Concentration proportional sey. Ludwig
wies durch genaue Versuche nach, dafs dieses Gesetz nicht
existirl. Jolly und Ludwig nennen diejenige Menge
Wasser, welche bei der endosmotischcii Mischung an Einem
Theile Salz vorübergeht »endosmotisches Aequicalent'. Tritt
2. B, aus der Röhre in das äufserc Gefäfs 1 Gr. Salz, und
aus letzterem in die Salzlösung der Röhre A Gr. Wasser,
so ist das endosmotischc Acquivalent =4. Nach Jolly
soll das eudosmotisebe Aequivalcut der Coucenlralion der
Lösung proportional seyu; Ludwig hat bewiesen, dah
dieses für Glaubersalz und Kochsalz nicht der Fall ist, und
glaubt, dafs sich nirgend diese Uebcreinstimmung finde.
Versuche der genannten Forscher beziehen sich auf tbifr
rische Membranen. Wie sich dieses nun bei der Membran
meiues Apparates verhält, wollen wir gleich sehen,
ich glaube annehmen zu dürfen, dafs diese Versuche auch
allgemein gültig sind, natürlich insofern die chemische Natur
der Membran Dicht von liAnuuia \rt.
353
Wir müssen nan zunächst fragen, wie verhält sich die
zum Wasser übergebende Menge Sah oder Säure zur Con-
centration, und wie die zur Salz- oder Säurelösung gehende
Wassennenge? Wir haben also zu bestimmen, wie viel
Salz oder Säure in einer Zeiteinheit und unter sonst glei-
chen Bedingungen zum Wasser gehe und wie viel Wasser
zur Lösung. Um die zum Wasser gegangenen Salz- oder
Säuremengen bei den verschiedenen Concentrationen verglei-
chen zu können, berechne ich sie auf 10 Proc. Die Zahl
für die 10-procentige Lösung soll andeuten, wie viel Salz
bei dieser Dichtigkeit übertreten werde, wenn die endosmo-
tischen Verhältnisse bei allen Concentrationen gleich seyen,
wenn z. B. bei 2 Proc. 0,13 Gr. zum Wasser gehen, dann
müCsten unter dieser Bedingung bei lOProc 5x0,13=0,65
Gr. übergehen, was jedoch in Wirklichkeit nicht der Fall
ist Durch diese Vergleichung, läfst sich die Abweichung
bestimmen, wie wir in den folgenden Versuchen sehen
werden.
PoggeodorfPa Aanal. Bd. CX. 23
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355
•
Aus der Versuchsreihe I ersehen wir, dafs je geringer
die Concentration ist, um so gröfser sich die Volumzunahme
auf Ein Gramm der zum Wasser gegangenen Säure gestal-
tet, und es ist leicht einzusehen, dafs mit Abnahme der
Concentration die Menge Wasser, welche sich an Einem
Theile Säure vorbeibewegt, also das endosmotische Aequi-
valent, gröfser wird. Am besten läfst sich dieses anschau-
lich machen, wenn man die Gramme auf Volum berechnet
wie z. B. bei der Schwefelsäure, das spec. Gewicht dersel-
ben zu 1,97 angenommen:
0,4598 Gr. = ^? = 0,233 CC. und
0,8623 Gr. = ?jfjr = °'438 CC
Aus der Röhre ist zum Wasser übergetreten beim Ver-
such I) 0,438 CC.S03 und beim Versuch 2) 0,233CC.SO3.
In die Röhre ist eingetreten beim
Versuch 1) 0,438 CC. -t- 2,8 CC. = 3,238 CC. Wasser %
Versuch 2) 0,233 CC. -t- 2,4 CC. = 2,633 CC. Wasser.
Bei der Mischung ging in den Poren der Membran vor-
bei beim
Versuch 1) an 0,438 CC. Säure 3,238 CC. Wassern 1 : 7,4
Versuch 2) an 0,233 CC. Säure 2,633CC. Wasser=l : 11,4
(Es tritt in die Röhre ein 1) ein Volum Wasser, wel-
ches dem austretenden Schwefelsäure- Volum entspricht und
2) ein Volum Wasser, welches der Volumzunahme ent-
spricht.)
Mit der Oxalsäure ebenso verfahren, würde sich das Obige
bestätigen, dabei uns ganz enorm hohe endosmotische Aequi-
valente zeigen, wenn wir bei den geringen Dichtigkeiten
ankämen. Tragen wir das endosmotische Aequivalent nach
Ludwig' 8 Vorgang in ein Coordinatensystcm ein, so dafs
eine sehr verdünnte Lösung z. B. 0,001 Proc. auf dem An-
fangspunkt der Coordinaten zu liegen kommt, die Abscissen
den Procentgehalt der Lösung und die Ordinaten die Gröfse
des endosmotischen Aequivalents angeben, so würde die
<2&*
Curve der Aeuuivalenle sich so geslalteii, dafs sie vüd 0,0(11
Pror. bis 1 Proc. sich stark der Axe näherte, von 1 Proc.
bis 4 Proc. weniger stark und von 4 bis 13 Proc. nur all-
mählich. Die Curve für schwefelsaures Natron nach Lud-
wig (Pogg. Ann. Bd. 78, S. 307) bat einen ähnlichen Lauf.
Eine Erklärung für diese Erscheinungen dürfte nicht
schwer zu finden n.'vn. Denken wir uns, eine Pore ent-
hielte 100 Molecule einer Lösung von 20 Proc.; es werden
nun in der Pore sich 80 Molecule Wasser zur Säurclösung
hin bewegen, dagegen '20 Mol. Säure zum Wasser, und die
Wassermolecüle bewegen sich schneller als die Säurcuio-
lectile. Wären nun in einem zweiten Falle Hill Molecule
einer Lösung von 10 Proc. in dieser Pore, so würden 10
sich langsamer bewegende Säuremolecule durch 10 sieb
schneller bewegende Wassermolecüle vertreten sejn. Die
Pore enthält nämlich 90 Mol. Wasser und 10 Mol. Salz.
Im ersten Falle bewegen sich an 1 Mol. Säure 4 Mol. Wasser
vorbei, im zweiten Falle an 1 Mol. Säure 9 Mol. Wasser,
und die ein! osmotischen Aequivaleute müfsten eich zu ein-
ander verhalten wie 4:9, wenigstens dürfte dieses wahr-
scheinlich seyn. Bei den Schwefelsäure - Versuchen berech-
neten sich die Aequivalente wie folgt:
13,6 : 26,25 bb 1 : 1,93,
gefunden wurde nur
7,4:11,4 =1:1,55:
das berechnete Vcrliältnifs wurde nicht erreicht. Es wurde
hierbei vorausgesetzt, dafs sich die Losungen in der Pore
zu einander verhalten, wie die ursprünglichen Lösungen.
Aus der Versuchsreihe geht weiter hervor, dafs die
dem Wasser gehenden Säuremengen zwischen 12 Proc. und
4 Proc. annähernd proportional den Dichtigkeiten sind, bei
geringerer Concentration aber verhältnifsmäfsig weniger
Wasser übergeht — eine Tbatsache, die dariu ihre Erklä-
rung findet, dafs die sich schneller bewegenden Wassermo-
lecüle die Salzmolecüle in ihrer Bewegung hindern, udJ
jemehr Wassermolecüle sich an den Salzmolecülen in der i
Pore vorbei bewegen, um so gröfser mufs auch diese Sie-
357
rang seyn, weshalb denn auch erst bei iiiedi
trntiousgraden diefs entschieden hervortrilt.
Diese Versuche bestätigen also die Behauptung Lud
*ig's, »dafs das sogenannte endosmolischc Aequivalent bei
Icicher Temperatur für dieselben Stoffe keine constautc,
>ndern eine variable Gröl'se darstellt»; ebeusn findet auch
Jolly's Salz, "dais die Menge der in einer Zeiteinheit
übertretenden Stoffe unter sonst gleichen Verhältnissen der
Coucenlration der Lösung proportional sey, insofern er
sich auf die nm Wasser gehenden Salz- oder Säuremengen
bezieht, in dem Vorgehenden seine Widerlegung.
Nun fragt sich, ob bei allen Stoffen die Verhältnisse
sich so gestallen, wie bei der Oxalsäure. Ludwig fand, dafs
das endosmolischc Aequivalent des Kochsalzes uin so grö-
Cser wird, als die Lösung an Conccntratioti zunimmt, und
aus den Versuchen von Vierordt mit Kochsalz scheint
hervorzugehen, dafs das Verhältnis der zum Wasser ge-
benden Mengen weniger abnimmt als das Vcrhällnifs der
Dichtigkeiten der Lösungen (Vierordt in Wagner's Hand-
wörterbuch der Physiologie, Bd. HI, Ablb. 1, Artik. Trans-
sudation u. s. w.). Es bezieht sich dieses natürlich auf
lliierische Membranen. Hei der Membran meines Apparates
findet sich Aehnliclies.
Salpetersaures Ammoniak hat in allen Dichtigkeiten sei-
ner Losung keine Volumzunahme, wenn es sich mit Wasser
mischt; das endosmotische Aequivalent ist also unveränder-
lich, und es bewegt sich an l Volum Salz l Volum Wasser
vorbei,
Ob Chlorammonium sich wie salpctersanres Ammoniak
verhalle oder ob das endosmolischc Aequivalent mit Zunahme
der Concenlratiou abnehme, läfst sich aus meinen Versuche»
nicht mit Bestimmtheit heurlheilcn, weil sie nicht bis zu
höheren Couccnt rationell geführt wurden.
Concert-
In dcj
Röhre
10 CC. Lösung
im Cylinder 60 CC.
Wasser;
^c-rsnchs datier
' Stunde;
Temperatur 20° C.
V-lumiunihroc der U>»i>(
in d<r Höhre.
1.
Lösung
»OB
10,0 Proc.
. . . 0,3 CC.
2.
•
5,0 -
... 0,3 ■
3.
2,5 -
. . . o,s .
4.
0,5 ■
. . . 0,-2 -
In
dtr IUI.« 10 CC. Utung; im C)'li.iil*r 60 CC. W'uicr; Ver.uclu-
diuer 1 Stunde, Temuerwur 20" C.
Zum W«»Cr Übergetreten
Ko.
Proc. der
Unag.
in 1 Stunde.
1 nf lOProe.
berechnet.
VoluiDf.utialimc uiier AbDtliiBF
der M»anf in I Stande.
1.
%
5,916 Proc.
8,301 ..
0,3499Gr 0,592 Gr.C.ClD.» Volum in aWUttn h.lle »b-
imoniMa um (1,3 CC. nccflbi
0,4396 * 0,554 ■ ■ VolurüiuOilimc 0,1 CC.
3.
10,941 -
0,5901 «
0,531 ■ ■ ■ 0,5 CC
4.
14
"
-
1.1 CC.
Wir neben hier, dafs je verdünnter die Lösung ist, um
so weniger Wasser an Einem Theile Chlorcalcium vorbei-
geht, und dafs mit Zunahme der Conceulration die zum
Wasser gehenden Mengen im umgekehrten Verhält nifa ste-
hen. Hiefür eine Erklärung zu geben, ist bis heute nicht
möglich; es müssen gröfserc Reiben Versuche erst mehr
Licht in die Sache bringen. Chlormagnesium und Chlor-
barjam verhalten sich ebenso.
Durchgang* Fähigkeit.
Die Stoffe verbalten sich nicht alle gleich gegen die Po-
renwandung und gegen andere Stoffe, mit welcher sie sich
mischen. Eine Saure wird z. B. von der Poremvaud schwa-
cher angezogen, als ein Salz; dagegen hat erstere gegen
Wasser eine gröfsere Verwandtschaft, als ein Salz hat
Diese Verhältnisse, welche für die Membrandiffusion von
der gröfsten Wichligkeil sind, wurden bis jetzt gänzlich
vernachlässigt, und deshalb habe ich denselben eine beson-
dere Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn ich durch eine
Scheidewand Salzlösung und Wasser trenne, so mischen
sich beide durch die Poren der Scheidewand, und die Ge-
schwindigkeit, inil welcher dieses geschieht, ist abhängig von
der Anziehung des Salzes zum Wasser and des Salzes zur
Porenwand. Gesetzt das Salz A habe eine gröfsere An-
ziehung zur Porenwand als das Salz B, beide seyen aber
in ihrer Anziehung zum Wasser gleich, so wird das Salz A
sich schneller durch die Poren zum Wasser bewegen als ß,
und es wird in einer Zeiteinheil, bei gleicher Concentration
der Lösungen und unter sonst gleichen Bedingungen, von A
mehr zum Wasser gehen als von /': .1 ist also durchgangs-
fähiger wie B. Um auf ihre UurcligangsfähigkeH verschie-
dene Stoffe zu untersuchen, inufs ich die Menge derselben
bestimmen, welche in einer Zeileinheit aus gleichcoueentrir-
ten Lösungen und unter sonst gleichen Verhältnissen zum
Wasser geht. Die zum Wasser übergetretene Menge ist
ein Ausdruck für die Darckijanijsfiihiijlndt, Diese Ausdrücke
in eine Reihe zusammengestellt, lassen uns die Durchgangs-
fähigkcil vergleichen. Die folgendeu zwei Versuche werden
diefs deutlich machen und gleichzeitig auch die Art und
Weise zeigen, wie die Versuche ausgeführt wurden.
In der Röhre 10 CC. Lösung von 6,3Proc; im Cyliu-
der 60 CC. Wasser; Versuchsdauer I Stunde; Temperatur
20° C. 1. Versuch Oxalsäure. 2. Versuch Salpetersaures
Aimuouiak.
CC tp _
Lind. Röhre .... 10,0 Lös. mit 0,6300 V„loni-
- .. » nach 1 Stunde 12,4 - - 0,261 ■
Ucbergetreten zum Wasser des Cylinders 0,369 • 2,1
2. lud, Röhre .... 10,OLös.mitO,630NH4N
» - ■ nach 1 Stunde 10,0 - ■ 0,164 ■
Ucbergetreten in d. Wasser d. Cylinders 0,466 « 0,0CC
Das salpetersaure Ammoniak hat eine gröfsere Durch -
gangsfähigkeit als die Oxalsäure. Die Volunmi nähme- ge-
stattet uns auch eine Einsicht in das Verhalten des Salzes.
u. s. w. zur Porenwand. Da wo keine Volumzunahmc
stattfindet, ist die Anziehung des gelösten Körpers zur Po-
renwand gleich der Anziehung des Wassers zur Porenwand;
je gröfser die Volumzunahmc auf ein Theil des zum Wasser
übergetreteneu Stoffes ist, um so schwächer ist die Anzie-
hung derselben zur Porenwand. Weil es schwer ist, Lö-
suDgen auf ganz gleiche Dichtigkeit zu bringen, so mufste
ich mich mit einer 10 Proc. annähernden Dichtigkeit be-
gnügen und die Resultate genau auf 10 Proc. berechnen.
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364
Die Zahl für 10 Pro c. deutet an, wie viel bei dieser
Dichtigkeit, wenn in der Rühre also genau in 10 CC. Lö-
sung I Gramm wäre, zum Wasser übergehen würde. In
Versuchsreihe IV weicht der Procentgehalt oft sehr weil
von lOProc. ab, und können deshalb die auf lOProc. be-
rechneten Zahlen nicht als genau genommen werden; sie
bestätigen trotzdem aber die bei II und III gewonnenen
Resultate.
1. Zunächst sehen wir aus den Versuchsreiben und bei
Vergleichung der Zahlen für 10 Proc, dafs die Dicke der
Membran wand von grofsem Einflüsse auf die Durchgangs-
fähigkeil ist, dafs mit der Dicke der Wand die Durcbgaugs-
fähigkeit itn umgekehrten Vcrhälluifs steht.
2. Aus der Vergleich ung der Volumzunahme für 1 Gnn.
in Reihe II und 111 geht hervor, dafs die Volumzunabme
um so gröfser wird als die Scheidewand an Dicke zunimmt
oder mit anderen Worten: das cudosmolische Aequivalenl
nimmt mit der Dicke der Scheidewand zu.
3. Die Durcligangsfäliigkcit für die verschiedenen Stoffe
ist verschieden. In der Versuchsreihe II sind die Säuren
nach ihrer Durehgnngsfähitikeit geordnet; die Chlorwasser-
stoffsäure hat die grüfste, die Phosphorsäure die geringste
Durchgangsfähigkeit. 111 und IV bestätigen dieses. Wie die
Säuren, so verhalten sich auch ihre Salze (S. II 7 bis 10-
III 6 bis 8 und IV 5 bis 7). Was hier für die Amino-
niumsalze dargelhan wurde, scheint auch für Salze mit an-
dern Rasen zu gelten. (Die phosphorsauren Salze stehen
zwischen den schwefelsauren und kohlensauren und den
letzteren nahe.)
Die Durchgangsfähigkeit der Salze nach der Natur ihrer
Rasen habe ich durch Versuche mit den Chlormctallen zu
ermitteln gesucht <S. II II bis 15). Es ist höchst wahr-
scheinlich, dafs die Rasen mit anderen Säuren sich ebenso
verhallen werden, wie die Chlonnetalle. Weniger genaue
Versuche mit schwefelsauren und salpetersauren Salzen be-
stätigten mir dieses.
Eine Scale für die Durchgangsfälligkeit würde sich fol-
gendermafsen gestalten, wenn von Oben nach Unten
Durchgangsfähigkeit abuiimnt.
der INn.ur .Ifr li„t
moniuinsalzc-)
Kaliumsalzc
Natriuinsalzc
Maguesiumsalzcl?)
Baryumsalze
Calciuwsalze
Chlorwasserstoffsäurc Salpeters. Salze1)
Salpetersäure Ghlormetalle
Schwefelsaure Schwefels. Salze
Oxalsäure Oxals. Salze
Essigsäure Essig. Salze
Phosphorsäurc Phosphors. Salze
Kohlensäure Kohlens. Salze
Eine Scale für die Anziehung des gelüsten Körpers zur
Porcuwand würde sich ebenso wie die vorgehende gestal-
ten, wenn die Anziehung von oben nach unten abnimmt,
wie diefs aus den Zahlen für die Volumzunabinc auf ein
Gramm in Versuchsr. II hervorgeht. Die Essigsäure niufs
jedorb liier vor der Oxalsäure stehen.
Organische Stoffe. Von diesen habe ich aufser den
schon früher besprochenen Säuren, noch Eiweifs, Gummi,
Zucker, Oel und Alkohol untersucht. Diese Stoffe in ihrem
Verhallen gegen Wasser müfsten einer der Reiben über
Durchgangsfähigkeit angereiht seyn; weil die Mengenver-
hältnisse jedoch nur durch das spec. Gewicht annähernd
bestimmt wurden, konnten sie dort keinen Platz finden.
Im Allgemeinen ging aus diesen Versuchen hervor, dafs die
Durchgangsfäliigkeit sich zu folgender Reihe gestallet und
von 1) tiarli 5) hin abnimmt: 1) Alkohol, 2) Traubenzucker.
3) Gummi und Dextrin, -I ) Eiweifs und 5) Oel (feiles).
Von Oel gehl gar nichts zu Wasser; enthält das Wasser
kohlensaures Kali aufgelöst, so wird dieses vom Ocle anf-
I) 1,1, brauche, wohl ridri KU bemerk,», dal\ Mm S, ■,!■■ M nur auf
Mu mir dtncbta Bai» beti.l.i, *, li. in rffWfw— m K»ti durcl.-
(aDjjdäbigrr ah loblenjaurej h.ili, olclil aber fcliwtfctuurrf Natron dutrli-
BaOBifäblger all krililcniaiiru Kali.
%) Dit.e betieln .ich nur auf S.l.e mil einer Saure; >. ß. in .srUwelVI-
tauiei Ammoniak dnrchjingifähiger all iiihwclcliaurct Natron,
genommen, um sich mil ihm zu verseifen; vom Wasser gebt
indefs nichts mil zum Oelc über.
Von Eiweifs gebt auch mir sehr wenig zum Wasser,
erleidet dabei aber eine bedeutende Volumzunahme. Das
Eiwcifs setzt sich iu den Poren der Scheidewand ab und
kanu dort durch Reagenlicu nachgewiesen werden. Durch
diese Ablagerung wird das Durchgangs vermögen geschwächt,
wodurch vergleichende Rciheu fast unmöglich werden.
Gummi und Dextrin stehen dem Eiwcifs nahe, doch ge-
hen schon bedeutendere Mengen von diesen bei der endos-
motischen Mischung zum Wasser.
Zucker mischt sich leicht endosmotisch mit Wasser und
erleidet dabei eine nicht unbedeutende Voltimzunahme. Das
endosmotische Aequivalcnt scheint mit der Coucentralion
zuzunehmen.
Ist Alkohol tiud Wasser durch eine Coilodiuminembran
getrennt, so ist der Strom von Alkohol zum Wasser um
Vieles starker als der entgegengesetzte, umgekehrt also wie
bei Thiermcmbrauen; ebenso verhalten sich Iiautchen aus
lä oh neu hülsen und das Blatt der Caulerpa prolifera.
Bloflnfa der Warme auf die Membi -an diffus in u.
Dafs die Wanne von bedeutendein EinfruTs auf die en-
dosmotische Mischung ist, das nehmen alle Forscher an;
doch wissen wir fast gar nichts Näheres darüber. Meine
Versuche werden wenigstens einigen Aufschlufs geben. Diese
wurden auf die schon bekannte Weise bei verschiedenen
Temperaturen ausgeführt.
Oxalsäure, Lösuug von 6,3 Proc. (C, H04 +2HO).
In der Röhre 10 CC. Lösung; im Cylinder 80 CC. Wasser;
Versuchsdauer 1 Stunde.
1. Uli einer Tcmptratnr rem 13° C
In der Röhre 10,0CC.Lös. mit 0,6300Gr.Ö
- - - nacb I Stunde 11,8 0,2079 . .
Uebergetreteo io den Cyüoder %,Vtl\. . .
367
2. Bei MMT Ternpersmr HP 20° C.
[« der Röhre 10,0 CC. Lös. mit 0,6300 Gr. O
- - « nach 1 Stunde 12,1) - - « 0,1 S96 - -
Ucbergetretcn in den Gelinder 0,4 li: I » •
3. Bei einer Temperatur von 33" C.
In der Rühre ...... lO.OCC.Lös. mit 0,6300Gr.O
■■ • « nach 1 Stunde 12,5 < « - 0,1651 - »
Ucbergelrelen in den Cylindcr 0,4649 » «
Die zum Wasser übergetretenen Säurcmengeu haben mit
der Temperatur zugenommen; die auf 1 Grm. berechnete
Volumziinahme ist Tür 1 = 4,26, für 2 = 4,51 und für
3=5,38 CC, hat mithin auch zugenommen, woraus folgt,
dafs das endosmolischc Acquivaleut ebenfalls mit der Tcm-
peratnrzunnlime gröfser wird. Im Allgemeinen geht aus
diesen Versuchen hervor, dafs die endosmotische Mischung
durcli die Wärme befördert wird. Bei Stoffen, die sich
weniger leicht mischen, wie z. R. Eiweifs und Wasser, tritt
das oben gefundene Gesetz auch weniger entschieden her-
vor. Versuche mit Eiweifs unter gleichen Verhältnissen
gaben bei
7",5 C. eine Voluuizunahme von 1,55 CG. und bei
20°,0C. - ■■ - 1,70 CC.
Ist eiue Membran nach allen Seiten hin vollständig ge-
schlossen; so finden auch dann noch Diffusionsbewegungen
statt, wenn innerhalb und aufserhalb derselben mischbare
Flüssigkeiten sind. Stoffe, welche sich ohne Volumver;in-
derungen mischen, erleiden unter diesen Verhältnissen keine
Störung, wohl aber jene Stoffe, bei welchen Voluinverän-
derungen eintreten. Es sey z. B, in der Membran ver-
dünnte Schwefelsäure, aufserhalb Wasser: der nach dein
Innern der Membran gehende Strom des Wassers stufst
auf Hindernisse, und wenn die Membran keine Ausdehnung
erleidet, so kann nicht mehr Wasser in die Membran ein-
treten als Schwefelsäure austritt. Einer meiner VetsutW
wird genügen uns die Verhältnisse klar zu laaeVcu.
In der Röhre 10 CC. verdünnte Schwefelsaure von 10
Proc.; im Cylindcr 60CC. Wasser; Versuchsdaucr 1 Stunde;
Temperatur 20° C. Der Apparat war derselbe, wie ich ihn
gewöhnlich zu inciueu Versuchen gebrauche; bei dein zwei-
ten Versuche war aber die Glasröhre oben mit einem Stück
Thierblase vollständig und fest verschlossen, so dafs der
Strom von Aufsen uach Innen in seiner Bewegung gestört
seyn mufste. Die Membran rühren wand war I"" dick.
1. Mi! Trema Strömungen.
CC Rt
In d. Röhre . . . 10,0 Säure mit 1,00.3850,
■ ■ - nach 1 St. 12,3 » - 0,4013 - „.
Zum Wasser im Cyliuder übergetreten 0,6025 » = 0,3058
2. Mit gestörter Strömung nadi Innen.
Ind. Röhre . . . 10,0Saure mit ftj03SSO„
> - - nach 1 St. 10,2 . » 0,3256 ■ cc
ZumWasserimCylinderübcrgctreten0,ti782 - = 0,3443
Im 1. Versuche trat in die Röhre ein
0,3058 + 2,3 = 2,6058 CC. Wasser,
Im 2. Versuche trat in die Röhre ein
0,3J43 + 0,2 = 0,5443 CC. Wasser.
Die gestörte endosmo tische Strömung wirkt als Druck
auf die Membran, welche sich in Folge dessen ausdehnt,
und, ist die Membran elastisch, in Spannung geräth. Diese
Spannung wirkt auf den esosmolischei] Strom zurück, wo-
durch derselbe verstärkt wird, weshalb dann auch im zwei-
ten Versuche 0,076Gr.SOs mehr zum Wasser gehen. Dafs
der Druck des cndosinotischen Stromes sehr stark ist, sab
ich bei Versuchen, wo die Membran röhre mit einer Queck-
silbersäule in Verbindung gesetzt wurde; die Quecksilber-
säule mufste oft eine bedeutende Höhe haben, um den eu dos-
in oli scheu mildem «osmotischen Strom ins Gleichgewicht z
bringen. Eiwcifs, welches in einer offenen Röhre sich be-
findet, mit Wasser in Wechselwirkung gebracht, hebt in
einer Stunde bei bedeutender Volumzunahmc das spee Ge-
weilt des Wassers our sehr wcouj-, in einer geschlossenen
Membran dagegen sehr bedeutend: im ersten Falle tritt ;i!su
wenig Eiwcils zum 'Wasser über, im zweiten Falle hinge-
gen viel, weil hier der Druck der in Spannung versetzten
Membran verstärkend auf den exosmotischen Strom wirkt.
Für das Studium der physiologischen Erscheinungen in Thier
und Pflanze sind solche Versuche von grofsem Interesse.
Elektricität. Unzweifelhaft hat die Elektricitüt einen
Einllufs auf die Meitibiandiffusion; durch Versuche ist bis
jetzt freilich nichts nachgewiesen worden; nur Andeutungen
finden sich in einem Versuche Fodera's. Dieser füllte
die geöffnete Brusthöhle eines Kaninchens mit Eisenchtorid-
losung, die Bauchhöhle mit Ferrocyankaliumlösuog; beide
Flüssigkeiten mischten sich durch das dicke Zwerchfell hin-
durch nur sehr laugsam, weit schneller hingegen, wenn ein
schwacher elektrischer Strom durch das Zwerchfell geleitet
wurde. Die Beobachtungen Wo Hast on's, Porrct'süber
das Fortführen der Flüssigkeit nach der negativen Elektrode
durch thierische Scheidewände ist für uns beachtenswerth.
(Neuere Beobachtungen von Wiedemann iu dies. Ann.
Bd. m und Breda undLogemann, ebendaselbst Bd. 100.)
Schwere. Humboldt (Cosmos Bd. IV, S. 17) glaubt,
dafs die Endosmose von dem Maafsc der Schwere und
ihrer localen Verlheilung afficirt werde; bis jetzt wissen
wir nichts darüber, wenn auch Fick (diese Ann. Bd. 92
»Neue Aussetzung an dem Begriffe des endosmolischeu
Acnuivaleiitcs) Erscheinungen beobachtet hat, die nach sei-
ner Meinung auf einen Einllufs der Schwere hindeuten sol-
len, was aber eiu kleiner Irrtbum zu seyn scheint. Er sah
nämlich mehr Salz zum Wasser gehen, wenn das Wasser
oberhalb der Scheidewand, und eine gesättigte Salzlösung
unterhalb derselben war, als im umgekehrten Falle. Meine
diese Sache betreffende Versuche mit einem Stück Schweine-
harnblase und gesättigter Lösung von schwefelsaurem Kali
zeigten dasselbe, aber nur dann, wenn die Schleimhaut fläche
nach unten, also der Salzlösung zugekehrt war. Meine
Meinuug ist, dafs dieser Unterschied durch die oft xaWttv-
chen Schleimdrüschen der Mucosa der HanAAa&e \mä &«■
Pofgcodorfr, Aaatt. Bd. CX. ^
Verschiedenwerlhigkcit der beiden Schichten (Mucosa und
Musculosa) tu ihrer Diffusionsfiihigkeit bedingt igt. Die Fil-
trationsversuclie unter Druck von Schmidt (s. a. a. O.)
sprechen ebenfalls für meine Ansiebt.
Literarische Notizen.
Poggendorff'e Annalen der Chemie und Physik.
Bd. 10. Magnus.
11. Fischer, Dutrochct.
78. Jolly und Ludwig.
92. Fick, Neue Ausstellung an dem Begriffe de»
endosmotischen Aequivalcnls.
94 Fick, Ueber Diffusion.
99. Schmidt, Versuche überFiltrationsgeschmn-
digkeit.
Wagner's Handwörterbuch der Physiologie Bd. 3, Ablh. I,
Artikel: Transudation und Eodosmose.
(1846)
Lieb ig, Untersuchungen über eint- e Ursachen der Safte-
bewegung in PÜauzcu und Thiereu. (1848)
Schacht, Anatomie und Physiologie der Gewächse. (1856)
II. Beiträge zur Theorie der Dämpfe;
von Gustav Zeuner.
De
sie empirische Formel, welche Regnault aus sei
Versuchen für die sogenannte Gesammtwänne der Gewichts-
einheit des gesättigten Wasscrdainpfcs ableitete, giebt be-
kanntlich die Wärmemenge an, welche erforderlich ist, die
Gewichtseinheit Wasser von der Temperatur 0" in gesät-
tigten Dampf von der Temperatur ( zu verwandeln. Dabei
lmifs jedoch, und das ist wichtig zu beachten, die Masse
von Anfang an fortwährend unter einem Drucke stehen, der
gleich dem Drucke des zu erzeugenden Dampfes ist.
Ist sonach t die Temperatur undp die Spannung des zu
erzeugenden Dampfes, so hat man sich vorzustellen, dafs die
Gewichtseinheit Wasser zunächst unter constantem Drucke p
von o auf I erwärmt wird, und dafs dann, gleichfalls unter
constantem Drucke p die Dainpfcrzcu^uug erfolgt. Ist die
zum ersten Theile der Operation erforderliche Wärme q
und die für den zweiten Theil r (in welchem übrigens die
Temperatur constant bleibt), so ist die ganze erforderliche
Wärme, die mit (J bezeichnet werde:
Q=q-t-r (1)
und dieser Werth von Q ist es, für weicheil Regnault
die Formel:
606,5 + 0,3051
gegeben hat.
Bezeichnet man mit u die speci fische Wärme des Was-
sers bei constantem Drucke und zwar dem Drucke p ent-
sprechend, dann Iäfst sich setzen:
(2)
./.*
Die Beziehung des Werlhes w zur Temperatur ( ist
fiicAJ bekannt, denn der Werth, den man nach Regnault
allgemein dafür annimmt, hat, wie ich an einem anderen
1\*
372
Orte schon aussprach '), nicht die angegebene, sondern eine
andere, Jedoch gleichfalls wichtige Bedeutung. Regnanlt
beobachtete nämlich die Wärmemenge, die in der Gewichts-
einheil Wasser bei der Temperatur ( mehr enthalten ist,
als im Wasser van 0"; wenn es unter dem der Temperatur t
entsprechenden Dampfdrücke p steht.
Diese Wärmemenge ist aber nach den Grundsätzen der
mechanischen Wännelheorie nicht gleichbedeutend mit der
Wärmemenge, die dem Wasser von 0° uutcr conslaniem
Drucke w von aufsen zuzuführen ist, um es auf C zu er-
wärmen, denn wahrend der Wännczuführung finden Vo-
Itimvcränderungeu statt; einer Ausdehnung des Wassers
unter constantem Druck entspricht eine Arbeits Verrichtung,
also ein Verschwinden von Wärme; der Zusammenzichung
entspricht eine Arbeitsaufnahme, also ein Erzeugen von
Wärme.
Ist W die im Wasser von t° Temperatur and unter
dem entsprechenden Dampfdrucke enthaltene Wärme, dann
ist, wenn während der Wärmezuführung eine VolumenveT-
gröfserung stattfand, die von aufsen zuzuführende Warme q
gröfser, als die schliefslich im Wasser enthaltene Wärme W,
weil ein Theil der zugefuhrten Warme in Arbeit verwan-
delt wurde. Findet hingegen eine Zusammenziehung statt,
dann ist:
q<W
weil das Wasser äufsere Arbeit noch mit als Wärme auf-
genommen hat. Tritt endlich während der WännezufDh-
rung keine Volumen Veränderung ein, dann allein ist
q=W
weil alle zugeführte Wärme zur Erhöhung der innern ver-
wendet wird.
Gewöhnlich findet nur der erste der drei Fälle statt,
beim Wasser hingegen tritt bekanntlich auch der zweite
Fall auf, wenn es nämlich unter dem constanten Drucke
von einer Atmosphäre von 0° bis 3°,9 erwärmt wird. Die
im Wasser von der Temperatur f unter dem cnlsprechee-
I ) GrundtSfc dir mcctkMÜctan NVuhkükocw. ¥iüW« VW), S. 71.
den Dampfdrücke
darstellen durch
enthaltene Warme W läfst sich auch
w
-/■
cdt
(3)
und hierin ist c genau der Wertb, dessen Bestimmuiig wir
Kegnault verdanken.
Der Werth eilt stellt also die Zunahme der in der
Gewichtseinheit Wasser enthaltenen Warme dar, wenn die
Temperatur um dt wächst und wenn gleichzeitig der Druck,
unter dem das Wasser steht, in der Weise zunimmt, wie
der Druck des gesättigten Dampfes von der Temperatur t,
wenn er in gesättigten Dampf von der Temperatur t + dt
übergeht.
Diesem entgegen bedeutet iu der Formel (2) der Wertli
uidt die Wärmemenge, die dem Wasser unter constanleni
Drucke von aiifsen zugeführt werden inufs, um die Tempe-
ratur um dt zu erhöhen und zwar unter einem Drucke
gleich der Spannung des gesättigten Dampfes von der Tem-
peratur (.
Obgleich die vurstehenden Betrachtungen zeigen, dafs
die beiden Wcrlhe ta und c nicht gleich grofs seyn können,
so sind wir doch genotbigl, die Gleichheit anzunehmen, bis
der Wertb w durch Versuche ebenfalls bestimmt ist. Man
weifs wenigstens, dafs die Volumverändernugeu des Wassers
bei dessen Erwärmung unter atmosphärischem Drucke sehr
gering sind; macht man die sehr wahrscheinliche Annahme,
dafs das sieb unter andern der gewöhnlichen Pressungen
ähnlich verhalte, so ergiebt sich, dafs allgemein bei Erwär-
mung des Wassers unter beliebigem couslaiitem Druck die
in Folge der Volumen Veränderung des Wassers verschwun-
dene resp. erzeugte Wärmemenge als ganz gering vernach-
lässigt werden kann, dafs also die zugeführte und die sehliefs-
[icb im Wasser enthaltene Wärme vorläufig als gleich, d. h.
e> = c angenommen werden darf.
Der Werth von c wächst nach Kegnault so 1;uiv>.wa
mit der Temperatur, dafs mau genau &cou% \*it ^swVÄaäö&x
374
einen cousEaolcu Miltelwcrlh dafür verwenden kann. Clau-
sa us nimmt für c deii der Temperatur 100° eil tsp rech enden
Werth, nämlich c= 1,013, während ich in der oben er-
wähnten Schrift für mittlere bei Dom pfmasch inen vorkom-
mende Dainpftemperatureu die empirischen Formeln:
g= W=— 1.69H- 1,0224( .... (4)
und
w= c =^^-1,0221 (5)
in Anwendung brachte. Beide Formeln sollen auch im Fol-
genden benutzt werden.
In Gleichung { 1 ) stellte Q die Wärmemenge dar, die er-
forderlich ist, unter deu dort angegebenen Verhältnissen aus
der Gewichtseinheil Wasser von 0" gesättigten Dampf von
(° Temperatur zu erzeugen; der daselbst mit r bezeichnete
Werlh (die sogenannte latente Wärme) giebt hingegen die
Wärmemenge an, welche der Gewichtseinheit Wasser von
f von aufsen zugeführt werden mufs, um unter conatantem
Drucke gesättigten Dampf von gleicher Temperatur herzu-
stellen.
Während der Bildung des Dampfes wird nun aber der
conslante Druck p überwunden, sonach Arbeit verrichtet
Dieser Arbeit entspricht eine gewisse Wärmemenge, welche
verschwindet. Erfolgte die Dampferzeugung aus Wasser
von 0° unter constautein, der Dampfspannung gleichem
Drucke, dann ist von der zugefübrteu Wärme Q schliefslich
im Dampfe eine geringere Wärmemenge zurückgeblieben;
bezeichnet man diese mit J, sowie die verschwundene, in
Arbeit verwandelte Wärme mit L, so ist:
J = {? — L (6).
J habe ich -die im Dampfe enthaltene Wärmemenge - ge-
nannt: in der Folge soll jedoch dafür die kürzere Benen-
nung » Dampfwärme • benutzt werden.
Wurde hingegen der Dampf unter constantem, der Dampf-
spannung gleichem Drucke aus Wasser erzeugt, das schon
iin Anfang die Temperatur ( des zu erzeugenden Dampfes
halle, dann war r die vou aufewi i.\xLa£tihxeu.de Wärme.
375
Sublrahirt man davon die Wärmemenge L, die bei der
Bildung des Dampfes in Arbeit verwandelt wird, dann er-
giebt sich wieder die Wärmemenge , die im Dampfe zu-
riiek blieb oder man erfahrt, wie viel mehr Wärme in der
Gewichtseinheit von gesättigtem Dampf der Temperatur t
enthalten ist, als im Wasser von gleicher Temperatur.
Diese Wärmemenge, welche mit ß bezeichne! werden
mag, nannte ich die "innere latente Wärme«, sie tindet
sich also:
Q = r-L (7)
und giebt in Arbeit ausgedrückt zugleich diejenige Arbeit
an, die zum 'f heil zur Ueb er Windung der Cohäsion des Was-
sers verwendet wurde.
Die beiden Wärmemengen J und i> sind von der Art
der Herstellung des Dampfes ganz unabhängig und spielen
daher in der Lehre von den Dämpfen eine wichtigere Molle,
als die Wcrthc von Q und r, bei deren Verwendung man
immer im Auge behalten mufs, dafs der Dampf bei seiuer
Bildung einen constaulen Druck, überwinden inufsle, der sei-
uer eignen Spannung gleich ist; diese beiden Grüfscu ent-
halten uoch die Wärmemenge, die bei der ßilduug unter
der genannten speciellcu Voraussetzung iu Arbeit verwan-
delt wurde.
Die beiden Gleichungen (6) und (7) geben übrigens in
Verbindung mit Gleichung (1) noch die Itcziehung:
J=q+W (8).
hie Wärmemenge L, die in Arbeit verwandelt wird,
wenn die Dampferzeuguug unter coustantcni, der Dampf-
spannung gleichem Drucke erfolgt, findet sich auf folgende
Weise.
Ist iv das Volumen der Gewichtseinheit Wasser und v
das des gcsiitliglcn Dampfes, beide bei gleicher Temperatur
genommen, so ist die Voluinvergröfserung während der
Dampfbildung offenbar:
376
und da hierbei der «instante Druck p überwunden
die verrichtete Arbeil:
p(p—u>).
Bezeichnet ferner A daa Warmeaequivalent der Arbeits-
einheit, so ist die in Arbeit verwandelte Warme:
Ap (p — w>)
oder einfacher, neun man mit Clausius die Differenz
v. — w mit u bezeichnet:
L = Apu (9>
Der Werth u ist nur eine Function der Tetnperalnr,
der sich durch die zuerst von Clausius ') gegebene Be-
ziehung
T=A"'i (>»>■
in welcher T die absolute Temperatur bedeutet, bestimmen
ISfst.
Die Verbindung der beiden letzten Gleichungen giebt,
. . . (U).
Die rechte Seite dieser Formel enthält nur bekaunte
Gröfscn; die Berechnung des Ausdruckes für verschiedene
Temperaturen a) ergab mir, dnfs sich der Werth L mit sehr
grofser Uebereinstimmung mit den Wcrthen der Gl. (11)
durch die empirische Formel:
£ = Ap« = BIogn£ .... (12)
berechnen läfst, wenn man unter T die absolute Tempera-
tur 273 + ( versteht und B = 30,456 und n = 100 setzt.
Die Verbindung dieser letztem Formel mit den Gl. (6)
und (7) ergab ferner mit Berücksichtigung der Versuchs-
reihen Begnault's über die Gesaunnlwärinc des Wasser-
dampfes, dafs bis auf Weiteres die Dampf wärme:
J = 573,34 -+- 0,2342 * . . . . ( 13)
I) Diese Ann. Bd. 69, S. 508 päd l;.l. 97, S. 468, C :.,!. «c
S. 81.
2) GriWiÜj.: <ic. 5. SU.
377
id die «innere latente Wärme«, (zunächst nur für initiiere
Lei Dampfmaschinen vorkommende Temperaturen)
a = 575,03 — 0,7882 t .... (14)
esetzt werden darf.
Stellt mau vor, um nun zu weitem Betrachtungen über-
zugehen, iu einem für Wärme undurchdringlichen Gefäfsc
befinden sich m Kilogr. Dampf und St — »i Kiiogr. Wasser,
beide von der Temperatur t, der Dampf also von der ent-
sprechenden Spannung p, 80 ist, wenn über die fs noch das
Volumen der Gewichtseinheit Wasser mit tc, das des Dam-
pfes mit » und das Volumen der ganzen Masse mit V be-
zeichnet wird;
V — (M — m)ic-t-mc
= Mw -t-tn(v — u>),
oder wenn, wie oben, c — tc kürzer mit u bezeichnet wird:
V—Mto + mu (15).
In dieser Gleichung ist .1/ conslant und w läfst sich an-
uiihernd als conslant betrachten, daher folgt, wenn durch
irgeud eine Operation sich die Temperatur um dt, die Dampf-
uicugc um dm ändert, die Veränderung des Volumens
dV = d(mu).
Steht die Masse fortwährend unter einem Drucke, der
immer dem eben stattfindenden Dampfdrucke gleich ist, so
l;ii-i sich während der unendlich kleinen Ausdehnung um
d V der Druck p constant annehmen und man erhält daher
die dabei in Arbeit verwandelte Wärme, die mit dL be-
zeichnet werden mag:
dh=Apd(mu) (16).
Während die Masse ihr Volumen ändert, also Wärme
Ig Arbeit abgiebt oder Arbeit als Wärme aufnimmt, kann
gleichzeitig" ein Zu oder Abflihreu von Wärme stattfinden;
es fragt sich min nach der Veränderung der in der ganzen
Masse enthaltenen Wärme. Benutzt man die bisher an-
gewandte Bezeichnung, so ist die im Wasser cuthaltcne
Warme:
(M — „•) W,
*
die im Dampf enthaltene:
tnJ,
sonach die iu beiden befindliche, die mit U bezeichnet wer-
den mag:
U=MW+m(J — W)
oder mit Berücksichtigung der GL (8)
U=MW+mo.
VerHudert sich nun das Volumen der Masse um d V,
die Dam pfui enge um dm und die Temperatur um dt, so
folgt durch Differentiation vorstehender Gleichung die Ver-
änderung der im Wasser und Dampfe enthaltenen Wärme:
dü=M^dt + d(m9)
oder unter Benutzung von Gl. (5)
dM=Mcdt + d(mn) (I).
Diese Gleichung, iti welcher c genau der Wcrth ist, den
ftegnault durch Versuche bestimmt hat, gilt für alle Fälle,
mag die Masse sich ausdehnen, mag sie zusammengedrückt
werden, mag Wärme zu- oder abgeführt werden;- sie ist
daher als die Fundamentalgleichung für Dämpfe zu be-
trachten.
Bei ihrer Verwendung wird man, so lange die innere
latente Wärme nicht genauer bekannt ist, den Werth c
couslaut setzen und dafür den in GL (5) gegebenen Werth
benutzen.
Die Wärmemenge ferner, die während der angenomme-
nen Veränderung der Masse von außen zuzuführen ist und
die mit dQ bezeichnet werde, ist offenbar gleich der Zu-
nahme d U der inneren Wärme, vermehrt um die während
des Vorganges in äufsere Arbeit verwandelte Wärme; be-
zeichnet man die letztere mit dL, so erhält man als eine
zweite Hauptgleichung :
d Q = Mcdt + d (mo) + dL ... (II).
Steht die Masse während ihrer Veränderungen unter
einem äufseren Drucke, der in jedem Augenblicke dem
eben stattfindenden Dampfdrücke gleich ist, dann, aber auch
nur dann kann man tut dL ico. "\u G\. (.Wi %«%cbeoen
379
Werth Apd(mu) sabstitoiren, in )ed^m andern Falle mufs
dL besonders bestimmt seyn. Einige der wichtigsten dieser
Fälle habe ich in der oben genannten Schrift behandelt.
Die beiden Hauptgleichungen (1) und (II) lassen sich
leicht auf die Form bringen, in welcher sie Clausins in
diesen Annalen gegeben hat.
Nach GL (7) und (9) ist
g=zr — Apu.
Setzt man diesen Werth von q in Gl. (I), so folgt:
dU=Mcdt + d(mr) — d(Ampu)
oder
= Mcdt-\-d(mr) — Amu-^dt — Apd(mu)
und hieraus, wenn man noch die GL (10) benutzt, nach
einigen leicht zu übersehenden Umformungen:
dl/=(Jf— m)cd*+rdf»+iii((c+£j— ^dt—Apd(mü).
Den Werth:
der nnr von der Temperatur abhängt, bezeichnet Clau.
sius ') mit ht unter Benutzung derselben Bezeichnung
schreibt sich endlich:
dü=(M— m)cdt+rdm+mhdt— Apd(mu) . (p).
Der Vergleich dieser Gleichung mit Gl. (I) zeigt deut-
lich, welchen Vortheil die Einführung des Begriffs der
»inneren latenten Wärme p« gewährt. Für den praktischen
Gebrauch ist Gl. (I) weit bequemer; ihre Ableitung erfolgt
auf einem ganz elementaren Wege und überdies erkennt man
an ihr sofort, dafs sie integrabel ist, eine Eigenschaft, die
sehr verdeckt ist, wenn man die Gleichung in der Form I"
schreibt.
Für den speciellen Fall, dafs die Masse während ihrer
Volumveränderung einen Druck überwindet, der in jedem
Momente dem Dampfdrucke gleich ist, folgte ferner die von
auf$en zuführende Wärmet
1) Die*- AoDälea Bd. 79, S. 389 sowie B4. OT, S. 4&*.
UIK
dQ=dV+Äpd(mu)
und daher mit Benutzung von Gl. (I")
dQ=(M— m)cdt+rdm+mhdl . . (W).
In dieser Form hatClausius ') die Gleichtuig benutzt.
Führt man den ebeu gegebenen Werlli von h ciu, so
schreibt sich auch nach einfacher Umformung:
d Q — M cdi-*-d(mr) — m -£ d t.
In dieser Form, die Clausius ebenfalls zuerst benutzte,
ist die Gleichung für Lösung gewisser Probleme besonders
brauchbar, natürlich nur für solche, bei denen die Vor-
aussetzung gilt, dafs die Masse einen der Dampfspannung
glcichcu Druck zu Überwinden hat
Die allgemeinen Gleichungen (I) und (II) mögeu nuu zur
Lösung eines bestimmten Problems verwendet werden. Eins
der ersten Resultate, welches die mechanische Wsrme-
lheorie ergab und dessen Richtigkeit die Versuche von
Joule vollständig bestätigten, war folgendes: Verbindet
man ein mit einem permanenten Gase gefülltes Gefäfs mit
einein luftleeren, so finden keine Temperaturveränderun-
gen statt, wenigstens ist am Ende nach der Ausbreitung
des Gases im luftleeren Räume die Temperatur wieder die
anfängliche. Es ist nun vielleicht nicht ohne Interesse zu
untersuchen, -welche Erscheinungen auftreten müssen, wenn
man ein mit Wasser und Dampf gefülltes Gefäfs mit einem
luftleeren Räume in Verbindung bringt und wenn während
des Uebergauges Wärme von aufsen weder zu- noch ab-
geführt wird.«
Während der Ausbreitung des Dampfes im luftleeren
Räume wird keine äufsere Arbeit verrichtet; da nun auch
weder "Wärme zu- noch abgeführt wird, so ist offenbar
die in der Masse enthaltene Wärme unverändert geblieben,
sonach düszO und nach Gl. (1)
Medt+d(MQ)=0.
Ist im Anfange die Dampfmenge m, und die Temperatur I,
und bezeichnet m, die Dampfmenge und f, die Tempert
1) Die« Aaulea Bd. 97, S. 459. 1
tur am Ende, so folgt ohne Weiteres durch Integration
vorstehender Gleichung:
Mc(t, — (,)+»»,/>,— msp,=0
und hieraus die Dainpfmcnge am Ende.
„,= »'<'.-'.)+an- .... (1„.
Neben dieser Gleichung läfst sich noch eiue zweite
aufstellen. Ist Vx das Volumen der Masse im Anfange und
F, das Volumen am Ende, so folgt uuler Beibehaltung der
früheren Bezeichnung nach Gl. (15), wenn m, und ut die
der Temperatur (, und fs entsprechenden Werthe von u
darstellen:
F,=jtfw+m1u1
F, =Mw-t-m, ii,
und hieraus:
F5 — F,=m,u,— m,u,
oder wenn man noch den Werth von m, aus Gl, (17) be-
nutzt nach leichter Umformung:
(F, -V,)2l=Me(t, -!,) + «!, «.(^-^) (»»).
Da man es hier mit einer Ausdehnung zu thun hat, so ist
die linke, also auch die rechte Seite dieser Gleichung po-
sitiv und da überdiefs der Werth — mit der Temperatur
teächsl, so ersieht man zunächst, dafs immer die Endtem-
peratur f. kleiner, als die Anfangslemperatur (, ist.
Verbindet man also ein mit Wasser uud Dampf gefüll
tes Gefäfs mit einem luftleeren, so findet stets eine Tem-
peraturabnahme statt.
In Gl. (IS) bedeutet F,~ -V, den Inhalt des anfanglich
luftleeren Baumes; die erforderliche Grül'se desselben läl'st
sich sonach berechnen, wenn die Dampfmenge m, im An-
fange, sowie die Anfangs- und Endtemperatur (, uud (,
gegeben sind, weil in diesem Falle sich nach Gl. (1-1) die
innere latente Wärme Qt uud t>„, sowie nach Gl. (12) die
Werthe u, uud h, bestimmen lassen, da die den Tcmpe-
382
raluren tt und f, entsprechenden Wcrlhe der Dampfspan-
nungen als bekannt anzunehmen sind.
Wäre umgekehrt das Volumen des luftleeren Raumes
gegeben, so giebt Gl. (18) das Mittel an die Hand die End-
temperalur (._. zu berechnen. In diesem Falle läfst sich al-
lerdings die Gleichung nur durch Probiren lösen, da der
Wcrth — nicht in einfacher Beziehung zur Temperatur
sieht. Um solche und ähnliche Rechnungen zu erleichtern,
habe ich in der angeführten Schrift die Werthe vou -$-
für verschiedene Temperaturen berechnet und tabellarisch
zusammengestellt.
Dieser Werth spielt überhaupt eine nichtige Rolle, da
man bei der Lüsung verschiedener Probleme auf denselben
stufst; man kann ihm Übrigens eine bestimmte Bedeutung
unterlegen. Da nämlich u nahezu das Volumen der Ge-
wichtseinheit Dampf ist, indem man in der Gleichung:
W=ü — 10
den Werth tu, das Volumen der Gewichtseinheit Wasser,
gegen den viel gröfseru Werth v vernachlässigen kann, so
bedeutet — annähernd die innere latente Wärme der Vo-
htmeneiitkeit Wasserdampf, weil p die der Gewichtsein-
heit ist.
Ferner verdient es hervorgehoben zu werden, dafs die
rechte Seite der Gl. (18) nichts anders darstellt, als die
Wärmemenge, «die man der Masse M (wovon m, dampf-
förmig) von der Temperatur tL bei constanlem Volumen
entziehen müfste, damit die Temperatur auf f .. sinke ').«
Ist nun, um wieder zu unserm Fall zurückzukehren, die
Eudtcmpcratur (, bekannt, entweder direct gegeben oder
aus Gl. (18) bestimmt, dann berechnet sich nach Gl. (17)
die Dauipfincngc am Ende des Versuches und der Ver-
gleich mit der anfänglichen Dampfmenge wi, zeigt dann, ob
während des Vorgangs ein Niederschlagen von Dampf oder
ein Verdampfen von Wasser stattgefunden hat.
I ) Grundlage M S. Üb. Problem VI.
983
Seilt man:
mt=mt+fA9
so repräsentirt p, wenn es positiv auftritt, die Dampfmenge,
die sich in Folge der Expansion in den luftleeren Raum
neugebildet bat, erscheint es negativ, dann giebt es die
Dampfinenge an, die sich niedergeschlagen hat
Die Substitution dieses Werlhes von m2 in 61. (17)
giebt dann:
„ Mc(t,— *»)— M|(gl — gl)
^— - s #
Setzt man nun für GL (14):
Q = a—ßt,
indem man die dort gegebenen Zahlenwerthe durch a und
ß ersetzt, so folgt aus der letzten Gleichung:
^ = (#4— »i)
Q*—Qi
ß " Q*
oder weil bis auf Weiteres c = 1,0224 und ß = 0,7882
gesetzt werden darf:
fi = (1,2971 M— nA)to=** . • (19).
Da nun %tets «,<! und nach Obigem g2'^(fl ist, so
folgt, dafiß unter allen Umständen der Werth fi positiv er-
scheint, d. h. es findet immer ein Verdampfen, nie eine
Condensation statt
Das Problem ist hiernach vollständig gelöst; verbindet
man also ein mit Wasser und Dampf gefülltes Gefiifs mit
einem luftleeren, so findet eine Temperaturabnahme und
gleichzeitig ein Verdampfen eines Theiles des Wassers statt
Damit das letztere möglich sey, mufo natürlich immer im
Anfange eine gewisse Quantität Wasser vorhanden seyn und
die vorstehenden Rechnungen gelten auch nur so lange, als
man versichert seyn darf, dafs der Dampf am finde noch
im gesättigten Zustand ist.
Zugleich ist aus vorstehenden Ergebnissen zu schliefsen,
dafs, wenn im Anfange kein Wasser, sondern nur gesät-
tigter Dampf vorhanden ist, der Dampf während seiner 4
1
384
Ausbreitung im luftleeren Räume in den Überhitzten Zu-
stand Übergehen inufs.
Dafs gesättigter Dampf in den luftleeren Raum evpau-
dirt, sich überhitzen müGse, hat in neuester Zeit auch G.
Schmidt a üb gesprochen '}.
Der Ucbcrgang des Dampfes aus dein gesättigten in den
überhitzten Zustand kanu natürlich auch stattfinden, wenn
im Anfange Wasser vorhandeu ist, die Ausdehnung aber
ein gewisses Maafs überschreitet. Die G ranze, bis wohin
in diesem Falle die obigen Formeln noch gültig sind, läfst
sich jedoch leicht bestimmen; sie ist nämlich dadurch be-
zeichnet, dafs schließlich alles Wasser in Dampf verwan-
delt, also nach der bisherigen Bezeichnung:
m,—M
ist. Dann ergiebt sich aus Gl. (17)
M(ct, +Qs)^=Mct, -f-D», Q,
oder:
Da nun aber nach Gl. (8) W, -f-p, nichts anderes als
die Dampfwärme J, bedeutet, so berechnet sich
/,=w,+£e ..... CM)
und hieraus dann nach Gl. (13) die Endtemperatur f,. Dann
endlich giebt Gl. (18) Vt—V, als das Volumen des luft-
leeren Raumes, den mau mit dein Dampf- und Wasser-
räume in Verbindung setzen mUfste, damit schliefslich alles
Wasser verdampft, der Dampf aber eben noch im gesät-
tigten Zustande sey. Würde der Raum gröfser angenom-
men, als ihn vorstehende Rechnung ergiebt, dann ist der
Dampf schliefslich überhitzt und für diesen Fall läfst sieb
der Vorgang beim heutigen Standpunkt der Wissenschaft
nicht weiter verfolgen , d. h. man kann die Temperatur nnd
Spannung des Überhitzten Dampfes am Ende des Versucht
nicht bestimmen.
Wollte man freilich die, jedoch unzweifelhaft unmlas-
1) ßcitrig ur Mcdmiifc der Gur Bd. 39, S. 41 d« J»hv8»ugi ISN
der Simmgibo-ietiie der küi. Audemic la Wim.
sige, Annahme machen, dafs sich die Wasserdämpfe, abge-
schlossen vom Wasser selbst im gesättigten Zustande wie
permanente Gase verhalten, wie das neuerdings Doch von
G. Schmidt (a. a. O.) geschehen ist, so wäre die Beant-
wortung der Frage leicht.
Dana wäre nämlich J nicht blofs die im gesättigten
Dampfe von der Temperatur t enthaltene Wärme, sondern
auch die innere Wärme des überhitzten Dampfes der glei-
chen Temperatur, welches auch dessen Spannung wäre ').
Dauu würde Gl. (20) auch für den letzten Fall gelten
und die Temperatur (, ergeben, welche der überhitzte
Dampf am Ende des Versuchs hat. Wäre z. B. schon an-
fangs nur Dampf vorhanden, also m,=Jff, danu würde
Gl. (20) ergeben:
also (, =t, , d. h. die Temperatur würde am Ende die an-
fängliche seyn, wie das eben bei Gasen der Fall ist.
Schließlich sollen unsere obigen Fortnein durch ein spe-
cieltcs Beispiel noch etwas nühcr erläutert werden. In
einem Gefäße befinden sich M Kilogr. Wasser und Dampf
und zwar seyen »i,=0,95 M Kilogr. als Dampf, also 5 Proc.
Wasser vorhanden. Die Temperatur sey t,=1520,22,
also die Dampfspannung 5 Atmosphären. Durch Verbin-
dung mit einem luftleeren Gefäße soll die Temperatur auf
(,, = 100", also die Spannung auf eine Atmosphäre sinken.
Danu ergiebt Gl. (17) sofort die Dampfmengc am Ende,
weil nach Gl. (14) p,=455,05 und p, =496,21 ist:
mt = Q,98M.
Es ist sonach eine Wasseruienge in Dampf übergegangen,
deren Gewicht 0,03 M Kilogr. beträgt.
Da sich nach Gl. (12)
«,=0,3617 und «, = 1,6449
bestimmen, so folgt das Volumen der Masse im Anfange:
V, = Jfto+m, «, =0,3446 M
am Ende:
1 ) Grup.1t!
Poggcndorl
K5 = tf«>-+
e de S. 173.
i Annal. Bd. CX.
. =1,6130 M
uiüi daraus crgiebl sich das Expansionsverhältnifc:
[.' = 4,69
und ferner das Verhältnife des Inhalts des anfänglich luft-
leeren Gefäfses zum Inhalte des anfänglich mit Wasser und
Dampf gefüllten:
Hätte mau Li u gegen verlangt, dnfs schlicfslico alles Was-
ser als Dampf, aber gesättigt, vorhanden sey, so bestimmt
sich der erforderliche Inhalt des luftleeren Gefnfses auf fol-
gende Weise:
Zuerst berechnet sich nach Gl (20) die Dampfwärme
des schliefslich vorhandenen Dampfes, weil nach Gl. (4)
der der Temperatur f, = 152,22 entsprechende Werth von
IV, = 153,94 ist:
J, = 586,23
und diesem Werthe entspricht nach Gl. (13) die Tempera-
tur (j =53'' (I und nach Regnaults Versuchen die Span-
null- von 117,17 Millimeter Quecksilbersäule oder 0,157
Atmosphären.
Das anfängliche Volumen ist, wie oben:
K, =0,3446 M.
Hin^e^cn das F.üdvoluinen, weil der der Temperatur t]=;551'
entsprechende Werth von w^— 9,6031 ist:
V, =9,6041 M.
Daher das Expansionsvcrhälttiifs:
£ = 27,84,
und sonach müfslc der Inhalt des anfänglich luftleeren Ge- '
fäfses 26,64 Mal so grofs seyn, als der Inhalt des mit Wag- I
ser und Dampf gefüllten, damit am Schlüsse des Vorganges
nur noch gesättigter Dampf vorhanden wäre.
Wäre der Inhalt des zweiten Gefäfses groTser, so würde
der Dampf in den überhitzten Zustand übergehen. j
Zürich, den 12. April 1860.
38T
III. lieber die Temperatur der Dämpfe, welche
aus siedenden Salzlösungen aufsteigen;
von A. TVüllner.
In seiner Abhandlung ') über die Siedepunkte der Salzlö-
sungen ist Hr. Regnault zuerst der gewöhnlichen Erklä-
rungsweise der von Rudberg beobachteten Thatsache, daf8
die Thermometer in Dlmpfen, welche aus siedenden Salz-
lösungen entweichen, nur die Temperatur der Dämpfe an.
zeigen, welche aus bei gleichem Drucke siedenden Wasser
emporsteigen, entgegentreten. Nach derselben sollte der
Dampf im Momente seines Entstehens und so lange er in
der Flüssigkeit weilte, allerdings die Temperatur der Lö-
sung haben, und für diese Temperatur gesättigt seyn, aber
dann aus der Flüssigkeit austretend sich ausdehnen, bis
sein Druck dem äufsern auf der Flüssigkeit lastenden Druck
gleich wäre. Diese Ausdehnung solle dann den Wärme-
überschufc verbrauchen, und dann den Dampf genau auf
die Temperatur zurückführen, wo seine Spannkraft dem
äufsern Drucke das Gleichgewicht hält
Hr. Regnault bat die Thatsache, dafs das Thermome-
ter im Dampfe einer siedenden Salzlösung stets die Tem-
peratur des Dampfes anzeige, welcher aus reinem unter
gleichem Drucke siedenden Wasser aufsteige, auf das Um-
fangreichste bestätigt, aber als Grund dieser Erscheinung
angegeben, dafs die Thermometerkugel stets von flüssigem
Wasser bedeckt wird, welches ab und zu in die Flüssig-
keit herabtropft. Wenn das aber der Fall ist, so ist klar,
dafs man nicht die Temperatur der Dämpfe mifst, sondern
die des an der Thermometerkugel siedenden Wassers. Das
Wasser habe sieb meist am Stiele des Thermometers nieder-
geschlagen und sej an die Kugel hinabgeronnen, aber selbst
als die Thermometerkugel durch passend angebrachte Schirme
gegen das vom Stiel hinabgelaufene Wasser geschützt sey,
I) Comptes rendus tom. XXXIX, Po gg. Ami. Bd. 93.
"üä*
388
habe dieselbe nicht trocken erhallen werden können, au-
fser sehr nahe über der Flüssigkeit. Dort sey aber auch
eine merklich höhere Temperatur beobachtet worden. Ocr
Grund dafür aber, dafs die Dämpfe sich sobald ober der
Flüssigkeit niederschlagen, sey in der grofsen Menge Flüs-
sigkcilstropfen zu suchen, welche beim Sieden mit in die
Höhe gerissen, in dem Dampf räum verdampfen und durch
ihr Verdampfen die Wärme den Dumpfen entziehen; au-
fserdem in äufserer Abkühlung.
Hr. Reguao.lt führt dann noch weiter aus, weshalb
man nicht annehmen könne, dafs die Temperatur der Dämpfe
der mit dem Thermometer beobachteten gleich sey, indem
er entwickelt, dafs mau in den obern Schichten der Flüs-
sigkeit deu Dämpfen nicht eine viel höhere Dichtigkeit zu-
schreiben könne als dem iiufseren Drucke entspreche und
dafs deshalb die nach der gewöhnlichen Erklämngs weise
anzunehmende Ausdehnung und folgeweise Erkaltung nicht
stattfinden können.
Zu diesen von Hrn. Regnault angegebenen Gründen,
habe ich ') vor einiger Zeit noch einige hinzugefügt, indem
ich den Nachweis zu liefern versuchte, dafs die Dämpfe,
welche aus siedenden Salzlösungen emporsteigen, überhitzte
scyu müssen; wie sich leicht aus einer nähern Betrachtung
der Dauipfbildung von Salzlösungen ergiebr. ist aber der
aus siedenden Salzlösungen aufsteigende Dampf nicht ge-
sättigt für die Siedetemperatur, so kann die beobachtete
niedrigere Temperatur uicht der Natur dieser Vorsänse.
sondern nur störenden Umständen zuzuschreiben seyn.
Die verminderte Spannkraft des Dampfes, welche wir
hei Salzlösungen beobachten, ist Folge der Anziehuug, wel-
che von den Salztbeilchcn auf das Wasser ausgeübt wird
und welche deshalb die Dauipfbildung ebenso erschwert,
wie ein stärkerer auf dein Wasser lastender Druck. Des-
halb erhält der in der Flüssigkeit sich bildende Dampf ersl
bei höherer Temperatur die Dichtigkeit uud Spannung
welche in reinem Wasser der Dampf schon in uiederer
1) Pogg. Ann. Bd. 103.
I
Temperatur erhält. Die Dichtigkeit des schoo gebildeten
Dampfes wird aber durch das Salz noch vermindert, wie
Hr. Magnus nachgewiesen hat. Derselbe fand nämlich,
dafs eine Kochsalzlösung zu siedendem Wasser gebracht,
die Spannkraft des Dampfes sofort um ein bedeutendes ver-
mindere. Sowie nun der über dem Wasser lastende Dampf
in dem Barometer von dem Salze afficirt wird, so mui's
auch der in der Flüssigkeit als Blase aufsteigende Dampf
von deu Salztheilchcn angezogen werden, und selbst wenn
er im Augenblicke seiner Bildung die Dichtigkeit des in
siedendem Wasser gebildeten Dampfes hatte, durch die Ein-
wirkung; des Salzes verdünnt werden. Da also überhaupt
aus einer Salzlösung nur Dampf sich entwickeln kann, der
eine geringere Dichtigkeit besitzt als der, bei gleicher Tem-
peratur aus reinem Wasser aufsteigende, so mufs bei glei-
cher Spannung der aus einer Salzlösung sich entwickelnde
Dampf eine höhere Temperatur haben; es mufs also auch
der Dampf einer Salzlösung bei einer Spannung von 760"™
eine höhere Temperatur haben, als 100°.
Zu diesen Gründen, dafs der aus siedenden Salzlösuii
gen aufsteigende Dampf überhitzter und nicht gesättigter
si:v, läfst sich noch eiu anderer hinzufügen, aus welchem
hervorgeht, dafs die gewöhnliche Erklürungsweisc der Bud-
berg'sclicn Beobachtung einen vollständigen Widerspruch
in sieb schliefst, nämlich den, dafs eine Salzlösung leichter
verdampfe als reines Wasser-
Wenn eine gegebene Menge Wasser von der Tempe-
ratur (° in gesättigten Dampf von derselben Temperatur
verwandelt werden soll, so mufs ihm eine bestimmte Wärme-
menge zugeführt werden, welche bewirkt, dafs die Was-
scrtheilcben aus deu dem zweiten Aggrcgalzuslande entspre-
chenden Abständen in die dem dritten Aggregalzustandc
entsprechenden Abstände gebracht werden, und welche die
durch die Volumvergrüfserung, welche bei der Verdam-
pfung stattfindet, bedingte äufsere Arbeit leistet. Diese
Wärmemenge ist die latente Wärme der Dämpfe, wie sie
von Hrn. Reguault bestimmt ist; sie zerfallt nach des
390
besagten in zwei Tbeile, deren erster dazu dient um die
Cobärenz der Wassertlieilchcn zu überwinden, also die bei
diesem Processe notwendige innere Arbeit zu leisten. Die-
ser ist daher ein Maats für die grossere oder geringere Leich-
tigkeit mit der eine Flüssigkeit verdampft. Von der beim
Verdampfen latent gewordenen Wärme ist auch nur dieser
wirklich iu den Dampf Übergegangen, da der andere Theil
zu äufserer Arbeil verbraucht ist. Man kann nun diese
Wärmemenge aus der iunern im Dampfe enthaltenen W7ärmi'
bestimmen. Letztere besteht nümlich aus der dem Wasser
zugeführten Wärine, bis es die Temperatur t" erhalten halte,
vermehrt um diesen Theil der Wärme, welche man dem
Wasser von der Temperatur f hinzuführen mufslc, um es
in gesättigten Dampf derselben Temperatur zu verwandeln.
Bezeichnen wir diesen letztem Theil mit W, die specinschc
Wärme des Wassers mit c, die angewandte Menge mit «,
die Siedetemperatur mit (" und gehen wir von dem Null-
punkt der Ccntcsiuialscale aus, so dafs V der Ueberschufe
der in der Dampfmenge m enthaltenen inneren Wärme übci
die in der gleichen Menge Wasser von l>° enthaltene an-
giebt, so ist
V=W+mcl
also
W^U — mct.
Die innere Wärme U einer Dampfmenge läfst eich nun
bestimmen aus der Gesammtwärme Q, welche nothwemfy
ist, um eine bestimmte Quantität Wasser von 0° in Dampf
von (" zu verwandeln. Diese läfst sich wiedergeben durri
Q=U+AF
wenn wir mit F die bei diesem Proccsse geleistete äufserc
Arbeit bezeichnen und mit A den Wärinewcrlh der \i-
biilscinbeit.
Die Wärmemenge Q ist nun verschieden )e nach dem
Wege, auf welchem die I kämpf hildung erfolgt ist, weil )t
nach dem verschiedenen Wege die äufscre Arbeil F und
somit AF verschieden ist. V die innere Wärme des Da«*
pfes ist aber von diesem Wege, auf welchem der Dampf
;
391
erzeugt ist, unabhängig, sie isl immer dieselbe für gesät-
tigten Dampf bestimmter Spannung. Ist daher für irgend
eine Art der Dampfbildung Q bekannt, und läfst sich AF
bestimuien, so kann /■' ein für allemal für jede Tempera-
tur bestimmt werden. Daratis läfst sich dann auch die
Wärmemenge W berechnen, welche zu der inneren bei
diesem Processe nothwendigen Arbeit verwandt ist.
Die innere Wärme U einer gegebenen Menge gesättig-
ten Wasserdampfes von gewisser Spannung mufs nun aber
nicht nur unabhängig sevn von dem Wege, auf welchem die
Verdampfung vor sich gegangen ist, sie mufs auch ganz un-
abhängig seyn von der Flüssigkeit, aus welcher der Dampf
entstanden ist, vorausgesetzt nur, dafs der Dampf reiner
W*asserdampf ist und für die Temperatur, welche er be-
sitzt, gesättigt ist. Denn die innere Wärine eines Körpers
bangt nur von dem Zustande desselben ab, der durch das
Volumen und den Diuck, unter welchem der Körper steht,
genau bestimmt ist; die innere Wärme ist nur eine Func-
tion des Volumens und des Druckes, oder beim gesättig-
ten Wasserdampf sogar nur des Druckes. Wollte man da-
her annehmen, dafs gesättigter Dampf, je nachdem er aus
reinem Wasser entstanden isl oder aus nicht reinem sich
gebildet hat, eine verschiedene iuuerc Wärme besitze, so
miifstc man auch annehmen, dafs der Dampf jenachdem ein
ganz anderer Körper sey, eine Annahme, welche gewifs
Niemaud machen wird.
Wenn nun nach der gewöhnlichen Ei klärungsweise der
von ftudberg beobachteten Thatsache angenommen wird,
dafs der aus siedenden Salzlösungen entweichende Dampf
im Momente der Entbindung für die Siedetemperatur ge-
sättigt sey, so muls dann auch der Dampf genau die in-
nere Wärme besitzen, welche der aus reinem Wasser bei
gleicher Spaunuug gebildete Dampf besitzt. Läfst man nun
aus einer Lösung ein Kilogramm Wasser verdampfen und
berechnet unter obiger Voraussetzung, dafs der gebildete
Dampf für die Siedetemperatur gesättigt sey, aus der in-
ueni Wärme 1/ des Dampfes der Siede leiuntvaliM tt»A 4«
392
specin scli en Wonne der Lösung die Wärmemenge W, welche
noljiwcndig ist, um die innere Arbeil bei der Verdampfung
zu leisten, eo findet sich bei einer Reihe von Losungen-
bei welchen alle zu dieser Rechuung erforderlicheu Daleu
vorliegen, W kleiner als dieses für reines bei der gleichen
Temperatur siedendes Wasser der Fall ist. Daraus würde
dann folgen, dafs um ein Kilogramm Wasser von der Tem-
peratur t" in Dampf von derselben Temperatur zu verwan-
deln, eine geriugerc innere Arbeit zu leisten ist, wenn man
das Wasser aus einer Salzlösung verdampfen läfsl, als wenn
man den Dampf aus reinem Wasser darstellt; obwohl in
dem ersten Falle aufser der Cohärcnz der Wasserlhcile
noch die anziehende Kraft der Salzthcilc zu Überwinden
ist. Einige Zahlen sollen dieses belegen.
In dem vortrefflichen Sehnlichen » (irundziige der me-
chanischen Wärmetheorie von Dr. G. Zeuner, Freiberg
1860- sind die Werthc für die innere Wanne U eines Ki-
logramm Wasserdampf mit Zugrundelegung der Regnault'-
schen Zahlen für die latente Wärme des Wasserdaiiipfes
berechnet und in einer Tabelle zusammengestellt. Ebenso
sind die Werthe für W aus
W=R — AF
berechnet und zusammengestellt, worin R die latente Wärme
des Dampfes nach den Beobachtungen des Hrn. Regnault
und daraus nach einer Näbcrungsfonnel des Hrn. Clausius
fi=607 — 0,7081
berechnet ist AF ist der Theil dieser latenten WSrme,
welcher zu der bei diesem Processe notwendigen äufsern
Arbeit verwandt ist. Uebcr die Berechnung dieses Wer-
tlies mag auf das angegebene Werk verwiesen werden.
Eine Kochsalzlösung, welche auf 100 Theile Wasser
32,6 Theile Salz enthält, siedet nach Legrand's Gestim-
mungen bei 106", 45 C. Soll ein Kilogrm. Wasser aus einer
solchen siedenden Lösung in Dampf verwandelt werden, so
mufa zunächst 1,326 Kilogrm. der Lösung bis auf 106°,45C.
erwärmt werden. Nun ist die gesammte innere Warme
eines Kilogramms bei 106°,45C. gesättigten Wasserdampfes
(7=598,31 Wärmeeinheiten.
393
Die specifische Wärme einer solchen Kochsalzlösung ist
nach Hrn. Person ■)
C= 0,7852.
Berechnen wir nun W ans
Wssü — mct
W= 598,31 — 1,326 . 0,7852 . 106,45
= 598,31 — 110,89 = 487,42.
Um ein Kilogramm reines Wasser von der Temperatur
106°,45C. in gesättigten Dampf dieser Temperatur zu ver-
wandeln, ist nach den Tabellen des Hrn. Zeuner
W = 490,89
Differenz = 3,47 Wärmeeinheiten,
welche das Wasser mehr verbrauchte.
Für eine Lösung desselben Salzes, welche 16,3 Theile
Salz auf 100 Wasser enthält, ist
die Siedetemperatur 1 = 102,8 nach Legrand
die specifische Wärme o= 8,8721 nach Person
m= 1,163
Für die Temperatur 102 ü, 8 U= 597,39 nach Zeuner
W= 597,39 — 1,163 . 0,8721 . 102,8 = 493,13,
dagegen für reines Wasser W= 493,73
J = 0,6 Wärmeeinheiten,
welche das Wasser mehr verbrauchen würde.
Für eine Lösung von phosphorsaurem Natron, welche
20 Theile Salz auf 100 Wasser enthält, ist
*=100°,9
c = 0,9364
m= 1,20.
Für f=100°,9 ist U = 597,03.
W=z 597,03 — 1,20 . 0,9364 . 100,9 = 483,65,
während für reines Wasser bei « = 100,9 IT =495,23
J = 11,58.
Bei einer Lösung, welche 27,5 Theile Chlorcalcium auf
100 Theile Wasser enthält, ist
1 ) Annale* dt chim. et dt phys. Str. Ul% T. XXXlll.
391
»eler-
UDkl
1=103,5 nach Legrand
c = 0,8587 uach Person
M = 1,275.
Für ( = 103,5 ist V = 597,19.
Also W = 597,49 — 1,275.0,8587 . 103,5 = 184,16,
während wiederum für reines Wasser Dach den Tabellen
des Hrn. Zenner
Wm 493,63
^ = £1,17 Wärmeeinheiten,
welche für Wasser mehr nothwendig wären.
Eiuc Lösung, welche auf 100 Wasser 20 Theüe saipeter
saures Nalron cnlbält, zeigt nach Lcgraud den Siedepunkt
( = 102°,5
c = 0,8682 (Person)
m = 1,20.
Für f = 102°,5 ist 17=597,31.
Daraus
JT= 597,34 — 1,20 . 0,8682 . 102,5 = 490,62.
Für reines Wasser hingegen ist
W =294,94
,4 — 3,12 Wärmeeinheiten.
Eine Losung von salpetersaurem Kali, welche 20 Theile
Salz auf 100 Wasser enthält, siedet bei
( = 101°,86 (Legrand)
c = 0,8542 (Person)
m = 1,20.
Für f=101°,86 ist (7=597,24.
Darnach
W= 597,24 — 1,20 . 0,8542 . 101,66 = 492,81.
Dagegen ist für reines Wasser bei t =. 101,86
W= 494,59
J=I,75 Wärmeeinheiten,
welche mehr nothwendig waren um die innere Arbeit bei
Wasser zu leisten, welches bei 101,86 C. siedet als bei
einer gleichen Siedepunkt besitzenden Lüsung von Kalisal-
peter, wenn 1 Kilogr. Wasser in Dampf verwandelt wer-
de/! soU.
Diese Zahlen werden die vorhin ausgesprochene Be-
hauptung belegen, dafs mau mit der Annahme, dafs die aus
siedenden Salzlösungen entweichenden Dämpfe gesättigt
seyeu, zu der Folgerung geführt werde, es bedürfe einer
geringeren inneren Arbeil um Wasserdampf aus Salzlösungen
zu entwickeln als aus reinem Wasser. Sollten sich die
Zahlen in andern Fallen anders stellen (ich habe nur diese
vergleichen können, da von anderen Salzlösungen die spe-
eifischün Warmen nicht bekannt sind) so würde doch aus
diesen Fällen schon die Uuslaltbaftigkcit der Annahme er-
folgen, dafs die Dämpfe gesättigt seyeu, denn führt eine
Hypothese in ciuzclnen Fällen zu Widersprüchen, bo ist
sie zu verwerfen. Damit fällt dann aber auch sofort die
gewöhnliche Erklärungsweise der von Rudberg beobach-
teten Erscheinung. Denn wenn die Dämpfe im Momente
ihrer Eulbindung aus der Flüssigkeit nicht die Dichtigkeit
besitzen, welche der Siedetemperatur entspricht, su kann
auch keiue Ausdehnung nach dein Enlsteigeu aus der Flüs-
sigkeit slaltlindcn und den Temperatur-Ueberschufs über
100" verbrauchen, sundern die höhere Temperatur, welche
die Dämpfe in der Lösung besitzen und besitzen müssen
um die Spannkraft 760""" zu zeigen, kann nur, wie Hr.
Rcguault zuerst behauptet hat, durch äufsere störende
Umstände erniedrigt werden.
Dieser Beweis scheint mir so bindend zu seyn, dafs es
kaum eines weitem experimentellen Beleges bedarf. Der-
selbe kann jedoch leicht erhalten werden und liegt eigent-
lich schon in meinen Versuchen über die Spannkraft des
Wasserdampfes aus wässerigen Salzlösungen vor. Wenn
nämlich die Dampfe im Augenblicke ihrer Entwicklung Dich-
tigkeit und Spannung besitzen, welche der Siedetemperatur
der Lösung zukommen, aber dann aus der Flüssigkeil aus-
tretend sieb ausdehnen, bis ihr Druck und damit die Tem-
peratur dem Dampfe, dessen Spannung dem äufseren Drucke
gleich ist, entspricht; so ist klar, dafs eine solche Spannungs-
vermiuderung in einem geschlossenen Baume, dessen. T«.\-&-
peratur gleich der der Lösung ist, mcVt «\\AkX«ä V»kw
Würde man daher eine Salzlösung in einein Barometer zum
Sieden bringen, welches sich in einem Oelbade befindet,
so mUfste man eine ganz andere Siedetemperatur, eine viel
niedrigere, beobachten als in freier Luft.
Ja mehr noch; in der Weise untersucht, wie ich die
Spannkräfte der Dampfe von Salzlösungen gemessen habe,
dürften die Dämpfe durchaus keine andere Spannkraft zei-
gen, als die Dämpfe aus reinem Wasser. Denn die Dampf-
räiimc der Barometer, in welchen die Dampfe erzeugt wur-
den, befanden sich in dem Wasserbade, welches die Lo-
sungen erwärmte, halten also mit letztem genau dieselbe
Temperatur. "Wenn nun die Dämpfe im Momente ihrer
Entbindung gleiche Dichtigkeit und Spannung besessen hät-
ten mit dem Dampfe, welcher bei gleicher Temperatur aus
dem reinen Wasser emporstieg, so hätten sie dieselbe auch
behalten müssen, da eine Ausdehnung und Abkühlung durch-
aus nicht stattfinden konnte. Die Dämpfe bitten also unter
diesen Umständen stets die gleiche Spannung mit dem Dampfe
aus reinem Wasser, also auch bei 100 die Spannung 760""
zeigen müssen. Die Versuche bewiesen aber das Gegenlheii;
ja in zwei Fällen (bei Kochsalz und Chlorkalium) stimmten
die nach meinen Formeln berechneten Siedepunkte mit den
von Legrand beobachteten überein. In zwei anderen
Fällen, wo diefs nicht geschah, bei Kali- und Natron-Sal-
peter, schien überhaupt das Verhalten des Salzes in höbern
Temperaturen ein anderes zu werden.
Damit beschäftigt die Spannkräfte der Salzlösungen in
höheren Temperaturen zu verfolgen, hoffe ich auch den
letzten Tbeil des Beweises noch beizubringen, nämlich den,
dafs in der angegebenen Weise untersucht, die Spannung
von 760Hm den aus den Salzlösungen entweichenden Däm-
pfen erst bei der Temperatur zukommt, welche Legrand
als Siedetemperaturen beobachtet hat.
Marburg, den 14. März 1860.
IV, Das magnetische Verhalten der verschiedenen.
Glimmer und seine Beziehung zum optischen Ver-
halten derselben; von Plücker.
I I r. von Scnarmoul hat die interessante Thatsache beob-
achtet, dafs gewisse Salze, die isomorph und von analoger
chemischer Zusammensetzung sind, sich in optischer Hinsicht
verschiedenartig verhallen. Wenn zwei solche Salze, zum
Beispiel in geraden rhombischen Säulen kristallisircn, so
liegen die jedesmaligen beiden optischen Axeti in zwei ver-
schiedenen der drei auf einander senkrechten Hauptschnilte.
Zwei solche Salze kryslallisireu in allen möglichen Propor-
tionen zusammen, wobei die Krystalllorin immer dieselbe
bleibt. Wenn wir von einer Lösung eines der beiden Salze
ausgeheu und dieser immer neue Mengen des andern Salzes
zusetzen, so schiefsen Kristalle an, die, in analogen Pro-
portionen als die Lösungen, beide Salze gemengt enthalten.
Die optischen Eigenschaften dieser Sa Izge menge liegen, in
Folge einer Art von Compensatio^, in der Mille zwischen
den optischen Eigenschaften des ersten und des zweiten
Salzes, so dafs, während bei dem ursprünglichen Salze, die
Aicn in ciuem der Hauptschnilte der Grundform einen grö-
fseren (spitzen oder stumpfen) Winkel bilden, dieser Win-
kel in Folge der zunehmenden Beimengung des zweiten
Salzes, immer mehr abnimmt, dann indem die beiden Axen
in ihre gemeinschaftliche Mittellinie zusammenfallen, ver-
schwindet und endlich wieder sich in einer Ebene, die auf
der frühem senkrecht ist, öffnet und in dieser Ebene, dem
Axenwinkel des zweiten Salzes sich annähernd, zu wachsen
fortfährt. Gerade dasselbe optische Verhalten, welches Hr.
v. Senarmont an künstlich dargestellten Kristallen nach-
wies, zeigen die verschiedenen, in der Nalur sich fertig vor-
findenden Glimmerarten. Er fand bestätigt, was Hr. Silli-
rniiii früher schon beobachtet halte, dafs beim Glimmer
die Ebene der beiden optischen Aicn, die immer auf der
Spaltungsfläche senkrecht isl, bald durch die lauge, bald
durch die kurze Diagonale der Grundform geht und data,
in gewissen Ucbergaugsfällcn, die beiden Axen wo utehl
ganz doch sehr nahe zusammenfallen. Hiernach gelangt er
zu dem Schlüsse, dafs die verschiedenen Glimmer in ver-
schiedenen Proportionen aus zwei zusaminenkrystallisirteu
Normal-Glimmer gemengt sind. Für diese Normal-Glimmer
sind dann diejenigen zu nehmen, deren optische Axen in
den beiden verschiedenen Hauptschnilten den grflfsten Win-
kel cinschliefsen und wenn es wirklich ein-axigen Glimmer
giebt, so ist dieses blofs Folge einer zufälligen Proportion
der relativen Mengen der beiden Normal - Glimmer.
Unter den 33 von Hrn. von Scnarmont unter-
suchten Glimmer, deren optische Axen mit den langen
Diagonalen der Basis in einerlei Ebene liegen, befinden
sich 5, bei welchen der scheinbare Winkel dieser Axen 4°
nicht übersteigt, dann steigt dieser Axenwinkel plötzlich auf
57 bis 58° und wächst dann stufenweise bis 76 bis 77°.
Unter den 25 nutersuchten Glimmer der andern Art, wo
die optischen Axen mit des kurzen Diagonalen der Basis
in derselben Ebene Hegen, befinden sieh ebenfalls 5, r»
welchen der Winkel dieser Axen 4° nicht Obersteigt; in
einem Falle betragt er 15° and wScbst dann stufenweise
von 44° bis 72 — 73° »)•
Sobald ich von der Abhandlung des Hrn. v. Senar-
mout Kenntnifs erhielt, schien es mir, vom theoretischen
St aiidpunkte.au s, von besonderem Interesse, durch den Ver-
such festzustelTe*! °b neben dem verschiedenen optischen
Verhalten der GliNpier auch ein verschiedenes magnetisches
Verhalten derselben stattfindet, und in welcher Beziehung
das beiderseitige verschiedene Verhallen zu einander sieht.
Die Versuche, die ich zur Zeit unserer gemeinschaft-
lichen magnetisch -optiscKen Bestimmungen mit Prof. Beer
machte, erstreckten sich namentlich auch auf Seignette-Salz
] ) Observation* sur les propriiti* optique, des mictis et sur icur
formt crhtaWnc. Par M. H. de Senarmont. Annalts de Chimit
et Physiaut, Str. III, T. XXXir. p. 170 (1852).
und dorn entsprechenden Salze, in welchem das Kali durch
Ammoniak vertreten ist, so wie insbesondere auch auf die
Gemenge beider Salze, führten aber lediglich nur zur Be-
tätigung der von Hrn. v. Senarmont erhaltenen optischen
Resultate, so weit diese im Eingänge dieser Abhandlung
festgestellt worden sind. Rei diesen Salzen, deren optisches
Verhalten durch die starke Dispcnsion der optischen Axen
noch complicirt wird, ist die magnetische Axcnwirkutig sehr
schwach. Diese ist aber sehr ausgesprochen beim Glimmer,
der iu die Reihe derjenigen paramagnetischen Kristalle ge-
hurt, bei welchen ich zuerst die eigentümliche Einwirkung
des Magneten beobachtet hatte, tch hatte nämlich beob-
achtet, dafs eine kleine Glimmerscheibe von beliebiger Be-
grenzung, an einem Coconfaden horizontal zwischen den
beiden {hinlänglich von einander entfernten) Polspitzen eines
starken Elektromagneten aufgehängt, sich mit Entschiedenheit
so einstellte, dafs die Ebene der beiden optischen Am
die äquatoriale Richtung annahm, was ich bei meiner da-
maligen, rein empirischen, Auffassungweise, als eine Absto-
fsung der beiden optischen Axen durch den Magneten be-
zeichnete. Der untersuchte Glimmer war aus schonen durch-
sichtigen, quadratischen Tafeln von 25 bis 3flr"° Seitenlange
genommen und stammte, wahrscheinlich siberischen Ursprungs,
aus Wien, wo er im Jahr 1S3fi pfundweise zu kaufen war.
Diese Tafeln zeigten keine Spur der Kryst all form , über
welche die Bestimmung der optischen Axen den einzigen
unvollkommnen Anhaltspunkt gab. Durch den Magneten
läfst sich hiernach bei der fraglichen Gliimnerart die Ebene
der optischen Axen bestimmen aber es bleibt unbestimmt,
ob diese Ebene durch die kurze oder lange Diagonale der
Grundform geht. Neuerdings erst erhielt ich durch die
Freundlichkeit des Hrn. v. Senarmont sieben verschieden-
artige, bereits optisch bestimmte Glimmer mit deutlich aus-
gesprochener Krvstallform, die mir gestatteten die frühem
Untersuchungen wieder aufzunehmen. Zu diesen kamen
nachträglich noch mehrere andere hinzu.
Das erste bei allen Glimmerarten (ich untersuchte zu-
""1
nächst solche, deren optische Axen einen gröberen Winkel
bildete») bestätigte Resultat bestand darin, dafs, bei hori-
zontaler Aufhängung einer Glimmerschcibc, die Ebene der
optischen Auen sich immer äquatorial stellt, gleichviel ob
diese Ebene durch die ktirsc oder lange Diagonale der Basis
der Grundform gebt.
Einer der untersuchten Glimmer, braunlich gelb und
gut durchsichtig, bildete eine rhombische Tafel von 33""" Sei-
tenlange, deren lange und kurze Diagonale mit den bezüg-
lichen Diagonalen der Grundform zusammenfielen. Der
Winkel der beiden optischen Äsen war ein greiserer und
die Ebene derselben ging durch die lange Diagonale. Aus
dieser Tafel wurde ein kleineres Rechteck geschnitten, das
seine gröfsere Dimension nach den langen Di.igonaleu hatte.
Dieses Rechteck wurde horizontal zwischen den Polspitzeu
aufgehängt, es bewies sich, wie aller Glimmer, parainagne-
tisch und stellte eich mit seiner Langenrichtung , also der
äufseren Form entgegen, äquatorial. Also Abstofsung durch
den Magneten desjenigen Hauptschnittes, der auf der Spal-
tungstläche senkrecht steht und die lange Diagonale enthält
Eine natürliche, für das Auge regelmässige, sechsseilige
Glimmertafel von 10mra Seitenlange stellte sieb, horizontal
zwischen den Polen aufgehängt, mit einer ihrer drei Diago-
nalen äquatorial. Diese Diagonale war hiernach notwen-
dig die kurze Diagonale der Grundform, weil einerseits
eine solche sechsseitige Platte aus dein Verschwinden der
spitzen Kanten der rhombischen Säule der Grundform sich
ableitet und folglich die kurze Diagonale zwei gegenüber-
liegende Eckpunkte der sechsseitigen Tafel verbindet, wäh-
rend die lange Diagonale, die auf ihr senkrecht steht, durch
die Mitten zweier gegenüberliegenden Seiten der Tafel geht;
und andrerseits, nach den Gesetzen der magnetischen Azen-
wirkung, bei Aufhängung nach der Säuleuaxc, eine der bei-
den Diagonalen der Grundform sich äquatorial stellen mufs,
während die jedesmalige andere sich axial stellt. Durch die-
selbe Diagonale der sechsseitigen Tafel, die sich äquatorial
stellte, ging auch die, auf derselben senkrechte, Ebene der
optischen Axen eine neue Bestätigung, dafs diese Diagonale
die kurze Diagonale der Grundform ist. Die Tafel in ihrer
ganzen Dicke war undurchsichtig. Bei abgelösten diii
Blällchen, die durchsichtig und im durchgehenden Lichte
schön hellroth waren, liefs sich das optische Verhalten mit
Sicherheit bestimmen. Es wird also der auf der Platte
senkrechte, durch die lange Diagonale gehende H.'iuplschnilt
nicht, wie im vorigen Falle von dem Magneten abgeslofsen,
sondern augezogen, dein entsprechend, dafs die Ebene der
beiden optischen Axen nicht mehr in diesen Hauptschnitt
fällt, sondern auf demselben senkrecht steht.
Noch bei Tier anderen der untersuchten Glimmer ging
die Ebene der optischen Axen durch die kurze Diagonale
der Grundform; dieselbe Diagonale richtete sich, bei hori-
zontaler Aufhangung zwischen den Polspitzcu, auch gegen
den Magnetismus der Form, äquatorial. Der erste derselben
von unbekanntem Ursprünge, war durchsichtig und grünlich.
Der zweite stammte vom Baical-See in Sibirien und die
beiden optischen Axen bildeten einen Winkel von 32°.
Der dritte Glimmer, in düuuern ßlättcheu schön durchsichtig
und von gelblicher Farbe, war aus Schottland. Er bildete
eine abgeleitete rhomboi'dische Säule, deren zwei Seiteullä-
eben Spaltungstlächen waren, während die beideu übrigen
gegenüberstehende Randkanten der Grundform foitgenom-
inen hatten. Die beiden Endflächen der abgeleiteten Säule
waren nicht vollständig ausgebildet, entsprachen aber den-
jenigen beiden Seitenflächen der Grundform, welche nach
der Entkantung noch übrig geblieben waren. Die Ebene
der optischen Axen, senkrecht auf denjenigen Seitenflächen
der abgeleiteten Säule, welche Spaltungsllächen sind, bildete
mit den Seileukantcn dieser Säule, die zugleich Baudkantcn
der Grundform sind, Winkel von 60° und geht darum durch
die kurze Diagonale. Der vierte Glimmer bestand aus scho-
nen Tafeln, mit einer in ihrer ganzen Länge vollständig
ausgebildeten Seitenfläche; wenn es nicht selbst sibirischer
Glimmer war, so halle er wenigstens ganz das Ansehen
desselben.
Pujgcndi.rlTi A„„.,l. Bd. CX,
402
Ein Glimmer der andern Art, von unbekanntem Fund-
orte, bei welchem der scheinbare Winkel der optischen
Axen 60° betrug, stellte sich mit der durch die lange Dia-
gonale gehenden Ebene dieser Äsen, wie in dem frühern
Falle äquatorial. Ein entschiedenes Bestreben, dieselbe
Stellung gegen die äufserc Form und die Torsion anzuneh-
men, wurde bei einem zweiten, von Hrn. v, Senarinont
bereits bestimmten, Glimmer dieser Art beobachtet, bei wel-
chem der Winkel der beiden optischen Axen sehr klein war.
Aus einer schönen durchsichtigen Tafel optisch einaxi-
gen Glimmers von gelblicher Färbung wurde eiue Scheibe
von etwa 14°™ Durchmesser und 1""" Dicke hergestellt und
an einem einzelnen Coconfadeu zwischen den Polspitzen
horizontal aufgehängt. Eine Richtung der Scheibe wurde
nicht bemerkt, sie folgte lediglich der Torsion des Fadens.
Optisch einaxiger Glimmer verhielt sich auch tu magneti-
scher Hinsicht einaxig.
Glimmerplatten stellen sich, nerical zwischen den Pol-
spitzen aufgehängt, in Folge ihres Paramagnelismus immer
axial. Um zu entscheiden, ob diese Stellung lediglich von
der äufsem Form bedingt wird, oder ob dabei zugleich auch
die magnetische Aienwirkung im Spiele ist, mufste eine
Säule aufgefunden oder künstlich hergestellt werden, in
welcher die Dimension nach der Axe (der Grundform) die
vorherrschende war. Es gelang mir lange nur eine solche
sechsseitige Säule von undurchsichtigem Glimmer aufzufin-
den. Diese Säule 9*"° hoch und 5™" dick wurde zuerst
vertical aufgehängt und stellte sich dabei mit einer Diago-
nale der beiden sechseckigen Begränzungsfläcben, also mit
den kurzen Diagonalen der Grundform, entschieden axial I
Horizontal aufgehängt stellte sie sich, bei jeder Drehung i
am ihre Axe, insbesondere auch wenn jede der beiden Dia- I
gonalen der Grundform nach einander senkrecht war, mit
der Axe äquatorial und zwar gegen die äufsere Form. Es
folgt hieraus, dafs die drei Axen der gröfslen, mittlem oad ,
kleinsten Induction bezüglich in die kurze Diagonale, die j
lange Diagonale und die SSulenaxe fallen und mitbin die I
beiden magnetischen Axen (nach welchen aufgehängt der I
403
Krystall sich wie eine amorphe paramngnetischc Masse ver-
hält) in den durch die Säulenase und die kurze Diagonale
der Basis gehenden Hauptschnitt. Ganz ebenso verhielt sich
eine gröfsere Säule von norwegischem Magnesia-Glim
Wir künnten uns vielleicht für berechtigt halten, die opti-
schen Äsen unseres undurchsichtigen Glimmers (das Wort
verliert auch bei undurchsichtigen Körpern seine Bedeutung
nicht ganz) in der Ebene der langen Diagonalen, die sich
bei horizontaler Aufhängung der Säule äquatorial stellt,
anzunehmen. Dann würden, zugleich mit Rücksicht darauf,
dafs Glimmer ein negativer optisch -zweiasiger Krystall ist,
die Ebenen der optischen und magnetischen Axen auf ein-
ander senkrecht stehen, die Durchschnittslinie beider Ebenen
würde die Axe der gröfsleu optischen Elasticität und der
kleinsten magnetischen Induction seyn, die Axe der kleinsten
optischen Elasticität würde auf der Axe der mittleren mag-
netischen Induction, und die Ase der mittleren optischen
Elasticität auf der Ase der gröfsten magnetischen Induction
senkrecht stehen.
Bei der verschiedenen chemischen Zusammensetzung der
Glimmer würde es aber jedenfalls mifslich seyn, das mag-
netische Verhalten, so weit es sich aus der horizontalen
Aufhängung der undurchsichtigen Gliminersaule allein er-
giebl, ohne Weiteres auf alle durchsichtigen Glimmer zu
übertragen. Darum schien es geboten, eine allgemeine Fol-
gerung erst dann zu ziehen, nachdem auch durchsichtiger
Glimmer derselben directen Prüfung unterworfen worden
war. Hierzu eignete sich der früher schon erwähnte Krj-
stall schollischen Ursprungs, der die äufsere Form einer
rbomboidischen Säule hatte. Die Länge dieser Säule be-
trug beiläufig SO""", ihre Dicke senkrecht gegen die Spal-
luugsllächen, die zugleich Seitenflächen der natürlichen Säule
■waren, S""" und die Breite dieser Seitenflächen etwa das
Doppelte. Die Säule wurde senkrecht gegen die Spaltungs-
flächen jn den Schraubstock eingeklemmt und es gelang
durch Feilstriche, die behutsam nach der Bichlung der Sei-
tenkanten geführt wurden, aus ihr zunächst eine rechtwink-
ligc Säule mit unveränderter Kantenrichtung herzustellen,
die fortwährend durch die früheren Spallungsilächen, deren
Abstand S""" betrug, bekränzt wurde, während der Abstand
der beiden angefeilten neuen Seitenflächen nur 6mm,a bc-
irug. Diese Süulc wurde, ihrer Lange nach, vertical zwi-
schen den Polspilzen aufgehängt und stellte sich dabei sehr
entschieden mit der SpaltungsÜäche axial( also mit der dar-
auf senkrechten Saulenaxc der Grundform äquatorial. Bei
dieser Aufhängung war keine der drei Hauplaxeu magne-
tischer Induction vertical, die Aufhänguugsaxc bildete mit
der langen Diagonalen der Basis der Grundform einen
Winkel von 30" mit der kurzen Diagonalen eiueu Winkel
von 60". Aus dieser Aufhäufung folgte zunächst Dur, dafs
die Inductiou nach der Säulcnaxe der Grundform kleiner
ist, als nach der langen Diagonale, das licifst derjenige»
Diagonale der Basis, nach welcher die magnetische Induction
die grüfscre ist. Dafs diese Induction auch kleiner ist als
die ImiiN lii.ut nach der kurzen Diagonale, war uicht er-
wiesen, liefs sich aber mit einiger Sicherheit aus der Eut-
schiedcnheil, n.ii welcher der Krvstnll bei der letzten Auf-
hängung sich einstellte, voraussehen. Bei einer (schiefen)
Aufhängung der Säule nach der langen Diagonalen, richtete
sich der Kristall mit der Säulcnaxe der Grundform, wie
früher, äquatorial, aber es blich unentschieden, wieviel hier-
bei auf Rechnung der Form kam. Um jeden Zweifel in
heben, wufsle der Versuch gemacht werden, auch auf die
Gefahr hin, dafs der Krystall bei einer ueuen Bearbeitung
in dünne Blältchen sich spalten würde, aus der obigen Säult
eine Säule von solchen relativen Dimensionen herzustellen,
dafs, bei einer Aufhängung nach der langen Diagonale
der Grundform, eine axiale Dichtung der kurzen Diagonale
mit der äufseren Form im Widerspruche sevn würde. Zu
diesem Eude wurden zwei gegen die SpaltungsMiichc seuL- 1
rechte Schnitte, die mit den Seitenkanten der bisherigen
Säule Winkel von 60° bildeten, so geführt, dafs dadnni
eine gerade rhombische Säule entstand, die der Grundform f
entsprach. Diese gerade rhombische Säule wurde da»p|
405
iluri-li Fortnehme» der spitzen Seitenkantcn in eine regel-
mässige sechsseitige Säule umgestaltet, in welcher die Di-
mension nach der Axe, die auf den Spaltungsllächeu senk-
recht stand, die überwiegende war. Diese Säule, dei
Herstellung bei den genommenen Vorsicht sinal'sregclu voll-
ständig gelang, hatte die Form der früher untersuchten un-
durchsichtigen Säule und konnte in gleicher Weise, wie
diese, dem Versuche unterworfen werden.
Es steht hiernach fest, dal's beim zweiaxigen Glimmer
die Axe der rhombischen Säule der Grundform immer Axe
der kleinsten magnetischen Ittduction, so wie Axc der grüfsten
Elasticität ist. Beim einaxigeu Glimmer fallen die beiden
magnetischen Axen, wie die beiden optischen Axcn, in die
Axe der rhombischen Säule zusammen und es war nicht
ohne Interesse durch den Versuch direct festzustellen, ob
auch hier die magnetische lnduclion nach der Säulenaxe
die kleinste, oder, was dasselbe hcifsl, ob auch in magne-
tischer Hinsicht der Krjstall ein negativ ciuaxiger ist. Da
keine Aussicht vorhanden war, eine natürliche Säule ein*
axigen Glimmers mit vorherrschender Längeuduiiension senk-
recht gegen die Spaltungsllächeu aufzufinden, wurde eine
solche Säule künstlich dadurch hergestellt, dai's ein schö-
ues ziemlich dickes Blättclien des oben schon erwähnten
einaxigeu Glimmers zu kleinen quadratischen Scheiben von
etwa y"" Seitenlange geschnitten wurde und dann diese
Scheiben auf einander gelegt und mit Terpentin zusammen-
gekiitet wurden. So wurde eine quadratische Säule von
9m" Höhe hergestellt, die, nach aller Analogie, bei der un-
melsbaren Dicke des Rinduugsmitlels in magnetischer Hin-
sicht, sich wie ein homogener Krystall verhielt. Mit der
Axe horizontal aufgehängt, stellte sich die Säule mit dieser
Axe, der äufsern Form entgegen, mit grofser Entschieden
Iieit. wie zu erwarten stand, ätjuatorial.
Indem wir die von Senarmout'sche Anschauungsweise
zu Grunde legen, können wir die gewonnenen Resultate
in folgender Weise zusammenstellen.
In dem ersten der Leiden Nonnal-GlJuiuicr, wo die
406
Ebeue der optischen Axen durch die Saulenaxe und die
kurze Diagonale der Grundform geht und die Säulenaxe,
die zugleich Axe der gröbteii optischen Elasticität ist, den
Winkel der beiden optischen Axen halbirt, geht die Ebene
der beideu magnetischen Axen durch die Säulenaie und die
lange Diagonale, und die Säulenaxe, zugleich Axe der klein-
sten Iuductioo, halbirt den Winkel der beiden magneti-
schen Axen. In dem zweiten der beideu Normal -Glimmer,
wo die Ebene der optischen Axen durch die Säulenaxe und
die lange Diagonale geht und die den Winkel der opti-
schen Axe halbi reu de Säuleoaxe Axe der grüTsten Elasticität
bleibt, geht die Ebene der magnetischen Axen durch die
Säulenaxe und die kurz-c Diagonale; die deu Winkel der
magnetischen Axen balbirende Säulenaxe ist, wie in dem
ersten Falle, Axe der kleinsten Iuductioo. Es stehen also
in jedem der beiden Fälle die Ebenen der optischen und
magnetischen Axen auf einander senkrecht und in beiden
Fällen wird der Winkel der beideu magnetischen Axen, wie
der beiden optischen, von der Säulenaxe, die auf den Spal-
tung sfla eben senkrecht ist, halbirt. Nach Maafsgabe ab in
eiuer intermediären Glimmer- Spccics Glimmer der ersten
Art und Glimmer der zweiten Art gemengt ist; wird der
Wiukel der maguetischen Axen kleiner bis. bei einem ge-
wissen Mcngungs- Verhältnisse, die beiden maguetischen
Axen — gleichzeitig oder nahe gleichzeitig mit den beiden
optischen Axcn — in der Säulenaxe zusammenfallen, um
sich, bei immer mehr vorherrschen dem Glimmer der zwei-
ten Art, in derjenigen Ebene, die durch die Säuleoaxe
gebt uud auf der frühern Ebene senkrecht steht, wieder
von einander zu entfernen und einen immer gröfsern Win-
kel zu bilden.
Es ist mir gestattet, zur Bestätigung der von Senar-
niout'scheu Theorie, der schauen, noch nicht veröffent-
lichten Versuche vonNörreuiberg's, aus zweiaxigem Glim-
mer einaxigen darzustellen, hier Erwähnung zu thun. Die-
ser Gelehrte spaltete bei einem seiner Versuche sibirischen
Glimmer, dessen optische Axeu einen gröfsern Wiukel ein-
407
schliefsen, zu Blätlchen von einer solchen Feinheit, dnl's in
denselben der eine der beiden polarisirlen Strahlen gegen
den andern um | Wellenlänge verzögert wurde. Er prüfte
die Dicke dieser Blättchen in seinem filtern Polarisalions-
Apparate, indem er dieselben auf den untern Metallspiegel
legte, wobei die Verzögerung bei dein zweifachen Wege
des Lichtes durch das Blätlchen sich verdoppelte und kit-
tete dann 21 solcher Blätlchen vermittelst Terpentin in der
Weise auf einander, dafs das erste, dritte, fünfte . . . Blätt-
chen ihre gegenseitige ursprüngliche Lage behielten, ebenso
das zweite, vierte, sechste . . ., aber die Blätlchen der zwei-
ten Reihe gegen die Blättchen der ersten in ihrer Ebene
um 90° gedreht waren, wonach in je zwei auf einander
folgenden Blättchen die Ebenen der optischen Axen auf
einander senkrecht standen und das Verhältnils ein ganz
gleiches war, als ob dünne Schichten der beiden Normal-
Gliminer in kry sonographisch gleicher Lage (kurze Diago-
gonale mit kurzer, lauge mit langer übereinstimmend) mit
einander wechselten. Diese zusammengesetzte Glimmerplatte
zeigte im Polarisatious - Apparate das schönste schwarze
Kreuz und säunntlicbe Ringe vollkommen kreisrund. Die
Erscheinung erhielt sich bei einer Drehung der Glimmer-
platte in ihrer Ebene unverändert ').
In einer ähnlich zusammengesetzten Platte hatte Hr. v.
Nörremberg die Dicke der gleichgerichteten Blättchen un-
ter sich gleich genommen, aber verschieden von der Dicke
der entgegengesetzt gerichteten Blättchen und erhielt auf
diese Weise genau dieselben Erscheinungen, wie sie sol-
cher natürlicher Glimmer zeigt, dessen optische Axen einen
kleinem Winkel uiit einander bilden. Er hatte es, durch
gehörige Bestimmung der relativen Dicken in seiner Hand
in, wenn die Pol«.
I unprüng Hellen
1) II.-., Kreui «Milien nur «w« wei
.iont-Ebene einen Winkel Ton 45
der nptiiclien Aien bildete. Aber auch diese nur ichwach her
lendc Abweichung von dem Verhallen «naiiger Krplalle scheint durch
andere Versuche derselben Arl ihre Erklärung iu der uichl ahiulut glei-
chen Dicke der verschiedenen Bleichen tu finden.
rer-
,len
an-
408
den Winkel der beiden resultircnde» optischen Axen be-
liebig klein zu machen. Die Ebene dieser optischen Axen
stimmte mit der Ebene der optischen Axcn für die dicke-
ren Blältchen überein.
Wenn Licht senkrecht auf eine Gliiunierplatte fällt, so
theilt es sich im Innern derselben in Lieh! von gleicher In-
tensität, welches nach den beiden Diagonalen schwingt, ver-
halt sich aber, weil Schwingungen nach einer Diagonal
stärker nlisorbirl werden als Schwingungen nach der
dorn, bei seinem Wiedcraustritle aus der Platte nicht mehr
wie gewöhnliches Licht. Ein Theil des hinaustretenden
Lichtes ist polarisirt, so dafg eine solche Platte, wenn eine
ihrer Diagonalen in die Polarisa tions- Ebene fällt, die an-
dere darauf senkrecht steht, eine Turmalinsüulc des Polari-
sations-ApparalcB in unvollkommener Weise vertreten kaun.
Hierauf gründet sich eine Methode die Schwingungarichtun-
geü für die stärkste und schwächste Absorption zu bestim-
men. Man ersetzt nämlich in einem gewöhnlichen Polari-
sation*- Apparat den analysirendcu Spiegel durch die zu
prüfende Gliminerplatle, die man, bei senkrechtem Hin-
durchsehen, so lange in ihrer Ebene dreht, bis eiu auf dem
Wege des polarisirten Lichtes in die Entfernung des deut-
lichen Sehens gebrachtes, schnell abgekühltes Glas, nach
einander, das dunkle und helle Kreuz zeigt. In alle» Fäl-
len der früher bereits erwähnten Glimmer, bei welchen die
optischen Axen einen gröfsern Winkel einschliefsen, er-
scheint, gleichviel in welchem Hauptscliuille diese Axen
liegen, das dunkle Kreuz dann, wenn die Ebene der op-
tischen Axen mit der ursprünglichen Polarisation»- Ebene
zusammen fällt. Hiernach werden die Schwingungen senk-
recht gegen die Ebene der optischen Axen (nach der mitt-
leren Etasticitäls-Axe) in gröfsenn Maafse absorbirt, als
die Schwingungen in der Ebene der optischen Axe nach
der kleinsten Elaslicitäts-Axe. Ganz anders aber verhält
sich die Sache, nenn der Axenwinkel ein kleiner ist. Dann
werden bald die Schwingungen in der Ebene der optischen
Axcn, bald die Schwingungen senkrecht darauf stärker ab-
409
sorbirt. Auch der obige einaxige Glimmer (den man nach
seinem Verhalten in der Turmaliuznugc wenigstens dafür
hallen würde) von dem äufsern Ansehen des grofsplatligcu
sibirischen Glimmers, zeigte in entgegengesetzten Lagen
das helle und dunkle Kreuz1).
Glimmer ist senkrecht gegen die Säulenaxe am durch-
sichtigsten. Der mehrfach besprochene schottische Glimmer
war bei einer Dicke von mehr als einem Cenüinelcr sehr
durchsichtig und fast farblos. Die geringste Absorptio
det also statt, wenn die Schwingungen der Säulen-Axe pa-
rallel sind, nach welcher die optische Ebslidtäl am gröfs-
teo, die magnetische luduction am kleinsten ist.
Die vorstehenden Resultate lassen eine Deutung zu,
•welche der von Senarmont'schcn Anschauungsweise über
die Conslilutiou der Glimmer günstig ist. Die Absorptions-
Verhältuisse sind zwar bedingt durch die Kryslallform, so
dafs zum Beispiel ein cinaxiger Krystall nach der Richtung
der Axc nicht dichrojdiscu seyn kauu; aber andererseits ist
es in vielen Fallen erst die färbende Beimischung, welche
iu deu Krystallen den DicliroTsmus hervorruft. Das be-
weisen direct die schönen Versuche, bei welchen der ge-
nannte Physiker wasscrhellc Krystalle durch Färbung di-
cliroidiscli gemacht hat, wobei tic.iui natürlich die Intensi-
tät des DicliroTsmus von der Intensität des Färbungs mittels,
das der Krystall beim Umkrystallisircn in sich aufnimmt,
abhängig ist. Daraus folgt, dafs, wenn die beiden Normal-
Glimmer einen verschieden starken (mehr zufälligen) Di-
cliroTsmus zeigen, durch Zusainmenkrystallisiren einaxiger
Glimmer entstehen kann, ohne dafs der DicliroTsmus nach
der Axe aufgehobeu wird und demnach immer noch solcher
Glimmer eine Anomalie unter den einaxigen Krystallen
bleibt.
Es ist wohl kaum zweifelhaft, dafs auch das magneti-
sche Verhalten des Glimmers, das durch Beimengung pa-
ramagoe tischer Substanzen, welche die Krystallform der
Hauptmasse nicht sturen, hervorgebracht wird, hiermit ana-
1) Verlieh« Do.c's F»rt>eo lehre S. 262 und folgeDde.
410
log ist. Es würde, wenn der specifische Magnetismus der
beiden zusammcnkrystallisrrtcn Normal -Glimmer nicht gleich
w<ire oder vielmehr in einem vollkommen bestimmten Ver-
hältnisse zu einander stände, ein optisch cinaxiger Glimmer
nicht zugleich magiictisch-einaxig sich verhalten1). Bei sehr
kleinem Axenwiukel ist es nicht wohl möglich, magnetisch
zweiaxigen Glimmer von magnetisch einaxigem zu unter-
scheiden. Darum befremdete es einigenuafsen in dem Falle
des früher untersuchten Glimmers mit sehr kleinem Axen-
icinkel, bei horizontaler Aufhängung noch eine merkliche
Richtkraft des Blattchens zu beobachten. Das Befremdende
fallt oacb der obigen Bemerkung fort. Die magnetischen
Axcn lagen, normaler Weise, iu der Ebene der kurzen
Diagonalen, während die optischen Axen in der Ebene der
langen Diagonalen lagen. Aber in demselben Glimmer war
bereits, anormaler Weise, die Absorption für Schwingun-
gen senkrecht gegen die Ebene der optischen Axcn — wenn
diese Ebene mit der ursprünglichen Polarisations-Ebene zu-
sammenfiel, erschien das helle Kreuz — am schwächsten.
Wenn aber dennoch die von Senarmont'sche An-
schauungsweise definitiv keine Aufnahme finden, ja sogar,
wenn die von ihm als Grundform des Glimmers angenom-
mene gerade rhombische Säule aus einem andern als dem
optischen Gesichtspunkte erfolgreich angefochten werden
sollte, soviel steht fest, dafs derselbe Grund, welcher, beim
Ucbergauge von einer Glimmerart zur andern, ein anderes
optisches Verhalten bedingt, zugleich auch eine Aenderung
des magnetischen Verfahrens hervorruft *)
Bonn, den 20. Mai 1860.
1) Es findet dieiej loch darin »Ine Analogie, dafj min durch Zniam-
Nilrun- Ammoniak solche Krptalle, die für Licht von jeder Brtch-
barkctl »ich wie clnuige Krjinlle terhilten, mein herstellen kann.
Fallen mm Beispiel die optischen Aien für grüne) Lichl mummen, M>
bilden einerseits die Aien für rolhes, andererseits die Aien für tIoL«-
Ui Licht, namhafte Winkel In Ebenen die aufeinander senkrecht liehen.
•£) Wh die Theorie der fuajnti bellen Axenwirkung belrim, kann ich
einstweilen nur auf meine Abhandlung »On ihr Magntlic Indaclian
o/Crj.tali (Philos. Tran.actioni MDCCCLVIU p. M3— 587)-
V. Ch
Chemisch analytische Beiträge;
von Fleittr. Rose.
Trennung des Kobaltoxvds vom Nkbeloird.
JL>s sind zu verschiedeneu Zeiten so viele Trennungen
dieser beiden Oxyde vorgeschlagen wurden, data man oft
unschlüssig in der "Wahl werden kann. Nach vielen Un-
tersuchungen habe ich mich indessen überzeugt, dafs die
beste aller Methoden der Trcuuung die von Fischer vor-
geschlagene ist, welche besonders auch Stroineyer em-
pfiehlt') und die bekanntlich auf der Fällung des Kobalt-
oxyds als salpetrichlsaurcsKobaltsupcroxyd-Kali beruht. Sie
ist dabei sehr leicht auszuführen. Man verfährt am zweck-
mäßigsten auf folgende Weise: Die Lösung beider Oxyde
wird zu einem geringen Volumen abgedampft; ist sie sauer,
so wird sie durch Kalihydrat ueulralisirt. Man Fügt darauf
eine concentrirte Lösung von salpclrichisanrein Kali hinzu,
säuert sie mit Essigsäure an, und läfst das Ganze 24 Stun-
den stehen, worauf mau fillrirt. Es ist uicht nüthig, ein
gewogenes Filtrum anzuwenden, da es nicht zweckmässig ist,
aus dem Gewichte des erhaltenen Niederschlags die Menge
des Kobaltoxyds zu berechnen. Die liltrirte Lösung mufs
durch Zusetzen von salpetrichtsaurem Kali und von Essig-
säure und durch längeres Stehen geprüft werden, ob sich
in ihr noch eine gelbe Fällung bilde. Der Niederschlag
wird mit einer gesättigten Lösung eines Kalisalzes %. B. von
Chlorkalium , oder auch von schwefelsaurem Kali ausge-
waschen. Man löst ihn darauf in Chlorwasserstoffsäure
auf, uud fällt aus der Lösung das Kobaltoxyd durch Kali-
hydrat. Auch aus der tiltrirten Lösung wird das Nickel-
oxyd durch Kalihydrat niedergeschlagen.
Stroineyer giebt an, dal's man aus dem Gewichte des
bei 100" getrockneten Salzes die Menge des Kobalts in
I) Ana. da- Chem. u. Plium. li.l. 96, S. 218.
412
demselben berechnen könne. Zu dein Ende mufs das gelbe
Salz mit einer Losung von essigsaurem Kali, welche unge-
fähr IÜ Proc. des trockueu Salzes enthält, ausgewaschen
werden, darauf wird durch starken Alkohol das essigsaure
Kali iveggenouiuieu. Nach Stroineycr's Analysen, welche
mit denen von St. Evre nicht übereinstimmen, hat das
Salz bei 100" getrocknet die Zusammensetzung CoSf'ÜKS
+ 2H und mau würde in ihm 17,33 Proc. Kobaltoxyd
(CoO) aunchmen können. Die Bestimmung des Kobalt-
oxyds aus dem getrockneten Salze hat indessen nur un-
genaue Resultate gegeben. Es zersetzt sich beim längeren
Stehen und beim Trocknen. Deshalb ist es sicherer, es
auf die oben angegebene Weise auszuwaschen, und nach
der Lösung in Cliloi wasserstoffsäure das KobaIto\yd durch
Kalihydrat zu fallen.
Dafs diese Methode der Trennung des Nickeloxyds vom
Koballoxyd die vorzüglichste von allen ist, ergiebt sich
daraus, dafs das Nickeloxyd, welches vom Kobaltoxyd nach
den sonst vortrefflichen Methoden von Liebig (mit und
ohne die Veränderung von Wühler) uud von Gibbs
(vermittelst braunen Blcisuperoxyds), so wie auch nach der
von mir vorgeschlagenen Methode vermittelst Chlorgas und
kuhlensaurer Baryterde getrennt worden ist, nach der Lö-
sung in Säuren und nach der Neutralisation mit Kalihydrat
durch eine concentrirtc Lösung von salpetrichtsaurem Kali
mit einem Zusätze von Essigsäure noch einen gelben Nie-
derschlag von salpetrichtsaurem Kobaltsupcroxyd-Kali giebt.
Die zweckmäfsigste Vorschrift zur Bereitung des salpe-
trichtsauren Kalis, welches man bei dieser Trennung an-
wendet, ist unstreitig wohl die von Stromeyer vorge-
schlagene, Salpeter durchs Schmelzen mit metallischem Blei
zu zersetzen ').
Gibbs hat bekanntlich das braune Bleisuperoxyd in
die analytische Chemie eingeführt *). Er empfiehlt es be-
1) Aon.
Jtr
Ch.
;n..
n.
Plural.
lid.
96,
S.
2:)0.
1) Amt
dt.
Cb.
n.
Phirm.
lid,
86,
S.
52
■
1 1 r.'lllu''i
sonders, um das Manganoxydul von den Oxyden zu (rennen,
welche sich nicht höher oxydiren und Superoxydc bilden
können. Die Methode ist etwas zeitraubend, aber sie giebt
gute Resultate. Es wird durch das Rleisuperoxyd das Man-
gan vollständig als höheres Oxyd gefüllt, und kann dadurch
vom Zink, vom Nickel und von anderen Oxyden getrennt
werden. Mau kann diese Methode auch zur Trennung des
Koballoxyds vom Nickeloxyd anwenden, denn erstcrcsOxyd
wird vollständig durch Rleisuperoxyd in Superoxyd verwan-
delt und abgeschieden, Mährend das Nickeloxyd aufgelöst
bleibt. Gibhs selbst giebl zwar an, dafs seine Melhodc
für die Ausscheidung des Kobaltoxyds nicht anwendbar sey,
da es auch bei längerem Digeriren auf dein Sandbade
nicht vollständig gefällt werde. Die folgende Untersuchung
des Hrn. Oestcn zeigt indessen, dafs die Methode gute
Resultate giebt.
Es wurden l,9'23Grm. (vicrgliedrig) krystallisirles schwe-
felsaures Nickeloxyd (NiS + 6W) uud 1,99GGrm. kryslal-
lisirtes schwefelsaures Kobaltoxyd (CoS + 711) im Wasser
gelöst und mit braunem Rleisuperoxyd gekocht. Die anfangs
rothe Lösung färbte sich grün; der Rückstand wurde meh-
rere Male mit Wasser ausgekocht und ausgewaschen, bis
vom Waschwasser beim Abdampfen auf Platinblecb kein
Rückstaud blieb. Aus der lillrirten Flüssigkeit wurden die
Spuren des gelösten Bleioxyds durch SclmefclwasserslolTgns
entfernt, und nach dessen Verjagung das Nickcloxyd durch
Kalihydrat gefällt. Dasselbe wurde, um es vollständig von
allem Kali zu befreien, durch Wasserstoffgas reducirt, und
das Metall mit Wasser ausgewaschen. Es wurden 0,J32Grm.
metallisches Nickel erhallen. Der unlösliche Rückstand
wurde mit Chlorwasserstoffsäure mit einem Zusatz von einer
geringen Menge von Alkohol gekocht, wodurch das Rleisu-
peroxyd sich als Chlorblci von ganz weifser Farbe ausschied.
Aus der vom Chlorblci und dem schwefelsauren Bleioxyd
getrennten Flüssigkeit entfernte man alles noch gelöste Rlei
durch Schwefelwasserstoff und nach Verjagung desselben
4.4
i s Koballoxyd durch Kalibydrat; nach der Rc-
uu Kleist Wasserstoffes wurden 0,115 Grm. durch
i inigles metallisches Kobalt erhalten. Die ge-
funden ;e des Nickels entspricht 1,951 Grm. schwefel-
saurem loxyd, und die des Kobalt 1,978 Grm. schwe-
felsaurem baltoxyd.
Es n daher
»ngiwandi gefunden
50,93 50,16
49,07 49,78
100,00. 100,24.
Trennung de« Kohaltoiyds vom Zinkoxyd
Man kann auf die so eben beschriebene Weise vermit-
telst des braunen Bleisuperoxyds auch das Kobaltoxyd vom
Zinkoxyd trennen.
Hr. Oesten wandte beim Versuche 1,031 Grm. kry-
slallisirtes schwefelsaures Kobaltoxyd (CoS-(-7fl) und
1,130 Grm. schwefelsaures Zinkoxyd (ZnS-r-7H) an. Er
erhielt 0,333 Grm. Zinkoxyd und 0,216 Grm. Kobalt, welche
1,155 Grm. schwefelsauren Zinkoxyds und 1,024 Grm. schwe-
felsauren Kobaltoxyds entsprechen. Es wurden daher
mge wandt gefunden
Schwefelsaures Zinkoxyd 52,28 53,44
Schwefelsaures Kobaltoxyd 47,72 47,38
100,00 "1ÖÖ782.
Das erhaltene Zinkoxyd hatte nach dem Glühen eine
schwach grüne Farbe, enthielt also eine geringe Spur von
Kobaltoxyd.
Fällung des Nickeloxyds durch SchwefelammoDlum.
Bekanntlich ist das Schwefelnickel in einem UeberschuCs
von gewöhnlichem gelblichem Schwefelammonium etwas auf-
loslich, und bildet damit eine bräunliche und im concen-
trirten Zustand eine ganz undurchsichtige braune Lösung.
Die Fällung des Nickeloxyds durch Schwcfclammonium kaun
415
indessen vollständig stattfinden, wenn man sorgsam vermei-
det, dafs das Schwcfelammoniuin Gelegenheit findet, sich
etwas zu oxydiren, wodurch eine höhere SchweFlungslufc
des Amin oii iuins entsteht, in welcher das Schwefel uickel
etwas auf löslich ist. Man verfährt dabei auf folgende
Weise: Ist die Nickcloxydlösung sauer, so wird sie durch
Ammoniak gesättigt; man ftigt darauf so wenig freies
Ammoniak hinzu, dafc das Lackinuspapier um schwach ge-
bläut wird. Eben so verfährt man mit einer neutralen Lö-
sung. Dann leitet man durch diese Lösung einen raschen
Strom von Schwcfclwasscrstoffgas, wobei mau so viel wie
möglich den Zutritt der Lufl zu vermeiden sucht. Das ge-
fällte Schwefelnickel wird sogleich beim Ausschlufs der Luft
iiltrirt, und mit Wasser ausgewaschen, zu dem etwas Schwe-
fel tvassersto ff wasser hinzugefügt worden ist. Besser fast ist
es noch, durch die saure oder neutrale Nickcloxydlösung
eineu Strom von Schwefelwasserstoffgas zu leiten, bis sie
damit gesättigt ist und stark nach Schwefelwasserstoff riecht,
sodann die Flüssigkeit mit Ammoniak zu sättigen, und nur
so viel davon hinzuzufügen, dafs das Lackinuspapier schwach
davon gebläut wird, dann so schuell wie möglich zu ftlttiren
und das Schwcfelnickcl mit Wasser auszuwaschen, welches
etwas Schwefelwasserstoff enthält. Man braucht das Schwc-
felnickel nicht erst sich absetzen zu lassen. Die lillrirte
Flüssigkeit ist in diesen Fällen vollkommen farblos und
enthält keine Spur von Nickel. Hat aber durch Unacht-
samkeit das Schwefelammonium sich oxydiren können, und
ist eine auch nur geringe Menge von einer höheren Schwe-
felungsstufc des Ammoniums entstanden, so wird etwas
Schwefelnickel gelöst, und die filtrtrlc Flüssigkeit ist mehr
uder minder stark bräunlich gefärbt. Es ist dann sehr
schwer, das gelöste Schwefelnickel zu fällen und seiner
Menge nach zu bestimmen; daher ist es nolhwendig, der
Auflösung des Nickels zuvorzukommen, was sehr gut ge-
lingt, wenn man die beschriebenen Vorsichtsmaßregeln
geuau beobachtet.
Aus dem erhaltenen Schwefel nick ei kann nicht, wie
416
schon früher bemerkt wurde '), mil Sicherheit die I
des Nickels berechnet werden, nachdem man es im Was-
serst offgasstrome geglüht hat. Man mufs es in oxydirendeu
Säuren auflösen, und das Nickeloxyd aus der Losung durch
Kalihydrat fällen.
Trennung des Kobalt- und Nlckeloxyds von der Thonerde und den
Kiaenojyd.
Das Kobaltoxyd trennt mau von der Thonerde und dem
Eisenoxyd auf die Weise ganz vollkommen, dafs man xu
der neutralen oder zu der mit kohlensaurem Natron ueu-
tralisirten Losung essigsaures Natron hinzufügt und dann
das Ganze kocht. Weder in der gefüllten Thonerde, uoch
im Eisenoxyd kann man nach dem Auswaschen die gering-
sten Spuren von Kobaltoxyd nachweisen.
Es ist beineikeuswerth, dafs das Nickeloxyd sieb von
der Thonerde und dem Eisenoxyd lange nicht so gut und
vollständig auf diese Weise scheiden läfst, wie das Kobalt-
oxyd. Die gefällte Thonerde und das Eisenoxyd enthalten
etwas Nickeloxyd. Man mufs sie wiederum in einer Säure
lösen, die Lösung mit kohlensaurem Alkali neutralisiren
und nach einem Zusätze von essigsaurem Natron kochen,
und diese Operation noch einmal wiederholen; dennoch er-
hält man sie nicht so vollkommen frei von jeder Spur von
Nickeloxyd, wie sie durch eine einmalige Behandlung frei
vom Kobaltoxyd erhalten werden können.
i der Magnesia und
Die Trennung des Kobaltoxyds von der Magnesia kann
ganz einfach auf die Weise bewerkstelligt werden, dafs man
nach der Fällung der ammoniakalischcn Lösung vermittelst
Scbwefelammoniums das Ganze bis zur Verflüchtigung- des
freien Ammoniaks kocht, wodurch die etwa gefällte Mag-
nesia durch das ammoniakalischc Salz gelöst wird. Nach
dem Kochen werden zur Lösung einige Tropfen von Schwe-
ll Pogg. Ann. Bd. 110. S. 131.
417
elauimonium und vom freiem Ammoniak hinzugefügt und
dann fillrirt.
Bei der Trennung des Nickeloxyds von der Magnesia
v. inl die Lösung beider Oxyde mit Ammoniak neulralisirt,
nachdem vorher Chlorammonium hinzugefügt worden ist,
und dann durch die Lösung ein Strom von Schwefelwas-
sersloffgas geleitet. Man trennt schnell das gefällte Schwe-
felnickel und fällt in der tillnrteu Flüssigkeil die Magnesia
als phosphorsaure Ammoniak -Magnesia.
Auf dieselbe Weise wie die Magnesia kann auch die
Kalkerde von dem Kobalt- und dem Nickeloxydc getrennt
werden. Eine andere Art der Trennung beider von der
Kalkerdc bewirkt mau durch verdünnte Schwefelsäure mit
einem Zusätze von Alkohol. Man mufs so viel Alkohol
hinzusetzen, dafs derselbe durch die Flüssigkeit so verdünnt
wird, dafs wohl dadurch die schwefelsaure Kalkerde voll-
ständig gefüllt wird, nicht aber das schwefelsaure Koball-
und Nickeloxyd (welche beide in starkem Alkohol nicht
löslich sind) zum Thcil gefällt weiden können. Man fügt
daher zu der Lösung, welche nicht viel von fremden Sal-
zen enthalten mufs, eiu sechstel oder ein achtel Volumen
von starkem Alkohol hinzu, und darauf verdünnte Schwefel,
säure iu einem kleinen Ueberschufs.
Trennung des Bltioxjds von uuileru Oxyden.
Man kann das Bleioxyd vollständig- als braunes Stiper-
ozyd, l'liO-'. fallen, wenn mau durch die Lösung, wenn
sie mit einem Alkali versetzt worden ist, Chlorgas leitet,
und sie wiihrend dessen crhiLzt. Diese Methode, das Blei-
oxyd zu bestimmen, ist von Rivot, Beudaut und Da-
guin empfohlen worden, besonders in der Absicht, um
es auf diese Weise von andern Oxyden trennen zu kön-
nen, welche vermittelst des Chlors nicht höher oxydirt
werden.
Bei der Fällung des Bleioxyds als braunes Superoiyd
vermittelst Cblorgas verfährt man am besten folgender-
maßen: Die Lösung des Bleioxyds wird, wenn sie freie
TVggcndorrr» AnuL Bd CX.
418
Säure enthält, vermittelst kohlensauren Natrons gesättigt;
inau fügt alsdann essigsaures Natron hinzu, und leitet Chlor
gas durch die Lösung, wahrend sie erhitzt wird. Man kann
die Erhitzung selbst bis zum Kochen steigern, wodurch die
Erzeugung des braunen Superoxyds befördert wird. Sie
iiinlet indessen auch bei niedrigeren Temperaturen voll-
ständig statt, aber erst nach längerer Zeil. Bei der quan
titativen Bestimmung des Superoxids ist zu bemerken, dafs
ein Theil desselben sich so fest an die Wände des Glases
ansetzt, dafs er durch mechanische Mittel davon nicht weg-
zubringen ist. Man mufs ihn mit einigen Tropfen Cblor-
wasserstoffsäure befeuchten, wodurch das Superoxyd leicht,
besonders durch ein geringes Erwärmen, sich in Chlorblei
verwandelt; man dampft entweder das Ganze bis zur Trock-
nii'.s ab, oder verwandelt es in schwefelsaures Bleioxyd,
und berechnet daraus die entsprechende Menge von Su-
peroxyd.
Die Verwandlung des Bleioxyds in braunes Superoxyd
vermittelst Chlorgas auf die angeführte Weise findet auch
statt, wenn das Bleioxyd nicht vollständig in der Flüssig-
keit gelöst, sondern darin suspendirt ist, wie z. B. als
schwefelsaures Bleioxyd.
Die Menge des erhaltenen und bei 100° getrockneten
braunen Bleisuperoxyds zeigt indessen nur annähernd, nicht
aber mit grofser Schärfe die des Bleioxyds an, welche
man bestimmen will. Es ist bei aller Vorsicht Dicht tn
vermeiden, dafs in dem erhaltenen Superoxyde eine kleine
Menge von Chlorblei und, bei Anwesenheit von Schwefel-
säure, auch von schwefelsaurem Bleioxyd enthalten sey.
Es wurde eine Lösung von salpetersaurem Bleioxyd
mit essigsaurem Natron und mit schwefelsaurem Kali ver-
setzt, und darauf lange Zeit Chlorgas hindurchgeleitet,
während das Ganze fast immerfort im leisen Kochen erhal-
ten wurde. Der braune Niederschlag des Superoxyds wurde
■o lauge ausgewaschen, bis Chtorbaryum im Waschwasser
keine Reacliou mehr hervorbrachte; ein Theil des Super-
oxyds wurde darauf in Salpetersäure mit Hülfe von etwas
419
ucker gelöst. In der Lösung wurde durch SilhcroxydlÖ-
sung eine wiewohl schwache Trübung erzeugt. Ein aride
rer Theil wurde in Chlorwasserstoff säure (ebenfalls mit
Hülfe von etwas Zucker) gelöst; es blieb ein sehr geringer
Rückstand von schwefelsaurem Rleioxyd und durch Zu-
setzen von Chlorbaryum erzeugte sich in der Lösung eine
Trübung. In der vom Bleisupcroxyd abfilirirlcn Lösung
konnte nach Entfernung des Chlors durchs Erhitzen durch
Schwefelwasserstoff keine Spur von Bleioxyd aufgefunden
werden.
Um zu sehen, um wie viel die Menge des gefundenen
Bleisnperoxyds von der berechneten abweicht, liefs Hr.
Oesten durch eine Lösung von 2,287 Gnu. salpetersauren
Blcioxyds, die mit vielem essigsauren Natron versetzt wurde,
Chlorgas streichen, wahrend sie bis zum anfangenden Ko-
chen erhitzt wurde. Der gut ausgewaschene Niederschlag
des braunen Oxyds wog nach dem Trockueu bei 100"
1,545 Gnu.; die Wände des Glases waren indessen noch
mit einer Haut des braunen Oxyds überzogen, das, durch
Chlorwasserstoffsäure gelöst, noch 0,1 06 Gnu. Chlorblei
gab, die 0,094 Grm. Superoxyd entsprechen. Das braune
Oxyd wurde in Salpetersäure mit Hülfe von etwas Zucker
gelöst; die Lösung gab mit Silberoxydlösung eine Trübung.
Aber ungeachtet der Gegenwart einer geringen Menge von
Chlorblei im Superoxyd betrug die Menge desselben nur
],639 Grm., der Berechnung nach hätten 1,651 Grm. erhal-
ten werden müssen. Dafs weniger erhalten wurde, kann
nur darin seinen Grund haben, dafs ein geringer Thcil des
Bleioxyds, vom Superoxyd umschlossen, nicht höher oxy-
dirl wurde. Das Superoxyd enthielt eine geringe Menge
von Chlorblei; dessen ungeachtet enthielt das letzte Wascb-
wasscr keine Spur davon; dasselbe konnte daher wohl nur
als unlösliches basisches Chlorblei (Chlorblei mit Bleioxyd)
im Niederschlage enthalten gewesen seyn.
Die Methode, das Bleioxyd als Superoxyd zu bestim-
men, ist aber gar nicht anwendbar, wenn in der Lösung
noch andere Metalloxyde enthalten sind, von deaeu 4s*
Bleioxyd getrennt werden soll, auch wenn diese Oxyde
durch eine sehr lange Einwirkung von Chlorgns nicht in
unlösliche Superoxide verwandelt werden. Das braune
Blcisuperoxyd verbindet sich, wenn es sich bildet, mit grö-
ßeren oder geringeren Mengen von diesen Oxyden und
scheidet sieb mit ihnen ab, behalt aber dabei seine ihm
eigen thümliche braune Farbe,
Es ist diefs namentlich der Fall, wenn auf diese Weise
das Bleioxyd vom Kupferoxyd, vom Cadmutmoxyd und vom
Zinkoxyd getrennt werden soll.
Hr. Oesten liefs durch eine Lösung von 2,665 Grm.
Salpetersäuren Bleioxyds, welche mit 1,910 Grm. schwefel-
sauren Kupferoxyds (CnS-t-514) und mit einer bedeuten-
den Menge von essigsaurem Natron versetzt wurde, Cblor-
gas strömen, wahrend das Ganze im gelinden Kochen er-
halten wurde. Es wurden nur 1,378 Grm. des braunen
Superoxyds erbalten, welche 1,91)8 Grm. Salpetersäuren)
Bleioxyd entsprechen. Der dünne Ueberzug von braunem
Oxyd an den Wanden des Gefafses gab in schwefelsaures
Bleioxyd verwandelt 0,042 Grm., wofür 0,046 Grm. salpe-
tersaures Bleioxyd in Rechnung zu bringen sind. Die ganze
Menge des erhaltenen braunen Oxyds entspricht daher nur
1,954 Grm. salpetersaurem Bleioxyd. Es hatte also ein ganz
aufsero [deutlich starker Verlust stattgefunden; dessen un-
geachtet wurde, als das braune Oxyd mit Salpetersaure
übergössen wurde, eine Chlorentwicklung bemerkt, und als
mit Hälfe von Zucker die Auflösung statt fand, blieb schwe-
felsaures Bleioxyd ungelöst; die Lösung war aber stark
blau gefärbt. Das braune Superoxyd enthielt also Chlor-
blei, schwefelsaures Bleioxyd, sehr viel Kupferoxyd und
Bleioxyd, da das Chlorgas wohl nicht hinlänglich lange
durch die Flüssigkeit geleitet worden war. Da das Resul-
tat des Versuchs ein so ungünstiges war, wurde die vom
braunen Superoxyd gelrennte Flüssigkeit nicht ferner un-
tersucht.
Da es möglich war, dafs das schlechte Resultat des Ver-
suchs davon herrühren konnte, dafs das Kupferoxyd ab
Echwcfelsai
«1
c feisaures angewandt worden, so wurden bei ciuer Wie-
derholung zu dem Salpetersäuren Bleiuxyd salpetersaures
Kupferoxyd hinzugefügt. Es wurden 2,529 Gnu. salpcter-
saures Bleioxyd mit einer Lösung von 0,327 Gnu. metalli-
schen Kupfers in Salpetersäure vermischt, welche vermit-
telst kohlensauren Natrons neutralisirt wurde, und nach-
dem noch eine bedeutende Menge von essigsaurem Natron
hinzugefügt worden., wurde so lange anhaltend ein Strom
von Chlorgas durch die Lösung geleitet, bis sie stark dar-
nach roch; das Ganze blieb fortwährend im gelinden Ko-
chen, Die vom braunen Blcisupcroxyd getrennte Flüssig-
Ikcil wurde bis zur Verjaguug des freien Chlors erhitzt und
mit etwas Cblorwasserstoffsjiure angesäuert, das Kupfcr-
oxyd durch Schwefel wasserstoffgas gefallt und nach dem
Glühen im Wasscrstoffgasstroine als Schwcfelkupfer be-
stimmt.
Es wurden 2,009 Gnn. braunes bei 100" getrocknetes
Blcisupcroxyd erhallen; der Ueberzug von den Wänden
des Gefäfses gab in Chlorwasscrstoffsäurc gelöst noch 0,036
Gnn. Chlorblei. Die ganze Menge des erhaltenen Super-
oxyds entspricht aber 2,816 Grro. Salpetersäuren) Bleioxyd:
es wurde also diesmal bei weitem mehr erhalten, als zum
Versuch genommen war. Das braune Oxyd entwickelte
beim Uebergicfsen mit Salpetersäure Chlor, und als die
Lösung mit Hülfe von etwas Zucker bewirkt wurde, gab
dieselbe mit salpelersaurcm Silberoxyd einen starken Nie-
derschlag; sie war dabei stark blau gefärbt. — Es wurden
ferner 0,203 Gnu. Schwefelkupfer erhalten, welche nur
0,162 Gnu. metallischem Kupfer entsprechen.
Es ist wahrscheinlich, dafs bei diesen Versuchen durch
das lauge Erhitzen neben dem braunen Superoxyd sich
braunes überbasisches essigsaures Kupferoxyd ausgeschiedeu
bat, das vielleicht durch eiueu grofsen Ueberschufs von Es-
sigsäure sich aufgelöst halte. Wird übrigens eine Lösung
von schwefelsaurem Kupferoxyd mit essigsaurem Natron
versetzt und Chlorgas im Ueberschufs durch die Lösung
geleilet, so entsteht keine sichtliche Veränderung und kein
422
Niederschlag, weder bei gewöhnlicher Temperatur, uodi
durch längeres Kocheii, in concentrirten oder in stark ver-
dünnten Lösungen.
Als eine Lösung von sal petersaurem Bteioxyd mit schwe-
felsaurem Zinkoxyd und mit essigsaurem Natron verseilt
worden war, und durch das Ganze Chlorgas geleitet wurde,
während es gelinde kochte, konnte in dein braunen Ulci-
superoxyd, nachdem es mit Chlorwasser st offsäure behan-
delt und der gelöste Tbeil des Cblorbleis durch Schwefel-
saure und Alkohol gefällt worden war, noch Zinkoxyd
durch Schwefelammonium aufgefunden werden. Es war in-
dessen die Menge desselben nicht bedeutend.
Dahingegen enthielt braunes Eleisuperoxyd, das aus
einer Lösung von salpetcrsuurem Bleioxyd erhallen wor-
den war, welche mau mit Lösungen von schwefelsauren
Cadmiumoxyd und von essigsaurem Natron versetzt halte,
und durch welche Chlorgas geleitet worden war, während
das Ganze im gelinden Kochen erhalten wurde, sehr viel
Cadmiumoxyd. Ab das braune Oxyd mit Chlorwasserstoff-
säure behandelt, und der gelöste Theil des Chlorbleis durch
Schwefelsaure und Alkohol gefallt worden war, gab die
filtrirte Flüssigkeit einen starken Niederschlag von Schwe-
felcadmium, als durch sie Scbwefelwasserstoffgas geleitet
wurde. — Die vom braunen Bleisuperoxyd getrennte Flüs-
sigkeit hingegen enthielt nur sehr wenig Cadmium. Der
gröfste Theil des Cadiniumoxyds ist also mit dem Bleis u -
perosyd gefallt worden.
Wird schwefelsaures Cadmiumoxyd mit essigsaurem Na-
tron versetzt, und durch die Lösung Chlorgas geleitet, to
findet keine Veränderung statt, weder bei gewöhnlicher
Temperatur noch durchs Kochen, in verdünnten und in
Concentrin en Lösungen.
Die Trennung des Bleioxyds von sehr vielen starken
Basen geschieht am zweckmäßigsten auf die Weise, data
man das Bleioxyd durch verdünnte Schwefelsäure fällt, und
dann noch so viel Alkohol hinzusetzt, dafs das schwefel-
saure Bleioxyd vollständig ausgeschieden wird, aber nicht
423
so viel, dafs auch die schwefelsaure Verbindung der an-
deren Basen dadurch zum Theil gefällt werden könnte;
denn die meisten Salze der Schwefelsäure mit stärkeren
Basen sind in starkem Alkohol nicht löslich. Man fügt daher
zu der Lösung nur ein sechstel oder ein achtel Volumen
von starkem Alkohol hinzu. Nachdem das schwefelsaure
Bleioxyd sich vollständig abgesetzt hat, läfst man das Ganze
noch einige Stunden stehen, ehe man filtrirt. Man trennt
auf diese Weise namentlich sehr gut das Bleioxyd vom Ku-
pferoxyd, vom Cadmiumoxyd, so wie vom Zinkoxyd und
von vielen anderen Basen, von denen es auch durch Schwe-
fel wasserstoffgas geschieden werden könnte.
Trennung des Kupferoxydt von anderen Oxyden.
Nicht nur durch Schwefelwasserstoffgas kann das Kupfer-
oxyd von vielen Basen mit grober Genauigkeit getrennt
werden, sondern auch vermittelst einer Lösung von Rho-
dankalium als Kupferrhodantlr, wie diefs Rivot zuerst
vorgeschlagen hat. Die Lösungen des Kupferoxyds können
etwas, aber nicht zu stark sauer seyn. Man fügt darauf
eine wäfsrige Lösung von schweflichter Säure hinzu, und
läfst dieselbe entweder bei gewöhnlicher Temperatur darauf
einwirken, oder unterstätzt die Einwirkung durch eine ge-
linde Erwärmung, wodurch sie beschleunigt wird. Man fügt
darauf eine Lösung von Rhodankalium hinzu, so lange als
noch ein weifser Niederschlag entsteht Man filtrirt nicht
sogleich, sondern läfst das Ganze längere Zeit vor dem Fil-
triren stehen. Man filtrirt entweder auf einem gewogenen
Filtrum, und trocknet den ausgewaschenen Niederschlag
vor dem Wägen bei 100° und berechnet aus dem wasser-
freien Kupferrhodanür die Menge des Kupferoxyds, oder man
wäscht ihn auf einem nicht gewogenen Filtrum aus, ver-
brennt nach dem Trocknen das Filtrum zu Asche und glüht
den Niederschlag in einem bedeckten Porcellantiegel, nach-
dem man etwas Schwefelpulver hinzugefügt hat; er verwan-
delt sich dadurch in das Schwefelkupfer Cu* S, aber man
erhält nur dann ein richtiges Resultat, wenn das Glühen
424
in einer Atmosphäre von Wasscrstoffgas stattfindet. Mao
bedient sich dazu des Apparats, der in diesen Ann. Bd. HO,
S. 122 abgebildet ist.
Aus 0,89U lirm. von bei 100° getrocknetem Kupferrho-
daniir erhielt Hr. Oesten, nachdem dasselbe unter Zusatz
von etwas Schwefelpulvcr im Wasscrstoffgasslrome geglüht
worden war, 0,585 Grm. Schwcfclkupfcr. Das Aequivalent
für jene Menge von Kupferrhodanür ist 0,581 Grm. Schwe-
fel kupier.
Man erhält nach dieser Methode sehr zufriedenstellende
Resultate, und für diejenigen, welche durch Schwefelwasser-
stoff sehr belastigt werden, ist diese Methode der Bestim-
mung des Kupferoxyds der durch Schwefelwasserstoff vor-
zuziehen. Es ist indessen zu bemerken, dafs das Kupfer-
rhodanür nicht ganz so vollkommen unlöslich ist, wie das
durch Schwefel wasscrstoffgas gefüllte Schwefelkupfer, deun
das Waschwasser vom Kupferrhodanür wird durch Schwe
fei wasserst offgas sehr schwach gelblich und durch Eisenchlo
ritl sehr schwach röthlich geTürbt.
Man kann durch Rhodankaliuin das Kupferoxyd von
allen den Basen trennen, die sonst gewöhnlich durch Schwe-
fel wasserst off gas vom Kupferoxyd geschieden werden, die
Alkalien ausgenommen. Auch die Trennung vom Eis&toaegd
wird leicht dadurch bewirkt; man fügt zu der durch etwas
Chlorwasserstoffsäure sauer gemachten Lösung des Kupfer-
oxyds und Eisenoxyds schweflichte Saure und dann eine
Lösung von Rhodankalium. Wenn auch die Reductiuo
des Eisenoxyds zu Oxydul durch die schweflichte Saure
keine vollständige gewesen ist, und die Lösung sich blutroth
färbt, so kann das lösliche rot he Eisenrhodanid von dem
unlöslichen weifsen Kupferrhodanür sehr leicht vollkommen
durch Wasser ausgewaschen werden. Besonders vorteil-
haft ist die Trennung des Kupferoxyds vom Zinkoxyd durch
Rhodankaliuni, da die Trennung beider Oxyde vermittelst
Schwefelwasserstoffgas Schwierigkeiten hat. Aus der vota
Kupferrhodanür abfiltrirten Flüssigkeit kann das Zinkoxyd
auf die gewöhnliche Weise durch kohlensaures Natron ge-
Sehr gut kann auch die Trennung de
miumoxt/ds vom Knpfcroxvd bewirkt werden. Aus der
vom Kuprcrrhodanür getrennten Flüssigkeit fällt man das
Carinii unum-d durch Schwcfelwassersloffgas oder durch koh-
lensaures Kali.
Zu wiederholten Malen hat man vorgeschlagen, das Ku-
pfer durch Jodkalium ans seinen Losungen als Kupfcrjodür
zu fällen, um es auf diese Weise von. anderen Basen zu
trennen. Man erhält indessen ungenaue Resultate, weil das
Kupferjodür nicht vollständig gefällt wird, und eine nicht
ganz unbedeutende Menge desselben aufgelöst bleibt.
(Jeber die Trennung des Wismuihoiydes von anderen Oiyrteo,
Gewöhnlich ptlegt mau das Wisumthoiyd aus seiner
salpelersaiircn Lösung durch Alkalien, namentlich durch
kohlensaures Ammoniak zu fällen. Eine bessere und zweck-
mäfsiiicie Anssclicidiuigsmctliodc des Wismnlhs besteht aber
darin, dafs man es als basisches Chlorwismulb, Bi (1 '
+ 2BiOJ, fällt. Dasselbe ist ganz unlöslich, und man kann
das Wjsmuth als solches so vollständig ausfällen, dafs in
der abtiltrirten Flüssigkeil auch nicht die geringsten Spuren
davon zu entdecken sind; jedenfalls wird dasselbe noch voll-
komwuer ausgefällt, als durch kohlcnsaurcsAuimoniak. Denn
die vom basischen Chlorwismulh abliltrirte Flüssigkeit wird
nicht im Mindesten durch Schwefehvasscrsloffwasser verän-
dert, während die von dem durch kohlensaures Ammoniak
entstandenen Niederschlage getrennte Lösung dadurch sehr
schwach gelblich gefärbt wird.
Um das Wismulh auf diese Weise abzuscheiden, braucht
man uur die Lösung desselben in Salpetersäure mit etwas
Chlorwassersloffsäure zu versetzen, und das Ganze mit schr
vielein Wasser zu verdünnen. Je mehr freie Säure die
Lösung enthielt, desto giöfser mufs die Menge des Wassers
seyn, uin das Wismulh als basisches Chlorwismnth abzu-
scheiden; man kann daher die Menge des hinzuzusetzenden
: vorher bestimmen. Es ist zu diesem Zwecke
iederscblag sich vollständig absetzen zu lassen,
«6
dann eiucn Thcil der klaren Flüssigkeit abzugiefsen und
diese mit einer neuen Menge von Wasser zu versetzen. Ent-
steht dadurch eine Trübung, so war bei der ersten Fällung
nicht die hinreichende Menge Wasser angewandt worden.
Um daher eine zu grofse Menge von Wasser zu ver-
meiden, iniils man die zu untersuchende Wismiitliverbinduiig
in einer nicht zu grofsen Menge von Salpetersäure, von
Chlorwasserstoffsäure oder von Königswasser lösen. Ist
eiue Wisuiuthlösung zu verdünnt, was, wenn sie zugleich
dabei nicht trübe ist, nur durch eine sehr grofse Menge
von freier Säure bewerkstelligt werden kann, so inufs sie
durch vorsichtiges Abdampfen concentrirt, und der gröfste
Thcil der freien Säure durchs Erhitzen fortgelrieben wer-
den. Besteht die freie Säure nur aus Salpetersäure, so bat
mau dabei keinen Verlust zu befürchten; enthielt die Lö-
sung aber Chlorwasserstoffsaure oder Königswasser, so kann
beim Abdampfen der freien Säure auch etwas Calorwisnurih
verflüchtigt werden. Es ist indessen zu bemerken, dafs da«
Chlorwismulh erst dann anfängt sieb zu verflüchtigen, wenn
von der Lösung der gröfste Theil der Chlor Wasserstoff säure
abgedampft worden ist.
Wenn mau indessen das Wjsmutk in einer sehr sauren
Lösung bestimmen will, und man will das Zusetzen einer
überaus grofsen Menge von Wasser vermeiden, so kann
man durch Ammoniak oder Kalihydrat dieselbe so abstum-
pfen, dafs sie nur noch sehr schwach sauer ist, und dann
mit Wasser verdünnen. In diesem Falle braucht man bei
weitem weniger Wasser, um das basische Chlorwismulh
auszuscheiden, und dasselbe fällt ebenso vollständig, wie
durch reines Wasser.
Wenn eine Salpetersäure Auflösung von Wismuthoxyd
viel freie Salpetersäure enthält, so gebraucht man, um aas
ihr das Wismuth als basisches Chlorwismulh zu fällen, weit
weniger Wasser, wenn man statt Chlorwasscrstoffsäure, Lo-
sungen von alkalischen Chlormetallen, z. B. von Chlorna-
trium, hinzufügt. Jedenfalls ist auch dann anzuratfaen, wenn
die Menge der freien Salpetersäure sehr bedeutend ist, die
427
Losung durch Alkali so abzustumpfen, dafs sie noch etwas
sauer ist, und dann erst Wasser hinzuzufügen.
Der Niederschlag des basischen Chlorwismulhs ist in der
sehr verdünnten Chlorwasserst offsäure, welche durch Zer-
setzung des Chlorwismuth verraitlelst Wassers etil Blanden
ist, ganz unlöslich, in stärkerer Chlorwasserstoffsaure wird
er freilich gelöst, aber durch sehr viel Wasser wiederum
gefüllt. Hat man zur Auflösung sehr viel Chlorwas
stoffsaure angewandt, so füllt man das basische Salz am
zweckmäfsigsteu, wenn mau die stark saure Losung mit
einem Alkali der Sättigung nahe bringt und danu Wasser
hinzufügt.
Der Niederschlag des basischen Chlorwismulhs mufs auf
einem gewogenen Fillrum gesammelt, und so lauge mit
Wasser von gewöhnlicher Temperatur ausgewaschen wer-
den, bis blaues Lackmuspapier nicht mehr vom Waschw
sex gcrölhet wird.
i kann aus dem Gewichte mit ziemlicher Genauigkeit
die Menge des Wismuths oder dessen Oxyds berechnen,
nt'Dii mau den Niederschlag bei 100" getrocknet hat. Es
indessen zu bemerken, dafs, wenn man so lange ausge-
waschen hat, dafs das Wnscliwasser das Lackinuspapicr nicht
[eullich mehr röthet, man durch das fernere Auswaschen
i Waschwasser erhält, in welchem die Silberoxydlösung
ufscrordenllich geringe Opalisirung hervorbringt; Wis-
tuthoxyd ist aber im Waschwasser nicht enthalten. Es
licinl also, dafs durch langes Auswaschen dem basischen
lilorwismuth außerordentlich geringe Mengen von Chlor
Clilorwasserstoffsäure entzogen werden, wodurch die
Menge des in ihm enthaltenen Wismuthoxyds vermehrt
werden würde.
Wenn man daher die Menge des Wismuths im Nieder-
schlage sicherer bestimmen will, als aus dem Gewichte
desselben, so braucht man nur in dem getrockneten Nieder-
schlag vermittelst Schmclzens mit Cyaukalium das Wismuth
zu reduciren. Diefs geschieht ganz auf dieselbe Weise,
wie die Darstellung des metallischen Wismuths aus dem
428
Schwefel wismuth vermittelst Cyaukaliuins, welche schon
früher ausführlich in dieser Zeitschrift beschrieben worden
ist ').
Es wurde basisches Chlorwismuth gefällt, und so laugt
mit Wnsscr von gewöhnlicher Temperatur ausgewaschen,
bis das Waschwasser das Lackinuspapicr nicht mehr röthele.
Nachdem bei l()t>" getrocknet, sein Gewicht bestimmt wor-
den war, wurde es iu Salpetersäure gelöst, und aus der
Lösung das Wismuthoxyd durch Schwefelwasserstoffgas ah
Scliwefelwismuth gefällt, aus welchem das Wismulh durchs
Schmelzen mit Cyankalium reducirt wurde. Aus der ge-
trennten Flüssigkeit wurde der freie Schwefelwasserstoff
durch eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd entfernt,
und darauf die ChlorwassersIoTfsäure durch eine Silberoxyd
lösuug gefällt Hr. Ocsteu erhielt auf diese Weise am
1,531 Gnu. des basischen Chlor wismuths 11,802 Grm. Clilor-
silber und 1,219 Grm. metallisches Wismuth, iin Hundert
also: bemdnat nacli du Formel
2BLO'+Bi€l]
Wismuth 79,62 80,14
Chlor 13,00 13,64
Sauerstoff 6,22
100,00.
Man begeht also keinen Fehler, wenn man den Nieder-
schlag so lange auswäscht, bis das Waschwasser das Lack-
inuspapier nicht mehr röthet, und dann nach dein Trocknen
bei 100° aus dem Gewichte desselben die Menge des Wis-
mut hs berechnet.
Aus einer anderen Menge des bei 100° getrockneten ha-
sischen Chlor wismutus wurde unmittelbar durchs Schmelzen
mit Cyankalium das Wismuth reducirt. Hr. Ocsteu er-
hielt aus 1,286 Grm. des Salzes 1,032 Grm. Wismuth; der
Berechnung nach siud 1,031 Grm. darin enthalten.
Es ist nicht möglich die Menge des Wismuths im batt-
schen Chlorwismuth durch Beduction vermittelst Wasser-
stoffgas zu bestimmen. Es verflüchtigt sich bei dieser Ope-
1) Poet. Ann. Bd. 110, S. 136.
429
ration eine grofse Menge von Chlorwismuth. Bedient man
sich zur Redoction des von mir früher angegebenen Appa-
rats s), so werden die Innenseite und Aufsenseite des Deckels
vom Tiegel, so wie die Mündung und der unterste Tbeil
der Porcellanröhre mit einem kristallinischen Ueberzuge
▼on Chlorwismuth bedeckt, und das entweichende Wasser-
stoffgas brennt mit einer blauweifsen Flamme und weitem
Rauche.
Enthalt eine Wismuthoxydlösung Schwefelsäure, und hat
man das Wismuth als basisches Chlorwismuth abgeschieden,
so enthalt der Niederschlag eine wiewohl nur geringe
Menge von Schwefelsäure als basisch -schwefelsaures Wis-
mutboxyd.
Als Hr. Oesten 2,467 Gnn. des krystallisirten neutra-
len salpetersauren Wismuthoxyds (BiN3 +9H) unter Zusatz
von Alkohol in Chlorwasserstoffsäure löste, dann etwas
Schwefelsäure, und sodann Wasser hinzufügte, erhielt er
1,313 Gnn. bei 100° getrockneten basischen Chlorwismuths.
Der Berechnung nach hätte er nur 1,282 Grm. erhalten sqI-
len. Als der Niederschlag aber in vieler Chlorwasserstoff-
säure gelöst wurde, konnte durch Chlorbaryuin daraus
schwefelsaure Baryterde abgeschieden werden. Uebrigens
enthielt auch in diesem Falle die vom Niederschlage abfil-
trirte Flüssigkeit keine Spur von Wismuth, und blieb beim
Zusetzen von Schwefelwasserstoffwasser vollkommen farblos.
Ebenso ist Phosphorsäure im basischen Chlorwismuth,
wenn diese Säure in der Wismuthoxydlösung enthalten
war. In diesen Fällen, und immer, wenn man nicht si-
cher ist, dafs die Lösung keine andere Säure als Salpe-
tersäure und Chlorwasserstoffsäure enthält, ist es am zweck«
mäfsigsten, die Menge des Wismuths in dem durch Chlor,
wasserstoffsäure oder durch alkalische Chlormetalle nach
einem Zusätze von Wasser erhaltenen Niederschlage durchs
Schmelzen mit Cyankalium zu bestimmen.
Die Abscheidung des Wismuthoxyds als basisches Chlor-
wismuth ist sehr vorteilhaft bei der Trennung &*%e% Ovj^ä
*) Pogg. Ana. Bd. HO, S. 122.
430
den meisten anderen Metalloxyden anzuwenden. Die
Trennung nach den bisherigen Methoden ist in den meisten
Fällen fast nie eine vollkommne. Mau trennte z. B. das
Wismuthoxyd vom Kupferoxyd und Zinkoxyd durch Am-
moniak oder durch kohlensaures Ammoniak; aber durch
diese Trennung ist es nicht möglich, durch einmalige Fällung
das Wismuthoxyd rein zu erhalten. Man mufs den erhal-
tenen Niederschlag wiederum in Salpetersäure auflösen, das
Wismuthoxyd von Neuem durch Ammoniak oder durch
kohlensaures Ammoniak füllen, und diese Operation noch
einige Male niederholen, um das Wismuthoxyd rein zu
erhalten. Diese Methode ist nicht uur zeitraubend, sondern
auch nicht genau, da durch die alkalischen Reagentien das
Wismuthoxyd nicht so vollständig gefüllt wird, wie durch
Wasser als basisches Chlorwismulh. Wenn man aber das
Wismuthoxyd als solches abgeschieden hat, so enthält es
nach dem Auswaschen keine Spur von den Melalloxyden,
welche mit Chlorwasserstoffsaure leicht lösliche Verbindun-
gen geben, und diese können dann in der getrennten Flüs
sigkeil bestimmt werden.
Hr. Oesten löste 0,273 Gnu. metallisches Kupfer und
1,179 Gnn. Wisuiuthoxyd in Salpetersäure. Die Lösung
wurde erst im Wasserbade etwas abgedampft, um die freie
Salpetersäure zu verjagen, und dann mit etwas CMorwas
gerstoffsäurc versetzt und durch Wasser gefallt. Das ba-
sische Chlorwismulh wurde so lange ausgewaschen, bis in
dem Waechwasser Schwefel wasserst offgas nicht mehr die
Gegenwart des Kupfers zu erkennen gab. Das gelüste
Kupferoxyd wurde durch Schwefel wasserst off gas gefällt, und
das Schwcfelkupfer im Wasserstoffgasslromc geglüht. In
dem basischen Chlorwismulh wurde das Wismuthoxyd be-
stimmt, indem es in Salpetersäure gelöst, ans der Lösung
das Wismuthoxyd durch Schwefelwasserstoff gas als Schwe
fclwismuth gefällt, das Schwefclwismuth wiederum in Sal-
petersäure gelost, die Lösung bis zur Trocknifs abgedampft,
und der trockne Rüchstand geglüht wurde, wodurch nicht
nur die Salpetersäure, sondern auch die erzeugte Schwefel-
431
säure vollständig verjagt wurde. Es wurdcü 0,340 Grm.
Schwcfelkupfer, welche 0,271 Gnu. Kupfer eDtb.ilten, und
1,180 Gnn. Wismulhoxyd erhalten.
Es wurden ferner Wismuthoxyd und Cadmiumoxyd ge-
meinschaftlich in Salpetersäure gelöst, und auf dieselbe
Weise von einander durch Chlorwasscrsloffsäure und "Was-
ser getrennt. Um zugleich zu prüfen, welche Resultate
die Füllung des Wisinulhoxyds durch kohlensaures Ammo-
niak giebl, wurde das basische Clilorwismulh in Salpeter-
säure gelöst, aus der Lösung das Wismulh als Schwefel-
wismuth gefallt, dasselbe wiederum in Salpetersäure gelöst,
und aus der Lösung das Wismu Ihosyd durch kohlensaures
Atnmouiak gefällt. Es waren 0,907 Gnn. Wismulboxyd an-
gewandt worden, und nur 0,899 Gnu. wurden wieder er-
halten, woraus sich ergiebt, dafs die Fällung des Wismuth-
oxjds durch kohlensaures Ammoniak lange nicht eine so
vollständige ist, wie die Abscheidung als basisches Chlor-
wismntli. Das Cudiniumoxyd war seinem Gewichte nach
nicht bestimmt worden. Es wurde durch Schwcfelwasser-
stoffga? als Schwefclcadiniuw gefällt, welcher keine Spur
von Wismutb enthielt.
Ebenso wurde Wismulhoxyd gemeinschaftlich mit Kv
baltoxyd in Salpetersäure gelöst, durch Chlorwasserstoff-
saure und durch Zusetzen von Wasser von einander gc.
trennt. Das basische Chlorwismuth enthielt nach dein Aus-
waschen keine Spur von Koballoiyd. F.s können wie das
Kobaltoxyd alle Mctalloxyde vom Wismulhoxyd auf diese
Weise getrennt werden, welche man sonst vennittelst des
Schwefel wasserst offgases von demselben zu treuuen pllegle.
Die Trennung i>t weit schneller ausgeführt, und nicht su
unangenehm , wie die durch Schwefelwassersioffgas. Es ist
namentlich das Zinkoxyd sicherer vom Wisinuthoxyd nach
der beschriebenen Methode zu scheiden, da die Trennung
vermittelst Schwefelwasscrstoffgas bei Mangel an Vorsicht
minder genaue Resultate geben kann.
Nur das Eisenoxyd kann auf diese Weise nicht voll-
ständig vom Wismulhoxyd geschieden werden.
432
Da das Bleioxyd mit Chlorwasserstoffsäure eine schwer
lösliche Verbindung bildet, so kann dasselbe nicht gut vom
Wismut hoxvd auf die Weise getrennt werden, dafs mau
letzteres als basisches Cblorwisuiulh abscheidet. Eiue zweck-
mässige Trennung beider Oxyde kann aber auf folgende
Weise geschehen: Sind beide Oxyde in einer verdünnten
sauren Lösung enthalten, so wird dieselbe durch Abdam-
pfen zu einem geringeren Volumen gebracht, und so viel
Chlorwasserst orfsäure hinzugefügt, dafs alles Wismulhoxyd
dadurch gelöst wird; das Bleioxyd scheidet sich aber tum
Thcil als Chlorblei ab. Man kann die Menge der hinzu-
zufügenden Chlorwassersloffsiiurc auf die Weise am besten
bestimmen, dafs man nacb dem Zusetzen derselben das
Ganze sich absetzen läfst, und eine geringe Menge der kla-
ren Flüssigkeit abgiefst und dieselbe mit Wasser prüft.
Trübt sie sich schon nach dem Zusetzen von einem Tro-
pfen Wasser, so inufs man noch etwas mehr Chlorwasser-
stoffsüure hinzufügen, bis dafs erst nach mehreren Tropfen
Wasser eine bleibende Trübung erfolgt; die geprüften Flüs-
sigkeiten werden später zu dem Ganzen hinzugefügt, und die
Gläser mit Alkohol ausgespült. Man setzt nun verdünnte
Schwefelsäure hinzu, und läfst das Ganze unter öfterem
Umrühren einige Zeit stehen, alsdann fügt man Alkohol
(vom spoc. Gewicht 0,H) hinzu, rührt gut um, und läfst
alles längere Zeit stehen, damit das schwefelsaure Bleioxyd
sich gut absetzt. Dasselbe wird darauf fillrirt und zuerst
mit Alkohol, zu dem eine sehr geringe Menge von Chlor
Wasserstoff säure hinzugefügt worden ist, und darauf mit
reinem Alkohol ausgewaschen. Es wird nach dem Trocknen
gewogen, nachdem es vorher bei der dunkelsten Kothglüh-
hitze erhitzt worden ist, wenn mau sich nicht eines gewo-
genen Filirums bedient hat. — Von der vom schwefelsau-
ren Bleioxyd getrennten Flüssigkeit braucht mau nicht den
Alkohol abzuduusten; man verselzt sie mit einer grofsen
Menge von Wasser, und fällt dadurch das Wismuth als
bnshebes Chlor wismuth. Dasselbe enthält in diesem Falle
eine sehr geringe Menge voo Sc\mfc\fc\$&wi<t , -NftÄuün ->s&o
...
das W jsmulli in ihm durchs Schmelzen mit Cjankalium be-
stimmen «Ulis.
Diese Methode der Trennung gicbl gute Resultate. Man
uiufs sich hüten, eine zu grofse und umiüthige Menge von
Chlorwasserstoffsäurc hinzuzufügen, weil durch diese etwas
schwefelsaures Bleioxyd aufgelöst werden Könnte.
Hr. Oesten behandelte auf diese Weise 1,327 Gnn.
salpctersaures Bleioxyd und 0,659 Grro. neutrales salpeter-
saures Wisinuthoxyd (BiN^ + SH). Er erhielt 1,219 Grai.
schwefelsaures Bleioxyd statt 1,214 Gnu., welche hätten er-
halten werden sollen. Das Wisinuthoxyd wurde durch
kohlensaures Ammoniak gefällt. Es ist bekannt, dafs
es sehr schwer ist, das Wismuthoxyd aus einer Lösung,
welche Chlorwasserstoffsäure enthält, durch Alkalien so zu
fällen, dafs der Niederschlag frei von Chlor ist. Beim
Glühen des gefällten Wismuthoxyds entweicht daher Chlor-
wisinuth, und man erhält einen Verlust. Der Versuch
wurde angestellt, um zu sehen, um wie viel das Resultat
sich von der Wahrheit entfernt. Es wurden 0,326 Gnn.
Wismuthoxyd statt 0,337 Gnn. erbalten. Beim Glühen des
Oxyds konnte deutlich ein weifser Dampf bemerkt werden.
Eine andere Methode der Trennung, die beiden Metalle
als Chloride durch wasserfreien Alkohol zu scheiden, welche
ich früher vorgeschlagen hatte, ist minder vorteilhaft an-
zuwenden, wie die so eben beschriebene. Nach dieser löst
man die Metalle oder deren Oxyde in Salpetersäure auf,
die mit möglichst wenigein Wasser verdünnt ist. Das Was-
ser ganz wegzulassen, geht nicht an, weil die Metalle und
die Oxyde nicht vollständig durch die concentrirfe Säure
aufgelöst werden. Zu der salpetersauren Auflösung setzt
man Chlorwasserstoffsäure, so dafs durch sie die Oxyde
vollständig in Chlonnctalle verwandelt werden, und sie
noch in einem aber nicht grofsem Ueberschufs vorhanden
iet. Dann fügt man wasserfreien Alkohol hinzu, wodurch
Chlorblei ungelöst bleibt, und Chlorwismulh aufgelöst wird.
Das Chlorblei läfst man sich vollständig setzen, fillrirl <
Poggradortr» Am,»!. Bd. CX. 28
'
434
auf einem gewogenen Fillrum, und wäscht ca mit wasser-
freiem Alkohol aus, worauf man es bei 100° trocknet —
Zu der alkoholisch e» Lüsung des Chlorwismulhs fügt mau
eine grofse Menge von Wasser, um das Wismulhoxyd als
basisches CMorwismuth zu fällen.
Diese Methode gicbl auch mit grofser Vorsicht Dicht so
genaue Resultate, wie die vermittelst Schwefelsäure und
Alkohol. Es bleibt sehr leicht etwas Chlorblci gelost, wenn
zu viel ChlorwasserBloffsäurc hinzugefügt worden; ist diefs
aber nicht der Fall, hat man nur einen kleinen Uebersrbuts
hinzugesetzt, so enthalt das ungelöste Chlorblei Chlorwis-
muth, und fällt man aus der vom Cblorblei abfiltrirten
Flüssigkeit durch vieles Wasser das basische Chlor wismuth,
so erhält man weniger davon als maxi erhalten sollte. Statt
des wasserfreien Alkohols ist nicht anzurathen äthcrhalti-
gen Alkohol anzuwenden, weil in diesem das Chlorblei
nicht so unlöslich zu seyu scheint, als im wasserfreien Al-
kohol und selbst in einem Alkohol vom speeifischen Ge-
wicht 0,8.
Als Hr. Ocstcn 1,652 Grm. Salpetersäure« Bleioxyd und
0,943 Grm. neutrales salpetersaurcs Wismulhoxyd (BiS1
-1-9H) auf diese Weise mit Chlorwasscrsloffsäure und
wasserfreiem Alkohol behandelte, erhielt er 1,410 Gnn,
Chlorblei, statt 1,387 Grm. und 0,493 Grm. basisches Chlor-
wismuth statt 0,535 Grm.
435
VI. Beschreibung eines neuen Optometers und
Ophthalmodiastirnelers ; con C. Landsberg,
Mechaniker und Optiker zu Hannover.
Milgelheitl vom Hm. Verf. *ni den Ml 11 Reilingen d« Gewe.be- Verein!
liir Au Königreich Hannover, Jahrg. 1859, EMI 3.)
i ist bekanntlich eine der wichtigsten Aufgaben der phy-
siologischen und pathologischen Optik, das Sehvermögen
des menschlichen Auges zu untersuchen und die individuelle
Leistungsfähigkeit des optischen Organs festzustellen. Diese
Aufgabe wird überall zu einer praktisch hochwichtigen, so-
bald es sich darum bandelt, durch künstliche Mittel die na-
türlichen Gränzen des normalen Sehens zu erweitern oder
das mangelhafte Sehvermögen zu verbessern.
Die Schärfe des Sehens hängt theils von physiologi-
schen, thcils von physikalischen Bedingungen ab, die hier
nicht aufgezählt und erörtert werden können; dagegen
scheint es von Wichtigkeit, eine dieser Bedingungen aus-
drücklich hervorzuheben. Diefs ist die Bedingung der rich-
tigen Accommodalion je nach dem Entfernungsgrade des
Gesichlsobjectes. Ein deutliches Sehen ist nur innerhalb
gewisser Gränzen, die durch die Weite des Accominoda-
tionsvermögens gegeben werden, mitglich. Letzteres unter-
liegt grofsen individuellen Verschiedenheiten, wie diefs schon
der gewöhnliche Spraehgebrauch anerkennt, der ''Weitsich-
tigkeit" und -Kurzsichligkeit" als Abweichungen vom nor-
malen Sehvermögen unterscheidet. Die Untersuchung des
Auges fordert demnach neben der Erforschung des Deut-
lichkeitsgrades der Retinalbilder (der Schärfe der Gesichts-
ifindung), die Feststellung der Gränzen des Accommo-
lationsvcrmögcns. Bei Benutzung von Augengläsern wird
letztere Bestimmung die wichtigere, weil im Allgemeinen
durch Brillen nicht die Schärfe des Sehens erhöht, wohl
aber die Gränze des deutlichen Wahrnehmens verlegt wer-
den kann.
436
Es sind verschiedene Methoden vorgeschlagen und iu
Anwendung gebracht, um diese Prüfung vorzunehmen. Als
einfachstes Mittel der Untersuchung bietet sich die Prüfung
au bekannten Probcobjcctcn. In der Regel verwendet man
hierzu Druckproben von verschiedener Grüfsc und bestimmt
die Entfernungen, in welchen dieselben noch erkannt wer-
den können (Jager'schc Schriftproben). Sobald diese
Objecte in zweckmafsiger Wahl und iu systematischer "Weise
zur Anwendung gebracht werden, darf mau schon ganz
brauchbare Resultate erwarten. Sehr genaue Ergebnisse
liefert diese Methode indefs nicht, Buchstaben werden selbst
aus wenig scharfen K et in nihil dem noch heraus erkannt; auch
bei unvollkommener Accomniodation, wenn das Bild im Auge
durch Zerstreuungskreisc merklich verbreitert wird, gelingt
noch das Lesen der Schriftproben, und somit giebt die
blofsc Thatsache des Lesens wenig Anhaltspunkte über die
Schürfe der Gesichts - Wahrnehmungen au Schriftzeichen.
Helmholtz giebt an: »Ich kann eine nur uiäfsig grofse
Druckschrift in 13 Zoll Entfernung noch lesen, während
mein Auge für seinen Fempuukt, 3 Fufs Entfernung, aeco-
modirt ist. Und ebenso kann ich sie in 2,7 Zoll Entfernung
lesen, obgleich ich das Auge nur auf 3,6 Zoll Entfernung
aecommodiren kann» (Helmho It z, physiol. Optik S. 100).
Dieses Vermögen, in Zerstreuungskreisen iu lesen, bildet
sich bei mangelnder Accommodalion und bei Gewöhnung
an diefs unscharfe Sehen oft merklich aus und übersteigt
die von Helmholtz gegebenen Daten nicht selten. Ueber-
diefs ist es namentlich durch die Untersuchungen Gräfe'«
(8. Archiv f. Ophlh. Bd. II. Abth 1. S. 181) bekannt, dafs
die Zerstreuungskreise beim Annähern der Objecte laugsa-
mer zunehmen als die Grofse der Bilder wächst; daher
Ucberweilsjrhtige auf geriuge Distanzen besser sehen als
in einiger Entfernung, und aus diesem Grunde uiebt selten
mit Kurzsichtigen verwechselt werden.
Soll die Frage, wie weit die Dislinctionsfähigkeit des
Auges geht, wie weit die Objecte verkleinert werden dür-
fen, ohne die Form zu verwischen, mit ciniger^Genauig-
437
keil beantworte! werden, so müssen andere Probeobjecte
gewählt werden, die eiue schärfere Beobachtung und Mes-
sung gestatten. Da die Beantwortung dieser Frage überall
von hohem wissenschaftlichen Interesse ist, so ist deren
Losung in vielfacher Weise versucht, und sind die ver-
schiedensten Objecte zur Verwendung gekommen. Ich er-
innere nur an die älteren Versuche, die «G ranzen der Ge-
sichtswabrachinung« zu bestimmen, von Jurin, Smith,
Tob.Mayer, Herschel, ferner Treviranus, Harris
u. e. w., deuen sich die neueren interessanten Versuchsrei-
hen anschliefsen von Hucck (s. Bewegung der Krystail-
linse und Müller Archiv 1840), von Volkmann (Wag-
ner, Wörterbuch der Physiologie, Artikel »Sehen« S. 329
bis 336, ferner in den Berichten der Verhandl. der königl.
sächs. Gesellscb. der Wissenschaften 1857 und 1858 an
mehreren Orten) und Harting {das Mikroskop S. 49 bis
83) u. s. w.
Die Gcsaimnlhcit dieser mit aller Sublililät angestellten
Versuche beweist aber, dafs der kleinste Gesichtswinkel,
unter welchem ein Object noch eben wahrgenommen wer-
den kann, nicht nur von der Form des Objccls, sondern
von einer Menge äufsercr Bedingungen, von der Starke
und Farbe des Beleuchtungslichtes, von der Art der Be-
leuchtung, von Contrast und Umgebung abhängig ist, und
deshalb für dieselbe Empfindlichkeit des Auges sehr varia-
bel ausfallen kann, je nach den Uniständcu, unter denen
die Beobachtung statt hatte. Sollen solche Versuche daher
zur Vergleichung des Sehvermögens in eiacter Weise die-
nen können, so müssen sie unter gleichbleibenden äufsern
Verhältnissen angestellt seyn. Man ist deshalb bemüht ge-
wesen, zur Erforschung der Sehweite und Sensibilität des
Auges besondere Apparate, Optometer, zu construiren, um
möglichst schnell zu sicheren Resultaten zu gelangen und
unter gleichbleibenden Verhältnissen operiren zu können.
Die Bemühung, ein brauchbares Optometer zu finden, ist
nicht nur eine berechtigte, sondern uiufs geradezu als noth-
438
wendige Voraussetzuug für die richtige und schnelle Aus-
wahl passender Augengläser angesehen werden.
Optometer sind von Porlerfield, Young, Holke,
Hasiicr, Ructc (lelzler für den besonderu Zweck, fal-
schen Angaben über das Sehvermögen zu begegnen) etc.
angegeben; andere Vorschläge zur Bestimmung der Ac-
commodationsthüligkeit sind von Volkmann, Fliedncr,
Heimholt! etc gemacht.
Ein grofser Thcil der Apparate stützt sich auf den
Scheiuer'scheu Versuch, wonach Gegenstünde, die au-
sserhalb des Accommodationsabslandes befindlich, doppell
gesehen werden, sobald das Auge durch zwei feine Oeff-
mingen blickt, dagegen einfach in der Entfernung, für
welche das Auge adaptirt ist. Diefs von PorterHeld
zuerst angegebene, von Young verbesserte lustrument ist
namentlich in der Form bekannt und verbreitet, welche ihm
Stampfer gegeben (s. Jahrbücher des poljt Instituts zu
Wien. Bd. 17, S. 35 bis 43).
Die Benutzung des Scheincr'schen Versuchs ist iu der
Physik des Auges von hohem Wcrlhe geworden, und es
lassen sich mit den darauf gegründeten Apparaten wichtige
Resultate über die Natur des Sehsiunorgans erzielen. Ich
erinnere nur an die feiueu Untersuchungen Volkmann's,
Über die Abweichungen der Lichtstrahlen vom Verein igimgs-
punkte im Auge (s. Wagner, Phvs. Wörterbuch. Art
"Sehen- S. 290). Für die im gegenwärtigen Falle gerade
wichtige Erforschung der Accommodationstbatigkeit leisten
diese Apparate aber zu wenig. — Die Anwendung des
Scheiner'schen Versuches als Optometer stützt sich auf
die Idee, dafs es für jedes Auge eine normale Sehweite
gebe, für welche das genaueste Sehen möglich ist, und
welche das Auge im Ruhestande anzunehmen strebt. Der
Apparat bestimmt die Entfernung, in welcher ein feines
Object von dem beobachteuden Auge einfach gesehen wird,
als die dem Auge eigentümliche Sehweite.
Eine solche bestimmte Sehweite giebt es jedoch nicht
Das gebräuchliche Verfabreu, die Vergrüfserung der Mikro-
439
skope, Fernrohre etc. anzugeben, nüthigt zu der Annahme
einer mittleren Sehweite, die ;ils Einheit der Vergrüfse-
rungszahlen dienen kann. Dafs die Fessteliung dieser mitt-
lem Sehmeile etwas sehr Willkührliches hat, geht schon
aus dein Umstände hervor, dafs eine Einigkeit über die
mittlere Sehweile bisher nicht erreicht werden konnte und
die Annahmen in auffallend weiten Gränzen schwankend
sind. So wird als Einheit bald 5 Zoll, bald 8, bald 10
ja 15 Zoll angegeben. Wir können für dasselbe Instrument
den doppelten und dreifachen Vergrüfscrungswerlh berech.
den. je nachdem wir die eine oder andere Einheit adop-
tiren. So wenig eine mittlere Sehweite des menschlichen
Auges bestimmt werden kann, eben so wenig lafst sich die
uormale Sehweite des einzelnen Auges feststellen. Es ist,
sagt Hartiug, ein vergebliches Bemühen, wenn man die
s. g. normale Sehweite oder den normalen Deutlich keits
abstand bestimmen will; für ein Auge, welches durch d.i-
Accommodatioiisvcnnügen befähigt, genaue Nelzhaulbilder
von Gegenständen zu erbalten, mögen diese III Meter oder
mögen sie nur ,'0 Meter entfernt seyu, ist die Sehweite von
10 Meter ebenso normal als die von ,'„ Meter. Die nor-
male Sehweite bewegt sich also immer zwischen bestimm-
ten Gränzen und diese sind ganz identisch mit jenen de
Aecouimodationsvermögens« (a. a. O. S. J9).
Es versteht sich daher von selbst, dafs die Angaben
dieses Optometers, so lange das Accounnudalions vermögen
nicht gerade Null wird, in gröfserm oder geringe™ Grade
schwankend seyn müssen und selbst Mitlelwerlhe aus grö-
fsern Versuchsreihen wenig Zuverlässigkeit haben können.
Diese Schwankungen werden indessen nicht die ganze Breite
des vorhandenen \ccommod;ilions\ erniögens durchlaufen,
sondern mehr die mittlere Entfernung inue halten, in wel-
cher das Auge sich gewöhnt hat deutlich zu sehen. — So-
bald man beim Gebrauch des Stamp Ter'schen Optome-
ters einige Vorsichtsmaafsrcgeln gebraucht, kann mau die
getnohnkeitsgemäfse Adaption des Auges mit einiger Sicher-
ett bestimmen. Diefs mag immerhin von einigem Interesse
440
si'Mi, allein es ist für die Bestimmimg des Augenzuslandei
unii die Bestimmung des passenden Augenglases von bö
berm Belang, deu ganzen Umfang der vorhandenen Accoro-
inodaüousfäbigkeit kennen zu lernen. Man hat deshalb in
neuerer Zeil mehrfach versucht, die Stainpfer'sche Con-
Btruclion dahin abzuändern, dafs das Auge Accommoda-
tionsthätigkeit übe, und alsdann die Entfernungen; bestimmt,
in welchen es dem Auge nicht mehr gelingt, das Objed
einfach zu sehen. Es scheinen hidefs beim Scheiucr'-
echeii Versuch die Umstände der freien Entfaltung eiuei
aeconimodaliveu Thätigkeit einigermafsen ungünstig, und
man erhalt deshalb meist zu niedere und wenig zuverläs-
sige Wcrtlie für das Accomuiodalious vermögen. Ueberdieü
sind diese Beobachtungen für Ungeübte zu schwierig und
veranlassen leicht Irrlhüuier, indem nicht gleichzeitig durch
beide Löchclchcn gesehen wird. Es schien mir deshalb
wünscheuswerth, für ein Optometer, das zum täglichen Ge-
brauch und namentlich für Solche bestimmt ist, welche mit
Beobachtungen dieser Art wenig vertraut sind, jenes Ver-
fahren des Pater Scheiner ganz zu verlassen.
Fadennetze von feinen Metalldnihten, Cocotifäden etc.
oder auch Linieiignippen, auf Glas geälzt, lassen sich leicht
in der Feinheit herstellen, dafs die einzelnen Fäden und
Linien noch getrennt erblickt werden können, sobald eine
ausreichende Accominodation scharfe Netzhautbilder zuläfsL
wogegen die Zerstreuungskreise sofort in einander greifeu
und das Bild verwischen, sobald die Accommodalion für
diese Entfernung unzureichend. Es läfst diefs eine ziem-
lich scharfe Bestimmung der Accommodationsgränze zu:
doch hängt die Unterscheidbarkeit der einzelnen Linien iu
merklichem Grade von der Art der Beobachtung ab und
wird etwas verschiedene Resultate geben, je nachdem in
auffallendem oder durchfallendem Lichte untersucht wurde.
Man wird deshalb Anordnungen zu treffen haben, damit
die Bedingungen der Beobachtung sich möglichst gleich blei-
ben. Ich habe es vorgezogen, statt der directen Beobach-
tung der Objecte, deren katoptrische Bilder zur Bestimmung
441
Schlliätigkeit zu benutzen. Bringt man ein Planglas,
auf weichein einige Parallellinien mit genügen) Abstände
rüigeiiizl, dicht vor das Auge und nähert sich einem Spie-
gel, so wird man leicht eine Entfernung auffinden, in wel-
cher mit dem Spicgelbilde des eignen Auges zugleich das
Bild der Parallelliuien deutlich sichLlwr ist. Das Bild der
Parallelen wird sich auf dem duuklen Hintergründe der Pu-
pille und pigmentreichen Iris scharf erkennbar abheben.
Entfernt man sich von diesem Punkte des deutlichen Se-
hens durch Annähern oder Entfernen vom Spiegel, so ge-
langt man zu einem Nahepunkte und einem Kernpunkte,
au welchem die Linien uichl mehr scharf unterschieden wer-
den können, wo die Linien sich verbreitern und in einan-
der überzugchen scheinen. Durch Messung dieser beiden
Abstände erhält man die Gr.'inzpunkte der Accommodalions-
fäbigkeit. Die Beobachtung und Messung in der angege-
benen Weise würde indefs unbequem seyn; es entsteht da-
her die Anforderung, durch einen passenden Apparat das
Verfahren leicht zugänglich zu macheu. Die Einrichtung,
welche der Apparat hier empfangen hat, und welche sich
für unsere Zwecke (zur vorläufigen Bestimmung von Bril-
lengläsern) als praktisch erwiesen hat, ist in Fig. 4 und 5
Taf. VI in 4 Gröfsc gezeichnet und wird nach dem Vorbe-
incrklen leicht verständlich seyn.
Ein Stativ, wie es zum Einlegen kleiner Fernrohre ge-
braucht zu werden pflegt, dient als Träger des etwa 8 Zoll
langen Rohres A, in welchem sich das Bohr B der ganzen
Länge nach verschieben lälst. Am vordem Ende dieses
innern Rohres B und dem Oculare 0 zugewandt befindet
sich das kleine plane Spiegelchen o. Das Ocular erhält
ein einfaches Glas, auf welchem das gewählte Probeobject
cingravlrt ist. Damit das Auge und das Object genügend
erleuchtet sey und auch dem Spiegel hinreichend Licht zu-
geworfen werden könne, ist der Ocularkopf dicht hinter
dem Objectglase durchbrochen, läfst daher von oben und
von den Seiten Licht eintreten. Der Apparat wird beim
Gebrauch dem Lichte zugewandt.
IM
Das beobachtende Auge wird dein Oculargfase möglichst
genähert und der kleine Spiegel durch Verschiebung des
inneren Rohres soweit entfernt, dafs das Spiegelbild des
Objccts deutlich gesehn wird; durch langsame Bewegung
des Triebes D wird nuu der Spiegel dem Auge wieder
genähert, während das Auge sich bemüht, das Object stets
scharf zu fixiren. Es gelingt der Accommodaltonsttiätigkcit
eine Zeit lang der Bewegung zu folgen und das Object
fast in gleicher Schärfe zu erhalten, bis in einer bestimmten
Entfernung die Adaption unzureichend wird, die Linien au
Schärfe verlieren und durch Verbreiterung des Retinalbildcs
den Zwischenraum der Theillmien verwischen. Dieser Punkt
wird als der erste Gränzpunkt der Accoimnodation notirt,
und an der Theilung des Rohres B abgelesen. Auf ganz
übereinstimmende Weise wird der zweite Gränzpunkt durch
entgegengesetzte Bewegung des Spiegclchens bestimmt und
ebenfalls abgelesen. Zu bemerken ist nur, dafs man zur
Bestimmung der Grämen immer von einer Entfernung des
deutlichen Sehens ausgehen inufs und die Bewegung des
innern Rohres langsam erfolgen lasse, damit das Auge volle
Zeit hat sich in ausgiebiger Weise den verschiedenen Ent-
fernungen zu adaptiren.
Da sich das Ocular mit seinem Object leicht entfernen
und durch andere ersetzen läfst, so können leicht verschie-
dene Objectc verwandt werden. Ein häufig benutztes Object
besteht aus 2 parallelen Linien, deren freies luterstitium
i'am" beträgt, und welche eine Slrichbrcitc von je £"" aas-
weisen. Die Entfernung von Milte zu Mitte der Striche
stellt sich demnach auf 11,3""°, das innere Rohr B läfst sieb
auf 6 bis 7 Zoll ausziehen, die gröfste scheinbare Entfer-
nung, die das Object vom Auge habcu kann, ist demnach
12 bis 14 Zoll. Dieser Auszug würde für alle stark Myopische
ausreichen, aber nicht zur Bestimmung des Fernpunktes
Weilsichtiger. Man konnte die Dimensionen des Apparates
leicht soweit vergrößern, um aueb letztem Anforderungen
zu genügen; doch scheint es aus andern Gründen rathsa-
mer, statt dessen ein Hülfsmittel anzuwenden, um jene Mes-
sungen innerhalb der gewählten Glänzen zu ermöglichen.
In allen Fällen, in denen der Fernpunkt weit vom Auge
abliegt, ist die Feststellung desselben auf die directe Weise,
welche für den Nabepunkt immer leicht ausführbar ist, nicht
nur schwierig und unsicher, sondern auch an sich nicht ohne
Bedenken. Denn selbst da, wo in der That der Fernpunkt
unendlich weit liegt, und wo das Auge sogar convergirende
Strahlen zu vereinigen vermag, bei Weitsichtigen und Ueber-
weitsichtigen, wird man bei hinreichender Entfernung des
Objectes an einen Punkt gelangen, wo das Interstitium der
Parallelen nicht mehr erkannt werden kann, aber nicht des-
halb, weil die Gränze des Accommodationszustandes erreicht
ist, sondern weil das Retinalbild bei dieser Entfernung des
Objectes zu klein wird, um hinreichend distincte Empfindung
zu erwecken. Es entsteht daraus nicht allein eine Unsicher-
heit in der Einstellung, sondern eine Unzulässigkeit dieser
Resultate. Streng genommen würde man verlangen müssen,
dafs das Object an beiden Gränzpunkten unter gleichen
Gesichtswinkeln erscheine, dafs das Netzhautbild für den
Nahe- und Fernpunkt gleiche Gröfse habe, um mit gleicher
Sicherheit über das Auftreten der Zerstreuungsbilder ent-
scheiden zu können. Man müfste demnach das Object für
den Fernpunkt in dem Maafse vergröfsern, dafs es dem Auge
unter demselben Winkelwerth erscheint als am Nahepunkte.
Für die hier verfolgten Zwecke ist es allerdings nicht nöthig,
die Beobachtung in dieser Strenge auszuführen; allein, wenn
der zweite Gränzpunkt mehrere Fufs entfernt liegt, so würde
es nicht rathsam seyn, das Object auf diese Entfernung
herauszurücken. Es leistet alsdann ein convexes Glas, wel-
ches die scheinbare Gröfse des Objectes erhöht und zugleich
die Entfernung desselben kürzt, gute Dienste. Die Dimen-
sionen des Apparates, die die Entfernungen des Objects in-
nerhalb der Abstände 2 bis 12" halten, machen es hier von
selbst nothwendig, die Gröfse der Gesichtswinkel, unter
welchen dem beobachtenden Auge das Object erscheinen
kann, innerhalb enger Grunzen zu belassen.
Die Beobachtung mittelst vergröfsemder GlSser wird
1
uichl durch Vorschieben des bclreifcndeu Glases vor das
Probeobjcct erreicht, sondern das vergrößernde Glas, wel-
ches benutzt werden soll, erhalt selbst eine mit jenem Probe-
glase ganz gleiche Gravirung und wird au dessen Stelle
im Apparate eingesetzt. Für die gewöhnlichen Bestimmun-
gen reicht es vollkommen aus, dasselbe Objecl auf einem
Planglase und den Conveigläseru von 12 und 4 Zoll Focus
geatzt zu haben. Wir wollen hier die Objectc No. 1, 2
und 3 nennen, üieseu 3 Gläsern entsprechen 3 Tlieilungen
auf dem Auszugrohre, welche direct die Entfernungen au-
geben, für welche die Sehweite des Auges gilt, oder die
scheinbare Entfernung des Objectcs. Sic sind mit 1, II und
III bezeichnet. Werden Objcctgläscr anderer Focalweite,
für welche keine Ablesung vorhanden ist, gebraucht, so be-
rechnet sich der scheinbare Abstand nach der bekannten
dioptrischen Formel p— —~s,> welche auch zur Berechnung
der aufgetragenen Tlieilungen II und III diente. Es ist
aber f Focalweite der Linse, a die Entfernung des leuch-
tenden Punktes, die doppelle Entfernung des Spiegelchens
vom Ocular, das auf der Theiluug I abgelesene Maafs. Bei
starkem Graden der Myopie, wo die beiden Gränzpunkte
des deutlichen Sehens sich nahe liegen, kann es unbedenk-
lich seyn, von der Vergrößerung des entfernten Objectcs
abzusehen und beide Beobachtungen durch das Übject No. 1
anzustellen. Ist die Theiluug, das Gesichtsobject, nicht sehr
fein gewählt, so darf man annehmen, dafs das Verschwin-
den des freien Zwischenraumes der, Theillinien nicht von
der Verringerung des Sehwinkels herrühre, sondern durch
die unvollkommene Vereinigung der Lichtstrahlen im Auge
hervorgebracht werde, also als Ausdruck der mangelhaften
Accommodalion angesehen werden dürfe. Bei schwacher
Myopie und bei Presbyopie läfst man die Bestimmung des
ersten Gränzpuuktes durch das Übject No. I, die des zwei-
ten Gränzpunktes durch No. 2 vornehmen.
Die Ablesungen, wie sie die Tbeilungen geben, bedürfen
noch einer kleinen Verbesserung: es ist nämlich bei der
445
Anfertigung derselben der Abstand des Ocularglases von
dem Kreuzungspunkt der Bichtungslinien im Auge unberück-
sichtigt geblieben. Dieser Abstand wird immer etwas ver-
änderlich ausfallen und zwischen 4 bis 1 Zoll variiren; es
ist deshalb vorgezogen, denselben durch Schätzung zu be-
stimmen und dem abgelesenen Werlhc hinzuzufügen, fst
der erste Glanzpunkt der Accoinmodation zu 3 Zoll gefun-
den, so wird er sich nach dieser Verbesserung zu 3^ bis
4 Zoll herausstellen.
Eine genauere Beschreibung, wie mittelst des Apparates
die einzelnen Daten am sichersten gefunden, und wie die ge-
wonnenen Resultate zu Folgerungen benutzt werden künnen,
darf an diesem Orte nicht erwartet werden und mufs ich
mich hier auf wenige Andeutungen beschranken. Bei Be-
stimmung der Accominodationsgränzcn ist es ralhsam, nicht
zu feine Gesichtsobjecte zu verwenden; es wird dadurch
dem Ungeübten die Beobachtung erleichtert und mau erhält
noch immer hinreichend genaue Resultate, um die Flexibi-
lität des Auges zu bcurtheilen. Namentlich ist die Prüfung
durch gröbere, leicht uuterscheidbarc Gesichtsobjecte dort
geboten, wo die Retinalthätigkeit gesunken, namentlich bei
Weitsichtigkeit, die mit Amblyopie verciuigt ist; feinere Li-
uieiigruppcii können hier iu keiner Entfernung gesondert
erblickt werden. Wünscht man genauere Angaben über
die Grunzen der Distiuclionsfäliigkcit, das Erkennen klein-
ster Formen, für scharfsichtige Augen, so kann man sich
eine Anzahl sehr feiuer Objecte bedienen; um in diesen
Fällen gut vergleichbare Resultate zu erhallen, ist es zweck-
inäfsig, überall die Gröfse der kleinsten Netzhautbildchen
zu berechnen, welche noch eben wahrgenommen werden
konnteu. Da die Lage des Kreuzungspunktes der Rieh-
tungslinien aus den Berechnungen Listing's (Dioptrik des
Auges, Wagner, phys. Worterb. S. 451 — 504) seinem
mittleren Werthe nach bekannt ist (= 15"""), so ist die Be-
rechnung aus den Beobachtungstlatcn des Optometers leicht
ausführbar.
Indem wir den Deutlichkeitsgrad des Sehens feststellen,
)
erhalten wir einen Ausdruck fiir die grössere oder geringere
Vollkommenheit, mit der das Auge auf Lichtreizc funetionirt.
Diese Leistungsfähigkeit ist eben sowohl von den optischen,
als den physiologischen Facloren abhängig, Bei auftreten-
den Mängeln in der Sehleistung läfst sieh nicht immer so-
fort erkennen, welcher dieser Facloren der schuldige ist;
doch ist es da, wo Mittel zur Verbesserung des Sehvermö-
gens herbeigeschafft werden sollen, wichtig, die Ursache zu
erforschen. Dia Mängel des optischen Apparates können
bestehen in unvollständiger Durchsichtigkeit oder partieller
Undurchsichligkcit der Medien, Abweichungen von SphS-
ridtiit der Trennung» Dächen, und unvollständige Homocen-
triritlH derselben. Diese Ursachen wirken zusammen, die
vollständige Vereinigung der von einem Punkte ausgebenden
Lichtstrahlen zu hindern und selbst in der Entfernung des
deutlichsten Sehens Abweichungen vom Brennpunkte zu er-
zeugen, »Brennstrecken« zu bilden. Kleinere Abweichungen
von den idealen Anforderungen werden sich in jedem Auge
vorfinden, sie stören das deutliche Sehen erst alsdann, wenn
sie einen namhaften Werth erlangen. Eine der häufigst vor-
kommenden Anomalien ist die, dafs die Vereinigungsweite
der horizontalen Strahlen nicht mit der der verticaten zu-
sammenfallt. In diesem Falle wird das Auge für ein vertica-
]es Object eine andere Accommodation bedürfen als für ein
horizontales; dieser Augenzustand mnfs sich durch das Op-
tometer offenbare», wenn wir einmal das Object in verti-
caler ( [| ) und einmal in horizontaler (=) Lage anwenden
und für beide Stellungen die Gränzen der Accommodation
bestimmen. Zu dem Ende ist das Rohr A des Optometers
drehbar in die Hülse £ des Stativs eingelagert und ein
kleiner Stift 6 sichert durch Anschlag an die rechte oder
linke Seite die horizontale oder verticale Lage. Mitunter
wird man auch eine mittlere Stellung zwischen diesen Lagen
aufsuchen müssen, um Objectstellung herauszufinden, för
welche die Asymmetrie des Auges am wenigsten störend
wirkt, welche die schärfste Gesichtswabnicbmung zuläfst.
44T
Man kann sicli mit Yorlheil auch eines Objectcs bediene»,
auf dem sicli die Theilliuicn unler rechten Winkeln kreuzen
und beurtheilcn, ob bei derselben Stellung vertieale und
horizontale Linien gleichen Dcutlichkeilsgrad zeigen. In
vielen Füllen ist es möglich, diese Abweichungen durch op-
tische Hjttel ziemlich vollständig zu verbessern. Bckanut-
lich hob Airy die Abweichungen der Spha'Hcität
linken Auges durch eine Glaslinse, die eine sphärische und
cylindrische Oberfläche halle. (Edinb. JonrnalofSc. T. XIV.)
Ein pariser Optiker, Chamblant, erhielt vor langer Zeit
schon ein Patent auf Brillengläser, deren Oberflächen Cy-
lindei flachen sind, von denen eine horizontal, die audere
vertical steht (Recs, Eitcyclop. Speclaclcs).
Es würde zu weit fuhren, wenn wir die njannicMach
auftretenden Erscheinungen der Asymmetrie hier weiter ver-
folgen, und das optomelrische Erkennen derselben speeifici-
ren wollten; es sey nur noch erwähnt, dafs man die Er-
scheinung des Doppelt- und Mchrfachschcns mit einem Auge
zur Wahrnehmung bringen kanu, wenn man ein einfaches
Objecl außerhalb der Accominodationsweite zu fixiren sucht.
In wie fern die Daten optome Irischer Messung, nament-
lich die Bestimmung der Accouiinodalionsgränzen , für die
Brillenkunde nutzbar gemacht werden können, mufs ich auf
dcD Artikel »Winke, betreffend den Gebrauch und die
Wahl der Brillen von Donders», in Gräfe's Archiv f.
Ophthalmalogie, Bd. I Abth. I. verweisen. Donders
nennt den Spielraum zwischen den Adaptionsgränzen die
Accommodalionsbrcite. Um bestimmtere Anschauungen da-
für zu gewinnen, stellt er sie dar als die Brennweite einer
ideellen Linse, welche auf die Vorderiläche der Krystalllinse
gelegt, den vom Nahepmikl ausgehenden Strahlen eine Rich-
tung giebt, als ob sie vom Fernpunkt ausgegangen wären.
Bei dem Auge von normaler Accommodationsfähigkeit würde
die Brennweite dieser Linse etwa i" seyn ; sobald das Accom-
modationsvermögeu = 0 ist, wird die Brennweite der Linse
= x seyn. Im letztem Falle würde das Auge zum Deut-
liebsehen für jede andere Sehweile eiiier andern Glasernura-
mer bedürfen; je schwächer das Acco mm odations vermögen,
je mehr wird sich das Auge diesem Verhalten nähern.
Welche aecommodalive Vorghuge nölhig Bind, damit das
Auge in verschiedenen Entfernungen deutlich sehe, erkennt
man aus der folgenden Tabelle, die Listing a. a. O. mit-
thcilt.
0
0-
0—
15-
0,005
0,0011
!6
0,012
0,0027
12
0,025
0,0056
6
0,050
0,0112
3
0,100
0,0222
1,8
0,200
0,0443
0,75
0,40
0,0825
0,375
0,80
0,1616
0,188
1,60
0,3122
0,091
3,20
0,5768
0,088
3,42
0,6484
Es ist darin d der Abstand des Objectes vom Auge,
a der Abstand des Verein igungspunktes der von d ausge-
benden Lichtstrahlen von der Retinalebene, 6 der Durch-
messer des zugehörendeu Zerstreuungskreises; dabei ist an-
genommen, dafs das Auge ein starres optisches System, also
keiner Accommodation fähig sey und der Vereinigungspunkt
paralleler Strahlen genau auf der Retina liege. S ist als
das Maafs der Uudeutlichkeit anzusehen. Das für unend-
liche Entfernungen aecommodirte Auge wird in dem Abstände
von 65" und selbst in gröfserer Nähe noch ziemlich scharf
sehen, die Undeutlichkeit wird aber schnell wachsen, jemehr
sich das Object dem Auge nähert. Dieselbe Accommoda-
tionsbreite, die genügt, das Auge von ec bis auf 3" Ent-
fernung zu adaptiren, reicht nur aus, von 3™ Abstand auf
1,5° scharfe Bilder zu vermitteln, ja beschränkt sich in noch
grofserer Nähe auf die Accooimodationsthäiigkeit von we-
nigen Millimetern. Der Kurzsichtige, dessen Accommoda-
449
lionsgränzcn zwischen 3 und l Zoll liegen, hat daher ein voll-
kommeneres AccomodationsverraÖgen als der Weilsicht ige,
der von <x> auf 3 Fufs Sehweite adaptiren kann. Geben
wir diesem Auge eine Brille, welche die von einem 3' ent-
fernten Punkte ausgehenden Lichtstrahlen parallelstrablig
ins Auge bringt (also No. 36 convex), so wird das Auge
mit dieser Brille mittelst der vollen Anspannung seines Ac-
coinniodalions Vermögens deutliche Wahrnehmungen erhallen
innerhalb der Abstände 3 und I i Fufs. Eine Brille, welche
den Fernpunkt des Auges auf 18 Zoll verlegt, leistet mit-
telst der angenommenen Accomodation ausreichende Hülfe
nur in den Abständen von 18 Zoll bis 12 Zoll. Die Kennt-
uifs des Accomodalionsvermögens setzt uns in den Stand,
voraus zu bestimmen, welche Dienste ein bestimmtes Glas
leisten wird und wie weit die Accommodationsthätigkeit
in Anspruch genommen wird, sobald mit oder ohne Brille
ein deutliches Sehen in einer bestimmten Entfernung ver-
langt wird.
Ein anderes Instrument, welches bei der Auswahl von
Brillen mit Nutzen gebraucht werden kann ist:
das Ophthal modiastimeter.
Um eine Brille den Bedürfnissen der Augen genau an-
zupassen, ist nicht allein erforderlich, die Augengläser richtig
zu wählen, sondern es *iufs auch zweileus Bedacht genom-
men werden auf ein entsprechendes Brillengestell, auf die
richtige Stellung der optischen Mittel vor deu Augen. Slreng
genommen sollte die optische Axe des Glases immer mit der
Augenaxc zusammenfallen ; diefs ist freilich nicht möglich zu
erreichen, die Brillengläser können den Bewegungen der
Augcnaxen nicht folgen und überall die normale Stellung
gegen die Augen bewahrcu. Wenigstens aber können wir
der Anforderung durch die Wahl des Brillengestells genügen,
dafs die Entfernung der Augenmitten übereinstimme mit der
Entfernung der Glasmitten und hei mittlerer Stellung der
Augcnaxen mit den optischen Axen der Gläser zusaimneu-
mJ..r(T> Annal. Bd. CX,
falle. Bei Anwendung schwächerer Ulasilummcru sind 1
ni'ii' Abweichungen ohne Belang, bei kurzer Focallangc
der Augengläser dagegen müssen dieselben nulhwendig Ab-
weichungen in der richtigen Einstellung der Augcuaxen er-
zeugen und Verzerrungen der Netzhautbild er hervorrufen.
Die falsche Stellung der Gläser giebt sich häufig sympto-
matisch kund durch Druck auf die Augen, Spannung der
Augenmuskeln und bei leichter Reizbarkeit durch Kopf-
schmerz und Schwindel Das dauernde Tragen von Brillen
mit falscher Gläserstellung bewirkt nicht selten Unsicherheit
und Schielen. Es sind daher sowohl optische als costnetische
Rücksichten, welche uns veranlassen müssen, das Brillenge-
stell dein Entfernungsgrade der Augen anzupassen. Es wird
daher nicht ohne Nutzen sevn, ein Verfahren zu haben, die
Entfernung der Augemnittelpuiiktc genau zu messen. Diefs
kann auf mehrere Weisen geschehen. Ein einfaches Mittel
besteht in Folgendem: Man nimmt zwei Streifen Kartenpa-
pier, etwa 2 Zoll lang; an den Enden derselben steche
man mit einer Nadel ein Loch durch und halte die andern
Enden zwischen Finger und Daumen an der Stirne zusam-
men. Man bringe jedes dieser Löcher vor ein Auge nnd
sehe nach einem entfernten Gegenstaude; nun messe man
die Entfernung der Locher von einander, um sofort die Ent-
fernung der Augenmittelpunkte zu erhalten (nach Hawkins).
Man wird mittelst dieser Methode die Entfernung der
Augen mit hinreichender Genauigkeit messen können ; allein
sie eignet sich nicht zum Gebrauch des Optikers uud Oku-
listen, weil sie einige Geschicklichkeil der Manipulation bean-
sprucht, die bei den meisten Menschen nicht sofort voraus-
gesetzt werden darf. Smee hat deshalb für denselben
Zweck ein kleines Instrument construirt, welches er Vjsuo-
ineter nennt (s. Smee: Das Sehvermögen im gesunden und
kranken Zustande, ferner Ruele: Lehrbuch der Ophthal-
mologie). Diefs Visuometer besteht aus 2 Röbrchen, die
einander genähert und von einander entfernt werden kön-
nen, ohne ihren Parallelismus zu ändern. Beim Gebrauch
wird daa Instrument auf eine «A Fläche gerichtet and
451
Oer Punkt bestimmt, für welchen die durch die beiden Rohn*
gesehenen Lichtkreise am deutlichsten sich zeigen. Hei An-
wendung dieses Apparates zeigte es sich, dafs es vielen
Personen nicht gelingen wollte, diesen Punkt, wo die Licht-
kreise in einander übergehen und am hellsten sich zeigen,
mit Sicherheit anzugeben. Ich habe deshalb spater deu
kleinen Apparat, den Fig. 6 und 7 Taf. VI in -^ Gröfse
zeigen, construirt und in Gebrauch genommen. Er besteht
aus den kurzen Röhrchen A und A„ die an ihrem vordem
Ende ein Paar Plaugläser tragen, auf deren Milieu die ver-
licalen Marken p und /', ciugravirt sind. Die Rührcheu 1
und A, sind in ringförmige Fassungen eingeschraubt, welche
mit den Federn B und /.', verbunden sind. Letzlere halten
sie in dein gegenseitigen Abstände von etwa 3 Zoll. Durch
die Schraube C können sie aber bis auf 2" und mehr ge-
nähert werden. Reim Gebrauch stellt mau sich vor einen
Spiegel in derjenigen Entfernung, in welcher mau das Spie-
gelbild der eigenen Augen vollkommen gut sieht, und bringt
das Instrument dicht vor die Augen. Jedes Auge erblickt
alsdann im Spiegel sein eigenes Spiegelbild und auf demsel-
ben das Spiegelbild der Marken p und p,. Da die Augen-
axen bei dem Fixiren der eigenen Bilder parallel scyu müs-
sen, so hat man nur die Röhrchcn so lange mittelst der
Schraube (' zu verschieben, bis die Marken p und p, die
Pupillen balbircn. Der Abstand der Marken ist alsdanu
der Absland der Augeimiittclpunktc. Dieser Abstand wird
■ in der Theiluug des Stäbchens m abgelesen.
Die Beobachtung wird noch etwas erleichtert, sobald
man deu Spiegel in einem geschlossenen, geschwärzten Käst-
chen anbringt und die Ocularruhre A und A , mit den bei-
den Miren in die Vorderwand einsetzt. Der eine Ocular-
kopf kann fest, der andere bewegUch seyn. Die Beobach-
tung und Ablesung geschieht auch hier auf die beschriebene
Weise. Um den Kurz- und Weitsichtigen bei dieser An-
ordnung gerecht zu werden, inufs der Spiegel im Innern
des Kastens gegen die Vorderwand verschoben -we*i«w
können. Bei dieser letzteren Einrichtung yVitA c% VwiAtv.,
eine feste i'.n-.illi'isii. IIiiii^'. der Augennicn zu bewahren, wel.
che bei dem gezeichneten Apparate für manche Auge u schwer
ausführbar schieu ').
VII. lieber die Bestimmung lies galvanischen l*ei-
tungswiderstnndes ;
ron Dr. II VF. Schröder van der Kolk
..
in Maastricht.
1. Methode.
I' nsl nirgendwo findet man in der praclischen Physik mehr
aus einander laufende Resultate, als bei der Bestimmung
der galvanischen Lcitungsfäbigkeit der Metalle, wovon man
sieb durch eine Vcrgleichung der neuesten Untersuchungen
hinreichend tiberzeugen kann. So fanden z. B. für das
Silber Lenz 136,25, Matthiefseu 136,9 und Arodtsen
101,32, und für das Eisen die Werlhe 17,74, 18,6 und
15,02, wobei der Widerstand des Kupfers = 100 gesetzt
worden ist Beim Aluminium fand Matthiefseu 43,6 und
Arndtsen 51 bis 57, und gleiche Unterschiede findet
man für die verschiedenen Metalle bei allen Experimen-
tatoren. Nicht viel besser kommen die Bestimmungen des
Coefficienteu der Widerstandsveränderung bei Temperatur-
erhöhung unter einander überein. Da diese Unterschiede
viel zu grofs sind, um sich als Beobachtungsfebler erkläre»
I) Vorstehend beschriebene Instrumente werden in unserer Werkstatt für
malhenaliichc und physikalische Instrumente m folgenden Preisen an-
Optometer nebst Stativ 15 Tbk.
dito ohne ■ 7 .
Ophlhalmodiastimelrr 4 >
WUtlt^rHUig,.
453
zu lassen, so hat es seinen Werft, genauer die Ursachen die-
ser Differenzen zu erforschen«
Diese können ihre Ursache haben:
1) in dem untersuchten Draht,
2) in der angewandten Methode.
Dafs die Ursache oft im Drahte selbst zu suchen ist,
erhellt aus dem Umstände, dafs derselbe Experimentator bei
zwei Drähten desselben Metalles zwei ganz verschiedene Re-
sultate fand, wie z. B. Matthiefsen bei Kupfer.
No. 1 77,43
No. 2 72,06
No. 3 30,63.
Zuerst kommt hier die chemische Beschaffenheit in Be-
tracht, deren Einflufs Pouillet und Matthiefsen hin-
reichend nachgewiesen haben.
Zweitens ist die physische Constitution zu erwähnen.
Diefs war schon sehr wahrscheinlich geworden durch die
Untersuchungen Thomson's1), der z. B. bei angeblich
chemisch reinen Kupferdrähten die Widerstände 100; 96,1;
90,5 und 54,9 fand, und sogar von zwei Kupferdrähten
spricht, deren Widerstände sich verhielten wie 7 : 22.
Ebenso fand Weber für den Widerstand in absoluten
Einheiten:
Jacobi's Draht 2310,000
Kirchhoff's Draht 1916,000
Weber's Draht 1865,600
Galvanoplastisch niedergeschlagenes Kupfer 1684,000.
Dieser Einflufs war aber nicht mehr zu bezweifeln, da
man fand, dafs Metalle nach Erwärmung einen anderen Lei-
tungswiderstand zeigen, was z. B. Müller und Becquerel
beobachtet haben. Letzterer fand sogar beim Silber eine
Zunahme von 7 Proc, und wiewohl die Veränderung oft
geringer war, beobachtete er immer eine Zu-, niemals
eine Abnahme des Leitungswiderstandes. Hieraus ist abzu-
leiten, dafs starke galvanische Ströme, die den Draht merk-
bar erhitzen, auch dessen Leitungswiderstand verändere»*
l ) PhiL Mag. Str. 1F, T. 15. p. 472.
Später zeigte Wart in an n noch denEinlluts des Drucke;
auf die ConduclibiliUit.
Aus diesen Betrachtungen folgt also, dafs die Lcituugs-
fähigkeit von der chemischen und physischen Beschaffenheit
der Drahte abhängig ist
Da die physische Constitution jedoch sehr veränderlich
ist, kann man demzufolge nicht viel mehr annehmen, als dafs
eine Widerstaudsbesthnuiung bei Metallen, das Quecksilber
ausgenommen, nur gültig ist für den untersuchten Draht,
in der Voraussetzung, dafs dieser keinen starken Einflüssen
unterworfen worden sey. Im Allgemeinen haben also Wi-
derslandsbestimmungeu der verschiedenen Metalle wenig
Wcrth.
Auf die erhaltenen Resultate ist natürlich vou grofsem
Einflufs die Wahl der Methoden. Man kann diese im
Allgemeinen in zwei Classen th eilen:
1 ) wo der Widerstand verglichen wird mit einein andern
Widerstand,
2) wo man diese aus Veränderungen der Stromstärke
bestimmt.
In die erste Classe gehört die Methode, wo der Strom
nach Herausnahme des Widerstandes, z. B, durch einen
Rhcoslat, auf die vorige Intensität zurückgebracht wird, dit
Differentialinetbodc und die Wheatstone'sche, später von
Kirchhoff und M a 1 1 h i e f s e n muditicirtc Draht coinbi-
uation.
Bei dieser Methode wird der Widerstand immer dureb
einen anderen gemessen, wofür gewöhnlich ein Kheostat
angewandt wurde. Aber 6chon in seiner Construction h»l
dieses Instrument viele Mängel, wie zum Beispiel der schlei-
fende Contact der Feder, der nicht zu stark seyn darf; die
oft unvollkommene Berührung zwischen der Spirale und
dem kupfernen Cy linder, vorzüglich wenn dieser nicht gaoi
reiu ist; das allmähliche Verlängern des Drahtes u. s. w,
weshalb auch schon Jacobt eine andere Eiurichtung vor-
schlug und Becijucrel, Kirchhof und Audcrc eine so-
genannte WidcrstaudsbanV avwMiOAtu. Ivulwseu wurde der
455
Uheuslat in letzterer Zeil vtm lim. Arndtscn und Willi
bald Schmidt nieder angewandt. Leberdiefs beruht
alles auf der Proportionalität zwischen Lauge und Wider-
sland, was in der Praxis schwer zu erreichen ist, da man
sich niemals weder auf die gleiche Dicke, noch auf die
gleiche Couiiurlibililäl des Drahtes verlassen kann. Zwar
kann man successive Abschnitte des Drahtes mit einem Eta-
luii vergleichen, wie z. lt. Willibald Schmidt l) der
diesen Widerstand successive deu Drahtlängen 1135, 1155,
1125, 1150, 1135, IUI) gleich fand, wo also noch Diffe-
renzen von -,'.: vorkommen. Jedenfalls bleibt es aber un-
möglich, diese Correctiou genau anzubringen, da mau den
Draht zwar in mehrere gleiche Theile (heilen kann, aber
nichts desto weniger ganz ungewifs bleibt hinsichtlich der
gleichen Conductibilität in jedem Abschnitte.
Demzufolge sind die Methoden, wo der Widersland
durch die Stromstärke gemessen wird, denen der erstell
< Hasse bei Weitem vorzuziehen, da man diese Stärke mit gro-
sser Genauigkeit messen kann. Hieniit haben vorzuglich Hr.
Lenz und Hr. W eber sich beschäftigt, die beide Indnctious-
strüme, welche immer in nahe gleicher Gröfse hervorgebracht
werden können, augcwaudl haben.
In den elektrodynamischen Maal'sb es (immun gen sind be-
k.jiiullicii die beiden Webcr'scheu Methoden, die Multi-
|)licatiuus- und die Zurückwerfimgsmcthude, beschrieben,
welche letzlere bei der Vergleicbung der Leipziger Etalons
ungewandt wordcu ist.
Wiewohl diese Methode theoretisch allen Anforderungen
entsprich), hat sie doch in practiseber Hiusicbt ihre Beschwer-
den, unter weiche vorzüglich die sehr langwierige Kechtuing
-zu zahlen ist. Bei dem sellencu lalle einer Vergleichung
der Etalous ist diese Schwierigkeit weniger erheblich, bei
ciuer nur etwas ausgebreiteten Reihe von Widerstands«] es
sungen wird dieser Mangel hingegen sehr fühlbar. Defs-
wegen wurde bei den weiter unten beschriebenen llestim-
I) !•.,::;■ \a». l;.l 107, 5. 539.
AM
■Illingen Malt der Weber' sehen eine andere mir von
Dr. J. Bosfcha milgethcilte Methode angewandt.
Diese beruht auf dem folgenden Principe: Mau theill ei-
nen Strom in zwei Zweige, deren Widerslände o und li
(Fig. LU Taf. II) sind, dann ist die Relation der Intensitäten
in b und d') = — tt-
Nennt mau den Ilaupistrom J, so ist demzufolge die
Stromstärke in b
i = ~rJ
.... O).
Vergröfsert man den Widerstand iu b, so wird, wenn
' dieselbe bleibt, i abnehmen; mau kann aber auf vielfache
Weise, z. B. durch Verringerung des Widerstandes in d, J
dergestalt zunehmen lassen, data i, trotz der Vcrgröfserung
von b, seinen Wcrlh behält. Sey m die Zunahme von b,
und J der Werlb, welchen mau der Stromstärke im Haupt-
zweige geben mufs, um i auf seineu Werth zurückzubriu-
gen, so ist
'^Tfh^J' <*)
oder in Verbindung mit (o)
-/ =
und
l-f-*+M
t=4--l
. . . . t«>).
Die Relation — r- Isfst sich demzufolge bestimmen, wenn
J und J mittelst einer Tangeotenbussole gemessen werden,
und sich in 6 ein Galvanometer befindet, das aber nur der
Bedingung bei gleicher Intensität gleiche Abweichung zu
geben, zu entsprechen braucht. Ebenso hat man bei Ein-
schaltung eines anderen Widerstandes vi
.■£r = f-' <J>-
Aus (c) und (d) findet man dann
I ) In der Figur i« der Widenlind da
457
J"
1
___
J
J"
-J
^^■VB«
J'
1
J'
— J
•-_
a_B
J
(e).
Mittelst dieser Methode kann man also leicht den Quo-
tient zweier Widerstände bestimmen. Es ist leicht einzu-
sehen, dafe die Methode desto genauere Resultate geben
wird, je mehr J und J" von J verschieden sind, oder mit
andern Worten, je gröfser m ist im Verhältnis zu 6. Da
die empfindlichen Rheoskope aber meistens einen grofsen
Widerstand besitzen, bekommt b schon hierdurch einen gro-
fsen Werth, und die Methode würde also nur bei der An-
wendung sehr grofser Widerstände ihre Anwendung finden
können.
Dieser Schwierigkeit ist aber leicht abzuhelfen durch eine
zweite Nebenschliefoung in f Fig. 1 1 Taf. II. Sey der Wi-
derstand zwischen e und g9 zusammen mit dem zwischen c
und A, gleich p, der des Multiplicators M gleich g, so ist
der Quotient ohne Nebenschliefsung in f
-— 1 = m
Ist diese aber angebracht, so erhält man statt des grofsen
Widerstandes g, den Werth £f— , welcher, wenn g grofs
ist in Yergleichung mit f, gleich f gesetzt werden kann.
Man hat also
— —1= m
und diesen letzten Widerstand kann man immer hinreichend
verringern, um dem Quotienten einen grofsen Werth zu
geben.
Meistens wird es unmöglich seyn, bei den beiden Bestim-
mungen , aus welchen der Quotient . berechnet wird,
die Stromstärke im Multiplicator auf genau gleiche Gröfee
zu halten. Man kann aber leicht kleine Differenzen bei-
behalten, und annehmen, dafs die Stromstärke im Multipli-
cator bei diesen geringen Unterschieden den Ablesungen
458
direcl proportional sey. Um also die Bestimmungen auf
gleiche Stromstärke zu reduciren, müssen die, corrigirten
Ablesungen der Tangcutcnbugsolc durch die des Multipb-
calors dividirl werde».
Das Galvauoroeter, wodurch J, J und J' besfimmt wer-
den, uiufs niil großer Genauigkeit die Intensitäten angeben,
was bei den andern (licht erforderlich isl, da dieses Instru-
ment stetB nahezu gleiche Ablesungen giebt.
Noch ist zu bemerken, dafs auch hier bei nahe gleicher
GröTse der beiden Widerstände, die Genauigkeit der Me-
thode sehr zunimmt. Man subtrahirt J von .'' und J", und
je mehr diese übereinkommen, desto geringeren Einflufe
werden Fehler in J auf den Quotienten ausüben. Sind sie
einander gleich, so vcrschwiudel dieser Eiuflufs völlig.
Im Allgemeinen intifs jede Methode von Widerstand*
messung folgenden drei Bedingungen genügen:
1. Der Widersland nmfs bestimmt werden durch die
Stromstärke.
'2. Die Bestimmung mufs unabhängig sevo von deo
Stromschwankungen, welche wählend der Bestimmung durch
Veränderungen im Elektromotor verursacht werden.
3. Der Strom mufs so schwach seyn, dafs man keine
merkliche Wäraczunahmc und daraus fulgeude Widei-
Btauds Veränderung zu befürchten hat. Die Weber'sclit
Methode und die hier beschriebene genügen beide der er
sleu Bedingung und verdienen deswegen deu Vorzug vw
dien Methoden der ersten Gattung.
Der zweiten wird genügt durch die gleichzeitige Able-
straft des Multiplicators und der Tangen tcubussole. Eine
Stromschwankung wird demzufolge zugleich angezeigt und
in Bechnung gebracht. Bei der W c b e r ' scheu war dk
elektromotorische kraft coilstanl, da hier Inducliotisstroux
angewandt wurden. Her drillen Bedingung entsprech«
beide, da mau bei den zwei .Methoden deu Strom beliebig
schwächen kann.
In dieser Hinsicht sind beide Methoden als tun gleichem
VVcrth zu betrachten. In dem Folgenden hoffen wir ab«
459
zu zeigen, dafs die Bosfcha'sche Methode in practischer
Hinsicht einige Vorzüge besitze.
2. Einrichtung der Versuche.
Die Instramente waren aufgestellt im Sectionszimmer
der Anatomie zu Utrecht.
Der Strom eines Da ni eil' sehen Elementes B (Fig. 12,
Taf. II) durchlief erst die Windungen der Tangentenbussole
T, deren Abweichungen mittelst Fernrohr und Scale in K be-
stimmt wurden. Mittelst des Commutators konnte man den
Strom auch in entgegengesetzter Richtung durch die Bus-
sole leiten. In D verzweigte sich der Strom ; ein Theil ging
direct nach E, der andere dagegen nach dem Multiplicator
M (Ablesung mittelst Fernrohr und Scale in L) durchlief
in R den zu untersuchenden Widerstand, um nach Verei-
nigung mit DE in JE, nach B zurückzukehren.
In ON war ein Nebenzweig angebracht, da die Methode
sonst, des grofcen Widerstandes in M wegen, zu unge-
naue Resultate geben würde. In Vergleichung mit Fig. 11
ersieht man, dafs* 2?, T, M und R ihre Bedeutung beibe-
halten, indem ec durch ED und gh durch ON vertreten
ist. W ist ein Regulator, um die Stromstarke in M immer
auf gleichen Werth zurückzubringen. Um die Nadel der
Tangentenbussole schnell zu beruhigen, war in P eine kup-
ferne Spirale aufgestellt worden, durch welche man den
Strom der Batterie Q mittelst des Commutators S in bei-
den Richtungen führen konnte. Man hatte also eine Am-
pere'sehe Solenolde, welche die Nadel nach Belieben an-
zog oder abstiefs.
Die ganze Bestimmung bestand demgemäfs in den Ab-
lesungen der beiden Galvanometer. Da man dem Multi-
plicator M stets nahezu gleiche Abweichung gab, war hier
keine Correction an den Ablesungen anzubringen, welche
den kleinen noch übrig bleibenden Differenzen der Strom-
stärke proportional zu setzen waren. Das Fernrohr L hatte
eine 30 malige Vergrößerung, und die Scale war ein in
Millimeter getheilles Metermaafs.
460
Aus Jeu Ablesungen der Tangcntenbuseolc T mufste
mau .ibcr mil der gröfsteu Genauigkeit die Stromstärke
berechnen können, da hieraus der Quotient der Wider-
stände abgeleitet wurde.
Das Instrument war vom IWechauiKus Ollaud in Utrecht
verfertigt und zwar mit vieler Sorgfalt. Es bestand in eiuer
Tangentcilbussolc, worin die mit einem Glasapiegel verse-
hene Nadel an einem CoconFaden aufgehangen war. Die
Nadel war durch einen sie umgebenden Glaskasten vor Luft-
strömungen geschützt. Die Dimensionen waren:
Durchmesser der Windungen 61)0"""
Anzahl der Windungen 10
Dicke der Drähte 2
Länge der Nadel 40
Dicke des Spiegelglases 3,G
Dicke der Glasplatte 2,0
Distanz der Scale vom Spiegel 2241).
Die Ablesung geschah mittelst eines Fernrohrs mit 5Suia-
liger Vergrofseruug und einer 12 Decimetcr langen in halbe
Millimeter geseilten Scale. Zehntel dieser Abteilungen
wurden geschätzt, und da man also 7;öntr der Länge oder
-,',T Millimeter bestimmte, mufsten alle Corrcctioncu, welche
diese Griifse überschritten, berechnet werden.
Diese CoitccIjohcii waren folgende:
I. Die Tangenten der doppelten Winkel mufsten auf
die der einfachen Winkel rcilucirt werden mittelst dci
Formel
«=<(Mj+Aj )
wo :■■ die Distanz zwischen Spiegel und Scale, ■ die wahr
genommene, d die corrigirte Ablcsuug in Scalen tlieileu
bedeutet.
Die GoiTcetion — ; ; — ; wurde sogleich au den Beob
achtungeii angebracht.
2. Das folgende Glied der Reihe T'v — 4.
3. Die Stromstärke ist den Tangenten der Abweichun-
gen nicht genau proportional.
Da die Windungen eine merkliche Breite hatten, wurde
die von Bosfcha üttegrJrte Bravais'sche Formel ange-
wandt.
Bei der Bravais'schen Formel sind die höheren Po-
tenzen des Quotienten — vernachlässigt, deren Einflufs auf
das Resultat sich bei der Berechnung als unmerkbar ergab.
I. Bei der Anwendung eines Glasspiegels wird der
Strahl parallel mit sich selbst verrückt, welche Verschie-
bung von der Dicke und dem Brechuugsquotienten des
Glases abhängt.
Scy p die Dicke des Glases,
n der Brechuugsuuotient, so ist die Correction
-'i<*?+&&
wo e und a ihre frühere Bedeutung bcsilzeu.
5. Ebenso wurde der Strahl von der vor der Nadel
aufgestellten Glasplatte verrückt.
Sey p wieder die Dicke, » der Brechungsuuolienl,
so ist
e (u — \ i
C0VT.=P~(-
ia'J
6. Bei der Berechnung des Einflusses einer etwaigen
prismatischen Form des Glasspiegels, ergab sich, dafs die-
ser Fehler eliminirt wird durch Ablesungen an beiden Sei-
len des Nullpunktes.
7. Der EinQufs der Torsion kann =0 betrachtet wer-
den, da man diese als den Ausschlägen genau proportional
betrachten kann.
8. Die Aufstellung von Fernrohr und Scale geschah
auf folgende Weise.
Man bestimmte den Punkt der Scale, der gerade unter
die Asc des Fernrohrs zu liegen kam, und stellte letzteres
4M
so, rlal's dieser vom Spiegel reilcclirte Punkt mit dem in
der Mitte des Feldes aufgespannten Faden zusammenfiel.
Nim niufstf die Scale noch senkrecht auf die Axe des Fern-
rohrs gestellt werden, was man leicht auf folgende Weist
erreichen kann.
Mao befestige in J Fig. 13 Taf. II ein kleines Stück
Spiegelglas gerade unter der Aie des Fernrohrs. Nachdem
dieses senkrecht auf den Spiegel gestellt ist, wird in 0
ein Draht dergestalt aufgehängt, dafs sein ün Spiegel re»
flectirtes Bild mit dem Faden des Fernrohrs zusammen fällt.
Der Faden wird aber auch vom Spiegel der Scale nach
OlGU rcflectirt, und nur wenn beide Spiegel (lachen ein-
ander genau parallel sind, werden beide Bilder zusammen-
fallen. Man hat also nur die Scale zu verdrehen, bis diefs
eintritt. Da hier aber der Parallel ismus zwischen Spiegel
und Scale vorausgesetzt wird, mufs die Scale ganz flach
seyn, und übrigens läfst sich der Fehler elimiuiren hei
Wiederholung der Beobachtung bei umgelegter Lage des
Spiegels. Stall des Drahtes kann man bisweilen mit Vor-
Iheil eine Flamme anwende».
Auf diese Weise waren alle Corrcctioneu, welche bei
einer Bestimmung des Quotienten der Intensitäten in Be-
tracht kommen, und von welchen die drei letzten unmerk
lieh sind, berechnet.
Die erste wurde für jede Beobachtung besonders be-
rechnet.
Die übrigen vier wurden für 100 bis 10O1™ iin Voraus
berechnet. Man fand somit folgende Tabelle, deren Cor-
rectionen in Millimeter angegeben sind.
I
1.1. Hut.
Cnrr. Na. 2
fin. 3.
ISo 4.
No 5.
SuaiK
120»
+ 0,77
+ 0,36
+ 0,73
+ 0,20
+ 2,06
1000
0,31
0,21
0,60
0,16
1,28
800
0,10
(1,10
0,48
0,13
0,81
600
0,02
0,04
0,36
0,10
0,52
400
0,00
0,01
0,24
0,07
0,32
200
0,00
0,00
0,12
0,03
o.l".
463
Hieraus erhellt, dafs diese Correctionen nicht zu ver-
nachlässigen sind, da man sie bei der Tangentenbussole T',jMB
schätzen kann.
Die Beobachtung geschah nun auf folgende Art:
Nachdem der Nullpunkt des Multiplicators bestimmt
war, wurde der Strom geschlossen, und beide Galvanome-
ter nach Beruhigung der Nadel zugleich abgelesen, was so-
gleich bei entgegengesetztem Ausschlag der Tangentenbus-
sole wiederholt wurde. Zuletzt wurde der Strom geöffnet
und der Nullpunkt des Multiplicators nochmals bestimmt.
Diel* wurde nun bei Einschaltung eines andern Wider-
standes wiederholt, wobei die Ablesungen des Multiplica-
tors immer möglich gleich gehalten wurden.
An den Differenzen der beiden Ablesungen der Tan-
gentenbussole wurden nun erst Correction 1 und darauf
die aus der Tabelle angebracht. Der Quotient, nach Divi-
sion dieser Zahlen durch die der Multiplicatorablesungen,
wurde der Stromstärke proportional gesetzt.
Sey J1 ihre Stromstärke bei Einschaltung des Etalons
J" n » » m
ier Copie
J*1* » » » m
von beiden hin-
ter einander
JlV MM» »
von beiden ne-
ben einander
m der Widerstand des Etalons
n » » der Copie,
so folgt aus der oben gefundenen Formel
i = ■T-r nnd m = V
fr-
J"
!tr
Bei dem hier mitgetheilten Beispiel sind alle Angaben in
Millimeter.
Verglcicbuiig von C.opic No. 2 luid No. 3 am II. Aug.
No. 3 uud No. 2 hinler einander.
607,2
B07.M
606,1
ttip'frH
607,55
606,10
"6Ö6,82_
1110,50
1110,70
1110,50
88,85
88,75
89,00
411,50
T i ngen icn busicl t.
1110,60 Corr. No. 1.
1051.70
14,39
II 137 .Ml
88,90 Helms. Corr. MJ
1038,72
Alan fand ebenso
1051,70
^ = 2,35273 (log. 0,37157).
1 = 1,50257
/' = 1,53887
r = 2,35273
J»=z 1,10310
No.3 r-J 0,Si(H6 ,,,,„.
= l/TäETr = ».«77 = 1, 04447
Im Millol = 1,01453
Die Rechnung wird noch viel erleichtert durch Anwrih
düng der Gauss 'sehen Logarithmen, da hei der ItereoV
innig J, J\ J" und J" stets in Logarithmen bekannt sind.
Da mau bei dieser Methode eines coustanten Wider-
standes bedarf, so war mein erster Zweck, nachdem die In-
strumente aufgestellt waren, die Leipziger Copien in dieser
Hinsicht zu untersuchen. Es versteht sich, dafs diese nur
bei schwachen Strömen anzuwenden sind, bei längerem
Gebrauche halle Hr. Quintus Icilius in diesem Falle
dennoch bei Kupfer- und Platinadräbtcn eine Widerslauds-
zunahuie gefunden. Liefs sich schon hieraus ableiten, dafs
man sich nicht uubcdiugt auf die Leipziger Copien verlas-
sen konnte, so war weiter noch folgender Einwand zu
machen. Für jede Copie werden zwar die Beobachtun-
gen mitgelhcilt, durch welche sie mit dem Leipziger Stan-
dard-Etalon verglichen wurde, aber niemals die Temperatur,
wobei diefs geschah. Haben beide Copien gleichen Coef-
ficienten für die Widers tandszunahme bei Temperaturer-
höhung, so ist diese zwar ohne Einflufs auf ihr Verhält-
nifs; da jedoch der Widersland der Kupferdrähte sehr ver-
schieden seyu kann, läfst sich diefs a priori nicht behaup-
ten, und um so weniger, da der Jacobi'sche Etalon von
Kupfer und die Copien von Messing sind. Die Zahl, welche
den absoluten Widersland einer Copie angiebt, gilt also
nur bei einer bestimmten Temperatur, und ist für jede an-
dere zu grofs oder zu klein, und da weder diese Tempe-
ratur, noch dieser Coefficient bei den Copien hekannt ist,
so bleibt es unmöglich, diese Corrcction anzubringen.
Dieser Fehler ist nicht zu vernachlässigen. Gesetzt man
habe einen Kupferdraht und einen von Messing von genau
gleichem Widerstand bei 25" gefunden, und
z.B. =19000.10' """".
so werden diese bei 15", wenn man nach Arndtsen für
Kupfer den Coefficienten 0,0036 und für Messing 0,0016
annimmt,
PojgrndoriT» \aoil. Bd. CX. '$&
der Kupferdraht = 18342 101
der Messingdraht = 10702 10'
Unterschied = 360 10',
d. i. nahe jj^ des ganzen Werthes.
Um aber die Veränderlichkeit der Copien mittelst die-
ser Methode zu untersuchen, wurden Copie No. 3 aus
Leyden mit Copie No. 2 aus Utrecht unter einander vergli
chen. Von diesen war die erste oft, die zweite noch nicht
gebraucht worden.
Nach den Leipziger Angaben war:
Widerstand der Leyden'schcn Copie No. 3 =60717 I01
der Utrecht'schen » No. 2 =60158 10'
also
~ = 1,00929.
Die directen Vergleichuogen am 28. und 39. Juni ergaben
28. Juni 1,0777
29. - 1. Ser. 1,0762
2. Ser^ 1,0742
ün Mittel ~| = 1,07603
Dieser Unterschied läfst sich unmöglich durch Beob-
achtungsfehler erklären, und zeigt also, dafs die Leyden'-
sche Copie No. 3 durch den Gebrauch sehr an Widerstand
zugenommen bat.
Diese Zunahme wurde noch von anderen Beobachtun-
gen angedeutet. Wiederholt war mit der Levdner Copie
die elektromotorische Kraft eiues Daniell'schen Elementes
bestimmt. So fand Bosfcba vor einigen Jahren, bei An-
wendung der Leipziger Angaben,
e = 10258 Iß-
lm Oct. 1858 fand ich 9233 10:
ImNov.lS59 « ISosfcha 10008 I0: ,
welche Differenzen sich mir ans Veränderungen der Co-
pien erklären lassen, da die elektromotorische Kraft eines
Daniell'schen Elementes gewifs für constaut zu hallen ist.
War es demzufolge ausgemacht, dafs die Copien auf I
467
die Dauer ihre» Widerstand ändern, so wunderte mich
dennoch, dafs die Uebereinstimmung der Resultate
28. und 29. Juni nicht gröfser war, da die Methode zwei-
felsohne eine gröfscre Genauigkeit zuläfst. So lange aber
nur zwei Copien verglichen wurden, war es unmöglich zu
ermitteln, ob diese Unterschiede den Beobachlungsfehlern
oder Widerstandsänderungen zuzuschreiben waren. Bald
aber ergab sich die Gelegenheit die Untersuchungen an
Copie 5, welche dem Deventer 'sehen physikalischen Ca-
binet gehört, fortzusetzen.
Man konnte nun unter einander die drei folgenden Co-
pien vergleichen:
Copie No. 3 aus Lejden 60717 10' ",l"'
■ No. 2 ■ Utrecht 60158 10s
No. 5 ■ Deventer 59440 I0S nach den
Leipziger Angaben,
Erst wurde No. 3 mit No. 2 verglichen, wobei succes-
sive jede allein, beide hinter und nebeneinander in die Lei-
tung gebracht wurden. Auf gleiche Art wurde No. 3 mit
No. 5 und No. 5 mit No. 2 verglichen. Eine vollständige
Bestimmung; bestand deuigcmäfs aus zwölf Beobachtungen.
Man hat hiebei den grofsen Vortheil die Genauigkeit der
Beobachtungen controliren zu können, da das Yerhällnifs
zwischen den drei Copien, deren Widerslände am meisten
verschieden waren, immer dem Producta der beiden andern
gleich seyn mufste.
Es ergaben sich folgende Quotienten:
1859.
No. 3
No 2
Nu. 3
No.3 No.8
Conlrolc
No. 2
N., 5
No. 5
No.2"No.5
Nach LripK. Ang.
1,00930
1,01207
1.02149
11 Aug. Vorm.
1,01453
1,00302
1,01769
1,04767
0,00002
- , Niclmi.
1,(14308
1.00307
1,04567
1,04627
O.OIIOfi»
13 ■
1.(1 1)62
1,00161
1,0435.1
1,04329
0,00(125
17 -
1,04(133
i.oftias
1,04516
1.04470
0.000.16
25 -
1,04004
0,98872
1,02842
1,02831
0,00011
Aus diesen Beobachtungen kann man ableiten,
der Widerstand des Kupfers eine sehr veTän4«xV«\«.^\1tSÄ
468
ist, und sogar von schwachen Strumen in kurzer Zeit ver.
ändert wird. Diese Veränderlichkeit erreichte zwar selten
Tio des azeu Wcrtbs, weshalb sie auch bei Anwendung
der f icd wenig genauen Methoden unbemerkt bleiben
mufstc; wo man aber, der Controlc geuiäfs, wenigstens auf
tnW gc"'il-:. ist, kann mau eine Differenz von T&a nicht
länger Beobachtiingsfehleni zuschreiben.
Man ist dann wohl genölhigl diese Ursache in einer
änderten moleculareu Constitution zu suchen; den Tem-
peraturveränderungen ist sie keineswegs zuzuschreiben, di
diese nahe Null waren.
Die Zunahme der Leydencr Copie No. 3 ergiebt sicli
sowohl aus der Vergleichung mit No. 2 als mit No. 5.
Schwer ist es aber insbesondere die Veränderungen der
Copien anzugeben, da man sie dazu mit völlig constantca
Widerständen hätte vergleichen müssen, und hier nur Ver-
hältnisse bestimmt worden sind, deren Veränderungen sowohl
in der einen als in der anderen Copie liegen kann. Da!
regelmäßige Abnehmen der Verhällnisse i.—^ UDC^ n— T
zeigt aber, dafs No. 2 und No. 5, die beide nicht oder
wenig gebraucht waren, eine größere Widerslandszunahine
erfuhren als No. 3, die früher schon viel stärker expouirt
worden war.
Von dieser letzten No. 3 kann ich noch Folgendes be-
merk cu.
Der Widersland ist nach Leipziger Augabe 60717 10s™
Beslhnuiung Oct. 1858 68736 10*
Nach Vergleichung mit der Ulrcchtcr Copie
No. 2, welche als unverändert betrachtet
wurde, Juni 1859 64718 10'
Nach Vergleichung mit der Dcvenler Copie
No. 5, welche als unverändert betrachtet
wurde, II. August 1859 62260 10s
No. 3 war an diesem Tage auch mit der
Vir. Copie verglichen-, Aa o\e&ti äVjct %eit
469
Juni viel gebraucht worden, konnte man
sich auf sie weniger verlassen.
Bestimmung 4. November 1859 61760 | „__... ,„,
. 5. - - 62720 ! 6224° l°
Hieraus scheint zu folgen, dafs die Leydener Copie
No, 3, nachdem sie erst durch starke Strome von 8 bis 10
Daniell'scbe Elemente sehr au Widerstand zugenommen
halle, allmählich zu dem vorigen Betrage zurückkehrte. Von
Juni bis August hat sich der Widerstand viel, und von
August bis November nur wenig geändert, wovon die Ur-
sache vielleicht in dem Umstände zu suchen ist, dafs die
Copie von Juni bis August fast nicht, und vou August bis
November oft augewandt worden ist.
Halte man also schon früher gefunden, dafs man sich
auf die Dauer nicht auf die Leipziger Copie verlassen konnte,
so folgt aus diesen Bestimmungen, dafs sie sogar zu ver-
änderlich sind, um bei eiuer Methode, die leicht eine Ge-
nauigkeit von -riFViT zulafst, angewandt werden zu können.
Ohne Zweifel ist die Genauigkeit aber weiter zu führen,
da man unter ziemlich ungünstigen Umständen beobachten
mufsle. Hie Galvanometer konnten nicht auf isolirten Sta-
tiven aufgestellt werden, und wurden häufig gestört von
vorbeifahrendeu Wagen, da das Local mitten in der Stadt
gelegen war. In dessen Niihe wurde oft gezimmert, und
überdiefs machten viele magnetische Störungen, vorzüglich
im September, den Nullpunkt oft sehr ungewifs. Dieser
wurde immer vor und nach dem SehlJefscn des Stromes
»bgelesen, und wenn eine Differenz sich ergab, wurde das
IMittel genommen. Nichts versicherte aber, dafs die Nadel
sich regelmässig forlbewegt hatte, und war dieses nicht der
Fall, so wurde immer ein fehlcrhafler Nullpunkt eingeführt.
Hat man dagegen ganz feste Stative, empfindliche Gal-
vanometer und starke Fernrohre, so würde diese Methode
vielleicht ohne Schwierigkeit eine Genauigkeit von , ,,,',„,,
erreichen lassen. Vorteilhaft ist es dann aber, den Strom
nicht nur in der Tangentenbussolc, sondern in der ^mslcw
Leitung umzukehren, da man dann auch Uis ä«ju ^*V\A\.v^w-
470
dorn Ite Ausschläge erhält, und Veränderungen des
an grofsentheils elirninirt werden, die man Übrigens
m . idung eines dritten Magnctometcrs ganz heraus-
o^..al . inte.
ergleiciit mau hiermit die Wcber'sche Methode, so
a diese keineswegs eine grofsere Genauigkeit gewähren
en. Diese hangt ab von den Ablesungen, für welche
ii i zwar bei beiden Metln gleiche Scale und Fern-
ronre anwenden kann, die j h bei der beschriebenen
Methode Beziehung haben aut die ruhende Nadel, während
bei der anderen Methode Elonj Jonen der Schwingungen
abgelesen werden, was gewjfs nicht mit gleicher Genauigkeit
geschehen kann. Aus den Tteobac hingen selbst sind die Me-
thoden nicht zu vergleichen, da eine Vergleichung zwisebeo
den Copicn, wie die initgctheiltc, bei der Weber'sehen
Methode nicht vorlag.
Zwar kommen die zwei Zahlen aus je drei der vier
Bestimmungen bei beiden Methoden immer sehr gut übereil),
aber dieis ist nur ein sehr schwacher Beweis. Von den
drei gegebenen Gröfscn sind in beiden Fällen zwei diesel-
ben, und ein Fehler in diesen zwei Bestimmungen ist also
ganz ohne Einllufs. Ferner ist es leicht cinzuscheu, dafe
ein Fehler in den zwei anderen einen nur sehr geringen
Einllufs auf das Resultat haben wird, sogar einen ganz ver-
schwindenden, wenn beide Widerstünde einander gleich sind.
Wiewohl immer nur schwache Strome angewandt wurden,
war es dennoch der grol'sen Genauigkeit wegen, welche die
Methode gewahren kann, der Mühe werth, den Einllufs
der vom Strome entwickelten Wärme zu untersuchen. Es
stellte sich aber heraus, dnfs diese bei nahe gleicher Grofse
der zwei untersuchten Widerstände ganz unmerklich ist.
und dafs es nur im Falle, wenn diese sehr verschiedeu sind,
vorlheilhtift sevn kann den Zweig a Fig. 10 Tat. II in
ein Wasserbad zu stellen, um zu grolse Wnruiezuüahrac
zu verhindern. Durch den Strom werden zwar bei jedem
Etalon Wärme und Widerstand etwas steigen; macht man
den Strom aber immer von %Yfc\c\\e* Gitttttt uud Dauer, so
n ird .ml li diese Zunahme cunslant bleiben. Da diese und
alle übrigen Corrcctioneu, so wie die beschriebenen Resul-
tate hier nur im Auszuge inifgetheilt sind, su umfs ich für
die weitern Details auf meine Dissertation hinweisen.
4. tlDIersuchung des Quecksilbers.
Die im vorigen Abschnitte mitgetheilteu Resultate zeigen,
dafs bei den Leipziger Etalons aur keinen constauteii Wi-
derstand zu rechnen ist, und dafs es demzufolge auch un-
möglich ist, mittelst dieser Copien den absoluten Widerstand
des Quecksilbers zu bestimmen. Für practische Zwecke ist
diefs auch weniger nothwenrfig, da man nur eines conslanten
Widerstands bedarf, um zwei verschiedene Widerstände ge-
nau vergleichen zu können. Da nun Kupfer diefs nicht zu
gewähren scheint, wollte ich Joule's Beispiel folgen und
Etalons von Quecksilber anwenden, bei deren Gebrauch
es aber höchst nolhwendig war, den Coefficient der Wi-
derstandsvermiuderung bei Temperalurzunahuic zu bestim-
men, was der zweite Thcil dieser Untersuchungen war.
Zu dieser Bestimmung miifste mau den Widerstand einer
Quecksilbersäule bei verschiedenen Temperaturen mit eiueuj
constantem Widerstand vergleichen und demzufolge hier
sogleich Quecksilberetalons anwenden. Dieses Metall ist
dem Kupfer für diese Zwecke ohne Zweifel vorzuziehen, da
mau hier keine Veränderungen der molcculareu Constitution
zu fürchten hat.
Diese Etalons bestandeu aus zwei Rarometerrühreu, wel-
che horizontal auf eiuem Brett befestigt wurden nud de
reu Enden verlical umgebogen waren. In diesen wurden
zwei eiserne Stäbchen von 8""° Dicke befestigt, welche
oben mit zwei kupfernen Schrauben versehen waren zur
Aufnahme der Leitungsdrähte. Der obere Theil der eiser-
nen Stäbchen war mit Firnifs bestrichen, damit die Ober-
fläche des Contacls nicht zunehme bei erhöhter Tempe-
ratur und Ausdehnung des Quecksilbers.
Die früheren Bestimmungen, dieses Guefticienlen ergaben
Edui. Becqucrel (I.00UV36
Keiler
0,W>\ttlä.
Diese stimmen zwar sehr gut übereiu; die geringe Ueber-
einstiinmung ihrer übrigen Resultate mit denen Arndtseu's,
der das Quecksilber nicht untersuchte, schwächt aber doch
einige rmafsen das Zutrauen zu diesen Angaben. Um so we-
niger war also eine neue Untersuchung für überflüssig zu
halten, da dieser CoefGcient beim Gebrauche der Etaions
seine Anwendung findet.
Hierzu wurde eine vielfach umgebogene, mit Quecksilber
gefüllte Rühre in einem Wasserbade erhitzt, und sein Wi-
derstand bei verschiedenen Temperaturen mit den Qucck-
silberctalous verglichen. Das Wasserbad war ein kupfernes
Gefäfs mit doppelter Wand, worin das mittelst eiuer Spi-
ritusllamme erhitzte Wasser fortwährend in Bewegung ge-
halten wurde, um die Temperatur gleichinüfsig zu halten.
In den beiden Eudeu der Rühren befanden sich zwei
eiserne Stäbchen, 4""" dick, welche, ausgenommen au ihrem
unteren Thcilc, mit Mastix bedeckt waren. Die freie Ober-
fläche des Eisens war also immer unter dem Quecksilber-
niveau, um eine Zunahme des Contacts bei der Ausdeh-
nung des Quecksilbers zu verhindern. Die Stäbchen selbst
waren oben in kupfernen Schrauben befestigt, die zugleich
zur Aufnahme der Leitungsdrähte dienten.
Die Rühre war also abwechselnd in oder aus der Lei-
tung, wenn die Leitungsdrähte zugleich oder vermittelst der
Quecksilberröhre verbunden wurden. Dadurch wurde aber
keineswegs der reine Widerstand der Säule gefunden, son-
dern vermehrt mit dem des Eisens uud des Contactes. Des-
wegen wurde eine zweite Rühre von kürzerer Länge und grö-
fserem Durchmesser im (.Kalorimeter neben der anderu auf-
gehängt, und gleichfalls mit zwei eisernen Stäbchen ver-
sehen. Im Ganzen hatte man also vier eiserne Stäbchen,
die sich aus dem Calorimeter erhoben.
Der galvanische Strom wurde nuu entweder durch die
eine oder die andere Rühre geleitet, wobei die gleiche
Grüfse der vier eisernen Leiter erlaubte, deren Widerstand
und den des Cotitacts in beiden Rühren einander als gleich
zu betrachten. Der gefundene Widerstand bezieht sieb dann
auf den Unterschied beider Rühren, und also auf eine von
bestimmter Gröfse, deren Dimensionen man aber nicht zu
kennen braucht, da nur das VcrhäUnifs der Widerstände
bei verschiedenen Temperaturen gesucht wird.
Zwei der eisernen Stäbchen einer jeden Röhre waren
mittelst einer kupfernen Schraube unter einander verbunden,
welche letztere zugleich zur Aufnahme einer der Leitungs-
drähte diente. Diese Schliefsuug blieb während der Be-
stimmungen unverändert. Die zwei andern waren aber jede
mit einer Schraube versehen zur Aufnahme des anderen
Leitungsdrahtes, den mau also nur aus der einen in die
andere Schraube zu setzen hatte, um den Strom durch die
lange oder kurze Quecksilbersäule zu führen.
In dem (.Kalorimeter hingen zwei Thermometer, die öfters
während der Beobachtung abgelesen wurden.
Ist nun der Widersland gleich W bei 0", und gleich
W bei (, so ist
ir = Ci-r-«o w>
die Widerstandszunahme für einen Grad ist. Des-
wo
halb ist
\W ) t
Folgende Correctioncn wurden nun angebracht:
1. Die Ausdehnung des Glases. Sej diese ß, so lin
. "
W .
Für ß wurde ein mittlerer Werth =0,0000085 auge-
wandt. Mau halte keine Gelegenheit diesen Coefficient
direct zu bestimmen, und der geringe Betrag der Correction
macht auch eine gröfsere Genauigkeit überflüssig.
2. Bei der Beobachtung wurde der Unterschied der Wi-
derstände beider in den Calorimeter gestellten Bohren be-
stimmt, welche Differenz nur dann eine bestimmte Gröfse
haben wird, wenn beide Quecksilbersäulen gleiche Tempe-
ratur haben. Da diels gewöhnlich nicht ganz genau dex
Fall war, mufstc eine Correction anscbtödA'WCT&fc», vsä&<
von den Dimensionen beider Rühren und ihrem Tempera-
turunterschied abhängt. Bei der Berechnung ergab sieb
diese als gering, und kam auch nur in einzelneu Füllen in
Betracht.
3. Die Temperaturen wurden mittelst zwei Thermo-
meter von Fastre No. 28 und No. 31 bestimmt, welche
mit einer arbiträren Thcilung versehen waren. Nach den
Aufgaben Fnslrc's wareu
No. 28 No. 31.
Kochpunkt 568,2 617,2
Gcfrierpuukt 93,5 146,5.
Bei einer wiederholten Bestimmung ergab sich
567,7 617,4
93,7 147,0,
welche Zahlen sehr gul mit den früheren übereinstimmen.
Noch inufstc eine besondere Correction au deu Beob-
achtungen angebracht werden, da die Thermometer sich
ihrer Länge wegen immer theilweise aus dem Calorimeter
erhoben.
4. Die Etalons, mit welchen die Calorimetcrröhre ver-
glichen wurde, mufsteu immer auf gleiche Temperatur re-
ducirt werden. Sey W der Widerstand bei 0", und W
bei f", so ist
1T= W(H-aO— W( 1+0,00090.
Bei den Bestimmungen waren immer drei Beobachter
erforderlich, einer für den Multiplicator, einer für die Tan-
gen teil bussolc und einer für die Thermometer, welche drei
Instrumente immer gleichzeitig abgelesen wurden. Die Cor-
rection No. 4 war meistens unmerkbar. Die Beobachtun-
gen geschahen bei sehr aneinanderliegenden Temperaturen,
da sonst die Beobachtungsfchler zu grofs wären.
Als Beispiel theileu wir hier die Beobachtung vom
31. August mit.
Die Röhre wurde verglichen mit Elalon A.
Temp. 18° 14 63° 90 80,00
~ 1,02341 1,06451 1,07602
Corr.TSo.t= _%
XjtöViÄ
475
Temp-Uot. jjp-— 1 GLueorr. at a
45° 76 0,04019 0,00034 0,04053 0,000685
61" 86 0,05140 0,00034 0,05194 0,000839
C bedeutet den Widerstand der Quecksilbersäule im
Calorimeter, A den des Etalons, Diese Verhältnisse wurden
auf die nämliche Art wie bei der Vergleichung der Co
pien bestimmt.
Auf gleiche Weise wurde der Coefficient an den an-
dern Tagen bestimmt, deren nähere Details, so wie die der
Correctiooen in meiner Dissertation beschrieben sind.
Man erhielt folgende Bestimmungen:
18d9,
IW.
Obere
Unler-
Coüf-
Amalil d.
Gewicht
T.rap.
Tcmp.
.cbied
ficient
Bestimm.
31. Aug.
18°,U
63,90
45,76
n.oruwsf.
2
3
80,00
ei;se
IMIIKIVW
2
4
7. Sept.
8 ,50
91,10
82.60
n. VSI
1
5
15 ,08
76,02
ip.uoi.ifi2-;
5
7 ,01
64,71
57,67
ll.fMPMhh!
2
2
89.77
82,73
<k :ii>-i
2
3
15 ,37
64,71
49,34
IP.-JUUM:.
2
t
89.77
71,40
(1.1 II H (172
2
3
8. ■
16 ,29
66,57
50,28
0, P-S-1S
3
5
12. -
2 ,24
89,47
87,23
II.OIIIPM.I.S
6
3
2 ,99
87,64
84,65
0,000*7 7
4
"
Im Mittel a = 0,000860 wobei die Gewichte
in Betracht (exogen und.
Diese letzteren sind folgender Weise berechnet. Da die
Gewichte vom Temperaturunterschied der Beobachtungen,
so wie von deren Anzahl abhängen, wurden diese beiden
in einander inultiplicirt, und von Zahlen, welche den Pro-
ducten nahe proportional sind, ersetzt Am 7. September
wurden die Gewichte aber in zwei gelheilt, da jede Beob-
achtung zweimal angewandt wurde bei der Vergleichung
der Ca lori meterröhre mit den beiden Etalons, und beson-
dere Umstände nötbigten mich der ersten Beobachtung vom
12. September ein geringeres Gewicht beizulegen.
Aus diesen Bestimmungen scheint zu folgen, dafs die
Angaben Becquerel's und Müller's zu grofe eivid, \ivA
gleichfalls, dafs die von Clausius bei deu C.<&SSm»«s&s»
der UbrigeD Metalle gefundene Uebercinstimmung, für das
Quecksilber wenigstens nicht gültig ist.
Wenn man nun diesen CoeTficicnteu zur Reduction der
Quecksilberetalous auf gleiche Temperatur in Anwendung
bringt, wird man wahrscheinlich der Wahrheit ziemlich nahe
kommen, da hier nur geringe Temperaturunterschiede vor-
kommen.
Als allgemeine Resultate kann mau folgende aus diesen
Bestimmungen ableiten:
1. Der Widerstand eines Metalldrahtcs ist sowohl von
seiner chemischen als physischen Constitution abhängig, und
kann sogar in kurzer Zeit von schwachen Strömen verän-
dert werden.
2. Die Methoden der Widerstandsbestimmung, wobei
der eine Widerstand von dem andern gemessen wird, sind
zu verwerfen.
3. Die Widerstände müssen gemessen werden durch
die Stromstärke, welcher Bedingung die Weber'sche und
die B os fc ha' sehe Methode beide entsprechen. Der leichtern
Ablesung wegen wird aber letztere eine grüfsere Genauig-
keit gewähren, und sie verdient auch deswegen in practiseber
Hinsicht den Vorzug, da bei ihr die Berechnung der Re-
sultate viel kürzer ist.
4. Die Leipziger Copien können nicht als von constan-
tem Widerstand betrachtet werden und es wäre vorteilhaft
sie durch Quecksilberetalous zu ersetzen.
5. Der absolute Widerstand des Quecksilbers läfst sich
schwerlich durch Vergleichung mit den Leipziger Copien
bestimmen.
6. Der CocTficient der Widcrstaudszunahme des Queck-
silbers bei I" Temperaturerhöhung kann vorläufig gleich
0,000860 gesetzt werden.
Februar 1860. ')
1) Bemerken muh ich hier, dili dem Hrn. Xtrhster, wr Zeil der Ein-
sendung dei vorstehenden Anfall«, die damali el.cn Im Druck begriffene
Arbeit des Hrn. Siemens (Seilt 1 u, IT. dies« Bind«) noch nicht bc-
kannt seyo konnte. P.
477
VIII. Ueber die Mamma des gebeugten Lichtes
und Functionen der Form ;
x
von E. Bacaloglo in Leipzig.
I. JL/ie den Maxima der Function *-^ entsprechenden
Werthe des Bogens x besitzen die merkwürdige Eigenschaft,
gleich der Tangente desselben zu seyn. Denn man findet
d ßmX
x xcosx —
»inx
dx ~ x1
und als Bedingung des Maximums
x = tanga?
• d").
Daus die entsprechenden Werthe
von
»inj;
X
»
Maximalwerte
sind, ergiebt sich aus
x * ,
, — = — — - ttrcn* /«— ii
sin tn)
sinx
indem für a?cos& — sinn = 0 der zweite Differentialquo-
tient das entgegengesetzte Vorzeichen hat von dem der
sinx
Function — .
X
Man wird erkennen, dafs x eine gewisse Anzahl n von
halben Kreisumfangen enthält und wenn z einen Winkel
<4r bezeichnet, so ist
x = ti7i-l- z = tang* (2).
Um aus dieser Gleichung eine algebraische, zur Berech-
nung von z, zu erhalten, wird man, da * > ~- ist, -£ — z
in eine convergente Reihe
- — *_cotg* — -3- + -5 5- + ...
oder
(, + _)*_* = ___ + ___.*._ w>
478
cnt
Da die Reihe eine ziemlich stark fallende ist,
o
i gleich mit dem ersten Clicde abbrechen und
es wu
(„ + -i)„-* = i (4).
Hierai
nit Aasschlufs der negativen Wcrthe von s:
.-(,
- "-„■• r_,
r- — 0,4052847015] ^ (5),
oder, wenu i
nan die Wurzclgrüfse in eine Reihe entwickelt,
x = (n-t
l 1 1
l\ 3 2 '4
(--4)1 w+m
l^ 1.3.5
'l "4.6.8
K-+m' [(«-äH1
Um den Grad der Annäherung dieser Formel
rechnen, darf man nur die richtige Gleichung
- x_= 1
(6).
II bc-
(7)
auflösen, wo e eine positive Zahl ist und die Summe der
vernachlässigten Glieder der Reihe (3) bedeutet, d. i.
__ 1 / 1 l \ / 1 i \
* — 3x'~ Ux> ~ ix1) ~ U? ~ ii*" )~ ••
(.+1).
(8).
Aus (7) folgt
-.=(»+sL)f+i+V[(.+i)~+i]--i;
oder
479
*, = (»+5-)* + « — 7 — I
2
2
(■Hr)f+-i
2 4
JL L?
2 4.6
woraus in Verbindung mit (6)
x. — x = e •+• -s-
' * [F51T " K"4)'wr]
2 i
2
1 1.3
2
:'ft(-4)f]' K-+m+ü']+'"
Es ist demnach
x — x < c-f- -s-
^[(■4)t
(■■4)
It-t]
l(
MtF K"4)*r
8
•••]
oder auch
a?, — x < 6 •+•
MW]*
. . . I ,
(KTHK-+T)""]
1 1
("+t)-'[(-4)"]*-«
1
(«+t>+« [(n-|-i)"-v*\ -^
. C»V
480
iclie Weise ergiebt sielt
j- Hr[,+H(-4)i]'''[(4)f]'1"]
-in *[("+l)f+i]'
[(■+tM[(-H)~H
Berechnet mau also £ aus der Gleichung
(10).
« = 37-.-? <•'>'
genau bis auf 0,000005 für den ungünstigsten Fall n = 1
und addirt den Ausdruck €+,- ■--,-- ,— *- ■. - zu
[(■-Ö-HO«-*)--]
dem aus (5) oder (6) mit derselben Scharfe gefundeneu
Werth von x, so crliält man eineu von dem wahren Werthe
um eine Grofse differirenden Werth, welcher kleiner ist
als die Differenz der iu den Ungleichungen (9), (10) rechts
stehenden Gröfsen, also für n= I, kleiner als 2". Es ist
demnach der vollständige fVasdracV. für sc
481
4
£:=( fl-^ — 1JI— — ,
1^3 1.3.5
4.6 . 4.6.8
Mil" K-4)ir
« \1 +
K*«4HK*«4)-H'
- (1 JL.W— — f06366198 j. 0*3580117 0,2091368
— :(*n+i;2 V 2*-f-l (2n-+-l)s "*" (2n-f-l)s
0,2118998 0,2404633 \ / J 1\
+ (2n-+-l)7 H"(2»-f-l)9 "1""V"f" V3*8 5xV
(
1+ z z r\ .... (12).
[(2»-f-l)f J.[(2n+l)^-h,]y
Die in den Klammern stehende Reihe ist leicht zu be-
rechnen und da jedes Glied derselben gröfser ist als die
Summe sämmtlicher folgender Glieder, so kann man mit
demjenigen Gliede abbrechen, welches die gewünschte An-
näherung giebt. Bei der Berechnung des Correctionsglie-
des wendet man den aus der Reihe folgenden genäherten
Werth von x und nötigenfalls die bekannten Annäherungs-
methoden an. Es braucht übrigens kaum bemerkt zu wer-
180°
den, dafs man die gefundenen Resultate mit multipli-
ciren mufs, uro dieselben in Grade ausgedrückt zu erhalten.
Auf dieselbe Weise sind folgende Werthe von x berechnet;
die Intensitäten u, ti* folgen aus Formel (14).
n=l; x= 4,493408= 257° 2712"
n=2; x= 7,725256= 442°3728"
n=3; a?= 10,904 130= 624°45'36"[ mit einem
<13) )n=4; x= 14,066198= 805°56' l"[FehIer<r
n=5; x— 17,220760= 986° 40*36"
n=6; a?=20,371308=1167oll'23"
PoggendorfT» Anoal. Bd. CX. %V
= + 0,12837
= — 0,09132
= +0,07091
— _ 0,05797
= + 0,04903
II. Das Obige läfst sieb unmittelbar auf die Maxima
der durch die Formeln
-Pf*)
L-™-J
gegebenen Vibration- und Lichtiulensität des durch einen
schmalen Spalt gebeugten Lichtes nnwenden. Es bezeichnet
darin y die Breite des Spaltes, '/' den Bcngungswmkel,
X die Wellenlänge und die Ebene des Schirmes wird senk-
recht auf der Richtung der einfallenden Strahlen angenom-
men. Es ist in diesem Falle x = "???"*■ zu setzen, woraus
man die den Maxima entsprechenden Werthe von ty, w
und u* berechnen kann; diese letztern sind in obiger Ta-
belle angegeben.
Die Bedingung des Maximums
Hti=l»8(5?-) • ■ • ■ (15)
führt zu dem streng geometrischen Beweise des empirisch
aufgestellten Salzes, dafs die Maxima nicht genau mit einer
ganzen Anzahl 2n + l von ~ zusammenfallen, indem als-
dann die Tangente unendlich wird, also nicht dem entspre-
chenden Bogen gleich sc vn kann ; der physikalische Grund
dieses Phänomens ist jedoch zu suchen. Denkt man sich das
durch den Spalt gehende Licht in (2n+l) Strahlenbündel
gctheilt, so ist es wahrscheinlich, dafs bei einem Gangun-
terschiedc der äufsersten Randslrahieu, welcher um ein wenig
< (2n -f- 1) ~ ist (resp. Phasenunlerschied <(2fl -+- 1) y), I
483
zwar ein kleiner Tlieil des (2n+I)"' Lichtblind eis durch
die nicht vollständig vernichtete Wirkung der 2 n übri-
gen Lichtbüudel zerstört, dieser Verlust jedoch von der
bei wachsender Neigung (wenn also der Gangunl erschied
= (2n+l)-5- ist) stattfindenden Abnahme der Lichtiuten-
.-■■iliii übertroffcu wird, so dafs also im ersteren Falle die
Lieh tintensi tat doch am gröfslen ist. Bei wachsendem Beu-
gungswinkel (resp. Gang- und Phasenunterschiede), wird
die durch eine kleine Verminderung desselben gewonnene
Lichtstarke um so kleiner, und deshalb treten alsdann die
Maxima den Wertben (2m-l) — oder (2n + 1) -^- immer
näher. (Vergl. Billet, (reife d'optique physique T. I, p. 203.)
Es läfst sich jedoch dagegen einwenden, dafs, da bei der
Berechnung der Formel (II,) die aus der Neigung der Strahlen
folgende Lichlabnahme nicht berücksichtigt worden ist, jene
Formel nicht auf Resultate J.U deuten vermag, welche von die-
ser letztem Ursache herrühren, so dafs jenes Zusammen tref-
fen des geometrischen mit dem physikalischen Grunde als ein
blols zufälliges anzusehen ist. Es folgt ferner ausSchwerd's
directen Beobachtungen der den Minima entsprechenden Win-
kel if-'i, ».", ■ . -, dafs diese auch gewisse Abweichuugen von
der Theorie darbieten. Diese Minima von >p sind nämlich,
der Theorie zufolge, durch die Formel -}-"!^- = mn. ge-
geben, woraus, für vi—\, =2...,
fim".. =2.=i!ii.»1, sin'", = 3 sin?.",, sin i/>, = 4 sin i/i, . . .
und, da i/><90°:
9.>l?n V. >3V» y«>4V* •■■
Es ist aber nach Schwerd (die Beugungserscheinungen
S. 32) für weifses Sonnenlicht
I.
,353
1'28"
2,56"
4' 181
,810
2 30
4 52
7 22
,689
2 46
5 28
8 5
f*
Durch rolhei Gl»
1 ,274 I 47 3 38 5 VI
:
484
welcher Tabelle offenbar das entgegengesetzte Resultat
sieb ergiebt, dafs nämlich
y/, <2»/<1, ys Oi/),, V, <4y, ...
mit Ausnahme ciues einzigen Falles: 2'56"= 2xl'28", wo
aber sin 2' 56" -< 2 X sin 1' 28" ist. Daraus folgt aber
x^dv^ so dafa Tr»"v. -> ,80, 8eyu muts
da im entgegen gesetzten Falle der Ausdruck ??-*">y*l für
ein hinreichend grofses n, von nn, also auch h nach (14)
vom Minima Iwerthe sehr abweichen würde. Dadurch wird
die Annahme sehr wahrscheinlich gemacht, dafs, wenu die
Mnxiiua etwas nach links verschoben werden, so sind es
auch die Minima nach rechts. Diese Anomalien liefsen sich
dadurch erklaren, dafs jeder Punkt des Spcclrums, streng
genommen, nicht von einem parallelen Sirahlenbündel ge-
troffen wird, dafs also Strahlen von verschiedener Licht-
stärke interferiren. Wenn das Gesetz der Lieb tabu ahme
bekannt wäre, so würde man natürlich auf von (14) ver-
schiedene Formeln gelangen. Nimmt man beispielsweise an,
dafs die Vibralionsintensitat einer Potenz des Cosinus des
Neigungswinkels proportional sey, so sind alsdann die zur
Auffindung der Formeln (14) dienenden Integrale (Fig. I
Tat VIII).
M=cosy>J JL2Ü—2I + cos!," fdxsin2axcoBE,
' (16).
N=cosi[>J ---°lm ax + cos \j>J dxconl
aa;cos*£ V
wo zur Abkürzung a = — "'"*, oder allgemeiner
a = y (sini// — sin#)
gesetzt ist und e die Abweichung der in den Punkt D des
Spectrams zusammenlaufenden V.w.VA&\T&Meu von der Rieh-
485
tung des mittlereu Strahles MD bezeichnet Man findet
ferner
(f-*)cos„
tang c = -
und hieraus mit Vernachlässigung der höheren Potenzen
des senr Kiemen urucnes = und wenn zur Ab-
kürzung ias^y gesetzt wird:
«r.=Bl-»(i-.)\ i; = l+»(f— )'.
und
M=coB\p\J dx&in2ax+bjdx$iü2ax(j- — aA
— bfdxain2ax (y ■— a?) j,
fr
N = co&xp\Jdxco$2ax+b/dxco&2ax(^-^-x\
u
i#cos2ax(-|- — aA J;
iL
2
woraus nach vollzogener Integration
*f=cosi//|-^+TT(y' — j)cos*ar
+ Ti(7""^8iua0cosayl,
> /j[7)
»» . (nnaycosav I ^ / • ^\ . ^ -
iV=co8i//j — ^ — TT v "" j)9inar*0*ar
~ T? (t — r8"10?) 8ina^ i'
und zuletzt
(18
(18) U=BV»'+1V'
= B^^\ sin* «y + T-^Cf 2 — i\coear+l—arE>aa7)
wo li- die Intensität des einfallenden Lichtes bezeichnet.
Aus dieser Formel folgt 1) dafs die Masima und Minima
von u und u3, streng genommen von denen aus (14) fol-
genden etwas verschieden sind; 2) dafs an den Minimal-
stellen keine absolute Dunkelheit stattfindet, da die Wur-
zelgröfse, mit Ausnahme des einem Maximum entsprechen-
den Falles, wo a = Ö, sonst nie = 0 werden kann. Diefs
wird einigermaßen dadurch begreiflich gemacht, dafs man
bei der Annahme von nicht parallelen Sirahlenbündel, es
nicht dahin bringen kanu, dafs sammtliche Strahlen sich
paarweise vernichten, indem dazu für jedes Strablenpaar
ein gehöriger Unterschied des Ganges, der Vi b ratio usinten-
silat und Richtung erforderlich ist. Da indessen das zweite
Glied unter dem Wurzelzeichen eine sehr kleine Gröfse
ist, so wird, da mau für kleine Beugungswinkcl cos*/' als
couslant betrachten kann, die Formel Ali iu allen Fallen
ausreichen. Es genügt hier auf die wahrscheinlichste Ur-
sache hingewiesen zu haben, aus welcher gewisse Anoma-
lien bei der Anwendung der Formel (14) herrühren können.
Die Formel (18) zeigt noch, dafs u als die Resultireude der
beiden Componeuten
""-£?[— ?+(^) -2'-^J
augesehen werden kauu, welche nicht zugleich ihre Mai
und Minima erreichen.
1*7
Aus (15) ergiebt sich, wenn 0 die Phase bedeutet, noch
folgender interessanter Satz:
^cosöoder^^^ . . (19),
so dafs im Falle eines Maximums, die der Phase 6 entspre-
chende Lichtintensität gleich der der doppelten Phase ent-
sprechenden Vibrationsintensität ist
Die Aufsuchung der Maxima der Function.
*in|^(«int/;— «io*)l
u=-j^ i .... (20)
ist ebenso leicht and man findet als Bedingungsgleichung
p(sint/>— sin^) = tangf^(8in^— sin/)] . (21)
indem das Nullwerden der partiellen Difierentialquotienten
^ = fcosy, j-x = -fcOS*
für den hier behandelten Fall keine Bedeutung haben kann.
Bezeichnet a> die aus (12) folgenden Werthe von x, so ist
^(sint// — sin£) = a>, oder sini// — sin;f = — (22),
und man bestimmt daraus den einen der beiden Winkel
tp, %, wenn der andere gegeben ist.
III. Das durch eine parallelogrammartige Oeftnung ge-
beugte Licht wird durch die Formel
. (na \ /nb . \
«öl — sin <p sin t/; 1 sin I -r~ *"*X *ID V I
U — B—^ -X — V • (23)
n* . nb . x '
— $m<pnntp — j- «n x **n y
bestimmt, wo a, 6 die Seiten des Parallelogramms, \p den
"Wjnkel zwischen der Ebene des Schirmes und einer auf
den gebeugten Strahlen senkrechten Ebene und qp, £ die
zwischen der Durchschnittslinie dieser beiden Ebenen und
den Seiten a, b des Parallelogrammes eingeschlossenen Wic-
kel bezeichnen, und das einfallende Lichl *ei&xtt&& «& tat
48S
Ebene des Schirmes gedacht wird. Bemerkt man, dafe
y> — # = *. wenn t den Winkel des Parallelogrammen be-
zeichnet, dafs also w von zwei indcpcndetilen Variabelu
abhängt, so findet mau als Bedingungsglcicliuogeii für das
Maximum
Ina . /na .
1 t- sin <f sin yi cos 1 — siu if s
°v)
1
— siu(y sinysi
"0]B'n(l
- sin/sin t//
taug*
It.* .
-f- 1 — sm^sim/)
cos (y
sin*
,„,,,)
— sin ( y sin £ sin
t/')]sin(y
äiaysin^
laugf/-
=0,
l^-Binr/sinM'Cosf ^— siin/isiniM
— sin (J— sin tp sin \p \ 1 s
»(i
■ Ä
sin^sni'"
+ [y sm^siui/r
cos ( —
nag
s'miti \
. /ah .
— sin (— sm^su
r*
■("
simr-sint/j
= 0,
welche Gleichungen nur <
gleich
nun bestehen können
wenn
VI-
^siuysim//cns ( — sin^siui/M —
sinf-
— fiinif sinr^ J = 0,
(M)
Ysiu/sint^cosf^-sio^siii
/') — Si"(y
sin/sin i/'
= ü
ist. Dar
ms folgt nach I,
wo für x,, x, die nach Formel (t2) in der Tabelle (13)
berechneten Werthe zu nehmen sind. Es folgt ferner
(26),
und mithin auch 1/1 berechnen kann.
1 Werth van xv alle Werlhc von xit
so erhalt man eine Reihe mit doppeltem Eingänge, der dop-
pelten Periodicität der Function (23) entsprechend.
So wie für die Minima, ist es auch hier leicht nachzu-
weisen, dafs, wenn mau sich das riiumlichc Gebilde auf
der Ebene des Schirmes orthographisch projicirt denkt, die
Maxiina der Lichtstärke durch die Durchschnit Ispunkte zweier
Systeme von parallelen Geraden bestimmt werden, welche
auf die Seilen des Parallel logramms senkrecht stehen; ihre
respectiven Entfernungen vom Ccntralmaximuui werden
durch die Wcrthe von xt uud », bestimmt. Bezeichnet
nämlich NP (Fig. 2 Taf. V11I) die UurcbschuitLsliuie der
Ebene des Schirmes mit einer zu der Richtung des gebeug-
ten Lichtes senkrecht gelegten Ebene, NQ die Protection
dieser Richtung auf der Schi iui ebene, so ist NQ senkrecht
auf NP und =;siniii, wenn der entsprechende lladiusvoctor
genommeu wird. Ist ferner A A || a, AQ J- a und
NB\\b, BQ J- b, so folgt
A" A = sin tp sin ip, NB = sin^ sin \fj
and wenn man AM=-'-, Arß = '^- nimm), so sind die
Durchschnillspunklc der Geraden Am, Bm die Projectionen
der Maxima der Lichtstarke, indem jeuc Durchschnitte den
Gleichungen (25) Genüge leisten. Auf diese Weise ist die
Figur 3 Taf. VIII coustruirt worden, wo die Abstünde
4*2* 37' 28" ,.
. . ., die
27' 12"
Nm, , Nm,... den Groben —
Abstände JV»,, Nn, . . . aber den GröTseu
■ , . . . proportional seyn müssen, so d.ifs in einem
beliebigen Parallelogramme PQR S das Maximum der Licht-
stärke sich gegen den inneren Winkel P zu neigt.
IV. Das durch n gleiche, von einander gleich entfernte,
auf einer Ebene liegende parallelogrammartigc Oeffnungcii
gebeugte Licht wird durch die Formel
bestimmt; mau setzt dabei voraus, dafs die homologen Punkte
ia gerader Linie liegen, c bezeichnet den Abstand zweier
benachbarten homologen Punkte, 6 den Winkel der Rich-
tung derselben mit der Geraden NP, und man wird be-
merken, dafs die Diflc reuten ö — <p = £y oder 0 — %=e+£
coustant sind. Wenn man für gewöhnlich, bei der Be-
stimmung der Maxinia von u, den Factor P für sieb allein
berücksichtigt, so ist diefs nicht ganz richtig, indem man
nicht im voraus -wissen kann, ob das Product der beiden
andern Factoren zu gleicher Zeit mit P seine Maxima er-
reicht und man kann durch diese Rechnungsweise Maximal-
werthe da suchen, wo eben lichtschwache Stellen sich be-
finden. Da d<p=.dx~dO ist, so führen zu den wirkli-
chen Maiimalwerthen von u, wenn zur Abkürzung
nflsiiii/; — x3
gesetzt wird, die beiden Bedinguugsgleichuugen
- cotangy-f--
-' co lang/
-t-a^fncotgiiiFj — cotga;3)cotaiigÖ = 0,l
(28)
(29)
+ x3 (ncotangnz3 — cotangjrj)=0,/
welche zu gleicher Zeit bestehen müssen. Man erkenut
hieraus, dafs, wenn man
ncotangna;a = cotangd;3 oder ntaugx3 = tangna:, (29*J
setzt, was zum Maximumwerden von P erforderlich ist,
daraus nothwendig folgt, dafs zu gleicher Zeit auch
xi cosx, — siaxt=u vuaA x^to^x^ — mi^-O
$eyu juufe, so dafs nach (JMt) (3&i &* *>«* GJuäÖMw^j»
t den zwei einzigen Unbekannten
Daraus folgt auf analytischem Wege, oder auch aus der
Figur (Fig. 2 Taf. VIII), wenn NK parallel der Richtung
der homologen Punkte ist und QK J- NK steht, zwischen
xt , xt, x3 und den übrigen constanten Grofsen der Auf-
gabe die Relation
a = -4-+ TT ■ ■ ■ (3I)'
welcher man, da xlr x, , x3 discontinuirliche Gröfsen sind,
im Allgemeinen nicht genügen kann. Da ferner nach For-
meln (30) die Anzahl und Lage der Maxiina unverändert
sich erhält, so widersprechen dieselben der Thalsache, dafs
im Falle mehrerer Oeffnungen, eine bei weitem grüfsere
Anzahl von Maxima, als im Falle einer einzigen, stattfindet
und die Lage derselben eine ganz andere ist. Da nämlich
in diesem Falle noch ein drittes System von dunkeln Linien
vorhanden ist', welche zu der Richtung der homologen
Punkte senkrecht stehen uud die bei einer einzigen OelT
nuug gebildeten hellen Parallelogramme in kleinere helle
Räume theilen, so befinden sich im innern dieser Räume
die Maxima, welche dadurch eine Verschiebung, so vrte
auch eine Vermehrung ihrer Anzahl erleiden und bei wach-
sender Entfernung vom Mittelpunkte immer lichtschwächer
werden. Dadurch verliert, im Falle mehrerer Oeffnungen,
die Eintheilung der Maxima und Minima in solche ver-
schiedener Ordnungen (grofse und kleine) an Bedeutung
und kann ebenso gut wie im Falle einer einzigen Ocff-
nuag umgangen werden. Schliesslich darf noch bemerkt
werden, dafs die Maiima hier nicht ebenso leicht aus den
Gleichungen (29) berechnet werden kännen, wie dieTs im
Vorigen geschehen ist. Die Gleichung (31) kann übrigens
zu gleicher Zeit mit den Gleichungen (29) bestehen, sobald
nicht die specicllen, aus (12) und (29*) resul-
tirenden Wcrthe bezeichnen.
V. Es mag endlich noch Folgendes übeT 4»& äväöv
kreisrunde OctfuuDg gebeugte Licht \»enM»YX wm^co-
Es scy D der Durchmesser des Kreises und uian deuke eich
ein r egol in Ü fsiges Vieleck von n Seilen in demselben einge-
schrieben, so wird bekanntlich das jedem gleichschenkligen
Trapeze entsprechende gebeugte Licht durch den Ausdruck
. n . («D * . \
W==,D. «_ L» »
X-^ ^ 8 ... (32)
— .in T na — »n f
bestimmt. Hieraus crgiebl sich für » = cd und «venu man
bemerkt, dtifs ndip = 1n:
=iw _} ' *""'*
oder in Bezug auf den ganzen Kreis
tf:=2 -- / d(jpcos(psiu(acosqp), . . (33),
wo zur Abkürzung ats-r sinw gesetzt worden ist. Eut-
•
wickelt man sin(acosg-) in eine Reihe und iutegrirt zwi-
schen den angegebenen Gräuzei), so erhält mau
if m/, 1 a* , 1.3 o* 1.3.5 <i6 . \
/ff». \' /iD. \«
i(tH i.sIt-»;
' 4 1.2 **"4.6 1.8.3.4
_ 1.3.5 (t""*J
4";ö7h i.ä...ö
welche tteihe, wie man sich leicht überzeugen wird, con-
vergent ist. Daraus folgt, dafs V uud mithin auch seine
Maxima und Minima von ip allein abhangen, so dafs die
l'rojcciiou des räumlichen Gebildes auf der Ebene des
Schirmes aus dunkeln KmsVmveo. »«V iavwVidftfcuUft^enden,
-.,[.
.]
(34),
493
hellen ringförmigen Räumen, besteht, ein Resultat, welches
mit der Beobachtung, tibereinstimmt
Diffcrenzirt man (33) oder
/*
* . f*n . \
-,- ' . . (35)
sintp
o
nach xfjj so ergiebt sich
dy = *,in> J d<PC0*<P | ~T Ma^cosejpcos ( — sini//cos<jp)
o
— sin(~- sin 1// cos y) j .... (36).
Es folgt aus diesen Formeln als Bedingung des Mini-
mums
^Y siny;cosy=m^ . • • . (37)
und als die des Maximums
nD . /nD . \ . /nD . , \ a
— sin i// cos ^p cos f — sin t// cos y J — smf-r- sm\pcos(p 1=0,
oder ^- skn//cosy>=# .... (38),
wo a? den mehrmals erwähnten, aus (12) oder (13) folgen-
den Werth bezeichnet, welcher die Function — zu einem
x
Maximum macht. Es ist bei diesen Formeln, von welchen
erstcre von Schwcrd herrührt, <p als constant zu betrach-
ten. Es folgt demnach aus (37), wenn y\ yj", ... die dem
ersten, zweiten ... Minimum entsprechenden Beugungswin-
kel bezeichnen:
sin \f) : sin r/>" : sin y/" : ... =1:2:3 ....,
und auf dieselbe Weise aus (38), wenn if>n t//9, . . . die
Maximalwinkel heifeen:
sint//( :&mtpQ : sint//3: ... = xt :x7 :x3 : . . . .,
wo xi9 xi9 xit . . . die in (13) berechneten Werthc von x
bedeuten.
IX. Heber Stereoskopie; von IL IV. Dovc
Im Jalir 184 1 babe icb der Berliner Akademie (Bericht
1841 S. 252) Versuche mitgetheilt, aus welchen hervor-
geht, d;it;: bei der den millionten Theil einer Sekunde nicht
erreicheuden Dauer eines elektrischen Funkens die stereo-
skopiseben Erscheinungen stattfinden. Ich habe darauf zwei
Schlüsse gegründet, den einen, dafs obgleich die beiden
Augen desselben Beobachters in der Regel verschieden ge-
übt sind, für die Augen desselben Individuums dennoch
nicht der Unterschied stattfindet, welchen verschiedene Astro-
nomen zwischen ihren Augen dadurch erkannt haben, dafs
sie eine an demselben Ort gesehene Sternbedeckung auf
einen bis eine Sekunde verschiedenen Zeitpunkt versetzen,
den andern, dafs die Erklärung der stercoskopischen Er-
scheinungen aus der Annahme, dafs wir aus der Verände-
rung der Convergenzpunkte der Augenasen auf einen Kör-
per schliefsen, indem wir abwechselnd die nähern und die
entfernteren Theile desselben ins Auge fassen, bei der
Kürze jener Lichtdauer niebt wahrscheinlich «ey. Diese
Ansicht ist von Brücke inMüller's Archiv 1841 S. 459,
von Prevost in seinem Essai sur la theorie de la vision
binoculaire 1842 und vonBrewster On Ihe lato of visible
Position in Single and binocular vision and on the repre-
sentation of solid ßgures by the union of dissimilar plane
pictures on the retma Edinb. Trans. 1843 S. 349 in über-
einstimmender Weise ausgesprochen worden. Die von mir
augestellten Versuche wurden zuerst von Ideler De non-
nuilis phaenomenis processus videndi 1843 als Hauptargu-
ment gegen jene Erklärung anerkannt und sind später von
P antun in seinen physiologischen Uni er Buchungen über das
Sehen mit zwei Augen geltend gemacht worden, scheinen
aber Rogers in seinen umfassenden Observation* on bino-
cular vision entgangen zu seyn. Volkmann sagt in sei-
nem Aufsatz: Die stereoaVo^udieu Erscheinungen in ihrer
Beziehimg zu der Lehre von de» identischen Netzbautpunk-
ten S. 45. »Diese wichtige Erfahrung von Dove, welche
beweist, dafs die von Wheatslonc erhobenen Bedenken
gegen die Identitätsichre sich auf dem von Brücke einge-
schlagenen Wege nicht beseitigen lassen, würde noch mehr
Eindruck gemacht haben, wenn sie nicht auf schwer her-
zustellenden und sehr uusichern Versuchen beruhte. Er
construirt daher ein Tachistoskop d. h. ein Instrument, wel-
ches bei Untersuchung des momentanen Sehens den Ge-
brauch des elektrischen Funkens ersetzt, kommt aber durch
dasselbe zu dein von mir erhaltenen Ergcbnifs.
Ich habe mich nie auf eine Discussion der physiologi-
schen Theorien eingelassen, sondern mir nur in meiner Far-
benlehre 1853 S. 163 die einfache Bemerkung erlaubt, dafs
jene Erklärung mit dem Ergebnifs meiner Versuche sich
nur unter der Annahme vereinigen lasse, dafs die oscilla-
torische Bewegung der Augenaxen so schnell erfolgt, dafs
sie in einer kurzem Zeit als der millionte Theil einer Se-
kunde ausgeführt werde und dafs darüber, ob diefs mög-
lich sey, die Physiologen entscheiden möchten, in meinen
Optischen Studien 1859 S. 31 aber durch einen Versuch
mit unter dem Stereoskop schwingenden Stimmgabeln nach-
gewiesen, dafs stereoskopische Erscheinungen, welche eine
schnelle osci IIa lorische Bewegung der Augcnaxen erheischen,
nicht wahrzunehmen sind. Ich würde daher auch jetzt
nicht auf jene Versuche zurückkommen, wenu nicht in dem
eben erschienenen fünften Heft des Jahrgangs 1860 dieser
Annalen, Bd. Hfl S. 81, sie in einer Weise erwähnt würden,
welche eine Erwiederung erheischt. In eiuem »Zur Theorie
des Sehens von Dr. v, R eck linghauseu •• überschriebe-
iii-ii Aufsatz heilst es nämlich. -In Beziehung auf das am
häufigsten auch noch in neuester Zeit vou l'anuin gegeu
die Richtigkeit der Theorie von Brücke geltend gemachte
Experiment von Dove, welcher selbst hei der eminent
kurzen Beleuchtung durch den elektrischen Funken einen
stercoskopischen Effect beobachtete ist zu bemerken, da(*
vorläufig die lieweisfähigkeü noch zu deinon&\Tueu "wX. C*w»r
4%
plirirte Zeichnungen, welche wahrscheinlich angewendet
wurden, können natürlich nichls beweisen, da hier noch
die unten anzuführenden Momente zur Wahrnehmung des
Körperlichen mit in Wirksamkeit Irelen.»
Es isl bisher, in der Physik wenigstens, Sitte gewesen,
dafs wenn Jemand Versuchen entgegentritt, diefs dadurch
geschieht, dafs, wenn diefs ohne Schwierigkeit ausführbar
ist, er sie wiederholt. Stall dessen spricht Hr. v. Rcck-
lingshaiiscn über dabei begangene Fehler Vennutbuu-
gen aus. die er als vollkommen unbegründet selbst bezeich-
nen müfste, wenn er die Beschreibung der Versuche, wel-
che er verdachtigt, auch nur gelesen hätte. Was zunächst
die Wahrscheinlichkeit der Anwendung- coinplicirter Zeich-
nungen betrifft, so weifs jeder, der mit der Geschichte der
Slereoskopie auch nur im Entferntesten bekannt ist, dafs
im Jahr 1R4I, also drei Jahr nach der Erfindung des Ste-
reoskops, nur die einfachen Whealsloue'schcii Zeichnun-
gen bekannt waren. Als der einfachste stercoskopische
Versuch überhaupt ist aber der stets erkannt worden, durch
welchem Wh ea Ist one zu seiner Entdeckung geführt wurde,
nämlich die Reflexion eines Lichtes von einem kreisförmig
polirteu Deckel. Aber eben diesen habe ich angewendet.
Ich lasse hier die Beschreibung folgen (Farbenlehre S. 163).
»lu ciuem dunkeln Zimmer Bleute ich ein gewöhnliches
Spiegelstercoskop so auf, dafs die beiden Zeichnungen des-
selben von einer Lampe gleich hell beschienen waren. Au
die Stelle der Lampe wurde nun eine sieh seihst entladende
Lane'sehc elektrische Flasche gestellt, welche bei gleich-
bleibendem Drehen der Elektrisiruiaschine slels nach be
stimmten Zcitiutervallcn sich entlud. Dadurch wurde n
möglich, auf die momentane Erscheinung sich vorzuberei-
ten. Ich sowohl als Andere, denen ich diese Versuche
zeigte, sahen vollkommen deutlich das körperliche Relief
mitunter aber auch die beiden Prujeelionen, aus denen es
entsteht. Durch diesen Versuch ist erwiesen, dafs wir wäh-
rend eines Blitzes Körper als Körper sehen."
■ Befrachtet man den \\eüt\ ftÜMl Lichtllamine in
kreisförmig polirten Deckel, etwa dem des Objectivs eine*
Fernrohrs, so sieht man bekanntlich eine Lichllinie, je Dach
der Neigung des Deckels entweder lothrecht oder schief
geneigt gegen die Oberfläche desselben. Vertauscht man
die Licbttlatnme mit dem Funken der sich entladenden
Flasche, so sieht man diese stereoskopische Lichllinie als
Weg zweier Funken, die sich enlweder im Durchseht! itls-
punkt der Linie mit der Fläche des Deckels in der Mitte
desselben begegnen, also auf einander zugehen, oder von
ihm nach entgegengesetzten Richtungen hin auszugehen schei-
nen. Die Erklärung liegt darin, dafs wir uns nach der
zufälligen Richtung der Augenaxen nicht der Beleuchtung
des Randes in demselben Moment bewufst werden, als der
Mitte. Dieser Versuch scheint für den Zustand der Ruhe
des Auges während des momentanen Leuchtens zu sprechen. -
Von einem Befangensevn durch perspectivische oder
irgend welche vorgefafste Vorstellungen kann hier nicht
die Rede seyn, demi die bei dem elektrischen Licht wahr-
genommene Erscheinung ist eine ganz neue, weder hei mo-
iiocularer noch bei binocularer Betrachtung in gewöhnli-
cher Beleuchtung sichtbare, welche man ohne Experiment
vorherzusagen nicht im Stande gewesen wäre. Gestölzt
auf Jahre lang fortgesetzte Arbeiten mit dem Stereoskop,
als deren Ergebnisse ich hier nur die definitive Erledigung
der Frage über die Combination verschiedener den beiden
Augen einzeln dargebotener Farbeneindrücke, die Erzeu-
gung des Glanzes durch die Verbindung rauher Flächeu
die Anwendung des Stereoskops eine Copie von ihrem
Original zu unterscheiden und geringe durch Elasticitäl,
Wärme, Feuchtigkeit, Spannung hervorgerufene Volumen-
änderungen sichtbar zu machen, die Anwendung des Ste-
reoskops auf das Betrachten von Körpern, um ihr Relief
als Ebene zu sehen, wovon der Uebergang zur Pseudosko-
pie die unmitlelbare Folge war, die Construction mehrerer
eigentümlicher Stereoskope, voll denen eins unter dem
PJamen Pseudoskop die mannichfachsten AivweßAav.^evv %,«-
funden bat, anführen will, konnte ich eiwaiVen, *»*•* V«Kw
Poggtadorli-, AmA Bd. CX. *1
498
Itcdürfnifs vorhanden sey, mir die ersten Regeln öVr Stc-
icoskojiie auseinanderzusetzen, um Versuche zu vermeiden,
welche -natürlich nichts beweisen können, « Da aber Ilr-
v. Rccklinghauseii S, 82 die von mir angegebene ste-
rcoskopischc Darstellung von Beweg» iigscrschei innigen, de-
ren Ableitung eich von selbst versteht und bei der es sich
eben nur um die Ueberwindnng einer experimentellen
Schwierigkeit bandelte, zu »erklären« für nölhig erachtet,
so geht daraus hervor, data derselbe einen andern Leser-
kreis voraussetzt als den, für welchen ich geschrieben habe.
X. Ueber die Nichtidentität der Gröfse der durch
Prägen und Gu/s in derselben Form von perschie-
denen Metallen erhaltenen Medaillen;
von H. TV. Do pe.
Be.
bekanntlich bat Baudrimont (Arm. de Ck. et de Ph.
T. 60, p. 78) gefunden, dafs die durch denselben Drahtzug
gezogenen Drähte, wenn sie von verschiedenen Metallen
sind, verschiedene Dicke haben, indem nämlich die Metalle
verschieden elastisch sind, und sich vermöge dieser Elasti-
cilät, wenn sie aus demselben Loch heraustreten, um un-
gleiche GrOfsen ausdehnen. Diese Ausdehnung geht daraus
hervor, dafs kein Draht aufscr Golddraht durch dasselbe
Loch, aus welchem er unmittelbar hervorgegangen ist, ohne
Kraftau wendung wieder durchgezogen werden kann. Silber
erfordert die geringste Kraft, die durch die Elasticität be-
wirkte Ausdehnung dauert aber noch mehrere Wochen fort.
Es war mir nun wahrscheinlich, dals bei dem Prägen
von Medaillen etwas Aehuliches staltfinden werde, und dafs
daher Medaillen, welche in verschiedenen Metallen durch
ihüselbeü PrägslempeY ertrtVten «u\&, va «voran etwas ver-
499
schiedenen Maafsstab ausgeführt seyn werden. Am geeig-
netsten diefe wahrzunehmen sind Medaillen, bei welchen
das darauf Geprägte in Beziehung auf den Rand symme-
trisch geordnet ist, wie z. B. bei der Pariser Ausstellungs-
medaille die Seite, auf welcher um den französischen Adler
in der Mitte die Wappenschilder kreisförmig herumliegen.
Ich legte ein in Silber und ein in Bronze ausgeführtes
Exemplar in das Stereoskop. Man sieht nach einiger Zeit
diese stereoskopisch combinirte Medaille, wenn man den
Adler in der Mitte fixirt,,in Form eines hohlen Schildes
in der eigentümlichen Farbe einer gleichsam daraus ent-
stehenden Legirung, wovon der Grund aus dem Nonius
artigen Verschieben der einzelnen Striche des Gepräges
unmittelbar einleuchtet. Ich habe dief& in den Optischen Stu-
dien S. 29 bereits beschriebene Ergebnifs auch mit grofsen
goldenen und silbernen Medaillen erhalten, welche mir zu
diesen Versuchen von der Königlichen Münze in Berlin
gütigst anvertraut wurden* Es war mir wahrscheinlich, dafs
durch Gufs erhaltene Medaillen dasselbe zeigen würden
und diefs hat sich bestätigt für Zinn, Wismuth und Blei.
Die dazu angewendeten sehr schön ausgeführten Abgüsse
verdanke ich der Güte des Professor Kifs. Die Krone
des Hiero veranlafste die Anwendung des specifischen Ge-
wichts zur Prüfung einer Fälschung, das Stereoskop ist
eine neue.
*fc*
XI. Veber eine nette Art von Pseudoskopie und
ihre Beziehungen zu den von Plateau und Qpptl
beschriebenen Bewegungsphänomenen;
pon F. Zolin,--!-.
gleich von Whealstoue ursprünglich nur die
mit Hülfe stereoskopischer Vorrichtungen erhaltenen Um-
stiilpungen erhabener in vertiefte und vertiefter in erhabene
Reliefs als pseudoskopisctic Erschein unweit bezeichnet wur-
den'), so hat doch Dove mit Recht diesen Begriff er-
weitert') und ihn auf alle die unter dem allen Namen der
Gesichtsbetrüge bisher unvollständig- bekannten Erscheinun-
gen ausgedehnt.
Hierdurch mag es gerechtfertigt seyn, wenn im Folgen-
den unter dieser Bezeichnung eine auffallende Tauschung
beschrieben wird, welche ich zufällig an einem für Zeug-
druck bestimmten Muster beobachtet habe.
2. In Fig. 4 Taf. VIII ist ein mit dem Original im
Wesentlichen abereinstimmendes Schema dieses Musters ge-
geben und man bemerkt sogleich, vorzugsweise bei etwas
seitlich geneigtem Kopfe, eine abwechselnde Convergenz
und Divergenz der vier Längsstreifen, obgleich man sich
durch Messung3) leicht von dem vollkommenen Parallelismus
derselben .überzeugen kann.
Man bemerkt ferner, dafs die Stärke dieser Täuschung
von der Lage der Hauptstreifen zur Verbindungslinie der
beiden Augen abhängt und dann ein Maximum erreicht,
wenn sich beide Richtungen ungefähr unter einem Winkel
von 45" schneiden.
1) ffheal-itone, On tarne rtmarhabU and hilhtrla unobttrvtd
phenomtna ofUnocular rilion. (Philo*. Tram. 1852, Ana. Ergibd. 1.)
2) Do.e, Opiucl« Sludien (fori.fi.niig) 1859 S. 19.
3) Oder durch HinWMl.cn aoler einem lel.r ,pit«n Wichet n.rh der
Riehlanf der LlnfiMreifeo.
3. Um über die Ursache dieser Erscheinung Aufscblufs
zu erhaltet), suchte ich zunächst die Bedingungen derselben
möglichst zu vereinfachen und fand hierbei sehr bald, dafs
es zur Erzeugung jener Täuschung nicht ujlhtvendig ist,
die Haupt st reifen wirklich zu zeichnen, da die Richtung
derselben schon durch die gleichmäfsige Aufeinanderfolge
der kleinen Querstreifen genügend für das Auge angedeu-
tet ist.
leb uutersuchte aufserdem noch die Abhängigkeil der
Erschciuung von folgenden Umständen:
1) von der Anzahl der Querstreifcn
2) von dem Abstände derselben
3) von ihrer Neigung zur Richtung der La ngsst reifen
4) von dem Abstände der letzteren
5) von der Intensität der Zeichnung.
Als Ergebnifs dieser Untersuchung liefs sich nur fest-
stellen '), dafs die pseudoscopische Ablenkung der Haupt-
el reifen zur Richtung der Qucrslreifcn eine ganz bestimmte
ist, so zwar, dafs beide stets nach entgegengesetzten Seiten
abwechselnd zu couvergiren oder zu divergireu scheinen.
Die Intensität der Zeichnung oder ihr Abheben vom
weifseu Grunde des Papiers erwies sich ganz ohne Eiiillufs
und trat für wich die bewufste Täuschung schon ein, so-
bald nur, selbst mit Hülfe der schwächsten Blcisliftstriche,
eine Vorstellung von der Figur erzeugt war ').
Die Breite der Streifen ist ganz gleichgültig und man
erhält die Täuschung ebenso schön, wenn man Längs-
nihI Querstreifen einfach mit derselben Oeffuung einer Zieh-
feder zeichnet, so dafs sich die ganze Figur in wenigen
Minuten herstellen läTst.
Abgesehen von der ^endoskopischen Ablenkung der
Hauptslreifen zeigt indessen die Fig. 4 Taf. VIII noch eine
andere Täuschung, die bei dem ursprünglichen Muster nicht
hervortrat, auf die jedoch bei Copirung desselben Hr. Prof.
kl ) Mil V(rr.»d.lS«igUBg der «>r«
i) KmimJk wird üt HlglttMl
vernichten Erklärung luigejcMii*
■ Fälle
1 Mull, der !,,-.„]i.,i
Poggendorff die Güte halte, meine Aufmerksamkeit zu
lenken. Es ist diefs die Nonius-arligc Verschiebung der
zu beiden Seiten der Lüugsstreifen befindlichen Hälften
der Qucrstreifeu. Diese Täuschung, welche dadurch er-
zeugt wird, d;tfs «'ir in unserer Vorstellung je zwei nicht
zusammengehörige Hälften dieser Querstreifen combiniren,
hat mit der Ablenkung der La ngssl reifen durchaus nichts
zu schaffen. Man kann sich hiervon leicht durch Wieder-
holung der Zeichnung in der oben angegebenen Weise
Überzeugen, wobei die zuletzt erwähnte Täuschung ganz
wegfällt ').
Noch ist zu bemerken, dafa die Erscheinung auch für
monoculare Betrachtung eintritt und natürlich bei hinläng-
licher Entfernung des Objectcs vom Beobachter, wegen des
allmählich überwiegenden Einflusses der Hauptst reifen, ver-
geh windet.
Es bleiben daher im Wesentlichen nur zwei Umstände
übrig, welche für die besprochene Pseudoskopie von cha-
rakteristischer Bedeutung sind und daher einer Erklärung
dieser Erscheinung als Stützpunkte dienen müssen. Diese
beiden Umstände sind:
1) Die Abhängigkeit der pseudoskopischen Ablenkung
der Hauptstreifen von der Richtung der Querstreifen.
2) Die Abhängigkeit des Maximums jener Ablenkung
von dem Neigungswinkel der Hauptstreifen zur Ver-
bindungslinie der beiden Augen. Das Minimum tritt
sehr deutlich ein, wenn dieser Winkel 0° oder 90"
beträgt
4. Wenn ich es nun versuche, auf diese beiden Thal
sachen gestützt, in Folgendem eine Erklärung der bespro-
chenen Pseudoskopie zu geben und hierbei auf die Erör-
terung der bereits früher von Plateau a) und Oppel1)
1) Icli hätte €> dilier lach Torgeiogen die« einfachere Zeichnung an Steile
der in Fig. 4 T*f. VIII Hebenden tu get»D, wenn nicht iur lelucrcp
bereit* die Druckplatte bei EiulieJerung der Abhiudlung angefertigt gc
2) Pogg. Annal. Bd. LXXX, S. 290.
3) Pogg. Annal. Bd. XCIX, S. 540-661.
pseudoskopischen Bewcguugsphänomenc go
fuhrt werde, so mufs ich gleich Eiugangs darum bitten,
diese Erklärung für nichts mehr als einen Versuch einer
solchen hinzu nehmen und mir in Beurteilung derselben
Nachsicht widerfahren zu lassen.
Wir werden zunächst als feststehend annehmen können,
dafs die vorliegende Täuschung keine physikalische ist, wie
eine grofse Anzahl der sogenannten Irradrationspliänomene'),
ftoudern vielmehr eine rein psychische, bei welcher das Ur-
(heil des Beobachters über den l'arallelisnius zweier geraden
Linien gefälscht wird, so dafs von diesem Gesichtspunkte aus
die in Rede siebende Erscheinung mit jenen bekannten Täu-
schungen in eine Kategorie zu stellen ist, durch welche
wir die Mondscheibe in der Nähe des Horizontes vergrö-
fsert erblicken und die Grofse eines nahe vorbeifliegenden
aber von uns in grofse Entfernung versetzten Insectes so
bedeutend überschätzen *).
Wir begütigen uns damit, diese Erscheinungen dadurch
zu erklären, dafs wir die Umstände aufweisen, welche uns
zu einem falschen Unheil über die Entfernung des wahr-
genommenen Objectes und dadurch bei conslantem Seh-
winkel zu einem falschen Schlufs über dessen Grofse ver-
anlassen.
Ebenso will ich es nun nach Analogie dieser rein psy-
chologischen Erklärung versuchen, im Folgenden nachzu-
weisen, wodurch und auf welche Weise wir bei der vorlie-
genden Zeichnung zu einem falschen Schlufs über die räum-
lichen Beziehungen der Hauptstreifen verführt werden.
5. Als unmittelbares Ergebnils der Beobachtung steht
fest, dafs wir durch das Vorhandenscyn der schrägen Quer-
slreifen zu jener Täuschung verlafst werden. — Um nun
I) A. Tick, Arrl. f. OpbUMtat IL«. S.70bi>76.
2) Da iliu bei comlaDlcr Grübe deuJben Neu)] au t bildet gan* reneliie-
dene V.m-jJIui^.u von der Grobe d» walirge „ ObJMtH in
liebe Wil.rucl.tuudg aikia uiclit WKliig', beiiimnxc V,., ,i, ll..i,:.-,u vun
.Itu Uiiii.uiioocu ■Im um umgebenden Gcgimuäuik- tu erhalten.
504
auch zu ermitteln, auf welche Weise diefs geschieht, müs-
sen wir zuerst ganz allgemein untersuchen, wie die Vor-
stellung vom Parallelismus überhaupt in uns erzeugt werde.
Wir deiiniren zwei Linien als parallel, wenn der kür-
zeste Abstand au allen ihren Punkleu derselbe ist.
Ist die Ausdehnung der beiden Liuieu sehr grofs, so
dafs wir dieselben nicht mehr bequem übersehen köuneu,
so initsseu wir uns messender Instrumente bedienen, um
ihre Entfernung an verschiedenen Punkten zu vergleichen
und alsdann schliefen wir aus der gefundenen Gleichheit
oder Ungleichheit ihres Abstandes auf ihren Parallclisrnus
oder Ntchlparallelismus. Es ist also in diesem Falle die
Vorstellung vom Parallelismus jener Linien das Resultat
eines logischen Schlusses, welcher mit Hülfe unseres Ver-
standes aus gewissen Thatsachen der Beobachtung abgelei-
tet wird.
Ist dagegen die Ausdehnung- der Linien eine so geringe,
dafs wir dieselben mit »eiuem Blick* Übersehen können, so
gelangen wir anscheinend unmittelhar zur Vorstellung ihres
Parallelismus, ohne erst ihren Abstand besonders an ver-
schiedenen Punkten zu vergleichen. Ich nehme indessen
an, und diefs ist im Grunde die einzige Hypothese welche,
gemacht wird, dafs diese Unmittelbarkeit eine nur scheinbare
ist, und allein dadurch erzeugt wird, dafs wir uns wegen
der Schnelligkeit der mit Hülfe unserer Augen angestellten
Vergleichungen dieser Operationen gar nicht einzeln bewufst
werden, sondern vielmehr sogleich das Endresultat derselben —
den daraus gezogenen Schtufs — als Resultat einer unmittel-
baren Wahrnehmung ansprechen ' ).
Wir verzichten hier vorläufig auf jede weitere Discus-
sion Ober die gröfsere oder geringere Wahrscheinlichkeit
dieser Annahme, hoffen indessen im Laufe der folgenden
Untersuchungen Gelegenheit zu haben, uns wenigstens von
der grofsen Fruchtbarkeit derselben zu überzeugen.
Wir tibertragen dieselbe zunächst auf die Vorstellungen
1) Vergl. Georg«, die rünl Sinne >li Grnndhge der Pjjchologu (Berlin
1846; S. 14.
■ Convergent und Divergenz und nehmen auch hier an,
dafs diese Vorstellungen die Resultate von Schlüssen sind,
welche wir aus der sucecssiven Vcrgleichnug des Abstände»
homologer Punkte der verglichenen Linien ableiten.
Ob diese, uns wegen ihrer Schnelligkeit nicht zum Be-
vrufslsevn kommenden, Operationen des Verstandes von
entsprechenden Bewegungen des Augapfels begleitet sind,
kann hier nicht näher untersucht werden: indessen ist es
eine Thalsache, von der sich jeder aufmerksame Beobachter
»leicht überzeugen kann, dafs die Beweglichkeit der Augeu-
axen bei der genauen Betrachtung der Lagenverhältnisse
zweier geraden Linien eine nicht unwesentliche Rolle spielt.
6, Wir brechen hier vorläuGg den Gang unserer bis-
herigen Untersuchung ab, behalten uns indessen vor, den-
selben später wieder aufzunehmen, nachdem wir zuvor eine
gewisse Gruppe von Erscheinungen einer näheren Betrach-
tung unterworfeu haben.
Es ist diefs das Gebiet der sogenannten Contraslwirkun-
gen '), deren Ursache wir zunächst in der cigcnthüuilichen
Beschaffenheit unseres Seusoriums suchen, einen andauernd
empfundenen Zustand bei plötzlicher Unterbrechung des
selben noch kurze Zeit nachher als den entgegen gesetzten
wahrzunehmen.
Plateau ist, soweit mir bekannt, der Erste gewesen,
welcher die Gesainmtheit der hierher gehörigen Erscheinun-
gen unter einein gemeinschaftlichen Gesichtspunkt zu be-
trachten versucht hat'). Das Wesentliche seiner Hypothese
besteht in der Annahme von zwei entgegengesetzten Erre-
gungszuständen, welche das afficirte Organ nach beendeter
Einwirkung der erregenden Ursache periodisch oder -oscil-
latorisch« mit abnehmender Stärke durchläuft, ehe es den
normalen Ruhezustand wieder erlangt hat.
Wenn mit Hülfe dieser Annahme nur das Phänomen
I) Vgl. Oppcl, Pugg. Aon. Bd. XCIX, v M3.
1) Plalcau, Kisai d'unt ihinrir ginirnte comprmutxl l'eniemblt
des afrfiarrticri riiurllti i/ui ititerdtnl il In tunlrmpltitiun dtt ub-
jtti colorft ttc. {Mim. d. tacad. dt BwtlUi T. IUI.)
der zufälligeu oder snbjectiven Farben erklärt werden (
so kann mao mit dem Begriff jener hypothetischen "entge-
gengesetzten Erregungszustände» eine ganz bestimmte Vor-
stellung verbinden, indem man sich die afücirt gewesene
Stolle der Netzhaut einfach .il in Schwingungen versetzt
denkt, welche durch ihre Vibrationsgescluvituligkeil diejeni-
gen des ursprunglich empfangeiieu Eindruckes entweder zu
Weifa ergänzen oder mit denselben qualitativ übereinstim-
men. Wenn aber der Erfinder dieser Hypothese in einer
späteren Abhundlung ') sein »Princip der Oscillatiouen ■
auch zur Erklärung jener eigen tliiini liehen Bewegung der
Gegeusländo anwendet, welche man bei andauernder Bc
tr.ichtung gleichförmig bewegter und dann plötzlich in Ruhe
versetzter Objecte »och kurze Zeit iu entgegengesetzter
Richtung wahrzunehmen glaubt'), so dürfte es jedenfalls
nicht leicht seyn, sich hierbei von der Art dieser entgegen-
gesetzten Erregungszustände einen auch nur einigemafsen
klaren Begriff zu machen3).
7. Aber abgesehen von diesem Umstände, liegt der
ganzen Plateau'schen Hypothese eine Annahme zu Grunde,
welche durchaus als willkührlich ercheinen mufs.
Es wird nämlich der Sitz aller hierher gehörigen pseu-
doskopischen Erscheinungen iu das aflicirt gewesene Organ
selbst verlegt, während wir doch oben an der pseudosko-
pisch vergrößerten Mondscheibe in der Nähe des Horizon-
tes gesehen haben, dal's zwei gleich grofse Netzbaulbilder
unter gewissen Umständen dennoch Vorstellungen einer
ganz verschiedenen Grütse des wahrgenommeneu Objecte*
in uns erzeugen können. Wäre es also nicht denkbar,
1) Pogg. Ann. Bd. LXXX, S. 287 (miigetheilt «u T. XVI des Baäii.
Je J'acad. de BraxeUes.)
2) Ei in liicfj die bekannte Bewegung der G tgra ■ [5ndc, welcbe nnt in
einem Eisenbahnwagen beim Stillhalten desselben iu der falschen Mei-
nung veranlaß, ei bewtgt sich der Wagen uoch kune Zeit langum
in colgegengcSFtttcr Richtung.
3) Wenn man eben hicrunltr mein ein wirklich« Vurhauclenseju enrje-
geugeaetit hcwegicr Nctibaulbilder versieben will, was aber ulTtr.bar ge-
rade erklär! werden sult.
dafs dasselbe, was liier in Bezug auf räumliche Dimensionen
der Nelzhautbdder stattfindet auch in Bezug auf Reihe uitd
Bewegung derselben stattfinden kann?
Hierdurch wird, wie icli glaube, die Frage nach dein
Sitz der Plateau'schen Bewegungspliilnoineue, ob in dein
unmittelbar afficirten Organ (der Netzhaut) oder iu dem
Orgaue der Seelenthatigkcit (dem Gehirn), als eine gerecht-
fertigte erscheinen.
Wie man sieht würde im letzteren Falle die Erklärung
für das beobachtete Phänomen nur eine rein psychologische
seyn künuen und wir mülsten uns alsdann hierbei mit dem-
jenigen Grade der Evidenz begnügen, welcher nach dem
heutigen Standpunkte unserer Erkeonlnifs den Erklärungen
auf jenem Gebiete eigen ist. Indessen erinnere ich noch-
mals daran, daf* wir die Vergrößerung der Mondscheibe
am Horizont und die Wirkungen der sogenannten Luft-
perspective ebenfalls rein psychologisch und, wie ich glaube,
für uuser wissenschaftliches Bedürfnifs vollkommen befrie-
digend erklaren, indem wir nachweisen, wie uuser Urlheil
bei conslantem Sehwiukcl des wahrgenommenen Objectes
über dessen Entfernung gelauscht und wir SO zu einem
falschen Schlufs über seine Grufse verleitet werden.
8. Die der Platcau'schen Hypothese zu Grunde lie-
gende Annahme wird aber sogar unwahrscheinlich, wenn
nicht unhaltbar1), sobald man erwägt, dafs es auch mit
verschlossenen Augen möglich ist, durch mehrmaliges schnel-
les Herumdrehen um sich selbst, jene bekannte Bewegung
der Gegenstände zu cizeugeu, welche wir beim sogenannten
Schwindel zu beobachten glauben. Diese Erscheinung ist
den oben besprochenen Phänomenen so ähnlich, dal's man
nur höchst gezwungen die Gleichartigkeit des Ursprungs bei-
der in Abrede stellen kann, wie auch Oppel am Schlüsse
seiner mehrfach citirten Abhandlung mit Recht hervorhebt.
Dessenungeachtet besteht insofern ein wesentlicher Un-
I) NatiU-li
lulijrtliviu Farben iclicu i
ppU.
)
lerschied zwischen beiden Bewegungsarten, als im zuletzt
erwähnten Fall die Richtung der beobachteten Scheinbewe-
gung slels die entgegengesetzte von der Urehungsrichlum;
uuseres Körpers ist, so dafs also bei geöffneten Augen jene
pseudoskopische Bewegung in ihrer Richtung übereinstim-
mend init derjenigen ist, welche wir bei der Drehung an
den uns umgebenden Gegenständen beobachteten.
Wir schliefen nun hieraus Folgendes:
Da in uns auch ohne vorhergegangene Reizung der
Netzhaut die Vorstellung einer scheinbaren Bewegung der
um uns befindlichen Gegenstände erzeugt werden kann,
so mufs die Ursache dieser Erscheinung in einem falsche«
Schlufs über die Unveränderlich keit der örtlichen Bau-
hangen jener scheinbar bewegten Übjecte au unserem eigenen
Standpunkte gesucht werden.
Wir werden daher diese Erscheinungen erklärt taubes,
wenn es uns nachzuweisen gelingt, wodurch und wie wir
zu jenem falschen Schlufs verleitet werden.
9. Aus demselben Grunde, weshalb wir bekanntlich
nie im Stande sind über die absolute Ruhe eines Körpers
im Welträume zu entscheiden, können auch unsere unmit-
telbaren Vorstellungen von Ruhe oder Bewegung eines Ob-
jeetes nur relative seyn, d. h. dieselben können nur da-
durch in uns erzeugt werden, dafs wir die Lage eines Kör-
pers mit der eines anderen vergleichen und alsdann aus
der Constanz oder Veränderlichkeit des gegenseitigen Ab-
staudes auf Ruhe oder Bewegung der verglichenen Objecto
scbliefsen.
Ist daher die Anzahl dieser Gegenstände nur zwei, so
ist es vollkommen willkürlich, entweder den einen oder
den anderen oder beide als bewegte aufzufassen. War der
eine unser eigener Körper, so mufs dieser Umstand (vor-
ausgesetzt, dafs es uns an anderen Vergleichuugspunkten
fehlt) oothwendig zu jenen bekannten Täuschungen Ver-
anlassung geben, bei denen wir z. B. auf einem Schiffe die
scheinbare Bewegung der Ufer für eine wirkliche halten
und in einem ruhenden Eisenbahnwagen durch einen lang-
Fsm dicht vorbeifahrenden Zug tu der falschen Meinung
veranlagt werden, es bewege sich der mit unH stillstehende
Zug.
Gerade der zuletzt erwähnte Fall giebt einem Jeden
xo den intercssan testen Beobachtungen Veranlassung, indem
es hierbei sehr oft möglich ist, mir durch die willkürlich
veränderte Thätigkeit unseres rcllcclirenden Verslandes
jene Täuschung abwechselnd hervorzurufen oder zu unter-
drücken.
Man wird in der bisherigen Deduclion über die Ent-
stehung der Vorstellungen von Ruhe und Bewegung mit
Leichtigkeit eine vollkommene Analogie zu der obigen (§. 5)
über das Zustandekommen der Vorstellungen vom Paralle-
lismus oder \iilit|>nrnili'li=mus zweier geraden Linien wie-
der erkennen, so dafs wir das Resultat unserer bis jetzt an-
gestellten Untersuchung folgen derma fsen ausdrücken können:
Die Vorstellungen vom Parallelismus oder Nichlparalle-
lismus zweier geraden Linien einerseits und diejenigen
ton der Ruhe oder Bewegung eines Körpers andrerseits,
sind nickt unmittelbare Ergebnisse der sinnlichen Wahr-
nehmung, sondern Resultate ton logischen Schlüssen, wel-
che wir mit Hülfe der reflectirenden oder vergleichenden
Thätigkeit unseres Verstandes aus den durch das Auge
gegebenen Beobachtungsdaten ableiten '). Nur die grofse
Geschwindigkeit dieser sehr schnell auf einander folgenden
Verstandesoperationen verhindert es, dafs uns dieselben
einzeln sam Bewufstseyn kommen.
10. Dessenungeachtet entsteht jetzt die Frage, ob die
besagten Vorstellungen eine gleiche oder verschiedene Zeit
zu ihrer Entwicklung in unserem Bewufstseyn erfordern
und wir wollen vorerst diese Frage in Bezug auf die Vor-
stellungen von Buhe und Bewegung zu beantworten suchen.
Angenommen es wäre von zwei Sternen ohne sichtbaren
1 .1.1 Wi „.■,..:.•!,,([ |
i bcwufilr Wiiio
pfl*gl.
510
Durchmesser aus theoretischen Gründen wahrscheinlich, dafs
beide l'lainiten seyen.
Uni die Richtigkeit unserer Verumlhung durch die Beob-
achtung naher zu prüfen, müssen wir zu verschiedenen Zei-
len die Abstände der fraglichen Planeten von irgend einem
Fixsterne zu wiederholten Malen messen; aus der Consta uz
oder Veränderlichkeit dieser Abstände seh Meisen wir alsdann
auf die Ruhe oder Bewegung der beiden Sterne. Wahrend
wir indessen schon am ersten Beobachtiingsabend durch die
geringste, merkbare Veränderung des einen der gemessenen
Abstände zur Vorstellung von der Beweglichkeit des be-
(reifenden Sternes gelangen können, ist aus der Unvcrän-
derlichkcit jenes Abstände» beim zweiten Stern durchaus
nicht mit Notwendigkeit auf seiue Unbeweglicbkeit zu
schlichen, sondern mit demselben Hechte zunächst nur auf
eine während der Beobachtungszeit für unser Instrument
unmerkliche Bewegung. Erst wenn sich diese Unverander-
lichkeit während einer gewissen Zeit bewahrt hat, wird die
Buhe jenes Sternes zu einer Wahrscheinlichkeit, welche
sich mit wachsender Zeit und der Anzahl der während der-
selben angestellten Beobachtungen asymptotisch der Gewifs-
heit nähert. Es ist demnach eine gröfsere Zeit erforderlich,
um uns von der Bohe des einen wie von der Beweglichkeit
des anderen Sternes zu überzeugen.
II. Setzen wir uuu an die Stelle jenes Fixsternes un-
seren eigenen Körper, auf den wir im täglichen Leben alle
Bewegungen zu beziehen gewohnt sind, an Stelle der bei-
den anderen Sterne irgend zwei beliebige Objecto und
nehmen nun wieder wie früher an, die einzelnen Verglei-
ehuugeu der Ortsbeziehungen jener Gegenstände zu unsena
Körper erfolgten in so schneller Aufeinanderfolge, dafs sie
uns einzeln gar nicht zum Bcwufstseyu kommen, so haben
wir, wie schon oben angedeutet, die genetische Entwickelung
der Vorstellungen von Buhe oder Bewegung eines Körpers
im täglichen Leben.
Da nun die Dauer jener angenommenen Vergleichungen,
511
mag dieselbe noch so kurz seyn, doch stets eine endliche
seyn mub, so ziehen wir aus dem Vorhergehenden den
folgenden Schlufs:
Die Vorstellung der Buhe erfordert eine gröfsere Zeit
xu ihrer Entstehung als die Vorstellung der Bewegung
eines Körpers.
12. Wir gelangen nun durch ähnliche Betrachtungen
zu einem vollkommen analogen Schlufs in Bezug auf die
Vorstellungen vom Parallelismus oder Nichtparallelismus
zweier geraden Linien. Wir haben nämlich oben (§. 5)
gesehen , dafs diese Vorstellungen ebenfalls durch schnell
aufeinanderfolgende Vergleichungen der Abstände homologer
Punkte der geraden Linien in uns entstehen. Die Wahr*
acheinlkhkeit des vollkommenen Parallelismus wächst aber
mit dem Abstände und der Anzahl der verglichenen Punkte«
Paare in den geraden Linien und nähert sich mit der Zu-
nahme dieser Groben asymptotisch der Gewifsheit. Da
nun auch hier die einzelnen Vergleichungen eine gewisse,
endliche Zeit beanspruchen und zur Entscheidung, ob zwei
Linien parallel sind, eine gröbere Strecke von Punkten
verglichen werden niub, als diefs zur Entscheinung der
Convergenz oder Divergenz erforderlich ist, so schliefsen
wir auch hier:
Die Vorstellung des Parallelismus erfordert eine grö»
fsere Zeit %u ihrer Entstehung als die Vorstellung der
Convergenz oder Divergenz zweier geraden Linien.
13. Bemerken wir endlieh zum Schlufs unserer bishe-
rigen Entwickelung noch Folgendes. Wenn man aus einer
regelmässig, periodisch wiederkehrenden Erscheinung auch
auf die nächstfolgende ihrer Beschaffenheit nach unverän-
derte Wiederkehr derselben schliefst, so ist diefs bekanntlich
ein sogenannter »Schlufs durch unvollständige Induction«,
der erat dann logisch bindende Kraft erhält, wenn sich
aus allgemeinen Gesetzen nachweisen labt, dab diese Er-
scheinung nothwendig wiederkehren mufs. Nichts desto
weniger wird die Wahrscheinlichkeit der erwarteten W\t-
d erkehr in einem bestimmten Verhülliiifs mit der Anzahl
der bereits beobachteten Erscheinungen wachsen müssen ').
Auf diese Art des Schliclseits sind wir nun durch eine
gewisse Trägheit unseres Reflex ionsrermögens fast allein
bei Verarbeitung der täglich in uns aufgenommenen sinn-
lichen Eindrücke zu bestimmten Vorstellungen angewiesen
und wir haben uns durch die im Allgemeinen regelwfifsife
Übereinstimmung dieser Schlüsse mit der Wirklichkeit so
sehr daran gewöhnt, diefa als ausnahmelose Regel zu be-
trachten, dafs jede Abweichung hiervon nolhwcndig zu Täu-
schungen führen mufs. Auch hier nehmen wir nach Ana-
logie des Obigen eine so schnelle Aufeinanderfolge der
einzelnen Operationen an, dafs uns diese als solche
nicht zum Bewufstseyn kommen und wir nur die durch
den abgeleiten Scblufs gewonnene Vorstellung als etwas in
der Wirklichkeit Vorhandenes ansprechen.
14. Wir wollen nun versuchen mit Hülfe der im Vor-
hergehenden entwickelten Sätze, zunächst die von Plateau
und Oppel an den oben citirten Stellen beschriebenen
Bewegungserscheinungen zu erklären.
Ich wähle hierzu den einfachsten Fall und nehme an,
es bewege sich eine Reihe gleich weit abstehender Punkte
mit gleichförmiger Geschwindigkeit in gerader Linie z.B. von
links nach rechts.
Hat die Bewegung eine gewisse Zeil lang gedauert, so
erwarten wir (§. 13) die Fortdauer derselben auch für den
nächsten Moment und zwar mit desto gröfserer Gewifsheit,
je öfter unserer Erwartung entsprochen worden ist, d. h. je
länger diese Bewegung gedauert hat. Treten daher die
bewegten Punkte plötzlich in den Zustand der Ruhe, so
gelangt diese Erscheinung zwar sogleich durch die verän-
derte Affection der Netzhaut zu unserem Bewufstseyn, aber
es folgt aus §. 11, dafs wir diese Acnderung zunächst nur
als veränderten Bewegung stustand wahrnehmen können, da
zur Erzeugung der Vorstellung von Ruhe unsere Reflexion
erst eine gewisse Zeit lang tbätig geweseu seyn mufs. Je
l) Verjl. G. Hafeo, Grundtüfc« Am N^tuWXv^WuKehngDf $. 7.
gröfser und zuversichtlicher nun unsere Erwartung von
der Fortdauer der beobachteten: Beweglichkeit gewesen
ist, desto längere Zeit wird unsere Rcflcxionsthätigkeit in
Anspruch genommen werden müssen, um in uns die Vor-
stellung von der Ruhe der vorher bewegten Punkte zu er-
zeugen, da wir oben gesehen haben, dafs die Ueberzeu-
gung von der Ruhe eines Körpers eine mit wachsender
Reobachlungszeit sich asymptotisch der absoluten Gewifsheit
nähernde Grofsc ist.
15. Ist aber einmal zugegeben, dafs wir einen längere
Zeit hindurch geradlinig bewegten und dann plötzlich in
Ruhe versetzten Körper noch kurze Zeil nach Eintritt der
Ruhe als einen bewegten wahrnehmen müssen, so sind hier
im Allgemeinen nur zwei Fälle als möglich anzunehmen ');
entweder der Körper bewegt sich nach der ursprünglichen
Richtung weiter oder nach der entgegengesetzten.
Treten indessen bei dem plötzlichen Ucbergang des
Körpers aus der Bewegung in Ruhe Erscheinungen ein,
welche die Bildung der ciueu oder anderen jener Vorstel-
lungen (von der Richtung der Bewegung) begünstigen, so
wird hierdurch auch allein die Richtung der scheinbaren
Bewegung bedingt seyn. Eine solche Begünstigung läfst
sich nun in der That in vorliegendem Fall sehr leicht nach-
weisen.
Wenn nämlich ein geradlinig bewegter Körper in die
entgegengesetzte Bewegung übergeht, so muts er notwen-
dig die Ruhelage passiren, sn dafs dieser Zustand entweder
als Endzustand der bisherigen oder als Anfangszustand der
entgegengesetzten Bewegung des Körpers aufgefafst werden
kann. Da der erste dieser beiden Fälle als dauernder Zu-
stand durch die einmal supponirtc Beweglichkeit ausgeschlos-
sen ist, so bleibt nur der letzte Übrig und es mufs sich da-
1) Et würde die Definition inin(llli|mniin verlängern, wollle man der
graf««n rUIgeraeinheil wegen, die Milglirl.keil einer nath »llen dedk-
I baren Kiclilungen «anfindenden Bewegung cici Körpers annehmen und
alidann nach dem Salze du iure Feh enden Grand« die W»WuA«\nVieW
k*it der beiden oben uiiroiueHisr angenommen™ WicWn^n \wneam.
Patttadorir, Amul Bd. CX. '*>*>
514
her der Körper für unser Bewufstseyu nach der entgegen-
gesetzten Seile bewegen, was zunächst bewiesen werden
sollte.
16. Untersuchen wir jetzt die weiteren Beziehungen,
welche nach der entwickelten Theorie zwischen der Scbein-
bewegung und der ursprünglichen zu erwarten sind und
sehen zu, wie weit die auf diesem Wege gewonnenen
Resultate mit deu Ergebnissen der Beobachtung überein-
stimmen.
Bezeichnen wir die Gröfsc der ursprünglichen Bewe-
gung mit G die der Scheinbewegung mit g, ferner die Dauer
der ursprünglichen Bewegung mit D, die der Schciubcwe-
gung mit d, so sind nur folgende Beziehungen denkbar:
1. g als Function von £1
2. o - ■ ■ D
3. d - ■ - G
4. d » » - D
In Betreff der ersten Beziehung folgt unmittelbar aus
§. 13, dais allgemein g mit G wachsen inufs, und zwar bis
zu einem gewissen Maximum, welches dadurch bedingt ist,
dafs es bei sehr schneller Bewegung nicht mehr möglich ist,
einzelne Gegenstände zu unterscheiden, wodurch natürlich
die Vorstellung von der Bewegung derselben überhaupt
vernichtet wird.
Diefs stimmt mit den Beobachtungen Oppels an seinem
» Antirrheoskop « übereiu.
Derselbe sagt hierüber nämlich Folgendes (Pogg. Ann.
Bd. 99, S. 555).
"Ein sehr wichtiger Punkt bei der Hervorrufung des
besprochenen Phänomens ist, wie mir meine Versuche
gezeigt haben, das Treffen der geeigneten Geschwindig-
keit der ursprünglichen Bewegung (also der Umdrehung
der Kurbel). Denn die Gröfse des beabsichtigten Ef-
fectes ') nimmt, wenn man diese Schnelligkeit von einem
Minimum an wachsen lafst, Anfang» deutlich mit derselben
I) Worunter also, da nichti Betoodrr» bemerlr in, Gcichmindigini
aad Dauer iu Tertichen in.
zu, aber nur bis zu einer gewisse» Grunze, von welcher
an sie, bei noch gröfserer Drehungsgeschwiudigkeit, ziem-
lich rasch wieder abnimmt«. _
17. Die zweite Beziehung ist nach unserer Theorie
geradezu unmöglich und es giebt, so weit mir bekannt, bis
jetzt keine Thatsache, welche dieser Folgerung widerspräche.
Die Existenz der dritten Beziehung müssen wir etwas
ausführlicher motiviren.
£s ist oben (§. 9) gezeigt worden, dafs die Vorstellung
von der Bewegung eines Körpers in uns durch wiederholte,
schnell aufeinanderfolgende Vergleichungen desselben mit
der Lage unseres eigenen Körpers entsteht, indem wir aus
der Veränderlichkeit des Abslandes beider Objecte auf die
Beweglichkeit des eineu schlieisen.
Die Dauer dieser Eiern entaroperationeo betrachten wir
als eine für dasselbe Individuum constante, so dafs innerhalb
gleicher Zeiträume auch eine gleiche Anzahl jener Verglei-
chungen vollendet ist.
Wenn daher die während zwei solcher Vergleichungen
stattfindende Orlsveräderung des Körpers für unser Organ
unmerklich ist, so werden erst drei solcher Elementarver-
gleichungen combinirt in uns die Vorstellung von der Be-
wegung des Körpers erzeugen können u. s. w., so dafs wir
zu folgendem Salz geführt werden:
Um zur einmaligen Vorstellung von der Bewegung eines
Körpers zu gelangen, mufs eine desto größere Anzahl
ton Elententarrergleichungen combinirt werden, je langsa-
mer die Bewegung ist, oder in anderer Form:
Die Anzahl der in gleichen Zeiträumen in uns gebilde-
ten Vorstellungen ton der Bewegung eines Körpers ist
desto geringer, je langsamer die Bewegung ist.
Da nun aber nach §. 13 mit der Anzahl dieser Vor-
stellungen auch die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung
desselben Processes in uns wächst und, wie bereits oben
gezeigt, nach wirklich eingetretener Ruhe, eine der Gröfse
jener Wahrscheinlichkeit entsprechende Anzahl von neue«
Vergleichungen angestellt werden muh, um Aen \»e^Hi^«a«a.
Hfl
KöIlIei dlul- zu vernichten, so folg! auch für die drille der
oben aufgestellten Beziehungen, dal's d mit G bis zu einem
gewissen Ma\inuim wachseu und dann, aus denselben Grün-
den wie bei der ersten Beziehung wieder abnehmen mufs.
Auch dien; Resultat stimmt nach der oben (§. 16) ci-
tirlcn Stelle mit den Beobachtungen Oppel's Übereil).
IS. Die vierte der aufgestellten Beziehungen folgt un-
mittelbar aus den §§. 13 und II, so zwar, «.Li- sich d
bei cotitiuuirlicher Zunahme von /' stets ciuer gewissen
Grunze nühert, ohne dieselbe je zu erreichen. Diese Fol-
gerung behält indessen nur für den idealen Fall einer un-
veränderten Energie des Auges ihre Gültigkeit, durch des-
sen Affeclion die Vorstellung von der Bewegung in uns
vermittelt wird. Lassen wir daher diese Annahme, als in
der Wirklichkeit nicht existirend, fallen, so gelangen wir
auch hier zur Annahme eines gewissen Maximums, was wie-
derum mit den Ergebnissen der Beobachtung fibereinstimmt.
Die Worte Oppel's über diesen Punkt lauten: (L c. p. äöä)
»Etwas ganz Achnlicbes gilt auch iu Bezug auf die
zweckmässige Dauer der anregenden Bewegung. Auch
hier scheint es ein Maximum zu geben, welches nicht
ohne Minderung des Erfolges überschritten werden darf,
und welches noch ziemlich weit diefsseits derjenigen
Grunze zu liegen scheint, bei welcher eine völlige Ab-
stumpfung oder Ermüdung des Auges eintritt.
19. Wir haben bei unserer bisherigen Deduction stets
der Einfachheit halber die Voraussetzung gemacht, dafs die
Scheinbewcgung an den ursprünglich bewegten Objecteu
selber beobachtet werde. Es bleibt uns jetzt noch zu be-
weisen übrig, dafs sich diese Bewegung auch auf andere
Gegenstände übertragen lasse.
Es ist §. 14 die besagte Scheinbewegung mittelbar als
die Folge eines Schlusses durch unvollständige Induction
hingestellt worden und wir haben gesehen, dafs das Wesen
dieses Schlusses gerade darin besteht, dafs man hierbei voll-
kommen von der Ursache der beobachteten Erscheinung
absieht und nur von den bereits eingetroffenen Fällen auf
is Eintreffet! der Erscheinung für die nächsten Momente
schliefst.
Es besteht nun aber im vorliegenden Falle zwischen den
ursprünglich bewegten Objecten und den anderen Gegen-
ständen kein anderer Unterschied, als in Bezug auf die Ur-
sache ihrer Beweglichkeit. Wir konnten es für wahrschein-
licher halfen, den einmal als bewegt aufgefaßten Gegenstand
deshalb auch ferner für leichter beweglich zu halten als
z. B. das Dach eines Hauses, auf welches wir nach beob
acbleter Bewegung unsere Aufmerksamkeit richten. Indessen
man sieht leicht, dafs diese gröfscre oder geringere Wahr-
scheinlichkeit der Bewegung unserer iXelzhautbilder erst
durch eine besondere BcÜexion über die Ursache jener Be-
wegung in uns erzeugt werden niufs, wozu jedoch nicht
icr eine Veranlassung vorliegt, ehe sich nicht wirklich die
bereits iudicirte Vorstellung einer regressiven Bewegung
j. II und §. 15) in uns entwickelt hat, d. h. che die bc-
igte Täuschung nicht wirklich stattgefunden hat. Es folgt
hieraus:
Dafs sich die an den ursprünglich bewegten Gegenstän-
tlen beobachtete Scheinbeiccgung auf alle Nelzhautbitder
übertragen müsse, welche sich vor Ablauf einer getoUsen,
tont Ende der ursprünglichen Betcegnng an gerechneten
Zeit im Auge vorfinden, was bewiesen werden sollte.
Dieser Umstand erklärt nun in Rücksicht auf das Frü-
here mit Leichtigkeit die bekannten Plateau'schcn Phä-
nomene ') an der rotirenden Spirale. Der verschiedene
Grad derselben bei verschiedenen Individuen folgt ebenfalls
ganz ungezwungen aus der ungleichen Dauer der Elcinen-
taroperationen, die höchstwahrscheinlich eine Function des
betreffenden Organismus seyn wird und über deren GrÖfse
unsere Hypothese durchaus keine bestimmte Beschränkung
auferlegt.
20. Durch die zuletzt angestellten Betrachtungen sind
wir nun hinlänglich vorbereitet, um uns zur Erklärung der-
jenigen Bewegung anzuschicken, welche wir nach n\el\ra&-
I) V«el. Pugg. Adii. Bd. LXXX, S. 290.
518
ligem schnellem Herum drehen um uns selbst (mag diefs mit
verschlossenen oder geöffneten Augen geschehen) noch kurze
Zeit an den uns umgebenden Gegenständen zu beobachten
glauben.
Als Veranlassung zur Erzeugung der Vorstellungen vou
Rübe und Bewegung eines Körpers haben wir bis jetzt
nur die Reizung der Netzhaut kennen gelernt, d. h. die
Unveräuderlichkeit oder Veränderlichkeit der Bilder üi un-
serem Auge. Man sieht indessen leicht, dafs die Vor-
stellung einer Bewegung, (und zwar einer bestimmt ge-
richteten) auch ohne diese Reizung in uns erzeugt werden
müsse, sobald wir selber durch unseren Willen coulinuir-
lich die Veranlassung dieser Bewegung sind, wie diefe z. B.
bei der Drehung um uns selbst offenbar der Fall ist.
Wir sind nämlich seit der frühesten Kindheit daran ge-
wöhnt, auf jeden bestimmten Act des Willens, welcher
sieb auf die Beweglichkeit unseres Korpers bezieht, «ach
die entsprechende Bewegung desselben mit uasern Augen
wahrzunehmen, so dafs wir durch diese andauernde und
nie getäuschte Uebereiustimmung der gewollten mit der ge-
sehenen Bewegung auch auf das weitere Fortbestehen die-
ser Uebereiustimmung schliefsen und daher unmittelbar mit
dem Acte des Wollens die Vorstellung der beabsichtigten
Bewegung verknüpfen.
Wir müssen also im vorliegenden Falle auch mit ver-
schlossenen Augen zur Vorstellung sowohl vom Objecte
als auch von der Richtung dieser Bewegung gelangen
können.
21. Tritt nun plötzlich Ruhe ein, so folgt aus §. U
und §. 15 zunächst eine pseudoskopische Bewegung des
bisher bewegten Objectes nach der entgegensetzten Rich-
tung und nach §. 19 die U Übertragung dieser Bewegung
(in derselben Richtung) auf andere Ocjecte. Diefs stimmt
aber mit den oben (§. 8) Über diese Bewegung angegebe-
nen Thatsacheu vollkommen überein.
Dafs der beschriebene Effect wesentlich der gleiche ist,
wenn die ursprüngliche Umdrehung mit geöffneten Augen
vor eich geht, scheint mir daraus zu folgeu, dafs zur Er-
zeugung der Vorstellung von unserer Eigenbewegung die
Rellexiousthätigkeit bereits vollkommen in Anspruch genom-
men ist, so dafs diese Vorstellung über diejenige, welche
durch Bewegung der Nctzhaulbüder nach entgegengesetz-
ter Richtung etwa erzeugt werden konnte, gleichsam prä-
dominirt ').
Indessen dürfte es nach der bisherigen Entwicklung
wahrscheinlicher seyn, au Stelle der Gleichzeitigkeit von
Vorstellungen im Bewufstseyn eine so schnelle Aufein-
anderfolge derselben anzunehmen, dafs nur durch diese
Schnelligkeit der Eindruck einer scheinbaren Gleichzeitig-
keit in uns erzeugt wird. Dann würde sich natürlich von
zwei Vorstellungen immer nur diejenige gerade entwickeln
können, zu deren Bildung die ursächlichen Bedingungen
am günstigsten sind.
22. Hiermit hätten wir nun das Gebiet der bis jetzt
bekannten pseudoskopischeu Bewegungsphänomene erschöpft
und dieselben aus einer, wie ich glaube, sehr einfacheu
Annahme Über den Bildungsprozefs unserer Vorstellungen
genügend erklärt. Wir wenden uns jetzt mit Hülfe dersel-
ben Hypothese zur Erklärung der obeu beschriebenen und
durch eine Zeichnung veranschaulichten Pseudoskopie '),
Nach §. 12 fiudet zwischen den Vorstellungen der Buhe
und der Bewegung einerseits und den Vorstellungen des
Parallclismus und Nichtparallclismus audererseits eine voll-
kommene Analogie statt. Die Ursache dieser Ueberein-
Btimmung liegt nach unserer Hypothese offenbar darin, dafs
beide Classen von Vorstellungen durch die Unverändcr-
l) Wnllle
itre Umdrehung oncuglcn tcliriubaren Hewegiiog sejn; dem wiilenpriebi
»l»er die Erf.l.rung (Vetjl. §. 8).
2) M.n vergleich.: hierbei die von Oppel in lerne r Abhandlung (die.e
»1. Bd. XC1X. S. 513) irwUtte VennuthuDg Neeff. üb« Ck
520
liebkeit oder Veränderlichkeit eines Abstandes — bei der
Ruhe und Bewegung des Abslandes unsers Körpers vom
ruhenden oder bewegten Objecle, beim Parallelisuius oder
Nicht- Parallelisuius des Abstaudes homologer Puuktc —
in uns erzeugt werden, nur mit dem Unterschiede, dafs
bei der ersten Classe von Vorstellungen dieser Abstand
eine Function der Zeit bei der zweiten Classe die Func-
tion einer linearen Rauingrüfse ist. Es wird daher auch
die Erklärung der betreffenden Pleuroskopie eine im We-
sentlichen mit der obigen übereinstimmende seyn, so dafs
die ganze Deduclion mit Berücksichtigung der erwähnten
Analogie bedeutend abgekürzt werden kann.
23. Betrachten wir zwei Ha uptsl reifen unserer Zeich-
nung mit ihrcu schrägen Querslreifen, so werden wir durch
Gegenwart der letzteren zur Austeilung ciuer grofseu An-
zahl von Elementarvcrgleichungeu veraulafst, welche stets
zu dem Schlufs und dadurch zu der Vorstellung der Con-
vergenz nach einer bestimmten Richtung führen. Wir er-
warten daher dasselbe Resultat (§. 13) auch dann, wenn
wir vermöge unserer Refleiionsthätigkeit die gegenseitige
Lage der Hauptstreifen durch solche El einen tarvergl eichuo-
gen ermitteln wollen. Es erfordert aber nach §. 12 die
Vorstellung des Parallelisuius eine grofsere Zeit zu ihrer
Entwickeluug als die des Nicht parallelisuius, so dafs wir
die verglichenen flauplstreifen nicht unmittelbar als parallel
sehen können. Dafs nun an Stelle der erwarteten Con-
vergenz eine Divergenz eintreten inufs, folgt sofort aus §. 15,
wenn man die entsprechen den Vorstellungen mit den in
Rede stehenden vertauscht, so dafs wir uns hier jedes aus-
führlichen Beweises enthalten können. Ein Unterschied
liegt nur darin, dafs im vorliegenden Fall die schrägen
Querstreifcn durch ihre stete Gegenwart unsere Aufmerk-
samkeit immer wieder von Neuem fesseln, so dafs sich der
oben angedeutete Prucefs in schneller Aufeinanderfolge im-
mer wiederholen inufs, wodurch die pseudoskopisebe Ab-
lenkung eine permanente wird.
Aus der ubcu erklärten Analogie beider Arteu von
Pseudoskopie folgt ferner, dafs sich die zuletzt besprochene
in aller Strenge auf die erste zu rück, führen läfst und diese
auch die ursprünglichere ist, was sich einfach aus folgen-
der Betrachtung ergiebt.
Wir haben gesehen, dafs sich die Vorstellungen von
Ruhe und Bewegung durch den Consta n teil oder variablen
Abstand zweier Puukte in uns entwickeln, lu diesem Falle
Fällt die Ursache der Gonslanz oder Veränderlichkeit jenes
Abstandes mit der Ursache der Kühe oder Bewegung des
beobachteten Ohjectes zusammen.
Bei den Vorstellungen des Parallel ismus und Nichtpa-
rallclismus wird jedoch die erwähnte Coustauz oder Ver-
änderlichkeit erst indirect durch eine andere Bewegung er-
zeugt, nämlich durch das sucecssive Fortrücken der fingir-
ten Linie, welche durch ihre Lange den Abstand je zweier
Puukte der verglichenen Linien mifst.
24. Wir müssen indessen hier noch auf einen bemer-
kenswerten Umstand aufmerksam machen, welcher unter
Voraussetzung unserer Hypothese zu einer interessanten
Folgerung über die Gleichzeitigkeit von Vorstellungen im
ßewufstseyn führt.
Es ist schon oben §. 21 bemerkt worden, dafs es nach
der bisherigen Eutwickclung naturgemäßer wäre, au Stelle
der Gleichzeitigkeit von Vorstellungen eine sehr schnelle
Aufeinanderfolge derselben anzunehmen. Diese Annahme
wird aber bei der zuletzt erwähnten Pseudoskopie durch-
aus nolhwcndig, denn offenbar gellen alle unsere Schlüsse
nur unter der Voraussetzung, dafs sich die besagten Vorstel-
lungen nicht gleichzeitig, soudern nacheinander entwickeln.
Ln vorliegenden Falle befindet sich die ganze pseudoskopische
Zeichnung mit ihren Längs- und schrägen Querstreifcu
gleichseitig auf der Netzhaut des Auges und wir müssen
dessenungeachtet eine periodisch, schnell abwechselnde Bil-
dung der besprochenen Vorstellungen annehmen, ohne hier
von die Ursache iu dem sinnlich wahrgenommenen Objectc
suchen zu k ünnen.
25. Es bleibt uns jetzt noch zu nAHlwi vAm^, ^««■-
halb das Minimum der pscudoskopiscben Ablenkung iu den
oben bezeichneten (§. 3) beiden Lagen stattfindet. Ich
glaube, dafs dieser Umstand in Folgendem seine Begrün-
dung findet.
Ebenso, wie wir gewohnt sind, alle Bewegung und
Buhe auf unseren eigenen Standpunkt zu bezicheu, so fin-
det etwas ganz Aehnliches in Bezug auf die Lagenverhäll-
nisse von Linien statt. Durch die symmetrische Anordnung
der Augen zu beiden Seiten einer durch die Langsame des
Körpers bezeichneten Richtung, sind vorzugsweise zwei
Lagen, die horizontale und verticalc in uns deutlich in-
dicirt, und es wird daher unsere Reflexionsthätigkeit die
Lage von anderen Linien vornehmlich auf diese beiden
Richtungen beziehen. Betrachten wir daher zwei Linien,
welche parallel mit der normalen Richtung der Langsame
unserer Körpers, d. h. vertical sind, so wird hierdurch die
Vorstellung vom Parallelismus derselben untereinander we-
sentlich gefördert, so dafs es gar nicht einmal nothwendig
ist, beide Linien zugleich im Gesichtsfelde unseres Auges
zu haben. Wir schliefsen dann indirect von dem Paralle-
lismus jeder einzelnen Linie mit unserem Körper (oder ei-
gentlich mit der zur Verbindungslinie der beiden Augen
Normalen) auf ihren Parallelismus untereinander, während
bei jeder anderen Lage der beiden Linien diese Beziehung
offenbar eine bei weitem schwierigere ist. Dasselbe gilt
auch von der horizontalen Lage, die mit der normalen Rich-
tung der Verbindungslinie der beiden Augen zusammen-
fällt.
Die Vorstellung vom Parallelismus der Hauplstreifen,
welche in jeder anderen Lage nur durch successive Ver-
gleichung ihres Abstandes erlangt werden kann, wird in
den bezeichneten Lagen auch noch durch Vergleichungen
mit der Lage unseres Kopfes verstärkt, so dafs der Fehi-
schlufs, zu dem wir uns durch die Gegenwart der schrägen
Querstreifen verleiten liefsen, wieder etwas corrigirt wird
und dadurch die Hauptstreifen gleichsam an ihrer pseudosko-
pischen Beweglichkeit veiUwen. ,
523
Hieraus wird es begreiflich, weshalb in den bczeiclioe-
teit beiden L.igen die pscudoskopische Ablenkung ihr Mi-
nimum erreichen mufs.
Scuönweide im Juni 1860.
XII. Gei/slers nachleuchtende Röhren;
von P. Riefs.
(AufWun.rl, fa IleMiiigcbcn.)
Ljin ausgezeichnetes Exemplar dieser merkwürdigen, weil
verbreiteten Bohren besieht aus 7 in gerade Linie gestell-
ten Glaskugeln (1£ Zoll Durchmesser), die durch bogenför-
mige Glasruhren zu einer Schlangenlinie verbunden sind,
und mifst 19 Zoll zwischen deu beiden in den Endkugeln
befindlichen Eisen -Elektroden. In einer der mittleren Ku-
geln ist ciu Tropfen einer nasser hellen Flüssigkeit bemerk-
bar, der bei Neigung der Röhre seine Stelle ändert. Ge-
rade ausgestreckt würde die Röhre etwa 3 Fufs lang seyn;
dennoch geht ein elektrischer Strom leicht hindurch, und
das Nachleuchten kann deutlich durch die Funken eines
kleinen Eleklrophors (von einer Züudmaschine) bewirkt
werden. Am schönsten erhalt man die Erscheinung durch
den Strom eines magnet- elektrischen Induktionsapparats.
Schon ein einzelner Oeffnungsstrom hat das Nachleuchten
zur Folge, dessen Stärke und Dauer, während etwa 20 Se-
kunden mit der Anzahl der erregenden Ströme zunimmt.
Bei dem Durchgänge der Ströme ist die negative Elektrode
an ihrer breiten blauen Hülle erkennbar, das Licht in den
gekrümmten Vcrbindungsröhren roth mit breiten verwa-
schenen Schichten. Ganz eigentümlich ist das Licht der
Kugeln. Diese scheinen vou einem grünlich gelben leuch-
tenden Nebel gleichmäfsig erfüllt, und machen den Ein-
druck von Innen erleuchteter Kugeln aus ÄuTt\Äc\wivcvavÄs.\&
524
Material. Selbst bei mäfsig hellem Zimmer ist noch eine
grünliche Färbung der Kugeln zu erkenueu.
Nach dem Aufhören des elektrischen Stromes leuchten
alle Tbeilc der Röhre mit gelbem grüulich abklingendem
Lichte, das in den Kugeln sehr intensiv ist. Durch Inso-
lation oder Bestrahlen mit elektrischem Lichte wird die
Röhre nicht leuchtend. Bei spater Abenddämmerung wurde
das Nachleuchten 15 Sekunden laug beobachtet, ohne dafs
die Augen vorher nährend der Dauer des Stromes ge-
schlossen waren. Hiernach ist die beschriebene Röhre viel
vollkommener als die nachleuchtenden Geifsl er 'sehen Röli-
rcu, welche Hr. E. Berquerel untersucht hat und deren,
nur nach vorherigem Scbliefseu der Augen bemerk liebes,
Nachleuchten er der Phosphorescenz von verdünntem Sauer-
stoff zuschreibt (Annal. de phys. et chim. 57. 1 10). Die bei-
den Endkugclu der Rühre erlöschen stets früher als die
andern Kugeln; in den meisten Füllen erlosch die negative
Endkugel füher als die positive. Ich habe den Versuch sehr
oft gezeigt, ohne bisjelzt eine Abnahme der Erscheinung zu
bemerken. Freilich habe ich möglichst schwache Induelions
ströme gebraucht, weil mir die Erfahrung milgclheilt war,
dafs eine Röhre schon nach wenigen Versuchen die Eigen-
schaft des Nachleuchtens verloren hatte. Deshalb kam es
häutig vor, dafs der Strom zu schwach war, um sogleich
durch die Röhre zu gehen: dann wurde der Durchgang un-
fehlbar dadurch bewirkt, dafs eine der beiden Eiidkugeln
mit der Hand umfafst, oder leichter dadurch, dafs ein dar-
auf geklebtes Stanniolblatt mit dem Finger berührt wurde.
Der Erfolg dieses Verfahrens, das natürlich bei allen elek-
trischen Röhren anwendbar ist, wird erklärt durch eine von
mir beschriebene Pausenerscheinung am Inductions- Appa-
rate (d. Annalen Bd. 99, S. 636). Nach eiuer mündlichen
Mittheilung des Hrn. Heinrich Geifsler aus Botin, der
daraus kein Gelieimnifs machte, ist zur Füllung der be-
schriebenen Röhre wasserfreie Schwefelsäure verwendet
worden.
Ueber die Zusammensetzung des Stilbits;
von C. Rammeisberg.
M^Jie bis jetzt bekannten Analysen vom Stilbit (Heulandit)
Bind nicht zahlreich und stimmen nicht ganz mit einander
Oberem, so dnfs die Zusammen sei zu ng des Minerals einige
Zweifel übrig liefs. Es sind folgende:
1) Färöer. Thomson.
2) Island(?). Wahnstedt.
3) Island. Rammelsbcrg (Eine Analyse von mir, vor
mehr als zwanzig Jahren ausgeführt).
I) Island. Damour.
5) Island, Berufjord. Sartorius v. Waltershauscn.
6) Ostindien, Nerbuddalhal. Haughtou.
3.
4.
Kieselsäure
59,U
60,07
58,2
59,85
58,90
56,59
Tlioncrdc
17,92
17,08
17,6
16,15
16,81
15,35
Kalk
7,65
7,13
7,2
7,55
7,38
5,88
Magnesia
—
—
—
—
0,29
0,82
Kali
—
—
—
0,67
1,63
0,89
Natron
—
—
—
1,16
0,57
1,45
Wasser
15,111
15,10
16,0
14,33
11,32
17,18
Eisenoxid
—
11,20
—
—
0,12
—
Hin. ii
99,5s
99,0
99,71
100.02
98,46
No. 6 weicht so sehr von den übrigen Analysen ab,
dafs man sie aufser Acht lassen mufs. In den übrigen ist
das Sauersloffverhaltnifs:
3:S4
R:Al
AUS!
H:Si
2,9
1:3,8
1 : 3,67
1 : 2,24
3,1
3,9
3,9
2,32
2,94
4,0
3,67
2,12
3,08
2,96
4,1
2,44
2,9
3,0
3,9
2,40.
Darin stimmen mithin alle Analysen überein, dafa der
Sauerstoff der Basen und der Säure = 1:3, der Stilbit im
Ganzen ein Trisilikat ist. Aber während die drei altern
R: AI = 1:4, d. B. 3 At, R gegen 4 At Thonerde haben,
zeigen die beiden neuern das Verhältnifs 1 1 3 oder je I At.
dieser Basen. Auch in Bezug auf das Wasser ditferiren
die Angaben, denn wenn man den Sauerstoff der Säure
_= 12 setzt, ist das des Wassers in No. 1 = 5,4, in No. 2
= 5,2, in No. 3 = 5,7 und in No. 4 und 5 = 5,0.
Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dars die beiden
letztern Analysen ein richtigeres Bild von der Zusammen-
setzung des Stilbits geben, schon aus dem Grunde, weil die
älteren die wenn auch kleine doch wesentliche Menge der
Alkalien gar nicht anführen, und dafs also der Sauerstoff
R : AI : Si : H = 1 : 3 : 12 : 5 sey. Um aber selbst davon mich
zu überzeugen, habe ich einen gut krystallisirten Stilbit von
Teigerhohn auf Island untersucht, und nur ausgesuchte Kry-
stalle benutzt.
Das lufttrockne Pulrer verlor über Schwefelsäure in
zwei Tagen 1,91 Proc, beim Glühen noch 13,57, zusammen
15,48 I'roc. Ferner gaben 100 Theile des Inf [trocknen
Pulvers:
Kieselsäure
59,63
30,95
Thonerde
15,14
7,07
Kall
6,24
1,78
Kali
2,35
0,4(1
2,30
Natron
0,46
0,12
Wasser
15,48
13,76
99,30.
Hier ist der Sauerstoff der Basen uud der Säure = 1:3,3;
der von R : Äl = 1 : 3,07; der von R : H = 1 : 6. Abgesehen
von einem kleinen Ueberschufs an Säure ist also R:Al:Si:H
= 1:3:12:6. I
Betrachtet man aber das Ober Schwefelsäure entwichene
Wasser als hygroskopisches., s.o ^iebt die Analyse:
527
Sauerstoff.
Kieselsäure
60,97
31,64
Thonerde
15,49
7,23
Kalk
6,38
1,82
Kali
2,40
o,4i ;
2,35
Natron
0,47
0,12
Wasser
13,57
12,06
99,28.
ist der Sauerstoff des Wassers nur das Fünffache
von dem der starken Basen. Da nun aber die Zeolithe
leicht einen Theil ihres Wassers verlieren, die Menge von
fast 2 Proc. auch für hygroskopische Feuchtigkeit zu grofe
wäre, so glaube ich, dafs der Stilbit 6 At. Wasser gegen
1 At Kalk und Alkali enthält, also
Al'Si9 l + 12aq
ist
Nimmt man aber diesen Wassergehalt an, so haben
Stilbit und Desmin gleiche Zusammensetzung, und können
als heteromorphe Körper betrachtet werden.
XIV. Notizen.
1. Orofser Inductionsapparat. — Unser geschickte Lands-
mann, der Mecbanikus Ruhmkor ff in Paris, hat kürzlich
für den Prof. Jamin einen Inductionsapparat verfertigt,
welcher, durch sechs Bunsen'sche Elemente angeregt, Fun-
ken von 42 Centimet. (15,5 par. Zoll) Länge giebt. Hr.
Moigno, aus dessen Cosmos, Vol. XVI, p. 453 diese No-
tiz entlehnt ist, sagt, der Anblick dieser Funken oder Blitz-
schlfige mache auch den Unerschrockensten t\\\aih. — ^**
fragt sieh nur, wie lange der Apparat, dessen Construction
wohl eine nfilierc Beschreibung verdiente, diese ungeheure
Wirksamkeit behalten werde (P).
2. Magnelisirnngs - Erscheinung. — Von demselben
Künsller findet sich in den Compt. rend. T. L, p. 166, fol-
gende kurze Notiz, die wir, zur Vermeidung von Mißver-
ständnissen, unübersetzt wiedergeben: S» Ion serre, avec
une bride en fer daiur., l'un des pöles tTun aimant arttficiel,
on constate que ce fer doux prend de la durett, it dement
plus difficite ä limer. Si Von enlevc la bride, eile perde
sa ditreU et reprend les propriiiis du fer doux.
3. Elektrisches Leuchtthurm- Licht. — In dem Phil.
Mag. Vol. XIX, p. 320 giebt Hr. Faradaj Nachricht von
der Anwendung, die man auf dem Lcuchtthurm zu South-
Foreland, am Kanal, von dem elektrischen Licht statt des
gewöhnlicher Oellampen gemacht hat. Das Licht wird zwi-
schen Kohlenspilzen von zwei magneto - elektrischen Ma-
schinen geliefcrl, deren jede durch eine Dampfmaschine von
zwei Pferdekräften in Bewegung gesetzt wird. Diese Be-
1 euch tu n gs weise war im April 1860 schon sechs Monate in
Thätigkcit und übertraf in ihrer Wirkung alle Erwartung.
Nur der Kostenpunkt erheischte noch eine nähere Er-
wägung.
Gedruckt bei A. Vf. Seoul« \n ^«Vm, <STttti«t™r«e 18.
1860. ANN ALE N JTo. 8.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
BAND CX.
I. Chemisch analytische Beiträge;
von Heinr. Rose.
er die quantitative Bestimmung des Quecksilbern und
her die Trennung desselben von anderen Metallen.
Meldung des Quecksilbers als Cblurür vermUlelst phosphorichter
Säure.
limine sehr häufig angewendete Methode, das Quecksilber
in seinen Verbindungen und in Lösungen quantitativ zu be-
stimmen, ist die, dasselbe vermittelst Zinnchlorürs zu me-
tallischem Quecksilber zu reduciren, und dieses dem Ge-
wichte nach zu bestimmen. Jeder aber, der sich dieser
Methode bedient hat, wird sich überzeugt haben, dafs sie
mit sehr vielen Schwierigkeiten verknüpft ist, die beson-
ders darin bestehen, dafs man das reducirte Metall biswei-
len sehr schwer zu gröfseren Metallkugeln vereinigen kann,
und dafs man es oft als schwarzes Pulver erhalt, das Ver-
unreinigungen cinschliefsen kann. Es ist diefs besonders
der Fall, wenn man sich eines Zinnchlorürs bedient, das
durch die Lauge der Zeit mehr oder weniger oxydirt wor-
den ist. Jedenfalls erhalt mau nur genaue Resultate, wenn
man grofse Vorsicht und möglichste Reinlichkeit anwendet,
und nur in Gefäfseu arbeitet, die vollkommen von jeder
unsichtbaren Fetthaut befreit worden sind.
Nach langer Erfahrung habe ich mich überzeugt, dafs die
beste Methode, das Quecksilber in seinen Lösungen quan-
titativ zu bestimmen, die ist, es vermittelst Cblorwasser-
sloffsäure und phosphorichter Säure in QuccksilberchlorÜr
zu verwandeln, das mit gröfserer GeoMÜ^eÄV VmäVkbksA.
Pogfewlorir, Aanal. Bd. CK. ^
530
und gewogen werden kann, als das metallische Queck-
silber.
Die phosphorichtc Säure ist wobl schon früher biswei-
len zur Bestimmung des Quecksilbers angewandt worden,
doch nicht so allgemein, als sie es verdient, Man bat an-
dererseits häufiger sich bemüht, die Menge der phospborich-
ten Säure in einer Lösung durch Quecksilberchlorid zu be-
stimmen, und ich selbst habe schon vor sehr langer Zeit ,
die Zusammensetzung der uiitcrphosphorichtcii Säure auf
diese Weise zu erforschen gesucht ').
Die Losungen der QuecksilberverbiDdungen werden,
wenn Cblorwasserstoffsäurc vorhanden ist, durch die pbos-
pborichle Säure bei gewohnlicher Temperatur nur zti Queck-
silberchlorür rcducirl. Man kann die Temperatur selbst
bis zu -+-6(1" steigern, ohne dafs bei einem Ueberschufs
von phosphorichler Säure das Quecksilberchlorür zu Me-
tall rcducirl wird. Erst wenn diese Temperatur Über-
schritten, und his zum Kochen gesteigert worden ist, findet
und dann besonders nur bei Gegenwart von freier Cblor-
wasserstoffsäurc oder Schwefelsaure, die Kcdtiction bis zu
Metall statt.
Es ist aber vorzuziehen, das Quecksilber durch die
phosphorichtc Säure nur bis zu Quecksilberchlorür zu re-
duciren. Dasselbe kann leicht ausgewaschen werden, und
trocknet man es nach dem Auswaschen auf einem gewo-
genen Fillrum bei 100°, so kann mau sehr genau seine
Menge und die des Quecksilbers in der Verbindung be-
stimmen.
Als Reductionsmittel wendet man nicht reine phospho-
richtc Säure, sondern die Säure an, welche man durchs
Zerfliefsen des Phosphors in feuchter Luft sehr leicht und
iu grofser Menge erhallen kann. Dieselbe enthält be-
kanntlich mehr oder weniger Phosphorsäurc, deren Ge-
genwart indessen von keinem Nachtheile ist.
Will man aus einer Lösung des Quecksilbers dasselbe
durch phosphorichtc Säure als ChlorÜr niederschlagen, so
I ) Pagg. Ann. Bd. 9, S 561.
531
rogt
"
i zuerst zu der Lösung Chlorwasserstoffsäure hin-
wenn nicht schon diese Säure oder ein Chlormetall
dariu enthalten ist (bei Gegenwart von Oxvdul entsteht
dadurch schon ein Niederschlag von ChlorÜr), und dann
fügt man die Lösung der phosphorichten Säure hinzu. Es
ctilstehl, namenliich in sehr verdünnten Lösungen, oft in dezi
ersten Augenblicken keine Fällung, wohl aber nach einiger
Zeit. Durchs Stehen bei gewohnlicher Temperatur ist nach
12 Stunden alles Quecksilber als Chloriir vollständig aus-
geschieden. Durch eine gelinde Erhöhung der Temperatur
beschleunigt man zwar sehr die Ausscheidung des Chlorürs:
sie ist aber nicht nolhwendig, und man kann selbst ein ge-
lindes Erhitzen unterlassen, wenn man auch nicht zu be-
fürchten braucht, dafs das Chlorür sich zu Metall reducire.
Der weifee Niederschlag des Chlorürs setzt sich sehr gut
ab; nur wenn die Lösung keine oder vielmehr nur sehr
wenig; freie Säure enthält, geschieht das Absetzen sehr lang-
sam, und dann kann, selbst wenn mau erst nach ^Stun-
den ültrirt, der Niederschlag eine geringe Neigung haben,
etwas trübe durchs Filtrum zu laufen, was man indessen
vollständig verhindert, wenn man etwas Säure, namentlich
etwas Chlorwassersloffsäure hinzufügt.
Die Bestimmung des Quecksilbers auf diese Weise ist
auch in sofern wichtig, als das Quecksilber aus der Lö-
sung sich vollständig als Chlorür durch phosphorichte Säure
niederschlagen läfst, wenn auch viel Salpetersäure darin
enthalten ist; die Lösung inufs dann nur nicht zu Concen-
trin, sondern verdünnt sejn. Bekanntlich wird bei Ge-
genwart von Salpetersäure die Bestimmung des Quecksil-
bers durch Zinnchlorür sehr unsicher.
Wenn mau das gefällte Chlorür 12 Stunden hindurch
bei gewöhnlicher Temperatur hat stehen lassen, so ist es
so vollständig- ausgeschieden, dafs in der filtrirten Flüssig-
keit keine Spur davon zu entdecken ist. Das Auswaschen
kann mit heifsem Wasser geschehen. Den Niederschlag
darf man bei keiner höheren Temperatur als bei 100"
trocknen. Er ist immer vollständig weil's, auxVv vü-ww \wm\
532
die Fällung bei einer gelinden Temperatur- Erhebung be-
wirkt bat.
Die Ausscheidung des Quccksilbeichlorürs durch phos-
phorichte Säure erfolgt eben so put bei Gegenwart von
grofsen Mengen von alkalischeu Chlorinetnlleu, als wenn
diese fehlen. Es ist diefs von Wichtigkeit. Bei Gegen-
wart von freier Chlorwasserstoff säure erfolgt die völlige Aus-
scheidung des Cblorürs früher als in neutralen Lösungen.
Um zu sehen, welchen F.inllufs freie Sauren auf die
Fällung des (Quecksilbers als Ghlorür durch phosphorichte
Säure ausüben, wurde zu einer Quecksilbeichloridlösung
phusphoriebte Säure, aber olme Zusatz eiuer andern Säure
hinzugefügt, ferner wurde eine Quecksilberchloridlösung
mit pliosnhorichter Säure und mit Chlorwassersloffsäure
vermischt, und endlich wurde Quocksilhorchloridlüsmig mit
phosphorichter Säure, mit Chlorwasserstoffsäure und mit
Salpetersäure gemengt. Alle Lösungen wurden bis etwa
zu 60° erwärmt. Es entstand der weifse Niederschlag des
ChlorÜrs in allen drei Lösungen so ziemlich zu derselben
Zeit, aber in den beiden mit Säure gemischten Lösungen
setzte sieb derselbe schnell klar ab, die Lösung indessen,
ZU welcher keine Chlorwasserstoffsäure und Salpetersäure
hinzugefügt worden war, blieb lange milchicht, wurde erst
nach 18 Stunden klar, und beim Fillriren lief die Flüssig-
keit zuerst milchicht, und erst nach wiederholten Zurück -
giefsen klar durchs Filtrum; alle drei Niederschlüge liefsen
sich übrigens sehr leicht auswaschen; das Auswaschen ge-
schah mit beifsem Wasser.
Von 1,736 Gnn. Quecksilberchlorid erhielt Hr. Oesten
durch phosphorichte Säure ohne Zusatz einer andern Säure
1,499 Gnn. QuccksilberchlorÜr; es hätten 1,509 Gnn. er-
halten werden müssen.
Von 1,012 Gnn. Quecksilberchlorid erhielt er durch
phosphorichte Säure mit einem Zusätze von Chlorwasser-
stoffsäure 0,881 Gnn. QuccksilberchlorÜr statt 0,879 Gnn.,
welche jener Menge von Chlorid entsprechen.
1,267 Gnn. Quecksilberchlorid gaben ihm durch phos-
phorichte Säure mit einem Zusätze von Chlorwassersfoff-
eäure und Salpetersäure 1,100 Gnu. Quecksilberchlorid. Für
jene Menge von Chlorid sind 1,101 Gnu. Chlorilr das Aequi-
valent.
Man sieht also, dafs durch eineu Zusatz von Säuren
gerade die besten Resultate erhalt«) werden. Dafs ohne
Zusatz derselben ein minder richtiges Resultat sich ergab>
rührt davon her, dafs das Chlorür im Anfange milch ich t
durchs I iltnini ging, wodurch wohl der geringe Verlust
entstand.
Aehnliche Versuche wurden angestellt mit Lösungen v
Quecksilberchlorid, zu welchen nur Chlornatrium, dann zu
welchen Chlornatrium und Chlnrwasserstoffsäure, und end-
lich zu welchen Chlorammonium hinzugefügt wurde. In
allen Fällen wurde das Quecksilber so völlig gefällt, dafs
in den vom Chlorür ablillrirlen Flüssigkeiten nicht die min-
deste gelbe Färbung durch Schwefelwasserstoffwasser wahr-
genommen werdeu konnte.
Will man durch die phosphorichte Säure das Queck-
silber nicht als Chlorür, sondern als Metall abscheiden, so
muls mau nach dem Zusetzen derselben das Ganze bis zum
Kochen erhitzen. Das zuerst entstandene Chlorür wird
dann erst grau, aber es verwandelt sich nicht eher in Kü-
gelchen von Metall als bis man etwas verdünnte Schwefel-
säure oder besser Chlorwasserst offsäurc hinzugefügt hat.
Ohne den Zusatz von freier Säure findet die Reducliou
nur sehr schwierig statt. Man sucht darauf die kleinen
Kügekhen des Metalls zu grüfscren zu vereinen, und ver-
fährt dabei ganz so, wie hei der Keductiou einer Queck-
silbervcrbiiidung durch Zinnchlorür.
Es ist indessen bei weitem vorzuziehen, durch die phoi
phorichte Säure das Quecksilber als Chlorür zu fällen, Demi
es ist sehr schwer durch p hos phorichte Säure das Queck-
silber so vollkommen zu Metall zu reduciren, dafs die aus-
geschiedenen Kügclchen desselben gauz frei von Chlorür
sind. Haben sie sich nicht zu ^rofeea K\Mf,e\\\ ^wnw^V
und hat sich mehr ein metallisches VuYsev a^Ya»e;w^\v^Aft,
534
so hinleriafst dasselbe gewöhnlich bei der Auflösung in
verdünnter Salpetersäure gröfsere oder geringere Mengen
von Quecksilberchlorür. Es gelang nie, ganz richtige Re-
sultate durch die Rcduction des Quecksilbers zu Melall »er-
mittelst der pliospho richten Saure zu erhallen: man erhält
nur dann genaue Resultate, wenn man die Kcductiou bis zu
Cliloriir bewirkt, und hat nicht so viele Vorsiclitsuiafsregeln
zu beobachten, wie bei der Reduction zu Metall, bei welcher
überhaupt du kleiner Verlust schwer zu vermeiden ist, und
welche immer eine gewisse Uebung erfordert. Das Chlorür
läfst sich ferner vollkommen bei lt)Ü" ohne den mindesten
Verlust trocknen, das metallische Quecksilber darf weder
bei dieser, noch auch bei einer minder erhöhten, sondern
nur bei gewöhnlicher Temperatur über Schwefelsäure oder
über Chlorcalcium getrocknet werden.
Die Bestimmung des Quecksilbers aus Beinen Lösungen
durch pJiospJio richte Säure bat noch den grofsen Vortbeil,
dafs man durch dieselbe das Quecksilber von sehr vielen
Metallen trennen kann, die sich dann in der vom Chlorfir
oder vom Metall getrennten Flüssigkeit bestimmen lassen.
Hat man das Quecksilber durch Zinnchlorür ausgeschieden,
so ist die Bestimmung der andern Metalle oft mit so vielen
Schwierigkeiten verknüpft, dafs man sie lieber ganz un-
terlägst.
Die Trennung des Quecksilbers vom Kupfer gelingt durch
pbospho richte Säure sehr gut, und diese Methode der
Trennung hat noch den grofsen Vortbeil, dafs es von gar
keinem Einflufs ist, ob das Quecksilber als Oxyd oder als
Oxydul, oder als ein Gemeuge beider Oxydationsstufeu
vorhanden ist. Ist es als Oxydul vorhanden, so wird die
Trennung zwar schon vollständig durch verdünnte Cblor-
wasserstoffsäure allein bewirkt; es ist indessen schwer und
wohl unmöglich, das Quecksilber so in einer Losung zu
erhalten, dafs sich nicht gröfsere oder geringere Spuren
davon in Oxyd verwandeln. Sicherer verfährt man daher
immer, wenn man nach der Fällung des QuecksilberchlorUrs
vermittelst Cbloi wafisetfiloUa&vAie u.o<& \fc«re^Wvdote Säure
535
hinzufügt, um die etwa vorhandenen Spure» von Quecksil-
beroxyd in ChlorÜr zu verwandeln.
Von 1,635 Gnu. Quecksilberchlorid, dessen Lösung mit
schwefelsaurem Kupferoxyd vermischt wurde, erhielt Hr.
Oeslen nach Zusetzen von Chlorwasserstoffsäure und phos-
phorichter Säure 1,119 Grm. Quecksilberchlorid, welche
1,632 Grm. Quecksilberchlorid entsprechen.
Wenn die Fällung des Quecksilberchlorids bei gewöhn-
licher Temperatur, oder auch bei etwas erhöhter Tempera-
tur vermittelst der phosphorichtcu Säure stattfindet, so hat
mau keine Einmengung von Kupfcrchlorür, oder (bei An-
wendung von schwefelsaurem Kupferoxyd) von schweflicht-
saurem Kupferoxydul- Kupferoxyd zu befürchten. Beides
aber kann sich bilden, wenn man durchs Kochen das Queck-
silber zu metallischem Quecksilber reduciren will.
Auch selbst vom Wismuthoxyd können die Oxyde des
Quecksilbers vermittelst der phosphorichten Säure getrennt
werden, wenn man Chlorwasäcrstoffsäurc in hinreichender
Menge hinzufügt, dafs nicht basisches Cblorwisumth zugleich
fallen kann. Das Quccksilbcrchlorür mnfa zuerst mit Wasser
ausgewaschen werden, das mit Chlorwasserstoffsäure versetzt
worden ist uud darauf mit reinem Wasser. In der abfil-
trirten Flüssigkeit kann das Wismulh als basisches Chlorid
gefällt werden, wenn mau durch ein Alkali die Lösung der
Sättigung nahe bringt, und dann viel Wasser hinzufügt,
dem Gewichte des gefällten basischen Chlorwismuths
läfst sich indessen die Menge des Wisinulhs nicht berechnen;
enthält l'hosphorsäure und phosphoruhte Säure, und
weniger Wismuthoxyd, als das reine basische Chlorid. Mau
inuls es daher mit Cyankaliuin schmelzen, um das Wisinuth
darin in metallisches Wismulh zu verwandeln. Man kann
auch die vom Quccksilbcrchlorür abfiitrirtc Flüssigkeit mit
Schwcfelwassersiotfgas behandeln, und aus dem Schwefel-
wismuth durchs Schmelzen mit Cyankaliuin das metallische
Wismulh darstellen.
Als Hr. Oesten 1,521) Grm. QuecksilbercUUivii mvX v&-
Wisimilhoxyd geniciuschaiVUcU \a Q\\»ww
536
sto ff säure löste, erhielt er durch phosphoricbte Säure 1,303
Grai. Quecksilberchlorür, welche 1,509 Gim Quecksilber-
chlorid entsprechen. Der Unterschied zwischen dein gefun-
denen uud dem berechneten Resultate ist in diesem Falle
etwas bedeutend.
Auf dieselbe Weise wie vom Kupieroxyd können die
Oxyde des Quecksilbers vermittelst der phosphorichteu
Süure bei einem Zusätze von Chlorwasserstoffsäure auch
vom Cadmittmoxyd, sowie auch vou solchen Oxyden getrennt
werden, welche aus ihren neutralen oder mit Säure ver-
setzten Losungen durch Schwefel wasserstoffgas nicht gefällt
werden können. Bisher ist die Scheidung derselben vom
Quecksilberoxyd durch Schwefel wassersloffgas bewirkt wor-
den, und die Fällung des Quecksilberoxyds als Schwefel-
quecksilber kann, vorausgesetzt, dafs in der Lösung nur
Oxyd und nicht zugleich auch etwas Oxydul enthalten ist,
ein genaues Resultat geben, da das Schwefelquecksilber
zu den wenigen auf nassem Wege erzeugten Schwefelme-
tallen gebort, welche durch die Luft beim Trocknen nicht
verändert werden, uud das daher seinem Gewichte nach
richtig bestimmt werden kann. Die Fällung des Quecksil-
bers vermittelst der phosphorichteu Säure mit einem Zu-
sätze von Chlorwasserstoffsäurc hat indessen iu vielen Fäl-
len ihre grofsen Vorzüge, namentlich wenn die Bestimmung
der mit den Quecksilberoxyden verbundenen Metalloxyde
nicht durch die Gegenwart von phospborichter Säure uud
von Phosphorsäure erschwert wird. Diese Fällung der
Quecksilberoxyde ist besonders bei der Trennung derselben
vom Zinkoxyde anzuralheu, da aus Lösungen, wcuu sie
nicht viel von einer starken unorganischen Säure enthalten,
durch Schwefel wasserstoffgas leicht auch etwas SchwefelzJnk
gefallt werden kann. Hat man das Quecksilber als Chlorür
gefällt, so ist es am zweckmäfsigsteu, in der abliltrirteu Flüs-
sigkeit die andern Oxyde wegen der Anwesenheit der Phos-
phors.lure und der phosphorichteu Säure vermittelst des
Schwefelammoniums als Schwefeluietallc abzuscheiden.
Auch von den Oxyden 4«& AnUwwu V*»ä &x& Queck-
537
silberoxyd aus der chlorwasserstoffsauren Lösung der Oxyde
durch phosphorichte Saure getrennt und als Quecksilbcr-
chlorür abgeschieden werden, und die Gegenwart von Wein-
steinsäure, die zugegen seyn uiufs, um das Anlimonoxyd
aufgelöst zu erbalten, ist ohne Nachlheil für diese Abscbei-
duug. Ebenso wird bei Gegenwart von Chlonvasscrstoff-
säure die arsenichte Säure und die Arseniksäure durch phos-
phorichte Säure von den Oxyden des Quecksilbers ge-
schieden.
Trennung der Quecksilber ox^-de vom Bleionyd.
Das Bleioxyd indessen kann von den Quecksilberoxy-
den nicht vollständig durch phosphorichte Säure bei Ge-
genwart von Chlorwasserstoffsaure getrennt werden. Es
ist nicht zu vermeiden, dafs mit dem Quecksilberchlorid
auch eine geringe Menge von Chlorblei fallt. Wird das
gut ausgewaschene Quecksilberchlorid nach dem Trocknen
und Wägeii durchs Erhitzen verflüchtigt, so bleibt eine ge-
ringe Menge von Clüorblei zurück.
Die zweckmäßigste Methode der Trennung des Bleioxyds
von dem Quecksilberoxyd ist die, dafs man zu der Auf-
lösung beider Oxyde Schwefelsäure hinzufügt und darauf
so viel Alkohol, dafs er ungefähr ein Sechstel vom Volum
der Flüssigkeit ausmacht. Die Menge der hinzugefügten
Schwefelsäure darf nicht zu gering seyn, weil, wenn keine
oder nicht hinreichend Chlorwasscrstoffsäurc vorhanden ist,
sonst durch Zusatz von Wasser bisweilen gelbes basisch -
schwefelsaures Quecksilberoxyd entstehen kann. Das schwe-
felsaure Bleioxyd wird mit wasserhaltigem Alkohol ausge-
waschen, zu welchem etwas verdünnte Schwefelsaure hin
zugefügt worden ist.
Hr. Oesteti vermischte die Lösung von 1,230 Grm. Sal-
petersäuren) Bleioxyd mit Quecksilberchloridlösung und der
hinreichenden Menge von Alkohol. Er erhielt 1,127 Grm.
schwefelsaures Ulcioxyd; das Aequivalent Tür die augewandle
Menge von salpctcrsaurem Bleioxyd ist l,Vlti Goia. &<äws>
falsa u res lilcioxjd.
Diese Methode der Trennung giebl genauere Resultate,
als die, die Oxyde des Quecksilbers und des lilcies in Chlo-
ride zu verwandeln, und diese dureb Alkohol zu trennen.
Trennung der Quecksilbern»}' de vom Silberoyyd.
Wenn man Silberoxyd vom Quecksilberoxyd durch
Chlor wasserst offsaure l reimen will, so mufs die Lösung nicht
Concentrin, sondern verdünnt seyn. Auch mufs man einen
7.u grofsen Ueberschufs von Chlor wasserstoffsäure vermei-
den. Nachdem das Chlorsilber sich abgeschieden bat, giefst
man die überstehende Flüssigkeit von demselben ab, und
erhitzt das Chlorsilber mit etwas Salpetersäure, fügt dann
Wasser hinzu und einen oder einige Tropfen Chlorwasser-
sloftsäure. Dann wird filtrirt. Aus der abfiltrirle» Flüssig-
keit füllt man das Quecksilber durch pbospborichie Säure
als Chlorür.
Als Hr. Oestcn 2,liHö Grm. salpetersaures Silberoxyd
mit einer Lösung von salpetersaurem Quecksilberoxyd ver-
mischte und darauf durch Chlor wasserst offsSure das Chlor-
silber ausschied, das dann ferner noch auf die beschriebene
Weise behandelt wurde, erhielt er 2,009 Grm. Chlorsilber
statt 2,012 Grm., des Aequivaleats für das angewandte salpe-
tersaure Silberoxyds.
Wenn neben dem salpetersaurem Quecksilberoxyd auch
etwas salpetersaures Quecksilberoxydul neben Silberoxyd
in der Lösung enthalten ist, so fällt nach Zusetzen von
Cblorwasserst offsäure neben dem Chlorsilber auch Queck-
silbercblorür. Ist diese Lösung verdünnt, so ist es schwer,
vor dem Zusetzen der Chlorwasserstoffsäure das Quecksil-
beroxydul durch Zusetzen von Salpetersaure und Erbitten
vollständig in Quecksilbcroxyd zu verwandeln. Nachdem
aber das Chlorsilber sich abgesetzt hat, und die über dem-
selben stehende Flüssigkeit abgegossen worden ist, ist es
leicht, das im Chlorsilber enthaltene Quecksilbercblorür durch
Erhitzen mit Salpetersäure in Chlorid und in salpetersaures
Oxyd zu verwandeln, und dadurch das Chlorsilber voll-
ständig zu reinigen.
539
Wenn zu einer Eni petersauren Lösung von Silberoxyd
und von Quccksilbcroxyd nur sehr wenig Chlor wasserstoff-
säure oder Chlornalriumlösung hinzugefügt wird, so entsteht,
besonders wenn die Menge des Silberoxyds gering und die
des Quecksilbcroxyds bedeutend ist, kein Niederschlag, oder
der entstandene lost sich durch Umrühren oder UmscMlteln
auf. Nur crsl wenn so viel Chlorwasserstoffsäurc oder
Chlornalriumlösung hinzugefügt worden, dafs das Queck-
silberoxyd sich in Chlorid verwandeln kann, wird das Sil-
beroxyd abgeschieden.
AbsciieidUDg des Quecksilbers n
v. Bonsdurff hatte vorgeschlagen, das Quecksilber aus
seinen Losungen, um es von anderen Metallen zu trennen,
als Chlurilr vermittelst am eisen saureu Alkalis zu fallen. Ent-
hält die Lösung keine Chlorwasscrsloifsäurc, so wird diese
hinzugefügt: darauf wird sie durch Kalihydrat der Sättigung
so nahe gebracht, dals sie nur ganz unbedeulcud sauer
bleibt, und sodann aineisensaures Alkali hinzugefügt. Ich
habe indessen schon früher bemerkt '), dafs die ameiseu-
Miurt'ii Alkalien ihre reducirende Wirkung auf Quecksilber-
Verbindungen gänzlich verlieren können, nicht nur wenn
in der Lösung freie Chlorwasserstoffsaure vorhanden ist,
sondern auch durch die Gegenwart von Chlonnelallen, na-
mentlich den alkalischen, welche aber entstehen, wenn die
mit Chlorwasscrsloffsäure versetzte saure Lösung durch Kali-
hydrut ueutraüsirt wird. Diese Methode kann daher zu
sehr ungenauen Ltesullalen führen und ist deshalb zu ver-
werfen.
Die Verwandtschaft des Quecksilberchlorids zu den al-
kalischen Chlormetalleu und zu Chlorverbindungen, welche
starken Basen entsprechen, Überhaupt ist so bedeutend,
dafs durch die Gegenwart derselbcu das Quecksilberchlorid
oft ganz andere Ligensrhaften gegen Reagenlien zeigt, als
ohne sie. Selbst die stärksten Basen wie u've MVaVfe^ äxvA.«
1) Po«, Abo. Bd. 106, S. 500.
»
540
können aus einer solchen Lösung Quecksilberojyd nicht
in ehr fällen. Wenn man daher eine Auflösung von Queck-
silberchlorid mit sehr vieler Chlor Wasserstoffs .iure sauer gc-
macbl hat, so wird aus derselben durch einen Ucberschufe
von Alkalihydral kein Quecksilberoxyd gefällt. Oft entsteht
dann, wtiiii die iVU-nge des entstandenen alkalischen Cttlor-
uielalls nicht bedeutend genug war, ein Niederschlag voo
Quecksilberoxyd, aber nur ein geringer, nach längeren)
Stellen, uud oft kann in einer solchen Lösung KaUhydrat
noch Quecksilberoxyd fällen, nenn die schwächeren Hasen,
Malronhydrat uud kohlensaures Kali, diefs nicht mehr in
thun im Stande siud.
Es ist indessen bemerkenswert!), dafs nicht nur eine mit
Chlorwasserstoffsäurc versetzte Losung des Quecksilberchlo-
rids diese Erscheinungen zeigt, sondern auch eine Lösung,
zu welcher andere Säuren, namentlich Schwefelsäure und
Salpetersäure hinzugefügt worden sind. Es ist auffallend,
dafs Quecksilberchlorid eine ähnliche Verwandtschaft zum
schwefelsauren Kali und Salpetersäuren Kali zeigt, wie zum
CJilorkalium.
In einer solchen Losung des Quecksilberchlorids, wenn
sie sehr viel freies Kalihydrat enthält, kann Scliwefelauiuio-
11 in in nicht die Gegenwart des Quecksilbers anzeigen; denn
das dadurch entstandene Schwefelsalz von Schwefel kaliuui
und Schwcfcluuccksilber ist in einer Lösung von Kalihydrat
löslich. Am leichtesten überzeugt man sich in der Lösung
von der Gegenwart des Quecksilberchlorids, wenn mau
entweder dieselbe durch Chlorwasserstoffsäure übersättigt,
und durch nhospho richte Säure das Quecksilber als Chlo-
riir fällt (das Quecksilber wird dadurch vollkommen aus-
geschieden), nder wenn man die alkalische Lösung durch
eine Säure übersättigt und dann durch Schwefehvasserstoff-
gas das Quecksilber als Schwefelquecksilber fällt.
Die Chloride anderer edler Metalle, wenn sie mit be-
deutenden Mengen von alkalischen Chlormetallen verbunden
sind, verhalten sich in mancUev Hinsicht dem Quecksilber
chlvikl ,'ihnlich. Es isV A\eva WÄnwaiyxOft. \äv& *itiv\<ÜRiYÄ.
MI
der Fall. Ist dasselbe mit grofsen Mengen von Cblorwas-
sri -Ullis, iure oder von alkalischen Clilorin ei allen gemengt,
so kann eine kleine Menge eines Eisenoxydulsalzes nicht die
Reduclion einer auch nur sehr geringen Menge von Gold
veranlassen. Ein Uebcrmaafs des Eisenoxydulsalzes hingegen
bewirkt die Reduclion des Goldes sogleich, und die ganze
Menge des Goldes wird gefällt. Dieser Umstand ist in so fern
beachtenswerih, weil mau vorgeschlagen hat, die Menge des
Eisenoxydnls durch eine Goldchloridlösung zu bestimmen,
und ich selbst habe dieselbe dazu iu Vorschlag gebracht.
Die Methode kann auch hinreichend genaue Resultate geben,
wenn die Goldchloridlösung keine oder nur sehr wenig
freie Chlorwasserstoffsäure, und die Eisenoxydullösung eben-
falls nur wenig freie Säure und keine alkalischen Chlor-
metallc enthält Ist diefs aber der Fall, so wird nicht die
richtige Menge oder auch gar kein Gold reducirt, indem
die Verwandtschaft des Goldchlorids zur Chlorwasserstoff-
saure und zu den alkalischen Chlormctallcn zu stark ist,
als dafs geringe Mengen von Eiscuoxydul eine Reduclion
darin hervorbringen können ' ). Auch durch Oxalsäure kann
aus einer Goldchloridlösung das Gold nicht reducirt werden,
wenn sie viel Chlorwassersloffsäure oder alkalische Chlor-
nielallc enthält. In diesen Fällen kann indessen die Ver-
waurilscliaft des Goldchlorids zur Chlorwassersloffsäure und
zu den alkalischeu Chlormelallen bedeutend geschwächt
werden, wenn das Ganze mit vielem Wasser verdünnt wird.
Man kann dann durch einen Ueberschufs von Oxalsäure
die ganze Menge des Goldes fällen, besonders durchs Er-
hitzen oder durch langes Stehen. Andere Säuren, nament-
lich Schwefelsäure und I'hosphorsäure, äufsern keine ähn-
liche Wirkung wie Chlorwasserstoffsäure bei der Reduclion
des Goldes vennillelst Oxalsäure.
I) Am iMicbcn Gründen erhielt De Her bei der RotimmuDg dei Arom
gewicht! de» Anlimnm H verichiedene Resullqlc, >lt er Im einer Gold-
tUoHttBMDl (er windle Goldchloridk.liuro ■■-.,) durch Antimon Gold
m reduciren Rtbu (Po|g. Ann. Bd. 100, S. 570).
ilorwas-
Nächst der phospborichlen Säure ist es wohl das Schwe-
felwasscrslnifgas, durch welches die Quecksilberoxyde am
sauer gemachten Auflösungen gefallt werden können. Icii
habe schon früher bemerkt '), dafs mau das Quecksilber,
wenn es als Oxyd oder als Chlorid in einer Lösung ent-
halten ist, sehr gut vermittelst Schwefel Wasserstoff gas als
Schwefelquecksilber bestimmen kann.
Bestimmung des Quecksilbers in fesien Verbindungen durch Dcslillaitoi
In fesleu Verbindungen »liegt man die Menge des Queck-
silbers auf die Weise zu bestimmen, dafs man dasselbe
von den anderen Bestandteilen abdeslillirt, nachdem mau
die Verbindung mit einer starken Base gemengt hat. Diese
Methode erfordert indessen Vorsicht, und gicht nur bei
Behutsamkeit so genaue Resultate, wie die Keduction auf
nassem Woge. Geschieht die Destillation in einer kleinen
Retorte, so legt mau auf .den Boden derselben etwas koh-
lensaure Kalkcrde und etwas trocknes Kalkcrdchydrat (die-
ses aber nur in sehr geringer Menge) che man die Meiignn:
der Quccksilhorvorbinilrmg inil reiner Kalkerde hineinbringt.
Auf diese Weise können indessen nur Verbindungen
behandelt werden, welche das Quecksilber im oxydirleu
Zustande enthalten. Ist indessen die zu untersuchende
Verbindung sehr Süchtig, enthielt sie z B. die Chlor-
verbindungen des Quecksilbers, su ist es auf diese Weise
nicht zu vermeiden, dafs ein Theil der ilüchligeii Ver-
bindung unzersetzt entweicht, und der zersetzenden Ein-
wirkung der starken Base entgeht. Auch bei den Ver- ,
bindnngen, die Schwefelquecksilber enthalten, ist diefs der
Fall, obgleich dasselbe schwerer flüchtig ist. Nur weil in
den oxydirten Verbindungen des Quecksilbers die Oxyde
dieses Metalls durch die eingemengte starke Base von den
mit ihnen verbundenen Siiurcn geschieden, und dann schon
allein durch die erhöhte Temperatur reducirt werden, kann
die völlige Austreibung des Quecksilbers auf die oben bc- .
I) Pogg Ann IM. 110. S. Utv
543
sehn ebene Weise bewerkstelligt und die Operation in einer
kleinen Retorte ausgeführt werden.
Zur Bestimmung des Ouccksilbcrs in den Chlorverbin-
dungen (oder in ähnlichen Verbindungen) wählt man eine
Glasrühre von schwer schmelzbarem Glase von ein bis an-
derthalb Fufa Lange und von einem Durchmesser von vier
bis fünf Linien. An einem Ende ist sie zugeschmolzen. In
diese bringt man eiue kleine Menge von doppelt kohlen-
saurem Natron, dann eine Schicht von reiner Kalkerde (am
besten gebrannten Carrarischen Marmor) darauf die innige
Mengung der zu un (ersuchenden Quecksilbcrvcrbiudung mit
reiner Kalkcrdc, und endlich legt man vor diese Mengung
eiue Schicht von reiner Kalkerde. Man zieht darauf das
Ende der Glasröhre zu einer dünnen Rühre aus, und biegt
diese unter einem stumpfen Winkel. Der Inhalt der Rühre
um f.. nicht zu fest auf eiuander liegen, damit nicht beim
Erhitzen der vordere Theil der Kalkerdc fortgeschleudert
oder die Glasröhre selbst au einer Stelle ausgeblasen wer-
den könne Man erhitzt die Rohre durch cineu Gasapparal,
wie mau ihn zu organischen Analysen gebraucht, nach-
dem mau die Mündung in einem Kolben, der Wasser ent-
hält, so gebracht hat, dafs sie einige Linien unter die Ober-
fläche desselben reicht. Wenn man einen solchen Gasap-
parat nicht zu seiner Verfügung hat, so kann man sich eben so
gut eines kleineu Ofens bedienen, wie man ihn zur Analyse
organischer Substanzen benutzt, wenn man dieselbe durch ein
Kohlenfeuer bewerkstelligen will. Durch ein zweckmä feiges
Kohlenfeuer kann man die Temperatur eben so gut und
vielleicht noch besser regeln, wie durch den Gasapparat.
Man erhitzt zuerst die Schicht Kalkerde, welche vor
der Mengung liegt, und bringt sie zum Rothglühen, dann
erst fängt man das Gemenge langsam an zu erwärmen, und
bringt es nach und nach langsam zum Rothglühen, und erst
wenn dieses glüht, erhitzt man die Kalkerdc hinter dem
Geinenge stark, das doppelt kohlensaure Natron aber
sehr schwach, damit nur langsam aus demselben sich ein
schwacher Strom von Koblensaurcgas enlwickcVu Y.aw\v
n
\
544
allen Quecksilberdampf aus der Rühre herausdrangt. Man
sorgt dafür, dafs durch unvorsichtige Milderung der Hitze
das Wasser der Vorlage nicht in die Röhre steigen kann.
Die QuecksilberkÜgelchen sammeln £ich unter dem Wasser;
ein Theil derselben bleibt in dem ausgezogenen Theile der
Glasröhre, man schneidet diesen mit einer Feile ab, und
spült die Kügelchen in die Vorlage. Man trocknet das me-
tallische Quecksilber in einem kleinen Porcellantiegel erst
durch Fliefspapier, und dann über Schwefelsäure.
Auf diese Weise kann man nicht nur aus den Verbin-
dungen, in welchen das Quecksilber als Chlorid oder Chlorür
vorhanden ist, dasselbe seiner ganzen Menge nach erhalten,
sondern auch aus den Verbindungen, welche Schwefelqueck-
silber enthalten, und aus allen Sauerstoff salzen des Queck-
silbers.
Statt der wasserfreien Kalkerde darf man bei diesen
Versuchen nicht Kalkerdehydrat anwenden, auch wenn das-
selbe vollkommen trocken und pulvcrfürmig ist. Dasselbe
hat eine grofse Neigung durch Einwirkung der Hitze zu
stäuben, und es ist schwer zu vermeiden, dafs nicht etwas
von dem Staube des pulverfürmigen Hydrats mechanisch
mit den Quecksilberdämpfen in das Wasser der Vorlage
gerissen wird, was man nur zum Theil dadurch verhindern
kann, dafs man in die Rühre vor das Kaikordehydrat eine
Schicht von wasserfreier Kalkerdc bringt. Dann aber auch
scheinen die Dämpfe des Wassers durch metallisches Queck-
silber bei einer gewissen Temperatur zersetzt zu werden, hei
welcher das gebildete oxydirle Quecksilber nicht vollständig
mehr in metallisches Quecksilber verwandelt wird. Denn
in dem Wasser der Vorlage zeigt sich neben dem Kügel-
chen des metallischen Quecksilbers ein graues Pulver, wel-
ches durch sehr veidüuntc Chlorwasserstoffsliure sich in
eine geringe Menge eines weifsen Pulvers von Quecksilber-
chlorid verwandelt, während die Quecksilberkugeln dadurch
eine blanke Oberfläche erhalten; die klare Flüssigkeit wird
ferner durch Schwefelwasserstoffwasser schwach bräunlich
gefärbt. Es haben sich also geringe Mengen von Queck-
silberoxydül und von Qucc,Vs.Ubevu\^d gebildet.
Besonders aber darf das Kalkcrdchydrat nicht ange-
wandt werden, wenn die Quecksilberveibinduiigen Schwe-
felquecksilber enthalten. Es ist schon obeu bemerkt wor-
den, dafs das Schwefelquecksilber vollkommen in dem oben
beschriebenen Apparat zersetzt werden kann, wenn man
wasserfreie Kalkerde anwendet; man erhält dann vollkom-
men blanke Quecksilberkugeln und die Flüssigkeit in der
Vorlage wird nicht im Mindesten durch Schwefelwasserstoff-
wasser verändert. Wendet man aber Kalkcrdchydrat an,
so wirken die Wasserdämpfe zersetzend auf das erzeugte
Schwefelcalcium; es bildet sich Schwefelwasserstoff- Schwe-
felcalcium , aus welchem der Schwefelwasserstoff beim Er.
9 hilzen entweicht, sich im Wasser der Vorlage lost, das
daher stark nach demselben riecht, und durch Ausscheidung
von Schwefel niilclucht wird, und einen Theil des zuerst
in blanken metallischen Kugeln ausgeschiedenen Quecksil-
bers nach und nach in Schwefelquecksilber verwandelt.
Auch das Wasser aus dein an das Ende der Glasröhre ge-
wiegten zweifach kohlensauren Natron kann in diesem Falle
I eine kleine Menge von Schwefelwasserstoff erzeugen, wes-
halb man bei der Analyse der Substanzen, die Schwefel-
quecksilber enthalten, nur eine sehr geringe Menge des
zweifach kohlensauren Natrons oder besser kohlensaure
Magnesia (Magnesit) anwenden mufs.
Wahrend durch Einwirkung der wasserfreien Kalkerdc
bei erhöhter Temperatur die meisten Quccksilberverbindun-
gen vollständig zerlegt und dadurch das in ihnen enthaltene
Quecksilber sehr gut seiner Menge nach mit Genauigkeit
bestimmt werden kann, widerstehen die Verbindungen, wel-
che Quccksilbcrjodid enthalten, mit bemerkenswerther Hart-
näckigkeit der vollständigen Zersetzung auf diese Weise.
Man mag zur Zersetzung wasserfreie Kalkerdc, Kalkerde-
hydrat oder kohlensaure Kalkerde anwenden, und selbst
in grofser Menge, mau mag bedeutende Schichten dieser
Substanzen während der Operation rothglühend erhalten,
und die Dämpfe des Jodids, nachdem dasselbe mit evwt
bedeutenden Menge von starken Basen gemengt vm, 4as
Pofftndortr, Aoatl, Bd. CX. $»
546
über treiben, immer wird nur ein kleiner Tlieil des Queck-
silbers als Metnil übergetrieben, während sich zugleich gel
bes Quccksilbcrjodid und grünes Jodiir siiblhnircn. Auch
durch Anwendung von Natronkalk kaon kein günstiger»
Resultat bewirkt werden, eben so wenig durch Meuguns
der Verbindung mit alkalischen Schwefel metallen und mit
Cyankalium.
Vielfältige Versuche haben gezeigt, dafs die Verbin-
dungen, welche Quccksilberjodid enthalten, auf trocknen
Wege am zweck massigsten durch metallisches Kupfer zer-
legt werden. Mau mengt die Verbindung mit fein zcrtheil-
tem metallischen Kupfer, welches man durch lteductiou de»
Kupferoxydes vermittels! Wasscrstoffgas darstellen mufs
und bringt in die Glasrohre zuerst etwas zweifach kohlen-
saures Natron, dann eine Schicht von blanken Kupferdreh-
spähnen, darauf die innige Mengung der Verbindung mit feil)
zertheiltem Kupfer, und endlich eine lange Schicht von
Kupfcrdrehspähneu. Diese wird zuerst bis zum Hotbglühen
gebracht, sodann die Mengung und die hinteren Drebspahne,
und endlich wird durch gelindes Erhitzen Kohlensäure aus
dem ßicarbonatc ausgetrieben. Die Rcdnction des Queck-
silbers geht auf diese Weise vollständig von Stalten; man
erhält dasselbe als blanke Kugeln und das Resultat ist ein
genaues. Es verflüchtigt sich hierbei etwas Kupfcrjodür.
welches aber wegen seiner Schwerllüchligkeil nicht in den
fein ausgezogenen Theil der Glasrohre gelangt. Hr. Oesten
erhielt auf diese Weise aus 1,312 Gnn. rothein Quccksilber-
jodid, welche 0,578 Grm. Quecksilber enthalten, 0,573Grm.
Quecksilber.
lieber die Darstellung des Knallquecksilbers
aus Lr'gnon; von Dr. Stahlschmidt.
i Jahre 1856 liefs ich auf den Wunsch meines hochver-
ehrten Lehrers und Freundes Hrn. Prof. Rammelsberg
in dessen Laboratorium am Küuigl. Gewerbe -Institute grö-
fscre Mengen von Knallquecksilber darstellen, um aus sol-
chem die von Liebig entdeckte Fulminursäurc zu erhalten.
Ich kam dadurch auf die Idee, ob es nicht möglich seyn
könnte, aus dem Holzgeiste ebenfalls eine fulminirende Ver-
bindung zu erzeugen, die entweder Knallquccksilber seyn
würde, oder aber eine isomere Verbindung desselben.
Vergleicht man die Formel des Methylalkohols C,HiOT
mit derjenigen des gewöhnlichen Alkohols C4H60,, so
ergiebt sieh von vornherein, dafs zwei Atome Ilolzgeist
dieselbe Anzahl von Elementen enthalten, wie ein Atom
Alkohol und aufserdem noch ein plus von 2 Atomen Was-
ser. Dadurch schien es gerechtfertigt, diese Ansicht wenig-
stens so lange aufrecht zu erhalten, bis das Experiment
das Gegcnthcil beweisen würde. Zu meinen Versuchen
und noch zu anderweitigem Gebrauche liefs ich von Trouis-
dorf in Erfurt ungefähr 20 Maafs Holzgeist kommen und
reinigte denselben durch einige Destillationen über gebrann-
tem Kalk. Als ich alsdann meine Versuche anstellte d. h.
solchen mit einer Lösung von Quecksilber in Salpetersäure
zusammenbrachte und vorsichtig erhitzte, trat nach kurzer
Zeit eine lebhafte sogar stürmische Rcaction ein. Nach ei-
nigen Minuten schied sich alsdann ein feines schweres und
kristallinisches Pulver aus, welches nach dem Trocknen
durch einen gelinden Schlag oder durch Reibung sehr hef-
tig explodirte. Weitcrc Versuche, die ich anstellte, liefer-
ten so viel von der Verbindung, dafs ich eine Analyse
mit derselben vornehmen konnte. Später aber konnte ich
diese Verbindung nicht mehr, oder nur in sehr geringer
Mengen erhalten, trotzdem ich das Mengenverhältnifs
3E>*
angewendeten Substanzen nicht änderte. Es ist aber wohl
wahrscheinlich, dafs ich damals bei der Destillation des
Holzgeistes die Destillate getrennt auffing und im Anfange
zu meinen Versuchen eine andere Flüssigkeil benutzte, wie
zu Ende derselben.
Weun ich mir nun auch den Grund des so häufigen
Mifslingeus meiner Versuche nicht deuten konnte, so hatte
ich doch die Ucbcrzeuguug gewonnen, dafs der käufliche
mit Kalk gereinigte llolzgcist unter gewissen mir noch un-
bekannten Bedingungen Knalli|uccksilber zu liefern im
Stande sey.
Dumas und l'eligot, welche den Holzgeist mit sal-
petersaurern Silberoxyd und Salpetersäure erwärmten, er-
hielten neben wenig salpetersanrem Metliyloxyd eineu Nie-
derschlag von oxalsaurcm Silberoxyd, welcher sich aus der
kochenden Flüssigkeit abschied. Bei Anwendung von sal-
petersaurem Quecksilberoxyd und Salpetersäure, erhielten
sie sogleich einen gelblich weifsen harzähnlichen Nieder-
schlag, welchen sie als eine Verbindung von 1 Atom sal-
petrigsaurem Quecksilberoxydul uud 2 Atomen ameiseusau-
rem Ouecksilberoxyd betrachten. Die Formel, die sie aber
aufgestellt haben, stimmt zu wenig mit der Analyse übereilt.
Es konnte mir nicht in den Sinn kommen zu glauben,
dafs der Niederschlag, den die beiden berühmten Chemi-
ker bei Anwendung von salpetersaurem Silberoxyd erhiel-
ten, und den sie als oxalsaures Silberoxyd bestimmt haben,
Knallsilber gewesen seyn sollte. Ebenso konnte der ans
salpetersaurem Quecksilberoxyd erhaltene voluminöse gelb-
liche Körper kein Kuallquecksilber seyn. Ich war deshalb
genöthigt genau zu untersuchen, ob der zu meinen Versu-
chen verwandte Holzgeist rein sey und im entgegenge-
setzten Falle vor allen Dingen festzustellen, welche Ver-
bindung befähigt sey, unter den bewufsten Bedingungen
Knallquecksilbcr zu erzeugen.
Eine Analyse, welche ich vornahm, lieferte folgende
Zahlen;
0,2791 Gm. Substanz ^abea 0,4592 Grin. Kohlensäure
549
und 0,2887 Grm. Wasser. Dieser entspricht 44,8 Proc. Koh-
lenstoff und 11,5 Proc. Wasserstoff.
Eine Destillation, welche ich alsdann mit eingesenktem
Thermometer vornahm, überzeugte mich, dafs die Flüssig-
keit keinen constanten Siedepunkt hatte. Sie ging zwischen
62 und 67° C. über.
Eine zweite Analyse von einem anderen Theile des De-
stillates, welches einen niederen Siedepunkt hatte, gab ein
etwas anderes Resultat.
0,3347 Grm. Substanz gaben 0,5905 Grm. Kohlensäure
und 0,3345 Grm. Wasser, welches 48,1 Proc. Kohlenstoff
und 11,1 Proc. Wasserstoff liefert.
Aus diesen beiden Analysen ersieht man, dafs erstens
der verwendete Holzgeist nie rein war und dann auch, dafs
er ein Gemenge von Holzgeist und Lignon seyn lnufste.
Der gefundene Kohlenstoffgehalt liegt nämlich zwischen dem
des Holzgeistes (37,5 Proc.) und dem des Lignons 53 bis
54 Proc.
Schon Weidmann und Schweizer fanden bei ihren
Untersuchungen über den Holzgeist, dafs häufig derselbe
zum gröfsten Theil aus Lignon bestand, und dafs immer
der käufliche Holzgeist den Bestandteilen nach ein Ge-
menge von Lignon und Holzgeist sey.
Ich versuchte nun den von mir benutzten Holzgeist durch
fractionirtc Destillation zu trennen und erhielt dadurch zwei
Theile, die bei ziemlich constanter Temperatur übergingen.
Der erste Theil kochte bei 62* ° C, der andere ging
zwischen 65 und 67° C. über. Versetzte man den ersten
Theil mit Kalilauge, so erhielt man kleine weifse Blättchen
von Weidmann und Schweizers unteracetyligsau-
rem Kali. Mit Salpetersäure erhitzte sich aber die Flüssig-
keit und gab, ohne Ocltropfen abzuscheiden, eine gelbe
Flüssigkeit, welche sich durch Ammoniak bräunte. Mit con-
centrirter Schwefelsäure rasch vermischt, entstand eine braune
Masse, welche sich durch Wasser stark trübte und nach-
her braune Flocken abschied. Die darüber stehende Flüs-
sigkeit war klar und roch angenehm nach ZimmtöL
550
Das bei 65 bis 67° C. übergegangene Destillat zeigte
dieselben Rcnctioucti, wiewohl weniger deutlich. Es ging
hieraus zur Genüge hervor, dafs der vermeintliche Holz-
geist grofsc Mengen von Lig-non cnlhiell, da er erstens die
demselben zukommenden Kcactioncn zeigte und dann auch
ein Destillat lieferte, welches denselben Siedepunkt des Lig-
nons 61 bis 62" besars. Da aber beide Deslillate Knall-
quecksilbcr lieferten, obgleich das bei 65 bis 67u überge-
gangene am wenigsten, so war es zur gröfseren Gcwifshcit
nüthig, beide Flüssigkeiten in reinem Zustande darzustellen.
Ich vermischte beide Flüssigkeiten wieder und schied
den Holzgeist nach der bekannten umständlichen und nit)h-
sameu Methode vermittelst geschmolzenem und gepulvertem
Chlorcalcium ab. Den erhaltenen Holzgeist behandelte ich
nochmals auf dieselbe Weise und dcstillirte ihn alsdann,
um ihn vom 'Wasser zu befreien, zweimal Aber gebrannte»
Kalk.
0,1966 Grm. Substanz gaben 0,245 Grm. Kohlensaure
und 0,216 Wasser = 33,6 Proc. C und 12,6 Proc. H.
0,2293 = 0,28 Kohlensäure und 0,254 Grm. Wasser
bs 33,4 Proc. und 12,3 Proc. H.
Eine dritte Analyse von demselben Holzgeist, den ich
über calcinirtem Kupfervitriol destillirt hatte, gab folgende
Zahlen:
0,176 Grm. = 0,237 Grm. Kohlensäure und 0,2 Grm.
Wasser = 36,8 Proc C und 12,6 Proc. H.
Die Formel C,H,03 verlangt 37,5 Proc C und 12,5
Proc. H.
Der zuerst analysirtc Holzgeist enthielt also noch Was-
ser, welches ihm erst durch Kupfervitriol vollständig ent-
zogen wurde.
Der auf diese Weise rein dargestellte Holzgeist giebt
mit salpel ersaurem Quecksilberoxyd und Salpetersäure kein
Knallquecksilber. Das Gemisch, Über der Spiritusflamme
erwärmt, kommt ins Aufwallen, welches aber bald nach
läfst. Die Flüssigkeit bleibt klar und scheidet keinen harz-
artigen: Körper ab, wie k \i™u «halten hat. Nach
dein Erliitzen entstand aber ein käsiger Niederschlaj
bald nocli einige Tropfen Salpctersäurchydrat hinzugesetzt
wurden. Ich li.iin' denselben nicht weiter untersucht, dem
Ansehen nach schien es aber oxalsaurcs Quecksilber oxydul
zu seyn.
Die früher gemachten Erfahrungen, nach welchen der
reine Methylalkohol keine Knallsäure liefert, werde» also
auch durch meine Versuche bestätigt. Die bei der Dar-
stellung des Methylalkohols von dem Chlorcalcium abde-
slillirte Flüssigkeit, welche über die Hälfte betrug, wurde
so lauge über neue Mengen von Chlorcalcium deslillirt,
bis der Siedepunkt constaut war und alsdann der Aualyse
unterworfen.
0,2893 Grm. Substanz gaben 0,564 Gm, Kohlensäure
und 0,2857 Grm. Wasser. Dieses entspricht in Proccnten
ausgedrückt 53,23 C und 10,97 H.
Es geht hieraus mit Bestimmtheit hervor, dafs die aus
lysirle Flüssigkeit Liguou war.
Liebig fand im Lignon 54,75 Kohlenstoff und 11,11
nmeratoff; Kaue 54,88 C und 11,27 H und Guielii
53,25 C und 10,62 H. Mit letzterer Analyse stimmt die
mehlige fast vollständig überein.
Das von mir dargestellte Lignon besafs folgende Eigen-
schaften: Mit Kali zusammengebracht, entstanden nach ganz
kurzer Zeit in der farblos gebliebenen Flüssigkeit feine
lllältchen. Mit Salpctersäurchydrat geschichtet, trat ein
stürmisches Aufwallen ein und aus der gclbeu Flüssigkeit
schied sich beim Erkalten ein Oeltropfeu aus, der sich bei
Zusatz von Wasser noch vermehrte. Mit S cfwe feisäure -
tndiat vermengt, entstand ein dickes braues Gemisch, aus
welchem durch Wasser ein dickes braunes Ocl ausgeschie-
den wurde. Das Liguori halte einen constanten Siedepunkt
von 6U" C., brannte mit leuchtender rothgclber Flamme
und besafs einen brennenden gewürzhaften Geschmack und
einen angenehmen geistigen Geruch.
Setzt man zu Lignon eine Losung von salpetersaurein
Quecksilberoxydul oder von salpetersauicm '
552
oxyd, so entsteht beim Erhitzen Ober der Spiritusflaromr
ein regelmäßiges stürmisches Aufwallen und nach einiger
Zeit ein plötzliches Ausscheiden von Kuallquecksilber, wel-
ches sich in kleinen Krysiallen rasch zu Boden setzt. Da-
bei entwickeln sich Dämpfe, ganz so wie bei der Darstel-
lung des Knallquecksilbcr aus Alkohol, wiewohl uicht iu
solcher Menge. Dieselben, durch ein Kühlrohr geleitet, ver-
dichteten sich zu einer Flüssigkeit, welche mit Kali nicht ge-
bräunt wurde, also frei von Aldehyd war. Sie verbrannte
mit wenig leuchtender Flamme, ungefähr wie Alkohol. Auf
eiuem Uhrglase der Verdunstung überlassen, blieben feiue
Tröpfchen zurück, die einen scharfen siechenden und die
Augen zu Tfiräncn reizenden Geruch besafsen.
Das Destillat, mit salpetersaurem Quccksilbcroxydul ver-
setzt, reducirtc dasselbe unter Abscheidung von Quecksilber.
Ob die Rcduclion von Ameisensäure bewirkt wurde, habe
ich allerdings nicht untersuchen können.
Die bei dein Knallquecksilber verbliebene Flüssigkeit
ist sehr schön gelb gefärbt und entwickelt mit concentrirter
Schwefelsäure versetzt Stickoxyd. Versetzt man sie mit
Wasser und dann mit Schwefelwasserstoff, so scheidet sich
das überschüssige Quecksilber als Schwefelquecksilber ab.
Wird solches abfiltrirt und das Filtrat mit Ammoniak ver-
setzt bis zur Neutralisation, so färbt sich dasselbe dunkel-
roili und giebt mit Kalksalzen einen Niederschlag von oial-
saurcin Kalk.
Aufser der Oxalsäure enthält die Flüssigkeit noch Essig-
Bci der Darstellung des Knallquecksilbers aus Lignon,
kommt es vor allen Dingen darauf an, dafs man die ver-
schiedenen Ingredicntien im richtigen Vcrhältuifs anwendet
Folgende Methode kann ich als eine gute empfehlen, da
sie eine reichliche Ausbeute liefert.
Man vermischt 6 Theile reines Lignon mit 4 Theilen
Wasser und 4 Theilen einer Lösung von salpetersaurem
Quecksilberoxydul, welche auf I Theil Salz 8 Theile Was-
ser enthält. Alsdann seil* man vai dieser Mischung 4 bis
5 Theile erstes Salpctersäureliydrat nach und nach unter
Schütteln zu, und erwärmt gelinde so lange, bis sich ein-
zelne Bläschen zeigen. Nach kurzer Zeit vermehren sich
dieselben und es tritt dann heftiges Aufwallen ein, bei wel-
chem sich das Kunllqucckstlber plötzlich abscheidet und
rasch und vollständig zu Hoden setzt. Man giefst alsdauu
die Flüssigkeit ab und wäscht das cihallcne vollkommen weifse.
und reiue Knalh|iiccksilbcr auf einem Filter mit deslillirtem
Wasser aus. Hei zu heftiger Einwirkung der Salpetersäure
vermindert mau dieselbe durch Zusatz ton kaltem Wasser
oder durch Eintauchen des Kolbens in solches. Die Dar-
-lollnng auf diese Weise gelingt selbst gut in einem l\ea-
gcnlicuglase.
Das auf diese Art erhaltene Präparat hat folgende Eigen-
schaften. Es ist unlöslich in kaltem Wasser, schwer löslich
in licifscm. Aus der durch längeres Kochen gesättigten
Lösung scheidet es sich in pfeilspitzenförmig gerippten Kry-
st;illblätlchcu aus, welche schwach gelb gefärbt sind. In wäs-
serigem starken Ammoniak löst es sich auf und scheidet sich
beim Verdunsten desselben in kleinen körnigen Krystallen
Kali scheidet beim Erhitzen braunes Quecksilber-
wyd, die von demselben abfiltrirte Flüssigkeil beim Er-
kalten weifsc Flocken aus, welche nach dem Trocknen
durch den Slofs oder durch Reibung verpuffen. Die von
diesen Flocken ablülrirte rückständige Lösung giebt auf
Zusatz von Salpetersäure ebenfalls einen flockigen Nieder-
schlag, welcher im trocknen Zustande leicht csplodirt.
Wird das auf dem neuen Wege erhaltene Knallqueck-
silber mit KupTerfeile gekocht, so erhält man eine grüne
Flüssigkeit, aus der sich beim Erkalten grünblaue Flocken
von Knallkupfer absetzen, die getrocknet ebcufalls verpuf-
fende Eigenschaften zeigen.
Mit einem Gemenge von concentrirter Salzsäure und
Salpetersäure gelinde erwärmt, entstand unter Euhvickchuig
von Blausäure, welche am Gerüche deutlich zu erkennen
war und unter Freiwerden von Kohlensäure, eiue. anfau-
lten blaue Flüssigkeit, welche sich aber beu» ^jc\\\Xxea axÄ-
bein
«wy
kalt
554
hu) cutfürbtc. Außerdem entwickelte sich noch ein Gas,
welches einen höchst siechcudeu Geruch besafs und die
Alicen stark zu Thronen reizte.
Eine Be*(iiiiuiuiig des Quecksilbers dieses Kuallqueck-
Silbers, welches, dieses brauche ich wohl kaum liuixtrzu fü jl*-ij .
im trocknen Zustünde durch den leisesten Schlag mit furcht.
barer Gewalt cxnlodirte, ergab folgende Zahlen:
0,6735 Grm. Knallquecksilber lieferten 0,507 Grm. Schwe-
felquecksilber, welches lit,H Proc. Quecksilber entspricht.
I)as zur Analyse verwendete Salz war über Schwefel-
säure getrocknet und mit Königswasser zersetzt. Die da-
durch erhaltene Flüssigkeit wurde alsdann zur Trockne
verdampft, das rückständige Salz wieder in deslillirtem Was-
ser gelost und aus dieser Losung das Quecksilber durch
Schwefelwasserstoff gefüllt.
Schon im Anfang dieser Abhandlung habe ich bemerkt,
dafs ich vor mehreren Jahren ebenfalls eine Quecksilber-
beslimniung des Kuallquecksilbers gemacht habe. Ich ver-
wandte dazu aus Wasser umkrystallisirtes Salz iu Form
der gelben lilättchcn und zersetzte dasselbe, in mit Salz-
säure versetztem Wasser suspendirt, direct mit Schwefel-
wasserstoff. Die Zahlen dieser Analyse sind mir im Laufe
der langen Zeit verloren gegangen, ich entsinne mich aber
noch ganz genau, dai's ich fast 70 Proc. Quecksilber erhielt.
Die oben angeführte Analyse, welche mit der von Ho-
ward, welcher 61,72 Proc. erhielt, fast übereinstimmt, scheint
also wohl mit einem Salz gemacht zu seyn, welches 3 Atome
Krystallwasser enthielt, da solches 64,3 Proc. Quecksilber
verlangt. Das aus einer kochenden wässerigen Lösung ab-
geschiedene Salz in Form der gelben 111 ä Itcben schien hin-
gegen das wasserfreie Salz zu seyn.
Wendet man statt dem oben angegebenen Verhältnis
von Lignon, Salpetersäuren Quccksilberoxydul und Salpe-
tersäure, einen grofsen Ueberschufs einer concentrirten Lö-
sung von salpetersaurem Quecksilberoxyd, erhalten durch
Auflösen von Quecksilber in Salpetersäure au, und setzt
ebeuso einen Uebenctata vou «ywymu-trtcr Salpetersäure
hinzu, so entwickeln sich beim Aufwallen der erhitzten
Flüssigkeit rothe Dämpfe von Untersalpctersäurc und es
scheidet sich entweder kein Knallquecksilhcr aus, oder höch-
stens nur Spuren desselben. Auf Zusatz von Wasser ent-
steht dann ein gelber käsiger Niederschlag, ganz von dcui
Aussehen, wie icli solchen hei Anwendung des Holzgeistes
erhielt. Derselbe enthielt keine Spur von salpetriger Säure,
sondern war reines oxalsuures Quecksilbcroxydul.
Aus den angeführten Daten geht uuu mit Bestimmtheit
hervor, dafs aufser dem gewöhnlichen Alkohol auch das
Lignou die Fähigkeit besitzt, im Salpetersäuren Quccksilber-
oxydul- oder ()uecksilberoxyd und Salpetersäure erwärm I,
Knallquecksilber zu liefern. Durch den von Dumas und
I'cligot geführten Beweis, deu ich jetzt wieder bestätigt
gefuudcu habe, ist der Holzgeist nicht im Stande für sich
im freien Zustande Kiiallquccksilbcr zu liefern. Lei der
Dcslillalion des Liguous mit Kalilauge erhielten Weid-
mann und Schweizer Holzgeist und im Rückstand essig-
saures Kali, verunreinigt durch geringe Mengen von Harz
und Oel, welche als Zersetzungsproducle des Hulzgeistes
diesem beigemengt waren. Aus diesem Grunde betrachten
die beiden genannten Chemiker das Lignon als eine Ver-
bindung der Melhylrcihc mit einer Verbindung der AelhyU
reihe. Sie erklären sich für die Formel Cfj Il6 O,^ und
betrachten hiernach das Lignon als tintcracetyligsaurcs oder
xylitsaures Methylonyd. Jedenfalls bleibt diese Ansicht eine
gewagte, da eine Xylitsäure C, H4 O, X bis jetzt noch nicht
dargestellt ist und dann auch die von verschiedenen Che-
mikern erhaltenen analytischen Resultate sehr von einander
abweichen. Es ist wohl anzunehmen, dafs die untersuchten
Lignone theils noch nicht ganz frei von Holzgeist waren,
theils aber auch mehr oder weuiger grofse Mengen von
Aceton enthielten. Durch erstere Verbindung wird der
Kohlenstoffgehalt heruntergedrückt, durch letztere aber ver-
mehrt. Dadurch erklären sich wenigstens die verschiedenen
Resultate die erhalten wurden uud die ich hier fol^tttt Va*-
sen will:
Schweizer.
C 58,5 48,l7 54,75
II 10,01 11,81 11,11
O 31,46 40,08 34,14
An.lj.e.
54,88 53,2a- 54,77 53,37 53,23
H,'i7 10.62 10,12 9,83 10,»7
33.S5 110,13 35,1t 34,80 35,80.
Obgleich der Holzgeist für sich kein Knall quccksilber
liefert, so is( hiermit noch nicht erwiesen, dafs eine Melhyl-
verbindutig von der Bildung desselben a usg esc Mos sen sey.
Ebenso ist mich auf der anderen Seite nicht unbedingt an-
zunehmen, dafs, da bis jetzt die Kuallsäure nur aus dem
gewöhnlichen Alkohol dargestellt ist, nun auch iu dem Lignon
eine Aelhylveibindung enthalten seyu inüfste. Die Bildung
der Essigsäure aus «lein Lignon, wenn dasselbe mit Kali
destillii ( wird und die Erzeugung des Methylalkohole spricht
allerdings dau'ir, dafs es ein zusammengesetzter Aether aey.
S t ä d e I e r hat die Ansicht ausgesprochen, (Ann, d. Cfaem.
u. Pharm. Bd. 111, S. 289) dafs der Holzgeist der einfachste
bis jetzt bekannte Alkohol, als die Stammverbindung aller
übrigen Alkohole mit 2 Atome Sauerstoff anzusehen sey.
Der gewöhnliche Alkohol ist nach ihm Methylalkohol, in
dem ein Atom Wasserstoff durch das Badical Methyl ver-
treten ist. Ebenso betrachtet Stadeler die Essigsäure als
eine Ameisensäure, worin ein Atom Wasserstoff durch Me-
thyl vertreten ist. Für diese Ansicht spricht die Erfahrung-,
nach welcher die Baldriansäurc durch den elektrischen Strom
den Kohlenwasserstoff Valyl C8 H0 liefert.
Gegen eine so einfache Anschauungsweise wie sie Stä-
deler in seiner ausgezeichneten Untersuchung entwickelt
hat, habe ich insofern nichts, als sie eine grofse Menge
von Körpern unter einen neueu allgemeinen Gesichtspunkt
vereinigt; dafs aber in einem Alkohol fertig gebildetes
Methyl cuthalten ist, kann wohl nicht direct bewiesen
werden. Gesetzt aber es wäre wirklich der Fall, so raufst e
durch künstliche Substitution aus dem Holzgeiste gewöhn-
licher Alkohol erzeugt werden können, ebenso wie aus dem
Ammoniak die künstlichen organischen Basen.
Für unseren specieWen. ¥a\\ y)%.i4ä &\s»a ueue Theorie
557
schon passen, indem nach derselben dann das Knallqueck-
silber von einer Methylverbindung abgeleitet würde und
so Hand in Hand mit der Ansicht von Keküle ginge, wel-
che, wie ich später noch specieller anführen werde, das
Knallquecksilber als eine Verbindung von dem Typus Me-
thylwasserstoff betrachtet. Hiernach würden also, wie schon
erwähnt, alle Alkohole substituirte Verbindungen seyn,
Verbindungen in denen 1 Atom H durch ein organisches
Radical vertreten ist. Der Kohlenstoff in diesen einfachen
Körpern müfste also eine doppelte Rolle spielen und da-
nach auch der Kohlenstoff in den bis jetzt angenommenen
Radicalen. Die Form des Aethyls wäre dann CVCQH3H0,
also Methyl, worin 1 Atom Wasserstoff durch Methyl ver-
treten wäre. Die Formel des Propyls wäre Ca(C4H5)H,.
Obgleich eine solche Ansicht der Einfachheit keinen
Abbruch thut» so ist doch wohl nicht anzunehmen, dafs in
so einfachen für sich im freien Zustande bestehenden Ver-
bindungen, wie es die Radicale sind, die verschiedenen
Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff verschiedene Func-
tionen verrichten sollen, dafs also gleichsam unter den Ele-
menten dieser einfachen Körper ein gewisser Rang existirte.
Der Alkohol liefert bei verschiedenartiger Behandlung,
Methylwasserstoff, Aethyl, ölbildcndes Gas etc. etc. In
solchen Fällen halte ich es für geeigneter zu sagen: Der
Alkohol kann betrachtet werden als Holzgeist, in dem ein
Atom Wasserstoff durch Methyl vertreten ist, d. h. wenn
ich erklären will, wie aus ihm Methylwasserstoff entsteht.
Er kann hingegen betrachtet werden als Aethyloxydhydrat,
oder als Wasser, worin ein Atom Wasserstoff durch Aethyl
▼ertreten ist, wenn ich die Entstehung des Acthers erklä-
ren will. Solche Erklärungsweisen sind, so lange man über
die Constitution des Alkohols noch keine feste und be-
stimmte Behauptung aufstellen kann, einfach und natürlich.
Man ist bis jetzt gewohnt die Constitution eines zusam-
mengesetzten Körpers nach den Zersetzungsproducten des-
selben' festzustellen. Nach meiner Ansicht ist dieses nieta.
immer, richtig, da wir nach derselben dann ta*\. ^ÄamYÄt«
558
per die Fähigkeit zuspreche» müssen, nach dem Wunsche
eines jeden Chemikers die Lagerung der Alome zu ;iu-
deru. Ich will nur an die grofsc Menge von Formeln er-
innern, die man für die Essigsäure vorgeschlagen hat, und
die jede für sich die wahre Constitution derselben an-
zeigen und die Metamorphosen erklären soll, deren die
Essigsäure fähig ist. Meines Wissens hat man für den
Zucker, der bei den verschiedenen Gährungcn so viele ver-
schiedenartige neue Verbindungen erzeugt, noch nicht ver-
sucht eine bestimmte rationelle Formel aufzustellen. Die
Thalsache, dafs sich verschiedenartige neue Verbindungen
aus einem und demselben Kürper erzeugen können, siebt
fest, es giebt uns dieses aber durchaus noch nicht die Be-
rechtigung deshalb neue Theorien aufzustellen und diesen
dann die analogen Verbindungen anzupassen, welche in die
verwandte Reihe gehören. Bedenken wir, wie die Natur
in ihrem Schaffen so einfache Mittel wählt und wie sie aus
Kohlensäure, Ammoniak und Wasser so verschiedenartige
Körper erzeugt. Warum soll man nun in den organischen
Verbindungen, den natürlichen sowohl als wie in den künst-
lichen, so complicirtc Verhältnisse annehmen. Meines Er-
achtens treten die in den organischen Verbindungen ent-
haltenen Atome nach verschiedenen Verhältnissen zusam-
men, wenn sie der Einwirkung verschiedener Agentien un-
terworfen werden, d. h. je nach den letzteren und nach
der Gröfse der chemischen Kraft, welche den einwirken-
den Körpern innewohnt, tritt unter den Atomen der orga-
nischen Verbindung ihrer Anzahl nach eine gröfsere oder
geringere Verwandtschaft ins Spiel. Sie folgen derselben
und bilden so verschiedenartige neue Körper.
Es sey ferne von mir nur deu empirischen Formeln
der organischen Verbindungen zu huldigen und nur sie zu I
beachten; aber ich kann doch in vielen Fallen nicht an-
ders, als die Formeln und die damit ausgesprochenen Theo-
rien nur dafür ansehen, dafs sie mir eine neue Ersehet- I
nung, die Entstehung neuer Körper erklären, ohne dafs sie j
mir ein Bild von Act \j&%eran% <1« Elemente in der ur- I
559
gprünglichen organischen Verbindung verschaffen. Nicht
die Lagerung der Atome in einer Verbindung bedingt die
Bildung einer bestimmten neuen chemischen Verbindung,
sondern die Entstehung einer neuen Verbindung aus einer
bekannten schon vorhandenen giebt uns das Zeugnifs, wie
es möglich ist, dafs die vorhandenen Elemente zu anderen
Verbindungen zusammentreten können. Man kann die orga-
nischen Verbindungen mit einem Gebäude vergleichen, dessen
Einrichtung auch geändert werden kann, ohne dafs ein Zie-
gelstein fortgenommen, oder ein neuer zugeführt wird.
Aus diesem Grunde gebe ich deshalb derjenigen Theorie
den Vorzug, welche die Thatsachen am leichtesten erklärt.
Sie ist die richtigste, weil sie die natürlichste ist. Von
vielen Seiten wird mir vielleicht der Vorwurf gemacht,
dafs ich mit meiner Ansicht auf dem Gebiete der Wissen-
schaft stehen bliebe, ich glaube aber nicht, dafs mir ♦ein
solcher Vorwurf gebührt, weil ich unabhängig von einer
bestimmten Theorie weiter gehe. Die hartnäckig bekämpfte
Theorie, dafs das Licht ein Körper sej, hat die Entwicke-
lung der Optik um viele Jahre aufgehalten und die Geburt
der Schwingungstheorie sehr erschwert. So wie hier, so
geht es auch annäherungsweise in der organischen Chemie.
Derjenige welcher eine bestimmte Ansicht in derselben hart-
näckig vertheidigt, bleibt einseitig stehen. Es gilt hier, wie
bei so vielen anderen Dingen das Sprichwort »Prüfet Alles
lind behaltet das Beste«. Nur das Gesammtresultat aller
Metamorphosen und nur die Beachtung aller Umstände und
Ansichten, die die vielen mühevollen Untersuchungen in der
organischen Chemie ergeben haben und ergeben werden,
{Qhren uns weiter zu einem sicheren Ziel.
Ich komme nun zu meiner Untersuchung zurück, zu der
Thatsache dafs aus dem Lignon Knallquecksilber entstehen
kann« Der Versuch von Weidmann und Schweizer,
wonach das Lignon bei der Destillation mit Kali Essigsäure
und Holzgeist liefert, zeigt uns, dafs das Lignon betrachtet
werden kann, als eine Verbindung der Methylreihe (Me-
thyloxyd) mit einer solchen der Aethylteftie.
1
5G0
Bleiben wir denn hierbei slehen, so wirft sieb aus von
vornherein die Frage auf, welcher Korner ist mit dem Mc-
Ihylonyd verbunden, der fähig ist mit salpetcrsaurein Qucck-
silbcroxydul und Salpetersäure Knallnuecksilber zu liefern?
Wir wissen, dafs das Aldehyd mit Ammoniak eine krystal-
liniscuc Verbindung eingeht und ebenso leicht durch Auf-
nahme von Sauerstoff in Essigsäure übergebt. Die Formel,
welche Weidmann und Schweizer für das I-iguou
aufgestellt hoben und wonach es, wie ich schon vorne er-
wähnt habe, xylilsaures Metbyloxyd & 11,0. C, 8,0,4 sey,
brachte mich auf die Vermuthung, ob nicht das Lignou eine
Verbindung von Methyl oiyd mit Aldehyd sey. Diese For-
mel würde 57,7 Proc, C und 10,4 l'roc. II verlangen uud
den von Gmelin und mir erhaltenen analytischen Resul-
taten entsprechen. Um mich zu überzeugen, ob nicht das
Lignon mit Ammoniak gesättigt Aldehyd-Ammoniak bilden
würde, sättigte ich bei — 20° C. Lignon mit trockuem Am-
moniakgas, schmolz die Hälfte desselben für sich, die andere
Hälfte mit wässerigem Ammoniak versetzt in Glasröhren
ein und erhitze dieselben einen Tag lang im Wasserbade.
Die Flüssigkeiten in beiden Bohren hatten sich schwach
gelblich gefärbt. Als dieselben in Porcellanschälcheu ge-
bracht und zur Verdunstung der Luft ausgesetzt wurden,
färbten sie sich in ganz kurzer Zeit schwarzbraun und wur-
den zäh und dickflüssig. Beide Flüssigkeiten hatten, nach-
dem das Ammoniak verdampft war, einen intensiv bitteren
Geschmack uud einen betäubenden narkotischen Geruch,
ohne dafs sie aber in einem Stadium etwas krystalliuisches
abgesetzt hätten. Der braune rückständige Syrup löste sich
schwer in Wasser, Alkohol und Aether, aber leicht in wäs-
seriger Salzsäure. Die letztere Lösung giebt aber mit Pla-
liuchlorid keinen Niederschlag und enthält somit wohl keine
organische Base. Versetzt man sie mit Ammoniak im Ueber-
schufs, so scheidet sich die ursprüngliche Verbindung in
Form eines schwarzen theerartigen Körpers aus.
Wird das Lignon mit conccntrirler Salpetersäure erhitzt,
so scheidet sich nach e\ni$« 'La.\( eine ölartige Flüssigkeit
ab, welche
Holt 111:111 Ac
561
Fi*
siel
welche sich auf Zusatz von Wasser vermehrt. Bebau
Acelon ebenso, so erhält man auch ölartige Trop-
fen. Beide Körper schmecken erst suis und nachher bren-
nend, so dafs noch lange Zeit nachher der Findruck des
Verbranntseyns auf der Zunge zurückbleibt. Eine genaue
Untersuchung beider Körper ist bis jetzt noch nicht ge-
cht worden, über ihre Zusamuienselzung läfst sich daher
Itwas Bestimmtes gar nicht angeben. Ihre ähnliche Ent-
stehungsweise aus zwei Körpern, welche gemeinschaftlich
auftreten, so wie die Gleichheit ihrer physikalischen Eigen-
schaften läfst aber vennuthen, dafs, wenn sie auch nicht
identisch sind, sie doch sicher grofse chemische Acbnlich-
ki-ii zeigen werden.
Städeler betrachtet in seiner schon erwähnten Arbeit
über Aceton dasselbe als eine Aelherart, als Essigsäureal-
dehyd, worin das basische Wassersloffmolecül durch Me-
thyl vertreten ist.
C6H605 = C*-H?-°'
Rchan-
C,H3 |
entsteht dann das Aceton aus
vC.(C,H,)0,|0
Nach Demselben entsteht dann das Aceton aus der Es-
sigsäure (Methylameisensäure) 'J^ ~u *[ O, au^ die
Weise, dsfs sich zuerst Methylwasserstoff bildet, welcher
jm Status nascens auf ein zweites Atom Essigsäure ein-
wirkt und mit diesem Wasser und Aceton bildet.
Hierdurch ist also eine sehr nahe Beziehung' zwischen
Aceton und Aldehyd hervorgehoben. Nach der oben von
mir ausgesprochenen Ansicht, das Lignon sey eine Verbin-
dung von Aldehyd und Melhyloxyd, würden sich auch das
Lignon und das Aceton näher gerückt. Für diese allerdings
um reiue Vermuthung spricht dann auch der Umstand, dafs
beide bei der trocknen Destillation des Holzes auftreten.
Das Lignon reducirt das Silber nicht, was darin seinen
Grund hätte, dafs es als ein zusammengesetzter Aelher be-
trachtet werden kann, während das Aceton nach Städeler
ein substituirtcr Körper ist.
Nach Laureut liefert das Aceton mit cottcevAVuV«\ %>A-
PogtcodorfT, Aiual BÜ. CX.
562
peiersaurc erhitzt eine rückständige Flüssigkeit, welche, mit
salpefersnurem Silboroxyd verseilt, viel cyansaures oder
wahrscheinlicher cyonursaurcs Silberoxyd ausscheidet, Lig-
non liefert unter den bekannten Umständen Knallqueck-
silber. Sollte nun, die oben autgs? pro ebene Aebiiiichkeit
des Lignous und des Acetons berück sichtigen d, dieses nicht
.■in Halt seyn für die Ansieht von Liebig, wonach die
Knallsäure eine po ly in ere Cyau säure ist? Aus der Methyl-
Aldehyd -Verbindung, dein Aceton, erzeugt sich durch die
Einwirkung der Salpetersäure Cyansäure oder Cyanur-
säure, sollte nicht aus dem Lignou, dem A Idehyd- Methyl-
oxyd, auf ähnbebe Weise die Knallsäure eulstcheii';' El
sind dieses nur Veruiuthuiigcn, weil wir troll der vielen
ausgezeichneten Untersuchungen das Ligtion norh zu wenr.
kennen; es sind aber solche, die ich- wegen des allgemei-
nen Interesses auszusprechen wage.
Eine andere Ansicht über die ConstitulioD des Knall-
quecksilbers, die Beachtung- verdient, hat Kckule in sei-
ner interessanten Arbeit über Knalluuccksilbcr (in d. Ann.
der Chem. und Pharm. Bd. 105. S. 279) veröffentlicht. Er
betrachtet das Knalhpiccksilber als eine dem Typus des
Acetonilrils oder des Chloroforms zugehörige Nitroverbin-
dung.
AccioDitril. Knall- Qntcbilbfr.
C,HHHC,N "cTN^H^tilcTN!
Kekule bat Knallquecksilber mit Brom behandelt und
gefunden, dafs durch solches die zwei Atome Quecksilber
durch Brom ersetzt werden und ein Körper entsteht, der
dem Chlorpikrin C,N0,CIC1C1 analog zusammengesetzt
isl. Er stellt dcmgeinäfs für diesen neuen Korper, den er
Dibromnitroacetonitril genannt, dieFormelC,]SO,BrBrC1N
auf. Die Dämpfe des Dibromnilroacctonitrils greifen die
Augeu sehr beftig an; aus diesem Grunde glaube ich, dafs
der bei der Einwirkung von concenlrirtem Königswasser
auf Kuallquecksilber eulstehende flüchtige Körper, welcher
dieselbe Einwirkung auf die Augen ausübt, die correspoit- ,
dirende Chlorverbindung also Dichlornitroacetouitn'l ist.
563
Betrachtet man aber die Knallsäure als eine polymere
C jansäure, schreibt man also die Formel des Knallqueck-
silbers C4 N, Oa Hg, O, oder C4 N2 Hg, 04, so erklärt sich
die Entstehung1 des Dibromnitroacetonitrils ebenso gut
In der Essigsäure kann der Wasserstoff durch Chlor ver-
treten werden und dadurch die Monochloressigsäure oder
die Trichloressigsäure entstehen. Bedenkt man nun, dafs
Deville die wasserfreie Salpetersäure dargestellt hat, in-
dem er Chlor über salpetersaures Silberoxyd leitete und
dafs ebenso die freie unterchlorige Säure aus dem Queck*
silberoxyd und Chlor erhalten wird, so liegt die Verum-
tbung nahe, dafs auch unter geeigneten Verhältnissen das
essigsaure Quecksilberoxyd neben Chlorquecksilber eine
Chloressigsäure liefern mufs. Nimmt man dieses an, so
mufs man zugeben, dafs in einer Säure die basischen Was-
serstoffatome durch Chlor vertretbar sind und es würde so-
mit erklärt seyn, wie aus dem Knallquecksilber die zwei-
fach gechlorte Knallsäure entstehen müfste. Nach dieser
Betrachtungsweise braucht dqnn auch keine Kohlensäure
aufzutreten, was Kekule als eine Stütze seiner Theorie
ansieht.
In neuerer Zeit hat Geifse, (Ann. der Chemie und
Pharm. Bd. 109, S. 282) nachgewiesen, dafs das Chlorpi«
krin der Methylreihe angehört Man kann es nach ihm als
Chloroform betrachten , in dem das Wasserstoffatom durch
Untersalpersäure vertreten ist. Geifse hat das Chlorpi-
krin mit Eisenfeile und Essigsäure dem üblichen Reduc-
tionsverfahren unterworfen und dadurch nachgewiesen, dafs
sich hierbei Methylamin bildet.
Dieser Versuch stimmt mit Kekule' 8 Ansicht vollkom-
men überein, der als Anfangsglied seiner Reihe den Me-
thylwasserstoff betrachtet.
Ist nun wirklich in diese Reihe auch das Knallqueck-
silber so wie das Dibromnitroacetonitril zu stellen, so mufs
das letztere durch reducirende Substanzen ebenfalls Me-
thylamin liefern.
36*
C,N0,BrBrCy+12H =
c,h,;
H,1
N+2BrH + C>H + HO.
Dieser Versuch, mit dem ich mich in der Folge beschäfti-
gen will, würde feststellen, ob das Knallquecksilber wirk-
lich eine Nitroverbindung sey.
Die Ansicht über die Alkohole und die einbasischen
Säuren, insoweit dieselben den Atomcomplex C,H, ent-
halten und ebenso die Erfahrung, die man über das Lig-
uon gemacht hat, sofern dasselbe Holzgeist und Essigsaure
liefert, dann auch die direcle Darstellung des Knalli[uecb-
silbers aus Lignon, das doch, so viel wir jetzt annehmen,
das Radical des gewöhnlichen Alkohols nicht enthalt, spre-
chen sehr für Kekule's Ansicht. Bis jetzt entscheide icii
mich aber noch für keine Ansicht, und will erst de» Re-
duetionsversuch, welchen ich mit dem Dibromnitroacefoni-
tril anstellen werde, abwarten.
Schneidnitz im April 1860.
III. Versuche über die Spannkraft des TVasser-
damp/es aus Lösungen wasserhaltiger Salze; ■
von A. Wüllner.
1. V or einiger Zeit (heilte ich Versuche mit Ober
die Verminderung der Spannkraft des 'Wasserdampfes, wenn
das Wasser Substanzen aufgelöst enthalt, welche nicht
selbst verdampfen1), und zog daraus den Schlufs, da fs diese
Verminderungen proportional seyen den Mengen der ge-
lösten Substanz. Unter den damals untersuchten Salzen
befand sich auch schwefelsaures Natron und schwefelsaures
Kupferoxyd, beides Salze, welche mit einer gewissen Menge j
Wasser bei der Krystalh'sation sich verbinden. Bei diesen J
I) Pogg. Aon. Bd. 103, S. W» H.
565
Salzen zeigte sich, wie aus der ausführlich mitgetheilten
Reihe der Verminderungen durch Glaubersalz zu ersehen
ist, dafs die Verminderungen proportional sind den gelösten
Quantitäten trocknen wasserfreien Salzes. Damit beschäf-
tigt die Spannkraft des Wasserdampfes aus wässerigen Salz-
lösungen in höhern Temperaturen zu verfolgen, machte ich
einige Messungen über die Spannkraft mehrerer Lösungen
von -Kalihydrat, welche zeigten, dafs jener am Glaubersalz
aufgefundene und durch schwefelsaures Kupferoxyd bestä-
tigte Satz nicht gleicherweise für alle wasserhaltigen Salze
gültig ist. Dadurch yeranlafst die Frage, wie verhalten sich
die Spannkraftsverminderungen bei verschieden concentrirten
Lösungen wasserhaltiger Salze, weiter zu verfolgen, gelangte
ich zu einigen Resultaten, welche hier mitzutheilen mir ge-
stattet sey, da sie Aufschlufs darüber zu geben scheinen,
wann jener Satz bei wasserhaltigen Salzen gültig ist, wann
nicht, und da sie überdiefs noch einige andere Schlufsfol-
gerungen gestatten.
2. Die Anordnung der Apparate war im wesentlichen
die von mir in der erwähnten Mittheilung beschriebene.
Die Spannkräfte der Salzlösungen, welche sich in fünf der
abgekürzten Barometer meines Apparates befanden, wurden
direct mit der des im sechsten befindlichen reinen Wassers
verglichen. Die Temperaturen wurden mittels der schon
früher benutzten neuerdings mehrfach corrigirten Thermo-
meter bestimmt. Die Thermometer befanden sich so im Was-
serbade angebracht, dafs sie zum Theil die Röhren, in wel-
chen sich das Wasser oder die Salzlösungen befanden, be-
rührten. Sie wurden von einem Gehülfen, Hrn. Stud. Ger-
land abgelesen, während ich die Barometerstände mit dem
Kathetometer nahm, und von mir nachher nochmals vergli-
chen. Das benutzte Kathetometer ist von Hrn. Staudin-
ger in Giefsen verfertigt; es gestattet mittels Nonius 0,05nn>
direct abzulesen. Die Anordnung der folgenden Tabellen
ist wohl ohne Weiteres verständlich; in der ersten Colonne
befinden sich die beobachteten Temperaturen, in der zweiten
die diesen entsprechenden Spannkräfte des N^a&«tdfts&\\&
von reinem Wasser, und in den folgenden die de» nebenste-
henden Temperaturen entsprechenden, durch den oben an
der Coltunne angegebenen Procculgehall hervorgebrachten
Verminderungen der Spannkraft des Wasser dampf es aus den
Losungen.
Spannkraft des WüMcrrinnipfes aus LfiniiDgeo von Knlihvitrii,
3. Zu den Losungen wurde reines geschmolzenes Kali-
hydrat verwendet, und die Losungen, 10 — 20 — 30 —
40 — 50 Theile Sali auf 100 Wasser mittels einer 0,00'
(Irin. Genauigkeit gestaltenden Waage dargestellt. Die fol-
genden Zahlen wurden in mehreren Versuchsreihen erhallen;
die Angaben sind in Millimeter Qiiecksilbcrdruck.
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:s fällt s
ofort in
die Aug
en, dafs
die in e
ner Ho-
rizontalreihc, die Verminderungen bei gleicher Temperatur
augebeuden /.alileu nicht in dem Verhältnisse der üben an-
gegebenen Ptocentg ehalte stehen, dafs sie vieluiehr weit
rascher wachsen. IJic /alilcn der den gleichen Tempera-
turen einsprechenden Verminderungen stehen vielmehr un-
gefähr in dem Verhällnifs
1 : 2,15: 3,4 :5,b:(S.
In demselben Verhältnisse stehen aber auch die Procent-
gchalte der Lösungen, wenu wir annehmen, dafs in der Lö-
sung sich das fünffache Hydrat des Kali bildet, und dieses
als solches, vermindernd auf die Spannkraft des Wasser-
dumpfes einwirkt; wie sich leicht auf folgende Weise er-
giebt. Im einfachen Kalihydrat ist mit einem Aequivalent
Kali ein Acquivaleut Wasser verbunden oder
P 83,09 Kali
16,01 Wasser.
Wenn sich nun das l'cntahydrat bildet, so nimmt das
Mnnohvdial aus dem Lösungswasser noch 4 Aeouivaleute
oder ul,04 Theile Wasser auf, und diese Verbindung löst
■ in dem überschüssigen Wasser.
568
Bei der Lösung von 10 Theilen auf 100 Wasser ueti-
men die 10 Theile einfaches Hydrat doch 6,40 Wasser auf,
und diese 16,4 Theile Salz lösen sich in 93,6 Theilen Was-
ser. Der Procentgehalt der Lösung an diesem Salze ist
demnach
17.5 Salz auf 100 Wasser.
Bei der Lösuug 20 Theile auf 100 Wasser treten zum
Kalibjdrat 12,8 Wasser und diese 32,8 Theile Penlabydrat
lüsen sich in 87,2 Wasser. Der sich daraus ergebende
Proccutgebalt ist
37.6 Salz auf 100 Wasser.
In gleicher Weise berechnen sich die andern Procent-
gchalte, so dafs wir unter Annahme der Bildung von Pen
tahydrat Lösungen haben
von 17,5 anstatt 10
- 37,6 » 20
> 60,9 - 30
- 88,1 - 40
- 117,5 - 49
Theile Salz auf 100 Wasser.
Mit Zugrundelegung dieser Zahlen sind folgende als
beobachtete angegebene Mittelwerthe der Verminderungen
durch 1 Theil Salz auf 100 Wasser bestimmt. Die als be-
rechnet mitgcthcilteu ergeben sich aus den uuten initgetbeil-
ten Iulerpolationsausdrücken.
Verminderung der Spannkraft durch 1 Theil fünffaches Kalihydral auf
100 Wasser.
T.rapcnl.
•c.
Bcob.
Her
T.mp«»..
°C.
Beuk.
Der.
11.70 '
0,033
0,033
23,65
0,069
0,069
12,10
0,033
0,034
25,53
0,073
0,077
13,95
0,030
0,03»
26.98
0,086
0,087
15,15
0,041
0,011
27,93
0,089
0,089
15,30
0,040
0,042
28,60
0,084
0,092
16,35
0,046
0,045
30,65
0,102
0,103
19,40
0,055
0,054
32.13
0.109
0,112
20,25
0,057
0,057
34,95
0,128
0,131
31,82
0,060
0,061
35,70
0,127
0,13.i
569
Temperet.
Bcob.
Ber.
Teinperat.
Beob.
Ber.
36,64
0,139
0,141
67,00
0,576
0,584
87,75
0,150
0,143
77,08
0,676
0,650
40,10
0,168
0,168
72,05
0,685
0,717
40,16
0,162
0,168
72,50
0,761
0,744
42,82
0,191
0,194
74,90
0,833
0,841
45,32
0,234
0,218
77,18
0,914
0,905
45,65
0,212
0,222
80,20
1,028
1,017
47,28
0,238
0,238
82,*0
1,116
1,111
49,80
0,268
0,260
85,38
1,255
1,259
50,90
0,274
0,274
87,28
1,366
1,359
53,38
0,314
0,312
90,48
1,567
1,532
55,43
0,345
0,343
92,77
1,691
1,691
57,57
0,389
0,383
65,30
1,852
1,832
59,95
0,427
0,424
97,38
1,990
1,981
62,63
0,479
0,480
99,20
2,069
2,114
64,91
0,528
0,532
Wenn man diese Mittelwcrthe mit den eben angegebenen
Procentgehalten des wasserhaltigen Salzes multiplicirt, so
findet man, dafs die Abweichungen der berechneten von
den direct beobachteten Zahlen die unvermeidlichen Beob*
achtungsfehler, deren Grenzen ich an dem bereits ange-
führten Orte bestimmt habe, nicht überschreiten. Zudem
Bind diese Abweichungen bald positiv bald negativ, nur bei
der Lösung mit dem höchsten Salzgehalt sind die berech-
neten Verminderungen meist gröfser als die beobachteten,
jedoch stets innerhalb der unvermeidlichen Fehler. Es ist
diefs jedoch leicht erklärlich, da das Kalihydrat ein so äu-
feerst zerfliefsliches Salz ist, es also beim Abwägen selbst
bei gröfster Vorsicht etwas Wasser anzieht. Dieser Feh-
ler, wodurch der Procentgehalt der Lösung etwas kleiuer
wird als er berechnet wurde, ist bei der Lösung vom
höchsten Procentgehalt verhältnifsmäfsig gröfser als bei den
andern Lösungen, einmal, weil bei der gröfseren Dauer
der Abwägung und gröfsern Menge des Salzes mehr Was-
ser angezogen werden mufste; und dann weil bei der Be-
rechnung des Procentgehaltes an Pentahydrat, dieses ange-
bogene Wasser als Kali mit in Rechnung gezogen isL Be-
sonders der letztere Umstand bewirkt, dafs die Angabe
117,5 gegen die anderen etwas zu hoch und deätidta && ta*-
570
mit berechneten Werthe etwas zu grofs ausfallen. Auf die
Mitlelwerthe hat das jedoch natürlich mir eiueu verschwin-
denden Eiutlufs.
5. Ein auffallendes Verhalten zeigen die Verrninderun
gen der Spannkraft des Wasserdampfca aus Lösungen von
Kalihydrat in den verschiedenen Tempera lu reu. Ich habe
auch hier wie in meinen frühem Mitteilungen über diesen
Gegenstand, die Verminderungen als Functionen der Spann-
kraft des Wasserdampfes ans reinem Wasser betrachtet und
demgemäß einen Intcrpulaliousausdruck für dieselbeu be-
rechnet. Da zeigt sich denn, dafs die Verminderungen nicht
durch einen solchen Ausdruck wiedergegeben werden kön-
nen, sondern dafs der Verlauf derselben in niederem Tem-
peraturen ein anderer ist als in höhern.
Bezeichnen wir mit V die der Spannkraft T des Dam-
pfes aus reinem Wasser entsprechende Verminderung der
Spannkraft durch einen Theil des fünffachen Kalibydrats
gelöst in 100 Wasser, so lassen sich die Verminderungen,
wie eine Verpleichung der üben als berechnet angegebe
neu Verminderungen mit den beobachteleu zeigt, wieder
geben durch
K= 0,003320 3»— 0,00000132 7"
bis zu 52",81C., also T= 105,767
und von da alt bis zur Siedetemperatur des Wassers durch
K = 0,002863 T.
Während die Verminderungen der Spannkraft also bis ge
gen 53" langsamer wachsen als die Spannkraft des Was-
scrd.imnfcs nehmen sie von da ab propuriional derselben
zu. Worin der Grund dieser Erscheinung liegt ist nicht
abzusehen, besonders da sich sonst keine Verschiedenheil
in dem Verhalten des Salzes unterhalb oder oberhalb die-
ser Temperatur zeigt.
Siuunikriift dea \Vn*serdiiiB|iie!» uns Lüsuugca von Natronhydra!.
(i. Es wurden drei Losungen von Nalrouhydiat unter-
sucht, welche aus reinem geschmolzenen Salze hergestellt
waren und 10 — 2tt - - ■,.W'fWc einfaches Hydrat auf IUI! i
371
Wasser enthielten. Das Verhallen dieser Lösaugen war,
wie folgende Tabelle ergiebt, ähnlich wie bei den Kalilö-
sungen.
Temperatur
Spannkraft du
Vw
mindtrungtn durch
VVaiKrdampli
10
20
30
14,50
12,298
1,247
2,643
3,840
»,20
17,606
1,645
3,544
6,544
22,73
20,594
1,494
3,735
4,910
25,06
23,642
1,792
4,032
6,720
27,88
27,900
2.040
4,925
7,860
30,72
32^69
2,586
5,719
9,045
31,05
33,199
2,980
5,768
9,248
32,80
36.991
2,930
6,560
10,336
34,63
41,021
2,936
7,100
11,248
35,66
41,953
3,431
7,362
11,893
37,93
49,284
3,871
8,291
13,276
38,30
50,021
3,814
8,412
13,421»
40,50
56,406
4.052
9,371
15,083
42,70
63,355
4,653
10,653
17,028
43,68
66,685
6,202
1 1,«58
17,600
45,68
73,947
5,300
12,044
19,325
48,03
8^328
5,948
13,740
21,997
49.28
89,229
7,135
14,921
23,594
60,75
95,492
6,720
15,200
24,427
52,75
105,287
7,612
16,897
27,000
64,28
113,133
8,954
18,399
29,654
56,05
123,544
8,854
19,602
31,325
57,65
133,313
9,549
21,254
33,909
58,63
139,630
10,198
22,295
35,356
60,28
150,553
11,196
24,143
38,286
62,40
166,218
12,004
26,278
41,535
64.30
181,181
13,372
29,356
45,318
65,42
190,315
13,662
29,950
47,569
67,60
210,000
14,968
33,153
52,156
69,36
226,165
16.551
35,605
56,401
70,65
239,788
17,213
37,178
72,00
254,073
18,589
39,833
_
73,40
269.727
19,657
41,914
75,43
293,814
21,422
45,797
77,15
315,581
23,31)0
49,856
79,33
346,206
25,110
53,292
81,16
371,709
27,374
57,755
82,58
393,517
28,196
60,524
83.38
406,253
29,672
63,013
84,70
428,016
32.221
66,924
85,63
443,827
31,600
68,000
87,15
470,655
33,769
72,485 "
_
89,43
614,215
37,447
78,500
91,25
550,935
40,337
S4,US
\ —
Tcruprralur
'C
SpinnVrjfi de*
Wii«rd«»pk
Verminderungen durch
II) 1 20 | 30
93*28
95.43
97,10
99,50
594,596
643,890
6S7.020
"47,500
42,338
45,911
52,983
54,150
90,512
97,439
107,350
114,295
-
7. Auch hier isl sofort ersichtlich, dafs die Verminde-
rungen der Spannkraft des Wasserdampf es aus den ver-
schiedenen Losungen bei gleicher Temperatur in einein an-
dern Verhältnisse stehen als die Procentgchalle der darge-
stellten Lüsuugcn an einfachem Nalronhydrat, Bekanntlich
krystallisirt aber auch aus einer Losung von Nalronhvdrat
bei niedrigerer Temperatur eine Verbindung von Natron
mit Wasser, welche mehr Wasser enthält als das einfache
Hydrat, deren Wassergehalt aber noch nicht bestimmt ist.
Gestützt auf die beim Kalihydrat, sowie auf die sofort mit-
zuteilenden, beim Chlorcaldum beobachteten, Thatsachen
nmfs man nun annehmen, dafs auch beim Natronhjdrat die
Spaunkraftsveruiindcrungen bei verschieden concentrirteu
Losungen fortschreiten nach dem Procentgehalte an diesem
zweiten Hydrate, dessen Wassergehalt wir darnach bestim-
me» können. Das Verhältnis der Verminderungen der
Spannkraft des Wasserdampfes aus den verschiedenen Lo-
sungen bei gleicher Temperatur ist
1:2,11:3,5,
Ein gleiches Vcrhälinifs im Procentgchalle der Lösungen
erhalten wir bei der Annahme, dafs das einfache Hydrat
noch drei Aequivalentc Wasser aufnehme und dieses vier-
fache Hydrat als solches in der Losung vorhanden sey und
vermindernd auf die Spannkraft des Wasserdampfes ein-
wirke. Denn 100 Tlieile des einfachen Hydrat einhalten
77,50 Natron
22,5 Wasser.
Bei der Bildung des vierfachen Hydrats nehmen 100
Thcile des einlachen also noch auf
61 £ Wasser
573
oder 10 Theile nehmen aus dem Lösungswasser auf 6,75
Wasser und diese
16,75 Salz lösen sich in 93,25 Wasser
und bilden eine Lösung von 17,9 Proc
Ebenso berechnet geben die
beiden andern also die 20 Proc 38,7 Proc.
• » 30 » 63,0 •
Mit Zugrundelegung dieser Zahlen ist folgende Tabelle be-
redinet; eine Multiplication der ab beobachtete aufgeführ-
ten Mittelzahlen wird die Verminderungen für jede der drei
Lösungen wiedergeben, mit Abweichungen nur, welche die
Gränzen der Beobachtungsfehler nicht überschreiten. Die
als berechnet angegebenen Werthe sind nach der unten
aufgestellten Interpolationsformel bestimmt.
Verminderungen der Spannkraft dnrch 1 Theil vierfaches Natronhydrai
anf 100 Wasser.
Temperat.
Beob.
Ber.
Temperat.
°C.
Beob.
Ber.
14,50
0,065
0,050
60,28
0,613
0,613
20,20
0,088
0,072
62,40
0,665
0,678
22,73
0,084
0,084
64,30
0,735
0,738
25,06
0,105
0,098
65,42
0,766
0,776
27,88
0,123
0,115
67,60
0,842
0,858
30,72
0,146
0,135
69,36
0,920
0,924
31,05
0,147
0,137
70,65
0,956
0,958
32,80
0,166
0,151
72,00
1,043
1,039
34,65
0,177
0,168
73,40
1,100
1,100
35,66
0,190
0,172
75,43
1,200
1,198
37,93
0,210
0,203
77,15
1,306
1.288
38,30
0,212
0,204
79,33
1,400
1,414
40,30
0,231
0,231
81,16
1,520
1,518
42,70
0.271
0,259
82,58
1,584
1,606
43,68
0,282
0,273
83,38
1,654
1,660
45,68
0,305
0,303
84,70
1,760
1,750
48,03
0,347
0,341
85,63
1,780
1,811
49,28
0,380
0,365
87,15
1,900
1,921
50,75
0,389
0,390
89,43
2,070
2,101
52,75
0,432
0,437
91,25
2,230
2,248
54,28
0,479
0,463
93,28
2,371
2,420
56,05
0,502
0,503
95,43
2,560
2,619
57,65
0,544
0,544
97,20
2,863
2,809
58,66
0,570
0,568
99,55
a,w&
\ *jfet
1
574
8. Die lDterpoIalionsforincl. nach welcher die als be-
rechnet angeführten Wcrlhe bestimmt sind, uutl welche,
wie eine Vcrgleichung der entsprechenden Reihen ergieht,
Eich mit grofser Genauigkeit den beobachteten Wcrlhcii
anschliefst, ist
V = 11,004089 T
worin I die der Spannkraft, T des Dampfes von reinem
Wasser entsprechende Verminderung bedeutet.
Die Verminderungen der Spannkraft durch gelöstes Na-
tronhydrat wachsen also in demselben Verhällnifs wie die
Spannkraft des Wasserdampfes.
Spannkraft de» Wawerdaropfes aus Lilsungea von Chlore nlciutn.
9. Die drei untersuchten Lösungen von 7,5 — 15—30
Thcilen wasserfreien Chlorcalcium auf 100 Thcilcn Wasser,
waren von reinem vorsichtig geschmolzenen Salze herge-
stellt. Eine Spur basischen Salzes, welche eine schwache
Trübung der Losung anzeigte, wurde durch den Zusatz
eines Tropfens Salzsäure zu etwa 40 Grm. Lösung fortge-
schafft. Auch hier zeigt es sich, dafs die Verminderungen
der Spannkraft aus verschieden concentrirlen Lösungen nicht
fortschreiten wie die Quantitäten gelüsten wasserfreien Sal-
zes, sondern wie diejenigen des in der Lösung gebildeten
Hydrates
CaCl-|-6a<i.
Berechnen wir unter dieser Voraussetzung in derselben
Weise wie vorhin die Proccntgehalte der drei hergestell-
ten Lösungen, so ergiebt sich
15,8 anstatt 7,5
31.4 » 15
83.5 « 30
In demselben Verhältnisse stehen aber auch die Vcnninde-
rungeu der Spannkraft bei gleicher Temperatur, denn eine
Multiplication des Mittclwerthes für 1 Thcil Salz auf 100
Wasser, welcher in der 6. Cotumiic aufgeführt ist mit obi-
geu Zahlen, ergiebt die beobachteten Verminderungen. Die
als berechnet aufgeführten Mittelwert!» sind nach der ou-
ten angeführten Interpolationsformel bestimmt.
Tempern.
•c.
Spannkrifi
du Wa.-
v™
n dt rangen
doreK
Mittel ra
r 1 Proe.
.erdimpf.
15,8 Prot.
34,4 Proc.
83,5 Prw
Beob.
Her.
16,211
13,710
0,498
0,972
2,795
0,032
0,032
18,40
15,747
0,697
1,096
3,293
0,038
0,038
19,81
17,212
0,697
1,345
3,633
0,042
0,043
30,40
17,826
0,096
1,442
3,633
0,043
0,044
21,85
19,479
1,096
1,841
4,181
0,053
0,049
23,28
21,272
1,295
2,140
4,67»
0,061
0,054
26,0»
25,058
1,192
2,228
5,224
0.066
0,062
28,35
28,684
1,388
2,579
6,052
0,075
0,071
32,22
35,800
1,585
3,075
7,442
0,091
0,086
34,C0
41,695
1,635
3,470
8,235
0,100
0,100
37,50
48,261
2,182
4,368
9,831
0,123
0,118
38,93
51,866
2,481
4,466
10,726
0,132
0,127
40,66
56,708
2,678
4,956
11,558
0,141
0,13»
43,06
64,496
2,977
6,137
13,0110
0,166
0,156
45,56
73,274
2,976
5,936
14,522
0,176
0,177
48,69
86,210
3,118
6,931
18,850
0,202
0,2118
61,70
100,078
3,962
8,119
20,043
0,241
0,242
63,00
106,636
4,160
8.312
21,107
0,252
0,256
65,69
121,514
4.359
9,247
23,982
0,282
0,291
68,30
137,458
4,949
10,472
26,764
0,317
0,329
58,70
140,062
6,088
11,549
28,382
0,338
0,336
60,00
148,791
5,277
11,250
28,698
0,340
0.353
60,60
153,019
6,376
12,04S
29,357
0,352
0.365
62,2t)
165,456
6,265
13,643
33,256
0,399
0,385
63,13
171,583
6,166
13,602
33,253
0,399
0,407
61,10
179,537
6,413
13,796
34,897
0,414
0,426
65,64
191,075
7,593
15,975
39,136
0,463
0,453
68,45
217,902
7,789
16,918
42,722
0,507
0,512
70,60
239,273
8,421
18,702
46,702
0,547
0,559
72,20
256,287
8,632
19,872
40,311
0,585
0,599
74,38
281,908
9,251
21,170
53,156
0,628
0,653
76,83
311,429
10,946
24,012
59,475
0,710
0,719
78,80
337,747
1 1,685
25.512
64,236
0,762
0,774
80,60
303,427
1 1,938
27,00»
68,182
0,806
0,829
82,63
393,831
13,209
29,462
74,498
0,881
0,892
84,80
429,516
14,419
33,095
81,356
0,969
0,966
86,50
459,212
15,351
34,222
86,224
1.021
1,025
87,65
480,175
16.000
36,221
90.472
1,073
1,068
80,63
524,150
18,052
40,000
96,282
1,161
1,153
92,20
571,031
18,743
42,838
102,301
1.232
1,257
94,65
825,630
20,348
46,853
113,717
1,360
1,343
96,85
678,310
22,348
50,856
123,723
1,480
1,438
99,30
741,280
23,000
53,918
133,514
1,582
1,5-17
576
Man sieht, dafs auch bei Losungen von Chlorcalciuni
die Verminderungen der Spannkraft des Wasser dampfes
aus verschiedenen Lösungen bei gleichen Temperaturen fort-
schreiten nach den Mengen des gelösten Hvdrates. Es würde
das zu dein Schlüsse führen, dafs das Hydrat selbst bis zu
100° beständig; $ey und sein Krvslallwasser nicht verliere,
d. h. keine eigene Spannkraft des Dampfes besitze. 'Wenn
man jedoch Kristalle dieses Salzes in der S omni erwärme
im luftleeren Räume über Schwefelsäure liegen läfst, so ver-
lieren sie 4 Atome Wasser und es bildet sich ein Salz voa
der Zusammensetzung CaCI-+2aq. Daraus scheint hervor-
zugehen, dafs unter diesen Umständen das Salz dennoch
eine eigene Spannkraft besitz!, indem der Verlust des Krv-
stallwassers doch nur von einein Verdunsten desselben her-
rühren kann. Man mufs daraus schliefen, dafs dieses Sah
sich ganz anders verhält, wenn es in Losung ist, als wenn
es selbstständig dem Verdampfen ausgesetzt ist, da sieh sonst
in den Zahlen der Verminderungen über oder unter der
Temperatur, bei welcher das Salz anfängt sein Krvstall-
wasser zum Theil abzugeben, nuthwendig eine Discontinui-
täl zeigen inufsle. Es ist mir bisher nicht gelungen über
diesen scheinbaren Widerspruch Aufschlufs zu erhalten.
10. Die beobachteten Werthe führen auf folgende lo-
tcrpolalionsfurmel
F" = 0,002J7i T — 0,000000522 7",
worin wie früher V die der Spannkraft, T des Dampfes
aus reinem Wasser entsprechende Verminderung durch 1 Th.
Ca 0+6 an., bedeutet.
Es ist auffallend, dafs die beobachteten Venuindenin
gen sich so durch eine lnterpolalionsformel wiedergeben
lassen, indem eigentlich zu erwarten war, dafs auch hier
aus dem vorhin erwähnten Grunde eine Stetigkcitsuntcr-
brechung dort eintreten würde, wo das Salz sich schon ...
seinem Krystallwasser löst, ja wo sogar das Kry stall wasser
noch mehr Salz zu lösen im Stande ist. Wann eine solche
577
Aenderung im Verhalten des Salzes eintritt, welche jeden-
falls eintreten urafs, da das Hydrat des Salzes einen festen
Siedepunkt bat, und da selbst Lösungen, in denen weni-
ger als 6 Aequivalente Wasser vorbanden sind, bei be-
stimmten Temperaturen sieden, wird bei einer Betrachtung
der Salzlösungen in höhern Temperaturen als 100° zu ver-
folgen seyn.
11. Die bisher mitgetheilten Messungen der Spann-
kraftsverminderungen durch gelöste wasserhaltige Salze zei-
gen also im Gegensatz zu der früher an den schwefelsau-
ren Salzen des Natrons und Kupfers beobachteten That-
sacbe, dafs es wasserhaltige Salze giebt, welche trocken
gelöst, wenigstens innerhalb der angewandten ziemlich wei-
ten Concentrationsgränzen, in der Lösung mit ihrem Kiy-
stallwasser verbunden, auf die Wassertheilchen anziehend
und die Spannkraft des Wasserdampfes vermindernd ein-
wirken. An einer Anzahl anderer Lösungen wasserhalti-
ger Salze habe ich jedoch die frühem Beobachtungen be-
stätigt gefunden an Salzen, welche den verschiedensten
Gruppen, in welche man die wasserhaltigen Salze theilen
kann, angehören. Ich erlaube mir einige dieser Messungen,
welche ich unter andern am schwefelsauren Nickeloxyd,
am salpetersauren Kalk und am c phosphorsauren Natron
gemacht habe, hier mitzutheilen, ohne jedoch die vollstän-
digen Reihen vorzuführen. Denn da sich in Bezug auf den
Verlauf der Verminderungen bei verschiedenen Tempera-
turen durchaus nichts gesetzmäfsiges erkennen lädst, so
bieten diese Zahlen nur das Interesse dar, dafs sie zeigen
welche Salze, wie das Glaubersalz, in verschiedenen Men-
gen gelöst, die Spannkraft des Dampfes vermindern pro-
portional den Mengen des gelösten wasserfreien Salzes.
Die Lösungen des Nickelsalzes wurden aus dem noch mit
seinem Haihydrat verbundenen Salze hergestellt und die
Mengen so berechnet, dafs die Lösungen 10 respective
20 Theile des wasserfreien Salzes enthielten. Der salpe-
tersaure Kalk wurde trocken angewandt, die Lösungen ent-
PoggendorfPi Aonal. Bd. CX. ^
PO1
hielten 20 — 10 Theile wasserfreien Salzes; eine Spur ba-
sischen Salzes, welche sich trotz aller Vorsicht beim Trock-
nen gebildet, wurde durch einen Tropfen Salpetersäure auf
etwa 40 Grni. der Losungen fortgeschafft.
Das angewandte phosphorsaure Natron war das neu-
trale "phospborsaure von der Formel
2NaO
HO
und die Lösungen zu 12,5 und 25 Theilen dieses Salzes
auf 100 Wasser hergestellt. Die Zahlen zeigen, dafs die
Verminderungen proportional sind den gelöste u Mengen
obigen Salzes. Es ist das auch nicht auffallend, da dieses
Acquivalent Wasser nicht Kr^vstallwasser, sondern basisches
Wasser ist, welches ohne die ganze Natur des Salzes zu
andern, nicht fortgeschafft werden kann.
Die Losungen konnten erst von etwa 40" C. an unter-
sucht werden, da ein Theil in beiden Lösungen im Baro-
meter herauskryslallisirl war und sich erst bei dieser Tem-
peratur wieder vollständig gelöst hatte.
Verminderungen der Spannkraft des Waaserdarapfea durch scbwefel-
aniiies Mckeloijd.
tmtsr
SpanokrapL du
Vcrmindrr
10 IV»
mg» du«h
20 P™
48,69
86,21
1,73
3.12
51,70
1(10,07
1,63
3,95
58,63
140,06
2,97
5,80
60,80
153,29
2,92
5,81)
62,28
165,45
3,26
6,47
65,64
191.07
3,95
68,45
9 17,90
4,19
8,00
70,60
239,27
4,14
8.63
74,38
281.90
4,23
9,66
78,80
337,74
5,71
11,84
82,63
393,83
7,40
14,25
84,80
429,51
8,05
15.8?
86,50
459,21
8,65
16,01
89,93
524,15
9,33
19,05
02,20
571,03
10,52
20,65
94,65
625,63
11,31
22,62
9(i,85
678,31
12,31
24,71
99,30
T«,1»
13,20
25,90
fernlBderug der Spuaknft de« Wamcrdsapfi» durch Mlpeterwa-
ron Kalk.
Terap„„ur
Spannkraft du
WaaKrdampfi
Vfraindcruagen doreh
•c.
20 Proc. 1 40 Ptdc.
25*,00
23,55
1,50
3,30
27 ,62
26,45
1,80
3,65
29 ,80
31,14
2,00
4,40
31 ,80
35,00
2,34
4,65
33 ,60
38,62
2,35
5,12
36 ,00
44,20
3,09
6,00
37 ,43
48,73
3,09
6,10
39 ,75
54,16
3,34
6,77
41 ,00
67,91
3,73
7,27
43 ,20
64,20
4,65
8,25
45 ,70
73,98
4,70
9,09
47 ,50
81,14
5,00
10,00
49 ,40
89,21
5,33
10,86
51 ,20
97,02
N96
11,92
53 ,40
108,75
6,55
13,00
55 ,G5
120,89
7,55
15,00
57 ,45
131,73
8,40
16,39
59 ,40
144,69
8,74
17,48
62 ,80
169,25
10,13
19,87
64 ,22
180,37
10,92
21,15
65 ,10
187,79
11,26
21,83
67 ,60
209,89
13,10
25,81
69 ,40
227,12
14,41
28,05
Temperatur
*C.
Spannkraft du
D|eu dorrt
WuttitUmpft
12^ Proc
25 Proc
37,4
48,73
1,15
__
39,75
54,16
1,60
2,90
41.00
57,91
1,75
3,50
43,20
64,20
1,95
4,05
45,70
73,98
2,18
4,3«
47,50
81,14
2,19
4,6»
49,40
89,21
2,45
4,90
51.20
97,62
2,85
6,40
53,30
108,75
3,25
8,35
55,65
120,89
3,60
7,75
57,45
131,73
4,00
7,50 '
59,30
144,69
4,10
8,16
62,70
169,25
4,75
9,55
64,25
1803?
5,30
10,60
65,10
187,79
6,40
10,40
67,60
209,89
6,30
12,15
Vermindern
neen durch
"C.
vv.„„i.nipi;
12,5 Prof. | 25 Prot.
69,40
«1 7.12
6,85
12,85
71,07
244,09
",40
15,30
73,2(1
267.42
8,40
15,90
75,30
291,17
8.05
16.70
7H,20
329,53
10.40
20,00
81,62
378,34
11,00 "
21.50
84,50
424,61
12,00
36.00
12. Es zeigt sich also bei den uut ersuchten Salzen, dafs
die wasserhalligen Salze in Bezug auf die Verminderung
der Spannkraft sich verschieden verhallen, dafs eine Au-
zahl derselben die Spannkraft derselben vermindert mit ih-
rem Wassergehalt verbunden, dafs ein Theil Salz mit dem
betreffenden Krystallwasser verbunden die Einheit giebt,
narli welcher bei verschieden concenlrirleu Lösungen die
Verminderungen fortschreiten, während bei andern das
trockne wasserfreie Salz als wirksam angenommen werden
iiiiii's. Die untersuchten Salze zerfallen aber auch sonst,
mit einer Ausnahme allerdings, in zwei Gruppen, welche
sich gegen Wasser verschieden verhalten. Die Salze, wel-
che die Spannkraft des Dampfes veräudern als wasserhal-
tige, sind Kalihydrat, Natron hydrat und Chlorcalciuui, alle
drei zcrfliefsliche Salze, während die sich anders verhal-
tenden Salze theils verwitternde theils beständige zu nen-
nen sind. Glaubersalz und phosphorsaures Natron geben
an der Luft liegend ihr Krystallwasser ab und verwittern,
ersteres vollständig, letzleres zum grofsen Theil. Das
schwefelsaure Kupferoxyd verliert einen Theil seines Kry-
Gtallwassers an einem lauwarmen Orte aufbewahrt, und in
einer Temperatur über 4(1" verwittert es vollständig. Das
schwefelsaure Nickeloxyd in gewöhnlicher Luft beständig,
verwittert in trockner Luft. Das fünfte der Salze, welches
sich ebenso wie die letzteren verhielt, der Salpetersäure Kalk,
verwittert jedoch nicht, sondern ist in feuchter Luft zerßiefs-
lich. Er ist jedoch kcincnfalls so hygroskopisch als die drei
Salze der ersten Reibe, wie sein Vorkommen als Maucr-
saJpefer beweist, der errt m a&a WAt« Luft zerlliefst
581
verschie-
Da nun sonst die untersuchten Salze zu den
dunsten Gruppen gehören, so scheint mir aus den erhal-
tenen Zahlen der Schlufs berechtigt: dafs diejenigen was-
serhaltigen Sähe, welche das Wasser stark anziehen, die
eigentlich zerßiefs liehen Salze, in Verbindung mit ihrem
Krystallwasser vermindernd auf die Spannkraft des Wasser-
dampfes einwirken, während diejenigen, welche weniger in-
nig mit ihrem Krystallwasser sich verbinden, die verwit-
ternden oder beständigen Salze in Bezug auf die Vermin-
derung der Spannkraft des Dampfes als wasserfreie Salze
wirken.
Ganz scharf läfst sich jedoch, wie das Verhalten des
Salpetersäuren Kalks zeigt, die Grunze nicht ziehen; denn
da derselbe doch entschieden ein hygroskopisches Salz ist,
so sollte man eher veniiulhcn, dafs er zur erstem Gruppe
gehöre, dafs er sich wie Chlorcalciuui verhalte. Es scheint
daraus hervorzugehen, dafs es einer sehr innigen Anziehung
des Salzes zum Wasser bedarf, damit das Salz mit dem
Krystallwasser verbunden anziehend auf die Wassertheile
des Losungswassers einwirke.
13. In der bereits oben erwähnten Mitiheilung habe
aus dein Verhalten des Glaubersalzes den Schlufs ge-
igen, dafs dieses Salz in der Lösung nicht mit seinem Kry-
stallwasser verbunden sey, oder wenn man den Schlufs
als zu gewagt nicht gestatten wolle, wenigstens dafs eine
Aenderung in der Constitution des gelüsten Salzes im Punkte
der gröfsten Löslichkeil nicht stattfinde, da eine solche sich
durch einen besonderu Punkt in der Spannkraflscurve habe
kennzeichnen müssen. Es läfst sich zwar nicht leugnen,
dafs einige an Glaubcrsalzlosuugen beobachtete Thatsachcn,
besonders das Ausscheiden wasserfreien Salzes aus gesät-
tigten Lösungen in Temperaturen über 33", während in
niedrigeren Temperaturen stets das wasserhaltige Salz her-
auskrystalüsirt, sehr für die gewöhnliche Erklärnngswcisc
der abnormen Lüslichkeilsverhällnissc. zu sprechen scheinen;
aber mit den hier angeführten Beobachlui
selbe nicht bestehen. Der Unterschied \u tlüva N «,Avj&.«,\\
582
der wasserhaltigen Salze läfst eich Dur durch einen Unter-
schied in der Constitution der Lösung erklären und dieser
kann kein anderer ecyn , als data die Salze entweder als
wasserhaltige oder als wasserfreie gelost sind. Dicjenigcu
Salze, welche als wasserhaltige gelöst sind, welche in der
Lösung bereits mit ihrem Krystollwasser vcrbuuden sind,
vermindern auch die Spannkraft als solche, bei denjenigen
Lösungen aber, in welchen das Salz als wasserfreies gelöst
■st, schreiten bei verschieden concenlrirten Lösungen die
Verminderungen der Spannkraft nach dem Frocentgchaltc
der Lösungen an wasserfreien Salzeu fort.
Es ist daher der Schlufs wohl berechtigt, dar« die
schwefelsauren Salze des Natrous, des Nickels, des Kup-
fers, Eowic alle diejenigen Salze, welche sich wie diese
verhalten, nicht als wasserhaltige gelöst sind, sondern ersl
beim Herauskrystallisiren aus der Lösung ihr Krystallwas-
ser au sich nehmen; während es andererseits eine Reibe
wasserhaltiger Salze giebt, welche bereits in der Losung
mit ihrem Krvstallwasser verbunden sind.
IV. XJeher eine neue Art stereoskopiseker Erschei-
nungen; Pon F. August, st uil. rnath.
lliS ist der Zweck dieser Arbeit, einen Versuch mitzolheL
len, der für die Theorie des binocularen Sehens von Wich-
tigkeit zu seyn scheint.
Wheatstone hat bekanntlich') wegen des stereosko-
pischen Sehens die Lehre von den identischen Netzhaot-
stellen in Frage gezogen, da man ja einen Körper von ge-
1) Phlilot. Transaclioni 1838, Bd. II, p. 371. - Pogg. Ann. Erfio-
■UDglbd. I, S. 1.
583
hörigen Dimensionen , vorzüglich in der Entfernung des
deutlichen Sehens, einfach körperlich sehe, während doch
unmöglich alle entsprechenden Punkte von den Bildern, die
die Augen entwerfen , auf entsprechende Netzhautstellen
fallen könnten. Dieser Angriff konnte indessen die Phy-
siologie nicht bewegen, die. durch viele andere Gründe ge-
sicherte Theorie der identischen Netzhautstellen aufzuge-
ben; es bat vielmehr Brücke ') eine, jetzt ziemlich allge-
mein geltende, Erklärung des körperlichen Sehens gegeben,
welche den Widerspruch zu lösen schien. Nach Brücke
nämlich sind die Augen niemals in Ruhe, sondern machen
beständig kleine Bewegungen, vermöge deren allmählich
die Bilder anderer und anderer Punkte des gesehenen Kör-
pers in den beiden Augen auf entsprechende NetzhautBtei-
Jen fallen, und so, einfach gesehen, zum Bewuftseyn kom-
men , während dieselben Punkte bei einer andern Lage des
Auges, wo sie auf nicht identische Netzhautstellen fallen,
dem Bewufstseyn entgehen, welches überhaupt nur mit Wi-
derstreben Doppelbilder wahrnimmt. Die durch identische
Netzhautstellen wahrgenommenen Eindrücke dagegen über-
dauern die Periode der Augenbewegung (wenn dieser Aus-
druck gestattet ist) und so haben wir beständig die Vor-
stellung des ganzen Körpers, dessen Dimensionen wir nach
den Unterschieden iu der Convergenz entsprechender Strah-
len taxireu. Hiergegen hat Dove eingewandt, dafs man
die beiden Bilder eines Stereoskops bei der fast momenta-
nen Beleuchtung durch den elektrischen Funken körperlich
vereinigt sehen könne; doch liefse sich diefe auch dusch
eiue ungeheuer schnelle Bewegung des Auges erklären, mag
dieselbe auch unwahrscheinlich genug seyn. Man ist des-
halb noch vielfach bei der Brücke' sehen Theorie stehen
geblieben, die ja auch von der gründlichen Untersuchung
Meifsner's *) über den Horopter und die Lage der iden-
tischen Netzhautstellen uud von dem daran sich knüpfen-
1) MulUr'i Archiv 1841.
2) Beilrige Mir Physiologie des Sehorgan», Lt\pu% V&V
den Streit ganz unabhängig ist, und neben derselben eii-
stirl. ohne wesentlich dadurch inodificirt zu werden.
2.
Der oben angekündigte Versuch ist nun folgender: Ein
dünner cylindrischcr Metallstab, möglichst gerade und glatt
polirt, wird so mit einer festen Axc verbunden, .bis seine
geometrische Axe dieselbe senkrecht durchschneidet. Der
Versuch läfst sich mit hinreichender Genauigkeit anstellen,
wenn man zwei Stricknadeln so durch einen Kork steckt,
dafs sie hart aneinander vorübergehen und einen rechten
Winkel mit einander bilden. Die eine Nadel bildet den
zu schwingenden Stab, die andere die Axe. Hält man uuu
den Slab, zunächst ohne ihn zu drehen, ins Sonnenlicht,
und betrachtet ihn mit einem Auge von irgend einer Seite
her, so wird man irgendwo auf dein Stabe das Bild der
Sonne oder vielmehr einen hellen Fleck, den wir den Re.
üexionspunkt nennen wollen, wahrnehmen, vorausgesetzt
nämlich, dafs der Stab die gehörige Länge besitzt. Schliefet
man diefs Auge und betrachtet den Slab mit dem anderen
Auge, so wird man den Rellexionspunkt an einer anderen
Stelle wahrnehmen. Sieht man mit beiden Augen gleich-
zeitig, so wird man die y beiden Flecken an zwei verschie-
denen Punkten des Stabes wahrnehmen; denkt man sich
die Strahlen von jedem Reflexionspunkl nach dem entspre-
chenden Auge gezogen (sie mögeu die diesen Augen ent-
sprechenden Reflexionsstrahlen heifsen), so ist klar, dafs
dieselben im Allgemeinen gegen einander windschief liegen;
in einer Ebene können sie nur liegen, wenn der Stab selbst
in einer Ebene liegt mit der Verbindungslinie der optischen
Mittelpunkte beider Augen, die wir, wie üblich, die Grund-
linie nennen werden. Läfst man nun den Stab rotiren,
so wird jeder der beiden Reflexiouspunkte auf dem Stabe
seine Lage ändern, also eine Curve in der Drehungsebene
beschreiben; diese wird bei hinlänglich schneller Drehung
continuirlich leuchtend erscheinen, wenn man sie mit einem
Auge betrachtet; eine etwas andere Curve sieht man, wenn
mau mit dem anderen rVafct de« Auoarat betrachtet. Sieht
585
man mit beiden Augen zugleich, so wird man im Allgemei-
nen nicht, wie man erwarten könnte, zwei in der Dre-
bungsebene liegende Curven erblicken, sondern eine ein-
zige ans, dieser Ebene herausgetretene räumliche Curve,
n8mlich einen Durchschnitt derjenigen conischen Flächen,
welche die beiden Reflexionsstrahlen während der Drehung
beschreiben.
3.
Vor der weiteren Besprechung des Versuchs und sei-
ner Consequenzen sey eine kurze analytische Herleitung
gestattet
Die Drehungsaxe sey die z Axe, die Ebene, in der sich
der Stab dreht, die xy Ebene. Der Anfangspunkt der Coor-
dinaten 0 habe von dem Auge A die -Entfernung r; die Li-
nie OA bilde die Winkel a, ß, y mit den drei Coordina-
tenaxen. Die parallel auffallenden Lichtstrahlen bilden mit
denselben die Winkel a„ /?,, yt. Wir können aber die
x und y Axe so legen, dafs die yAxe in die durch die »Axe
und den in 0 auffallenden Lichtstrahl bestimmte Ebene fällt;
d.h. «1=90°, /?l=90°— /,. Der Stab, den wir als un-
endlich dünn betrachten, bildet in seiner augenblicklichen
Lage den Winkel rp mit der positiven x Axe. Wie grofs
ist die Entfernung des Reflexionspunktes R von 0, die wir
p nennen? Nun ist zunächst der Winkel ROA einfach zu
bestimmen, nämlich:
cos R 0 A = cos tf cos a + sin qp cos/9.
Der Winkel, den der Reflexionsstrahl mit dem Stabe bil-
det, ARO ist gleich dem Winkel, den die Lichtstrahlen
mit dem Stabe bilden (wie aus der cylindrischen Form des
Stabes folgt) also ist
cos AR 0=s\nyl sinqp.
Es ist uns also in dem Dreiecke AOR bekannt AO = r,
Winkel ARO und AOR. Die Trigonometrie ergiebt:
AR = Q = Ä--ÄR0
and dieCs weiter entwickelt ergiebt als G\e\ch\m% tat Otxs«.
1
t,=r|™,¥co,n+J1Q?cu^+.,oyil,DTV ,_,;„,,„;„,,, J
Also im Allgemeinen eine Curve sechsten Grades (die übri-
gen« immer geschlossen ist, wenn nicht y, = 90° wird, utid
die stets durch den Anfangspunkt geht.
Für den Fall, dal's die Licht&lrahlen parallel der Dre-
kungsaxe auffallen, wird ;,=(!, also füllt aus der Glei-
chung der Wurzclausdruck fort, und die Gleichung wird
auf rechtwinklige Coordiuateu bezogen:
(x-^cos«)* + (y— fcos,?)* =TsinV,
d. b. ein Kreis, der die Protection vou OR zum Durch-
meiser hat. Dieser Kreis ist der Durchschnitt der Dre-
huiigsebcue und einer Kugel mit dem Durchmesser OA=r.
[Diese Betrachtung ist sehr anschaulich, da mau leicht ver-
folgen kann, dafs der Reuexionsttrahi mit dein Stab« eines
rechten Winkel bildet, der bekannten Eigenschaft der Ku-
gel wegen.]
Die leicht herzuleitende Gleichung des durch diesen
Kreis als Basis gehenden Kegels mit dein Scheitel A keifst:
(a^H-y^cos* y — 3 1 cos« cos p1 — »ycos^cosj-
-r-srsiu* ycosy — rxeo^ytoia — rycos' j- cos (2=0.
Stellen wir nun die Augen symmetrisch zur Ebene der yi,
d. h. so dafs die Winkel werden für beide Augen ß mit der
y Axc, y mit der cA*e, « für das eine mit der s&Axe, für das
andere 180" — a, so erhalten wir den Kegel für das andere
Auge:
(:r'-r-t/5)co85 y-j-zxcosacasß— zycosßco$y-i-
srsm'' ycosy-i-rxeos* yco&a — r (/ cos5 ;■ cos ,:?=".
Die Subtraclion beider Gleichungen ergiebt
2 3 a: cos« cos; +2r x cos1 y cos a=;(i
oder
2cosacosj'0:(3-f-rcosy)^l),
also durchschneiden sich die Kegel von den beiden Augen .
in zwei Ebenen: I) x=0 und 2) 3 = — rcosy.
Die Curve in der ersten Ebene ist eine Ellipse, Hyper-
bel oder Parabel. (tiet VaU, da(s sie ein Kreis wird, lafst
sich nicht reaUsiren.)
587
Corvo der »weiten Ebene *= — rcosy wird ein
Kreis: x* +y* =r* tin* y.
Der eben betrachtete sperielle Fall läfst sich experimen-
tell sehr einfach darstellen; die Drehungsaxe des Apparats
wird parallel den auffallenden Lichtstrahlen gerichtet, die
Augen sind so zu stellen, dafs sie beide gleichweit von 0
entfernt sind nnd gleichen Abstand von der Drehungsaxe
haben. [Da yt=0 ist, kann man die yAxe willkürlich in
der Drehungsaxe annehmen, ohne dafs die Formeln sich
ändern.] Bei dieser Stellung der Augen wird man als räum-
liches Bild einen Kreis finden parallel der Drehungsebene,
ebensoweit hinter derselben als die Augen davor, oder um-
gekehrt ebenso weit vor derselben als die Augen dahinter
[, dessen Mittelpunkt auf der Axe liegt und dessen Ra-
gleich dem Abstände eines jeden Auges von der Dre-
hungsaxe ist. Es stellt sich also genau der zweite der be-
rechneten Fälle dar, nicht der erste. Warum diefs letztere
eintritt, soll unten besprochen werden, es kam zunächst
darauf an, einen einfachen Fall des Experiments mit der
Berechnung zu vergleichen.
4.
Was nun das Experiment selbst betrifft, so ist noch zu
erwähnen, dafs das körperliche Bild sich besonders schön
zeigt, im Unterschied von den beiden Einzelbildern, wenn
die Drehungsebene parallel den Lichtstrahlen (also die Axe
senkrecht zu ihnen) steht und man seitlich von hinten auf
den Apparat sieht. Ferner tritt das Räumliche vorzüglich
deutlich hervor, wenn man zwei verschiedene Lichtquellen
hat; diese nämlich geben zwei verschiedene Curvcn, durch
deren Vergleichung der stereoskopische Eindruck vermehrt
wird.
Kaum angedeutet zu werden braucht es wohl, dafs man
statt der parallelen Strahlen des Sonnenlichtes auch jede
andere Lichtquelle mit divergirenden Strahlen benutzen
kann, und dafs selbst die Berechnung, wenn die Lichtquelle
nicht allzu nahe ist, mit hinreichender Annäherung beibe-
halten werden kann. Uebrigens ist die GVe\cWu% ta\ Oasn«
588
Im den Fall, dafs das Licht von einem Punkte /.. dessen
Entfernung von 0 = r, ist, wenn die Winkel, die OL
mit den Coordiuatenaxeu bildet, a, , ß„ y, sind, sehr leicht
aufzustellen und heilst:
r.nnLQR '_ _ rüaAOH
Vr,"*+7+2r, V«»LOH ~~ Yr'+it+iFfmA OB*
wo für LOR und AQU wie oben die Werthe eingeführt
werden müssen.
5.
Wenn oben angedeutet ist, dafs sieb die beiden Bilder
im Allgemeinen vereiniget), so gilt diese Allgemeinheit, wie
es scheint, in dem Grade, als es überhaupt möglich ist zwei
verschiedene Bilder zur Deckung zu bringeu. Bilder die
ihrer Dimension oder Gestall uach zu verschieden stud, ver-
einigen sich überhaupt nicht Stereoskop isch. Da nach der
Formel p direel proportional r (dein Abstände des Auges
vom Anfangspunkte) ist, so wird man um so Leichter ste-
reoskopischc Bilder erhalten, je weniger die Entfernungen
der beiden Augen vom Anfangspunkt sich unterscheiden;
es können aber auch, wcuu die Entfernungen beider Augcu
ganz gleich sind, die Winkel solche Verschiedenheiten her-
vorbringen, dafs die Bilder sich nicht decken, oder nur mit
Mühe zur Deckung gebracht werden können.
6.
Das Resultat, welches sich aus dem Experimente mit
Sicherheit ziehen lai'st, ist folgendes. Da zwei sieb zu einem
räumlichen Punkte vereinigende Punkte der Curvc nicht ;u
gleicher Zeit von den beiden Augen geschn werden, so ist
es nicht möglich, dafs mau die Augcu so aeeommudirt, dafs
entsprechende Punkte auf entsprechende Stellen der Netz-
haut ihr Bild werfen. Dafs die Augen sich im Voraus
einstellen, ist nicht denkbar, auch würde alsdann bei jeder
Umdrehung des Stabes nur ein Punkt einfach geselm wer-
den, alle anderen doppelt.
Es ist ferner nicht möglich, dafs mau die beidcu Curveu,
die in den beiden Augen entstehen, im Ganzen vergleicht
und nach einander VuuVA (vir Punkt auf entsprechende Neu- I
589
hautstellen fallen Iftfst; denn da die Bilder nur virtuell
sind, nur durch das Bleiben des Eindrucks im Auge her-
vorgebracht werden, so müfste das virtuelle Bild in einem
bewegten Auge anders als in einem ruhenden aussehn, das
von einem wirklichen Objecte herrührende Bild müfste da-
gegen in dem schnell bewegten Auge denselben Eindruck
machen wie in einem ruhenden. Da nun das virtuelle Bild
des auf der Curve entlang gehenden Reflexionspunktes voll-
kommen identisch mit der Curve selbst ist, was die Gestalt
betrifft, ^o kann das Auge keine irgend wie merklichen
Bewegungen machen. Oder anders ausgesprochen: Es würde
keine Bewegung des Auges zwei Nachbilder, die auf nicht
identischen Netzhautstellen liegen, auf identische Netzhaut-
stellen bringen, da ja natürlich die Nachbilder an diejenige
Stelle der Netzhaut gebannt sind, auf welcher sie erregt
wurden. Das Experiment berechtigt demnach wohl dazu,
die Brück e'sche Theorie des binocularen Sehens als un-
haltbar zu betrachten, zumal da sie schon durch Dove's
Einwand zweifelhaft gemacht war.
7.
Es fragt sich nun, wie sich denn der Versuch vereinigen
Ilfst mit der mannichfach bestätigten Lehre von den identi-
schen Nelzhautstellen. Und hierzu kann vielleicht das in
5. Gesagte einigen Anhalt geben. Wenn die beiden Curven
zu verschieden sind, geben sie kein stereoskopisches Bild; das
heilst: wenn die Bilder auf zu verschiedene Netzhautstellen
fallen, so einigt unsere Vorstellung sie nicht mehr. Es
ist ganz derselbe Fall, wie wenn wir einen Körper mit Di-_
mensionen, die für seinen Abstand vom Auge zu bedeutend
sind, betrachten; alsdann wird nur ein kleiner Theil des-
selben stereoskopisch erscheinen ; alles andere wird doppelt
gesehen werden. Die identischen Netzhautstellen würden
auf diese Weise praktisch, in Betreff des körperlichen Se-
hens die negative Bedeutung erhalten, dafs zwei partielle
Eindrücke sich nur dann zu einem einzigen vereinigen kön-
nen, wenn der in dem einen Auge nicht allzuweit von der
Stelle entfernt ist, welche dem Eindruck vrcv antares ksu^
identisch entspricht. Ist aber diese Bedingung erfüllt, so
erscheint das räumliche Bild im Durchschnitte der beiden
Strahlen, die mau Eich durch den Mittelpunkt eines jeden
Alices und durch den aflicirlen Punkt der Netzhaut gelegt
denken kann; durchschneiden sich diese nicht, (sind sie wind-
schief) so ist es, wie bekannt unmöglich ein einfaches Bild
zu erhalten. Diefs waren also zwei Bedingungen, utiter
welchen eiu einfaches körperliches Sehen stattfände.
Die Grauze, bis wie weil die Punkte von der entspre-
chenden Stellung abweichen dürfen, ist vielleicht in gerin-
gem Grade vom Willen abhängig, läfsi sich vielleicht durch
Uebung erweitern und verengern. Hierfür spricht wenig-
stens der Umstand, dafs diejenigen, die sich auf das scharfe
Fixiren eines Punktes üben, leichter alle Übrigen Gegen-
stände doppelt sehen, während diejenigen, die sich auf das
stereoskopische Sehen zweier Bilder einüben, selbst sehr
abweichende Bilder in der Vorstellung räumlich vereinigen.
Die experimentelle Bestimmung dieser Verhältnisse würde
wegen der subjeetiven Verschiedenheiten ihre grofse Schwie-
rigkeit haben.
In wiefern diese Anschauung; zulässig ist, mögen Andere
entscheiden. Sie hängt wesentlich zusammen mit einer von
Wheatslone am Schlufs der oben erwähnten Arbeit ge-
machten Bemerkung über die Bedeutung des Horopters und
mit den von Johannes Müller und Meifsner ausge-
sprochenen Ansichten über das stereoskopische Sehen.
8.
Diese Anschauung gewährt uns auch die Erklärung, wes-
halb wir in dem am Schlüsse des dritten Paragraphen be-
rechneten Falle beim Experimente nur den Kreis sahen,
nicht aber den Kegelschnitt in der Ebene senkrecht gegen
die Grundlinie, die durch die zAxe geht (x=0). Denken
wir uns (Fig. 5 Taf. VIII), man sähe mit dem Auge A nur
die Strahlen von a und a mit dem zweiten Auge B nur die
Strahlen von b und ß (so dafs die Reihenfolge der Punkte
wäre a, b, a, ß)\ so fragt es sieb, werden wir, wenn wir mit
beiden Augen sehn, die tüu«A\c\«i Vorstellung der Punkte ab
591
und aß oder die der Punkte aß and ab haben? Es ist nun
aber klar, dafs wenn wir den Punkt a b fixiren, die Strahlen
a und ß auf sehr verschiedene Netzhautstellen (auch nach der
Meifsner'scheu und derRecklinghausen'schen Theorie)
treffen würden, so dafs sie sich nicht vereinigen würden;
und wenn selbst in aß und ab Punkte wären, so würde
man sie doch nie zugleich stereoskopisch sehen können.
Fixirt man dagegen ab, so fallen a und ß auf nicht allzu
verschiedene Stellen der beiden Netzhäute, und werden
leicht körperlich gesehen. Diefs ist der Grund weshalb
man die beiden letztem sieht. Man wird sich nun durch
die Anschauung leicht überzeugen, dafs man aus dem näm-
lichen Grunde nicht den erwähnten Kegelschnitt sieht, son-
dern den Kreis ; weil, wenn man einen Punkt des stereosko-
pisch gesehenen Kreises fixirt, die Bilder entsprechender
Punkte der beiden Kreise auf Stellen der Netzhaut fallen,
die viel näher der identischen Lage sind, als diefs beim
Fixiren eines Punktes des anderen Kegelschnittes der Fall
wäre; und wenn dieser Kegelschnitt selbst wirklich da wäre,
so würde man ihn aus demselben Grunde nie völlig über-
blicken, und nie einen körperlichen Eindruck von ihm er-
halten, sondern stets Doppelbilder sehen«
Das zuletzt Gesagte läfst sich vielleicht noch besser ver-
anschaulichen durch den in Fig. 6 Taf. YIII dargestellten
sehr speciellen Fall Es ist der Fall, wo die Lichtstrahlen
parallel der Drehungsaxe * sind und diese die Grundlinie AB,
die Verbindungslinie der Mittelpunkte beider Augen im Hal-
bhrungspunkte M senkrecht durchschneidet. Die Nadel dreht
sich um 0 senkrecht zur sAxe. Das Auge A sieht den
perspectivisch gezeichneten Kreis EGO; das Auge B den
Kreis LHO, die congruent sind und in 0 die xAie zur
gemeinschaftlichen Tangente haben. Die beiden durch die
Reflexionsstrahlen erzeugten Kegel sind congruent, der Lage
nach symmetrisch und zwar stehen die Kanten AE und BE
senkrecht auf den Grundkreisen. Die Durchschnitte beider
Kegel sind die Parabel OKN in der Ebene senkrecht gegen
AB und der Kreis CDC in der Ebene p*x*\\f\ tat \Vtfe-
hungsebene. Hätte man nun z. B. den TJuaVA O tax ^*-
592
rabcl fixirt; so im'il'sle iiinn um z. lt. den Punkt K zu sehen,
die Strahlen AG und BL vereinigen, die offenbar auf sehr
verschiedene Neilbauist eilen fallen (da ja die Netzhautbilder
in kleiner Dimension und umgekehrt den Objccten fast ent-
sprechen '). Fixirt man dagegen einen Punkt des Kreises
z. B. C, su werden die Strahlen AG und BH, die sich im
Punkte D durchschneiden, auf sehr wenig verschiedene Netz-
Iiaulstellcn fallen, da ja die Bogen EG und Oll, in diesem
speciellein Falle sogar ganz gleich sind, und also auch die
1) Dan liier Besprochene sein i dt im Widerspruche mit einem, mir eist
nach der Beendigung dieser Arbeit bekannt gewordenen Auftatie von
W. B. Boger'. (Amsrkan Journuh fui. XX tl XXI, 1855 u.d
IS.iG) zu liehen, in welchem eine lehr gründliche L'nlersiirhang über
die v ertchi cd en artigsten sleieoskopi sehen Zeiilmungen, welche ruil Hülfe
einet einfachen und »weck madigen Stereoskops angestellt wurde, ruiigc-
iheitl wird. Bei der Besprechung verschiedener slereoskopiicher Zeich-
nungen wird auch angeführt (Bd. XXI, S 176 ff.); data iwei gleiche
Kreisbogen die gegen einander convei ) ( oder ennca* «leben ( ) *kh
iierecnkopisch au einem hyperbolischen Bogen vereinigen; also ein Fall,
der analug Ware dem, dafi man im obigen Experiment die Parabel (EI-
lipie oder Hyperbel) sehe. Diefi ist im Allgcmeineo richtig; jedoch nur
wenn die Bogen nicht allau grof, (dem Winkel nach) lind; da schon
bei Bogen von einigermafsen grofier Krümmung dat Eiperiraeat auf
ilcreoikopische] Sehen sehr geübte Augen erfordert, und auch für die»
sclbn mit grofier Anstrengung verbunden ist. Zwei volle Kreis« tcheinea
■kh aber niemals, »weit die E.perimeole vorliegen, in dieser Art H
vereinigen, und e> Kehl demnach feil, dafi, wenn die Seele die Wahl
hat, die Eindrücke in der Vorilellung auf verschiedene Weiten » einen,
liis diejenige Anordnung vorzitht, die die Eindrücke auf etrmutJ-
tert Nclzhautitclltn au einer räumlichen Vorilellung verbindet. Wenn
deshalb dieses Factum der obigen Bemerkung die völlige Allgemeinheit
abiprichl, 10 icheint doch auch diefs für dal aUgemtinc Princip iu
sprechen, dafi a schwer ial, iwei Bilder, die auf tu verschiedenen Neti-
hautsfellen sich bilden, in einer räumlichen Vorstellung tu vereinige»;
iiim.il wenn das erwähnte Eipeiimeni von Rogert eine gröfsere An-
strengung iu erfordern icheinl all die meiilen andern Stereoskop Lachen
Versuche.
Dafi übrigens bei tuiammengeietitcrn itereoiko pilchen Bildern mei-
darf, (wenn man nicht elwa mit dem rechten Auge das linke Bild Gurt
und umgekehrt) braucht kaum angedeutet tu werden, da die Anschauung
es von selbst ergiebt.
593
Netzhautbilder fast ganz übereinstimmen werden. Bei com-
plicirteren Fällen wird die geometrische Uebereinstimmung
nicht mit gleicher Annäherung richtig sejn; aber man wird
sich leicht fiberzeugen, dafe in jedem Falle die Strahlen,
die sich zu einem Punkte des Kreises vereinigen, auf viel
verwandtere Punkte fallen, als die zum andern Kegelschnitt
gehörigen. Und wenn auch bei irgend einer Stellung
des Apparats und der Augen die Durchschnitte nicht mehr
Kreise und Kegelschnitte sind, so wird uns eine ähnliche
Betrachtung doch stets in den Stand setzen, unter den
Durchschnitten der beiden Kegel denjenigen zu bestimmen,
den wir als stereoskopisches Bild sehen '),
V. Ueber die specißsche TVärme des JVasser-
dampfes; von Dr. J. Stefan.
tjresättigten Wasserdampf von der Temperatur T kann
man auf zweierlei Weise erhalten« Man kann Wasser von
0° bis 7° erwärmen und es durch weitere Zufuhr von
Wärme in gesättigten Dampf von T° verwandeln. Oder
man erwärmt das Wasser nur bis zu einer Temperatur I,
verwandelt es durch weitere Zufuhr von Wärme in gesät-
tigten Dampf von 1° , erhitzt diesen bei constantem Volu-
men bis zu einer Temperatur 0, so dafe dieser überhitzte
Dampf durch nachherige Compression die Temperatur T
und zugleich die Dichte des für diese Temperatur gesättig,
ten Dampfes erhält
Ist c die specißsche Wärme des Wassers, L dessen
1 ) Die Fig. 2 Taf. VIII veranschaulicht auch die Notwendigkeit, daft die
gleichseitig gesehenen Strahlen gegen einander windschief liegen. "Wäh-
rend s. B. das Ange B den Punkt H sieht, d. h. während die Nadel
durch OH geht, sieht das Auge A den Punkt JET, der auck vai fest
Linie OH liegt, es ist aber klar, dab AB und BH 'wmta&x* vn&»
PoggmdortPi AbdmL Bd. CX. ^
Vcrdaiiipfuiigswänuc bei T" , so braucht man beim i
l'rocesse die Wärmemenge
/•
cdt + L
vorausgesetzt, dafs man mit einer Gewicht« inheit Wasser
operire. Von dieser Wärmemenge wurde ein Theil auf
Verrichtung äufscrer Arbeit verwendet. Bezeichnet map
mit c das speeifische Gewicht des Dampfes bei T ' , mit s
das specifisclie Gewicht des Wassers, ist Ferner p der Drark
des gesättigten Dampfes um /" auf die Flächeneinheit, st»
ist die geleistete Arbeit
»(4-4)
wenn man auf die äufsere Arbeit, die in Folge der Aus-
dehnung des Wassers zu leisten ist, keine Rücksickt nimmt.
Ist A das Wärmen equival ent der Arbeitseinheit, so ist auf
die zu leistende Arbeit die Wärmemenge
Mt-t).
verbraucht worden. Die blofs zu den inneren Verände-
rungen verwendete Wiirinemeuge ist daher
Jtc3t + l—Ap(y — ~)= Q . - . (1)-
Ist y die speeifische Wärme des Dampfes bei constantem
Volumen, l die Verdampfungswänne des Wassers bei t°,
so verbraucht man beim zweiten Processe die Wärmemenge
fcm+i+fyht.
Von dieser wurde ein Theil auf äufsere Arbeit verwendet.
Ist n, das speeifische Gewicht des gesättigten Dampfes vod
t", und p, dessen Druck auf die Flächeneiuheit, so ist die
geleistete äufsere Arbeit
595
und die darauf ▼erwendete Wärmemenge
Ausserdem wurde aber während der Compression negative
Arbeit verrichtet; ihr Wärme wcrth entspricht der Tempe-
raturerhöhung des Dampfes von 0 bis T", ist also
T
fr»*,
e
somit ist die beim zweiten Processe auf die Aenderung des
inneren Zustandes verwendete Wärmemenge
t BT
fcat+i+frSt+fr*t-APl(±--±)=Qt (2).
0 t e
Seilt man nun Q— Qt , so folgt
T t T
fcBt+L—Ap(± — ±)=fcdt+l+frdt
Differenzirt man diese Gleichung nach t und bemerkt, dafs
T, L, p, o, A Constanten sind und auch $ als solche be-
trachtet wird, so folgt
° — C+Bt r ^öAcr, mJ
und wenn man — gegen — vernachlässigt
r— +S-'&Ä) • • • • ; (3).
Nach Regnault ist c<+/=606,5 + 0,305 < folglich
«+§jr=0,305
und demnach
r = W05-^£(5) (4).
Unter der Voraussetzung, dafs Überhitzter Dampf dem Ge-
setze von Mariotte und Gay-LussÄC io\%fe, SaX
3&*
596
?,= i: o ■*"«)■ !-, o =J
wenn p„ und ßa Druck und specifisches Gewicht des ge-
sättigten Dampfes bei 0° bedeuten und a der Ausdclmnnga-
coefficient des Dampfes ist. Sodann ist
Nimmt man das Kilogramm und das Meter zu Einheiten
des Gewichtes und der Länge und setzt
■1 = 424,5, po = 10333^, oo=0,0048, a = 0,t»0366,
so folgt daraus
A&?- = 0,11239,
somit j- = 0,l°3, während Ranktne auf eine mir nicht be-
kannte Weise j- = 0,1924 ') fand, und Zeuner in seiner
mechanischen Theorie der Wärme zur selben Zahl gelangt.
Unter der Voraussetzung, dafs der Wasserdampf dem Ge-
setze von Gay-Lussac und Mariotte folge, würde dann
zugleich für die speeifisebe Wärme bei constantem Drucke
die Zahl 0,305 folgen.
Denselben Werlh, welcher für die speeifische Wärme
des Wasserdampfes bei constantem Volumen gefunden
wurde, erhält man auch für diejenige Wärmemenge, welche
bei der Erwärmung des Wassers um 1° blofs zur Tempe-
raturerhöhung, und zu keinerlei Leistung von innerer oder
äufserer Arbeit verwendet wird, und zwar gelangt man zn
diesem Resultate auf folgende Weise.
Ist Q diejenige Wärmemenge, um welche die Gewichts-
einheit gesättigten Dampfes von t° mehr Wärme enthält,
als die des Wassers bei 0", c wieder die gewöhnliche epe-
ciüsche Wärme des Wassers, ( dessen VerdampfungswXnne
bei t" , so ist
Q=fc9l+l (5)
I) Pogg. Ann. Bd.l.XXM, S.Y11.
597
Bezeichnet man mit J die innere Arbeit, welche bei der
Temperaturerhöhung des Wassers von 0 bis #°, mit H die
innere Arbeit, welche bei der Umwandlung des Wassers
von 1° in Dampf geleistet werden mufs; ist ferner yx der-
jenige Theil der specifischen Wanne des Wassers, welcher
blofc auf die Erhöhung der Temperatur verwendet wird,
so ist bei Vernachlässigung der äu&eren Arbeit wegen der
Ausdehnung des Wassers
t
Q=friBi+Ä(J+E)+Ä^ ... (6)
O
wenn p and a den Druck und das specifische Gewicht des
gesättigten Wasserdampfes bei t° bedeuten. Nimmt man
nun an, dafs bei Erwärmung des Wasserdampfes keine in-
nere Arbeit geleistet werde, und dafs dann bei der Um-
wandlung von Wasser in Dampf eine bestimmte innere
Arbeit verrichtet werden müsse, so ist J+H von der Tem-
peratur, bei welcher die Verdampfung geschieht, unabhän-
gig, und die Differentiation der Gleichung (6) nach t giebt
Nun ist nach (5)
8*~ c^8i»
somit
.8/ A 8 /9\
Also ist yt durch dieselbe Formel bestimmt, durch welche
7 gegeben ist Wird die Gewichtseinheit Wasser um 1°
erwärmt, so werden von der zugeführten Wärme 0,807
Wärmeeinheiten zur Leistung innerer Arbeit verbraucht,
welche daher einen mechanischen Werth von 343 Kilo-
grammetern hat. Es ist nicht denkbar, dafs diese Arbeit
in Ueberwindung der Cohäsion bestehe, da letztere die
der Metalle um vieles übersteigen müfste. Im Gegentheil
wird man sich die grofse Wärmecapacität des Wassers und
die bedeutende Verdampfungswärme dadurch erklären, dafs
man Aenderungen im Innern der Molecüle Kt&raA tat
1
598
Erwärmens annimmt, gleichsam Auflockerungen , während
beim Verdampfen dieselben geradezu zerrissen werden.
Letzteres ist um so mehr annehmbar, da bei vielen chemi-
schen Verbindungen weniger Wärme entwickelt wird, als
beim Niederschlage des Dampfes.
Wien am 2». März i86t>.
VI. Erwiderung auf einen Artikel eon Clausius.
nebst einer Bemerkung zur Erklärung der Erdwärmt;
von It. Hoppe.
Im 105. Bd. dieser Anna). S. 239 hat Clausius durch die
Abhandlung «über die mittlere Länge der Wege, welche
bei der Molecularbeweguug gasförmiger Körper von den
einzelnen Molecülen zurückgelegt werden« auf die gegen
seine Theorie der Molecularbewcguugen erhobeneu Ein-
wände geantwortet. Einestheils ist die derselben zu Grunde
liegende Hypothese durch nähere Bestimmung der den Ato-
men innewohnenden Kräfte weiter ausgebaut, und es sind
dadurch diejenigen Einwände, welche auf einem Zweifel ia
Betreff der Ansicht des Verfassers beruhten, gehoben wor-
den. Anderntheils hat sich durch die Berechnung der Weg-
länge der Molecule ergeben, dafs die Langsamkeit, mit wel-
cher Gase sich durchdringen, nicht gegen seine Annahme
streitet. Andere Punkte, welche ich in meiner Abhandlung
»Über Bewegung und Beschaffenheit der Atome« (d. Ann.
Bd. 104, S. 279) gegen seine Ansicht vorgebracht habe,
sind unerledigt geblieben. Da Clausius dieselben, ohne
auf das Wesentliche einzugehen, und zwar meist mit der
Beschuldigung zurückweist, dafs ich Thatsachen unbeachtet
gelassen oder ihm Ansichten irrig zugeschrieben hätte, so
kann ich nicht umbin, erst zur Widerlegung jener Beschul-
digungen auf dag früher vou ihm geüufsertc zuriiekzukom-
599
flu; ich meine Einwende seinen neuen Erklärungen
gegenüberstelle.
Zuerst bemerkt Clausius (S. 255) ich hätte, indem
Eisenlohr's Behauptung, dafs eine Abstofstmg der
Luftmolccüle der Erfahrung widerspreche, in Zweifel züge,
die von demselben angeführte Thatsache unbeachtet gelas-
i, dafs bei der Ausdehnung eines permanenten Gases keine
oder eine sehr kleine Arbeit gcllian wird. Zu dieser Ver-
mulhung habe ich ihm nicht den mindesten Grund gegeben.
Er selbst folgert aus jener Tlialsachc nicht, dafs die Luft-
molcciilc keine abslofseuile Kraft besitzen. Das aber war
es, was Eisenlohr schlechthin und ohne Rücksicht auf
grofsern und kleinem Abstand behaupte! halte, und was
ich nicht begriiudet fand, sondern dafs die Kräfte der Mo-
lecüle in ihren mittleren Entfernungen verschwindend klein
uud zwar Anziehungen sind. Das letztere habe ich bis
jetzt nie bestritten, und habe an der betreffenden Stelle
mit dem beigefügten Satze: -Hatte Eisculuhr seine Be-
hauptung dahin beschrankt u. s. w. <■, überdiefs jeden Zwei-
fel darüber entfernt, wogegen mein Einwurf gerichtet war.
Aufserdem scheint Clausius übersehen zu haben, dafs
Eiscnlohr die Nichtexistenz einer ablotsenden Kraft auf
-eine einfache Thatsache der Erfahrung« zu stützen vor
giebt. So kann mau doch nach meiner Ansicht einen Satz
nicht nennen, der auf theoretischen Voraussetzungen beruht.
Ich mufsle, da sich Eisenlohr so ausdrückt, annehmen,
dafs er direetc Versuche kannte, woraus er Obiges folgerte.
Hierauf bezog sich, was ich zunächst dagegen sagte. Ich
habe ihn also nicht weniger, .sondern mehr Thatsaclien ein-
geräumt, als die, an welche Clausius hier erinnert
Wenn Eiseulohr, wie es deu Anschein hat, und wie
es t ha [sachlich von anderen Seiten geschehen isl, Clausius
Theorie in dem Sinne aufgefafst hat, als sev die Annahme
von Moleculark raffen zur Erklärung der Expansion (iber-
llüssig, und ifa winden jene Kräfte durch die Bewegung
der Molccüle ersetzt: so glaube ich, dafs unter andern fol-
gende Stelle Grund zu einem solchen MifsverslaiiduiCs ^vAA..
t>00
In d. Ann. Bd. Hill, S. 358 wird als drille von einem ideel-
len Gase zu erfüllende Voraussetzung angegeben, dafs der
Einflufs der Molecularkräfte verschwindend klein sey. Diefs
wird näher dahin erläutert, dafs 1) ihre Intensität in den
milderen Entfernungen, 2) die Zeit, wo sich die Molecüle
in den Sphären ihrer gegenseitigen Wirkung befinden, ver-
schwindend klein sey. Was hier vorausgesetzt wird, sind
offenbar nur die zwei genannten Punkte. Wie folgt aber
aus diesen, dafs der Einflufs der Molecularkriifle überhaupt,
denn eine speciellc Beziehung wird nicht genannt, ver-
schwindend klein sey? Was mit diesem viel umfassenden
Ausdruck gesagt seyn soll, ist mir unversländlicb. Jeden-
falls ist dadurch der Deutung Raum gegeben, als sey die
Kleinheit jenes Einflusses ohne Einschränkung und in jeder
Beziehung mit vorautgeset*t; und dann müfste die Eipau-
bmd der Gase auch ohne abstoßende Molecularkräfte mög-
lich seyn. Dieselbe Auffassung wird auch au andern Stel-
len begünstig!, z. B. S. 354 wo es heilet: -Ich glaube, dafs
durch diese Bewegung die Expansivkraft des Gases entsteht.«
Nach bekannten mechanischen IVincipien erzeugt Bewegung
nie Kraft, und die Wirkung der Kräfte ist vom ßewegungs-
zustande der Massen stets unabhängig. Die Bewegung kann
die Masse nur an den Ort ihrer Kraftäufserung bringen,
welche an demselben Orte auch ohpc Bewegung mit der-
selben Intensität hätte erfolgen müssen. Wenn also ein
eingeschlossenes Gas Expansion zeigt, so müssen die Atome
an der G ranze, seyen sie bewegt oder nicht, abstofsende
Kräfte haben, deren Summe der Expansiv Wirkung deich
ist, und deren Intensität beim einzelnen Atom gerade nach
Clausius Annahme besonders grofs seyn mufs, weil ver-
hall nifsmäfsig wenig Atome betheiligt sind. Sollten dem-
nach diese an sich bedeutenden Kräfte auf irgend einen
besonderen Umstand ohne Einflufs seyn, so bedurfte es
einer besonderen Begründung. Ein solches Verhalten Isfgl
sich weder im Allgemeinen voraussetzen, noch aus der ge-
ringen Dauer der Kraftwirkung folgern.
2. Ferner sagt Clausius, dafs ich seine Ansicht falsch
601
aofgefaüst bitte, indem ich die von ihm behauptete Ausglei-
chung zwischen den verschiedenen Bewegungsarten der Mo-
lecQle eine physische nannte, und der aus einer Wahr-
scheinlichkeitsrechnung hervorgehenden entgegensetzte. Ich
bitte nimlich die allmähliche Ausgleichung so verstanden,
da solle sie bei jedem einzelnen Molecttl stattfinden. Dafs
mir Clausius einen solchen Gedanken unterlegt, den ich
nirgends geäufsert habe, kann wohl nur davon herrühren,
dbfs ihn der von mir hervorgehobene Unterschied zwischen
4er angestrebten und der dem Zufall unterworfenen Aus-
gleichung nicht deutlich ist Die Stelle, auf welche sich
meine Aenfserung bezog (S. 356) lautet: »Erst wenn alle
Bewegungen, welche überhaupt entstehen können, ein ge-
wisses von der Beschaffenheit der Molecüle abhängiges Ver-
hlltnifs zu einander haben, werden sie sich nicht weiter
▼ermehren oder vermindern. « Nicht, dafs das 'Wort » durch*
schnittlich « weggelassen ist, hat mich zu meiner Entgegnung
veranlafst, sondern die Behauptung, dafs das constante Ver-
fall tnifs, sej es in gröfsern oder kleinern Gasmengen, als
ein wirkliches, nicht blofs wahrscheinliches erfolgen soll.
Aus der vorausgehenden Betrachtung kann sich nichts wei-
ter ergeben, als dafs gröfsere Abweichungen von dem be-
stimmten Verh<nifs weit seltener eintreten werden als klei-
nere, während sehr grofse immer möglich bleiben. Ein sol-
ches Ergebnifs würde zwar genügen, um eine Theorie mit
einzelnen Beobachtungen in Einklang zu bringen; denn in
diesen könnte zufällig die Abweichung sehr gering gewesen
seyn. Allein einestheils müfste man die Abweichungen we-
nigstens nachträglich auf anderem Wege motiviren können,
and diefs ist hier unmöglich, weil ein physischer Grund
nicht existirt. Anderntheils sind es nicht blofs einzelne
Beobachtungen, sondern anerkannte Gesetze, die ein wirk-
liches constantes Verhältnifs erfordern würden, an deren
Stelle jedoch, so lange man an Clausius Hypothese fest-
halten will, für immer ein blofs wahrscheinliches Zutreffen
gesetzt wird.
3. Ferner bestreitet Clausius, dafc er\iew«^fe %Vux^
602
Atome ohne Abgtofsungskraft als möglich zugelassen habe,
uud rügt es, dafs ich ihm eiue solche Ansicht zugeschrieben
habe, ohne ciu Citat anzuführen. Die betreffende Stelle,
welche ich nicht näher bezeichnet habe, weil sie gleich im
Anfang der vorher genannten Abhandlung (d. Ann. Bd. 100,
S. 355) etcht, lautet: «Selbst wenn man sich auf die Be-
trachtung der Massenalouie allein beschränkt, und diese als
absolut starr ansieht, so bleibt es doch noch möglich, dafs
eiu Molccül, welches aus mehreren Atomen besteht, nicht
ebenfalls eine absolut starre Masse bildet, sondern dafs in
ihm die einzelnen Atome innerhalb gewisser Gräuzen be-
weglich sind, und daher gegen einander schwingen können.«
Vorher geht die Erklärung, dafs der Verfasser die Ansicht
Kröuig's vollkommen (heilt, und dieser hat ausdrücklich
eine Abslofsungskraft der Atome, aufser der durch ihre
Elusticität nach ihrem Zuaammcnstofs hervorgerufenen, tob
geiner Hypothese ausgeschlossen. Mit der Annahme starrer
Atome fällt auch diese Elasticilät weg, und die Atome kön-
nen also weder vor noch bei ihrem Zusamuieustofs ihre
Bewegung auf einander übertragen. Auch im weiteren
Verlaufe der Abhandlung finde ich keiue Stelle, aus der
deutlich zu ersehen wäre, dafs Clausius den Atomen eiue
Abslofsungskraft beilegte. Zwar ist öfters von Molecular-
kräften die Bede, die in grofser Nähe der Atome zur Wirk-
samkeit kommen. Deren Vorbandenseyn wird jedoch nur
als Grund von Abweichungen und Unterschieden berück-
sichtigt, nie als Bedingung der gesammten Theorie gefor-
dert, und es bleibt unentschieden, ob darunter Anziehungen
zu verstehen sind. Ich glaube daher, dafs mich die anfäng-
lich von Clausius erklärte Uebcreiustiimnung mit Krönig
rechtfertigt, wenn ich ihm die Ansicht zugeschrieben habe,
dafs die Atome in keinem noch so kleineu Abstände eine
Abstofsuug auf einander üben, oder doch zu üben brauchen.
4. Ferner erklärt Clausius, nachdem er durch Be-
rechnung der mittlem Wegläuge der Molectile gezeigt bat,
dafs die Langsamkeit der Diffusion der Gase mit seiner An-
nahme haimumil, oWe a\Wu weitem Nachweis auch meinen
r ungerechtfertigt, dafs die Langsamkeit der
WärmeleiUmg in der Luft derselben entgegensteht ; gleich
iils ob die Wärmeleiiung mit der Diffusion auf gleichen
Bedingungen berulile. Es Isl jedocli leicht zu scheu, dafs
der letztere Einwand gar nicht davou berührt wird, ob die
Wege kurz oder laug sind. Stofseu sich nämlich zwei
:iche elastische Körper central, so lauschen sie ihre Ge-
schwindigkeiten aus. Die Bewegung nach dem Stofsc ist
dieselbe, als wenn beide Körper ungehindert ihren Weg
rfolgt hatten. Die Fälle, wo zwei sich treffende IYlolecüle
gleich sind, oder sich nicht central stofseu, bedingen offen-
r keine Aenderung in der Gesammt Wirkung. Wenn also
zwei aneinander grätizenden Bäumen die Luflmolccüle
verschiedene initiiere Geschwindigkeit hätten, so mül'ste die
Ausgleichung augenblicklich erfolgen, d. h. in ebenso kurzer
Zeit, als sie gebrauchten, um aus dein einen Kaum in den
lern, wenn er leer ist, zu treten. Ebenso schnell müfste
sich in zwei augränzeuden Lufträumen eine anfänglich ver-
schiedene Temperatur ausgleichen. Dieser Umstand wider-
icht aber im auffallendsten Maafsc dem wirklichen Ver-
halten der Gase; denn es ist bekannt, dafs kalte und warme
Luft längere Zeit neben einander bestehen können.
Von dem Vorstehenden sind es nur die Punkte 2 und 4,
welche nach den neuem, in der anfangs citirleii Schrift von
Clausius gegebenen Erklärungen noch Einwände gegen
dessen Ansicht enthalten, Der ersterc betrifft keine Er-
scheinungen, die mit dieser Ansicht geradezu unvereiubai
Cnd, wie eine solche im letztem hervortrat; es handelt sich
ier vielmehr um eine Lücke, die unabänderlich in der Er-
klärung der Erscheinungen übrig bleiben mufs, weun die
Bewegung der Molccülc, wie es bei ihrem indifferenten
Verhalten nicht anders seyn kann, gröfslentheils dem Zufall
erlassen ist. Die Erklärung kann alsdann nicht über
eiligen Vorgänge hinausgehen, die durch rein suuunari-
Wirkungeu vüllig bestimmt sind, sie wird unveiuiögetld,
ibald eine Wirkung durch die Verschiedenheit der Bcwe-
bedingt isl, So war es z. B. leidvV, d&a^\a.^w\.\ti
604
sehe Gesetz aus Krönig's Hypothese für den Fall abzulei-
ten, wo ein Gas ein Gefäfs gleichmäfsig erfüllt. Allein die
Berechnung pafst nicht mehr, wenn verschiedene Dichtigkeit
in demselben Räume slaUfindet, wie in der freien Atmo-
sphäre. Dafs hier dem Mariotte'schcn Gesetze gemäfs die
Dichtigkeit in geometrischer Progression für gleiche Hubenin-
cremcnle abnimmt, ist anf Grund jener Hypothese gar Dicht
nolhwcndig, weil die Verschiedenheit der Dichtigkeit von der
Vet'thcilung der lebendigen Kraft, nicht blofs von ihrer Summe
abhängt. Um diefs zu sehen, braucht man nur anzunehmen;
dafs die lebendige Kraft aller Atome vermehrt um das Acqai-
valent ihrer Höhe gleich sey — ein Zustand, dessen Fort-
dauer möglich ist — dann wird die gröfste Dichtigkeit da
eintreten, wo die Verlicalgc seh windigkeit am geringsten ist,
das ist in der gröfsteu Höhe, soweit noch alle Richtungen
in der Bewegung der Molecule gleich vertreten sind. Da
sich hiernach eine völlig umgekehrte Anordnung der Dich-
tigkeit mit der Hypothese verträgt, so leuchtet ein, dafs
noch unzählige andere Anordnungen möglich seyn würden,
und die wirkliche nur ganz durch Zufall stattfände.
Ein noch deutlicheres Beispiel eines Vorgangs, der bei
der in Rede stehenden Hypothese uuerklarbar ist, bietet
die Wellenbewegung, welche der Forlpflanzung des Schal-
les durch die Luft zu Grunde liegt. Ich erwähne dasselbe
nur als hierher gehörig, da der betreffende Einwand schon
von anderen Seiten erhoben worden ist.
Im Folgenden will ich, ohne eine Entscheidung für die
eine oder andere Ansicht in Betreff der inneren Natur der
Körper herbeizuführen oder vorauszusetzen, auf einen mit
der mechanischen Wärinetheorie verknüpften Umstand hin-
weisen, der möglicherweise von Einflufs auf unsere cosini-
schen Ansichten werden kann. Man weifs, dafs die Tem-
peratur von der Erdoberfläche nach innen zunimmt, weiter
nach oben abnimmt. Es ist vielleicht bisher nie bezweifelt
worden, dafs die Fortdauer eines solchen Zustandes einen
beständigen Wärmestrom von innen nach aufsen erfordert.
Da aber Wärme uut auS \S.oaVcw der Bewegung oder irgend
605
einer Spannung erzeugt werden kann, so ist eine unbe-
gränzte Wärmeerzeugung im Innern der Erde undenkbar,
und es bleibt daher nur übrig anzunehmen, wie es wohl
wohnlich geschieht, dafs die Erde in einer beständigen
Abkühlung begriffen ist.
Diese Schlufsfolge beruht jedoch auf einer Voraussetzung,
welche durch die mechanische Wärmetheorie in Frage ge-
stellt wird: nämlich auf der, dafs das Gleichgewicht der
Wärme bei constauter Temperatur slatttindcl, und dafs bei
verschiedener Temperatur sich berührender Körper immer
irärmc nach dem kältern hin übergeht.
Setzt mau aber voraus, dafs die Wärme in der leben-
digen Kraft eines Stoffes besteht, und dafs dieser Stofr,
ganz oder tbeilweisc, in hohertu oder mindern Grade, von
der Erde angezogen wird, was sich wenigstens noch nicht
für unmöglich erklären läfsl, so ist leicht zu ersehen, dafs
die Erdanziehung auch auf die Wärme einen Eintlufs üben
Kufs, dafs also der Salz von der Temperatur in der ver-
;alen Richtung eine Modificalion erleidet. Sofern nämlich
ein bewegtes Atom nicht immer in gleicher Höhe bleibt,
bangt die Veränderung seiner lebendigen Kraft zum Theil
von seiner Schwere ab, und es kann den obern benach-
barten Atomen iin Allgemeinen keine ebenso grofse Ge-
schwindigkeit railthcilen als den untern. Unter spcciellcn
Umständen ist diefs allerdings möglich. Wenn z. IS. die
bewegten Atome an unveränderliche Gleichgewichtslagen
durch eine der Ausweichung proportionale elastische Kraft
gebunden sind, so hört jeder Eintlufs der Schwere auf die
Bewegung auf. Solchen einzelnen Fallen gegenüber giebt
es jedoch wieder andere, in denen jener Eintlufs grofser
sejn würde, als er ohne unwahrscheinliche Consenuenzcu
scyu kann; so dafs jedenfalls der wirkliche Werth unterhalb
der Gränzcn liegt, zwischen denen das Resultat der Be-
rechnung varürt.
Ich betrachte zuerst den Fall, wo (wie Krönig in sei-
ner Theorie der Gase annahm) jedes Atom sich unabha,n^%
von allen andern bewegt. Soll sovroU m "Bexu.^ «oWw&w-
1
606
tigkeit »1s auf Temperatur in den verschiedene» Höheö-
echichten eiues Luftraums keine Aenderwug eintreten, so
muh, so oft eine Masse A von der Höhe h bis h-\-x steigt,
eiue ihr gleiche Masse von h+x bis h sinken, und mit der-
selben Geschwindigkeit c in der Hohe h ankommen, mit wel-
cher die erster« Masse dieselbe verliels. Die lebendige Kraft
betrug vor und nach der Bewegung A - - in der Höhe A und
A{^ — gx\ in der Höhe h+x. Da bei allen Übrigen Luft-
theilchcn dasselbe stattfindet, so ist die lebendige Kraft der
Masseneinheit in der Höhe k + x um <,-.,- kleiner als in
der Höhe It. Demnach nimmt die Temperatur im Gleich-
gewichtszustände der Wärme nach üben zu im eiufachen
Verhält nifs des Höhenunterschieds ab.
Ist 6 die Tempera turab nahm c für jedes Meter der Höhe,
beträgt die mittlere Geschwindigkeit der Luflatome au der
Erdoberfläche, bei 0" C, wie es die frühere Berechnung
ergab, GU9 Meter, ist die absolute Temperatur des Eis-
punkts = 273°, und g = 9,806, so verhält sich
^.609':9,806 = 273:o,
woraus hervorgeht
fe = 0,0U4uC.
Diese Zahl ist fast dreimal so grofs als die wirkliche
Temperaturabnahme beträgt, da die Beobachtungen von
d'Aubuisson, Gay-Lussae u. a. nahezu 0,005° C. er-
geben, und würde sich mit denselben nur unter Annahme
eines bedeutenden Wärmestromes, welcher der gewöhnlichen
Ansicht entgegen aus dem Weltraum in die Erde ginge, in
Einklang bringen lassen.
Der eben betrachtete Fall entspricht offenbar dem Maxi-
mum des Einflusses der Schwere, weil letzterer desto gröfser
seyn tnufs, je weiter sieb die Bewegung der Atome erstreckt.
Folgende zwei Fälle entgegengesetzter Art lassen sich noch
unter vereinfachenden Annahmen leicht einer Berechnung
unterwerfen: 1) wenn die 'Wirkungssphären der Atome
iieio genug smd, deÄa s\* V» 4«* t&N&en Entfernungen
607
einander nicht erreichen; 2) wenn die Weite der Bewegung
gegen die Entfernung der Atome verschwindend klein ist.
In beiden Fällen betrachte ich nur eine verticale Reihe von
Atomen, die sich vertical bewegen, und ihre Oscillationen
gleichzeitig ausführen.
Im erstem Falle ist es nur nöthig den Vorgang beim
Zusammentreffen zweier Atome ml und m2 zu bestimmen.
Es sey x die Höhe ihres Schwerpunkts, £ ihr Abstand, m
die Summe ihrer Massen; dann sind die Abscissen von mk
und m% einzeln
x §; x-\ §,
m m
nnd ihre Bewegungsgleichungen
xn=:-g; g" = »!/>(!) = mt>'(!)
woraus
x'*=2g(a — x); g* = c* + 2mv(£),
' wo a die gröfste Höhe des Schwerpunkts, c die gegenseitig
relative Geschwindigkeit der Atome an der Wirkungsgränze,
und die Accente Differentialquotienten nach der Zeit be-
zeichnen. Aus diesen Gleichungen folgt, dafs in gleichen
Zeiten vor und nach dem Stofse x und £ gleiche, x' und £
entgegengesetzte Werthe haben. Es sej r das Minimum
von £, s der Durchmesser der Wirkungssphäre, und 2% die
Zeit, während welcher beide Atome in gegenseitiger Wir-
kung sind; dann ist an der Gränze der Wirkungssphäre
±af = gt; =pg = c,
wo das obere Zeichen vor, das untere nach dem Stofse
gilt. Demnach sind die lebendigen Kräfte der Masseneinheit
beider Atome
■
Ist ferner l — s der Weg, den das obere Atom m, in
indifferentem Zustande zu durchlaufen hat, bis es die Wir-
kungssphäre des nächst höheren erreicht, so verliert «&ta&
Matsefteiohett auf diesem. Wege eine Wbewd\^ Y*x*\v ^\^&
g (l — s); daher ist die lebendige Kraft der MaBscneinheit
von t», beim Eintritt in die Wirkungssphäre des nächst
hohem Atoms um
D=j,<<-»)+j(sl+£'c)*-;(s!-!'c)*
kleiner als die entsprechende von m,. Sieht man von dem
letzten Thcile, der nur eine Unterbrechung der Regelmä-
ßigkeit bildet, und bei Gleichheit der Massen wegfällt, ab,
so stimmt das Resultat mit dein des ersten Falles iiberein,
nur ist das Höheniucrenient / um die Gröfse s — et ver-
mindert, welche der Wirkung des Stofses zuzuschreiben ist
Zu ihrer Bestimmung erhält mau aus der für i'~ aufgestell-
ten Gleichung
ei
Nimmt man an, dafs innerhalb der Wirkungssphäre die
Abstofsung nie in Anziehung übergeht, dafs also /*(£) stets
positiv ist, so wächst o(|) mit £, und da c(s)~0 ist, so
ist »(£)<0 für £<*; folglich
ci>y*8{=
oder
* — ct<r.
Demnach ist die Beeinträchtigung des Einflusses der
Schwere durch das Zusammcnstofseu der Atome geringer
als die Abkürzung der Wege bei Uebertragung der Bewe-
gung von dein einen auf den andern. Der Weg l wird
nämlich um das Stück r abgekürzt, insofern das Atom m,
bereits um das Stück r höher steht als m„ sobald es dessen
Bewegung fortzusetzen anfängt. Die Differenz der leben-
digen Kräfte aber beträgt mehr als g(l — r). Die Weite
der O sei Nationen mut& aYs« V\«\tci *Y& \ dea Abstand« der
609
Atome seyn, wenn der gedachte Fall einige Wahrschein-
lichkeit haben soll.
Als entgegengesetztes Extrem ist nun der Fall zu od*
tersuchen, wo die Oscillationsweite gegen den Abstand der
Atome sehr klein ist In einer Reihe von n + 1 Atomen,
die durch die Indices 0, 1, 2...n, von unten nach oben
gezählt, unterschieden werden mögen, und deren erstes und
letztes fest seyen, wirke jedes abstofsend nach beiden Seiten
hin nur auf das nächstfolgende. Die Massen seyen alle
einander gleich. Die Höhe des Aten Atoms sey im be-
wegungslosen Zustande = k l — ahy in der Bewegung
= JkJ — 4i + &i, so dafs at die Senkung des Atoms infolge
seiner Schwere bezeichnet, welche als gering betrachtet
werden soll. Die Bewegungsgleichung lautet alsdann:
3^=— g+f(l— a.+a^+Xt— x^x)
— f(l— ak+ 1 + ak+ x^ !-— xt).
Nach Voraussetzung müssen alle x und x" zugleich ver-
schwinden, und man hat
oder mit Vernachlässigung der höhern Potenzen der Diffe-
renzen der a
flr=r(0(«*+i + ö*-i — 2a,)
Die Auflösung dieser recurrirenden Gleichung, welcher noch
die Endwerthe a0 = 0, a. = 0 beizufügen sind, ergiebt
Ferner erhält man mit Vernachlässigung der höhern Po.
tenzen der x
a*V=/" (J— ak + aM) (xt— x^x) —f (l — ai+ x+at) (xk+ x — xk).
Da alle Atome gleichzeitig oscilliren sollen, so kann man
setzen
xtz=zbtBmat9
wodurch die Gleichung in folgende übergeht
— bka*=f(l — at+ak_ x)(bk—b^
— f'(l—ak+x+at)(bk+l — bt).
Es «ey
PosseodorfT« Aooal. Bd. CX. ^ft
610
«' = _f'(0-2(l— *»<p), ■=j^^..
Substituirt man die Werlhe der a, so kommt
fi.+ . + ft,.,— 2btcos(f = B(n~ 2A-#-i)(oJ— 6,_„
— e(fi — 2A— l)(o1+1 — 6»)=U.
Diefs mit sin ktp multiplicirt giebt
['',.(., ■?] ii /f 7' — o,MD.(fc-|-I)a)3 — [fi,sin(Ä— l)y — 6,_,sitW.'7 |
= tLsinjSny.
Siiiimiirt man von fr= I ati, so kommt mit Beachtung, dafs
60 = 0 ist:
6J+I8ink(j — 6,sin<A+-l)yr=$.5%sinA<jp=eJf
oder
= *JV.
Summirt man nochmals, und selzl
ft, = fesin (/■,
so kommt
In erster Annäherung ist also
bt—bsiak(p.
Diesen Werth kann man, da höhere Potenzen von e nicht
berücksichtigt werden, in L einführen; dann kommt
LsinAy = &[(n — 2A)(1 — cosy)(l— cos2Ao;)
-+-£cos(2A — \)<p — ^cos(2ft+l)y)
und nach Suinmation
Ä = 6tg f p^£*fi±I>f +k{n-k)coskysin(k+ l)y
— (A+1)(m — A — l)sinAycos(A-|-l)yj
woraus
JV=fetg-|- [1^- + *Cn — *)cot*o>
-(*+l)(»-*— l)cot(*+l)o)]
und nach nochmaliger Summation
-SlVsotg-t [^-1+(«— Dcotr — A(n — ft)cotfta.1
demzufolge
611
+(n — l)cot<jp — A(n — Ä)cot*qp)l.
Da 6»=0 ist, so muf8 nq> ein Vielfaches von n seyn, also
Die lebendige Kraft der Masseneinheit des Aten Atoms ist
ia?V=TVa4cos?al
ihr mittlerer Werth der Zeit nach
=£V«f = — f(})b*%m% f-sin'iyX
[l+26tg|(^+(ii--l)cot9-*(n-*)cot*9)].
Nimmt man an, dafs in einer Menge verticaler Reihen von
Atomen alle Werthe von fi gleich oft vorkommen, and
berechnet den mittlem Werth des letzten Ausdrucks durch
Integration nach tp zwischen den Gränzen einer Periode,
so ergiebt sich die Gröfee
— **,f(0[l— 2(*— l)(2n— 2k — 1)«].
Die lebendige Kraft wächst also von der Mitte nach bei-
den Enden hin.
Nor der unterste Theil dieser Atomenreihen läfet sich
als in gleichem Falle mit der untern Schicht der Atmo-
sphäre betrachten. Vernachlässigt man demgemäß * gegen n,
so wird der obige Ausdruck
= —ib*f(l)(l — 4kn$)
und zeigt eine der Höhe proportionale Abnahme der le-
bendigen Kraft oder der Temperatur an. Um den Coef-
ficienten der Abnahme 4 na näher zu bestimmen, kann man
annehmen, dafs in den engen Gränzen der Bewegung die
AbstoÜBung einer Potenz der Entfernung proportional sey,
dafs also
sey; dann wird
2c r
3&*
«12
Ist die mittlere Geschwindigkeit 609™, so ist
60«'= — !,f'{l)b-' = ,1crb-'l-,
daher
609» — 37832 '
Ferner ist nl, oder die Höhe der gleichdichten Atmosphäre,
für 0° C. nahezu =8000; daher beträgt die Temperatur
abnähme für jedes Meier der Höhe
int _ HOOOtf+l)}1 r-M /_6\a
( — 37SM l'~ 4,73 \ / /
und iat demnach uutcr den hier gemachten Voraussetzungen
dem Quadrat der Oscillalionsweite durch den Abstand der
Atome gemessen uud einfach der Erdanziehung proportional.
Durch die vorstehende Betrachtung ist nur soviel er-
wiesen, dafs aus der Verschiedenheit der Teuipcraiur in
den verschiedenen Höhen und Tiefen nicht ohne Weiteres
auf einen Wärroestroui geschlossen werden kann. Wäre
ein solcher direct und quantitativ ennittelt, so liefsen sich
daraus Schlüsse auf die innere Beschaffenheit der Stoffe
machen.
613
VII. Ueber künstlichen Boracü; von TV. Het'ntz.
K
achdem durch die neueren Arbeiten über den Boracit
von H. Rose1), Ludwig9), Potyka3) und mir4) die
Zusammensetzung- dieses Minerals vollkommen festgestellt
und namentlich dargethan worden ist, dafs er Chlormagne-
sium enthält, war es von Interesse, Versuche anzustellen,
dieses Mineral künstlich zu erzeugen. Solcher Versuche
sind auf meine Veranlassung mehrere in dem hiesigen Uni-
▼ersitätdaboratorium ausgeführt worden, die schliefslich zur
Auffindung der dazu dienlichen Methode geführt haben.
Zunächst erwartete ich, der Boracit werde sich auf nas-
sem Wege bilden lassen, da seine Lagerstätte im Gyps
darauf hindeutet, dafs der in der Natur vorkommende auf
nassem Wege gebildet ist. Allein trotz vielfacher Abän-
derung der Versuche ihn durch doppelte Wahlverwandt-
schaft zu erzeugen, gelang es durchaus nicht, auch nur
Spuren davon zu erhalten. In den allermeisten Fällen wur-
den, wenn überhaupt eine borsaure Verbindung krystalli-
sirte, die Krystalle gebildet, welche von Wöhler5) ent-
deckt und der empirischen Formel 5BOa+2MgO+NaO
•+• 30 HO gemäfs zusammengesetzt sind.
Die Untersuchung von Potyka lehrt, dafs der Wasser-
gehalt des Boracits um so gröfser ist, je mehr die Krystalle
verwittert erscheinen. Die ganz klaren Krystalle sind voll-
kommen frei davon. Potyka schliefst also, dafs der Bo-
racit durch Aufnahme von Wasser mit der Zeit in Stasfar-
tit übergehe. Ist diefs der Fall, so kann die Ansicht, der
Boracit habe sich bei der Temperatur unserer Atmosphäre
1) Monatsbericht der Akademie der Wissenschaften 1868 (Sitsong yom
16. Decerober.
2) Archiv der Pharm. Bd. 97, 1859. Febraar und Bd. 98, 1859 Mai.
3) Diese Ann. Bd. 107, S. 433.
4) Zeitschrift für d. gesammten Naturwissenschaften 1859 Januar S. 1 u.
Februar S. 105.
6) Diese Annaleo Bd. 28, S. 526«
614
aus einer wäfsrigeu Lösung abgesetzt, füglich nicht wehr
fest gehalten werden. Deshalb lag der Gedanke nahe, et
möchte gelingen, ihn unter geeigneten Umständen in der
Glühhitze zu erzeugen. Versuche, die deshalb Hr. Said-
phil. G. E. Richter auf meine Veranlassung in dein hie-
sigen Universita isla boratorium anstellte, haben wirklich zu
dem gehofften Resultat geführt. Sic sollen in dem Fol-
genden beschrieben werden.
Hr. Richter suchte zunächst durch Glühen des Rück-
standes, welcher beim Verdampfen einer Mischung von
zwei Theilen gebrannter Magnesia mit einer wäfsrigeu Lö-
sung vou sechs Theilen Chlorammonium zurück blieb , was-
serfreies Chlomiagnesium darzustellen, was auch gelang,
Dieses C hl o [magnesium wurde mit Boraxglas gemischt, in
einem heifsen eisernen Mörser zn Pulver gestofsen, welchem
Gemisch noch etwas Chlorammonium hinzugesetzt wurde.
um die Bildung von Magnesiumoiyd beim Glühen zu ver-
hindern, da die Mischung bei dem Pulverisiren nicht vor
der Feuchtigkeit der Luft geschützt werden konute.
Das Ganze wurde nun in einen Platintiegel eingetragen,
welcher in einen mit gebrannter Magnesia ausgefütterten
hessischen Tiegel und dieser seinerseits in einen Windofen
gesetzt wurde, in welchem er anhaltend lebhafter Roth-
glühhitze ausgesetzt wurde. Darauf wurden alle Zuglöcher,
während der Ofen noch voll glühender Kohlen war, mit
herber Asche verstopft, um eine möglichst langsame Ab-
kühlung der geschmolzenen Masse zu erzielen.
Nach völligem Erkalten fanden sich am Deckel des Pla-
tintiegels Kry stalle mit deutlich spiegelnden Flächen, die
unter dem Mikroskop als reguläre Octaeder erschienen, und
im Wasser und selbst in Salzsäure nicht löslich waren,
Sie besafsen also die Eigenschaften des Boracits. Durch
die Analyse konnte die Verinutbung, dafs sie auch die Zu-
sammensetzung dieses Minerals besitzen, nicht zur Gewifs-
heit erhoben werden, da nur äufserst weuige Kry stalle auf
diese Weise erhalten worden waren.
Die im Platintiegel enthaltene geschmolzene Masse wurde
615
vielfach mit Wasser behandelt and dann das darin nicht
lösliche im fein vertheilten Zustande ebenfalls mikroskopisch
untersacht. Auch hier zeigten sich theilweise reguläre Oc-
taeder, doch bestand der gröfste Theil dieses Pulvers aus
prismatischen Krystallen. Das lange Zeit mit Wasser be-
handelte Pulver wurde nun, um die prismatischen Krystalle
zu entfernen , in verdünnte Salzsäure und dann auf ein
Filtrum gebracht, worauf es so lange mit Wasser ausge-
waschen wurde , bis das Wasch wasser kein Chlor mehr
enthielt. Von dem Rückstände auf dem Filtrum wurde die
qualitative Analyse gemacht, wobei Borsäure, Magnesia,
Sparen von Natron und nur ganz geringe Mengen von
Chlor gefunden wurden, welcher Umstand darauf hindeu-
tet, dafis wenn überhaupt doch nur äufserst wenig Boracit
gebildet seyn konnte* Auf dem eingeschlagenen Wege
wurde also kein günstiges Resultat erhalten.
Deshalb rieth ich Hrn. Richter eine gröbere Masse
Lösungsmittel in Form einer geschmolzenen Chloralkali-
Verbindung bei einem nächsten Versuch anzuwenden. Zu
dem Ende wurden vier Loth gebrannte Magnesia in Chlor-
waaserstofbäure gelöst und mit einer Lösung von sechzehn
Loth Chlorammonium und acht und zwanzig Loth Chlor-
natrium gemischt. Die filtrirte Flüssigkeit wurde zur Trockne
▼erdunstet und in einem Platintiegel geschmolzen. Die er-
starrte Masse wurde in einem gut verschlieCsbaren Glase
aufbewahrt. Ein Theil derselben wurde mit wasserfreier
Borsäure gemischt und in einem Platiutiegel, der in einen
hessischen gestellt war, geschmolzen. Beim Auslaugen der
geschmolzenen Masse mit Wasser hinterblieben nur prisma-
tische Krystalle. Solche von regulärer Form konnten darin
nicht entdeckt werden.
Zu einem anderen Versuch wurden 200 Gmi. des Ge-
mischs von Chlornatrium und Chlormagnesium mit 5 Grm.
der Verbindung von Magnesia und Borsäure, die aus einer
kochenden Mischung von schwefelsaurer Magnesia und Bo-
rax unter Zusatz von kohlensaurem Natron bis zu nur
schwach saurer Reaction gefcllt wird ^&\e as&i^ratRÄRto
616
Verbindung enthielt 87 Pror. Magnesia) und mit 10 Gnu.
wasserfreier, fein gepulverter Borsäure gemischt und iu
einem Platintiegel geschmolzen. Die sehr allmählich erkal-
tete Schmelze wurde zerrieben und ein Theil mit verdünn-
ter kalter Salzsäure behandelt, wobei sich nicht Alles auf-
löste. Es blieben viele kleine, leicht durch glänzende Flä-
chen erkennbare Krystalle zurück. Unter dem Mikroskop
betrachtet, liefscn sich zwei Arten von Kryslallcii unter-
scheiden. Die eine hatte prismatische Form, während die
andere dein regulären System angehorte. Namentlich wur-
den Octaeder und Tetraeder erkannt. Weitere Versuche
ergaben, dafs die prismatischen Krystalle sich langsam in
kaller coucentrirter Salzsäure auflösten, während die regu
lären, wenn auch etwas angegriffen, zurückbÜebeo. Dieser
Umstand gab ein Mittel an die Hand, die letzteren von
den ersleren zu befreien. Nach mehrtägiger Einwirkung
der Salzsäure war die Scheidung vollkommen, wie die mi-
kroskopische Untersuchung nachwies
Die regulären Krystalle wurden hierauf so lange mit
destillirtem Wasser ausgesüfst, bis das Filtrat frei von Chlor
war. Die zuerst an der Luft, dann bei 100° C. getrock-
neten Krystalle erleiden bei schwachem Glühen keinen Ge-
wichtsverlust. In Masse baben sie das Ansehen eines feinen
Pulvers. Sie erscheinen wie feiner Sand. Erhitzt man die-
selben auf einer Glasplatte, so nimmt das Pulver ein grö-
beres Ansehen an. Seine Theilcben hängen sich an einan-
der und an der Glasplatte fest, so dafs sie bei vertiealer
Lage der Glasplatte sogar daran hängen bleiben. Reim Er-
kalten fallen sie dann in Klumpen ab. Eclatanter ist diese
Erscheinung auf einem Platinblcch, namentlich, wenn man
die erhitzten Krystalle auf ein grofses, kaltes Platinblech
schüttet. Sie scheinen während der Erhitzung gleichsam
wie befeuchtet und wie wenn sie an einander klebten. Fährt
man mit einem Glasstabe durch die erkaltenden Krystalle
hindurch, so ballen sie sich zu beiden Seiten und vor
der Spitze des Glasstabes zusammen und lassen sich in
Massen fortschieben. Nach \Q\ltyem Erkalten ist diese
617
Eigenschaft verschwunden. Diese Erscheinung ist offenbar
eine Folge der durch die Wärme hervorgebrachten Pyro-
Elelttriciüfct der Kry stalle. Sie verhalten sich genau so, wie
sich bei den Versuchen von Brewster l) das Pulver des
Turmalins verhielt.
Bei der qualitativen Analyse fand sich in diesen Kry-
stallen Magnesia, Borsäure und Chlor. Natron war nicht
vorhanden. Die quantitative Analyse wurde in der Weise
ausgeführt, dafs das schwach geglühte Pulver mit reinem
trocknen kohlensauren Natron geschmolzen, die Masse in
Wasser aufgeweicht und dann mit salpetersaurem Silber-
oxyd und Salpetersäure versetzt und erhitzt wurde. Das
Chlorsilber wurde daun abfiltrirt und nach Entfernung des
überschüssig zugesetzten Silbers durch Salzsäure die Magne-
sia durch Ammoniak und phosphorsaures Natron gefällt.
Auf diese Weise erhielt Hr. Richter unter Anwendung
aller notwendigen Vorsichtsmafsregeln folgende Zahlen:
I. 0,3085 Grm. lieferten 0,1086 Grm. Chlorsilber und
0^2641 Grm. pyrophosphorsaure Magnesia, entsprechend
0,02685 Grm. oder 8,70 Proc. Chlor und 0,09517 Gnn. oder
30,85 Proc Magnesia.
II. 0,2345 Grm. gaben 0,080 Grm. Chlorsilber und
0,2013 Grm. pyrophosphorsaure Magnesia, entsprechend
0,01978 Grm. oder 8,44 Proc. Chlor und 0,07254 Grm. oder
30,93 Proc. Magnesia.
Diese regulären Krystalle besitzen also die Zusammen-
setzung des Boracits, wie folgende Tabelle zeigt:
T.
II.
berechnet.
Chlormagne8ium 11,64
11,29
10,63
€lMg
Magnesia 25,95
26,18
26,86
6MgO
Borsfture 62,41
62,53
62,51
8BO»
ioo.
100.
100.
Zwar ist die Menge des gefundenen Chlors etwas gröfser,
als die Formel verlangt, die der Magnesia aber etwas ge-
ringer. Allein vergleicht mau die bei den Analysen des
natürlichen Boracits gefundenen Zahlen (siehe die oben ci-
1 ) Die» Ann. Bd. 2, S. 303*.
^
618
litten Arbeiten) mit den für seine Zusammensetzung nach
der Formel berechneten, so findet sich durchgehend dieselbe
Differenz. Au der Identität der erzeugten Krjstalle mit
dem Boracit kann daher nicht gezweifelt werden, worauf
schon ihre physikalischen Eigenschaften hingedeutet hatten.
Um die Zusammensetzung der uadelförmigen Krjstalle,
die zugleich mit den regulären sich bilden und in kalter
concentrirter Salzsaure löslich sind, zu ermitteln, inachte
Hr. Richter einen neuen Versuch zur Darstellung dersel-
ben. Von jener Mischung von Cblormangnesium und Chlor-
ualrium , deren Darstellung oben erwähnt ist, wurde ein
Theil mit einer entsprechenden Menge gebräunter Magnesia
und wasserfreier Borsäure in dem Verhältnifs von drei Ato-
men zu vier Atomen gemischt, wie früher zusammenge-
schmolzen und sehr langsamer Erkaltung überlassen.
Der Schmelzkuchen wurde hierauf lange Zeit mit "Wasser
in Berührung gelassen und dann der nicht aufgelöste Theil
durch Umrühren und Drücken mit einem Glasstabe zerklei-
nert. Beim Umrühren erhielt sich ein Theil desselben län-
gere Zeit aufgeseblämmt, während ein anderer sich schnell
zu Boden senkte. Die Untersuchung zeigte, dafs in jenen
leichtern, aufgeschlämmten Tbeilc vorzugsweise die uadel-
fönnigeu Krjstalle enthalten waren, während der schwerere
sich schnell zu Boden senkende Theil zumeist aus regulären
Kristallen bestand. Dieser Umstand machte eine annähernde
Trennung beider Theile leicht möglich. Da die prismati-
schen Krjstalle wieder aus leichteren und schwereren zu be-
stehen schienen, so versuchte Hr. Richter auch diese nach
Möglichkeit zu trenuen. Den schwereren, regulären Kristal-
len waren noch immer nadelfürmige beigemengt. Sie wurden
deshalb wiederum durch Behandlung mit concentrirter kalter
Salzsäure gereinigt.
Zuerst führte Hr. Richter noch eine Analyse des von
Neuem dargestellten Boracits aus, wandte aber die Vorsicht
an, ihn zuvor in einem Agatmörser aufs Feinste zu schlKn-
111 en, um das innerhalb der Krjstalle etwa eingeschlossene
ChlormagneBium oaitcYi NVäbAvwi ™.V Wasser entfernen n
können. Das gewaschene Pulver wurde dann in derselben
Weise, wie früher die Krystalle, aualysirl wobei folgende
ihlen erhalten wurden.
0,675 Gnu. derselben lieferten 0,2273 Gnn. Chlorsilber,
d. I, 0,0562 Grm. oder 8,33 Proe. Chlor. Aus 0,148 Gnn.
derselben wurden 0,1277 Gnn. pyrophosphorsaurc Magne-
sia, entsprechend 0,04602 Gnu. oder 31,10 l'roc. Magnesia,
erhalt eu.
Hieraus folgt folgende Zusammensetzung des künstlichen
Boracits:
Chloruiaguesuiui 11,14 10,63
Magnesia 26,41 26,86
Borsäure 62,45 62,51
tun. 100,
Diese Resultate lehren, dafs wirklich die Zusammensetzung
des geschlämmten Pulvers der Rechnung näher kommt, als
die des nicht geschlämmten. Es scheint daher wirklich eine
Beimengung von Chlormagnesium die Ursache davon zu
seyn, dafs der Chlurgehalt bei allen Analysen des Boracits
zu grols bestimmt worden ist.
Bei der qualitativen Prüfung des leichtern, prismalisch
kristallinischen Pulvers, welches vou dem Boracit abge-
schlämmt worden war, fand sich, dafs beide abgeschlämmte
Portionen, das leichtere wie das schwerere, neben Magnesia
Borsäure und sehr geringe Spuren von Natron noch Chlor
enthielten, jenes aber weniger als dieses. Da ich den Chlor-
gehalt desselben auf Rechnung des darin enthaltenen Boracits
schreiben zu dürfen glaubte, so hoffte ich durch Abrechnen
einer solchen Menge Boracit, als dem gefundenen Chlor ent-
spricht, von der augewendeten Menge, und einer solchen
Menge Magnesia, als dieser Boracit enthält, von der gefun-
denen Menge Magnesia die Zusammensetzung des damit ge-
mengten Pulvers ermitteln zu können. Deshalb veraulafste
ich Hrn. Richter auch von diesen Substanzen in derselben
Weise, wie von dem Boracit, quaulUaYwe Mw\^¥ä.w wjssi
führen, Verselbe erhielt folgende WeBuUate:
)
«20
0,687 Grm. des leichtern der beiden Pulver lieferten
0,(1079 Grm. Chlorsilber und 0,941 Grm. pyrophosphorsaure
Magnesia, entsprechend 0,00195 Grm. oder 0,28 Proc. Cbloi
und 0,31018 Grm. oder 49,52 Proc. Magnesia. 0,28 Proc.
Chlor entsprechen 3,5*2 Proc Itoracit, woraus 1,10 Prot
Magnesia erhalten werden. Es bleiben also für 96,1H Theilc
der borsaureu Magnesia 48,92 Titeil c Magnesia, die also mit
48,06 Theilen Borsäure verbunden sind. Hiernach bestehen
100 Tbeile dieser Verbindung, wie sie iu «lern leichtesten
der abgeschlämmten Pulver enthalten isl, aus
Magnesia 50,19 50,07 7 Mg O
Borsaure 49,81 49,93 4BO»
100. 100.
0,3632 Gnn des schwereren, abgeschlämmten Pulvers
gaben 0,0085 Grm. Chlorsilber und 0,115 Grm, pyrophos
phorsaiiri!- Magnesia, entsprechend 0,0021 Grm. oder O.rW
Proc. Chlor und 0,1195 Grm. oder 41,16 Proc. Magnesia
In derselben Weise, wie bei dem vorhergehenden Versuch
berechnet sich die Zusammensetzung des dem Boracit bei
gemengten Pulvers in Procenlen zu
Magnesia 41,93 41,74 5MgO
Borsäure 58,07 58,26 4B03 I
100. TÖÖ !
Diese Resultate lehren, dafs die prismatisch krystallisirle
Substanz noch ein Gemenge von miudestetis zwei Verbin-
dungen ist, welche durch das Schlämmen natürlich nicht
vollkommen von einander geschieden werden können. Ich
vermuthe, dafs sie aus den Verbindungen BOa*4*MgO und I
BO'+2MgO besteht, von denen erstere in dem gröberen,
letztere iu dem feineren Pulver vorwaltet.
Der Umstand, dafs, ungeachtet die Menge der Magnesia
und der Borsäure, welche bei den beschriebenen Versuchen |
mit dem Gemenge von Chloruatriuu) und Chlormagnesiuii
geschmolzen wurde, dem Aequivalentverhältnifs jener beider
Körper, in weichen Ae »'taitit enthalten sind, angepabl
war, doch sleAfi V«\&,&&'os$j» ^s-vwKotsv «eAatanAKa, äit
621
mehr Magnesia enthalten, als im Boracit enthalten ist, führte
mich zu der Ansicht, es möchte die Bildung von Magnesia
aus Chlormagnesium unter dem Eiuflufs der Feuchtigkeit
der Luft während des Schmelzens die Ursache hiervon seyn.
Die Bildung des Boracits wird natürlich dadurch beeinträch-
tigt. Deshalb veranlafste ich Hrn. Richter noch einen
Versuch wie die früheren auszuführen, das Mengenverhält-
nis zwischen Borsäure und Magnesia aber so zu wählen,
dafs von letzterer nur die Hälfte von der Menge in An-
wendung kam, welche mit dem Borsäurequantum die Ver-
bindung gegeben haben würde, die im Boracit enthalten ist«
Das Resultat war, dafs nun in der That eine weit kleinere
Menge der prismatischen Krystalle gebildet worden war.
Der erzeugte Boracit aber war bedeutend undeutlicher
krjstallisirt, so dafs man unter dem Mikroskop selten Kry-
stalle fand, die als Boracitkrystalle deutlich erkannt werden
konnten.
Wenn nun aus den vorstehenden Versuchen hervorgeht,
dafs der Boracit auf feurigem Wege bei Abwesenheit von
Wasser leicht künstlich dargestellt werden kann, während
die Versuche, ihn auf nassem Wege zu erzeugen, sämmtlich
mißlangen, so darf darauf keineswegs der Schlufs gebaut
werden, dafs er nur auf trocknem Wege entstehen könne.
Denn es könnten möglicher Weise nur die Umstände, unter
denen er sich auf nassem Wege bildet, bei den erwähnten
Versuchen nicht eingehalten worden seyn. Hält man aber
die obigen Resultate mit der Beobachtung von Potyka zu-
sammen, wonach der Boracit, wenn er lange an der Luft
liegt, allmählich Wasser aufnimmt und in Stasfurtit übergeht,
so dürfte wohl in Betreff der Bildung des natürlichen Bo-
racits die Frage aufgeworfen werden können, ob nicht der
Gyps, in welchem man ihn eingelagert findet, natürlich auf
nassem Wege, aber erst nach der Bildung des Boracits auf
feurigem Wege entstanden seyn könnte. Ich überlasse es
den Fachmännern, diese nicht uninteressante geognostische
Frage zur Entscheidung zu bringen.
622
VIII. lieber die Zusammensetzung des Harmotoms
und Phillipsits (Baryt- und Kalk- Harmotoms');
pon C. Rammelsberg.
v/bwohl noch immer Hiebt entschieden ist, ob die Formen
dieser beiden Mineralien dem zweigliedrigen (rhombischen)
oder dem vicrgliedrigen (quadratischen, tetragonalen) System
angehören, und Naumann noch kürzlich ') darauf hinge-
wiesen hat, dafs ihre bekannten Zwillinge aus einer beson-
deren Art vierglicdriger HHlflfläcbucr entstanden seyn dürf-
ten, wobei sich die Vierkantner in Rhombenoctaeder ver-
wandeln (daher rhombotype Hemiedrie von Naumann ge-
nannt), so bieten sie doch in jedem Fall ein schönes Bei-
spiel von Isomorphie in der Gruppe der Zeoliihe dar. Allein
schon Köhler hat in seiner ausführliche» Arbeit *) vor
2-1 Jahren nachgewiesen, dafs die alteren Analysen keine
analoge Zusammensetzung für beide anzunehmen gestatten.
Er sah sich gerade deswegen zu einer Wiederholung der-
selben veranlafsl, gelangte aber auch zu dein Resultat, dafs
ihre Zusammensetzung eine verschiedene sey.
Für den Pkitlipsit von Marburg und Kassel uabm er
den Sauerstoff von
R:ÄhSi:H = 1:4:10; 6
= ~: 2:1}
au; für den Barmotom hingegen glaubte er aus seinen Ana-
lysen (Andreasberg, Oberstein, Strontian) das Verhältnis
R;Al:Si:H= 1:3^:11 :6
= ™: 2$:U
ableiten zu müssen.
Zugleich machte Köhler darauf aufmerksam, dafs der
Harmotom hiernach als eine Verbindung von Phillipsit und
einem Desmin angesehen werden könne, welcher Baryt statt
1) Di«c Ann. Bd. 96, S80.
2) Ehend«. Bd. 31, S. 5ft\.
823
Kalk enthalte, um so wehr, als die Krystallform des Desmins
unverkennbare Beziehungen tu der des Phillipsits und Har-
motoms zeige.
Das Saueretoffverhältnifß l:3i zwischen den Monoxyden
und der Thonerde ist aber ein so ungewöhnliches, dafs es
nicht ohne Prüfung angenommen werden darf. Berechnen
wir deshalb die älteren Analysen des Hartnot om$f so wie
die späteren von Damour und Kerl, und zwar unter der
• • • •
doppelten Annahme: Si« = 51,9 Proc und Si* = 53,3 Proc*
Sauerstoff so erhalten wir folgende Sauerstoffrerhältnissc:
• ••• •••• •• ••
R : AI R, AI : Si. S»
1. Andreasberg a. Köhler 1 : 3,33 =
= 0,90:3
1:2,37
2,43
(.Derselbe 2,67
1,12
2^0
2,36
c. Kerl 3,09
0,97
2,43
2,50
2. Oberstein Köhler 3,34
0,90
2,41
2,48
3. Strontian a. Connel 2,7 7
1,08
2,52
2,58
b. Köhler 3,06
0,98
2,35
2,42
c. Damour 2,95
1,01
2,48
2,54
d. Derselbe 3,12
0,96
2,40
2,45
Mittel 1:3,04 =
= 0,99:3
1:2,4
2,47
• • * • •
AI: Si.
• •
Si.
H: Si.
• •
Si»
1 . Andreasberg a. Köhler 1 : 3,07
3,17
1:1,80
1,90
b. Derselbe 3,17
3,23
1,80
1,83
c. Kerl 3,23
3,30
1,61
1,65
2. Oberstem Köhler 3,13
3,23
1,80
1,90
3. Strontian a. Connel 3,43
3,50
1,84
1,88
b. Köhler 3,13
3/20
1,80
1,90
c. Damour 3,30
3,40
2,10
2,17
«{.Derselbe 3,13
3,23
1,96
2,00
Mittel 1:3,2
3,28
1:1,84
1,9
Das Mittel der Analysen ergiebt also den Sauerstoff
der Thonerde dreimal so grofe als den der Monoxyde.
Aber der Sauerstott der Säure ist YAdfetem ta& l^tatab
von dem der Basen, in welchem FaU xwiwätowfc ^nc ^W&r
624
erde imil Kieselsäure das Vcrhällnifs 1 i ~3± herrschen mufs.
Endlich enthüll das Wasser offenbar halb so viel Sauer-
stoff als die Säure. Es ergebt sich mithin für den Harmo-
lan mit profser Wahrscheinlichkeit die SancrstoffproriorliuD
R:Äi:Si:H = l:3:10:5.
Schon vor langer Zeit hatte ich einige Versuche mit dem
Harmotuui von Andrcasbcrg angestellt '), ohne jedoch das
Alkali zu bestiinmcu. Ich habe deshalb jetzt sorgfältig aus-
gesuchte Krystalle dieser Localitäl, die von Kalkspath durch
schwache Säure befreit waren, so wie die grofsen Krystalle
von Strontian von neuem untersucht, und erhalten:
AncliM.btr*
Slronti»,
Smcntuff
SMMrf
Kieselsäure 48,49 25,16 (25,84)
47,52
21,66 (25,321
Thonerdc 16,35 7,63
16,94
7,91
Baryt 20,08 2,098
211,25
2,12
Kali 2,07 0,352
1,00
0,45
Natron Spur
1,09
Wasser 13,00 11,56
13,45
11,96
" 99,99
100,25
Hier ist der Sauerstoff:
H : AI B
AI: Si.
si.
1. 1:3,1 =0,96:3
1 : 2,50
2,56
2. 3,08 = 0,98 : 3
2,31
2,40
Äi: si. si,
Ü : Si.
si.
1. 1:3,30 3,39
2. 3,12 3,20
1:2,18
2,23
2,06
2,12.
(RSi*
I) Dwidwörlfrbucl., \, Ml.
-AISis) + 5aq
Diese Versuche bestätigen das oben angeführte Säuerst off-
verhältnife 1:3: 10:5, wonach man den Harmotom durch
die Formel
625
kann, in welcher das erste Glied ein Quadrisi-
likat, das zweite ein Bisilikat ist. Obwohl aber eine solche
Formel den Vorzug der Kürze hat, und mit einem Blick
die 8töchiometrische Zusammensetzung des Minerals über-
sehen läfst, drückt sie doch schwerlich die Constitution der
Verbindung aus. Um die willkürliche Vertheilung der Säure
unter die Basen zu vermeiden, scheint es angemessen, in
Doppelsilikaten nur gleiche Sättigungsstufen anzunehmen.
Dann besteht der Harmotom aus 1 At R4Si\ 3 At. Äl'Si1*
and 20 At. Wasser. Will man aber diese Silikate nicht als
selbstständige gelten lassen, so mag man sie entweder in
RSi'-f-3RSi und AlSi*-f-3ÄiSi3
oder in
R'Si»-|-2RSi und ÄiaSi*+2ÄiSi3
auflösen, so dafs das Ganze entweder
(RSia-f-ÄiSi3)+3(RSi-f-AlSi3)
oder
(RftSi8+AlaSi9)-f-2(RSi-f-ÄISi3) ist.
Was nun den Phittipsit (Kalkharmotom) betrifft, so zer-
fallen die unter diesem Namen untersuchten Substanzen in
zwei Abtheilungen: A) solche, die 7 Proc. Kalk und 4 bis
6Proc. Kali enthalten, und B) solche, die 3 bis 5 Proc.
Kalk, 4 bis 6 Proc. Kali und 4 bis 6 Proc Natron ent-
halten.
Sauerstoff.
R : AI R, AI : Si. Si»
A. 1. Giefseu. Wernekink 1 : 3,33 = 0,90 : 3 1 : 2,05 2, 1 0
2. Marburg c. L.Gmelin 3,45 0,87 1,88 1,90
b. Köhler 4,00 0,75 2,06 2,10
c. Genth 3,03 0,99 1,94 1,96
3. Kassel Köhler 4,00 0,75 1,84 1,90
4. Island a. Daniour 2,97 1,01 1,83 1,90
6. Derselbe 3,27 0,92 1,83 1,90
B.\. Irland Connel 3,11 0,96 1,85 1,90
2.Sicilien»)S.v.Waltersh.3,47 0,87 1,98 2,00
3.Sicilien') Derselbe 3,03 0,99 2,04 2,10
1) Pabgonn. 8) Aci Castello.
Poggeador/Tt Aoatl. Bd. CX. ^*
A.
:
eil
l.Giersen. Weniekink
1:2,7 =
= 2,72
1 : 1.65
1,70
"2. Marburg a. L.Ginelin
2,4
2,5
1,66
1.7(1
b. Köhler
2,6
2,64
1,76
1.80
c. Genlh
2,6
2,61
1,73
1,74
3. Kassel Köhler
2,3
2.36
1.60
1,65
1. Island o. ßamour
2,1
2,5
131
1,86
b. Derselbe
2,4
2,45
1.80
1.84
1. Irland C.onncl
2,1
3,48
1.65
1.67
2.Sicilien S. v. Waltersh.
2,6
2,62
1,94
1,99
3.Sicilien Derselbe
2,7
2,80
1,92
14>7
Der Sauerstoff von R i AI ist in fünf Füllen nahe =1:3,
einmal = I : 3J-, zweimal nahe 1 : 3i, zweimal =1:4.
Aber der Sauerstoff der Basen und der Säure ist utattei-
felhaft = l:'2. Zwischen Thonerdc und Säure herrscht im
Millcl das Verhältnifs 1:2,51—2,56, also 1:2!,, die Aua
lysen A. I, 2 l>, 2 c, B 2 und 3 deuten aber vielmehr auf
1:2^, wie es sovu inufs, wenn R:AI = 1:3 ist. Endlich
ist der Sauerstoff des Wassers und der Säure im Mittel
= 1 : 1,8, mehrfach aber nur = 1 : 1,6 = 5 : 8.
Wir sehen also, dafs der l'hillipsit noch Zweifel übrig
läfsl, welche durch genaue Analysen beseitigt werden müssen.
Aber die Mehrzahl der vorhandenen spricht für das Ver-
hältnifs 1:3:8:5, welches die Formel
(RSi + ÄiSi3) + 5aq
ausdrückt.
Da auch Kühlers Versuche die Bisilikalmischung des
Ganzen ergeben, so mufs, wenn R: AI =1:4, der Sauer-
stoff AI : Si = 1 : 2 ^ seyn. Da letztere Proportion in 2b
= 1:2,6, in 3 aber 1:2,3 ist, so sieht man, dafs die»
Analysen keine Bürgschaft für die angenommene Propor-
tion 1:4:10:6 gebeu, welche die beiden Silikate in den
Verhältnifs von 3: 4 Atomen, sowie 18 At. Wasser liefert i
Auch der Gümondtn \%\ «&& d« Form nach den beiden
627
erwähnten jedenfalls sehr nahestehender Zeolith. Die ein-
zige von Marignac herrührende Analyse setzt leider seine
Zusammensetzung ebenfalls nicht ganz aufser Zweifel, denn
• • • « • • •
nach ihr ist der Sauerstoff von R : AI : Si : H = 1 : 3 : 4,4 : 4,4,
also nahe = l:3:4j-:4^, oder ein Hydrat der Nephelin-
mischung. Man kann daher höchstens vermuthen, der Gis-
mondin möchte 1:3:4:4 haben, und mufs auch hier die
Entscheidung weiteren Versuchen überlassen.
So viel steht jedoch fest, dafs die genannten unter den
Zeolithen eine durch Aehnlichkeit der Krystallform ausge-
zeichnete isomorphe Gruppe bilden, deren Glieder stöchio-
metrisch verschieden sind.
R
: A\
: Si :
H
Gismondin
1
: 3
: 4 :
4
oder
1
: 3
: 4£:
U
Phillipsit
1
: 3
: 8 :
5')
Harmotom
1
: 3
: 10 :
5.
Eine ähnliche Gruppe sechsgliedrig krystallisirter Zeo-
lithe, deren Isomorphie jedoch noch nicht für alle feststeht,
bilden:
Gmelinit 1 - ft
Chabasitz-Th.}1 s * : ö : °
Chabasitz.Th. 1 : 3 : 93): 6
Gehört auch der Herschelit hierher? Und wie verhält
er sich zum Gmelinit?
1) Der sechsgliedrige Herschelit hat dieselbe Zasammensetsang; in ihm
ist Natron anter den Monoxyden herrschend.
2) Wahrscheinlich richtiger es 10.
4»*
VI
IX. Mitlheilungen aus dem Laboratorium von
R. Schneider.
XScrzelius ') hat angegeben, dafs man <lurch Zusammen
bringen von Quecksilbern \yd mit Fluorwasserstoffsäure
Quccksilbcrfluurid als ein licht-ornngcgclbcs Pulver erhalt
und beim Eindampfen einer II uur wasserst oifsaurcu Aul losun;
desselben als dunkelgelbc Pristneu. Analytische Beweise für
die Richtigkeit dieser Angaben sind indefs von Bcrzcliu.«
nicht beigebracht worden.
Im Folgende!) soll gezeigt werdeu, dafs das, was Ber
zelius für Quccksilberlluorid hielt, nicht solches war, son-
dern wasserhaltiges Quecksilbernxyfluorid.
"Wird frisch gefülltes und vollständig ausgewaschenes
Quecksilberoxyd iu Fluorwasserstoffsäure eingetragen, so
lösen sich die ersten Portionen unter Erwärmung vollständig
auf; bei fernerem Eintragen findet keine Lösung mehr statt,
aber das Quecksilberoxyd verwandelt sich ziemlich schnell
in ein hellgelbes, kryslallinischcs Pulver. Man fährt in 1 1
dein Eintragen nur so lange fort, als diese Verwandlung
schnell stattfindet uud vermeidet sorgfältig einen Debersclrafr
an Quecksilberoxyd.
Das gelbe krystalliutsche Pulver, nachdem es von der
Flüssigkeit abfilirirt, zwischen Fliefspapicr stark abgeprefst
und über Schwefelsäure und Kalk getrocknet worden ist,
hat die Zusammensetzung des Quecksilberoxylluorids, wie
folgende Analysen ') zeigen:
1) 1,068 Grm. gaben 1,054 Gnn. Schwefeln iiecksilbcr
1) Di«K Ano. 11,1 I, S. 35.
2) Di« Qufckjllbtr- und Fliiorbcihmranngm und u, «uigeffibn , «» ,.
in meinet fr.", lern Mitdicilunc iilwr da. QurrUilbtrfli.oi ,ir angrf
^
629
und 0,173 Grm. Fluorcalcium, resp. 0,304 Grm. schwe-
felsaure Kalkerdo {entsprechend 0,174 Gnn. Ca Fl).
2) 1,121 Gnn. gaben 1,107 Gnn. Schwefelquecksilber
und 0,179 Grin. Fluorcalcium, resp. 0,309 Grm. schwe-
felsaure Kalkerdc (eut sprechend 0,177 Grui. CaFl).
13) 0,912 Gnn. im Gemenge mit einem Ueberschufs von
frisch ausgeglühtem und fein gepulvertem Bleioxyd in
ein enghalsiges Glaskölbchen eingeschlossen, verloren
beim Erhilzeu im Sandbadc auf nahe 200" 0,031 Gnn.
Wasser.
4) 0,590 Grm., auf dieselbe Weise bebandelt, verloren
0,018 Grm. Wasser.
Da die untersuchte Substanz ihrem ganzen Verhalten
nach zu den Quecksilberosydvcrbuidungcn gehört und da sie,
wie aus Analyse 1 und 2 folgt, auf 2 Aequiv. Quecksilber
nur 1 Aequiv, Fluor enthält, so mufs sie als wasserhaltiges
Oxtjfluorid bezeichnet werden. In der Thal befinden sich die
Ergebnisse der Analysen mit der Formel Hg Fl, HgO+HO
in genügender Ucbcrcinstimmung
Gefunden: ^^__^
BrahMi ""L "TT 111.'" "^IV^ MiittlT
2Hg = 200 84,75Proc. 85,08 85,13 — — 85,10
7,90 7,78 — — 7,84
2H,=
MO
81,75 Pi
Fl =
19
8,05 i
o=
8
3,3» <
HO =
9
3,81 .
_ _ 3,40 3,02 3,21
236 100,00.
Dieselbe Zusammensetzung haben die orangegelben Kry-
stalle, die beim langsamen Abdampfen einer tluorwasscrsloff-
sauren Auflösung von Quecksilberosyd erhalten werden.
Die Form dieser Krystalle bat sich, da sie gewöhnlich ab-
gerundete Flachen zeigen, nicht deutlich erkennen lassen.
Sic geben zerrieben ein bellgelbes Pulver.
1) 1,104 derselben (bei 00 bis 80° angeschossen) gaben
1,084 Grm. Schwcfclquccksilber und 0,177 Gnn. Fluor-
calcium, resp. 0,308 Grm. CaO, SOa.
2) 0,613 Grm. derselben Krystalle verloren (.1,021 G.«&,
Wuter,
630
3) 0.B22 Gnu. (bei 20° C. angeschossen ) gaben 0,301
Gnu. Schwefelquecksilber und 0,133 Gnu. Fluorcal-
ciuin, resp. 0,235 Gnu. CaO, SO, (entsprechend 0, 135
Gnu, Ca Fl).
4) 0,787 Gnu. verlöret) 0,032 Gnu. Wasser.
Berechnet nach Gefunden ^^^__^
UfFt,HcO+UO ~~T II. ~ llll IV. Uia^T
84,75Proc. Hg 84,65 — 84,00 — 84,32
8,05 » Fl 7,81 — 7,88 — 7,85
3,39 - O _____
3,81 - HO - 3,43 — 4,07 3,75
100,00.
Das Quecksilberoxyfluorid wird durch Wasser, selbst in
der Kälte, so gut nie vollständig zersetzt. Dabei nimmt
es anfangs eine orangerolhe, später wieder eine gelbe Farbe
an. In der Lösung ist aufser Fluorwasserstoffsäure etwas
Quecksilberoxyd eutbalteu, der Rückstand bcstebt aus fast
reinem Quecksilberoxyd. Ein solcher zeigte bei der Ana-
lyse einen Gehalt von £ Proc. Fluor und 92,17 Proc. Queck-
silber. Die Formel des Quecksilberoxydes verlangt 92.59
Proc, Quek silber.
Bei einer Temperatur von 100 " erfährt das Quecksilber
oiyfluorid keine Veränderung. Bei höherer Temperatur
färbt es sich dunkler und giebt Wasser ab, welches Glas
angreift; endlich schmilzt es und wird unter Ausscheidung
von metallischem Quecksilber vollständig zersetzt
Fremy ') bat angegeben, beim langsamen Verdunsten
einer Auflösung von Quecksilberoxyd in concentrirter Fluor-
wasserstoffsäure Quecksilberfluorid in langen farblosen Na-
deln erhalten zu haben. Diese enthielten nach ihm Kry-
stallwasser und zersetzten sich unter dem Einflufs des Lichts
in ein basisches Salz und Fluor wassertoffsäure. Die Resul-
tate seiner Analysen hat Fremy wegen mangelnder Ueber-
einstimmung derselben nicht mitgetheilt.
Die Darstellung dieser von Fremy erwähnten Kryslalle
ist mir trotz wiederholter Versuche nicht gelungen. Dage-
1) Annai. dt chim. <t phyt. T. XLf/I. 38.
631
gen habe ich dos Quecksilberfluorid auf andere Weise er.
ballen.
Trägt man in einen grofsen Ueberschufs von Fluorwas-
serstoffsäure (mit etwa 50 Proc. reinem Fluorwasserstoff)
trocknes Quecksilberoxyd ein, so wird diefs in eine zusam-
menhängende, ziemlich feste weifse Masse verwandelt. Diese
ist wasserhaltiges Quecksilbertluorid. Dasselbe enthält in-
defs, nach dieser Methode dargestellt, leicht kleine Mengen
von Quecksilberoxyd eingeschlossen. Sicherer erhält man
die Verbindung rein, wenn man feuchtes Quecksilberoxyd
durch Fluorwasserstoffsäure zunächst in 0\ \ Ihiurtil über-
führt, die Flüssigkeit von diesem abgiefst und durch Fluor-
wasserstoffsäure ersetzt. Nach mehrmaliger Wiederholung
dieser Operation verwandelt sich das gelbe Oxyfluorid unter
Wärm cen twickclung und Aufnahme der überstehenden Flüs-
sigkeit fast plötzlich in eine weifse, zusammenhängende, kry-
stallinische Masse von wasserhaltigem Quecksilberfluorid.
Die Analyse der Verbindung ergab Folgendes:
1 ) 1,090 Grat, gaben 0,921 Gnu. Schwefelquecksilber und
0,301 Gnu. Fluorcalcium, resp. 0,527 Grm. schwefel-
saure Kalkerde (entsprechend 0,302 Grm. Ca Fl).
2) 0,995 Grm. verloren beim Trocknen über Schwefel-
säure und Kalk 0,121 Grm. Wasser.
3) 1,024 Grm. (einer anderen Darstellung) gaben 0,601
Grm. Schwefelquecksilber und 0,269 Grm. Fluorcal-
cium, resp. 0,476 Grm. schwefelsaure Kalkerde (ent-
sprechend 0,273 Grm. Ca Fl).
Aus diesen Dateu leitet sich die Formel HgFI + 2HO
ab, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
Qrfndwg
Berechne!: T itl. l£ Wlllrl:
Hg =100 72,99 Proc 72,84 — 72,48 72,66
Fl = 19 13,87 . 13,45 — 12,80 13,13
2HO= 18 13,14 - — 12,16 — 12,16
237 100,00 97,95.
Das Quecksilberfluorid läfst sich durch Tempcraturer-
böbiing nicht entwässern: schon bei ^>vV C. ft'cA'wevSoX xsi*-
632
dem Walser Fluorwasserstoffsäure unter Hinterlassung von
C>\ vJluoi id. In trockener Luft, auch bei Zutritt des Lichts,
scheint es sich nicht zu verändern. Gegen Wasser verhält
es eich wie das Oxyfluorid (s. oben).
Man wird bemerken, dafs durch ihr ganzes Verhalten
gegen Quecksilberoxyd die Flufssäure mehr an eine Sauer-
stoff- als au eine Wasserstoff saure erinnert Der sehr
merkwürdige Umstand, dafs sie Goldoiyd nicht auflöst, bal
schon früher Fremy zu ähnlichen Betrachtungen Veranlas
sang gegeben.
Versetzt man eine fluorwasserstoffsaurc Auflösung vou
Quecksilberlluorid mit Ammoniak im geringen Ueberschuls,
so scheidet sieb bei gewöhnlicher Temperatur erst nacb
einiger Zeit, beim Erwärmen sofort eine weifse gallertartige
Masse aus, die beim Auswaschen, ohne Zersetzung zu er-
fahren, ihre gallertartige Beschaffenheit verliert und nach
dem Trocknen (über Schwefelsäure) ein schön weifses Pul-
ver darstellt.
1) 1,174 Gnu. dieses Pulvern gaben bei der Analyse
1,148 Grm. Schwefelquecksilber und 0,191 Gnn. Fluor-
calcium, resp. 0,333 Grm. schwefelsaure Kalkcrde (ent-
sprechend 0,191 Gnn. Ca FI).
2) 0,954 Grm. gaben 0,942 Gnn. Scliwefelquecksilbei
und 0,154 Gnu. Fluorcalcium, resp. 0,268 Gnn. CaO,
SOs (entsprechend 0,154 Grm. CaFl).
3) 0,898 Grm. wurden mit Einfach - Schwefel kali um und
etwas Kali destillirt, das entwickelte Ammoniak wurde
in Salzsäure aufgefangen und der nach dem Abdampfen
der salzsauren Lösung- zurückbleibende Salmiak nach
der von Mohr angegebenen Methode maafsanalytisch
bestimmt; es wurden verbraucht 20,2 CC. Silberlösung
(1 CC. enthalt 0,01 Gnn. Ag).
4) 0,736 Grm., auf dieselbe Weise behandelt, erforder-
ten 16,8 CC. Silberlösung.
Nimmt man an, dafs das gefundene Ammoniak als sol-
ches in der Verbindung enthalten war, so führen die ge
fundenen Werthe zu der Formel 2(HgFl, HgO), NH3.
Dieser entsprechen nämlich folgende Zahlen:
__^^ Gefunden i
Berechnet: "T ~~ II. lll. IV. Mittel:
4 Hg =400 84,93 Proc. 84,30 81,86 — — 84,58
2FI = 38 8,07 . 7,92 7,84 — — 7,89
20 = IG 3,39 ■■ 3,37 ') 3,39 — — 3,38
NH3 = 17 3,61 ■ — — 3,54 3,59_ 3,57
171 100,00. 99, l>.
Die obige Formel befindet sich iudefs mit dem ander-
weitigen Verbalten der Substanz nicht völlig im Eiuklang.
Wird diese nämlich mit Bleioxyd im Glaskolbchen bis etwa
" C. erhitzt, so erhalt man aufser einem Sublimat von
Quecksilber stark aruuioniakalisch reagirendes Wasser, zu-
gleich aber findet eine Enlwickelung von Stickstoff statt.
Damit scheint angedeutet, dafs in der Vcrbiuduug nicht
Ammoniak, sondern Amid enthalten ist. Bei einem Ver-
suche, bei dem der Gewichtsverlust des Külbchens geiiau
bestimmt und der entwickelte Stickstoff geinessen wurde,
verloren 1,044 Gnu. Substanz 0,061 Gnn., darunter ziemlich
genau 10 CG. Stickstoff. Nach der folgenden Zersetzuugs-
gleichung
6PbO + 3[2(HgFl, HgO), NHaJ
= 6PbFH-9HgO + 3Hg+3HO-r-2NH3+N
mufs die Verbindung verlieren:
Verjuch:
4,79
1,05
5,84.
Ammoniak u. Wasser =: 4,32 Proc.
Stickstoff = 0,99 »
5,31
Die Verbindung lüfst sich hiernach betrachten als ein
wasserhaltiges QuecksilberoxyamiUuorid = 2HgFI, HgNHj,
HgO + HO. Nach der Mercuramintheorie kann sie auf-
gefafst werden als eine Verbindung von Dimercuramino-
murnoxydbydral mit Quccksilberfiuorid:
N(H8,H,)J0i+2HgF|.
I) Der Saomtott ist ,....). dem gefuoueiiiMi Qu.cVn\W(,Ä>»\«. Ni«<Ava«.
634
VII Zur iiiiinfsiinalj'ti.*chcn Res! iinraung .les AnUmoni;
vdd B. Schneider.
Bekanntlich wird das Anlimou in den bei weitem meisten
Fällen der Analyse als Schwefelantimon abgeschieden. Da
diese Substanz mdefg wegen wechselnder Zusammensetzung
nicht ohne Weitere« zur Bestimmung gebracht werden kann,
so hat mau die Aufgabe, sie iu eiue leicht bestimmbare
Form überzuführen. Nach Seiteu der Gewich tsanalyse kann
diese Aufgabe als gelöst betrachtet werden: die in neuerer
Zeit von Bunsen ') vorgeschlagenen Methoden zur Ver-
wandlung des Scbwefelanthnons in antimonsaures Antimon-
oxyd lassen au Genauigkeit und Sicherheit nichts zu wün
sehen übrig. Für die maafsanaly tische Bestimmung des An-
timons dagegen ist bis jetzt keine Methode angegeben wor-
den, bei der das Schwefclantunon als Ausgangspunkt genom-
men wird. Gerade nach einer solchen aber ist das Bedürf-
nifs nahe gelegt. Die im Folgenden beschriebeue Methode
scheint mir geeignet, diesem Bediirfnifs abzuhelfen.
Das Schwefelautimou, das ans Lösungeu, gleichviel ob
diese Autimouoxyd oder Antiinousäurc enthalten, durch
Schwefelwasserstoff gefällt wird, zersetzt sich bei Behand-
lung mit kochender Salzsäure so, dafs für I Aequiv. Anti-
mon genau 3 Aequiv. Schwefelwasserstoff frei werden. Die-
ser Schwefelwassersloffgas ist folglich ein Maafs für das
Antimon und die genaue Bestimmung jenes kann als eine
indirecte Bestimmung für dieses gelten. Es handelt sich
also streng genommen nur um eine maafsanaly tische Be-
stimmung des Schwefelwasserstoffs. Diese kann auf ver-
schiedene Weise ausgeführt werden.
Versucht man , das aus dem Schwefelantimon durch
kochende Salzsäure entwickelte Schwefelwasserstoff, nach
dem Auffangen in Überschüssiger Eisenchloridlösung, durch
Messen des entstandenen Eisenoxyduls mit übermangansau-
rem Kali zu bestimmen, so erhält mau sehr ungenaue Re-
sultate. Der Fehler, der die Bestimmung trifft, ist dadurch
bedingt, dafs ein Theil des aus dem Schwefelwasserstoff
I) AdmI der Qwm. u. Pkitm. Bd. 106, S. 3.
~A
ausscheidenden Schwefels durch das Überschüssige Ei-
senchlorid zu Schwefelsäure oxydirt wird und dafs in Folge
dessen etwas Eiseuoxydul entsteht, das sich dein durch Zer-
setzung des Schwefelwasserstoffs gebildeten hinzuaddirt.
Schon tot längerer Zeit hat H. Rose ') beobachtet, dafs
beim Einleiten von Schwefel Wasserstoff gas in eine erwärmte
Eisenchloridlösung eine kleine Menge von Schwefelsäure ent-
steht. In dem vorliegenden Falle sind dieselben Bedingungen
gegeben, da die zur Aufnahme des Schwefelwasserstoffs die-
nende Eiscuchloridlösung sich durch die einströmenden salz-
sauren Dämpfe beträchtlich erwärmt. Die Menge der sich bil-
denden Schwefelsäure ist niemals bedeutend und gewifs ver-
schieden je uach der Temperatur, bis zu der die Eisenlö-
sung bei der Destillation erwärmt wird. Uebrigeus schei-
nen aufser Schwefelsäure auch niedrigere Oxyde des Schwe-
fels in kleiner Menge gebildet zu werdeu. Kcinenfalls kann
das entstandene Eisenoxydul als ein genaues Maafs für den
Schwefelwasserstoff, resp. das Antimon angesehen werden').
Genauere Resultate erhält man, wenn man das Schwefel-
wasserstoff jodoinetrisch bestimmt.
Es sind gegen die Genauigkeit der jodoinetrisch en Be-
stimmung des Schwefelwasserstoffs von verschiedenen Seiten
Zweifel erhoben worden. Buuscn selbst3) scheint diese
Methode nicht für besonders genau zuhalten und Mohr*)
giebt an, bei verschiedenen Messungen je nach der Cou-
ceulraliuu der Flüssigkeiten ziemlich abweichende Resultate
erhalten zu haben.
Man inufs zugeben, dafs die directe Messung des Schwe-
felwasserstoffs mit Iodlösung nicht den Grad von Sicherheit
und Schärfe gestaltet, der sich bei der Messung der schwefli-
gen Säure nach demselben Verfahren erreichen läfst. Den-
1) Die» Ann. Bd. 47, S. 161.
2) i:, Ut Hefa die»» Andeulungeo klar, dafj auch die bekannte Zir.kbe-
ilimmung aaili Schwirr, von einem Felder getroffen wird, sobald man,
wie ei gewöhnlich gucliichi, auf dai Schwdcliink erwärmte Eiitoililo-
ridl olung einwirken lübl.
3) De.ien Schrift Qber jodomeli'. BeMlmmungen S. 26.
4) Lehrbuch Bd. I, S. 302.
noch finde ich, dafs wenn gewissen Bedingungen entsprochen
ist, die fragliche Methode ziemlich genaue und brauchbare
Resultate liefert. Diese Bedingungen sind namentlich: dafs
man (in Bezug auf den Gehalt der Flüssigkeit an Schwe-
felwasserstoff) die Verdünnuugsgränzc soweit ausdehnt, wie
es bei der Messung der schwefligen Säure zu geschehen
pllcgl, — data zur Verdünnuug vollkommen luftfreies Wasser
angewandt wird, und dafs die Messungen möglichst schnell
ausgeführt werden. Die rothe Färbung, die auf Zusatz von
lodlosutig zu schwefel wasserst off ha lügen Flüssigkeiten (bei
Anwesenheit von Starke) vorübergehend eintritt, ist bei
starker Verdünnung nur schwach, verschwindet schnell wie-
der und hindert nicht das deutliche Eintreten der lodstärke-
reaclion.
Das Detail des Verfahrens ist etwa folgendes:
Das durch Schwefelwasserstoff aus der mit Weiostcin-
Büure ') versetzten Lösung gefüllte Schwefelantimou wird
auf einem Filtruui aus schwedischem Filtrirpapier gesammelt
und vollständig, zuletzt mit heifsem Wasser, ausgewaschen.
Es ist gut, den Niederschlag bei der Filtration auf der in-
neren Oberfläche des Filirums möglichst auszubreiteu, so
jedoch, dafs er wenigstens !• Zoll vom oberen Rande des-
selben entfernt bleibt.
Das Filtruui mit dein etwas betrockneten Niederschlage
wird darauf vorsichtig vom Trichter genommen, durch leises
Drücken und Drehen in eine längliche Form gebracht, so
dafs es eben durch den Hals des Kochkülbchens bequem
eingeführt werden kann. Bei einiger Ucbung gelangt man
sehr bald dabin, diese Operation ohne Verletzung des Fil-
trtims und ohne allen Verlust an Schwefelantimou ausfüh-
ren zu können. Diefs gelingt natürlich weit leichter, wenn
man den Niederschlag vorher ganz trocken werden liefe,
1) Der Zditu von WtinMunüure ist dunhani notwendig, d> dal >o<
uluaurcn Lösungen durch SchncfclnuMrMolf gefällte SeowcfchntiiK»
hartnäckig clwu Chloraotioion iiirücklüU, wM bei Gegenwart v0Q Wein-
637
wobei er bekanntlich auf ein sehr geringes Volumen zu-
sammensinkt.
Zur Zersetzung des Schwefelantimons und zum Auffangen
des Schwefelwasserstoffs kann man sich passend eines Ap-
parates bedienen, ähnlich jenem, den Bunsen in seiner
bekannten Abhandlung Ober jodometrische Bestimmungen
beschrieben hat Die Gröfse des Kochkölbchens richtet sich
nach der Menge des zu zersetzenden Schwefelantimons; für
Quantitäten bis zu 0,3 oder 0,4 Grm. SbS3 genügt ein
Kölbchen von 100 CC. Inhalt; für 0,4 bis 1 Grm. SbS3
kann der Inhalt desselben 200 CC. betragen. Der kugel-
förmige Bauch desselben mufs gegen den Hals scharf abge-
gränzt, der letztere aber mufs ziemlich eng, lang und cy-
lindrisch gestaltet seyn. Die als Vorlage dienende Retorte
bat im Halse zwei starke kugelförmige Erweiterungen. Der
Bauch derselben wird mit luftfreiem Wasser angefüllt, dem
man je nach der Menge des zu zersetzenden Schwefelanti-
mons 30 bis 50 CC. AetzammoniakflÜ8sigkeit zufügt.
Nachdem das Schwefelantimon in den Kolben einge-
bracht ist, übergiefst man dasselbe mit einer zur Zersetzung
mehr als hinreichenden Menge Salzsäure, der man \ ihres
Volumens Wasser beigemischt hat, applicirt sofort die Gas-
leitungsröhre und schreitet zur Destillation.
Die Flüssigkeit in der Vorlage mufs auch nach been-
digter Destillation noch alkalisch reagiren. Sie bleibt so-
lange in der Retorte, bis sie völlig erkaltet ist, wird dann
schnell in eine Maafsflasche übertragen und je nach der
Menge des zersetzten Schwefelantimons zu ± oder zu 1 Litre
mit luftfreiem Wasser aufgefüllt. Einen Theil dieser Flüs-
sigkeit, j- oder TVr, bringt man zur Messung. Man überträgt
diefs Quantum in ein Becherglas, verdünnt mit dem gleichen
oder dem doppelten Volumen an luftfreiem Wasser und
fügt, nachdem man ein Streifchen Lackmuspapier in die Flüs-
sigkeit gebracht, verdünnte Schwefelsäure bis zur schwach
sauren Reaction hinzu. Auf Zusatz von Stärkelösung wird
dann sofort mit Iodlösung die Messung in bekannter Weise
ausgeführt.
638
Bezeichnet mau niil a die einem Cubikc, der lodlösnng
entsprechen de Menge Schwefelwasserstoff, mit t die Zahl
der verbrauchten Cubikc Iodlösung, so ergiebt sich der
Werth für Antimon x=^^.at.
Kur Prüfung der Methode wurden 0,326 Giro, reiner
Authtionglanz (van Arnsberg) durch Salzsäure zersetzt und
der Schwefelwasserstoff in der oben angedeuteten Weise
0 = 0,000803. (;= 123,5.
MkWI Gefonden:
71,4« Proc. Antimon 71,74 Proc.
28,52 - Schwefel
100,00.
Einen höheren Grad von Genauigkeit als nach der I
beschriebenen Methode erreicht man, wenn man das bei
der Zersetzung des Schwefelantimons entwickelte Schwefel-
wasserstoffgas in einer Auflösung von arsenigsaurem Natron
auffängt und den Rest der arsenigen Säure mit Iodlösung
zurückroifst.
Bekanntlich bat zuerst Mohr die Combination von ar-
seniger Säur« in alkalischer Lösung mit lod vorgeschlagen
und hat derselben in vieler Beziehung den Vorzug vor der
Bunsen'schen Methode vindiciren zu müssen geglaubt leb
kann dem nicht unbedingt beistimmen. Will man einmal
an dem ursprünglichen Verfahren von Bunsen eine Aen-
derung vornehmen, wozu höchstens wegen der starken Ver-
dünnung und der leichten Veränderlichkeit der schwefli-
gen Säure einiger Grund vorhandeu ist, so scheint mir,
dafs das unterschwefligsaure Natron vor dem arsem'gsau-
ren den Vorzug verdient. Die von Mohr ') gegen jenes
vorgebrachten Gründe sind nicht ganz stichhaltig. Dafs
dasselbe durch Chlor anders als durch lod zersetzt wird,
ist ohne Bedeutung, da es bei der Messung nie mit freiem
Chlor, stets nur mit lod in Berührung kommt; der mit sei-
ner Anwendung verbundene Verbrauch an lodkalium ist
um so weniger zu adieueo , a\s tä vitametxUchen Besttm-
I) Lehrbuch I. 389.
mungeu Dur verhält nifsmäfsig kleine Mengen von Substanz
angewendet zu werden pflegen; dafs dasselbe sich in sau-
rer Lösung nicht unverändert hält, ist gleichfalls ohne Nach-
theil, da es stets iu neutraler Lösung aufbewahrt wird, und
nur während der kurzen Zeit der Messung mit einer sau-
ren Flüssigkeit in Berührung kommt. Dagegen liegt in der
Giftigkeit der arsenigen Säure ein sehr triftiger Grund, die-
selbe von der allgemeinen Anwendung für maafsanalvtische
Zwecke so lange auszuschließen, als anderweitig geeignete
Ersatzmittel dafür geboten werden können.
Nur wenn es sich um die Bestimmung des Schwefel-
wasserstoffs handelt, inufs ich der Anwendung der arseni-
gen Säure entschieden das Wort reden. Sie bietet in die-
sem Falle unverkennbare Vortbeile und gestattet eine Schärfe
der Messung, wie sie unter Anwendung anderer Mittel
schwerlich erreichbar scy» dürfte.
Das oben beschriebene Verfahren ändert sich nun bei
Anwendung von arseniger Säure in folgender Weise,
Zur Zersetzung des Schwefelantimons und zum Auf-
fangen des Schwefelwasserstoffs kann derselbe Apparat be-
nutzt werden. Als Vorlagellüssigkeit (in der Retorte) dient
die Lüsung der arsenigen Säure. Diese bereitet man sich
durch Auflösen einer beliebigen Menge durch Umsuhlimi-
ren gereinigter arseniger Säure in Wasser, unter Zusatz von
reiner Natronlösung bis zur neutralen oder schwach alka-
lischen Reaclion. Mau giebt dieser Lösung eine Stärke,
bei der sie im CC. etwa 0,005 — 0,006 Grm. arsenige Säure
enthält und vergleicht sie mit einer lodlösung, deren Ge-
balt an Iod genau bekannt ist1). Sic wird je nach der Menge
des zu zersetzenden Schwefelantimons zu 50, 100 oder
200 CC. augewandt. Die letztere Quantität würde noch
genügen, um das aus 1,5 Grm. Schwcfelantimou entwickelte
Schwefel Wasserstoff gas vollständig zu zersetzen.
Durch das mit dem Schwefelwasserstoff in die Vorlagc-
flüisigkeit einströmende salzsaure Gas nimmt diese bald eine
1 ) Ei («cliiclii Uiifs aru Briten u>, dafi nun einer bei
AnenitlOiBQg Mint rinige Tropfen Sa1i*"urr bit i
diDD nrähcb-kobleauow Natron im Ucbettchuh
„UUh JndlölUBg UMtlL
640
saure Reaclion an und es findet dann sogleich die Aus-
scheidung von Schwcfclarseuik statt. Die Zersetzung des
Schwefel vm ss ersloffs ist schnell und vollständig. Chloran-
timoti geht bei der Destillation, wenn diese nicht unnützer
Weise zu lange fortgesetzt wird, nicht in die Vorlage über.
Ebensowenig treten flüchtige organische Substanzen auf, die
sich möglicherweise bei der Einwirkung der kochenden Salz-
säure auf das Papier des Filtrums hätten bilden und die bei der
späteren Messung für sich reducirend auf die lodlosung
hätten einwirken könneu ').
Sobald die Vorlagellüssigkeil auf die gewöhnliche Tem-
peratur erkaltet ist, wird sie in eine Maafsf lasche Übertra-
gen, etwas Weinstcinsäure-Lusung zugefügt und bis zur
Marke aufgefüllt *). Von dieser Flüssigkeit wird nach der
Filtration ein bestimmter Theil abgemessen und darin nach
Uebcrsätligung mit zweifach-kohlensaurem Natron der Ge-
halt an arseniger Säure durch lodlosung bestimmt.
Die Berechnung der gesuchten aus den beobachteten
Werthen ist äufserst einfach. Bezeichnet man das der an-
gewandten Arsenlösung entsprechende Volumen lodlosung
mit V, das der Arsenlösung nach stattgehabter Destillation
entsprechende Volumen lodlosung mit v und die in l CG
der lodlosung enthaltene lodmenge mit a, so ist die ge-
suchte Antimonmenge x—-.'^-{V — v)a.
Die folgenden Bestimmungen beweisen die Brauchbar-
keit der Methode.
1) Beim Kochen ein« Papi'erfillruuu (von iwei Zoll Radin.) mii Sali-
jäure wurden die entwickelten Dämpfe !□ Walter aufgeboten , dem
8 CC. Anenlüsun* < W CC- = 23,3 CC. lodlosung) «iguetit wann.
Nach der Desl.ll.liun gebrauchte die Arienlösuog (auf Zusal. von .wo-
lach Ulrn^ Nalroo bil aor alkalisch tu Reaction und voD Sürkt)
18.7 CC. lodlosung Ks eerh.ilt .ich aber 10 : 8 = 23,3 : 18,64.
2) Der hierbei durch .... V„lumen de. in der FtQnigkrit Ju.peodine»
Schwefelarsen iL s bedingte Kehler in so klein, dal. er in den meisten
Fällen und wenn man nicht mit ungewöhnlich grolsen Mengen von Sub-
ilant arbeitet, veinachlS.sigl werden kann.
Du aus salssauren Lotungen gefüllte Schwefel ».Jen iL- hall hartnäckig,
■elbst nach dem Auswaschen, kleine Mengen ton Chlor, ohne Zweifel
als Chlorarsen, uirück. D.'efs ist nicht der Fall, wenn in der FlÜssir-
keil etwas WeAoweWaute cn\V»\te« \».
641
1) 0,200 Grm. reiner Antimonglanz (von Arnsberg) wur-
den direct gemessen.
10 CC. Arsenlösung = 23,5 CC. Jodlösung.
Angewandt 100 CC. Arsenlösung.
V = 235 CC. t> = 184,8 CC. a = 0,006 Giro.
Daraus x = 0,14265 Grm. Antimon.
Berechnet : Gefaodeo :
71,48 Proc Antimon 71,33 Proc.
28,52 » Schwefel 28,67 » (a. d. Differenz)
100,00 100
2) 0,325 Grm. reiner Antimonglanz wurden durch Salz-
säure zersetzt, aus der mit Weinsteinsäure versetzten,
stark verdünnten Lösung wurde durch Schwefelwas-
serstoff das Antimon gefällt und das Schwefelantimon
gemessen.
10 CC. Arsenlösung = 23,3 CC. Jodlösung
Angewandt 100 CC. Arsenlösung.
F = 233CC. © = 151 CC. a = 0,006 Grm.
Daraus x = 0,2329 Grm. Antimon.
Berechnet : Gefunden :
71,48 Proc. Antimon 71,66 Proc.
28,52 » Schwefel 28,34 » (a. d. Differenz)
100,00. 100.
3) 0,407 Grm. chemisch reines Antimon wurden in Salz-
säure unter Zusatz von etwas Salpetersäure gelöst,
Weinsteinsäure zugefügt und das aus der verdünnten
Lösung gefällte Schweielantimnn gemessen.
10 CC. Arsenlösung = 18,25 CC. Jodlösung
Angewandt 150 CC. Arsenlösung
V = 273,75 CC. f> = 160,5 CC. a = 0,00758 Grm.
Angewandt : Gefanden :
0,407 Grm. Antimon 0,4065 Grm. (= 99,87 Proc.)
Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dafs die im
Vorstehenden beschriebene Methode auch zur Bestimmung
des Schwefelgehaltes in solchen Verbindungen, die durch
kochende Salzsäure zersetzbar sind, mit Vortheil angewandt
werden kann. •
Berlin, im Juli 1860.
PoggeodaHFs AaoaL Bd. CX.
v\
X. Versuch, hrystallisirte Thorerde und Tantal-
säure darzustellen; von A. E. Nordenshjöld und
J. J, Chydenius.
(Milg«lh(ilt ™ d. V«ir. j.,, A. Ofiers. tif K. Ftt. FürfainHL 1660.)
JL'ie zu diesen Versuchen angewandte Thorerde war dar-
gestellt aus dem Orangit, indem man das Mineral durch
Chlorwasserstoffsäure zerlegte, die Kieselsäure abschied und
mit atzendem Ammoniak alle damit fallbaren Stoffe nieder-
schlug. Dieser Niederschlag wurde wieder in Salzsäure ge-
löst, die Lösung mit Ammoniak ncutralisirt und eine beim
Kochen gesättigte Lösung von schwefelsaurem Kali hinzu-
gesetzt. Das dadurch ausgefällte Doppelsalz von schwefel-
saurem Kali und Thorerde wurde mit schwefelsaurer Kali-
Lösung ausgewaschen, in Wasser gelöst und die Tborerde
mit Ammoniak gefällt und ausgewaschen. Da möglicher-
weise der Niederschlag etwas Kali enthalten und ein Tbeil
der Thorerde ein basisches Salz bilden konnte, so wurde
er in Salpetersäure gelöst und die Thorerde abermals mit
Ammoniak gefällt, gewaschen und geglüht. Sie war nun
schwach gelblich und hatte ein spec, Gewicht von 9,08.
Die Tantalsäure war auf gewöhnliche Weise aus Hjclmit
von Nja Kärarfvet dargestellt. Sie war durch Glühen
mit einein Gemenge von Schwefel und kohlensaurem Natron
befreit von Wolframsäure und Zinnoxyd.
Die Kryslfillisalionsversuche wurden nach der von Ebel-
men für ähnliche Untersuchungen angegebenen Weise be
wcrkstelligt. Es wurde nämlich eine Portion von 2,24 Gnu.
Thorerdc mit dem Vierfachen ihres Gewichts an verglastem
Borax, und eine andere Portion von 1,34 Gnu. mit dem
Doppelten ihres Gewichts an geschmolzener Borsäure ge-
mengt. Die Tantalsäure dagegen wurde in zwei Portionen
von. 1,5 und 3,0 Grm. mit dem Vierfachen ihres Gewi (An
an geschmolzenem Phosphorsalz vermengt Die Thorerde-
Gemenge wurden iu VW\\e WAvftwiwJen , and die Tanlai-
t
643
^-Gemenge in kleine Platintiegel gelegt. Die Platinge-
fäfse wurden, umgeben von Talkerde, in uuglasurle Porcel-
langeiiifse gestellt, und diese wiederum in gewöhnliche Thon-
kapseln, wie sie in den I'orcellanf.ibriken gebraucht iverden.
Das Ganze wurde in einen der Oefen der Porcellanfabrik
zu Rörstrand gebracht, als derselbe gerade im Laufe einer
Bremnmg stand. Die stärkste Hitze in einem solchen Ofen
dauert 48 Stunden und die Abkühlung geschieht sehr langsam.
Nur der mit Borax geschmolzene Theil der Thorerde
gab Krystalle. Im Boraxglasc konnte man zwei Lagen un-
terscheiden, nämlich oben auf ein durchsichtiges Glas und
auf dem Boden der Schale eine undurchsichtige weifse Masse.
In dem klaren Boratglase fanden sich hie und da einige
gröfscre braungefärbte Krystalle eingesprengt, und solche
halfen sich auch an die Wand der Schale abgesetzt. Als
die Masse mit verdünnter Salzsäure behandelt wurde, blie-
ben die braunen Kryslallc ungelöst, ebenso der weifse Bo-
densatz, welcher ein schweres hartes Pulver bildete, das
sich unter starker Vergröfseruug als aus lauter Kry st allen
bestehend erwies, ganz den grüfseren, braunen, mit blol'sem
Auge erkennbaren gleichend. Bedeutend Thorerdc, die beim
Erkalten nicht aus dem Borax herauskryslallisirt war, fand
sich auch in der Chlorwasserstoffsäure gelöst.
Die an der Wand der Platinschale sitzenden Krystalle
waren nur von Hexaidllächen begränzt und bildeten ver-
■nulhlicli vierseitige, durch basische Endflächen abgestumpfte
Prismen. Die losen Krystalle dagegen hatten das in Fig. 7
Taf. VIII abgebildete Ansehen. Die Prismen waren hier
nicht ;ui gestumpft durch basische Endflächen, sondern von
einer, wenigstens gewöhnlicherweise einspringenden, traubi-
gen vierseitigen Pyramide, und die Krystalle glichen also
den gewöhnlichen ausgehöhlten Bildungen beim Kochsalz.
Bei den Thorerde Kryslallen wurden diese einspringenden
Pyramiden jedoch nur an zwei cioander gegenüberliegenden
Seiten angetroffen, und diese Pyramiden waren auch allzu
traubig, um auf das reguläre System zurückgeführt werden
644
zu können. Noch weniger schienen diese Kxystalle durch
eine Zwilliugsbilduug zu entstehen, denn man konnte bei
Untersuchung einiger der einfachen Krystallc keiue anderen
einspringenden Winkel bemerken als die, welche von den
besagten Pyramiden herrfihrten. Sie dürften daher als dem
tclragonalcn System angehorig betrachtet werden müssen,
obgleich die Pyramidenflächen durch ein analoges Verhalten,
wie es beim Kochsalz stattfindet, nicht aus-, sondern ein-
springend sind. Andere Flüchen als m = &p und »=/»
konnten au dieseu Kr ysl allen nicht bemerkt werdeu. Die
einspringende Pyramidonfläche bildete mit der Prismenuäche
einen Winkel = 77° 30' ').
Die Neigung zwischen der ausspringenden Pyramide und
dem Prisma würde folglich =102" 30' gewesen seyn.
Diese Winkel führen zu dein Aienverhaltnifs
a: C= 1 : 0.156S,
welches Verhaltnifs wiederum giebt:
n-.n' =162° 24'
n : n" = 155 0
m-.n = 102 30.
Die Thorerdekry stalle sind sehr oft so regelmäßig aas-
gebildet wie die vollständigsten Krystallmodellc. Zuweilen
sind sie indefa zu platten Parallelepipeden oder Tafeln aus-
gebreitet. Durchkreuzung« - Zwillingskrys lalle kommen oft
vor, obwohl es nicht möglich war, die Lage derselben zn
bestimmen.
Diese Betrachtungsweise der Thorcrdekryslalle wird da-
durch noch wahrscheinlicher, dafs, wenn sie richtig ist, die
Thorerde isomorph wird mit Zinnoxyd und Titausäure (Ru-
til), auch, wenn G. Roee's Betrachtungsweise des Zirkons
und der Zirkonerde richtig ist, mit Zirkonerde. Bei diesen
Stoffen verbalten sich:
1 ) Bei der Thorerde und der Tanuljame wurden die Winkel mint!«
eine) an einem Nichel'ichen Mikroskop befeiliglen Oruljrgonioroclen
gtracsirn. Sic lind »\so nur mminimrtn.
Zinnoxyd a
Rutil " a
Zirkon a
Thorerde a
Die bei der Thoi
0,1679; xpt.Jp... 103*21'
1:0,1610; x/»:-Jp...l02 50
1 : 0,1601; ccp: jp...l02 46
1:0,1568; cop: p...l01 30.
rdc vorkommende Pyramiden fläche
i des Zinnerzes von
Jp findet mau auch bei den Kryslalli
Pitkärauta.
Wenn diese Annahme riieksichtlich der Kryslallfonn
richtig ist, mufs die Thorerdc angesehen werden nicht als
Tb oder Th, sondern als Th.
Das speeifische Gewicht der eben beschriebenen Thor-
erdekryslalle wurde durch zwei Bestimmungen = 9,21 und
0,20 erhalten.
Nachdem sie gepulvert worden, lösten sie sich träge in
Schwefelsäure, Als 0,1642 Grin. mit Schwefelsäure behan-
delt wurdeu, lüsteu sich 0,2757, und mit Ammoniak wurde
ein Niederschlag von Thorerde = 0,2760 erhalten. Die
Kryslalle bestanden folglich aus reiner Thorerde.
Das geschmolzene Gemenge von Tatilalsäurc uud Phos-
phorsalz bildete ebenfalls zwei verschiedene Lagen, nämlich
oben eine durchsichtige und am Boden des Tiegels eiue
weil'se undurchsichtige. Einige mit dein Auge erkennbare
Krystalle konnten nicht bemerkt werden. Als das Phos-
phorsalzglas mit verdünnter Salzsäure behandelt wurde, bil-
dete die ganze Masse eine steife Gallerte. Als mehr Was-
ser hinzugesetzt und das Ganze stark umgerührt wurde,
schied sich indefs leicht ein schweres, auch bei slarker Ver-
größerung nicht kristallinisch erscheinendes Pulver ab, nebst
einigen grofseren, auch sehr schweren Krystalluadeln, wel-
che sich durch Schlämmen leicht befreien Iiefscn von dem
äufserst gallertartigen, durch die Salzsäure aus dem Phos-
phorsalz abgeschiedenen Taulaisäurehydrat. Diese Kryslalle
hatten offenbar ein sehr hohes spec. Gewicht, aber zur Be-
stimmung desselben reichte ihre Menge nicht aus. Sir lüsteu
sich nicht in Säuren uud vor dem Löthrohr verhielten sie
sieb ganz wie Tantalsäure. In Phosphorsalz losten sie skA\,
sowohl in der Oxydalions- als Reducüousftaö»»«, i» *sw
646
klaren farblosen Perle, und mit Borax gaben sie ein Glas,
welches leicht unklar gellattcrt werden konnte. Ungeach-
tet, wegen Mangels an Material, eine vollständige Unter-
suchung mit denselben nicht vorgenommen werden konnte,
dürfte mau sie doch, thcils nach ihrer Bildungsweise, theils
nach den angeführten Reactioucn, als aus reiner Tantalsäure
bestehend ansehen können.
Die Krystalle Fig.8, Taf. VIII, bildeten durchsichtige, farb-
lose rhombische Prismen (<xp=m), welche durch eine der
längeren Diagonalen parallelen Domatläche (p od — n) ab-
gestumpft waren. Ueberdiefs kamen 3px(o) und 4 p «■{<[)
vor, jedoch minder gut ausgebildet.
a:b:c=\: 0,8288 : 0,8239
:>»'..
MO'
iX
100° 42
o ..
122
23
122 23
9 ..
IM
152 17
/ ■■
156
158 29
: »'. .
90 20
: O' . .
: j'..
110 37
146 14
^
Zuweilen kommen auch Zwillingskrystallc vor, wie es
scheint, von zweierlei Art, nämlich theils mit p, theils mit
2p zur Zwillingsfläche und mit xp zur gemeinsamen Fläche.
Da sich die Tantalsäure als slüchioinctrisch gleich zusam-
mengesetzt mit der Titansäure ansehen läfst, so kannte maa
vermuthen, dafs die genannten Krystalle isomorph wären
mit der rhombischen Form der Titansäure, dein Brookil.
Dieses ist jedoch nicht der Fall. Aus den von Miller ge-
gebenen Winkeln kann man für den Brookit folgendes
Axenverhältnifs berechnen j
f =1 : 0,8416: 0,9422
a:b:c\ = 1,1882: 1 : 1,1195
647
Diese Axenwerthe scheinen nicht mit den vorhin ange-
gebenen Aien der Tantalsäure in einem einfachen Verhält-
nisse zu stehen.
XI. Zur Theorie der Beugungserscheinungen;
von G. R. D ahlander ,
Lehrer der Physik an der höheren Gewerbschule tu Gothenburg.
J3ei der mathematischen Theorie von der Beugung des
Lichtes hat man bisher beinahe ausschließlich nur diejeni-
gen Erscheinungen behandelt, die durch das Fallen des
Lichtes durch kleine Oeffnungen entstehen, deren Form
durch geradlinige Figuren bestimmt wird. Durch die be-
rühmte Arbeit von Schwerd »Die Beugungserscheinungen«
kann auch dieser Theil der Lichtbewegung als beinahe ab*
geschlossen betrachtet werden. Weniger entwickelt ist da-
gegen noch die Beugungstheorie bei dem Durchgange des
Lichtes durch kleine Oeffnungen, deren Form durch Cur-
Ten bestimmt wird, und, soweit mir bekannt, ist der Kreis
die einzige Curve, welche man in dieser Hinsicht bisher
untersucht hat. Aber die Art, in der Schwerd bei die-
ser Untersuchung zu Wege geht, indem er nämlich den
Kreis als ein Vieleck mit einer groben Anzahl von Seiten
betrachtet, ist eine solche, dafs man keinen Anlafs hat zu
hoffen, dafs dieselbe mit ihrer Anwendung auf andere Cur-
ven es möglich machen werde, einfache Gesetze in Betreff
der Lichtbewegung bei weniger einfachen Formen der beu-
genden Oeffnungen aufzufinden.
In der folgenden Abhandlung werde ich nun zuerst
zwei einfache Theoreme über die Beugung des Lichtes be-
weisen, welche mir geeignet scheinen, die Behandlung meh-
rerer hierher gehörigen Probleme in hohem Grade zu er-
leichtern, und dann werde ich die Anwendung dtaftsst Ttaft-
reine auf die Untersuchung der Lichtbeugung bei eüipsen
förmigen Ocffouugen zeiget). Angenommen wird wie ge-
wöhnlich, dafs die anfallenden Lichhvellen eben seyeo, dafs
die Oeffnung in einem ebenen Scbinn genommen eey, und
dafs die Beugungscrschciuung durch ein Fernrohr oder auf
einem Schirm beobachtet werde, der in einer solchen Ent-
fernung von der Oeffnung aufgestellt ist, dafs man die
Strahlen, die von verschiedenen Punkten der Oeffnung auf
einen Punkt auf den Schirm fallen, als parallel ansehet)
kann.
1 ) Bei der Beugung des Lichtes durch eine Oeffnung,
tlereti Form durch eine Ctirve mit Mittelpunkt bestimmt wird,
hat der hindurchfallende und in einer gewissen Richtung
gebeugte Lichtstrahl dieselbe Phase wie ein Lichtstrahl,
welcher direct von detn Mittelpunkt der Curce in der frag-
lichen Richtung gefallen ist.
Beweis. Man nimmt ACFK (Fig. 9 Taf. VI») als die
beugende Oeffnung an, deren Mittelpunkt 0 ist, und fer-
ner, dafs die einfallenden Lichtwellen die Ebene der Oeff-
nung in der Richtung von Linien schneiden, welche paral-
lel mit MN sind, sowie dafs NP die Durch seh nittslinie ei-
ner gegen die in einer gewissen Richtung gebeugten Strah-
len winkelrccht stehenden Ebene und der Oeffnuugsebene
ist. Ferner nimmt man zwei gleiche Flächendem ente bei
R und S an, welche mit Bezug auf 0 symmetrisch in der
beugenden Oeffnung belegen sind, sowie auch Linien, die
durch R und S parallel mit MN und NP gezogen sind.
Jeder Punkt auf der Linie TK hat dann denselben winkel-
rechlen Abstand von der durch MN gebenden einfallenden
Licbtwelle und dasselbe Verhältnifs findet auch mit jedem
Punkte auf der Linie DG statt. Die auf den Linien LH
und BE befindlichen Punkte haben wiederum denselben
Abstand auf der durch NP gehenden und gegen den gebeug-
ten Strahl winkelrechteu Ebene. Lfifsl man nun die in
der Figur mit p, p' und p" bezeichneten Linien den Ab-
stand der Punkte 0, R und S von der durch JH.Y gehen-
den Ebene, sowie die mit q, q' und q" bezeichneten den
649
Abstand derselben Punkte von der durch NP gehenden
Ebene vorstellen, so kann man mit p+q, p'+q' und
p"-i-q" Jen Weg bezeichnen, den die durch die Punkte
O, R und S gehenden parallelen Lichtstrahlen zwischen den
beiden genannten Ebenen zurückgelegt haben. Sucht man
nun den Wegunterschied der durch R und S fallenden
Strahlen in Bezug auf den durch 0 fallenden Strahl, so fin-
det man bei Beachtung der durch die Figur unmittelbar gege-
«' — I- n" n' -4- a"
benen Verhältnisse p =y"Tp und q=q"Vq , dafs der Weg-
unterschied für R ist £±* - ^±f und für S ist *-±£
— y , oder dafs die Wegunterschiede der beiden sym-
metrisch belegenen Strahlen mit Bezug auf 0 gleich sind,
aber entgegengesetzte Zeichen haben. Um die entsprechen-
den Phasenunterschiede zu erhalten, mufs man die Weg-
unterschiede mit ~ multipliciren, wo dann A die Wellen-
länge bezeichnet. Nimmt man nun an, dafs die Linie AB
(Fig. 10 Taf. VIII) ihrer Länge und Richtung nach die Am-
plitude eines Aethermolecüls auf dem betrachteten durch 0
(Fig. 9) fallenden Lichtstrahl ist, und sind CD und EF
zwei gleiche Linien, welphe die Amplitude und Richtung
der in derselben ebenen Lichtwelle auf den Strahlen durch
R und S befindlichen Aethermolecüle bezeichnen, so müssen
die Winkel DGB und BGF = ^ («!±£ — ^-q") seyn.
Der Punkt G bezeichnet hierbei die Protection des resul-
tirenden Lichtstrahls. Da man nun, wie bekannt, Ampli-
tuden nach denselben Gründen zusammensetzen kann wie
Kräfte, so folgt daraus, dafs der aus den beiden Strahlen
durch R und S zusammengesetzte Lichtstrahl dieselbe Phase
wie der durch 0 fallende Strahl haben mufs. Für jedes
andere Paar von mit Bezug auf 0 symmetrisch belegenen,
gleichen Flächenelementen der beugenden Oeffuungen fin-
det man, dafs ihre Resultante dieselbe Phase wie der Strahl
hat, welcher direct von Q geht und man kann hieraus leicht
die Richtigkeit des aufgestellten Satxes fmdetu
650
Dieser Salz kann unter andern Anwendungen aucr.
Kreise, bei der Ellipse, sowie bei Parallelogrammen und
rcgelmäfsigeu Vielecken mit einer geraden Anzahl Seilen
angewandt werden. "Was das Parallelogramm betrifft, so
bat schon Billet in seinem »Tratte' dOptique Phij&ique«
T. I, p. 217 angemerkt, dafs die Phase des Resultantstrah-
Ics dem Strahl entspricht, welcher durch den Schneidepuukl
der Diagonalen geht, obgleich er dieses in einer ganz an-
dern Weise herleitet als in dem Obigen.
Aus dem entwickelten Salze kann man einen andern
herleiten Über die Intensität eines in einer gewissen Rich-
tung gebeugten Lichtstrahls. Bezeichnet man nämlich das
Flächcnelement mit da und erinnert sich, dafs die Ucsul-
tante gleich igt der Summe der in die Richtung der Resultan-
ten fallcuden Projcctionen der Componeuten, so findet mau
2) die Intensität des in einer gewissen Richtung gebeugten
Lichts wird bezeichnet mit ^cos^ (£±* — C±JCJrfajt1
trenn man die Intensität des durch die Einheit des Flächen-
maafses direct gegangenen Lichtes als Einheit annimmt.
Es soll nun die Anwendung des oben erwähnten Satzes
auf die Untersuchung der Beugung des Lichtes durch eine
elliptische Oeffnung gezeigt werden, wobei angenommcu
wird, dafs die einfallenden Ljchtwellen mit der Fläche der
Oeffnung parallel seyen. Lasse man Fig. 11 Taf. VIII diese
elliptische Oeffnung vorstellen, sowie NP die Durchschnitts-
liuie einer gegen die Richtung des betrachteten Lichtstrahls
winkelrecht stehenden Ebene und der Ebene der Oeffnung;
nimmt man ferner an, dafs die Linie NP die Ellipse tan-
girc, welches man dieselbe immer durch eine passende Wahl
der winkclrechten Ebene thun lassen kann. Lasse man Jlf A
eine solche Linie in der Fläche der Oeffnung seyu, dafs
NP und MN die Richtung zweier conjugirten Diauieter zur
Ellipse bestimmen, AF parallel mit NP und CJ mit NM.
Die Lichtstrahlen, welche parallel von Punkten der Oeff-
nung ausgeben, die sich auf einer mit NP parallelen Linie
befinden, müssen natürlich dieselbe Phase haben. Die
Richtung der Lichtstrahlen kann bestimmt werden durch die
Lunge 2a' des Diameters CJ in der Ellipse, welcher pa-
rallel mit NM ist, und durch den Winkel MNT = (p, dor
gebildet wird von der Linie MN, welche parallel mit dein
Conjugat-Diauietcr CJ ist, und von einer Linie N T, welche
den Punkt .V verbindet mit dem Sclineidcpunkt D einer vom
Punkt B auf .1/ V in der Richtung des Lichtstrahls gezogenen
Linie und der gegen den Strahl durch IV P wiukclrecht ge-
legten Ebene. Dieses Coordiualsyslem ist ganz besonders
bequem anzuwenden.
Die Gleichung für die Ellipse, angewandt auf die er-
wähnten Conjugaldimueter, ist tf.ay**f*f*flr>,)ia^* 6'. Be-
trachtet man ein Flächeueleinent lysmedx, dessen Punkte
alle denselben Abstand von der gegen die Lichtstrahlen win-
ke! recht liegenden Ebene haben, so entspricht dasselbe dem
Flächenclcuicnte da in dein Ausdrucke der Lichtinlcnsität.
Die entsprechende Phase ist -j-(j** — q")= ■ — r— — . Be-
zeichnet man die Intensität mit J, so erhält man daher
\J=4Vnnf)[l-
Nehmen wir dabei an -r = y, sowie ^ =
Flächeninhalt der Ellipse = .1. so erhält man
V./= —J y} —y> cosmydy.
»Man findet, dafs die Intensität des Lichtes für alle Rich-
tungen dieselbe bleibt, wo m constaut ist und wo auch
a' sin -/ constaut ist, wenn man nur homogenes Licht in Be-
trachtung zieht. Aber a sin <y ist die eines durch den Mittel-
punkt gehenden Strahles, dessen Länge von der durch die
Tangente jV P gehenden Fläche begrünst wird. Uni die
Richtung der Strahlen zu erhalten, welche gleiche Intensität
, haben, braucht man nur um den Mittelpunkt der Ellipse
Sphären mit ungleichen Radien und den un^wiwsa "^ «
theo von m eilt sprechend zu beschreiben, Tangenten an die
Ellipse in ungleichen Punkten zu ziehen und durch diese
Tangenten Ebenen zu legen, welche eine von den Sphären
tangiren; diejenigen Strahlen, die gegen diese Ebeneu win-
kelreeht sind, haben dann dieselbe Lichtinleusitat. Mit Hülfe
der descriptiveu Geometrie würde man diese Richtungen
für gleiche Intensität leicht construiren können ; noch leichter
aber kann das dadurch geschehen, dafs man den Durch-
schnitt zwischen den mit gleicher Intensität gebeugten Strah-
len und einer Ebene bestimmt, die parallel mit der Ebene
der Oeffnung und vor derselbcu gezogen ist; das giebt auch
die Formen bei den Curvcn, welche die Lichlmaxima und
die Lichtminima ausmachen, wo man das Beuguugsphänoinen
auf einem Schirm beobachtet, der in einem bedeutenden
Abstand von der Oeffnung vor derselben aufgestellt ist.
Man lasse nuu die Gleichungen der Ellipse auf die Princi-
pal-Axen angewandt a'^-r-fr' #' = <!' 6* seyn, und nehme
ferner ein Coordi na tensy stein im Räume an, dessen Anfang
in dem Mittelpunkt der Ellipse ist, x-\\e parallel mit der
gröfscren Axe der Ellipse, y-Axe mit ihrer kleineren, sowie
s-Axe winkelrccht gegen die vorigen und ab positiv in der
Richtung des Lichtes genommen.
Die Gleichung für die Sphäre, nach welcher die Ebeneu
tangirend gezogen werden sollen, ist x'1 +y' -I- s1 — **,
sowie die Gleichung für eine Tangente an die Ellipse in
dem Punkte a, ß ist
n . ** « *'
'=».»+?,-*=,-■
Eine durch diese Tangente gezogene Ebene hat zur Glei-
chung
Damit diese Ebene die Spähre tangire, müssen — und —
für die Ebene und Sphäre gleich seyn. Dadurch erhalt man
die Gleichungen
6* a 1 x' ,1 y1
wo dann x', y', s' Coordinaten für die Tangirutigspunkle
sind. Diese Coordinaten müssen den Gleichungen
x'*+y,,+s'*=k-> und j/'-t-^^-x'+Cz'^^-
noch weiter genügen. Ans diesen vier Gleichungen kann
man C sowie die drei Coordinaten für den Tangirungs-
punkt, welcher hier in Frage kommt, bestimmen, und diese
sind
,V5v
-h3 (a*ß'+b->a')
y — t
Die Gleichungen für eine Linie, welche durch <
fangspunkt und durch den Tangirungspuukt geht, werden
demnach
Eliminirt man nun a und ß aus diesen beiden Gleichungen
sowie ans der Gleichung a',9' +6* «*=a* &*, so erhalt
man die Gleichung für die Kcgelllache der durch den Mit-
telpunkt gehenden Strahlen mit gleicher Intensität. Diese
Gleichung ist
*•(**+?" + »*) — (a'**+6V) = 0-
Sucht mau den Durchschnitt dieser Kcgelllache und der
Ebene s = /, so erhält mau dessen Gleichung, angewandt
auf x- und y-Axcn parallel mit dem vorige», und deren An-
fang liegt in dem Schneidepunkte zwischen den Raumcoor-
dinaten, s-Axc und der Ebene, welche ist
y» (&■_»*)+** <a* —**)«*■ l\
Ist a>-&;>A, so ist das die Gleichung für eine Ellip;
deren gröfscre Axe b -sk= und kleinere Axe = -7^=
ist. Ist a>& = i, so ist das die Gleichung für zwei gerade
Linien, parallel mit der p/-Axe. mit einem Abstand ± — —— —
von derselben. Ist endlich a^>h^-b, so ist das die Glei-
chung für eine Hyperbel, deren Transversa läse mit der
x-Axe zusammenfällt. Man kann sich nun einen klaren Be-
griff von der Form der Curven machen, welche von den
Lichlmaxima und den Lichlminiuia auf einem vor die Oeff-
nung gestellten Schirm gebildet werden. Bei den inneren
Theilen der Beugungsfigur sind sie Ellipsen, deren grö-
fscre \\i-n parallel mit der kleineren Axe der ellipti-
schen Ocffnung sind und deren Excentrieität nach aufscu
bin vergrüfserl wird. Sic werden darauf Hyperbeln, de-
ren Asymptoten nach aufsen immer spitzere Winkel mit
einander bilden.
Um die Intensität der ungleichen Liciitninxima zu be-
stimmen, konnte man den numerischen Werth von
tsmy dy
für die ungleichen Werthc von m berechnen; aber in der
Sache selbst ist das überflüssig, weil diese Lichtmaxima die-
selbe Intensität haben wie die entsprechenden, die bei dem
Gange des Lichtes durch eine kreisförmige Oeffuung von
demselben Flacheninhalt entstanden sind. Dafs es sich so
verhält, ersieht man sogleich aus dem für die Intensität ge-
fundenen Ausdruck und dieses bestimmt eine neue merk-
würdige Eigenschaft in Rücksicht auf die Beugung des Lich-
tes durch eine ellipsenförmige Ocffnung. Man kann deshalb,
um die Lage und Intensität der Lichlmaxima zu finden, die
von Schwerd für den Kreis berechneten Tabellen be-
nutzen.
Gothcnburg, deu 24. Mai 1860.
655
Sil. Veber die Einwirkung des Schwefelwasserstoffs
auf Zinko.xydlüsungen von verschiedener Concen-
tration; von TV. TVernicke.
■ schon lange bekannt ist, werde» neutrale oder ba-
sische Lösungen von essigsaurem Bleioxyd durch Kohlen-
silure in der Art partiell zersetzt, dafs sich kohlensaures
Bleioxyd und freie Essigsäure bildet, und zwar ist der Nie-
derschlag von kohlensaurem Bleioxyd um so bedeutender,
je verdünnter die Flüssigkeit ist. Es liefs sich leicht ver-
muthen, dafs auch andere Verbindungen, namentlich Zink-
snlze mit starken Säuren, die bekanntlich in neutraler Lo-
sung durch Schwefelwasserstoff eine partielle Zersetzung
erleiden, unter der Einwirkung dieses Agens analoge Er-
scheinungen darbieten würden. Mehrere Versuche, welche
so angestellt wurden, dafs man vermittelst eines geeigneten
Apparates einen Strom von Schwefelwasserstoffes zwei
Stunden lang durch neutrale Lösungen von schwefelsaurem
Ziukoxyd leitete, dessen Zusammensetzung wegen des Kry-
stallwassers des angewandten Salzes vorher durch mehrfache
Analysen ermittelt war, haben gezeigt, dafs die Nieder-
schläge, unter sonst deiche» Umständen, sehr bedeutend
mit dem Grade der Verdünnung der Lösungen zunehmen.
Die beiden folgenden Tabellen enthalten die Hauptresultate
der Versuche, Tab. I giebt die Gewichtsmengen des zu
jeder Lösung verwandten schwefelsauren Ziukoxyds und
Wassers an, sowie die in den Niederschlägen gefundenen
Quantitäten von Zinkoxyd. Tab. K enthält die Zahlen,
welche die Concentration der angewandten Lösungen aus-
drücken und daneben die Verhältnisse des im Niederschlage
enthaltenen Zinkoxyds zum ganzen in der unzersetzten Lö-
sung enthaltenen Zinkoxyd.
SchwcfrUnr«
G.IJS.I b
ZnO '">
Zinko.jd.
W».«r
Nied«r«l,lig.
L
77,2898 Gnu.
61,335 Gnn.
1,2148 Grm.
II.
62,5926 .
100,050 .
1,5409 I
III.
39,6927 »
121,798 ■
1,9404 -
IV.
33,2605 ■
166,979 .
2,0962 -
V.
45,2509 -
466,378 -
3,1240 -
VI.
40,7280 ■
825,840 .
3,8684 >
VII.
10,8986 -
845,476 -
Tab. II.
1,5810 -
Vtrl-Sllnif, d« ZnO
im Mfd.TJcliIlg 1UOI
Ilpurim S.U.
Gele«! in Wmr.
■anicn ZnO.
1.
1 Theil
0,7793 Gnn.
0,05526 Grm.
II.
I -
1,5750 ■
0,08640 •
III.
1 -
3,0381 »
0,1719 •
IV.
1 »
4,9730 •
0,2215 ■
V.
1 -
10,220 -
0,2427 •
VI.
1 -
20,110 -
0,3339 -
VII.
1 ■
76,95 -
0,5096 -
Aus der Tabelle II sieht man, dafs die Quantität des
in einer neutralen Lösung von schwefelsaurem Ziukoxyd
durch Schwefelwasserstoff gefällteu Niederschlages beträcht-
lich durch den Grad der Verdünnung modificirt wird. Wah-
rend z. B. bei der concentrirten Lösung I noch nicht T'r
des darin enthaltenen Zinkoxyds gefallt wurde, betrug der
Niederschlag in der Lösung VI mehr als j,, in der Lösung VII
sogar mehr als die Hälfte; der aus der concentrirtcu Flüs-
sigkeit I erhaltene Niederschlag war noch nicht der neunte
Theil des aus der verdünnten VII erhaltenen.
Ich will hier noch eines Umstands erwähnen, den man
bei allen angestellten Versuchen beobachten konnte, nämlich
den, dafs das Entstehen des Niederschlages in den spätem
Perioden der Zersetzung der Zinkoiydlösungeu eine be-
trächtliche Zeit erfordert. Nachdem nämlich die Lösungen,
wie oben erwähn.., zvm Stunden laug mit Schwefelwasser-
657
stoff beliaudell waren, wurden sie in den folgenden zwei
Stunden eich selbst überlassen, damit der Niederschlag sich
besser absetze, und dann die Flüssigkeiten in verschliefsbare
Flaschen filtrirl. Die ablaufenden, noch viel Schwefelwas-
serstoff enthaltenden Flüssigkeiten waren stets vollkommen
klar und blieben es auch mehrere Stunden. Erst allmählich
äufserte das absorbirlc Gas seine Wirkung auf daß Zink-
salz; nach 8 bis II Tagen hatte sich ein kleiner Nieder-
schlag in Form sehr dünner durchsichtiger Itlältchcu gebil-
det, welche die Wände des Glasgefäfses bedeckten und
bei auf fallendem Lichte die schönsten Interferenzfarben zeig-
ten. Die Bildung dieses Niederschlages kann nicht der Tem-
peratur zugeschrieben werden; denn sie fand auf gleiche
Weise statt, wenn die Flüssigkeit in einen kulleren oder
wärmeren Raum gebracht wurde.
XIII. Ueber freiwillige Verdampfung;
von Dr. Med. Benjamin Guy Babington.
(Auuug au. d. Procttd. „/ ike Roj. Soc Fol. X, p. 127.
I_/ie Veisuche wurden mit wässerigen Losungen von Salzen
und anderen Stoffen angestellt, und zwar in der Weise,
dafs sie, zu gleichem Gewicht, in Uneben Schalen von ver-
zinntem Kupferblech, mit ebenem Boden und senkrechter
Wand, auf eine Wraage gestellt, und nach einiger Zeit aber-
mals gewügl wurden. Aehnliche Versuche wurden inil rei-
nem Wasser unternommen und bei allen die Temperatur
(welche die gewöhnliche war) möglichst gleich gehalten. Die
erlangten Resultate waren folgende:
1) Bei vielen Lösungen wird die Verdampfung, verglichen
mit der des Wassers, verzögert.
12; Diese Verzögerung steht (bei einer derselben Art
von Lösung) im Verhältniis zur Menge des gelösten
Salzes.
P<*,«>J.»/r» A„n*l. Bd. CX.
656
3) Dieselbe ist ungleich bei verschiedenen Salzen oder
anderweitigen Stoffen.
4) Sie ist (bei verschiedenartigen Lösungen) unabhängig
von dem specifischcn Gewicht
5) Sie hängt auch nicht ab von der Basis der Salze.
i>) Vielmehr scheint sie abzuhängen von dem Salzradical
oder der Säure, obwohl die Base auch nicht ohue
EiuQufs ist.
7) Sie ist (im Allgemeinen) bei Salzen mit zwei Aequi-
valenteu Säure gröl'ser als bei Salzen mit einem
Aequivalenl.
8) Gewisse Salzlösungen zeigen keine Verzögerung, ei-
nige sogar eine Beschleunigung der Verdampfung.
Für den leinen, paradoxen Satz führt er folgende Be-
sultate an.
Gesättigte Lösungen von 1) Kaliumciscncvanür {ferro-
cyanate of patassa), 2) saurem weinsaurem Kali, 3) schwe-
felsaurem Kupfer, 4) chlorsaurem Kali gabeu innerhalb
9fc2C einen Verlust von resp. 34, 38, 34, 29 Grau, wäh-
rend reines Wasser in derselben Zeit 29 Gran verlor. Das
chlorsaure Kali hatte also keine Verzögerung bewirkt.
120 Grau von I) schwefelsaurem Kupfer, 2) Kaliumeisen-
cyanür, 3) kohlensaurem Natron, gelöst in 1200 Grau. Was-
ser, zeigten nach 15 ^ Stunden einen Verlust von resp. 1,120,
2,113 und.- 3,106 Grau, während reines Wasser in dersel-
ben Zeit 4,103 Gran, verlor. Bei allen drei Salzlösun-
gen war also die Verdampfung rascher als bei dein reinen
Wasser.
XIV. Ueber die Dichtigkeit der Gemenge von Al-
kohol und Wasser; con Hrn. f. Baumhauer.
{Compt. rcnd. T. L, p. 591.)
XMachdeui der Verfasser sich durch eine längere Beschäfti-
gung mit der Alkoholomelric überzeugt hatte, dafs die bis-
her allgemein angenommenen Resultate von Gilpin, Lo-
witz und Gay-Lussac sehr unrichtig .sind, unternahm er
neue Bestimmungen. Er bediente sich dazu eiues vom Dr.
Manjuart in Itoitn bezogenen Alkohols und eines anHeren,
den er sich in Amsterdam verschafft hatte. Beide wurden
erstlich über stark getrocknetes kohlensaures Kali und dann
t'iinl Mal über Aclzkalk rectificirt. So dargestellt hatte der
erstcre bei 15" C. das speeifische Gewicht 0,7916, und der
zweite bei ebenfalls 15" C das von 0,7947, bezogcu auf
Wasser von derselben Temperatur. Dieses Gewicht, wel-
ches übereinstimmte mit dem vonPoiiillet bei einem von
Frcmv dargestellten absoluten Alkohol gefundenen, änderte
sich durch fernere Reclificalionen nicht. Die Mengungen wur-
den bei 15" in wohl graduirten Rühren vorgenommen und
das dabei angewandte deslillirte Wasser war durch längeres
Siedeu und durch Erkaltung im Vacuo vollständig von
Luft befreit worden. Wägungen des Alkohols und des
Wassers dienten zur Conlrole dieser Messungen. Die so
gefundenen Resultate wurden auf Wasser von der grofsten
Dichtigkeit rcducirl; sie sind in der folgenden Tafel mit
den ähnlichen von l'ouillct berechneten Dichtigkeiten zu-
sammengestellt, um die grofse Abweichung der neuen Re-
sultate von diesen sichtlich zu machen.
Alkohol in
llauiii
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100 Vol.
Pouillel
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0,7940
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100 Vol.
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0,8638
0,8576
0,8572
75
»772
8708
8709
70
8899
8837
8838
65
9019
8959
8963
eu
9133
9079
90*1
55
9240
9193
9196
50
»310
9301
9302
45
9432
9394
9400
10
9515
9485
»491
35
9587
9567
»56»
311
9648
9635
»636
25
9692
9696
20
»746
»747
15
9799
9800
10
9855
9855
5
9919
991 S
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