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ANNALEN
DER
PHYSIK UND CHEMIE.
BAND LXXX.
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ANNALBN
DER
PHYSIK
UND
CHEMIE.
HERAUSGEGEBEN ZU BERLIN
VON
J. C. POGGENDORFF.
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ACHTZIGSTER BAND.
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DER GAirZBK FOLGE HUKOERT- SECHS VHD FÜNFZIGSTER.
NEBST SECHS KÜPFERT AFKLN.
LEIPZIG, 1850.
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DER
PHYSIK
UND
CHEMIE.
DRITTE REIHE.
HERAUSGEGEBEN ZU BERLIN
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J. C. POGGENDORFF.
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HEBST SECHS KUPFEHTAFELH.
LEIPZIG, 1850.
TBBLA6 TOR JOHAHN AMBSOSIÜS BABTH.
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• <i> V •
Inhalt
des Bandes LXXX der Anualen der Physik und Chemie.
Erstes Stfick.
Seile
I. Ueber die Bewegong der Fluasigkeiten; von G. Magnat. • • • 1
n. Ueber die Harte der MuMnilic!|£liiid'*eyi4ieao9'YeriEkiur6B^ dieselbe
za messen; von R. Frans. . a.^«. •••. • . • « 37
111. Ueber die Ansdebnnng des QuedksiriK(f<-di]Xi;b^e->Warme; ron
EL Militser. ^ .^t.." : «.-f \ :,* %•'...• 55
ly. Ueber die quantitative BestimmoDg der unorganiscben Bestand-
theile in den organiscben Substanzen; von H. Rose 94
V. Ueber das Vorkommen der Bemsteinsaure im menscblicben Kör-
per; von W. Heints 114
VI. Ueber die Pseudomorpbosen des Glimmers nach Feldspath und
die regelmSisige Verwaclisang des Feldspaths mit Älbit; von G.
Rose. . 121
/
VI
Vn« UotcrtocliiiDg der spedfiscbco Eiginiacliafiai der beiden Siarcn,
tm§ deneo die TninbensSiire besteht; ron L. Pastear* • • • . 127
VIIL Dritte Notiz aber neae, tondcrbare Anwendangcn des VerwcS-
leos der Eindrfide auf die Netxhanft; ron J. Plateaa 150
IX. UotertnchuDg ober die Fortpflanznngsgesd&wuidifkeit der Elck-
tricitfit; ▼on H. Ficeau and £. Goanelle. 158
X. Ueber die Geschwindigkeit des elektrischen Stroms in einer me-
lallischeo Leitung; von O. M. Mitcbel 161
XI. Ueber thermor elektrische Erscheinangen an gleichartigen Meul-
len; von F. G. Henrici 167
Xn. Ueber die thermiMhen Eigenschaft« des Turmalins; Ton EL de
Senarmont 175
XIII. Kr&ftige Suhloiagaele to» W. M. Logeman. ..... I7i •
(Oeichlouen am 12. Juni 1850.)
Zweites Stück«
I. Ueber die phvsikalisc^D Eigeasehaften iea Eises und det«» Zn*
• • «•• ,•. • • • • •••••.
samnenhajic W<*^^*v'v<*<^99JHhstdi£;bhänoniencn der Gletscher;
• •••*•* • • • ..tt*.
« b
177
von H. SchlaffkQt^eit« ^•^». .....
II. Ueber den eldtfrilab^^lladtknjj^ron m einem dauernd unter-
brochencn Sc<^je*ftwig?bo^CEjrybÄ R Ricfs. ....... 214
III. Ab&nderung derVaplace^schedBirometerfonnel; vonB^binet. 224
IV. Berichtigung der von Rudberg berechneten Azenwinkel der awci-
axigen KrysuUe; von £• Wilde. 225
y« Ueber nothwendig scheinende Ergänzungen der Beobachtungen
über die. Bcidentemperatur in Sibirien; von Baer, . . ^ . .. 242
VI. üeb<?r einige fjgeQ4i;ha£ien der Bocsliure und die quantitative Be-
stimmung derselben; von H. Rose. 262
vn
Seite
VII. UmcnwiniC nmi^nSkmivkm MiBenli« (Kcanlk« Ortkk, '
«chwanes KuffermyJ); iroo C BanmeUkcr^ 284
YIIL Viert» Noiis tter mmm^ — icitwri ABiiiiiiwif ^ ¥crv«|.
kos der EindrfidMMf dSeNcteknü; voo J. PUlca«. . ... 287
IX. Uebcr cSb mim PolMiAef; mi HL 4« SeaanoBt. • . . 2»
X.- BemerbuifeB fiber die Toloaie nad & "Dtthti^jktatem fliaffer
und fMiScr K6fpcr| «oa J. A. Gr«skaas. • • 298
XL Ueber die Extreme der Kalte, vckW ia Jake 1858 »^ dca
preoiaicbett Statianfii beafcaclitct Wttdca; «la HL W. D«Te. • 3fB
XIL Ueber die Hacdhadag; i«a J. L<w«. 80»
Xm. Ueber deo TalkapMb; tob A. Breitbaapl. 818
XIV. Ueber d« A^iria; mi Bemselbea. ^. . 314
XV. Der FardinandibninneB an Maneabad. 317
(«^teftlMM mm6.JmB 1880.)
€ -
Drittes Stfick.
I. Ueber das EmdriiigeB des Elcktromagnetismas in weicbes Eiseo
imd ober den Siltifiiogspiiiikt desselben; von O. ▼. Feilitssch. 321
n. Ueber 8lAitbjl, eia acaea antiBOidttttlset ürguadRs: Badical;
▼on'C LSwif and S. Scbwaia«r.. ^« »•• •* 338
m. Ueber die briadug der Ff«AleMieftiB!^a«nc; «OB T. Hiefs. 349
IV« Bescbrobnag des seil 1848 nr Safik'&iwt «i%estclllen Rccca-
nnd WiadaieMert; eeastnürt tob Lcgcler. 364
y. Ueber die Leitkraft der Eide für Elektricitit; tob A. BavB-
gartner« 374
VL Wckera Vanso^ über dea elebrischcn LeManfswiderstand der'
Erde; ram DeBselben. ..••.•.. 381
VIL Eaarsit, ein aeoes Mineral a» der Ordnnng der Gianse; wi
A. Breitbanipt oBd G. F. Plattner. . 383
vm
Seit
YIII. Camunspalhy ein neiiet IGneral am der Ordmuif der An^
niate; tod F. Sandbcrger. • . . • ^991
IX. Uotemidniiif ctnigcr Minenlicn (Dechenit, Gdbbleicn md ar-
•CDikMiires Blei tob Asulaqnct); roa C. Ber^CBaiiii. . • • ddi
X. Ucbcr die Anweodim^ der KieseUlaarwMMrstofiiare bei qvMMi«
tatWcn Analysen; von H. Rote. , • • 401
XI. Uebcr die Uahalil»ailceit der bisliengcn Tlieorie der Newion'-
adien FarbcBrtnge; Von E. Wilde. 401
Xu. Ueber StenüdmappcBbeobaclitnngen; tob J. F. J. ScbmidL 42S
XlII; VeHbeiMrteDantcUangswciaedcrJ'nmarsSare; Ton W.Belfft. 438
XIV. Leichte Dantdlnng des Hellenins;' Ton Demselben. • • . 44C
XV. Analyse Terscluedener Kohleneisensteine ans der Sfeinköhlei^b ■
lagemng an der Rnbr; von SchnabeL ••••••Ik.« 441
XVI. Ueber das Binocnlarsehen prisaaatisdier Farben und eine nene
stereoskopische Methode ron H. W. Dore «• • . 446
(Gticklouen am 27. Juii 1850. X
/
Viertes Stfick.
I. Ueber die*2ilMfl3mfcn|etsnB|92^des XarlkMlinsy Tcrglicfaen mit derjö-
nigen des Glinvarrs nnd^Cfldspaihs, nnd ober die Ursache der
Isomorphie nngleidilrti^cVCrlmi^&mgcn; von G. RammeUber^ 441
II. Ansidiende VVirkdng*dei;jää6roiidacncle; roh J. Dnk . . 49>4
ni. Ueber die Thatigkcit der meteorologiscfaen Stationen in Gcor^iien..
Ans einem Briefe an den Forsten Wöronaow nnd ins Briefim
an HBL L. ▼• Bach nnd A. v. Hnmboldt; von H. Abich. • 52C
IV. Ueber die quantitative Bestimiiinng der Oxalsäure nnd fiber die
Trennung derselben von der Phosphorsaure; Ton H. Rose. • . &4S
V. Ueber die Oberflfichen- nnd Körper&rben des AndorsonitSy einer
' Verbindung Ton Jod und G>dein; von W. Haidinger. • . . &52
Seite
VI. Ueber die Aufldsmig flussiger Cylinder in Tropfen; ron G.
Hagen 559
YII. Ueber die Gränze der Stabilität eines flüssigen Gjflinders; von
J. Platean. 566
YIII. Versuche, um zu erfahren, ob das Wasser beim Maximum
seiner Dichte oder nahe bei seinem Gefrierpunkt eine Wirkung auf
polarisirtes Licht ausübe; von Biot 570
IX. Entgegnung auf die Bemerkung des Hrn. Riefs; von K. W.
Knochenhauer. 575
X. Ueber den Leuchtenbergit ; von A. Breithaupt. 577
XL Ueber Höhenbestimmuogen durch den Siedponkt des Wassers;
von V. Regnault 578
XIL Notiz über Höhenraessnngen mit dem Barometer; von Kup ff er. 579
Anzeige 580
(Getchloaen am 29. September 1850.)
Nachweis zu den Kupfertafeln.
Taf. I. — Magnus, Flg. 1 und 2, S. 3; FJg 3, S. 4; Fig, 4. S. 6; Flg. 5,
S. 7; Flg. 6 und 7i S. 8; Flg. 8, S. 9; Fig. 9, S. 11; Fig. 10, S. 14;
Flg. II, S. 20; Flg. 12, S. 22; Fig. 13, S. 32; FJg. 14, S. 34.
Taf. IL — Franz, Fig. 1, S. 38; Fig. 2, S. 39; Fig. 3 und 4, S. 54;
Flg. 5, S. 55. — Pasteur, FJg. 6 und 7, S. 129; Fig. 8, S. 132; Fig. 9,
S. 136; Flg. 10 nnd 11, S. 143; Flg. 12 und 13, S. 144; Flg. 14 und
15, S. 146. — Hcnricl, Flg. 16, S, 168; Flg. 17, S. 169; Flg. 1«,
S. 170. — Senarmont, Flg. 19, S. 293. ~ Plateau, Flg. 20, S. 288,
Flg. 21, S. 289.
Taf. IIL — H. Schlagintwelty S. 177^214. Erläuterungen auf der
Tafel selbst.
Taf. IV. — Wilde, Flg. 1, S. 226; Flg. 2, S. 229; Fig. 3, S. 234; Flg. 4,
S. 417. — Rlefs, Flg. 5, S. 351; Flg. 6 und 7 S. 357; — Lfsgeler,
Flg. 8 und 9, S. 364; Flg. 10, S. 368. — Blot, Flg. 11, S. 572. -
Duhamel, Flg. 12 — 16 (Zu einem im nächsten Bande erscheinenden
Aufsatz). — Haidlnger, Flg. 17, S. 554; Flg. 18, S. 556; Flg. 19,
S. 557.
Taf. V. — V. Fellltzsch Flg. 1, S.327. — Dub, Fig. 2, S. 495.
Taf. VI. — Ab ich, S.521.
Berichtigungen.
Zum Aufsatz von Henri ci, Heft V.
S. 167 Zelle 9 v. n. »und« soll helfsen »um«
S. 168 Zelle 14 v. o. »und« soll helfsen »um«
S. 169 Zelle 6 v. u. »den« mufs wegfallen
S. 170 Zeile 22 v. o. »Unregelmäfslgkelt« s. h. »Ungleichmälslgkeit«
S. 172 Zelle 7 v. u. »zerstört« soll helfsen »gestört«.
Zum Aufsatz von Dub, Heft VIII.
S. 495 ist der Hinweis auf die Abblldang des Apparats, Fig. 5. Taf. Y.
vergessen.
1850. A N N A L E N JTo. 5.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
BAND LXXX.
I. Vebcr die Bewegung der Flüssigkeiten ;
von G. Magnus^).
1. Wietvohl das Gebiet der Physik durch die expe-
rimentellen Untersuchungen, welche von den verschiedensten
Seiten unternommen werden, sich tHglich erweitert, so ist
doch das, was wir bis jetzt von der Bewegung der FlGs-
sigkeiten wissen, noch sehr mangelhaft und es fehlt fast
ganz an Untersuchungen, die dazu dienen könnten, unsere
Kenntnifs von diesen Erscheinungen zu erweitem. Offen-
bar hat diefs seinen Grund nicht darin, dafs es an Interesse
für dieselben fehlt, denn was kann interessanter seyn, als
die Gesetze der Bewegung von einer Substanz kennen zu
lernen, die wie das Wasser uns täglich umgiebt, sondern
die Schwierigkeiten, welche bei diesen Untersuchungen tiber-
wunden werden müssen, lassen kein günstiges Resultat er-
warten. Diese Schwierigkeiten liegen theils in der Gröfse
der erforderlichen Apparate und der Unannehmlichkeit mit
grofsen Flüssigkeitsmassen zu operiren, vorzüglich aber in
dem gänzlichen Mangel der Methode um dergleichen Beob-
achtungen anzustellen oder gar Messungen auszuführen. Viel-
leicht dürften solche Rücksichten den folgenden Versuchen
eine günstigere Beurtheilung verschaffen.
2. So viel ich weifs war Venturi der Erste, welcher
behauptet hat, dafs bei der Bewegung von Flüssigkeiten
eine seitliche Mittheilung dieser Bewegung stattfindet, we-
nigstens ist er als derjenige zu betrachten, der sich bemühte
durch Versuche diese Ansicht zu begründen, die seitdem
vielfach Eingang gefunden hat. Zwei Versuche sind es, die
1 ) Aus den SchriHen der k. Acad. der Wissenschaften für 1848.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX« JL
er gleich im Aufauge seiner Schrift ,jRecherches experimen-
tales sur le principe de la communication laterale du mou-
eement dans les fluides'^ als die eigentlichen Stützen seiner
Ansicht anführt. Er behauptet nämlich, dafs wenn man ei-
nem, aus einem Gefäfse ausfUefsenden Wasserstrahlen einen
sehr beweglichen Körper nähert, dieser von der Luft, welche
mit dem Strahle fortströmt, mit fortgetrieben werde. Ich
habe diesen Versuch unter verschiedenen Umständen wie-
derholt, bin aber zu andern Resultaten als Venturi ge-
langt.
3. Bekanntlich zeigt sich ein Wasserstrahl von da, wo
er die Oeffnung des Gefäfses verläfst, bis zum Maximum sei-
ner Coutraction als eine feste zusammenhängende Masse,
sodann bildet er mehrere auf einander folgende Anschwel-
lungen, und darauf trennt er sich in einzelne Massen. Das
empfindlichste Mittel, was man anwenden kann, um zu sehen,
ob die Luft von einem solchen Strahle mit fortgerissen werde,
ist offenbar eine Lichtflamme. Allein wie nahe ich auch die-
selbe dem Strahle bringen mochte, so konnte ich bei dem
Theile desselben, der noch vollkommen durchsichtig ist,
keine Bewegung, selbst nicht ihrer Spitze beobachten. Erst
bei der zweiten oder dritten Anschwellung begann dieselbe,
und ward stärker, wenn die Flamme neben den unteren, sich
schon trennenden Theil des Strahls gebracht wurde, wo sie
sich heftig bewegte, aber auch gewöhnlich bald erlosch, in-
dem einzelne Wassertheilchen auf den Docht geschlendert
wurden. Diefs ist der Vorgang, wenn der Strahl sich ruhig
bewegt. Schwankt derselbe aber, was häufig der Fall ist,
dann ist die Flamme überhaupt unruhiger, und wird schon
an einer früheren Stelle mit fortbewegt.
Würde die Luft in Folge der Adhäsion von dem Was-
ser mit fortgerissen, so müfste diese Wirkung da, wo die
Geschwindigkeit des Strahls am gröfsten ist, auch am stärk-
sten sejn. Da diefs nicht der Fall ist, da andererseits die
Beugung der Flamme mit der schwankenden Bewegung des
Strahls zunimmt, so ist Grund zu vermuthen, dafs wenn
alle Schwankungen des Strahls fortfallen (was indefs viel-
leicht gar nicht zu erreichen möglidi ist), daCs alsdann gar
keine Beugung der Flamme mehr statt hat.
4. Der andere Versuch, auf welchen Ventnri seine
Ansicht stützt, ist folgender: Eine cylindrische Röhre ÄC
geht horizontal in einen Kasten BEFJ) Fig. 1. Tafel L, der
bis DB mit Wasser angefüllt ist. Ihr gegenüber, ein we-
nig von ihrem Ende C entfernt, ist ein kleiner rechtwink-
liger Kanal von Blech SMBR angebracht, dessen oberer
Theil SR offen ist, und dessen Boden MB auf dem Rande
des Kastens B ruht, so dafs er also von M nach B steigt.
Läfst man nun Wasser durch die Röhre AC in den Kasten
mit einiger Geschwindigkeit einströmen, so steigt der Was-
serstrom den kleinen Kanal MB hinan und ergiefst sich
aus dem Kasten durch den Strahl V. Zugleich entsteht in
dem Wasser des Kastens BDEF eine Bewegung, dasselbe
tritt in den Kanal SR, und geht mit dem Srahle AC fort,
so dafs seine Oberfläche in wenig Sekunden bis nach MH^
dem unteren Rande des Kanals, sinkt.
5. Vor einiger Zeit hat der Prof. v. Feilitzsch eine
sinnreiche Abänderung dieses Versuchs veröffentlicht ' ). Er
benutzt dazu ein Blechgefäfs EDFG Fig. 2. Tafel I., das
in der Mitte seiner Länge eine Scheidewand HI hat. In der-
selben ist möglichst nahe dem Boden eine cjlindrische Röhre
ABC aus Blech von 2^ Zoll Durchmesser und 8 Zoll Länge
befestigt, die an beiden Enden offen ist. Innerhalb dieser
Röhre in der Nähe der einen Oeffnuug BC mündet die
verticale Ausflufsöffnnng a eines horizontalen, nach vorn
sich verengenden Fortsatzes ab von einem senkrechten,
6 Fufs langen Rohre {»^welches oben mit einem Wasser-
behälter verbunden ist. Die beiden Abtheilungen de^ Ge-
fäfses stehen nur durch die Röhre ABC mit einander in
Verbindung. Wurden sie bis zu dem bei K angebrachten
Abflufs mit Wasser gefüllt, so war im Zustande der Ruhe
die Oberfläche des Wassers in beiden in derselben Hori-
zontalebeue. Flofs jedoch durch die Oeffnung a Wasser
1 ) Pogg. Ana. Bd. LXill. &. 216.
in das Gefäfs, 80 begann das Niveau in der Ablheilong F6EI
zu sinken.
6. Bei Wiederholung dieses Versuchs bemerkte ich,
dafs das Wasser unter geeigneten Umständen bis zu der
communicirenden Röhre ABC sank, und dafs zuweilen so-
gar Luft mit dem Wasser durch dieselbe geführt wurde.
Dadurch kam ich auf den Gedanken, dafs es möglich sejn
müsse, das Ausfliefsen von Wasser aus einem GefäCse mit
ziemlich weiter Oeffnung dadurch gänzlich zu Terhindern,
daCs man einen Wasserstrahl, dessen Durchmesser viel ge-
ringer als der der Oeffnung des Gefäfses ist, gegen das
in dieser Oeffnung befindliche Wasser strömen läfst.
Dicfs hat sich auch vollkommen bestätigt. Ich will zu-
nächst beschreiben, wie ich den Versuch angestellt habe.
7. Aus einem Gefäfse, das beständig mit Wasser voll
erhalten wurde, ging eine 7 Fufs lange Röhre sclikrecht
hinab; dieselbe war an ihrem unteren Ende rechtwinklich
gebogen, so dafs sie einen horizontalen Wasserstrahl lie-
ferte. Dieser strömte in ein Geföfs Aj Fig. 3, das etwa
8 Zoll weit und 10 Zoll hoch war, und nahe am Boden
eine seitliche Oeffnung hatte, in der eine Glasröhre de ho-
rizontal befestigt wurde.
Die Röhre war selten kürzer als 6 Zoll, und das Ge-
fäfs A war gewöhnlich so aufgestellt, dafs die vordere
Oeffnung derselben e auch etwa 6 Zoll von der Ausflufs-
Öffnung f entfernt war.
Bei einem Durchmesser der Oeffnung f von 3"*, und
einem Durchmesser der Röhre de von 12""", also bei ei-
nem Verhältnisse der Durchmesser von 1:4, stieg das Was-
ser in A bis zur Höhe von 250*"*" oder etwa 10 Zoll ohne
dafs auch nur ein Tropfen Wasser bei e ausflofs. War
der Durchmesser von de gröfser, so begann ein Theil des
Wassers schon auszufliefsen, bevor der Stand desselben in
dem Gefäfse A jene Höhe erreicht hatte, und zwar um so
mehr, je weiter de war. Es versteht sich jedoch von selbst,
dafs die erwähnten Zahlen sich nur auf die angeführte Druck-
höhe beziehen. Sie sind erhalten, während der Strahl aus
einer Oeffnaog in einer dOnnen Wand hervorging. Ist
diefs nicht der Fall, so ändern sich die Verhältnisse.
Während des Versuchs findet ein gewaltiges Schäumen
in der Röhre de statt. Da die Flüssigkeit in A durch das
eintretende Wasser unvermeidlich in Schwankungen geräth^
so thut man gut diese Röhre de nicht zu kurz zu wählen.
Es ist dabei ziemlich gleichgültig ob dieselbe etwas mehr
oder weniger von der Ausflufsöffnung f des Wasserstrahls
entfernt ist.
Ich habe es mir nicht zur Aufgabe gestellt zu unter-
suchen, wie das Verhältnifs der Ausflufsöffnung und der
Röhre gewählt werden mufs, um das Maximum der Höhe
in Ä zu erhalten, ohne dafs Wasser ausfliefst; allein es
scheint mir, daCs dieses Verhältnifs nicht constant ist, und
dafs bei zunehmender Weite der Ausflufsöffnung der Durch-
messer der Röhre nicht in demselben, sondern in einem
geringeren Verhältnisse zunehmen mufs. Wahrscheinlidi
hat diefs seinen Grund in der heftigeren Bewegung, in
welche die Flüssigkeit in A bei Anwendung eines stärke-
ren Wasserstrahls geräht.
8. Der Versuch wurde so abgeändert, dafs ein verti«
caler Wasserstrahl von unten in ein Geföfs eintrat, das
in seinem Boden eine Oeffuung hatte, in der sich eine
verticale Röhre befand. Wenn aber hierbei kein Wasser
abflieCsen sollte, so mufste das Verhältnifs der Durchmes-
ser der Ausflufsöffnung und der Röhre viel geringer, etwa
das von 1 zu 2 seju; ohne Zweifel deshalb, weil die Be-
wegung der Flüssigkeit hier von einem noch störenderen
Einflufs ist, als bei den Versuchen mit der horizontalen
Röhre.
9. Es schliefsen sich diese Erscheinungen unmittelbar
an diejenigen, welche durch die vortrefflichen Untersuchun-
gen von Felix Savart über das Verhalten eines Was-
serstrahls, der gegen eine feste Ebene strömt '), bekannt
sind. Durch dieselben kennt man auch den Vorgang, wel-
cher stattfindet, wenn zwei Wasserstrahlen von entgegen-
1) j4nn. de chtm, et de pkjrs, Ser, IL Tom. Llil, p, 337.
6
gesetzter Richtung einander treffen ')• Ich habe diese sdiö-
nen Versuche wiederholt. Wenn zwei Strahlen von glei-
chem Durchmesser und von gleichem Drucke einander so
treffen, dafs sie eine gemeinschaftliche Tangente haben, so
bewegt sich das Wasser in einer Ebene, welche senkrecht
gegen diese Tangente ist, und bildet eine fast kreisrunde
durchsichtige Scheibe, Fig. 4. Taf. L, die von einem durch-
sichtigen Rande concentrisch umgeben ist, welcher letztere
offenbar dadurch entsteht, dafs das Wasser zu einzelnen-
getrennten Massen sich zusammenzieht, die radial nach al-
len Richtungen fortgeschleudert werden.
Sind die Axen der beiden Strahlen, oder die Tangen-
ten jn dem Punkte, wo beide zusammentreffen, zwar pa-
rallel, fallen sie aber nicht in dieselbe gerade Linie, in-
dem z. B. der eine Strahl ein wenig höher als der andere
liegt, so bewegt sich das Wasser unverändert in einer
Ebene, dieselbe ist aber geneigt gegen die Tangente der
Strahlen.
Bleiben die Querschnitte beider Strahlen dieselben, der
eine wird aber mit einer gröfseren Kraft bewegt als der
andere, so verwandelt sich die Ebene in eine gekrümmte
Fläche, deren Concavität nach der Seite des mit geringe-
rer Kraft bewegten Strahles liegt. Wird der Unterschied
des Drucks gröfser, so schliefst sich diese gekrümmte Fläche,
und je gröfser dieser Unterschied wird, um so stärker ist
die Krümmung derselben an der Stelle, wo die beiden
Strahlen zusammenstofsen. Wenn die Querschnitte der
Strahlen verschieden sind, so bildet sich, so lange der
Druck für beide gleich bleibt, auch eine gekrümmte Fläche,
deren Concavität nach der Seite des Strahles von gerin*
gerem Durchmesser liegt. Wenn aber aufserdem die Ge-
schwindigkeiten, mit welcher diese Strahlen sich bewegen,
oder die Drucke, durch welche sie hervorgebracht wer«^
den, verschieden sind, und wenn namentlich der des Strah*
les von geringerem Durchmesser gröfser ist, so bildet sich
zwar auch eine gekrümmte Fläche, deren Scheitel jedoch,
1) Daselbst Tom. LF. p. 257.
wie Savart angiebt '), 80 lange das VerhaltnifiB der Quer-
schnitte der Strahlen nicht grOfser als das von 1 zu 4 ist,
dicht an der Ausfkifsöffnong des weiteren Strahles liegt
Für ein gröfseres Verhfiltnifs findet sich bei Savart keine
Angabe.
Ist aber der Unterschied des Drackes hinreichend grofs,
so dringt, wenn das Verhältnifs der Durchmesser 1 : 4 oder
auch etwas gröfser ist, der engere Strahl ganz in das Ge-
fllfs mit weiter Oeffnung ein.
' 10. In dem oben §. 7. beschriebenen Experimente findet
dieser Fall statt. Es wirken hier gleichsam zwei Strahlen
gegen einander, indem das Wasser in der cjliudrischen
Röhre als ein weiter Strahl von geringerem Drucke be-
trachtet werden kann. Offenbar würde sich in dieser Röhre
ebenfalls eine gekrümmte Fläche bilden, welche in sich ge-
schlossen ist, wenn nicht noch andere Umstände mitwirk-
ten, durch welche statt derselben eine Menge kleiner, in
sich geschlossener, Flächen entstehen. Diese bringen die
Erscheinung des Schäumens hervor.
II. Um diese Erscheinung weiter zu verfolgen, habe
ich den Wasserstrahl gegen eine halbkugelförmige Vertiefung
von Metall strömen lassen. Auch ^ hierbei erhält man , bei
einem bestimmten D/ucke des Strahls und einer gewissen
GröCse des halbkugelförmigen Gefäfses, eine eiförmig in
sich geschlossene Wasserfläche ^ ). Je nachdem man nun
die halbkugelförmige Vertiefung dreht, fällt die Axe dieser
Fläche, oder wenigstens der Punkt, in welchem die Verei-
nigung des Wassers stattfindet, nach der einen oder der
andern Seite des Strahls, etwa so wie es in Fig. 5. Taf. L
dargestellt ist. Der ankommende Strahl geht alsdann durch
die Fläche hindurch ohne die Bildung derselben zu stören..
1) a. a. O. p.281.
2) Za diesen Yersucheo bediente ich micb einer halbkogelförmigen Vei^
tiefung yon 24""" Durchmessscr , und liefs gegen dieselbe einen Strabl^
der aus einer Oeffnung von 3"*"* Durchmesser unter einem 'Druck von
2,3 M^tres hervortrat, etwa in 0,5 Mdtre Entfernung von der Ausfluls-
öffnung wirken.
8
Man kann indefs die Halbkugel so drehen, dafs das Was-
ser sich an einer, in der Richtung des Strahls liegenden
Stelle zu vereinigen sucht, dann wird es dort von den
ankommenden Strahle wieder getroffen, und hierdurch ent-
steht ein eigenthQmliches Schäumen und Umherschleudem
der Wassertheile, das in Fig. 6. Taf. I. abzubilden ver-
sucht ist.
Dafs bei einem solchen Vorgänge, namentlich wenn er
innerhalb einer Röhre stattfindet, deren Durchschnitt nicht
gröfser ist als der der gekrömmten eiförmigen Fläche, alles
gegen den engen Strahl zurückgeworfene Wasser von die^
sem aufgehalten, und, indem sich eine neue Fläche der Art
erzeugt, mit demselben zurückgeführt werde, ist wohl be-
greiflich. Dadurch kann man sich auch vorstellen wie das
Ausfliefsen einer Flüssigkeit aus einem Gefäfse mit weiter
Oeffnung durch einen Strahl von viel geringerem Durch^
messer aufgehalten wird; und dadurch ist auch erklärlich,
dafs es zu der wirklichen Bildung einer einzigen gröCseren
Fläche nicht kommen kann, sondern dafs diese, wie schon
gesagt, durch das immer zurückgeführte Wasser sich in eine
Menge kleiner in sich geschlossener Flächen theilt, welche
den Schaum bilden.
12. Um aber eine bestimmtere Vorstellung von die-
sem Vorgange zu erhalten, habe ich den Versuch noch so
abgeändert, dafs das 'Rohr de Fig. 7. Taf. I. mit einem
rechtwinklig nach oben gebogenen Ansatz mn in der Mitte
versehen ward, so dafs das ganze Rohr die Gestalt eines
umgekehrten T erhielt. Der Ansatz mn war so angebracht,
dafs die Stelle h wo der eindringende dünne Strahl das
Wasser in der Röhre traf, zwischen d und m, und zwar
sehr nahe bei d lag. Wurde nun Wasser durch den An-
satz mn gegossen, so flofs nichts bei e ab, sondern alles
bei m eintretende Wasser wurde sogleich bis nach h Zu-
rück gedrückt, und diefs fand selbst noch statt, wenn das
Rohr de ziemlich weit war.
Die Stelle ft, bis zu welcher der ankommende Strahl
das Wasser in der Röhre zurückdrängt, ändert sich zwar
je nachdem derselbe genau in der Axe der Röhre oder
mehr nach unten oder oben strömt; allein abgesehen hier-
von ist ihre Lage bedingt, sowohl durch das Bewegungs-
moment des dünoen Strahls, als auch durch das des Was*
serSy das aus dem Gefäfse Ä abzufliefseu sucht. Aendert
sich daher der Druck in A^ steigt z. B. das Wasser in
diesem Gefäfse, während der Druck des düuoen Strahls
constant bleibt, so rfickt k mehr nach der Ausflufsöff-
uung 6.
Bleibt hingegen das. Niveau der Flüssigkeit in Ä con-
stant, so dafs beide Drucke ungeändert bleiben, so kann
die Stelle ft, wo die Wassermassen einander treffen, sich
noch dadurch ändern, dafs der Druck der Luft bei k sich
ändert.
13. In das Tförroige Rohr demn Fig. 8. Taf. L, das
in das Gefäfs A bei d eingesetzt ist, wurde die enge Röhre
fg, aus welcher der dünne Wasserstrahl hervorging, so
eingeführt, dafs der Ausflufs f nahe bei m lag. Sodann
wurde die Oeffnung bei e luftdicht an den Kork g be-
festigt, und bei n ein Rohr augesetzt, das mit einer ge-
räumigen, aber leereu Flasche B in Verbindung stand. Aus
der Flasche ging ein gebogenes Rohr op heraus, das mit
seinem unteren Ende p in einen kleinen, mit Quecksilber
oder einer gefärbten Flüssigkeit gefüllten Cylinder Q tauchte.
Erhielt man nun den Wasserstand bei A constant, so stiegt
die Flüssigkeit in der Röhre op, indem Luft mit dem Was-
ser bei k fortgeführt wurde. Aber in dem Maafse, als
dies Steigen stattfand, rückte auch die Stelle ft, wo der
dünne Strahl das Wasser in der Röhre traf, mehr nach
ffi hin, und sobald sie hier angekommen war, füllte sich
das Stück mf mit Wasser, und dasselbe trat in mn hinauf.
Ks ist einleuchtend, dafs dann das Schäumen aufhörte.
Es braucht wohl nicht erwähnt zu werden, dafs das
Resultat dasselbe war, wenn die Flasche B weggelassen
und die Röhre von n direct in das Quecksilber geführt
wurde, 4iur fand der Vorgang dann so rasch statt, dafs
man ihn nicht verfolgen konnte.
10
14. Läfst man auch das Gefäfs mit Quecksilber fort,
so dafs auf das Wasser io der Röhre mn der Druck der
Atmosphäre wirkt, und vertauscht die enge Röhre fg, durch
welche das Wasser einströmt, mit «einer weiteren, so kann
man diese so wählen, dafs keine Luft bei m mehr eintritt,
sondern das ganze Rohr de mit Wasser erfüllt bleibt« Bei
einem gewissen Verhältnisse der Durchschnitte der Röh-
ren fg und ed steht alsdann das Wasser in der Röhre mn
niedriger als in dem Gefäfs A. Es findet also dann bei
m ein geringerer Druck statt als bei d. Wählt man die
Röhre fg noch weiter, so steigt die Flüssigkeit in mn,
und kann unter geeigneten Verhältnissen darin viel Köher
stehen als in dem Gefäfse A.
Dasselbe kann mau erreichen wenn man, statt die Röhre
fg zu ändern, die Geschwindigkeit vermindert, mit wel-
cher das Wasser durch die unveränderte Röhre fg hin-
durch geht. Es ergiebt sich hieraus, dafs der Druck bei
fft abhängig ist, sowohl von der Geschwindigkeit als auch
von dem Verhältnisse der Durchschnitte der beiden Röh-
ren fg und de ' ).
Wenn die Oeffnung f der engen Röhre, durch welche
das Wasser einströmt, nicht bis zu der Stelle reicht, wo
bei m die rechtwinklich aufwärts führende Röhre mfi an-
gebracht ist, sondern so weit von dieser Stelle entfernt
ist, dafs das Wasser, wenn es bei m ankommt, sich sdion
durch ein Stück der Röhre de bewegt hat, ohne seinen
Querschnitt und also auch ohne seine Geschwindigkeit za
ändern, so steigt das Wasser in der Röhre mn, und steht
in derselben höher als in dem Geföfse A.
1) Gans ähnliche Erscheioangen erhalt man, wenn Luft aus einer enge-
ren in eine weitere, mit ihr fest verbundene Röhre strömt, aus der sie
am entgegengesetzten £nde wieder entweichen kann. Sind die Röhren
nämlich horizontal und fährt aus der weiteren, da wo die engere ift
sie einmündet, eine Röhre rechtwinklich in ein Gcfafs mit Wasser oder
Quecksilber hinab, so steigt diese Flüssigkeit in die Höhe, sobald die
Luft mit hinreichender Geschwindigkeit aus der engeren in die weitere
Röhre geblasen wird.
15. So lange da8 Schäumen in der Röhre de noch
stattfindet, sieht man auch Luftblasen in das Gefäfs Ä ein-
treten. Indem nämlich die ganze Wassermasse der Röhre
sich in diefs Gefäfs hineinbewegt, wird die, durch das
Schäumen eingeschlossene Luft mit hineingeführt. In wel-
chem Maafse diefs letztere stattfindet, kann mau deutlich
beobachten, wenn man die Röhre de Fig. 9. Taf. I. Ton Glas
und von ziemlicher Länge, etwa 2 Fufs lang wählt. Man sieht
alsdann die Flüssigkeit in dem vorderen Theile bei k schäu-
men, Ton da aber fliefst sie, oder wird sie nach d hiube^
wegt, währeord oben auf derselben kleine Luftbläschen mit
fortgeführt werden. Diefs findet *sogar statt, wenn die Röhre
de eine solche Neigung hat, dafs der Schaum sich abwärts
bewegen mufs, indem das Ende d, mit welchem sie in dem
Gefäfse A befestigt ist, tiefer als die Oeffuung bei e liegt. ,
Das Eintreten solcher Luftblasen mit dem Wasser hat
schon Savart beobachtet, ohne jedoch dieser Erscheinung
weitere Aufmerksamkeit zu schenken. Ich glaube indefs,
daCs sie nicht ganz unwichtig ist. Wer hat nicht schon
bei dem Eingiefsen von Wasser in ein Glas die Luftbla-
sen beobachtet, die dabei entstehen, und doch ist diese,
seit Menschengedenken beobachtete Thatsache noch nicht
erklärt, oder mindestens sind die vorhandenen Erklärun-
gen nicht genügend.
16. Venturi ist, wie schon in §.2. erwähnt worden,
der Ansicht, dafs der Wasserstrahl die Luft mit sich fort-^
reifse. Hiernach würde sie gleichsam in Folge einer Rei-
bung in das Wasser mit hinabgeführt werden. Allein wenn
man ein Mal diese Erscheinung mit einiger Aufmerksam-
keit betrachtet hat, so kann man eine solche Erklärung
unmöglich zugeben, denn es ist gar nicht denkbar, dafs
die Luft mit solcher Kraft an dem Strahle hafte, dafs sie
von diesem bis weit unter die Oberfläche des Wassers
hinabgerissen werde.
17. Um aber diese Ansieht vollständig zu widerlegen,
liefs ich aus einem Gefäfse mittelst einer Röhre einen Strahl
senkrecht ausfliefsen, und brachte die Oberfläche derFlüs-
12
sigkeit, welche er treffeu sollte, ^o an, dafs sie vop die-
ser Rohre fast berührt wurde. Auch hierbei entstaDden
Luftblasen im Innern der Flüssigkeit. Auf dein kurzen
Wege von etwa 1"^, den der Strahl in diesem Versuche
durch die Luft zurücklegte, konnte der letzteren unmög-
lich durch Reibung eine so starke Bewegung mitgethdlt
seyn, dafs sie bis tief unter die Oberfläche des Wassers
hinabzudringen vermochte.
18. Savart hat die Behauptung aufgestellt, dafs der
Strahl einer Flüssigkeit zwar bis zum Maximum seiner
Coutraction eine zusammenhängende Masse bilde, aber von
da ab aus einzelnen getrendten Massen bestehe, welche, in«
dem sie ihre Gestalt periodisch ändern, die abwechselnden
Anschwellungen des Strahls hervorbringen. Man könnte
glauben dafs die Luftblasen, welche beim Eandringen ei-
nes Strahls in eine Flüssigkeitsmasse entstehen, von Luft
herrühren, welche zwischen diesen einzelnen getrennten
Massen des Strahls enthalten ist. Allein wenn man einen
Wasserstrahl, der mit einigem Drucke ausfliefst, die Ober-
fläche von Wasser treffen läfst, noch bevor er das Maxi-
mum seiner Contraction erfahren hat, so bilden sich die
Blasen gleichfalls, und hierdurch wird diese Ansicht, abge-
sehen von anderen Einwendungen, vollkommen widerlegt.
19. Es scheint diefs Phänomen davon herzurühren,
dafs der Flüssigkeitsstrahl da, wo er die Oberfläche der
ruhenden Flüssigkeit trifft, eine Vertiefung bildet. Diese
schliefst sich, sobald die Oberfläche der Flüssigkeit in die
geringste Schwankung geräth, und enthält dann Luft im
Innern, die von dem sich bewegenden Wasser in die Tiefe
mit hinabgeführt wird.
- 20. Bewegt sich ein Strahl continuirlich gegen die Ober-
fläche einer Flüssigkeit, so kann man die Vertiefung, welche
rund um den Strahl sich bildet, deutlich sehen. Allein sie
schliefst sich gewöhnlich so schnell, und es tritt so schnell
eine neue an ihre Stelle, dafe man die Art, wie die Luft
eingeschlossen wird, nicht weiter verfolgen kann.
2L Ich -habe indefs Gelegenheit gehabt zu beobacb-
13
ten^ dafs wenn ein Strahl in einiger Entfernung von sei-
ner Aasflufsöffnung und bevor er das Maximum der Con-
traction erreicht hat, eine Wasserfläche trifft, die vollkom-
men ruhig ist, sich bisweilen eine ziemlich bedeutende
Vertiefung rund um den Strahl bildet, ohne dafs Luft in
das Wasser eindringt. Sobald aber alsdann die geringste
Bewegung auf der Oberfläche entsteht, so wird sogleich
Luft mit hinabgeführt. Setzt man z. B. die Oberfläche da-
durch in Bewegung, dafs man in einiger Entfernung von
dem Strahl einzelne Tropfen aus einer Höhe von weni-
gen Zollen auf das Wasser fallen läfst, die für sich allein
keine Luft unter die Oberfläche der Flüssigkeit führen wür-
den, so tritt, sobald der Tropfen auffällt, jedesmal ein zi-
schendes Geräusch da ein, wo der Strahl die Oberfläche
trifft, und zugleich sieht man kleine Luftblasen mit dem
Strahle in die Flüssigkeit hiuabdringen.
22. Dasselbe geschieht, wenn die Contiiiuität des Strahls
unterbrochen wird, etwa indem man einen festen Körper
durch denselben hindurch bewegt. Ja selbst wenn nur ein
kleines Bläschen von Luft in dem Strahle enthalten ist, so
stellt sich dies Geräusch ein, und zugleich wird eine grö-
fsere Menge von Luft durch den Strahl hinabgerissen. Eben
dasselbe findet statt, wenn die Oberfläche der Flüssigkeit
in nnregelmäfsige Bewegung geräth, und dann zeigt sich
bisweilen ein aufserordentlich heftiges Eindringen von Luft.
Es hat dabei das Ansehen, als ob sich ein trichterförmiger
Strudel um den Strahl bildet, durch welchen die Luft in
drehender Bewegung hinabgeführt wird. In dieser Art beob-
achtet man die Erscheinungen nämlich, wenn der Strahl mit
dem Drucke einer Wassersäule von lOFufs ausströmt und
die Oberfläche des Wassers in einem 2 Fufs weiten Ge-
ikfse trifft. Hiernach scheint mir die in §. 19. gegebene Er-
klärung von dem Eindringen der Luftblasen in eine Flüs-
sigkeit keinem Zweifel zu unterliegen.
23. Bei Betrachtung der Bewegung, welche stattfindet,
wenn eine Flüssigkeit in die gleichartige Substanz durch
eine Oeffnung einströmt, welche sich in einiger Tiefe un-
14
t0r der Oberfläche der letzteren befindet, schien es mir
zunächst wönschenswerth durch Versuche zu ermitteln, ob
die Wirkung, welche das einströmende Wasser gegen ei-
nen Widerstand leistenden Körper ausübt, mit der Ent-
fernung von der Einströmungsöffnung sich ändere oder nicht.
Ich habe diese Versuche auf die- Weise ausgeführt, dafs eine
Platte unter Wasser senkrecht gegen die Richtung des auf
die eben erwähnte Weise entstehenden Strahls (wenn man
sich dieses Ausdrucks bedienen darf) angebracht und dfe
Kraft gemessen wurde, mit welcher das Wasser dieselbe
zu bewegen suchte.
Um zu ermitteln, in wie weit es nöthig ist, dafs die
Platten, welche benutzt werden sollten, vollkommen eben
sind, wurden zunächst Verbuche in der Luft angestellt,^ und
um dabei das Resultat unabhängig von der Schwere des
Wassers zu erhalten ein horizontaler Strahl benutzt. Die
Einrichtung des Versuches war folgende:
24. An den Balken einer Waage FG Fig. Ip. Taf. I.
war in der Mitte ein vcrlicalcr Stab ah von Metall ge-
. schraubt, und an diesem die Platte cd so befestigt, dafs
dieselbe gleichfalls vertical und senkrecht gegen die Rich-
tung des Strahls war. Wenn alsdann der Waagebalken
horizontal war und es wurde gegen die Mitte der Platte
der Strahl gerichtet, so drängte dieser dieselbe zuröclL.
Allein durch Auflegen von Gewichten konnte man die
Waage in ihre Gleichgewichtslage zurückführen, und so
die Kraft bestimmen , mit welcher die Platte der Bewegung
des Strahls Widerstand leistete.
Hierauf wurden 2 vollkommen ebene Platten, die eine
von 9**"" und die andere von 24*""" Durchmesser, nach ein-
ander bei h befestigt, und während dieselben sich in der
Luft befanden, wurde ein horizontaler Wasserstrahl senk-
recht gegen ihre Mitte gerichtet. Sodann wurden diese
ebenen Platten mit concaven Halbkugeln vertauscht, deren
Durchmesser genau gleich war dem Durchmesser der Plat-
ten, und, der jedesmal stattfindende Druck. gemessen. Der-
selbe ergab sich bei einer Druckhöhe von 2 Meter in ei-
15
nem Abstände von lOO^*" von der Ausflufsöffnung /; welche
in einer dünneu Wand aus Blech angebracht war und 3""
im Durchmesser hatte, fOr
die Platte die Halbkugel
von 9"^ Durchmesser zu 22 Grammes 42 Grammes.
„ 24»'» „ „ 23 „ 38
25. Dieser gröfsere Druck bei den Halbkugcln beruht
offenbar darauf, dafs das Wasser des StrahU, der diesel-
ben in der Mitte trifft, sich zur Seite bewegt, und dadurch
gegen die halbkugelförmige Wand noch einen Druck aus-
übt. Dafs diefs wirklich so ist, ergiebt sich schon aus der
Art, wie das Wasser von den Halbkugeln von verschie-
denem Durchmesser zurückgeworfen wird. Während das-
selbe nämlich von der von 9'"'" fast parallel mit dem an-
kommenden Strahl zurückkommt, bildet es, zurückgewor-
fen von der von 24""", eine gekrümmte Oberfläche, von
ähnlicher Gestalt wie die in Fig. 5. Taf. [., deren gröfster
Durchmesser etwas gröfser als der der Halbkugel ist.
Hieraus erklärt sich auch, weshalb bei der gröfseren
Halbkugel die bewegende Kraft geringer ist, als bei der
kleinen, während doch die Fläche, gegen welche der Druck
ausgeübt wird, gröfser ist. Es zerlegt sich nämlich der
seitliche Druck bei dem gröfseren Krümmungshalbmesser
BOy daCs ein geringerer Theil desselben in der Richtung
des ursprünglichen Strahls wirkt, als bei dem kleineren
Halbmesser. Nur bei ganz ebenen Platten erhält man den
Antheil der Bewegung allein, welcher in der Richtung des
Strahls stattfindet. Deshalb wurden zur Ermittelung der
Quantität der Bewegung nur solche Platten benutzt.
26. Die übrige Einrichtung war folgende: Aus einem
Gefäfse, in welchem der Wasserstand dadurch unverän-
derlich erhalten wurde, dafs aus einem darüber befindli-
chen Behälter mehr Wasser zu, als unten abflofs, führte
ein verticales Rohr MN Fig. 10. Taf. L, das bei M recht-
winklig gebogen war. Dasselbe hatte im Innern einen Durch-
messer von 1 Zoll, und trug an seinem horizontalen Thcile
bei O eine Hülse von Metall, in deren IVlitte sich die Aus-
16
flufsöfTnimg befand, welche bei allen diesen Verendien
kreisrund war, und bei den meisten einen Darchmesser
von 3"" hatte. Das Stück MO dieses Rohrs befand^ sich
mit der Platte cd in einem grofsen Gefäfse AB CD, drs
4 Fafs lang, 3 Fnfs breit und 16 Zoll hoch war; das-
selbe war ganz mit "Wasser gefOllt, und durch einen in
einer bestimmten Höhe angebrachten Abflnfs gh wurde der
Stand des Wassers unverSnderlich erhalten. Die Waage
mit ihrer Platte war zwischen zwei Leisten HI so ver«
schiebbar, dafs sie sich immer parallel mit sich selbst be-
wegte. An diesen Leisten war eine Theiinng angebracht,
um den Abstand der Platte cd von der Ausflursöffnung f
messen zu können. Bevor das Gefäfs AB CD mit W^asser
gefüllt wurde, überzeugte man sich, daCs der durch die
Lufl gehende Strahl die Platte in ihrem Mittelpunkte traf.
Für die geringen Entfernimgen, welche hier in Betracht
konnnen , glaubte ich die Richtung des Strahls unter Was-
Mor als unverändert ansehen zo dürfen, besonders da der-
nelbe sich in dem gleichartigen Medium bewegte.
*27, Wendel man bei diesem Versuche Platten von
verschiedenem Durchmesser an, so nimmt die Kraft, welche
ntMhwendig Ist, um bei unveränderter Entfernung von der
Ausilufsöffnung die Waage im Gleichgewicht zu erhalten,
mit der («röfse der Platten zu, jedo<ch nur bis zu einer
bestimmten Grttnze; über diese hinaus bleibt sie unverSn-
dorl. Wurden daher ziemlich grofse Platten benutzt, so
war man sicher die ganze Gröfse der Wirkung zu erhal-
ten. Die' kleinste Platte, welche ich angewendet habe, hatte
lOÜ'"" Durchmesser. Die folgende Tabelle enthält einige
von den Bestimmungen, welche mit Platten von verschie-
dener Gröfse erhalten worden sind.
Ho-
17
HorixoBtaler Strahl*).
Dorchm.
der
Pbtte.
Ahstand
Gewicht in Grammes,
OcflnoDg.
Druck-
höhe.
der Platte
von der
nm die
Platte m ihre Lage eo-
Oeffiaong.
ruckanfuhren.
. k
No.L No.IL No.in.
■ ■■ «!<■ ■**!*■>
6'10"Rhl.
100—
20—
20,0 20,0 20,0
Au uuimcr
= 2,145
50
21,0 21,0 20,75
Mötres
100
21,5 21,5 21,5
150
21,5 21,5 21,5
V •
200
21,0 20,5 20,5
No.IV. No.V. No.VL»)
WhiI.
Desgl.
150«-
20—
50
100
20,0 20,0 18,0
21,0 21,0 19,0
22,0 22,5 20,0
150
200
250
23,0 23,5 20,0
23,0 23,5 21,0
23,0 23,0 21,0
^
300
22,5 22,5 20,5
N0.VIL No.vm.
In
rirRM.
200~
20»»
16,0 16,2
MessiDg von
= 2,229
50
16.7 16,7
1— Dicke.
Meters.
100
18,0 18,0
DorchiD. 3"".
150
200
250
18,0 18,0
18,0 18,0
17,5 17,7
No. IX.
Glas-
Desgl.
150—
20»"
21
rofarcfaen von
50
21,6
10""LäDgc.
100
23,2
Durchmesser
150
23,3
nahe 3"".
200
250
23,3
23,9
Glas-
No. X.
röhrchen Ton
Desgl.
20«»
14,3
20>« Lange.
50
14,9
DorchiDCSser
100
15,2
etwas weniger
-
150
15,4
als 3"».
200
15,2
1 ) Die Temperatur des Wassers schwankte bei diesen Versuchen sehr we-
nig, sie war sehr nahe 14° G.
2) Bei dieser Beobachtoogsreihe war die Richtung der Hülse etwas ver-
ändert, und die Aze des Strahls nicht ganz senkrecht gegen die Platte.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 2
18
28. Es geht aus diesen Versuchen hervor, dafs die
Wirkung gegen die Platte mit der Entfernung derselben
Ton der Ansflufsöffnung zunimmt, und zwar bis zu einem
Abstände von 150 Millimetres. Bei allen Versuchen wurde
ein ähnliches Resultat erhalten. Kein einziger, und ich
habe deren viele, aufser den hier mitgetheilten , angestellt,
zeigte innerhalb des Abstandes von 100 Millim. eine Ab-
nahme. Allein die Zunahme war nicht immer gleich, und
ich überzeugte mich, dafs die Schwankungen davon her-
rührten, dafs es nidit möglich war die Hülse, in der die
Ansflufsöffnung sich befindet, immer so anzubringen, dafs
die Richtung des Strahls, selbst innerhalb dieser geringen
Entfernung genau dieselbe blieb.
29. Um diese Unsicherheit zu vermeiden, wurde der
Versuch so abgeändert, dafs der Strahl vertical war und
gegen eine horizontale Platte sich bewegte. Zu dem Ende
wurde diese mittelst drei feinen Drähten von 3 Fufs Länge
an dem einen Ende des Waagebalkens befestigt. Die Waage
selbst aber befand sich an einem Gestellie, durch welches
sie auf und nieder bewegt werden konnte, wobei jedoch
der Mittelpunkt der Platte stets senkrecht unter der Oeff-
nung blieb, durch welche das Wasser ausflofs.
Die Platte hing im Wasser in einem Gefäfse, das 3 Fufs
Durchmesser und 2 Fufs Höhe hatte, und in welchem der
Stand des Wassers unverändert blieb. Die Oeffnung, aus
welcher der Strahl hervorging, befand sich 4 Zoll unter der
Oberfläche.
Auch bei diesen Versuchen zeigten sich ähnliche Zu-
nahmen der Wirkung gegen die Platte und zwar sowohl
wenn der Strahl vollkommen vertical niederging, bevor das
Wasser in das Gefäfs gebracht war, als auch wenn der-
selbe unter einem Winkel von 10 Grad das Centrum der
horizontalen Platte traf; wie diefs aus No. XIII. der fol-
genden Tabelle hervorgeht.
19
OelTnang.
Verlicaler Strahl.
n»*«.k.» Abstand Gewicht m Grammes,
Druck- "°J^™- der Platte um die
höhe. PUiie ^^^ ^^ Platte m ihre Lage eu-
Oeflnung. ruckzufuhren.
In dunner
Wand.
Durchmesser
8'10"Rhl.
= 2,772
M^tres.
200""
50mm
100
150
200
No. XI. No. XII.
29,5 29,0
30,5 30,5
31,0 31,0
30,5 30,5
DesgL
Der Strahl
machte emen
Winkel von
10® mi't der
Verticalen.
Desgl.
Desgl.
50""
100
150
200
No. xin.
29,0
30,7
31,0
30,5
Glas-
rohr 10"""»
lang, nahe
3mm Durch-
messer.
Desgl.
Desgl.
20""
30
50
100
150
200
No. XIV.
26,0
26,5
27,5
28,5
29,0
28,5
Glasrohr
65,"™ lang,
6«« Durch-
messer, unten
susammenge-
sdimolzen bis
Rufnähe 3*"™.
Desgl.
Desgl.
20™™
50
100
150
200
No. XV.
23,5
25,5
26,5
26,5
26,0
Glasrohr
65™" lang,
aber überall
von demsel-
ben Durchm.
von 3,3™".
•
Desgl.
Desgl.
20™™
50
100
150
200
No. XVl.
28,5
29,5
30,8
31,3
30,9
30. Später §. 41 . werde ich auf die Erklärung dieser Er-
scheinuDg, dafs die Wirkung des gegen eine Platte sich
bewegenden Wassers mit der Entfernung zunimmt, zurück-
kommen. Zunächst- schien es mir von Interesse die Art
und Weise wie das einströmende Wasser sich mit dem
schon Torhandenen mischt, genauer zu verfolgen.
Ich liefs deshalb das Wasser durch eine Oeffnung von
2 bis 3 Millim. im Durchmesser und unter dem Drucke
2*
20
einer Wassersäule tod 7 Fois, horizontal in ein Gefafs
einströmen, Ton dem zwd Seitenwände ans Glas ond nur
0,5 Zoll Ton einander entfernt waren. Indem der Strahl
anf der sdimalen Seite desselben in der Mitte der Höhe
eintrat, konnte er sidi nur nadi unten ond oben ausbrei-
ten, nnd es war bei der geringen Dicke der Wasserschicht
zn hoffen, dais man im Stande sejn wQrde, dm Vorgang
innerhalb derselben näher zn beobachten.
Das Geßlls mnCste in einiger Entfernung von der Ein-
strömungs-Oeffnnng, bei Ä Fig. 11. Taf. I., beträchtlidi brei-
ter gemacht werden, weil sonst der Widerstand durch die
Reibung längs der Seitenwände zu grofs war. Auch hatte
dasselbe an der, der Einströmungs-Oefifhung gegenOberlie-
genden Seite, )[>ei B, einen Ausschnitt zum Abflufs des Was-
sers, so dafs das Niveau desselben unverändert blieb. Um
den Strahl besser beobachten zu können brachte idi ver-
schiedene undurchsichtige Körper, Semen Lycopodii und
statt dessen auch Milch in das Wasser, aber die Bewegung
war stets so unruhig nnd heftig, dafs sich keine scharfe
Beobachtung anstellen liefs. Indefs zeigte dieser Versudi
eine andere Erscheinung die, wiewohl sie eine unmittelbare
Folge aus den froher mitgetheilten Versuchen ist, doch nicht
ohne Interesse seyn möchte. Die Oeffnung durch welche
das Wasser in das Gefafs einströmte, lag etwa 2 Zoll un-
ter der Oberfläche des darin befindlichen Wassers, nnd 3,5
Zoll tiber dem Boden des Geräfses. Sobald das Einströ-
men begann, sank die Oberfläche in dem schmalen Theile
des Gefäfses und zwar nahm dieselbe verschiedene Vertie-
fungen an, je nachdem das Wasser mit gröfscrer oder ge-
ringerer Gewalt einströmte. Oft sank sie zunächst der Ein-
strömungs- Oeffnung bis unter diese hinab. Wenn diefs
geschah, so entstand ein heftiges Schäumen* und dabei blieb,
so lange noch Wasser mit hinreichender Gewalt einströmte,
die Oberfläche an dieser Stelle niedriger als die Einströ-
mungs- Oeffnung. Vermied man aber ein so bedeutendes
Sinken der Oberfläche, und blieb die Oeffnung f unter der-
selben, so zeigten sich mehrere Vertiefungen, wie sie in
21
Fig. 11. Taf. I. angedeutet sind. Vermehrte maD akdanu
durch vollständiges Oeffnen des Hahns C die zuströmende
Wassermasse, so wurde die Vertiefung bei d geringer, da-
gegen blieb die bei e> die etwa iu einer Entfernung von
5 Zoll von der Oeffnung f lag, fast unverändert. In allen die-
sen Fällen bewegte sich das Wasser unten und oben aus dem
weiteren Theile AB des Geföfses in den engereji AD zurück,
also der Richtung des durch f einströmenden entgegen.
Uiefs giebt einen neuen Beweis dafür, dafs ein nicht un-
bedeutender Theil des ruhenden Wassers von dem ein-
strömenden beständig mit fortbewegt wird. Dadurch ent-
stehen neben der einströmenden Masse wirbelnde Bewegun-
gen des Wassers, die hier bei g deutlich zu sehen waren.
Eine nähere Beobachtung des Vorgangs im Innern war aber
bei der Unruhe, welche durch die rückgängige Bewegung
des Wassers in der oberen Schicht eintrat, unmöglich. Um
daher diesen Vorgang im Inneren des einströmenden Was-
sers näher kennen zu lernen, habe ich eine andere, wenn
auch etwas mühsamere Methode gewählt.
31, Wasser das frei von Kochsalz und Chlorwasser-
sloffsäure war, strömte in ein grofses weites Gefäfs in dem
sich Wasser befand, das etwa 1 Proc. Kochsalz enthielt.
Um die Quantität dieses Salzes in der Auflösung genau
zu bestimmen, wurde ein abgemessenes Volumen derselben,
gewöhnlich 10 Cub. Cent., mittelst einer Pipette in eine
Flasche gebracht, und dann so lange mit einer normalen
Auflösung von salpetersaurem Silber versetzt, bis kein Nie-
derschlag mehr entstand. Aus dem Volumen der normalen
Auflösung von salpetersaurem Silber, das zur Fällung nö-
thig gewesen war, ergab sich die Quantität des Kochsalzes.
Es ist diefs die umgekehrte Methode von der, welche Ga j-
Lussac'für die Bestimmung des Silbers eingeführt hat.
Bei einigpr Uebung kann man den Gehalt an Chlornatrium
bis auf 0,01 Proc. sicher bestimmen. Liefs man nun Was-
ser das, wie schon erwähnt, frei von Kochsalz und Chlor-
wasserstoffsäure sejn mufste, in diese Salzlösung einströ-
men, und fing man in dem so entstehenden Strahle an ir-
22
gend einer Stelle eine Quantität der Flüssigkeit mit der
Vorsicht auf, dafs sich dadurch die Bewegung in dem Strahle
nicht änderte, so ging aus der Menge des Kochsalzes in
dieser Flüssigkeit hervor, in welchem Verhältnifs sich das
einströmende Wasser mit der im Gefäfs Yorhandenen Salz-
lösung an dieser Stelle gemischt hatte.
32. Um die Flüssigkeit an irgend einer Stelle des Strahls
aufzufangen, Dediente ich mich einer Glasröhre abc Fig. 12.
Taf. I., die in eine feine Spitze bei a ausgezogen war. Der
zugespitzte Theil war horizontal und wurde in die Rich-
tung des horizontal einströmenden Wassers gebracht, hin-
ter dieser Zuspitzung bog sich die Röhre nach oben und
ragte über die Oberfläche des Wassers hervor. Hier war
mittelst Kautschuk eine andere Röhre cd angesetzt die ab-
wärts geneigt werden konnte. Die Röhre abc war an d-
nem starken Brette gh gut befestigt, das auf einem ande-
ren, quer über das Gefäfs AB CD fest angebrachten Brette,
sicher vor und rückwärts sowie auch seitwärts bewegt wer-
den konnte. Die Spitze der Glasröhre hatte eine Oeffnung
von l'^ innerem und 1,5™" äufserem Durchmesser, und
verjüngte sich allmälig, so dafs der Widerstand, weldien
sie für die Bewegung des Wassers darbot, zu gering war
um diese wesentlich zu ändern. Wurde diese Spitze in
nicht zu grofser Entfernung von der Oeffnung f angebracht,
durch welche das Wasser einströmte, so war die Bewegung
hinreichend, um das Wasser in dieselbe hinein und in def
Röhre abc so hoch hinauf zu treiben, dafs es durch cd
abfliefsen, und in einem untergehaltenen Glase aufgefangen
werden konnte. Die ersten Portionen die hierbei ausflös-
sen enthielten noch die Salzlösung, welche in der Röhre
vor dem Beginn des Versuches enthalten war, und erst
die späteren hatten die Zusammensetzung, welche der Flüs-
sigkeit an dem Punkte a in dem Strahle entspricht. Es
wurde deshalb die ausfliefsende Flüssigkeit in 3 Portio-
nen aufgefangen, deren beide letzte dieselbe Zusammen-
setzung zeigen mufsten, wenn das Resultat als richtig be-
trachtet werden sollte. Später hatte übrigens die Erfahrung
23
sehoD gelehrt, wie viel aosfliefseD mufste, um eidier zu
seja, dafs die früher im Bohre befiDdlicbe Flüssigkeit gauz
ealfernt sej.
Durch das in die Salzlösung ciDstrÖmende "Wasser 8a-
dert sich zvrar die CoDceotratioa derselben, allein diese
Aenderung war während der kurzen Daner eines Versaches
immer nur sehr unbedeutend. Vor jedem neuen Versuch
wurde die QnaDlitat des Salzes in der in dem Get&lse AB
befindlichen Lösung von neuem bestimmt.
33. Vorzüglich war es interessant zn erfahren ob die
Salzlösung bis in die Mitte des eiDstrOmenden Wasserstrah-
les gelauge. Es wurden deshalb zunäcfasl Versuche ange-
stellt, bei welchen sich die Spitze stets in der Mitte die-
ses Strahles, aber in verschiedenen Entfernungen von der
OcfTuung ff durch welche das Wasser einströmte, befand.
Um die Mitte des in der Salzlösung entstehenden Strahls
sicher ermitteln zu können, wurde die Salzlösung aus dem
Getä&e AB abgelassen, and die Spitze iu die Mitte des
in das leere Gefäfs etuströmenden Wassers gebracht. Dana
wurde die Salzlösung wieder eingefQlit and die Bestinunong
iu der erwähnten Art vorgeuommen.
Die Resultate, welche so erhalten worden, sind in der
folgenden Tabelle zusaminengeBtelll, in den vier ersten Co-
Inmnen' siud die uumillelbar beobachteten Zahlen enthal-
ten, die fünfte ergiebt sich aus der dritten und vierten.
Die SpilEC In der Mitte dea Strahls.
Wurde die Sfülze so weit genabelt, dab sie ücb dicht -
Tor der 3" wdleo Oefboiig befuid, dardi wdcbe das
'Wmsw in AB einstrOmte, so drang nor reines Wasser
ehat eine Spar der Salzlösung in dieselbe ein.
34. Die Versdiiedenheiten, ivelcbe skh fBr die Ver-
aodie «geben, bei denen die Spitxe in derselben Enlfei^
nang angebracht war, haben ihren Grand darin, da(s die
geringste Abweicbong von der Mitte des Strahls «ne grofse
VersdiiedMilieit in der Misdtoog der FlOssigkeit bedingL Um
za erfahren, wie bedeotend diese VersdiiedeDheit is^ wur-
den einige Versncfae angestellt, bei weiden die Spitxe aas
der Mitte des durch die Oednaog von 5^ einstrttanenden
Strahls gerflckt war, theils bis an den Sulseren Band des
in die Lnft aasstrOmendai Wassers, wobei die Mitte der
Spitze um l,75~~ tos der Mitte des Strahls entfernt war,
tbeils anch noch mehr seitlich, bo dals die Mitte der Spitze
um 2.5 bis 3,0™ von der Mitte des Strahls abstand, wo-
bei sich das Wasser, wenn es in die SalzlOeong einstrOmlc^
noch mit hinreichender Kraft in die Spitze hinein bewegte,
am dnrch die Röhre cd wieder abzaflielsen.
Die Resultate dieser Versuche sind in der folgenden
Tabelle zusammengeslellL
25
No.d.
Ver-
suchs.
Entfer-
nung d.
Spitze
von der
Oeff.
nung').
Die Spitze be-
fand sich
Salzgehalt
in AB vor
dem Ver-
suche.
Salzgelialt d.
durch die
Spitze er-
haltenen
Flüssigkeit.
Die durdi die Spitze
erhaltene Flüssigkeit
bestand ans:
Salzlo- Wasser.
sung.
13.
IQoua
in der Mitte
0,89 Proc.
0,03 Proc.
3,4 Proc.
96,6 Proc
»
»
1,75«« seitl.
1,08 »
0,23 »
21,3 »
78,7 >»
»
M
3,00«" seitl.
0,94 »
0,42 ^
44.7 »
55,3 »
6.
20«
in der Mitte
0,98 »
0,16 »
16,4 »
83,6 »
»
»
1,75«« seitl.
1,06 »
0,40 »
37,7 »
62,3 »
»
)»
2,50«« seitl.
0,99 »
0,45 )•
45,5 »
54,5 »
11.
30««
in der Mitte
0,99 »
0,22 »
22,0 »
78,0 »
»
»
1,75«« seitl.
0,97 »
0,46 »
47,4 ).
52,6 »
»
»
2,50«« seitl.
0,96 »
0,56 »
58,3 »
41,7 p
Es geht hieraus hervor, dafs die Quantität der Salz-
lösung bedeutend zunimmt, wenn man die Spitze von der
Mitte entfernt, und dafs ein wirkliches Eindringen der schon
vorhandenen in die einströmende Flüssigkeit stattfindet.
35. Ich wende mich nun zu der Erklärung dieser Er-
sdieinnngen. Nach dem gegenwärtigen Zustande der Wis-
senschaft ist eine streng mathematische Herleitung derselben
leider nicht möglich, die folgende Betrachtung kann aber,
wie ich glaube, dazu dienen dieselben vollständig zu er-
klären.
Denkt man sich eine Flüssigkeit, welche in die gleich-
artige Substanz, die in einem Gefäfse enthalten ist, das als
unbegränzt betrachtet werden kann, durch eine Oeffnung
einströmt, welche hinreichend tief unter der Oberfläche
liegt, so breitet sich der auf diese Weise in der Flüssig-
keit entstehende Strahl continuirlich aus, d. h. seine auf
der Axe senkrechten Querschnitte werden continuirlich grö-
fser. Zugleich nimmt die Geschwindigkeit in demselben
mit der Entfernung von der Einströmungsöffnung ab, was
man beides leicht beobachten kann.
Ginge hierbei durch jeden gegen die Axe des Strahls
senkrechten Querschnitt dieselbe Menge von Flüssigkeit in
derselben Zeit hindurch, so würde die nachkommende Masse
1 ) Der Durchmesser der Ocflnung, durch welche das Wasser in die Salz-
lösung einströmte, betrog 5°>*".
26
hinreichend seyu, um den Raum auszufüllen, welchen die
vorhergehende inne halte.
Wir wollen nun untersuchen, unter welchen Bedingun-
gen diefs möglich Ist. Betrachtet man zu dem Ende eine
bestimmte Masse der einströmenden Flüssigkeit, z. B. die,
welche in einer Zeiteinheit durch die Einströmungs-Oeff-
nung hindurchgeht, so wird, wenn dieselbe sich ausbreitet,
ihre Dicke oder Ausdehnung in der Richtung der Axe des
Strahls in demselben Verhältnisse geringer, als ihr Quer-
schnitt oder ihre Ausdehnung in den beiden gegen die Axe
senkrechten Richtung gröfser wird. Wenn dabei ihre Ge-
schwindigkeit zugleich auch in diesem Verhältnisse abnähme,
so dab beide, sowohl die Geschwindigkeit als auch die
Dicke, sich umgekehrt wie die Querschnitte verhielten,
dann würde diese Masse durch jede Ebene, welche senk-
recht gegen die Axe des Strahls ist, in derselben Zeit hin-
durchgehen. Allein wenn diese Bedingungen erfüllt würden,
so würde die Kraft, mit welcher diese Masse sich bewegt,
in demselben Verhältnisse geringer werden wie ihre Ge-
schwindigkeit.
Es läfst sich aber einsehen, dafs diefs nicht der Fall
sejn kann. Denn wenn man von dem Verluste an bewe-
gender Kraft absieht, welcher durch die Reibung der Flüs-
sigkeitstheilchen entsteht, und wenn, wie oben schon vor-
ausgesetzt worden, die Bewegung in einem Gefäfse stattfindet,
welches so grofs ist, dafs seine Wände keinen Widerstand
für die Bewegung darbieten, so ist, wenn die Oberfläche
während der Bewegung horizontal bleibt und man zunächst
davon ausgeht, dafs die Druckverhältnisse für alle Theile
der Flüssigkeit während ihrer Bewegung dieselben wie im
Zustande der Ruhe sind, keine Kraft, vorhanden, welche
der Bewegung entgegenwirkte. Es wird deshalb kein Theil
von dieser bewegenden Kraft vernichtet werden.
Zwar breitet der Strahl sich dadurch aus, dafs die an-
kommende Masse einen Widerstand in der ihr vorherge-
henden findet, allein da dieser Widerstand von vollkom-
men beweglichen Theilen geleistet wird d. h. nur auf Trag-
27
heit beruht, so bleibt doch die bewegende Kraft , welche
in der Richtung der Axe stattfindet, unverändert, und des-
halb ist, sobald die Bewegung permanent geworden, dieselbe
bewegende Kraft während der Zeiteinheit in jeder gegen
die Axe des Strahls senkrechten Ebene wirksam.
Bestände das Breiterwerden des Strahls nur darin, dafs
dieselbe Masse bei ihrem Fortschreiten ihre Form ändert,
und einen gröfseren Querschnitt annimmt, so könnte sich
ihre Geschwindigkeit nicht ändern ; dann aber würde diese
Masse in einer um so kürzeren Zeit durch die verschiede-
nen Querschnitte des Strahls hindurchgehen, jemehr sie sich
ausgebreitet hat. Dadurch würden die einzelnen Schichten
des Strahls sich entweder von einander trennen, oder es
müfste eine Verdünnung eintreten. In solchen Fällen, in
denen dafür gesorgt ist, dafs keine andere Masse zutritt,
wo also nur diesselbe Masse sich ausbreitet, kann man
bei tropfbar flüssigen Körpern, wo eine Verdünnung
nicht möglich ist, wenigstens eine Druckabnahme, und
bei luftförmigen eine wirkliche Verdünnung experimentell
nachweisen, wie diefs in §. 14. geschehen ist. Auch ist
diese Abnahme des Drucks schon theoretisch nachgewiesen
(D. BernouUi, Hydrodynamica Sectio XII. §• 9. p. 262.
Poisson, TraiU de m^canique 2^'^ Edit IL pag. 730.).
In dem Falle aber, wo wie hier der Strahl in der gleich-
artigen Substanz sich bewegt, verursacht die Druckabnahme
in ihrem Entstehen sogleich ein seitliches Zuströmen, wo-
durch sich die Masse in dem Strahle vermehrt.
Mit dieser Vermehrung der Masse nimmt die Geschwin-
digkeit ab. Da aber die bewegende Kraft sich nicht än-
dert, so wird durch einen entfernteren Querschnitt stets
mehr Flüssigkeit in derselben Zeit hindurchgehen, als durch
einen der der Einströmungs-Oeffnung näher ist.
Da der Druck, den die Flüssigkeit in ihrer Bewegung
ausübt, geringer ist als der der ruhenden, so könnte man
glauben, dafs die Voraussetzung, von welcher die obige
Betrachtung ausgegangen ist, dafs nämlich kein Theil der
bewegenden Kraft in dem Strahle vernichtet werde, nicht
28
richtig sej, weil eiu Theil dieser Kraft nöthig zu sejü
scheint, um die Flüssigkeit, welche im Anfange unter ei-
nem geringereu Drucke sich befindet, allmälig unter den
gröfseren Druck zu versetzen, oder um, wenn statt der
tropfbaren eine luftförmige Masse vorhanden ist, diese zu
verdichten.
Allein diefs ist deshalb nicht der Fall, weil die Ver-
minderung dieses Drucks gerade dadurch entstanden ist,
dafs die vorangehende Flüssigkeit schneller durch einen
Querschnitt des Strahls hindurchgeht als die nachfolgende.
Wenn daher durch die Druckverschiedeuheit die. Geschwin-
digkeit der ursprünglich sich bewegenden Masse vermindert
wird, so wird auch gerade durch sie die seillich vorhan-
dene, vorher ruhende Masse mit in Bewegung gesetzt, und
dadurch der Verlust an bewegender Kraft wieder ausge-
glichen.
Es ergiebt sich hieraus:
1) dafs in einem Strahle, welcher entsteht, webn eine
Flüssigkeit in eine gleichartige Masse einströmt, durch je-
den Querschnitt, welcher weiter von der Einströmungs-
Oeffnung entfernt liegt, in derselben Zeit mehr Flüssigkeit
hindurchgeht, als durch einen näher liegenden, und
2) dafs in Folge hiervon der Druck der Flüssigkeit wäh-
rend der Bewegung in dem Strahle geringer ist als im Zu-
stande der Ruhe.
36. Mit Hülfe dieser beiden Sätze erklären sich die
oben beschriebenen Erscheinungen sehr einfach. Bei dem
in §. 4. erwähnten Versuche von Venturi, bewegt sich
durch den Querschnitt SM des Kanals SMVR Fig. 1. Taf.I.
mehr Wasser, als in derselben Zeit durch die Röhre CA
zufliefst, es mufs folglich von dem in dem Gefäfse enthal-
tenen Wasser mit fortgeführt werden.
Ebenso bewegt sich in dem in §. 5. beschriebenen Ver-
suche durch die weite Röhre ABC Fig. 2. Taf. I. in der-
selben Zeit mehr Flüssigkeit, als durch die enge Röhre
bei a zufliefst, und da hier kein Zuströmen von der Seite
stattfinden kann, so dringt, in Folge der Verminderung des
29
Drucks y darch die Oeffoung BC die Flfissigkeit aus der
Ablheilang HF des Geföfses EDGF. Dadurch sinkt die
Flüssigkeit in dieser Abtheilung. ^
37. Sinkt aber die Oberfläche der Flüssigkeit in der
Abtheiinng HF irährend dieselbe in der Abiheilung HE
unverändert bleibt, so wirkt der Druck, welcher durch den
Unterschied der Niveaus entsteht, der Bewegung entge*
gen, und es nimmt dadurch die bewegende Kraft ab, so
dafs dieselbe in dem Querschnitte der Röhre AB bei A
geringer ist als die, welche während derselben Zeit itt der
engen Röhre bei a wirksam ist. Mit dieser Abnahme wird
aber auch die Quantität der Flüssigkeit geringer, welche
in der Zeiteinheit durch den Querschnitt hindurchgeht. Es
wird daher die Oberfläche in der Abtheilung HF so lange
sinken bis die Masse der Flüssigkeit, welche in der Zeit-
einheit durch einen Querschnitt der weiten Röhre bei A
hindurchgeht, ebenso grofs ist als die, welche in derselben
Zeit durch a sich bewegt. — Der Unterschied der Niveaus
giebt die oben §. 35. erwähnte Verminderung des Drucks
der einströmenden Flüssigkeit zu erkennen.
38. Wenn die Verhältnisse bei diesem Versuche so
sindy dafs nachdem die Flüssigkeit in der Abtheilung HF
bis an den untern Rand der Röhre bei C gesunken ist,
-der Unterschied in dem Stande der Flüssigkeit in beiden
Abtheilungen noch nicht hinreicht, um die bewegende Kraft,
welche in der Richtung des Strahls wirksam ist, so weit
zu vermindern, dafs in Folge dieser Verminderung durch
die weite Röhre in derselben Zeit ebenso viel hindurch-
geht als durch die OeffuuDg bei a eintritt; so erfährt das
Wasser während der Bewegung in dieser Röhre von A
her einen geringeren Druck als von £, wiewohl der sta«
tische Druck d. i. der, welcher wirksam wäre, wenn die
Flüssigkeit sich nicht bewogte, von B her nur der Druck
der Atmosphäre, von A aber der der Atmosphäre und noch
der durch den Unterschied der Niveaus hervorgebrachte
ist.' In Folge dieses stärkeren Drucks bei B tritt die Luft
30
durch diese Röhre in das Wasser hiDein, wie diefs in dem
in §. 6. beschriebenen Yersnche sich gezeigt hat.
39. Aus demselben Grunde tritt auch bei dem in §. 7*
erwähnten Versuche, wo durch einen dönnen Strahl das
Ausflieüsen aus einer weiten Röhre gehemmt wird, die Luft
durch diese Röhre in das Wasser hinein, und «zwar so
lange bis die Flüssigkeit in dem Gefäfse A Fig. 3. Taf. I.
eine solche Höhe erreicht hat, dafs innerhalb der Röhre
der Druck von beiden Seiten derselbe geworden ist. Wird
von der innern Seite des Gefäfses der Druck noch gröfser,
so beginnt das Wasser abzufliefsen.
40. Nimmt während das Wasser durch die Röhre de
Fig. 8. Taf. I. fliefsty auch der Druck ab, welchen die Luft
ausübt, die sich in dieser Röhre befindet, wie in dem Ver-
suche §. 13.; so wird nur so lange die Luft in das Was-
ser eindringen und mit diesem fortbewegt werden, bis in
der Röhre die Gleichheit des Drucks von beiden Seiten
sich hergestellt hat.
41. Die Zunahme der Wirkung des gegen eine Platte
strömenden Wassers, welche sich in den in §. 27 bis §. 29.
beschriebenen Versuchen herausgestellt hat, findet, wie ich
glaube, auch ihre Erklärung darin, dafs der Druck der sich
bewegenden Flüssigkeit geringer ist als der der ruhenden.
Es bewegt sich nämlich die Flüssigkeit, welche eine ebene
Platte trifft, wenn diese grofs genug ist, längs derselben
hin, und auch bei dieser Bewegung, parallel der Platte^
wird der Druck, welchen die Flüssigkeit während ihrer
Bewegung ausübt geringer sejn, als er im Znstande der
Ruhe wäre. Es wird deshalb der Druck, welcher gegen die
Platte von der Seite, wo die Flüssigkeit sich bewegt, ausgeübt
wird, geringer seyn als von der hinteren Seite, wo die ru-
hende Flüssigkeit gegen die Platte drückt, und zwar wird
der Unterschied des Drucks um so gröfser sejn, je gröfser
die Geschwindigkeit ist, mit welcher die Flüssigkeit längs
der Platte hinströmt und je gröfser das Stück der Platte
ist mit dem sie sich parallel bewegt. Die Geschwindigkeit
aber ist offenbar gröfser wenn die Platte der Einströ-
31
mungs-Oeffnung näher ist, als wenn sie weiter von ihr
absteht und ebenso ist bei dieser näher befindlichen Platte,
bei weldier der Strahl sich noch weniger ausgebreitet hat,
das StQck gröfser, neben welchem sich die Flüssigkeit pa-
rallel bewegt. Je näher daher die Platte der Einströmnugs-
OefTnnng ist, um so gröfser ist die Differenz des Dmcks
den sie von beiden Seiten erfährt, und deshalb ist die Kraft,
welche erfordert wird, um die Platte im Gleichgewicht zu
erhalten, geringer, wenn sie der Einströmungs-Oeffnung
näher ist, als wenn sie weiter von ihr absteht, bis bei
zunehmender Entfernung jene Differenz des Drucks ver-
schwindet.
42. Auf eine ähnliche Weise ist leicht zu erklären
weshalb, wenn zwei Platten unter Wasser in geringer Ent-
fernung parallel einander gegenfiberstehen, und ein Was-
serstrahl durch die Mitte der einen mit einiger Gewalt
eintritt, sie sich, wie Hachette gezeigt hat, zu einander
bewegen, und ebenso auch weshalb solche in der Luft
befindliche Platten sich zu einander bewegen, wenn durch
die Mitte der einen die Luft mit einiger Geschwindigkeit
gegen die andere strömt.
43. Aus dem seitlichen Zuströmen, welches stattfindet,
wenn eine Flüssigkeit in die gleichartige Substanz einströmt,
(§.31 bis §.34.) ergiebt sich als eine nothwendige Folge, dafs
wenn diefs Einströmen mit hinreichender Geschwindigkeit
geschieht, eigen thümliche wirbelnde Bewegungen entstehen
müssen, wie diefs auch der in §. 30 beschriebene und auf
Fig. 11. Taf. L abgebildete Versuch deutlich zeigte. Wenn
die Oeffnung nicht zu klein, und namentlich in verticaler
Richtung ziemlich ausgedehnt ist, so können bei hinrei-
chender^ Geschwindigkeit des Wassers trichterförmige Ver-
tiefungen entstehen, weil das Wasser im Innern einer sol-
chen wirbelnden Bewegung dem am Rande derselben sich
bewegenden fortwährend zuströmt, wodurch der Druck in
der Mitte vermindert wird.
44. Ein ganz ähnlicher Vorgang findet auch bei luft-
förmigen Körpern statt. Es wird genügen an die eigen-
32
thilmlichen Bewegungen des aufsteigenden Raudies.za er«
Innern. Aber auch die spiralförmige Fortpflanzung , die
man bei heftigen Winden und Stürmen beobachtet hat,
beruhen, wenn ich nicht irre, auf einem solchen Zuströmen
der Luft nach der in Bewegung befindlichen. Selbst das
merkwürdige Phänomen der sogenannten Wasserhosen läfst
sich leicht hierdurch erklären, denn wenn ein Wind mit
hinreichender Geschwindigkeit sich wirbeiförmig in einiger
Höhe über dem Wasser bewegt, so wird die Luft im In-
nern dieser Wirbel zu der am Rande sich bewegenden
hinströmen, es wird dadurch der Luftdruck im Innern die-
ser Wirbel vermindert und in Folge dessen hebt sich das
Wasser und nimmt an jener wirbelnden Bewegung mit An-
theil. Aehnliche Erscheinungen, die auf dem seitlichen Zu-
strömen einer Flüssigkeit beruhen, liefsen sich noch manche
anführen, doch mögen diese genfigen.
Zusatz über das Wassertrommel-GeblSse.
Zum Schlufs kann ich nicht unterlassen noch eine Vor-
richtung anzuführen, die auf den vorher §. 15 bis §. 22 er-
wähnten Erscheinungen des Eindringens von Luft in eine
Flüssigkeit beruht. Es ist diefs das sogenannte Wasser-
trommel-Gebläse, das nach Grignon^) etwa ums Jahr
1640 in Italien erfunden seyn soll. • Ein solches ist in
Fig. 13. Taf. I. nach der Beschreibung abgebildet, welche
Richard in seinen „Etudes sur Part d'extraire immidia'
tement le fer de ses minirais p. 169^^ giebt.
B ist ein Behälter der durch den Kanal Z stets voll
Wasser gehalten wird.
A und A sind zwei Röhren oder ausgehöhlte Bäume
etwa 13 Fufs hoch, von denen hier die eine im Durch-
schnitt dargestellt ist.
C. C ist ein luftdicht schliefsender Kasten von Holz
oder auch ein Fafs.
Die
1) Memoires de Physique p. 196.
33
I
Die Röhr^i ÄÄ werden nach oben etwas weiter. An
dieser Stelle sind 2 gegen einander geneigte Bretter pp in
eine jede eingesetzt, welche eine trichterförmige Veren«
gong bilden und durch die Hölzer tt von einander entfernt
gehalten werden.
Unter dem unteren Rande dieser Bretter sind in den
Röhren mehrere Oeffnungen ee angebracht, durch welche
Luft eindringen kann. Aehnliche Oeffnungen befinden sich,
nach Richard's Angabe, auch etwa in der halben Höbe
dieser Röhren bei e'e\ doch fliefst durch diese, wie er an-
führt, zuweilen Wasser aus, weshalb es wohl zweckmäfsiger
seyn würde sie fortzulassen.
Werden die konischen Verschlusse k der trichterförmi-
gen Oeffnungen pp in die Höhe gezogen, so fällt das Was-
ser durch die Röhren hinab, und es wird zugleich Luft
durch die Oeffnungen ee eingesaugt'). Indem diese von
dem Wasser in den Kasten CC hinabgeführt wird, ver-
mehrt sich die Luft in demselben, und strömt durch das
Rohr H und die Oeffnung bei b aus.
In dem unteren Theile des Kastens CC ist bei q eine
Oeffnung angebracht, durch welche das herabfallende Was-
ser abflieCsen kann. Die Gröfse derselben ist so abgegli-
chen, dafs die Oberfläche des Wassers in dem Kasten CC
niemals bis zu dieser Oeffnung sinkt. Um dieCs zu errei-
chen ist gewöhnlich vor derselben noch ein Kasten ange«
bracht, in dem das Wasser erst in die Höhe steigen mufs,
um über seinen oberen Rand fortzufliefsen.
Soviel auch über diese Art der Gebläse^), die in ei-
1) Statt die Luft durch die Oeflnangcn ee einsaugen su lassen hat man
anch die Einrichtung, dafs sUtt der Bretter pp in jede Rohre zwei
li5lKerD6 Trichter eingesetzt werden, die so hoch sind, dafs sie über die
Oberflache des Wassers hervorragen. Das Wasser flieCit dann durch
den Zwischenranm zwischen diesen Trichtern in die Röhre A hinab,
dadurch sinkt das Wasser in den Trichtern selbst und es tritt durch
dieselben Luft in die Röhre hinein.
2) Dieselben werden hauptsächlich bei der unmittelbaren Gewinnung des
Schmiedeeisens aus den Erzen {Forces catalanes) benutzt, und nach
PoggendoHTs Annal. Bd. LXXX 3
34
nigen Departements des sfldlichen Frankreichs sehr viel in
Anwendung sind, geschrieben worden, und so ausführUdi
und genau die Beschreibung ist, welche Richard in dem
oben erwähnten, i. J. 1838 zu Paris erschienenen, "Werke
davon giebt, so ist doch der eigentliche physikalische Grund,
auf welchem das Hinabdringen der Luft beruht, noch ganz
unbekannt.
Richard ist auf denselben gar nicht eingegangen* Von
filteren Schriftstellern behauptete im vorigen Jahrhunderte
Justi ^), dafs das Wasser sich bei heftiger Bewegung in
Luft verwandle, und Venturi^) erklärte im Jahre 1800
die Wirkung dieser Gebläse durch die seitliche Mittheilung
der Bewegung des -Wassers. Eine solche würde voraus-
setzen , dafs eine so starke anziehende Kraft zwischen Luft
und Wasser vorhanden -sej, dafs die Luftblasen bis tief
unter die Oberfläche hinabgeführt werden, was, wie idi
schon früher in §. 16. erwähnt habe, nicht gut denkbar ist
Aufserdem habe ich dort einen Versuch angeführt, der, wie
ich glaube, diese Ansicht vollständig widerlegt.
Um indefs den Vorgang bei dem Wassertrommel -Ge-
bläse näher kennen zu lernen, habe ich dasselbe im Klei-
nen aus Glas nachgebildet, in der Art wie es in Fig. 14.
Taf. I. dargestellt ist.
JV bezeichnet den Wasserbehälter, an welchem die 6 Zoll
lange Röhre ab mittelst eines Korks befestigt ist Das un-
tere Ende derselben ragt in das obere Ende der Röhre cd.
Diese ist 6,5 Fufs lang und hat einen Innern Durchmesser
von 1 Zoll. Bei d geht sie durch den Kork , welcher die
Flasche AB verschliefst und endet bei g, etwa zwei Zoll
über dem Boden der Flasche. Durch den Kork d geben
noch zwei Röhren, nämlich de, die mittelst des Hahnes e
verschlossen werden kann, und hik, die als Manometer
dient und von i bis k mit Quecksilber gefüllt ist.
Richa.rd's Angabe bedienten sich im Departement de l'Ari^ge im Jähre
1838 alle Schmieden, bis auf eine oder swei, nur dieses GreblSses.
1 ) Schauplatz der Künste und Handwerke Bd. IL S. 97. Anmerk.
2) Gilberts Annalen UI, 129.
35
Wenn die R(riire ab an ihrem unteren Ende bei b eine
Oeffuung von 0,4 Zoll im Durehmesser hatte und das Was-
ser durch dieselbe hinab flofs, so wurde eine nicht unbe«
deutende Menge von Luft in die Flasche AB mit hinab
gerissen. Es verinehrte sich der Druck , und indem das
Manometer bei k stieg, hob sich zugleich das Wasser in
der Röhre cdg. Durch Oeffnen des Hahnes e wurde das
Ausströmen der Luft, und durch den Hahn D das Abflie-
fiseo des Wassers aus der Flasche so geregelt, dafs der
SCand'des Wassers in cdg auf einer constanten Höhe blieb.
Lag diese etwa 3 Fufs über der Oberfläche AB des Was-
sers in der Flasche , und hatte die Oeffnung b wie schon
erwähnt 0,4 Zoll im Durdunesser, so sah man eine Menge
kleiner Luftblasen, die sich in der ganzen Breite des Rohrs
gleichförmig mit d^n Wasser hinab bewegten. War der
Durchmesser bei b gröfser^ so fand die Bewegung schneller
9tatt, und man konnte die Blasen nidit mehr gehörig ver«
folgen. War die Oeffnung b hingegen enger, hatte sie
z. B« nur 0,3 Zoll im Durchmesser, so entstanden bei. f zwar
Blasen von Luft, allein dieselben gelangten nicht bis an
den unteren Theil der Röhre, sondern nachdem sie bis zu
einiger Tiefe hinabgekommen waren, stiegen sie in Folge
ihres geringeren spedfischen Gewichts wieder in die Höhe.
Nur einzelne ganz kleine Blasen wurden bis zur Tiefe von
etwa 24 Zoll hinabgeführt.
Offenbar bilden die Luftblasen sich da, wo der herab«
fallende Strahl die Oberflädie f des Wassers in der Röhre
trifft, und hier werden sie von dem Wasser ganz umschlos«
sau, und von diesem mit fortbewegt. Ist nun die Kraft
mit welcher diese Bewegung stattfindet so grofs, dafs die
Blasen schneller hinab bewegt werden, als sie in Folge
ihres specifischen Gewichts steigen würden, so werden sie
in die Flasche AB gelangen. Diefs wird aber nur eintre-
ten, wenn erstens die Fallhöhe des Wassers bis zur Ober-
fläche Y hinreichend ist, damit dasselbe tief genug unter
diese hinabdringt, und wenn zweitens die Oeffnung b eini-
nigermafsen beträchtlich ist im Yerhältnifs zu dem Durch-
3*
36
messer der Röhre cdg, denn nur akdatui wird die ganze
Wassermasse in dieser Röhre sich mit hinreichender Ge«
schwindigkeit abwSrts bewegen. Ist hingegen die Oeffnung
6 nur klein im Verhältnifs zu dem Durchschnitt vx)n cdg,
so ist die Bewegung des Wassers in dieser Röhre auch
nur gering, und die Luft wird sich in Folge hiervon schnei«
1er auf als abwärts bewegen.
Ist die Oeffnung b nicht viel kleiner als der Durdi-
schnitt der Röhre cdg, so verschliefst das herabfallende
Wasser diese Röhre, selbst wenn dieselbe, statt bis g her-
abzugehen, schon unmittelbar unter dem Korke d endet
Es nimmt auch dann das Wasser, wie in dem ebenerwähn-
ten Versuche, eine dem Drucke der Luft in der Flasche
entsprechende Höhe in der Röhre an, und überhaupt fin*
det die Erscheinung ganz auf dieselbe Weise statt, wie wenn
die Röhre cd bis unter die Oberfläche AB des Wassert
in der Flasche hinabgeht. Es ist deshalb auch bei dem
Wassertrommel -Gebläse nicht nöthig, daCs die Röhren AA
Fig. 13. Taf. I. bis unter die Oberfläche des Wassers in der
Trommel CC hinabgehen. v
Diese Versuche zeigen, dafe hier derselbe Vorgang stalt-
findet, den man so häufig Gelegenheit hat zu beobachten,
wenn man eine Flüssigkeit in ein Glas eingieCst, wobei
gleichfalls Luftblasen mit hinabgeführt werden. Ich glaube
diesen Vorgang früher §. 18 bis §.20. hinreichend auseinander
gesetzt zu haben, und führe die Versuche in Betreff des
Wassertrommel- Gebläses hier nur an, tun zu zeigen, da(s
die Art wie die Luft bei demselben fortgeführt wird, sldi
vollkommen jenen früher beschriebenen Vorgängen an->
schliefst.
37
II. Ueber die Härte der Mineralien und ein neues
Verfahren dieselbe zu messen i
i^on Rudolph Franz.
JLIa mir das Verfahren , das wir nach Hafij's Vorgänge
bis jetzt zur Bestimmang der Httrte der Mineralien ange-
wandt haben y von jeher als ein höchst ungenaues und be-
sonders zur Vergleichung der Härte desselben Krystalles
nach verschiedenen Richtungen völlig unbrauchbar erschie-
nen ist, so richtete ich schon längt alle Aufmerksamkeit
auf die Auffindung eines andern Verfahrens; und nicht um-
sonst. Ehe ich jedoch darauf eingehe, dasselbe darzulegen,
mufs ich zuvor noch mit einigen Worten mich darüber er-
klären, welchen Sinn' ich mit dem Ausdruck „Härte eines
Minerals *' verbinde. Mir scheint nämlich die Härte eines
Minerals diejenige Kraft desselben zu sejn; welche seine
Theilchen zusammenhaltend, dem Körper, der diese zusam-
menhangenden Theilchen trennen will, Widerstand leistet.
Sie ist also diejenige Kraft des Minerals, welche das Ein-
dringen eines Körpers in das Mineral verhindert, und zu-
gleidi der Fortbewegung einer in die Oberfläche einge-
drückten Spitze sich entgegenstellt. Das MaaCs dieser Wi-
derstandskraft ist nun aber offenbar der Druck, welcher
angewandt werden mufs, um den Körper zum Eindringen
in das Mineral zu bringen. Schon Frankenheim hat in
seiner Abhandlung über die Härte der Krjstalle ' ) diese
in demselben Krystall nach verschiedenen Richtungen ver-
schiedene Widerstandskraft zu vergleichen versucht. Ich
bin von dem Verfahren, das Frankenheim in Anwen-
dung gebracht hat, der, wie er sagt, die Kraft die erfor-
derlich war, um den Stein zu ritzen, allein mit der Hand
gemessen hat, abgewichen, und es ist nun der Zweck die-
ser Zeilen, mein Verfahren als ein geeignetes auseinander
zu setzen.
1) S&eitsdirift liir Physik uod Mathematik Bd. 9. Wien 1831.
38
Zuerst beschreibe ich das Instrumenti das ich mir, nach
meiner Angabe durch den Berliner Mecfaanikus Rfi he habe
verfertigen lassen. Taf. II.< Fig. 1. Es besteht aus drd
Haupttheilen:
1. Aus einer Tafel, auf welche die Mineralien gelegt
werden. Das Mineral wird nämlich auf einen hölzemeii
Würfel, der tbittelst. Schrauben auf der Tafel « festgehal-
ten wird mit Wachs aufgeklebt, oder mittelst Gyps in eine
eiserne Form, die nun an die Stelle des Würfels tritt, ein-
gelassen, so dafs die zu untersuchende Oberfläche horizontal
liegt, welche Lage hervorzubringen ich mich bei grolsen
Flächen einer Libelle bediente; die kleineren stellte idi
nach dem Augenmaafse ein.
2. Aus einem einen Fufs langen eisernen Balken ab,
der mittelst zweier Schrauben k in der Schwebe gehalten
wird. An dem Ende desselben, welches über der Tafel (1.)
schwebt, ist ein Täfelchen b zum Auflegen von Gewichten
befestigt; an dem andern Ende ist ein verrflckbares Ge-
wicht a angebracht, durch welches vor dem Versach das
Gleichgewicht des Balkens hergestellt wird. Zwei Schrau-
ben m und n sind an dem Unterstützangsgestell, auf wel-
diem der Balken hängt, so angebracht, daCs durch sie der
Balken hoch oder niedrig geschraubt und dann in dieser
Lage festgehalten werden kann, je nachdem es die Hohe
des zu untersuchenden Minerals verlangt. EUne excen-
irische Scheibe, durch g drehbar, dient dazu, bei Brachwe-
rung des Täfeichens mit Gewichten, den Balkep festzuhal-
ten. Wird die Scheibe gedreht, so berührt die unterhalb
des Täfeichens angebrachte Spitze h das Mineral.
' 3. Der dritte Bestandtheil des Instruments sind nämlich
zwei Spitzen, welche in den unter dem Gewichtstäfelchen b
befestigten Cylinder eingelassen werden, die eine ein istäb-
lewier Kegel von 54° Oeffnung, 13«'- schwer, die andere
ein in Blei gefafster Diamantkrjstall, der mit der Hülse ein
Gewicht hat von 2,5^\
Das Verfahren ist nun folgendes:
Zuerst wird eine Glasscheibe auf die Oberfläche des
Minerals gelegt und der Balken so weit hinuntergelassen,
39
bis die Spitze das Glas berührt; dann wird das Glas wie-
der hinweggenommeDy die excentrische Scheibe gedreht, uud
nun drücken die aaf das Täfelchen gelegten Gewichte die
Spitze h in das Mineral ein. Die dazwischen gelegte Glas-
scheibe bewirkte, dafs die Spitze immer ganz senkrecht
die Oberfläche des Minerals berührt. Darauf mufs nun
das Mineral selbst langsam fortbewegt werden, was mittekt
einer weiteren Schraube fc geschieht, wekhe die Platte s,
auf der der hölzerne Unterlagswürfel ruht, fortbewegen
kann. Endlich wird das Gewicht festgestellt, welches auf
das Gewichtstäfelchen gelegt werden muCs, damit ein Strich
von der Spitze auf der Oberfläche des Minerals bemerk*
dar werde. Da nun bei mehreren Mineralien, der Unter-
schied der Gewichte, die uöthig waren um mit dem Dia-
mant zu ritzen, ein sehr geringer war, bediente ich mich
zur Bestimmung der Härte dieser weichereu Mineralien der
Stählspitze. Die Platte s, auf welcher der hölzerne Würfel
steht, kann gedreht werden und ist mit einer Kreistheilung
▼ersdien. Ifnn ist aber selbst die Stahlspitze unzureichend,
mit ihr einen sehr kleinen Unterschied im Widerstände
nach verschiedenen Richtungen derselben Fläche zu messen;
und so bin ich genöthigt gewesen noch ein zweites von
dem^ Mechanikus Etter in Bonn verfertigtes Instrument
anzuwenden, Taf. II. Fig. 2., das folgendermafsen zusam-
mengesetzt ist:
An den Seiten der unter 1. beschriebenen Platte sind
auf dem Gestell, welches das ganze Instrument trägt, zwei
stählerne Schienen aß angebracht, auf denen sich zwei
Rädchen e mit grofser Leichtigkeit bewegen können. Auf
den Axen dieser Rädchen senkrecht stehen zwei Metall-
stäbe, die oben durch einen Querbalken verbunden sind,
von dessen Mitte wieder ein horizontaler Arm ^& ausgebt,
der an seinem Endpunkte die Spitze hält. Dieser Arm
kann, je nachdem die GröEse des Minerals es fordert, geho-
ben und gesenkt werden. Ein an dem Cjlinder der Spitze
& befestigter Faden ist über ein Rad tj gezogen und trägt
eine Waagschale x. Die Spitze selbst kann beliebig be-
schwert werden. Diefs Instrument, wird nun so mit dem
40
vorigen Gestell ▼erbunden, dals das Rad ^ über wddiCB
der die Waagsdiale tragende Faden geht, anf dem Gcstdl,
das den onter 2. bescbridkenen' Balken trSgt, nadf dessen
EulfemuDg befestigt wird: dabei bleibt die in Grade ge-
fbeilte Unterlage s in Anwendung.
Das Gefricbt, weldies anf die Waagsdiale k gelegt wer-
den mnCs, damit die Spitze fortbewegt werde, ist das Maab
des Widerstandies der KOpertheilchen. Dieser Widerstand
ist ohne Zweifel um so grOfisery je tiefer die Spitze in das
Mineral eindringt. Vergleichen wir daher die Wirkung
dieses und des vorigen Instruments, so entspricht dem anf
der Waagschale x zur Fortbewegung der Spitze nothwen-
digen gröCseren Gewidit das kleinere auf die Gewichtsta-
fel b des vorigen aufzulegende.
An Stelle der Gewidite schottete ich Sand auf die Waag-
schale, den ich dann später abwog.
Nachdem ich so die Instrumente, deren ich mich bei
meinen Versuchen bediente, zu beschreiben versucht habe,
kann ich nun zu diesen selbst fibergehen. Zuerst suche
ich durch dieselben die Härte }e ein und desselben Mine-
rals nach verschiedenen Richtungen festzustellen, dann aber
zweitens will ich versuchen die Härte derjenigen Mineralien
aus denen Mohs seine Härtescala zusammen gesetzt hat,
zu vergleichen, mich jedoch beide Male auf die von ihm
genannten Steine beschränkend mit Hinzufügung nur weni-
ger Andern.
I. Von den Gesetzen^ welche die Härteanterscliiede is
denselben Mineralien befolgen.
1. Tallr.
Am Talk habe ich keine Härteunterschiede nach ver-
schiedenen Richtungen gefunden, obgleich er zum rhom-
bischen System gehört. Die Ursache davon suche ich da-
rin, dafs ich trotz aller angewandten Mühe kein Exempbr
auftreiben konnte, welches eine regelmäfsige Spaltungsfläche
dargeboten hätte. Zur Fortbewegung der völUg unbeschwer-
ten Spitze waren 49,10«'' erforderlich, wobei also der Cj-
41
linder (in dem die Spitze befestigt war) nebst der Tafel
mit einem Gewicht von 48^* und die Stahlspitze selbst
mit einelb Gewicht von 13^* drückten.
2. Gyps.
Auch am Gjps war bei Anwendung der ersten Ver-
fahrungsart kein Unterschied nach den verschiedenen Rich-
tungen zu bemerken; deshalb ging ich zur zweiten über.
Ich klebte also den Gjps an den Würfel mit Waclfs an,
so dafs die Stahlspitze in der Ebene der vollkommensten
Spaltbarkeit der kürzereu Diagonale folgte, und so bei 0^
(s. die folgende Tabelle) den stumpfen Winkel des Rhom-
bus theilte. Die bei den verschiedenen Richtungen zur
Fortbewegung der Spitze pöthigen Gewichte sind folgende:
bei O^» sind nöthig 21,71«^- ' )
- 5» -
-
20,90 -
- 10» -
-
18,46 -
- 15« -
-
18,00-
- 20» -
-
17,75 -
- 25» -
-
20,57 -
- 30» -
-
22,84 -
- 35» -
-
23,55 -
- 40» -
-
24,27 -
- 45» -
-
24,80-
- 50» -
-
24,30 -
- 55» -
-
25,65 -
- 60» -
-
26,42 -
Icr Gewichte sind die arithmetischen M
ie Gewichte der einzelnen acht Ezperimei
O'» 5°
10*»
15»
17,5 18,3
22,0
20,0
16,5 18,2
21,7
23,7
16,6 17,1
18,3
20,3
18,7 18,4
20,4
19,8
19,6 21,0
24,6
25,7
17,7 17,7
20,0
23,0
20,8 20,5
21,7
22,5
16,7 16,5
18,5
19,8.
48
bd es«» sind nöthig 26,85^
- 70« - - 28,22-
- 75« - - 28,92.
- 80° - - 30,12-
- 85« - - 30,00-
- 90» - 30,80-
- 95« - 34,05-
- 100« - - 35,00 -
- 105« - 37,10 -
- 110» - 40,35-
-115« - - 36,85-
o. 8. w. abnehmend.
Daraus ergiebl sidi, dafs die grOfste Härte des Gjps
in der Linie ist, welche Ton der kfineren Diagonale ud-
gefilhr um 20« abweicht und sich der zweiten Spaltnngs-
rtchluug nShert. Die Richtung in welcher sich die geringsfe
Hirle zeigt stdht senkrecht aof der der gröbten, ungefähr
140 gegen die dritte Spaltangsrichtong geneigt.
Der untersuchte Gjrps war Tom Mont Martre bei Paris.
Bei einem andern Gjps aus der Gegend von Gotha war
d«>$ VerhSitnifs der Gewichte in den ▼erschiedenen Rich-
tungen dasselbe, obgleich wegen der geringeren Härte die-
ses Minerals gröfsere Gewichte angewandt werden mufsten.
Bei dem gothaischen Gjps läfst sich in der Ebene der
vollkommensten Spaltbarkeit (bei Anwendung des ersten
Verfahrens) schon unter dem Druck eines Gewichts von
|),7'^% an dem vom Mont Martre aber in derselben Ebene
erst bei einem Gewicht von 1,5«'' ein Ritz entdecken. In
der zweiten Spaltungsebene des weicheren Gypses, die ich
halte anschleifen lassen, nahm ich die erste Wirkung der
Stahlspitze bei einem Gewichte von Ijö«'* mit dem Auge
wahr. Der härtere Gyps liefs sich nicht so schleifen, dafs
er eine andere als die Fläche der besten Spaltbarkeit dar-
geboten hätte, weil er unter dem Schleifen immer in kleine
Stücke zerbröckelte.
Da die Stahlspitze durch härtere Mineralien leicht an-
gegriffen wurde, so schärfte ich sie täglich, ehe idi Ver-
43
suche anstellte, an einem Schleifstein, bis sie den gothai-
schen Gjps bei einem Grewichte von 0,7^* ritzte, und so
glaube ich annehmen zu dürfen bei allen Versuchen stets
eine gleiche Schftrfe der Spitze gehabt zu haben.
3. Kalkspatb.
Ich stellte die Versuche' mit Kalkspath auf den Bhom-
boederflächen an, die ich leicht durch Spaltung erneuen
konnte, sobald sie durch Versuche rauh geworden waren.
In diesen Flächen war der Unterschied des Widerstandes
so groCs, dafe sich das zweite Instrument zur Beobachtung
untauglich zeigte. Denn ehe ich die Spitze in der Rich-
tung des grOfsten Widerstandes fortbewegen konnte, schlug
der ganze Apparat um, so dafs ich zu dem ersteren Ver-
fahren zurückkehrte. Mittelst dieses fand ich nun die gröfste
Härte in der kürzeren Diagonale, wenn ich die Stahlspitze
von der stumpfen Ecke des Rhomboeders nach der spitzen
bewegte (0^ ) die geringste in derselben Linie aber in ent-
gegengesetzter Richtung. In der gröfseren Diagonale geben
beide Bewegungen dasselbe Resultat.
Die zum Ritzen nöthigen Gewichte sind folgende:
Bei 0° sind erforderlich: 12,87»'- *)
- 15 - - 12,25..
. 30 - - 11,12-
- 45 - - 9,87-
- 60 - - 9,17-
- 75 - - 8,87-
- 90 - - • 7,50-
-105 . - 6,75-
-120 - - 6,80-
-135 - - 6,10-
-150 - - 5,20-
. 165 - - 3,90 -
180 - - 3,50 -
1) Das Maximum und Bliniroum der gefandeben Gewichte war:
bei 0<> Max. 14,5 Min. 9
- 15 - 14 - 9
- 30 - 13 - 8,5
- 45 - 11,5 - 7,5 u. s. w.
44
Der Kalkfipatb, dessen ich mich zu diesen Versachen
bediente, war aus Island. An anderen KaÜLsputhen Cand idi
die geringste und gröfste Härte in denselben Richtungen,
Mreil sie aber härter waren, waren auch gröfsere Gewichte
sie zu ritzen erforderlich. Z. B. beim Kalkspath aus der
Gegend von Brilon in Westphalen ist das Verhältnifs der
Gewichte folgendes:
die gröfste Härte wird überwunden durch 13,5^- (0®)
die geringste - . - - . 5,5 - (180'')
in der gröfseren Diagonale sind erforderlich 8,0 - (90^)
Kalkspath aus Island von besonderer Härte gab fol-
gende Gewichtszahlen:
bei 0^ mulsten aufgelegt werden 15,2^-
. 90** . - - 10,5-
.180^ . - - 7,0-
Diese durchaus sichren Elrgebnisse stimmen jedoch nicht
mit dem was Frankenheim in seiner Abhandlung an-
führt, welcher die grOfste Härte in den der grOCseren Dia-
gonale parallelen Linien gefunden haben will, die geringste
in derselben wie ich ' ). DaCs Frankenheim aber darin im
Irrthum ist, läfet sich am besten durch folgenden von mir
ungestellten Versuch zeigen:
Ich befestigte den Kalkspath auf den Wfirfel, und drehte
nun die Platte mit dem Krjstall so, dafs die Spitze auf
dein Krystall einen Kreis beschrieb. Nachdem ich nun ein
gehöriges Gewicht aufgelegt, fand ich die tieCste Furche in
der Kreisperipherie in der Richtung der kürzeren Diago-
nale nach der stumpfen Ecke zu, gar keine auf der ge-
genüberliegenden Seite der Peripherie, eine ganz schwache
Furche aber in den beiden der längeren Diagonale paral-
lelen Richtungen. Drehte ich den Krystali in entgegen-
gesetzter Hichtung, so war auch das Resultat das entge-
gengesetzte.
Da dieser Versuch so deutlich und handgreiflich die
grofse Verschiedenheit der Härte nach verschiedenen Rich-
tungen darthut, so ist es zu bedauern, dafs die Flächen
1) Seite 337 des oben aogefuhrteo Buches. '
45
an den Krjstallen, welche grofse HSrteoDterscbiede zeigen,
za klein sind, ab dafs sich derselbe ao ihnen anstellen
lieCse.
4. Fluftspalh.
Die geringsten Harteunterschiede scheinen in den Octa-
ederflächen des Flufsspalhs zu sejn. In den Würfclflä-
chen aber fand ich (nach dem zweiten Verfahren) den gröfs-
fen Widerstand in den Diagonalen, den geringsten aber in
den den Wfirfelkanten parallelen Richtungen. Um jedoch
den Unterschied zu vergrOfsern, stellte ich die Versuche
an 9 nachdem ich die Spitze mit 150^'- beschwert hatte;
dann waren die Zahlen der zur Fortbewegung der Spitze
nOthigen Gewichte folgende:
bei 0° (welches die Richtung der Diagonale ist) 33fi^'
- 45« 24,3«'
So ergiebt sich die geringste Härte in der Richtung der
Diagonalen y die grOfste aber in den den WOrfelkanten pa-
rallelen Linien.
Die angewandten Krjstalle waren aus der Grafschaft
Devonshire.
5. Apaiitspath (Moroxit).
Ich habe bis jetzt noch keinen Apatit erlangen können,
der sich in der Tollkommensten Spaltungsebene (senkrecht
zur Axe des Krystalls) hätte schleifen lassen. Die Flä-
chen der sechsseitigen Säule selbst waren sehr glatt, die
durch die Spaltungsrichtung hervorgebrachten Risse hinder-
ten aber, dafs die Zahlen der zur Fortbewegung der Spitze
auf dieser Fläche nöthigen Gewichte ganz sicher waren.
Doch zeigte sich der Krystall (auf der Seitenfläche der
Säole) weicher in der Richtung der Axe des Krjstalls,
welche senkrecht auf der Ebene der besten Spaltungsrich-
tung steht, härter dagegen in der Richtung der Spaltung
selbst.
6. Feldspatk.
Die Feldspathkrjstalle, deren ich mich bediente, waren
so rauh and zerbrechlich, dafs ich sie weder so anwenden
46
konnte, trie ich äe fand, noch dnch Srfcliiftn geeignet
■ncken, die Barte an ihnen in TcncUedcncn Ebenen and
nadi Tmcbiedoien Ricfatongen hin zn Mssen. Deshalb
nofite ich mich dichter Steine bedienen, an denen sich na-
tiirlidi keine Unterschiede dieser Art finden lassen konnten.
!•
Ton diesem 3Iineral an mnls die Stahlspitie mit dem
Diamant rerf anseht werden, mit dem aber die Versuche
▼iel schwerer anznstellen sind. Es ist namentlich nölhig, daCs
die Spitze des Diamants vollkommen senkrecht auf die Kry*
stallfläcbe drücke, somit die Fläche selber vollkommen ho-
rizontal liege, da die geringste Abweichong einen bedeu-
tenden Gewichtsunterschied bedingt Deshalb richtete ich
die Krjstallfläche des Quarzes und der härteren Mineralien
dadorch horizontal, dafs ich auf dieselbe eine grölsere Glas-
tafel legte, und auf diese ^eine Libelle stellte. Nach solcher
sorgfältigen Einstellung nahm ich nun wahr, dafs der Krj-
stall die geringste Härte in der Richtung der Axe hat, denn
der gröfstc Widerstand wurde überwunden (bei Anwen-
dung der zweiten Yerfahruogsweise) in der Richtung der
Aie des Krystalls (die Spitze selbst war mit 200^* be-
schwert):
bei 0® durch ein Gewicht von 33,5 ^'
d. geringste - 90*> - - - - 17,45-.
In der Fläche des primären Rhomboeders fand ich kei-
nen Unterschied in der Härte nach verschiedenen Rich-
tungen.
Die Krystalle waren aus Schlesien und von verschiede-
nen Bergen der Schweiz.
Ein anderes Ergebnifs ist noch nicht hinlänglidi ge-
prüft, als dafs ich es jetzt schon für ganz zuverlässig aos-
gcben könnte. Die Härte schien mir nämlich eine andere
zu seyn in der Richtung der Säulenfläche, die zu einer
oberen Rhomboedcrfläche gehörte, von oben nach unten,
als von dem unteren Ende zur Rhomboedcrfläche bin, wel-
cher Unterschied in der folgenden Säulenfläche der omge-
47
kdirte SU seyn sdüen. Diesen Umstand will idi jedoch in
einer, andern Abhandlong noch schärfer, ins Auge fassen
and tiefer zn ergründen versuchen.
8. Topas.
Da ich nur kleine Topaskrystalle erhalten konnte, war
es höchst schwierig die zu prüfende Fläche horizontal zu
stellen; jedoch erhellt aus den Versuchen, dafs die Ebene
der Sänlenfläche weicher ist in der Richtung der Axe der
Säule, als in der auf ihr senkrechten Richtung und ferner
daCs die Elbene, welche die beste Spalt ungsrichtuug dar-
bietet und auf der Krystallaxe senkrecht steht, weicher
ist als die Seitenfläche der Säule.
Die Zahlen d^r zum Ritzen eines brasilianischen Topases
nöthigen Gewichte sind folgende:
In der Hauptspaltungsfläche 42,5^*
In der Seitenfläche der Säule (mittel) 45^-
9. Sapphir.
An den ausgezeichnetsten Sapphirkrystalleu konnte ich
keine Härtennterschiede entdecken, weder in verschiedenen
Flächen noch nach verschiedenen Richtungen, obwohl die
Form der Krjstalle dem hexagonalen System angehört.
10. DlamaDt.
Den Diamant konnte ich nicht ritzen.
Disthen (Cyanit).
Es sey mir gestattet noch einen Krystall hinzuzufügen,
dessen Härteunterschiede auf verschiedenen Flächen schon
Haüy aufgefunden hat'), und die sich sehr leicht bemer-
ken lassen; jedoch sind auch nach verschiedenen Richtuo-
gen derselben Fläche grofse Unterschiede leicht bemerkbar.
Diese untersuchte ich zuerst in der Ebene der vollkom-
mensten Spaltbarkeft, welche zugleich die gröfsere Seiten-
fläche der von mir untersuchten Krystalle war. Ich fand
1) Haaj's Mineralogie. ParU und Leipzig 1806. Bd. 3, S. 276.
48
aittdst des ersten Instmmentes folgeode üntendiiede^ wenn
0^ die der Axe der SSuIe parallele Richtung ist:
Mit der Diamantspitze ritzte ich
bei 0° dorch ein Gewicht von 6,87^' ' )
- 15<> - - - - 8,16 -
- 30« - - - . 9,33.
- 45« - - - . 10,02-
- 60° - - - . 11,17 -
- 75« - - - - 12,02-
- 90* . - - - 13,10-
Das Masumnm and Minimom des Widerstandes wnrde
bei dem zweiten Instrument, wenn die Spitze mit 30^* be-
schwert war, überwunden:
bei 0« durch ein Gewidbt von 42,2«*-
-90^ . - - - 20,3-
Die Unterschiede nadi entgegengesetzten Riditungen sind
so $eriQ^. dals sie die GrSnzen der Beobachtungsfehler
nicht überschreiten. Bei den kleineren Flächen meiner Säa-
leu. die HaüT LateraUUdien nennt, sind die zum Ritzen
nOthi^en Gewichte folgende:
bei 0' war ein Gewicht nOthig von 12,13s'-«)
- 15* - -
- 14,33-
- 30' - -
- 16,14-
- 45^ - -
- 19,35-
ÄV - -
- 22,20-
. TJ^ - -
- 24,17-
90'
- 26,30-
Die
\ ^ tV >Uvd<wtt «*i Mm
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- 10,0 - 9,0
4»
- 10^ - 9,0
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- I2fi - 10,0
r»
- 14,0 -.10,5
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- 15,0 - 12,0.
*^ '^~' *'w«t««lkMa «i«r ZMtn anf dieter Flicbe üt nicht grSiMr ab ki
kM wir 4«r Mid«rn FlSebe.
49
Die Disthenkrystalle y deren ich mich bediente waren
vom St. Gotthard.
Aus allen diesen Versachen lassen sich nun folgende
Gesetze ableiten:
Die Ursachen der gröfseren oder geringeren Härte in
ein und derselben Krystallfläche sind die Spaltungsrichtun-
gen. Die Richtung, welche auf der Spaltungsrichtung senk-
recht steht in der Fläche^ welche die Spaltungsebenen durch-
schneiden, ist die weichste; die härteste Richtung im Ery stall
ist diejenige, welche den Spaltungsebenen parallel ist. Wenn
der Krjstall von zwei Spaltuugsrichtungen in einer Fläche
durchschnitten wird, so nähert sich auf dieser Fläche die
gröfsere Härte der besseren Spaltungsrichtung. Je geringer
die Leichtigkeit ist, mit welcher sich ein Krystall spalten
läfsty desto mehr verschwinden im Allgemeinen diese Härte-
nnterschiede. Am Flufsspath und am Quarz sind sie, ob-
gleich sehr gering, noch wahrnehmbar; am Topas konnte
ich gewisse Unterschiede in derselben Fläche nicht ent-
decken. Es leuchtet nämlich ein, dafs bei Krjstallen von
grofser Härte, bei denen die Gränzen der Beobachtungs-
feliler zu weit auseinandergehen, diese kleinen Unterschiede,
die ja natürlich geringer sind, als die an den ersten Krj-
stallen der Reihe beobachteten Unterschiede, schwerer auf-
zufinden sind.
Alle oben angeführten Krjstalle folgen diesem Gesetze.
Beim Gyps nähert sich die gröfstc Härte der Richtung
der besseren Spaltbarkeit. Der Apatitspath folgt deipsel-
ben Gesetze. Beim Quarz sind die Spaltungsrichtungen
parallel den Flächen der Kernform, und deshalb habe ich
die grOfste Härte in den Seitenflächen der Säule in der
Richtung der Spaltbarkeit gefunden. Beim Disthen endlich
ist die Ebene der besten Spaltbarkeit parallel der grofsen
Säulenfläche, die Lateralfläcbe bietet also ein weiteres Bei-
spiel für unser Gesetz dar. Die beiden anderen Spaltungs-
richtungen des Disthen schienen mir gleich unvollkommen;
nimmt man aber an, dafs die Spaltungsrichtung parallel der
Poggendor£Ps AnnaL Bd. LXXX. 4
50
Lateralfläche die anvollkommenste ist, so befolgt andk die
gröfsere Seitenfläche das oben angeführte Gesetz.
Von verschiedenen Flächen desselben Krystalls ist die-
jenige die härteste y ioelche eon der Ebene der vollkommen-
sten Spaltbarkeit durchschnitten wird. Wenn, aber die mehr-
fache Spaltbarkeit von ganz gleicher Vollkommenfaeit ist und
die verschiedenen Richtungen derselben dieselbe Stellung ge-
gen alle Krjstailflächen haben, so kann in den Terschiedenen
Flächen kein Unterschied wahrgeuommen werden, sondern
die Richtung der gröfsten und geringsten Härte folgt in
jeder Ebene demselben Gesetz» wie es durch die verschie-
dene Stellung der Spaltungsrichtungen bedingt ist.
Beim Gyps kann die Fläehe der besten Spaltbarkeit
sehr leicht gefunden werden; in dieser fand ich den Gjps
weicher als in einer andern Fläche, die einer weniger voll*
kommenen Spaltungsrichtung entsprach. Der Disthen giebt
ein Beispiel für dasselbe Gesetz, denn er spaltet sich am
besten in der der weicheren Fläche parallelen Richtung, und
ist also weicher in der von Hau j so genannten Lateralfläche.
Eine andere minder vollkommene Spaltungsrichtung ist die-
ser Lateralfläche parallel, woraus erhält, dafs die andere
Säulenfläche, welche von dieser unvoUkommneren Spaltungs-
richtuug geschnitten wird, die weichere seyn mufs. Weder
beim Flufsspath noch beim Kalkspath fand ich Härteunter-
schiede in den verschiedenen Krjstailflächen, weil sie in
allen Richtungen ihrer Spaltbarkeit gleich leicht spalt-
bar sind.
Noch ein Unterschied ist zu erwähnen, der am Kalk-
spath sehr leicht aufzufinden ist: der Unterschied in der ent-
gegengesetzten Richtung desselben Weges. Wenn nämlich
die Richtung einer vorzuglichen Spaltbarkeit nicht senkrecht
auf der Uutersuchuugsfläche steht, so ist stets der Winkel,
welchen die Spaltungsrichtung mit der Untersuchungsfläcbe
bildet, von grofser Bedeutung. Wenn wir den Krystall
aus ihm selbst ähnlichen Theilchen uns zusammengesetzt
denken, so setzen sich entweder die Schichtungen des Kry-
stalls der Spitze entgegen, oder die Spitze überspringt sie,
51
wenn sich ihr der spitze Winkel der SdicbtaDgen darbie-
tet Von dieser Erseheinong giebt derKalkspath das treff-
lichste Beispiel; denn bei ihm setzt diese Schichtung der
Theilchen der Spitze den gröfsten Widerstand in der Rich-
tung der kürzeren Diagonale von der spitzen Ecke aus
nach der stumpfen entgegen, den geringsten in der entge-
gengesetzten Richtung. In der längeren Diagonale ist kein
Untersdiied der Härte nach den entgegengesetzten Rich-
tungen, weil dieselbe' gegen die eine Spaltungsrichtung un-
ter einem spitzen, gegen die andere unter einem stumpfen
Winkel geneigt ist, woraus folgt, dafs das Resultat in ent-
gegengesetzter Richtung dasselbe sejn mufs; in der kürzeren
Diagonale dagegen werden beide Spaltungsrichtungen das
eine Mal unter einem spitzen, das andere Mal unter einem
stumpfen Winkel geschnitten. In allen anderen Linien lei-
stet der Krjstall den grOfseren Widerstand in der Richtung
Ton der spitzen Kante aus zur stumpfen, in welcher Rich-
tung er also weicher ist (denn die Spitze ritzt ihn schon
bei einem geringeren aufgelegten Gewicht), den geringsten
Widerstand leistet er in entgegengesetzter Richtung.
Bei anderen Krystallen des rhombischen, klinorhombi-
schen und hexagonalen Systems, die ich untersucht habe,
ist die Richtung der Spaltungsebenen zwar eine ähnliche,
jedoch sind bei ihnen nicht so grofse Unterschiede wie beim
Kalkspath bemerkbar, wegen der gröfseren Härte der Kry-
stalle. Beim Quarz habe ich die Unterschiede angedeutet,
beim Talk wegen der oben angeführten Gründe nicht ge-
funden.
II. Directe Yergleichung der HSrte der Mineralien.
Ich gehe jetzt zu den Versuchen über, durch die ich
auf den ersten Theil dieser Abhandlung geführt wurde.
Die Aufgabe, die ich mir gestellt hatte, war: die Härte der
Mineralien so zu messen, dafs Zahlen das Verhältnifs der
Härten der einzelnen Mineralien zu einander erkennen las-
sen. Die folgende Tabelle enthält diese Verhältnisse. Sie
§iebt die mittleren Zahlenwerthe, das Maximum und Mini-
4*
52
iDum ist, da es im ersten Theile genögsam behandelt ist,
hier weggelassen. Eis wurden so lange Gewichte auf die
Gewichtstafel gelegt, bis durch eine Lnpe ein Ritz auf der
FISche des Minerals sichtbar wurde. Wenn die natfirliche
Fläche des Minerals nicht glatt genug war, so liefs ich sie
anschleifen. So oft diefs geschehen, ist es in beigesetzten
Klammern bemerkt. Aufserdem wandte ich noch die Vor-
sicht an, dafs ich die Versuche immer bei heiterem Him-
mel anstellte, damit nicht der Wechsel der Helligkeit einen
Irrthum veranlasse.
Mil der Stalilspitze.
^von W'emigerode
Gjps <aas der Gegend von Gotha J "'"^ ^ l^hS'-
(vom Mont Martre
Mit dem Diamant.
Svon Island
-
von Brilon
Flufsspath aus Devonsliire
(gesdiliflen)
Apatitspath (von New -York)
^ ,. , (aus Schlesien
r eldspath
2«'.»)
lO.l«'-
226S''
9.0«'-
163«'-
260^*
S.5
8
« s.
2(N^-
Quarz
lopas
34S'*
43»».
aus Labrador
(geschliffen)
ans Schlesien d3^*
aus der Schweiz dbS'*
( geschliffen )
aus Brasilien 44^')
aus Sachsen 42S'*j
(geschliffen)
Saus Thilet \
aus China V 5||T.
von Ceylon J
( geschliffen ).
Die Stahlspifze selbst wurde bei einem Gewicht Ton
23«'- von dem Diamanten geritzt.
1) Ich habe ein gröfseres Gewicht hier angegeben, als ich in der nii*er-
suchlen FUche gefunden habe, denn es ist kein Grund vorbanden za
der Annahme, dafs in dem Gyps 7om Mont Martre die HfiHe ra der
Ebene, die ich der Zerbrechlichkeit des Minerals wegen nicht crhaltca
konnte, nicht grofser scy als in einer Fläche der besten. Snaltbarkeit,
da ja alle andern Härteverhaltnisse för den Gjps aus Gotha und vom
Mont Maitre dieselben sind.
53
leb füge einige Beispiele anderer Mineralien hinzo, aus
denen sich abnehmen läfst, wie genaa diese Verfahrnngs-
art ist.
Nach Moll 5.
Alaun (Ungarn)
0,9^' (Stahlspitze) 2,0
Honigstein (Artern)
7,5«'- - 2,0 — 2,5
Dioptas (Kirgisensteppe)
1158'- - 5,0
Diopsid
205«'- - 5,0 - 6,0
Pistazit
24«'- (Diamant) 6,0—7,0
Zirkon (Ural)
38,5«'- - 7,5
Turmälin (Brasilien)
39,5«' - 7,0 — 7,5
Berjll (Nertschinsk)
43«'- - 7,5 — 8,0.
Erst nachdem ich mit meinen Versuchen fast zu Ende
gelangt, fiel mir die Dissertation von Seebeck im Pro-
gramm des berlinischen Realgymnasium vom Jahre 1833
in die Hand. Ich fand hierin mein erstes Verfahren ange-
wandt; allein die Einrichtung des Seebeck'schen Instruments
scheint mir nicht so zweckmäfsig als die des meiuigen, was
sehr .deutlich daraus erhellt, dafs am Kalkspath Seebeck
die geringste Härte nicht in derselben Richtung wie ich,
beobachtet hat; die Richtigkeit meiner Beobachtung mir aber
durch den oben beschriebenen Versuch mit dem Kreise auf
das unwidersprcchlichste dargethan 7U sejn scheint.
Seebeck's Angaben sind folgende;
In der Richtung von 0^ erscheint der erste Strich bei 39«'*'^
- - - - 20« 34 -
. . . - 39° 26 .
. . - - 51« - . - - - 23 -
- - - - 70« 22 -
. . . - 90« 14 -
- . ^ - 110« 17 -
... ^ 129« . - . . - 17 -
. - . - 141« - . - . - 23 -
- - . - 160« 28 -
- - - - 180« - - - . - 31 .
0« entspricht bei dieser Tabelle meinem früheren 0«
54
Aach mit Frankeuheim's Angaben streitra die See-
beck'schen; denn Frankenheim will die gröCste Hftrte
in der Richtung der gröfseren Diagonale gefunden haben,
die geringste in derselben wie ich. In der Richtung aber
in der ich die gröfste Härte gefunden habe, soll, nach
Frankenheim, eine Härte sejn, die fast der nach den
längeren Diagonalen gleich ist. Die gröbte Härte findet
sich abo nach Seebeck in derselben Richtung, in der idi
sie gefunden habe; in der Richtung, in welcher Franken-
heim die gröfste Härte gefunden hat, hat Seebeck die
geringste, ich die mittlere gefunden; wo endlich, wie ich
gezeigt habe, die geringste Härte ist, hat Seebeck die
mittlere gefunden, während Frankenheim mit mir Über-
einstimmt.
Seebeck hat an keinen Krjstallen als nur am Kalk-
spath und Gyps Versuche angestellt. Am Gjps fand er bei
seinem Verfahren keine Unterschiede^ wie auch ich nicht
So viel glaube ich dargethan zu haben, dafs durch das
von mir angestellte Verfahren die Härte der Mineralien
▼iel genauer, wenn auch mehr Mühe erforderlich ist, be-
stimmt werden kann, als durch das Verfahren von Mohs,
das wir bis jetzt zur Messung der Härte angewandt haben.
Die auf der Kupfertafel H. vorhandenen Zeichnungen
Fig. 1 und 2. zeigen die angewandten Instrumente.
Fig. 3. macht die Kreise anschaulich, die durch das
Drehen des Kalkspaths nach entgegengesetzter Richtung auf
dem Krystall bemerklich werden.
Fig. 4. Wenn man die Härte den Gewichten, die
zum Ritzen des Minerals nöthig sind, proportional setzt,
so kann man das Verhältnifs der Härte durch eine Curve
darstellen, deren Radii vectores den Gewichten entspre-
chen. Diese Curve ist für den Kalkspath in Fig. IV, dar-
gestellt: ab, wenn S die stumpfe, S die spitze Rhomboe-
derecke ist. Construirt man auf dieselbe Weise nadi
Seebeck 's Zahlen die Härtecurve des Kalkspath, so ist
dieselbe ac, wobei der Pol p und der Radius vedar der
55
grOCBten Härte pa dieselben gdilieben sind. Fraüken-
heini's Resultate lassen die Constrnction einer Curve nicht
za, da sie der Zahlenwerthe entbehren.
Fig. 5. ab stellt dieselbe Curve für Disthen dar auf
der weicheren Säulenfläche bei Vernachlässigung der klei-
nen beim Disthen oben erwähnten Unterschiede nach ent-
gegengesetzten Richtungen. Vernachläfsigt man diese Un*
terschiede nicht, so entsteht cd.
III. Ueber die Ausdehnung des Quecksilbers durch
die FF arme; von Hermann Militzer, Dr. phiL
in München.
In den Erfahrungswissenschaften treten uns aufser den all-
gemeinen Systemen und Hypothesen, unter deren Herr-
schaft wir. eine ganze Reihe von Erscheinungen zusammen-
drängen, auch noch eine gewisse Anzahl constanter Gröfsen
entgegen, die in Beziehung auf jene eine doppelte Bestim-
mung zu erfüllen haben. Einerseits nämlich dienen sie je-
nen Theorien gewissermafsen als Basen, die man überall
bei ihrem Auftreten als bekannte Gröfsen behandelt, und
auf die gestützt, man sich einem vorgesteckten Ziele zu
nähern sucht;. andererseits sind sie selbst als Bausteine zu
betrachten, die in hinreichender Menge gesammelt und nach
ihrem inneren Zusammenhange geordnet, die Erschaffung
einer neuen Theorie möglich machen. In letzterer Bezie-
hung gehören sie in der Regel nur einem einzelnen, mehr
oder weniger speciellen. Zweige der Wissenschaft an, wäh-
rend ihre erstere Eigenschaft in manchen Fällen sie uns
in den heterogensten Doctrinen vor die Augen bringt.
Der Coefficient der Ausdehnung des Quecksilbers durch
die Wärme nimmt als solcher für sich betrachtet durchaus
56
keinen hervorragenden Rang ein unter den analogen Zah-
len, die man sich von den verschiedenartigsten Kdrpem
der Aufsenwelt zu verschaffen vrafste, theils um ihrer selbst
willen, theils in der Hoffnung durch ihre Vermittelnng ei-
nen etwaigen Aufschlufs über das Wesen der Wärme und
ihr Verhältnifs zur Materie zu erhalten. Bei weitem mdi-
tiger wird derselbe durch die ungemein häufigen Anwen-
dungen, welche das Quecksilber in allen Zweigen' der mes*-
senden Physik — im weitesten Sinne des Wortes — fin-
det, und bei denen man diese Zahl immer als bekannt
vorauszusetzen genölhigt ist. Man findet deshalb audi in
den Jahrbüchern der Wissenschaft eine grofse Anzahl von
Bemühungen, sich die Kenntnifs dieser Zahl zu verschaf-'
fen, die auf verschiedenen Wegen versucht, auch verschie-
dene Annäherungen an die Wahrheit zur Folge hatten, und
deren Resultate deshalb unter sich auch nicht unbeträcht«
liehe Abweichungen zeigen. Wir werden weiter unten Ge-
legenheit haben, auf dieselben etwas näher einzugehen.
Die Annäherung an die Wahrheit geschieht in den Er-
fahrungswissenschaften sprungweise. Eine Gröfse gilt so
lange für richtig, ab die übrigen Elemente, mit denen üt
zu concurriren hat oder ihre Anwendungen bei anderen Un*
tersuchungen eine gröfsere Genauigkeit noch nicht fordern
als die ist, welche man sich von der, zur Bestimmung die^
ser Gröfse, angewendeten Methode versprechen kann. Ist
diese Gräuze einmal erreicht, und beabsichtigt man den-
noch, die Genauigkeit einer Bestimmung noch weiter zu
treiben, so bleibt nichts Anderes übrig, als vor Beginn der
eigentlich beabsichtigten Untersuchung erst eine neue Be-
stimmung aller vorkommenden Hülfsgröfsen vorzunehmen.
Vorliegende Untersuchung hat zunächst den Grund ih-
res Entstehens in einer solchen mathematischen Nothwen-
digkeit zu suchen.
Der jetzige k. k. Ministerialrath etc. Hr. Dr. v. Stein-
heil beschäftigte sich seit längerer Zeit mit der Herstel-
lung eines Normal- Gewichtes und -Maafses für das Kö-
nigreich Baiern. Er liefs zu dem Ende in seiner mechaoi-
57
sehen WcrkstSUe namentlich eine Waage anfertigen , deren
aurserordentlich vollkommene Constmction ihm erlaubt, in
allen ihren Anwendangen eine ganze Ordnung in der Ge-
nauigkeit weiter zu gehen, als seither möglich war. Es
drängte sich deshalb die Nothwendigkeit auf, auch alle
Hülfsgröfsen, unter denen sich auch die Ausdehnung des
Quecksilbers durch die Wärme — namentlich innerhalb
der bei den Wftgungen stattfindenden Temperaturen zwi-
adien 0^ und 20® des hunderttheiligen Thermometer — be-
findet, mit gröfserer Sorgfalt zu bestimmen. Hr. etc. Dr.
T. Steinheil veraulafste mich nun zur Durchführung die-
ser speciellen Untersuchung, wozu er mir mit der zuvor*
kommendsten Liberalität die Benutzung eines Apparats ge-
stattete, den er eigends zu diesem Zwecke construirt hatte;
es möge mir deshalb erlaubt sejn. Demselben hier meinen
Dank öffentlich auszusprechen.
Wir wenden uns nun zum Gegenstande dieser Uuter-
sudiong selbst.
§. 1.
Die zur Bestimmung des Ausdehnungscoefficienten des
Quecksilbers bisher angewandten Methoden zerfallen in zwei
Categorien, je nachdem sie nämlich dem Beobachter die
Kenntnifs der relativen oder absoluten Ausdehnung ver-
schaffen. Die Bestimmungsarten der ersten Gattung beste-
hen sämmtlich darin, dafs man entweder die Aenderung
des Volumens einer constanten Menge Quecksilbers bei ei-
ner Aenderung der Temperatur mifst, oder dafs man das
Gewicht des Volumen Quecksilbers bestimmt, welches ein
Gefäfs bei einer bestimmten Temperatur zu fassen vermag.
Man sieht augenblicklich, dafs diese beiden Verfahruugs-
arten die Kenntnifs der Ausdehnung des Körpers voraus-
setzen, aus dem die angewandten Gefäfse bestehen, und
dafs die erstere auch noch eine genaue Calibrirung des Ge-
fkfses fordert. Alle, mir bekannten, auf diesem Wege er-
halteneu Beobachtungen sind in thermometerähnlichen Ge-
fäfisen von Gla's vorgenommen worden.' Einzelne Beobach-
58
ter, wie z. B. Lalande und Delisle, beriidLsiditif^eii die
gleichzeitige Ausdehoang des letzteren gar nicht; ihre Re-
sultate sind also nor Bestimmungen des relativen Aosdeh-
nungscoeffidenten. Andere nahmen allerdings die Aosdeb*
nnng des Glases in Rechnung; Regnault zeigte aber neuw-
dings durch directen Versuch, da(s dieselbe nicht nur von
der Glassorte abhängig ist, sondern selbst mit der Gestalt
des Glasgeftfses sich ändern, so dafe die auf diesem Wege
gefundenen Zahlen zu sehr den Charakter des speddlen
Yo^uches an sich tragen, ab daCs man ihnen unbedingt all-
gemeine GQltigkeit beilegen könnte. Auberdem stehen sie
den durch die unten folgenden Methoden gefundenen sdion
aus dem Grunde nach, weil sie sich auf dne grOÜBere An-
zahl von HOlfsgröben stützen. Indessen hsbea sorgfilltige
Experimentatoren doch auf diesem Wege sdir branchbare
Resultate abgeleitet, wie dieCs z. B. der Ton Hillström
gefundene Ausddinungscoeffident beweist.
Die sonst zur Bestimmung der absoluten Ausdehnung
tropfbarer Flüssigkeiten häufig angewendete Methode, dab
mau einen bekannten Körper bei verschiedenen Tempera-
turen in der Flussigkdt selbst abwägt und seinen jedes-
maligen Gewichtsverlust bestimmt, setzt ebenfalls die Kennt-
niCs des specifischen Gewichtes und des Ausdehnungscoef-
fidenten des eingetauchten Körpers voraus. Es ist deshalb
auch ihr in Hinsidit der gröfseren Einfadiheit und Selbst-
ständigkdt der erhaltenen Resultate das nun folgende Ver-
fahren vorzuziehen, welches sich auf die Wahrnehmung
stfitzt, daCs die Höhe der Quecksilbersäule im Barometer
blos Function des Luftdruckes und der Temperatur, dage-
gen -^ abgesehen von der Reibung des Quecksilbers ge-
gen die Geßlfswände und der etwaigen Aenderung des Ein-
flusses der Adhäsion, Capillardepression u. s. w. bd einer
Variation der Temperatur — durchaus unabhängig von der
Form des Gefäfses und ihren Aenderungen bei wechseln-
den Temperaturen ist. Man benutzte diese Bemerkung so-
gleich in der Art, dafs man die Barometerhöhe zuerst in
schmelzendem Schnee und dann in siedendem Wasser be-
59
Stimmte, und die Differenz der beiden Höhen als Wirkung
der Wärme betrachtete. Zuerst dürfte dieses Verfahren
von de Luc angewendet worden sejn. Man kann aber ge-
gcfn das von ihm gefundene Resultat einwenden , dafs sich
während der Dauer der Beobachtung der Luftdruck geän-
dert haben kann, worauf er keine Rücksicht genommen zu
haben scheint, und zweitens ist dasselbe noch von der In-
dividualität des gebrauchten Barometers nicht befreit. Um
der ersteren Entgegnung auszuweichen nahm Roy zwei Ba-
rometer, deren Höhen er gleichzeitig mafs, während das
eine in schmelzenden Schnee, das andere in siedendes Was-
ser getaucht war; natürlich gewinnt aber der zweite der
obigen Einwürfe gegen dieses Verfahren um so mehr an
Kraft.
Dulong und Petit, für welche eine genaue Kennt-
nib dieses Ausdehnnngscoefficienten bei ihrer grofsen Un-
tersuchung über das Erkalten der Körper von besonderer
Widitigkeit war, fühlten diese Mängel und erhielten auf
einem ihnen eigenthümlichen Wege eine Bestimmung, welche
sich allgemeinen Eingang verschafft hat und seither als die
fundamentale betrachtet wurde. Ihr Verfahren stützt sich
auf den hydrostatischen Satz, dafs, wenn zwei Flüssigkeits-
säulen durch eine Röhre mit einander communjciren, die
Höhen dieser Säulen im umgekehrten Verhältnisse ihrer
Dichtigkeiten stehen. Ist man daher im Stande, beide Säu-
lenlängen genau zu messen, während die eine von beiden
in schmelzendem Schnee, die andere in einer andern be-
kannten Temperatur sich befindet, so kann man leicht die
gesuchte absolute Ausdehnung aus dieser Beobachtung ab-
leiten*. Beide oben genannte Gelehrte construirten deshalb
einen Apparat, der zuerst von Bojle vorgeschlagen wurde^
und dessen Hauptbestandtheil zwei verticale, mit Queck-
silber gefüllte Glasröhren bildeten, die durch eine hori-
zontale von viel engerem Durchmesser verbunden waren«
Der eine der beiden verticalen Schenkel wurde beständig
durch schmelzendes Eis auf einer sehr niederen Tempera-«
tnr erhalten , während der andere in einem Oelbade stand^
60
dem man durch einen mantelförmigen Ofen jeden beliebi-
gen Wärmegrad bis zur Siedhitze des Oeles ertheiieu konnte.
Die Röhren waren nur so weit mit Quecksilber gefollt,
dafs ihr oberes Niveau zur Ablesung eben 'noch über die
umgebende Flüssigkeit hervorragte, was bei dem erwärmten
Schenkel dadurch erzielt wurde, dafs man mittelst einer
Pipette demselben Quecksilber entnahm oder noch zogob.
Die Messung der Säulenlängen geschah mit Hülfe eines
Fernrohres, das an einer verticalen Säule in azimutalem
und verticalem Sinne bewegt werden konnte. Neben dan
in Eis getauchten Schenkel stand ein Metallstab, der in
bekannter Höhe eine Marke trug, von der an dann an der
verticalen Säule abwärts der Ueberschnfs ihrer Höhe über
der der beiden Quecksiiberspiegel mittelst eines Yerniers
gemessen wurde. Die Bestimmung der Temperaturen ge-
schah durch Quecksilber- und Luftthermometer. Im Eisbade
wurden blos Quecksilberthermometer benutzt, zur Angabe
der Temperatur des erwärmten Oeles aber Instrumente bei-
derlei Art. Die Glasröhre nebst dem Träger der Marke
waren auf einer Eisenplatte befestigt, welche durch Libel-
len horizontal gestellt wurde. Der Comparator war auf
einem gemauerten Pfeiler aufgestellt.
So sehr auch dieser Apparat den vorerwähnten vorzu-
ziehen ist, so lassen sich doch auch gegen ihn und das
mittelst desselben erhaltene Resultat mehrere Einwendun-
gen erheben. Fürs Erste könnte letzteres nicht ganz frei
von dem Einflüsse der Capillarität und Adhäsion des Qneck*
Silbers am Glase sejn. Du long und Petit liefsen zwar
die verticalen Schenkel sich oben erweitern, um diesem
Fehler zu entgehen, geben aber keine Dimensionen an, so
dafs man nicht mit Sicherheit behaupten kann, er sej gänz-
lich vermieden. Eine gleichmäfsige Vertheilung der Tem-
peraturen in jedem Schenkel dürfte nach dem angewandten
Verfahren ebenfalls nicht vorhanden gewesen sejn. Jeder
der beiden Schenkel hatte eine Länge von 0™,54. Der kalt
erhaltene war mit geflossenem Eise umgeben und seine
Temperatur wurde als Null betrachtet. Jede Thermome*
61
tervergleidiaog in geflossenem Eise giebt aber zu der Wahr-
Debmung Gelegenheit , dafs in dem Gemische bedeutende
und unregelmäfsige WSrmeschwanknngen eintreten, ^cnn
ein Theil des Eises schon zu Wasser geworden ist, was
hier, wegen der grofsen Nähe des bis zu 300° erhitzten
Ofens, gewjfs bald eintreten mubte. (Mit einer Abflufs-
öffnung für das geschmolzene Eis war der Behälter nicht
versehen. ) Bei dem erwärmten Schenkel giebt die Opera-
tion des Zugiefsens von neuem Quecksilber „ einige Au«
genblicke vor der Ablesung'' Anlafs zu einem ähnlichen
Bedenken. Der Durchmesser des oberen Endes der verti-
calen Röhre fibertraf bedeutend den des übrigen Theiles,
so dafs das zugegossene Volumen Quecksilber im Verhält«
nifis zur ganzen, den Schenkel ausfüllenden, Menge wohl
nicht ganz unbedeutend war, und daher in der ihm gege-
benen kurzen Zeit kaum die Temperatur des übrigen Queck-
silbers angenommen haben wird. Viel wesentlicher mufs
aber die Wirkung der allmäligen Mischung sejn, welche
nothwendig zwischen dem kalten Quecksilber des einen
und dem erhitzten des anderen Schenkels durch die hori-
zontale Verbindungsröhre stattfinden mufs. Diese letztere
war so weit, dafs „die Reibung des Quecksilbers gegen
die Wände nicht hinderte, dafs sich das Niveau nach ge-
störtem Gleichgewichte wiederherstellte''. Sie wird folg-
lich auch der eben erwähnten langsamen Mischung kein
Hindernifs in' den Weg gelegt haben, und daher die Tem-
peratur der beiden Quecksilbersäuleu nicht uubeträdhtlich
von der des umgebenden Mediums , welche allein betrach-
tet wurde, verschieden gewesen sejn.
Die Messiung der Säulenlängen selbst war ebenfalls nicht
mit der erforderlichen Genauigkeit möglich. Dulong und
Petit geben die Höhe der beiden Quecksilberspiegel über
der Axe der horizontalen Röhre an. Diese Axe darf aber
offenbar nur als Nullpunkt der Zählung betrachtet werden
bei zwei in hydrostatischem Gleichgewichte befindlichen
Flfissigkeitssäulen , einci Bedingung, die nach dem Vorher-
gehenden gewifs nicht erfüllt war, so dafs die Annahme
62
des Anfangspunktes der Z&hlung etwas Willkührliches ent-
hftlt, da man nicht im Stande ist anzugeben, von welchem
Punkte an in )edem Augenblicke die eine Säule gemessen
werden müsse ^ um mit der andern im Gleichgewicht zu
sejn. Ein kleiner Fehler könnte sich auch durch die Art
der Messung von der Marke abwärts bis zu jedem Niveau
eingeschlichen haben, indem sowohl der Träger derselben,
als auch die Eisenplatte, auf der letzterer nebst der Glas-
röhre befestigt war, der Wirkung der Ofenwärme, die zum
Erhitzen des Oeles diente, ausgesetzt waren.
Bei weitem der wesentlichste Einwand aber, der gegen
die Gültigkfeit des Dulong'schen Ausdehnungsco^fficienten-
erhoben wurde, rtihrt von Poggendorff her, und findet
sich in seinen Annalen für Physik und Chemie, (Bd. XXXXL,
S. 467). Die betreffende Stelle heifst:
„ — Dulong und Petit machten ihre Bestimmung der
wahren Ausdehnung des Quecksilbers abhängig von Gay-
Lussac's Angabe Ober die Ausdehnung der Luft. Sie lei-
teten nämlich aus den Angaben des Luftthermometers die
Temperaturen mittelst des Coefficenten 0,00375 ab, von
dem wir jetzt durch Rudberg's sorgfältige Versuche wis-
sen, dafs er für trockene Luft (oder richtiger für Luft in
einem wohl getrockneten Gefäfse) fehlerhaft ist. Ihre Tem-
peraturen, und mithin auch ihre Angaben über die wahre
Ausdehnung des Quecksilbers, sind folglich nicht ganz rich-
tig, sobald sie, was zu vermuthen ist, ihr Luftthermometer
und die Luft darin wohl getrocknet hatten. Leider giebt
ihre Abhandlung über diesen letzten Punkt keine Gewib«
heit, ja es ist selbst zweifelhaft, ob man unter den Tcio-
peraturen wahre oder scheinbare Volume der Luft zu ver-
stehen habe. Sind die Temperaturen durch die vrahren
Volume einer wohl getrockneten Luftmasse gemessen, so
würde ihr Grad 100 etwa dem Grade 102,7 nach rich-
tiger Scale entsprechen, und die wahre Ausdehnung des
Quecksilbers für den richtigen Grad 100 würde statt r^
ungefähr — seyn ".
63
Da nun unglficklicherweise diese beiden Gelehrten ihre
OrigiBälbeobadhtungen nirgends mitgetheilt haben, so ist
es unmöglich, an ihrem Ausdehnungscoefficienten die durch
die neue Bestimmung der Ausdehnung der Luft nölhig gewor«
dene Aenderung vorzunehmen. Es dürfte daher die Wich«
tigkeit des Gegenstandes der Mittheiiung folgender neuen
Bestimmungen zur genügenden Entschuldigung dienen.
§2.
E^ bestehen diese Beobachtungen in den gleichzeitigen
Ablesungen zweier,, in verschiedene Temperaturen gebrach-
ten Barometer, durch deren zweckmäfsige Combination sich
alle von der Individualität des gebrauchten Apparates her-
rührenden Einflüsse eliminiren, und folglich der gesuchte
Ausdchnungscoefficient ganz streng bestimmen läfst (Es
versteht sieb, dafs unter der Elimination fremdartiger Ein-
flüsse nur die Berücksichtigung derjenigen physikalischen
Ursachen gemeint sejn kann, deren Wirkung die vorge-
setzten Fehlergränzen an Gröfse nicht übertrifft).
Die Hauptbestandtheile des angewandten Apparates bil-
deten zwei sorgfaltig ausgekochte, mit chemisch reinem
Quecksilber gefüllte, Barometer und ein Längencomparator.
Jeder dieser drei Theile ist von den beiden andern und
dem Fu&boden unabhängig aufgestellt. Es waren nfimlich
durch eiserne Klammern drei starke hölzerne TrSger au
eine 2 Fufs dicke Mauer befestigt, von denen der mittlere
für den Comparator gehörte; die beiden übrigen, links und
rechts in gleicher Entfernung — etwa 20 par. Zoll — von
ihm befindlichen, trugen zwei ungefähr 3 Fufs lange, 3,5
Zoll weite Röhren von Weifsblech, welche in ihren Trä<
gern durch Correctionsschrauben senkrecht gestellt und in
genau gleiche Entfernungen vom Comparator gebracht wer-
den konnten. Sie wurden mit einer dicken Lage von Baum-
wollenwatte und über dieser noch mit Wachstuch umhüllt,
um das in ihnen befindliche Wasser auf möglichst constan-
ter Temperatur zu erhalten. Beide Röhren waren zu dem
Ende audi noch unten mit Hähnen versehen, während über
64
ihnen zwei Beh<er — ffir warmes und kaltes Wasser —
angebracht waren, aus denen ihr Wasser beständig erneuert
werden konnte. Das Reservoir für das Eiswasser war zur
Erhaltung der Temperatur ebenfalls mit einer sehr dicken
Lage von Baumwollenwatte und Wachstuch auf allen Sei-
ten eingehüllt.
Die gebrauchten Barometer waren Heberbarometer, nur
mit der veränderten Einrichtung, dafs der kürzere Schen-
kel vom unteren Niveau an geradlinig fortgesetzt war, und
den andern noch 6 Zoll an Länge übertraf. Diese Abän-
derung war nöthig, weil die Barometer bei der Beobadi-
tung ganz in die eben beschriebenen, mit Wasser gefüll-
ten, Röhren eingesetzt werden mufsten. Das innere Caliber
betrug in der Gegend der beiden Quecksilberkuppen 4,5
par. Lin. bei 0,25 Lin. Glasdicke. Die Verbindungsröhre
war zur Verminderung der Quecksilbermenge beträchtlich
enger und hatte nur einen Durchmesser von 1,6 Lin. and
0,7 Lin. starke Wände. Vom unteren Niveau an blieb
bis zum Ende der Röhre das Caliber ungeändert 4,5 Lin.
Der offene Schenkel war mittest seiner Verlängerung sorg-
ftlltig in einer hölzerneu Zwinge befestigt, welche bei der
Beobachtung diametral über einen starken, das obere Ende
der Blechröhre umgebenden, Messingring gelegt wurde; et
war dann in dieser Lage das Barometer ganz in das Was-
ser getaucht. In derjenigen Gegend der Röhren, in der
sich das obere und untere Niveau des Barometers befand,
waren einander gegenüber viereckige Oeffnungen zur Able-
sung angebracht, welche wasserdicht durch Platten von 4 Lio.
starkem, geschliffenen Spiegelglase verschlossen waren.
Der Längencomparator bestand aus einem 3 FuCs lan-
gen, 14 Lin. starken, an den Enden conisch auslaufenden
Stahlcjlinder, dessen unteres Ende auf einem Messingwflr-
fei ruhte, der in einer starken Eichenplatte befestigt war,
während das obere in der Axe einer Schraube lag, welche
durch einen starken Träger von Eichenholz ging. Die
Schraube konnte in horizontalem Sinne nach alleä Sdt»
etwas verschoben, dadurch die Stahlsäule genau vertiail
8«-
65
gestellt^ and durch Anziehen oder Nachlassen der Schraube
der Drehung der Säule um ihre Axe der rechte Grad von
Leichtigkeit gegeben werden. War beides erreicht, so wurde
die Schraube mittelst einer Mutter, welche eine, die Schraa-^
benspindel eng umsdiliefsende^ Platte gegen den hölzernen
Träger drückte, festgestellt. In azimutalem Sinne konnte
die Stahlsäule durch eine, an ihrem oberen Ende befind-»
liche, Klemmschraube von gewöhnlicher Einrichtung festge-
halten werden. An dieser Säule nun konnte ein hülsen-
förmiges Metallstück auf und nieder bewegt werden, jedoch
ohne Drehung um die Axe der Säule, welches als Träger
eines Niveaus, eines astronomischen Fernrohres und eines
Mikroskops diente, und dessen unteres Ende aus einer ge-
nauen, etwa 30 Umgänge zählenden Mikrometerschraube
von Stahl bestand. Diese letztere war, wie der Metall-
schlitten, dessen untere Hälfte sie bildete, selbst centrisch
durchbohrt, so dafs ihre Axe mit der des Stahlcylinders
zusammenfiel, und ihre Mutter endigte nach unten auch
wieder in eine schwach conische Schraubenspindel, welche,
auf gleiche Weise durchbohrt, die Stahlsäule ebenfalls hül-
senförmig umgab und ab Klemme für den ganzen Schlitten
diente. Sie war zu dem Ende von unten nach oben bis
zur Hälfte ihrer Länge viermal aufgeschnitten, so dafs ihre
federnden Quadranten durch einen als Schraubenmutter
dienenden Klemmring fest gegen die stählerne Säule ge-
drückt, und so das ganze Metallstück an jeder beliebigen
Stelle festgehalten werden konnte. Es wurden in Folge
dieser Einrichtung die gröfseren Bewegungen des eben er-
wähnten Schlittens durch blofse Verschiebung aus freier
Hand vorgenommen, während die feineren mit Hülfe der
eben beschriebenen Klemmvorrichtung und der Mikrome-
terschraube vollzogen und gemessen wurden. Die Stahl-
säule selbst war in ihrer ganzen Länge von oben nach unten
in willkührliche, jedoch gleiche Theile getheilt. Nach einer
sechs Mal wiederholten Vergleichung mit der Scale eines
Barometers war der mittlere Werth eines solchen Theiles
=: 0,279 par. Lin.
PoggendoHTi Annal. Bd. LXXX. 5
66
Das oben erwähnte mit den gewöhnlichen Correetion»«
schrauben rersehene Niveau diente in der bekannten Weise-
zum Yerticaktelien der Sfiule. Einer seiner Theile ent-
sprach einem Winkel Ton 3",4. Das Mikroskop und Ab-
lesnngsrohr waren jedes mit einem Horizontaifaden Ter-
sehen. Elrsteres gab eine neunmalige Vergröfserung und
diente zum Einstellen des ganzen beweglichen Metallstiickes.
auf einen Theilstrich der SSule, während das Fernrohr» das
funizehnmalige Yergröfeerung besafs, in Verbindung mit
der Mikrometerschraube in weiter unten näher anzugd)en«
der Weise zur Messung kleinerer Stflcke der Säule, als
einer ihrer Theile, diente. Die 30 Lin. im Durchmesser
haltende Peripherie dieser Mikrometerschraube war in 100
Theile getheilt, welche, durch zwei diametral zu einander
stehende Vemiers, noch in Zehntel gelheilt wurden; bei
einiger Uebung liefsen sich auch 100 Theile noch schätzen.
Diese letzte Gränze der Genauigkeit im Ablesen brachte
ich jedoch nicht in Anwendung, sowie ich auch immer nur
einen Nonius ablas, da ich mich durch vorläufige Versudie
überzeugt hatte, dafs der aus der Elxceutricität der Schraube
entspringende Fehler die Gröfse von 0,001 Theil der senk-
rechten Schraube in keinem Falle überstieg, der mittlere
Einstellungsfehler aber, wie eine andere Reihe von Ver-
suchen zeigte, nicht ganz 0^02 solcher Theile betrug.
Man hätte die Anwendung dieser Mikrometerschraube
auch ganz umgehen können, da an dem Fernrohre noch ein
Octtlarmikrometer angebracht war. Es wäre allerdings durch
dasselbe eine noch etwas grüfsere Schärfe zu erzielen ge-
wesen; es zeigte sich indessen, dafs bei der geringen Ent-
fernung des Objectes eine sehr kleine Aendernng dieser
Entfernung schon von nicht mehr zu vernachlässigendaä
Einflüsse auf den Werth eines Mikrometertheiles war. Da
nun, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich, das Schrau«
benmikrometer der Säule eine mehr als hinreichende Ge-
nauigkeit zuliefB, so wurde von dem Ocularmikrometer gar
kein Gebrauch gemacht.
Es bleibt nun nur noch die Messung der Temperata-
67
ren zu erwähnen. Da» in jeier Blecbrdhre befindliche Was-
ser konnte, auch wenn die Barometer eingesenkt waren,
nrittekt eines kreisförmigen^ in der Mitte für den Barome-
ter mit einem Loche versehenen, Brettdiens dorch Auf- and
Niederbewegen dieses letzteren ungerührt werden. Die
beiden Thermoter waren' an diese Brettchen befestigt, and
kamen also bei jedem Umrühren mit der ganzen Wasser-
menge in Berührung, so dafs die von ihnen angegebene Tcfkn«
peratur wohl sicher als die mittlere der ganzen Flüssigkeits*
Säule 'angesehen werden konnte. In das Geflifs mit dem
wärmeren Wasser war aofserdem noch ein zweites Ther-
mometer eingetaucht, das ebenfalls bei jeder Beobachtung
abgelesen wurde. Dieses letztere war ein anter Berück-
sichtigung aller Correctionen nach der BessePscben Methode
genau calibrirtes Instrument, dessen Angaben als die nor-
malen angesehen wurden f die Ablesungen der beiden übri-
gen wurden durch Yerg^eicbungen in Wasser, deren Re«
sttltate weiter unten folgen, auf die des ersteren reducirt*
Das Normalthermometer hatte eine messingene Scale, wäh-
rend die Theilung der beiden andern auf der Röhre selbst
befindlidi war. Alle drei hatten willkührliche, jedoch so
feine Theikingen, dafs ein Hnnderttheil eines wahren Cen^
tesimalgrades mit ziemlicher Sicherheit noch geschätzt wer-
den konnte.
§•3.
Die Beobachtungen wurden an diesem Apparate in (oU
der Weise angestellt:
Nachdem mittelst des Niveaus die Stahlsäule vertical ge-
stellt war, wurden die beiden Blechr^tfiren in gleiche Entfer-
mmgen von derselben und dadurch ebenfalls in eine lothrechte
Lage gebracht. In aller Schärfe war der Vollzug dieser Ope-
ration nicht nothwendig, weil^ auch wenn die Comparator-
sänle oder die Barometer nicht rertical gestellt gewesen
wären, doch nur dann ein Fehler in der Messung der ab*
soluten Barometerhöhe begangen worden wäre, wem die
Gestalt der Quecksilberkuppe am oberen und unteraii Ni-
▼eau nicht krumme Oberflächen derselben Art wänm, odeir
5*
68
I
bei einer geuefgten Lage der Barometer diese Kappe an
beiden Niveaus nicht gleichmSfsig ihre Gestalt Sfnderte.
(Durch eine Abweichung der Comparatorsäule von der
Terticalen wäre aufserdem wegen der dann stattfindenden
angleichen Entfernung der beiden Quecksilberspiegel der
Deutlichkeit des Bildes im Femrfthre Eintrag geschehen.)
Weil sich wegen etwa vorhandener ungleicher AdhSsion
des Quecksilbers an verschiedenen Stellen der Glasröhre
diese Voraussetzung nicht mit Bestimmtheit machen liefs»
so wurde die Stellung der Comparatorsäule immer bmch-
tigt,' sobald sie mehr als eine Minute von der Vertiacalen
abwich; die lothrechte Lage der Barometer wurde dordi
die schon berichtigte ihrer Blechhüben controlirt, da die
Durchsichten der letzteren so eng waren, dafs man beide
Niveaus des Barometer nicht zugleich beobachten konnte^
wenn die Barometer selbst nicht senkrecht hingen. Als
zweite Controle diente das Fernrohr , indem das obere
und untere Niveau in vollkommen gleicher Schorfe ersdiei-
neu mufsten. Uebrigens zeigte ein Probeversuch , dafs der
durch ein absichtlich sehr bedeutendes SchiefhSngen .der
Barometer entstehende Fehler die Gröfse des auf S. 66 er-
wähnten Einstellungsfehlers nicht fiberstieg. Dafs die op-
tische Axe des Fernrohres auf der Säulenaxe des Compa-
rator senkrecht stehe, ist eine Forderung, der der Mecha-
niker zu genügen hat; das Vorhandensejn dieses Fehlers
konnte aus dem oben beschriebenen Apparate für sich nicht
nachgewiesen werden. Es ist klar, dafs derselbe mit dan
aus einer nicht verticalen Stellung der Säule entspringen-
den zusammenfallt, indem auch bei ihm, da die optische
Axe sich selbst immer parallel bleibt, nur die Gestaltver-
schiedenheit der beiden Quecksilberkuppen in Betracht
kommt. Die Übrigen Fehler, welche vom Fernrohre her-
rühren können, nämlich Parallaxe und Nichthorizontalitit
der Brennpunktfäden wurden ebenfalls vor Beginn der
Beobachtungen möglichst sorgfaltig berichtigt.
Die Messungen selbst wurden folgendermafsen ange-
stellt: Aus den beiden Reservoirs wurden die Blechröhren
69
mit Wasser gefüllt: das rechts befindliche mit Wasser,
das durch längeres Stehen die Zimmertemperatur angenom-
men hatte, während in das Reservoir, welches die Röhre
links speiste, eine beträchtliche Quantität Eis gegeben wurde,
von dem das darübergegossene Wasser erkältet ablief.
(Das Schmelzen des Eises allein ohne Zugabe von Was-
ser hätte allerdings noch etwas niedrigere Temperaturen»
aber nicht eine hinreichende Menge Wasser gegeben.) In
dieser letzteren Röhre wurde vor Beginn jeder Beobach-
tungsreihe das Wasser erst mehrmals gewechselt, um die
Temperatur der Hüllen hinreichend zu erniedrigen. War
dieses geschehen , so wurden sämmtliche Hähne geöffnet,
und so in beiden Blechröhren durch den ununterbrochenen,
gleichmäfsigen Zu- und Abflufs das Wasser in beständiger
Bewegung erhalten, um zu vermeiden, dafs sich das kältere
nach unten senke. Dieser Wechsel fand so schnell statt,
dafs in Zeit einer Viertelstunde etwa ein Kubikfufs Was-
ser aus dem unteren Hahne abflofs. Es wurden nun beide
Barometer senkrecht in das Wasser gehängt, worauf nach
Verlauf von 20 Minuten die Beobachtung damit begann,
dafs mittelst der obenerwähnten Holzstöckchen in beiden
Röhren das Wasser ein paar Male umgeröhrt und die drei
Thermometer abgelesen wurden. Hierauf wurde am Com-
parator der Horizontalfaden des Mikroskopes auf den Theil-
strich der Säule eingestellt, der zunächst Ober dem obe-
ren Niveau eines der beiden Barometer lag, und von dem-
selben an mittelst der Mikrometerschraube noch so weit
herabgemessen, bis der Horizontalfaden des Fernrohres die
Quecksilberkuppe berührte; es wurde dann der Compara-
tor um 180^ gedreht, und ebenso am oberen l^ivieiay des
zweiten Barometer verfahren. Auf dieselbe Weise wurde
der Stand der beiden unteren Niveau's aufgezeichnet, und
sodann nochmals der der beiden oberen. Es wurde dabei
vermieden, den Comparator mit der blofsen Hand zu be-
rühren, um nicht die Temperatur desselben während der
Dauer einer Beobachtung zu ändern; zweitens wurden die
Ablesungen in möglichst gleichen Zeitintervallen gemacht.
70
UniBillelbar nath der %rreii6n Ableiang der oberen Mtveaus
wurde das Wasser beider Blechrdhren Dochmals umgerührt,
und die. Thermometer abermals aufgezeichnet, womit eine
Beobachtung vollendet war. Sie erforderte immer 15 Mi-
nuten Zeit. Es wurden sodann die Barometer in den Biech-
röhren vertauscht, wobei darauf gesehen wurde, beide Ba-
rometer immer so zu h&ngen, dafs sie in jeder ihrer beiden
Lagen dem Ob)ective des Fernrohres dieselbe Seite ihrer
Röhrenwände darboten , und nach 20 Minuten eine neue
Beobachtung genau auf dieselbe Art begonnen, nach deren
Vollendung die beiden Barometer von neuem ihre Plätze
wechselten u. s. w. (Die Zeit von 20 Minuten, welche
dem Barometer gelassen wurde, um die Temperatur des
Wassers anzunehmen, ist hierzu gewifs mehr als hinreichend.
Denn die Versuche von Boeckmann (Gehler X. 474)
beweisen, dafs eine mit Quecksilber gefüllte Glaskugel von
1 Zoll Durchmesser und 0,2 Lin. Wanddicke, die in ein
Wasserbad von + 15^,7 R. getaucht wurde, nur 23 Sekim-
den nölhig hatte, um ihre Temperatur von +60^ auf +30^
zu erniedrigen). Zugleich wurde Sorge getragen, die Beob-
achtungen nur an solchen Tagen anzustellen, an denen die
Aenderungeu des atmosphärischen Druckes möglichst gering
und regelmäfsig waren.
§. 4.
Auf diese Weise wurden folgende vier Reihen von Beob-
achtungen erhalten: ,
1849, August 27, Vorm.
Barom.
Rahre
rechts.
JS[. Th.
No. 1.
Th.
No. %
Barom.
Röhre
lioks.
Th.
No. 3.
I.
M,724
1017,958
68,741
350,10
•
349,75
H- 20,15
20,22
". .
62,712
1019,330
62,762
— 12,42
12,20
II.
59,680
1018,813
59,740
350,05
349,92
20,15
20,21
I.
60,754
lAl6,926
60,730
13,17
12,05
I.
58,561
1017,442
58,583
349,50
349,20
20,24
20,36
II.
63,089
1019,191
63,072
12,99
12,78
71
Barom.
Rühre
rechu.
N. Th.
No. 1.
Th.
No. 2.
Barom.
Röhre
link«.
Th.
No. 3.
11.
59,844
1019,048 ')
59,964
348,75
348.50
-h20,45
20,50
1.
61,518
1017.530
61,545
-ii,»r
12,76
I.
58,487
1016,963
58,495
348,40
348.20
20.53
20,63
II.
63.164
1018.929
63,138
12,72
12,59
11.
59,726
1018,091
59,731
348.10
347.50
20,63
20,75
I.
•
61.SF12
1017,120
61,533
12,40
12.28
I.
II.
I.
u.
I.
II.
I.
II.
I.
1849 August 30, Vorm.
60,610
1016,353
60,565
61.230
1016.989
61,210
60,737
1016.558
60.728
61.216
1016.663
61,252
60,971
1016.460
60.929
61.147
1016.518
61.163
60,971
1016,386
60.980
61.099
1016,^7
61.115
57.421
1019.065
57,374
345.55
345.45
-h21,23
21,26
11.
345.50
21,25
I.
345.30
21,27
345.38
344,92
21,26
21,34
II.
344,80
21,43
I.
344.60
21.48
344.70
344.35
21,45
21,53
•
II.
344,15
21.58
I.
344.02
21,64
343.45
343,40
21.69
21.74
II.
343,28
21,79
I.
342.65
21.94
1849 September 4 , Vorm.
342.90
-h 21,91
n.
342.70
21,93
64,265
10^7,001
64,301
- 14.12
14,19
63,930
1016,625
63,952
14,20
14,58
64,371
1017,057
64,393
14,15
14,39
64,084
1016,469
64.122
14,56
14,61
64,514
1016.922
64,597
14,08
15,01
64,534
1016,732
64.502
14,01
13.64
64,634
1016,87&
64.634
14,32
14,02
64,S42
1016,638
64.522
13,86
13,46
•
59,722
1018.188
69,721
- 12,76
13,06
1) Hier wurde h5chn wahrscheinlich eia falscher Nonius ri>gelesen.
72
Barom.
Röhre
rechts.
N. Th.
No. 1.
Th.
No. 2.
Barom.
Röhre
link«.
Th.
l^o. 3.
— 13,16
14,22
14,16
14,11
13,59
13,38
13^59
13,68
13,58
13,78
13,60
13^79
-13,09
14,74
13,98
14,17
14,01
13,98
13,59
13,38
13,79
13,81
13,37
13,68
13^41
13,78
II.
I.
II.
I.
n.
I.
I.
n.
I.
n.
I.
n.
58,046
1019,788
58,066
57,236
1018,997
57,283
57,756
1019,437
57,727
57,476
1018,992
57,461
57,626
1018,959
57,667
57,735
1019,085
57,800
342,55
342,45
342,35
342,10
341,65
341,35
341,12
340,07
340,65
340,25
339,95
339,45
+21,98
22,00
22,01
22,06
22,16
22,21
22,27
22,40
22,47
22,50
22,56
22,67
I.
II.
I.
IL
I.
IL
61,220
1019,679
61,198
61,557
1020,056
61,579
61,174
1019,704
61,185
61,596
1020,015
61,632
61,500
1019,595
61,554
61,782
1019,811
61,853
I.
58,174
1017,919
58,189
57,502
1017,380
57,533
58,442
1018,282
58,430
58<695
1018,529
58,754
58,294
1018,019
58,300
58,631
1018,327
58,634
58,420
1018,264
58,476
1849 September 5, yorm.
339,55
339,25
+22,62
22,73
IL
339,08
22,76
I.
338,60
22,90
338,45
338,18
22,95
23,02
IL
337,40
23,16
I.
337,05
23,26
336,60
336,45
23,35
23,37
IL
336,15
23,50
i
335,75
23,54
I.
335,55
335,25
23,60
23,70
IL
62,135
1018,475
62,150
62,050
1018,522
62,135
62,488
1018,825
62,510
62,275
1018,778
62,327
62,689
1018,896
62,678
62,391
1018,824
62,422
62,522
1018,820
62,574
N. Tl..
No. 1.
Tl..
N<,.a.
Barom.
tUSbn
linb.
N. Th.
68,191
II. 1017,821
68,210
335,06
3w,eo
+23.75
23,85
I.
d3,7&0
1018,987
62,760
13,52
13,54
§. 5.
Zur Redaction dieser BeobachfuDgen dieDea die hier
foIgendeD Tabellen. Durch die drei ersten werden die
Ablesungen der Thennometer auf nabre Grade der hun-
dertlheiligen Scale gebracht, wobei, wie schon erwähnt
wurde, das mit N. Tb. No. i. bezeichnete Thermometer ein
onmiltelbar durch Rechnnng corrigirtes ist, wShreud die bei-
den andern durch Vergleichnngeo in Wasser aaf dasselbe
redudrt wurden. Um nicht eine zu grobe Menge von Zah-
len auf einander zuhSufen, folgen hier unmittelbar die Re-
sultate dieser Vergleichungen.
Able- TempcraJ
MU^. tar C. I
Able« Tempera- Able- Tempera-I
Norm.-TbermoDi. No. 1.
I-KM'.OÖ
23,01
23,95
ThertDom. No. a
360 |-|-19°,24|
346 20 ,18
342 I 21 ,12 1
TberoKHii. No. 2.
20,0
+ 19*,04
4-22,0
+2I',03
«1,1
22;s
21,52
21.«
20,04
23,<
22,02
21,5
20 ,U
23,l>
22,52
22,0
21,03
24,0
23,02
-15.00[-M'
14,75 1
14,50 1
14,25 2
14,00 2
13,75
13,60
im
Die nun folgende Tabelle enthält die Uotersucbung der
Comparatortheiluog und Beduction derselben auf die Um-
gänge des Schraubenmikrometers. Es war nSmlich die SSnIe
nicht mittelst dieser Mikrometerechraube selbst, sondern
auf einer geradlinigen Theilmascbine getheilt worden, wes-
halb auch der Werth eines Umganges dieser Schraube und
eines Tbeiles der Säule nicht identisch sind. Da für die
Untersuchung der Schraube selbst an dem Apparate keine
Vorrichtung angebracht war, so wurde dieselbe als richtig
74
angenommen I and die ganze Länge der Säule in Unterab-
theilongen von je 20 Theilen mit derselben verglichen. Da
die Mikrometerschraube 30 Umgänge zählte, so konnte Jede
einzelne Vergleicbung bei einem anderen Schranbengange
als die vorhergehende begonnen und dadurch wenigstens
ein Theil etwa vorhandener kleiner Fehler der Schraube
hinausgebracht werden. In derjenigen Gegend der Säule,
in welcher die Niveaus beider Barometer lagen ^ wurde
jeder einzelne Theil für sich untersucht. Da diese Theile
für die Beobachtung von bei weitem gröfserer Wichtigkeit
sindy so wurde hier auch die Vergleicbung mit gröCserer
Sorgfalt angestellt, und für jeden Theil sechs Mal wieder-
holt, während die Bestimmung der Theile der Säule, welche
bei den Barometerhöhen immer gemeinschaftlich waren, auf
mindestens drei Yergleichungen beruht. Es ergaben sich
folgende Zahlenwerthe:
Thcil-
strich.
Werth iD SchraubeD-
uiDgSngen.
Theü-
strich.
Werth in Schrauben-
nrogangen.
56
57
58
59
60
61
62
63
64
65
66
1 - 0,0024
0,0052
+ 0,0017
0,0010
0,0057
0,0014
0,0013
0,0043
0,0009
0,0015
1014
1015
1016
1017
1018
1019
1020
1021
1022
1023
1024
1 + 0,0144
-0,0037
0,0012
0,0006
0,0088
0,0203
0,e027
0,0077
0,0012
0,0063
66
100
200
300
400
500
600
34 +0,0559
100 — 0,0286
0,0584
0.0347
0,0810
0,1780
600
700
800
900
1000
1014
100 +0,1528
0,1780
0,1526
0,1223
14 — 0,0390
aus denen man den Werth der Säulenlänge
(66,1014) = 948,946
Schraubenumgängen findet. Der mittlere Fehler für die Mes-
sung eines Stückes von 20 Theilen ist hierbei s ±0^0027,
75
also der mittlere Fehler des ganzen Stückes 66,1014=
±0,019, eine Sicherheit, die mehr als ausreichend ist.
§•6.
Die doppelte Ablesung des oberen Niveaus beider Ba-
rometer geschah, um die Aenderungen des Barometerstan-
des, welche während der Dauer einer Beobachtung durch
Aenderung der Temperatur und des Luftdruckes eintreten
konnten, und die als lineare Function der Zeit betrachtet
werden, zu eliminiren. Denn bezeichnet mau die am An-
fange der Beobachtung gemachte Ablesung des oberen Ni-
veaus mit a+S, wo S diese Aenderung vorstellt, die zweite
mit a — S, so würde eine in der Mitte zwischen beiden
liegende Ablesung den Werth a ergeben; statt dieser wurde
aber der Stand 6 des unteren Niveaus aufgezeichnet. Man
findet also hieraus uod aus der ersten Beobachtung des
oberen Niveaus die ganze Barometerhöhe = a — b+ö, wäh-
rend die Ablesung des unteren, verbunden mit der zweiten
des oberen Niveau, diese Höhe =a — b — S ergiebt. Das
arithmetische Mittel aus beiden ist =a — b und unabhängig
von d; es entspricht der Barometerhöhe, welche in der
Mitte der Beobachtung stattfand. Ebenso wurde aus den
beiden Thermometerablesungen am Anfange und Ende je-
der Beobachtung das arithmetische Mittel genommen, und
auf diese Weise mit Hülfe der im vorigen §. angegebenen
Täfelchen folgende vier Reihen gebildet:
76
§
I
JQ
H
e «^ •*
•IC«
s
CO
CO
c<ico
lA
lAOO
CO i>-
s
SS
a
o
u
0
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COCi
CO in
0)0)
p^O)
CO
CO lA
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Cd 30
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©CO
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p^CO
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©in
© ©
© in
OO)
CO CO
© ©
in «n
©©
CO CO
ö *^
CO in
©©
in in
© ©
77
Es bedeuCeh hier in der Versuchsreihe eines jeden Tages
die Zahlen der ersten Colnmne Umgänge der Mikrometer-
schraube y während die zweite wahre Grade der hundert-
theiligen Scale enthält In zwei zusammengeschriebenen
Horizontalreihen sind die Resulate der gleichzeitigen Able-
sungen beider Barometer und bilden mit einander eine
Beobachtung.
§. 7,
Jede solche Messung einer Barometerhöhe wird durch
die Gleichung repräsentirt:
Lo=L(il+qT)+Q-E,-^D,(il + aT).
Es bezeichnet hierbei:
Lq die unmittelbar gemessene Barometerhöhe ,
L dieselbe absolute Höhe auf die Temperatur 0° re-
ducirt und befreit von allen dem Instrumente anhaftenden
Fehlern, die man als unabhängig von Temperatur und Luft-
druck ansehen kann, wie z. B. Adhäsion und Reibung
des Quecksilbers am Glase, Gapillardepression, Refraction
der Lichtstrahlen in der dem Fernrohre zugewendeten Seite
der Baromeferröhre etc.,
Q die algebraische Summe der Refractionsconstanten der
beiden Plangläser, welche an der dem Fernrohre zugekehrten
Seite der Blechröhre die beiden Durchsichten derselben
Terschliefaen,
q den Ausdehnungscoefficienten des Quecksilbers für 1® C«,
. 7 die beobachtete Temperatur in Centigraden und
Ev die bei dieser Temperatur stattfindende Eiasticität
der in der Torricellischen Leere gebildeten Quecksilber-
dämpfe.
Das zweite subtractive Glied auf der rechten Seite des
Gleichheitszeichens rührt von dem Daseyn einer ganz klei-
nen Luftblase her, die sich am oberen Ende eines je-
den der beiden Barometer bei horizontaler Lage derselben
bemerklich machte, und im Laufe der Beobachtungen aus
dem Quecksilber frei geworden zu sejm iscliien. Es be-
78
deatet in diesem Gliede, das offenbar die Spannkraft der
eingeschlossenen Laft ausdrückt.
Fq das Volamen der eingeschlossenen Luft bei 0^ Temp.
und in horizontaler Lage des Barometer , oder unter dem
Drucke einer Atmosphäre,
V das Volumen derselben Luft in verticaler Lage des
Barometer oder den Bauminhalt der Torricelliscben Leere,
D den Druck einer ganzen Atmosphäre,
a den Ausdehuungscoefficienten der Luft fQr 1° C
Durch unmittelbare Messung wurde Dun gefunden Vq
=0,014, F=6790, wobei vorsätzlich die Dimensionen des
Luftblächeus wohl um das Doppelte zu groEs und der Kürze
wegen in beiden Barometern gleich genommen wurden. Fer-
ner ist a=0,00366 und in runder Zahl Z>=1000, wobei
Vq, V und D in Einheiten der Mikrometerschraube aus-
gedrückt sind. Für die beiden mittleren Temperaturen der
Messungen +20^ und +3^ erhält man hiernach die zu-
gahöfigen Spannkräfte =0,0022 und 0,0020, Gröfsen, welche
man, da bei der Bestimmung von q noch dazu nur ihre
Differenz in Betracht kommen würde, ganz vernachläs-
sigen darf.
Dasselbe gilt von der Spannkraft E% der Quecksilber*
dämpfe. Nach einer von Avogadro aus Versuchen ab-
geleiteten Formel (Poggendorff XXVIL 60) ist nämlidi
log Et = ~ 0,64637 . T+ 0,075»56 . T^ — 0,18452 . JT*
wo als Einheit der Elasticität der atmosphärische Druck
0'",76, als Wärmeeinheit das Temperaturintervall 100® gplt,
und T für Temperaturen unter 100^ positiv zu nehmen ist.
Es findet sich nach dieser Formel:
für r=20o £=0,00000 20360 Millhn.
und für T= 0« E=0,00000 00852 Millim.
beides Gröfscn, deren Berücksichtigung wohl keines unse-
rer Messungsmittel gestatten dürfte.
Bezeichnet man nun speciell bei einem bestimmten Luft*
drucke mit
L und ^ die corrigirten und auf 0^ reducirten Län*
gen der Quecksilbersäulen in den Barometern I u. II.
R und r die oben mit q bezeichnete Grobe resp. f&r
die Röhre rechts mit dem wärmeren and die Röhre links
mit dem kälteren Wasser, so ist also die erste Beobach-
tung einer d^ oben mitgetheilten Versuchsreihen dargestellt
durch die einfache Gleichung
L^=z^ (l + qt^y+r
(Es liegt dieser Formel die Annahme zu Grunde^ dafs das
Quecksilber innerhalb des beobachteten Temperaturinter-
valles ein lineares Ausdehnungsgesetz befolge: eine Hj-
pothese, die auch alle früheren Beobaditer machten und
die för unsere engen Temperaturgräuzen durch Dalong's
und Petit's Beobachtungen auch hinlänglich gerechtfertigt
erscheint.) Vertauscht man die beiden Barometer in den
BlechgefäCsen, so hat man noch
L,=(^ + A)(l + qT,) + R
wo A die auf 0^ reducirte Aenderuug der Barometerhöhe
in der zwischen zwei auf einander folgenden Beobachtun-
gen verflossenen Zeit bedeutet. Eine neue Vertauschung
giebt unter der Annahme, dafs für kurze Zeitintervalle der
Gang des Barometer eine lineare Function der Zeit sey,
ebenso
i, = (L+2A)(l + ?r,) + Ä
aus welchen sechs Gleichungen nun die sechs Unbekann-
ten L, Ay A9 <l9 A und r zu bestimmen sind. Versucht
man diese Bestimmung auf dem gewöhnlichen Wege, so
stöfst man, abgesehen von dem Umstände, dafs die End-
formeln für die Zahlenrechnung zu unbequem würden, auf
manche Schwierigkeiten, die in der Natur der Sache be-
gründet sind und namentlich dann auftreten, wenn man
versucht A und r zu bestimmen, deren Functionalwerthe
als Differenz zweier sehr grofseu, nahe gleichen Gröfsen
auftreten, während ihre Zahlenwerthe selbst natürlich nur
sehr klein sind. Es war deshalb ein indirectes Verfahren
vorzuziehen^ zu dem noch die Kenntnife der Differenz 'Bl-^t
80
wOoscbeDSwerth erschien. Man kann zu derselben leicht
durch unmittelbare Versuche gelangen. Beobachtet und ver*
tauscht man nSmlich die beiden Barometer in den Blech-
röhren, während dieselben mit Wasser von gleidien Tempe-
raturen (Zimmerwärme) gefüllt sind, so hat man in den
ersten vier der vorstehenden Gleichungen nur alle T und t
einander gleich zu setzen, um sie fQr diesen Fall einzu-
richten. Zieht man dann die vierte von der ersten und
die zweite von der dritten ab, und addirt diese Differen-
zen, so erhält man
Es wurde auf diesem Wege diese Constante wirklich be-
stimmt, und es fand sich aus achtzehn Beobachtungen
Ä— r=-h0,120±0,009.
Setzt man nun in den für die eigentlichen Beobachtungen
geltenden Relationen
Ä=4(«.t.ti), r=i(« — ti)
und redudrt die Barometerhöhen auf den während der mitt-
leren Beobachtung stattfindenden Luftdruck i so gehen un-
sere sechs Gleichungen über in
L,=l(l+?r,).i-i(* + w)-A(l + 5fTi)
= (^ + |)(l + gr3) + iw
L4==I(l-i-gr^J+4(« — u)
= Ci+l)Cl + ?^)-i«
= (L.f.4)(i+?T,).*-4w+A(i+?r,)
Le=(^l+?«s) + K«-w) + A(l + «*6)
=(^+|)(l-i-g#,)_4tt+A(H-g<e)
wo also 4 «=+0,060 zunehmen, und nun jL-|-4, -rf+|,
A und q als die neuen Unbekannten anzusehen sind. Die
zweite Transformation der rechten Seite dieser Gleicbun-
gen ist allerdings nicht ganz strenge, indem durch dieselbe
noch
81
noch das Product ^sqt addiit wurde. Es ist dieser Feh-
ler jedoch so geringe dafs man sich denselben fQglich noch
gestatten kann. Denn nimmt man ^=20, q^zj-^^^j^ und
macht für die geschliffenen Gläser gewifs eine höchst un-
wahrscheinKche Anuabmejß-H*oder« = l, so wird isqtzzz-^^
Umgang der Mikrometerschraube, während der mittlere Ein-
stellungsfehler nach S. 66 ungefähr = ^V ist«
Uebrigens hätte sich diese Willkühr durch directe Be^
Stimmung von R und r auch umgehen lassen. Man hätte
nämlich z. B. den Werth einer bekannten Anzahl von Um-
gängen der Mikrometerschraube an einer getheilten Scale
ablesen können, die hinter den Glasplatten angebracht wor*
den wäre. . Man hätte dann die letzteren weggenommen,
und dieselbe Anzahl von Theilen des Schraubeumikromelers
von neuem durch die getheilte Scale bestimmt, wodurch
sich die - Prismacität jeder Glasplatte unmittelbar erge-
ben hätte.
Da jedoch die Glasplatten nicht zum Abnehmen einge-
richtet waren, nnd der so begangene Fehler so unbedeu-
tend ist, so wurden, um die einfache Idee des Apparates
durch das Hineinbringen fremder Elemente nicht zu com-
pliciren, diese Bestimmungen ganz unterlassen.
§. 8.
Aus den Gleidiungen des vorigen §. ergiebt sich nun
unmittelbar:
welche Relationen zur Bestimmung der vier Unbekannten
in der Art benutzt wurden, dafs man zuerst mit einem ge-
näherten Werthe von q — etwa dem von Dulong und
Pog^eDdor^Ts Aimal. Bd. LXXX. 6
82
Petit gelandcn — diese Tier Fomdln dkirdiredin^e, mit
dem so erhalteoen neuen q die Redinong wiederholte n. s. w^
bis sich für 9 keine Aendemng mekr ergab. Gewöhnlich
war dieCs schon bei der dritten Wiederholong der Recfannog
der FaU.
Da nur Tier Unbekannte za bestimmen sind, so sind
eigentlich zwei der gebrauchten sechs Relationen Qberzihli^
Ich zog es jedoch tot, sSmmtUche sechs Gleichungen za
der Bestimmung auzuwend^i, da. wie wir sogleich sdien
werden, einerseils durch diese fiberzählig beigezogenen Glei-
chungen keine Bestimmung Terloren geht, und andererseiti
durch dieselben eine etwas schnellere Approximation und
schon bei der Berechnung jedes Versuches selbst eine Art
von Ausgleichung der unTeimeidlichen Beobachtungsfehler
möglich wird«
Da nimlichy wie die auf S. 76 gemachte Zusammenstel-
lung zeigt« sich die Temperatur des wSrmeren Wassers nor
sehr lan^m und regelmSlsig andntc^ so redudrte ich, ehe
ich mit der Berechnun;? der einzdnen im Laufe eines Vor-
mittags angesteUtea Versuche begann, erst alle im wSrme-
ren Wasser gemeä^^enen Barometerhöhen durch' ein vorlfio-
figes q. dessen Werth hiebei ziemlich gleichgültig ist, anf
eine und dieselbe mittlere Temperatur, und bestimmte so
den Gang eines jeden der beiden Barometer und aus })ei-
deo durch Interpolation die mittlere Aenderung des Luft-
druckes während der ganzen Beobachtungszeit. Zeigte sich
nun bei der Berechnung eines jeden eizelnen Versuches
eine Abweichung in den V^'erthen tou £, uf oder A ▼on
den nüttlcron, durch Interpolation gefunden, so benutzte
ich die zwei Bestimmungen, weldie mir das angewandte
Svi^tom von sechs Gleichungen noch gestattete, in der Art,
dafs ich diejenigen der obigen drei GrOfsen, welche den
grOlVlen Beobachtungsfehler vermuthen liefscn, noch einmal
AUS den noch nicht benutzten Gleichungen berechnete, wozn
»\v\\ den oben angegebenen analoge Relationen ergeben;
dn8 nrilhmctische Mittel aus diesem neuen und dem zuerst
(gefundenen Werthc galt dann für die Fortsetzung der Rech-
nang als der wahre Werth der fraglichen GrObe. Bei zwei
Versachen am 4. und 5. September kam es vor, dafs wäh-
rend der Dauer des Versuchs die Aenderung des Lnftdruckes
eine Maximumstelle erreichte, d. h. vom Wachsen ins Ab-
nehmen überging. Da unsere Formel, ihrer Construction
nach, diesen Fall ausscblieCsen, so konnte die Unbekannte A
aus denselben gar nicht berechnet werden, und es wurde
zur Reduction dieser beiden Versuche blofs der durdi In-
terpolation gefundene Werth benutzt.
"War auf diese Weise die Berechnung eines Versuches
beendigt, so wurde das für den nächstfolgenden dienende
Sjstem von Gleichungen dadurch gebildet, dafs von eben
gebrauchten die beiden ersten Gleichungen weggelassen und
statt derselben die zwei nächstfolgenden unten angereiht
wurden, worauf wieder aus den beiden mittleren der Werth
von q berechnet wurde. Aus dem ersten und letzten Sy«
Sterne der Versudisreihe eines jeden Tages wurden immer
zwei Werthe von q bestimmt, um keine Beobachtung un-
benutzt verloren gehen zu lassen. Man hat dazu die beiden
Formeln
und
^ — (L+i-J)(T,-#a)-#,lU-l-|)-(L-l-|)]
^ — (L+H-^)(T5-f.)-f6[(^-M)-(I'-f-|)]
wo die erste für den Anfang, die zweite für das Ende je-
der Versuchsreihe zu benutzen ist.
Es dürfte kaum nöthig seyn, zu bemerken, dafs alle
diese Formeln nur für den Fall gelten, in dem das Wech-
seln der Barometer in den Blechröhren in der bei Herlei-
tung der Formeln angenommenen Reihenfolge vorgenommen
wurde, nämlich für den Fall,, in welchem bei der ersten
Beobachtung das Barometer I. sich in der Röhre mit wär-
meren Wasser befand. Für den folgenden Versuch, bei
dem das Barometer II. zuerst in dem Gefilfse abgelesen
wurde, werden die Formeln gültig, wenn man in dem^elböü
fiberall L mit ji vertauscht.
6*
84
§.9.
Nach diesen Formelo wurden nun aus den auf S. 76
mitgetheillcn Versuchsreihen folgende Werlhe von q be-
rechnet:
Aug. 27.
Aug.. 30.
I.
0,00017720
17738
II.
17245
III.
—
IV.
16786
17483
I.
17023
16665
II.
18200
III.
17715
IV.
16763
V.
16497
VL
17350
16499
— Sept. 4.
Sept. 5.
I.
0,00017832
18333
IL
17748
lU.
17335
IV.
17050
V.
17006
17729
i.
18206
17370
II.
17460
III.
18010
IV.
16756
V.
17694
VI.
17880
17248
wobei die römischen Zahlen die fortlaufende Nummer iet
einzelnen Versuche an jedem Vormittage vorstellen. Der
dritte Versuch am 27. August wurde wegen der auf S. 71
als zweifelhaft bezeichneten Beobachtung ganz weggelassen.
Nimmt man nun die vorstehenden 28 Werthe von q zu-
sammen, so ergiebt sich
q = 0,00017405 =!= 0,00000082
oder
'~574MV* "" 212)'
Nach Dulong und Petit wäre
9 =
1
5550
= 0,00018028
so dafs also ihr Werth sich um mehr als das Siebenfache
des mittleren Fehlers von vorstehender Bestimmung entfernt
Unser neu gefundener Werth stimmt fast vollkommen mit
dem überein, den Poggendorff vorläuBg (vergl. S. 62)
wegen einer an Dulong's und Petit's Beobachtungen
nöthigen Correction als den wahrscheinlichen angab, so dals
85
die BestimmuDg der beiden franztfsischai Physiker der ohhn-
stehenden selbst als Bestätigung dient.
§. 10.
Die aus den einzelnen Versuchen berechneten Werthe
von q zeigen allerdings nicht ganz unbeträchtliche Abwei^
diungen vom Mittel, jedoch in der Art, dafs sich ein con->
stanter Fehler in denselben nicht vermuthen läfsh Als Grund
dieser Abweichungen lassen sich hauptsächlich drei Umstände
hervorheben.
Die erste Fehlerquelle dQrfte in einer Unsicherheit über
die jedesmalige Temperatur der Barometer im Gefäfse links
zu suchen seyn. Die oben angegebenen Beobachtungen
zeigen, dafs in demselben das Wässer, trotz aller angewand-
ten Sorgfalt, beständigen Wänneänderungen ausgesetzt war,
die während der Dauer einer Beobachtung in einzelnen
Fällen fast die Gröfse eines Grades erreichten. Konnte
nun auch mittelst des eingetauchten Thermometers die mo-
mentane Temperatur der Wassersäule sehr sicher gemessen
werden, so läCst sich doch nicht mit gleicher Sicherheit be-
haupten, dafs dieselbe gleichzeitig auch für das Quecksil-
ber im eingetauchten Barometer gelte, da letzteres immer
eine gewisse, wenn auch nur sehr kleine, Zeit brauchte,
um die Temperatur des umgebenden Mediums anzunehmen.
Der Einflufs dieses Fehlers auf die absolute Hohe der Queck-
silbersäule wird durch das Product Lq.^t dargestellt, wo
L die gemessene Barometerhöhe, ^t die Differenz der wirk-
lichen Temperatur des Quecksilbers und der abgelesenen
Wassertemperatur bezeichnet. Macht man die gewiCs über-
triebene Annahme A^=Ö%1,X = 10(M), so ist Lq.^tz=z^^,
also ungefähr dem mittleren Einstellungsfebler gleich.
(Man könnte gegen unsere zur Bestimmung von q an-
gewandte Methode einwenden, dafs dieselbe doch auch von
der Ausdehnung des Glases abhänge, da die Temperaturen
durch Glasthermometer gemessen wurden, deren Gefaise
sich gleichzeitig mit dem Quecksilber ausdehnen. Dieser
86
Einwtnd ist allerdiDga richtig, aber von durchaiis keinem
Einflufse auf uuser Resultat, wie das eb» angegebene Pro-
duct Lq.^i zeigt. Die Correction, welche wegen der Aus-
dehnung des Glases an den Thermometern anzubringen und
bei den zu den Beobachtungen gebrauchten auch sorgfilltig
berflcksicht ist, betrSgt nSmlich für die höchste Torkom*
raende Temperatur 4-25"* nur 0.05 Centesimalgrade. H&tte
man dieselbe nun auch ganz vernarhUisirigt» so wire die ab-
solute L&nge der Quecksilbersiule doch nur um 0,009 Um-
gang der Mikrometerschraube zu grofs bestimmt worden:
eine GrOCse, die vom mittlerca Abicsongsfehler noch weit
übertroiTen wird\
Die zweite Uncenauickeit, welche in der bei der Be-
rechnuug der Verbuche gemachten Annahm^ U^gt, dab der
atmosphärische Druck während der Dauer eines Yersudies
sich nach einem linearen Gesetz ändere, hoffe ich durch
die weiter oben beschriebene Rechnnngsmethode mOglicfast
uuschSdlich gemacht zu haben.
Von grö&erem Einflute könnte ein anderer umstand
si^vu, der mir auch Ton etwas alLecseinerem Interesse
£u sevn scheint Der gebrauchte Apparat war zuerst mit
zwei audem Barometern Tersehen, derai Einriditnng von
der auf S. 64 beschriebenen nur darin abwich, dab das Ca-
liber der Röhren in der Gegend der beiden Qnecksilber-
Spiegel etwa am eine par. Lin. geringer war, und vom un-
teren NiTcau.an die Verlängerung des offoen Sdienkels sidi
wieder bis auf anderthalb Linien Terengte, oben noch recht-
winkelig gebogen war und aUo in einer horizontalen Röhre
Ton ungefähr sechs Zoll Länge endigte. Ich hatte mit die-
sen Barometern schon eine beträchtliche Anzahl sorgfältiger
Versuche gemacht, als sich bei ihrer später begonnenoi
Berechnung zeigte, dafs sie in gar keine Uebereinstimmnng
miteinander zu bringen waren. Ein näheres Eingdien aof
die Sache liefs bald den Grund dieser Widerspilldie er-
kennen, der durch folgende, zu diesem Behufe angestellte,
Versuchsreihe klar in die Augen fallen wird:
GefS(s recLu.
87
GefÜfs links.
1 Norm. Bar.
m d. Luft.
Bar. IL
N.Th.No.l
Bar. I.
Th. No. 4. Bar.
Th. a. B.
1008,229
62^73
1008,171
367,60
367,45
367,33
1008,229
62,633
1008,171
+5,68
5,67
5,67
316,35
316,05
R.
+ 13,9
13,9
Bar. If. wurde nun aus MtnetD Gcfalse genommen, horizontal gelegt und lu
dasselbe Gefafs turuckgehangt. Bar. I. nicht berührU
1008,086
62,238
1008,059
367,20
1008.086
5,68
315,77
367,15
62,678
5,68
367,10
1008,059
5,69
315,73
14,0
14,1
1008,008
366,95
1008,008
5,68
315,72
62,321
367,00
63,409
5,68
1006,091
UM CM
1008,091
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Nun ebenso mit Bar. L verfibren, wShrcnd Bar. IL unberührt gelassen
wurde.
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Man sieht also, dafs keiner der beiden Barometer auf sei-
nen vorigen Stand zurückkam, wenn man ihn einer Lagen-
Veränderung unterworfen hatte. Die dadurch entstehenden
Unterschiede der absoluten Höhen lyurden manchmal gröfser
^ TXT P^r. Lin. gefunden.
Ueber den Grund dieser auffallenden Erscheinung, die
meines Wissens noch nicht näher bertihrt wurde, könnte
man etwa die Vermuthung aufstellen, dafs bei der beträcht-
lichen Verlängerung des offenen Schenkels die Reibung der
Luft gegen die Wände der Röhre in einem solchen Grade
zunähme, dafs durch das Spiel der Quecksilbersäule die
im offenen Schenkel enthaltene Luft mit der äufseren nicht
mehr im Gleichgewicht bliebe, welcher Zustand sich dann
nothwendig in der Höhe des Barometerstandes äufsem mfifste«
Es wäre aber auch recht leicht denkbar, dafs durch die
Oxydschicht, welche sich' bei jedem Heberbarometer nach
kurzer Zeit des Gebrauches an den Röhrenwänden in der
Gegend des unteren Niveaus ansetzt, die Reibung und Ad-
häsion des Quecksilbers hier so vermehrt werde, dafs sie
kleinen Aenderungen des Luftdruckes das Gleichgewicht zu
halten vermögen. Möglich auch, dafs dieser und der vOr-
hererwähnte Umstand zusammen auf die Barometerhöhe ei-
88
nen Einfluts aasüben. Es scheint wenigstens aus der vor-
stehenden Beobachtungsreihe klar herTorzugehen , dafs för
genaue Messungen des Luftdruckes die Gefä^barometer den
heberförmigen voranstehen dürften.
Die beiden, auf die hier initgetheilte Wahrnehmung hin,
für unseren Beobachtungsapparat neu angefertigten Barome-
ter wurden zwar vor Beginn der Messung erst mehrere Tage
hindurch einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, und liefsen
in dieser Beziehung mit Bestimmtheit keinen Fehler erken-
nen; es läfst sich indessen auch nicht mit Zuverlässigkeit
behaupten, dafs derselbe gar nicht vorhanden gewesen wSre,
und nicht wenigstens von einem Theile der Abweichungen
der Einzelnwerthe unseres q die Schuld trüge«
§. 11.
Da der neue Wertb von q von dem seither als richtig
angenommenen so bedeutend abweicht, so schien es nicht
unzweckmäfsig, mittelst desselben eine neue Reductionsta-
fei für das Barometer zu berechnen, welche hier noch im
Anhange folgt. Sie gilt für ein Barometer mit der Mes-
singscaie, die nach par. Linien getheilt ist, und ist nach
dem bekannten Ausdraoke
|(g— m)<+|.13w .
berechnet, in welchem
h die abgelesene Barometerhöhe >
t die Temperatur in Reaumur'schen Graden
q =0,00017405 den Ausdehnungsco^fficienten des Queck-
silbers für 1<> C. und
m =0,00018785 den AusdehnnngscoSfficicnten des Mes-
sings für l'^ C.
bedeutet. Es wird dann die abgelesene Barometerhöhe auf
die Temperatur 0'^ reducirt, wenn man vorstehenden Aus-
druck mit seinem Vorzeichen nach Einsetzung der Zahleii-
werlhe zu derselben addirt.
Die Tafel ist natürlich auch für metrische und nach
englischem Maafse getheilte Barometer mit Centesimal- oder
Fahrenheit'sche Thermometer gültig, wenn man nur vor-
her die Temperaturen in Beaumur'schen Graden und die
Barometerhöbeu in par. Liu. ausdrückt. Die zu dieser Um-
wandlung nöthigen Tafeln finden sich in Schumacjier's
astronom. Jahrb. 1844. S. 78 ff.
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iV. Veber die quanlUatice Bestimmung der unor-
gamschen Besiandiheile in den organischen Sub-
stanzen; con Heinrich Rose.
ilachdem man, besonders durch den Einflafs von Liebig's
Bemühungen, die unorganischen Bestandtheile in den organi-
schen Körpern mit gröfserer Sorgfalt als früher zu bestim-
men suchte, überzeugte man sich Ton der Schwierigkeit die-
ser Unlersndiungen. Die Zerstörung einer anberordentlich
grofsen Menge von organisdier Substanz gelingt, wenn die-
selbe nur sehr geringe Mengen unorganischer Bestandtheile
enthält, und wenn sie durch die erste Elinwirkung der Hitze
schmilzt, oft nur bei einer sehr hohen Temperatur, durch
welche gewisse unorganische Bestandtheile theils TerflOch-
ti£t, theils wesentlich in ihrer Zusammensetzung verändert
werden. Deshalb weichen die Asdienanaljsen von densel-
ben organischen Körpern, welche von verschiedenen ganz
zuverlässigen Chemikern angestellt worden sind, oft ganz
aufserordentlicb von einander ab, und diesi»' Mangel an
Uebereinstimmung rührt weniger von einem Mangel an Ge-
nauigkeit und an Umsicht her, als von der Anwendung ver-
schiedener 3Ielhoden.
ich habe vor einiger Zeit eine Methode der Untersudinng
der unorganischen Bestandtheile in den organischen Sub-
stanzen veröffentlicht, die mir die wesentlichsten Mängel
der gebräuchlichen SIethoden nicht zu haben sdiien. Sie
^rundete sich darauf, dafs die organische Substanz bei ge-
ringer Hitze verkohlt, die verkohlte Masse erst mit Was-
ser, und dann mit Chlorwasserstofkäure ausgekodit, und
dafs endlich die durch Auflösungsmittel erschöpfte Kohle,
mit Platiuchlorid befeuchtet, beim Zutritt der Luft ver-
braunt wird, was in den meisten Fällen bei nicht sehr ho-
her Temperatur sich ausfuhren läCst. Ich zeigte, da(s die
verschiedenen organischen Subztanzen hierbei ein wesent-
lich verschiedenes Verhalten zeigen, daCs nämlich aus dnigen
95
die unorganischen Bestandtheile fast vollständig durch die
Auflösungsmittel ausgezogen werden können, ii?ährend dafs
man bei andern diefs nur in einem geringen MaaCse be-
werkstelligen kann.
Die vorgeschlagene Methode erfüllt ihren Zweck bis zu
einem gewissen Grade. Sorgfältig angestellte Versuche ha-
ben gezeigt; dafs die Endresultate der Untersuchung nach
dieser Methode, von verschiedenen Chemikern ausgeführt,
sehr genau übereinstimmen können. Allein dennoch hat
auch diese Methode ihre Mängel, welche im Laufe dieser
Abhandlung, in welcher ich eine Modification derselben aus-
führlich beschreiben werde, berührt werden sollen.
Nach dieser veränderten Methode werden die organi-
schen Substanzen, wie bei der altern, auch erst bei gelin«
der Hitze verkohlt. Diefs geschieht, wie es früher beschrie-
ben ist, in einem Thontiegel oder, wenn sie nur ein ge-
ringes Volumen einnehmen, in einem etwas grofsen Platintie-
gel« Kommt es besonders darauf an, in der Kohle einen
Gehalt an Kieselsäure nachzuweisen, so darf man sich zur
Verkohlung nur eines Platiutiegels bedienen; denn bei An-
wendung eines hessischen Tiegels oder eines andern Thon-
tiegels kann leicht von der Masse des Tiegels etwas abge-
rieben werden, und sich mit der verkohlten Substanz men-
gen, besonders wenn man animalische Substanzen, die bei
höherer Temperatur schmelzen, verkohlt.
Flüssige animalische Substanzen, wie Milch, Galle, Blut
u. 8. w. müssen zuerst in einer Porcellanschale zur Trocknifs
abgedampft werden. Um den Wassergehalt dieser Substan-
zen zu erfahren, dampft man eine gewogene Quantität der-
selben, im Wasserbade zur TrockniCs ab, und erhitzt sie
so lange bei 100^ C. bis sie nichts mehr an Gewicht ver-
liert. Die getrockneten Rückstände einiger Substanzen (na-
mentlich der sogenannten Proteinkörper) nehmen dabei eine
knorpelartige Beschaffenheit an, wie z. B. das Eiweifs und
das Blutserum. Es ist bei diesen schwer alles Wasser aus-
zutreiben. Man mufs daher beim Eindampfen die Masse
so viel wie möglich zu zerkleinem suchen ; denn die spröde
96
Masse im Mörser zu zerreiben, ist oft nicht ohne Verlust
möglidi.
Bei der Verkohlung einiger thierischen Substanzen fin-
det oft die grofse Unannehmlichkeit statt, dafs die Masse
stark schäumt und leicht aus dem Tiegel steigt. In diesem
Falle darf man nur kleine Mengen der Substanz in den
Tiegel tragen und verkohlen. Bequemer ist es dann, die
Substanzen, welche bei erhöhter Tmnperatur schmelzen,
zuerst in einer Platinschale unter beständigen Umröhren
so lange zu erhitzen, bis sie ihren flüssigen Zustand ganz
verloren haben, und die organische Materie zum gröbten
Theil schon zerstört ist. Der verkohlte Rückstand wird
dann in einen Platintiegel oder auch jetzt ohne Nachtheil in
einen Thontiegel gebracht, und mit gut aufgelegtem Deckel,
im ersten Falle über der Spirituslampe mit doppeltem Luft-
zuge, im letzten Falle zwischen Kohlenfeuer bis zur dun-
kelsten Rothgluht erhitzt«
Bei der Verkohlung der meisten Pflanzensubstanzeo,
namentlich der Saamen und der Stroharten sind diese Vor-
sichtsmafsregeln nicht nöthig, da diese bei der VerkohloDg
nicht schmelzen, und meistentheils ihre Structur bebalten.
Auch die Pflanzensubstanzen werden einer Temperatur
von 100° C. ausgesetzt, um den Wassergehalt in ihnen zu
bestimmen. Es versteht sich, dafs man eigentlich nur nO«
thig hat, einen Theil dazu zu verwenden. Sie können dann
ohne Nachtheil in einem Thontiegel verkohlt, und nadi der
Verkohlung mit Leichtigkeit aus dem Tiegel geschüttet wer-
den, ohne dafs etwas von der Substanz an den Wänden
des Tiegels haften bleibt, und abgerieben werden muls.
Vor der Verkohlung von Pflanzensubstanzen , nament-
lich von kleinen Saamenkömern, mub man dieselben aufs
sorgfältigste von dem beigemengten Sande zu reinigen su-
chen, da dieser bei der Einäscherung auf die BestandtheOe
der Asche zersetzend einwirken, und zu ungenauen Resul-
taten Veranlassung geben kann.
Dieses Reinigen der Saamenkörner ist bisweilen mit
grofsen Schwierigkeiten verknüpft, da die äufsere Hfille oft
mit
97
mit einem ganz feinen Sande, oder mit Thon so impräg-
nirt ist, dafs sie nur schwer davon zu befreien sind. Es
ist diefs namentlich beim Rapssaamen und anderen sehr klei-*
neu Saamenkörnern der Fall. Am besten gelingt diese Rei-
nigung vom Sande oder vom Thon, wenn man die Saamen-
körner in einem Becherglase mit einer nicht zu grofseu Menge
destillirten Wassers übergicfst, einige Augenblicke mit ei-
nen Glasstab gut umrührt und dann auf ein etwas weit-
löcheriges Sieb bringt, das den feinen Sand durchlaufen
läfst, die Saamenkörner aber zurückbehält. Man mufs diese
Operation noch einige Male wiederholen, aber nie dabei
die Kömer lange Zeit mit dem Wasser in Berührung las-
sen, weil sonst aus ihnen auflösliche Salze könnten ausge-
zogen werden« Man bringt dann den Saamen auf ein lei-
nenes Tuch und reibt ihn zwischen demselben, wodurch
noch feiner an den Körnern haftender Sand fortgenommen
wird. Der so gereinigte Saamen ist jetzt fast vollständig
rein von fremden Beimengungen. Nach dem Trocknen wird
er verkohlt.
Bei der beschriebenen Operation wird man sich tiber-
zeugen, mit was für einer aufserordentlich grofseu Menge
von Sand und Thoü, die sich oft als eine dicke Schicht
in dem Wasser absetzt, die Saamenkörner verunreinigt sind.
Unterläfst man diese Reinigung, so findet man bei der
Unter3uchung der Asche oft so grofse Quantitäten von Kie-
selsäure und bisweilen auch Thonerde, dafs die erhalteneu
Resultate dadurch ganz werthlos werden. Die grofse Ver-
schiedenheit hinsichtlich des Kieselsäuregehalts der Asche
einiger organischer Substanzen, die von verschiedenen Che-
mikern untersucht worden sind, mag wenigstens zum Thcil
diesem Umstände zugeschrieben werden. Auch wenn von
einigen Chemikern Thonerde in der Asche von Pflanzen
angegeben wird, so ist wahrscheinlich eine Verunreinigung
derselben mit Thon die Ursache davon.
Bei der Untersuchung der Asche eines Rapssaameus,
der nicht auf die so eben angeführte Weise gewaschen,
sondern auf andere Weise sorgfältig vom Sand getrennt
PoggendorCTs Annal. Bd. LXXX. «
98
worden war, und der für hinreichend rein gehalten wurde,
da er in einem Beutel durch Schlagen desselben abgestäubt,
darauf gesiebt, und dann noch von gröfsercn Sandkömero
und andern fremdartigen Beimengungen sorgfältig ausgesucht
worden war, gab die erhaltene Asche bei Anwendung von
300 Grm. Saamenkörncrn 23,689 Grm. eines ganz feinen San-
des. Unter den Bestandtheilen der Asche wurden 4,36 Prot.
Eisenoxjrd, 4,32 Proc. Thonerde und 5,55 Proc. Kieselsäure
gefunden. Nachdem aber bei einer Wiederholung der Ana-
lyse der Saamen durch Waschen auf die oben angeführte
Weise gereinigt worden war, gab die Asche 0,63 Proc. Elisen-
oxjrd und 0,91 Proc. Kieselsäure und gar keine Thonerde.
Erhält man beim Auflösen einer Asche in Säuren einen
bedeutenden Rückstand von Sand, so kann man mit Sicher-
heit annehmen, dafs die erhaltenen Resultate kein grofses
Vertrauen verdienen.
Zur Untersuchung der Asche von Pflanzensubstanzen,
reicht in den meisten Fällen eine Menge von 100 Grm. hin,
und auch diese Quantität ist bisweilen schon überflüssig
grofs: Nur in manchen Fällen ist es bequem, grödBere
Mengen von Asche zur Verfügung zu haben, um einzelne
Bestandlheile aus verschiedenen Mengen von Asche bestim-
men zu können.
Bei der Untersuchung animalischer Substanzen mufs man
jedoch in fast allen Fällen eine weit gröfsere Menge der-
selben anwenden, um (da ihr Wassergehalt häufig zwi-
schen 60 und 90 Proc. beträgt) eine hinreichende Menge von
Asche zur Untersuchung zu erhalten.
Man hat schon von verschiedenen Seiten darauf auf-
merksam gemacht, welche Ungcnauigkeiten in den Resul-
taten der Analyse entstehen, wenn man die verkohlte Sub-
stanz beim Zutritt der Luft einäschert. Wenn diefs in ei-
ner Muffel bei möglichst niedriger Temperatur gesdiieht,
so ist diefs wenigstens sehr langwierig. Und wenn bei
einer solchen möglichst niedrigen Temperatur die Verflüch-
tigung oder Zersetzung einzelner Bestandtheile bei grofser
Vorsicht vermindert werden könnte, so können doch durch
99
I
die lange Daaer, mit irelcher die Einäscherung verknüpft
ist, Veränderungen in der Asche hervorgebracht werden.
Bei meiner früheren Methode wurde, wie schon oben
bemerkt, die verkohlte Masse zuerst fein gepulvert, darauf
mit W^asser, dann mit Chlorwasserstoffsäure ausgezogen, und
endlich die durch Auflösungsmittel erschöpfte Kohle ver-
mittelst Platinchlorids verbrannt. Die bei diesen drei Ope-
rationen erhaltenen Theile wurden jeder für sich untersucht,
und endlich die in allen drei Theilen gefundenen Bestand-
theile vereinigt, und aus ihnen die Zusammensetzung der
Asche berechnet.
Diese Methode w[ar nicht blofs langwierig und umständ-
lich, sondern sie war auch mit einigen Ungenauigkeiten
verknüpft. Denn neuere Versuche haben gezeigt, dafs na-
mentlich aus der verkohlten Masse, durch Wasser nicht die
ganze Menge der alkalischen Chlormetalle ausgezogen wer-
den kann. Man konnte also, wenn man auch durch die
nachherige Behandlung mit Chlorwasserstoffsäure und Pla-
tinchlorid die richtige Menge der Alkalien erhielt, doch ei-
nen Verlust an Chlor nicht vermeiden.
Wenn man nun keinen Werth darauf legt, zu erfahren,
in welchem Zustand die unorganischen Bestandtheile in den
organischen Substanzen enthalten sind, und nicht zu wissen
beabsichtigt, ob sie durch Auflösungsmittel ganz oder nur .
zum Theil ausgezogen werden können, so kann man in der
verkohlten Masse die Kohle vollständige oxjdircn, um die
organischen Bestandtheile sogleich zu erhalten.
Das Verbrennen der Kohle geht vermittelst Platinchlo-
rids in den meisten Fällen zwar recht gut von statten, aber
die Methode hat schon den grofsen Nachtheil, dafs man
auf die genaue Bestimmung des Chlors Verzicht leisten mufs.
Da nun das Platinchlorid die Oxydation der Kohle bei
möglichst niedriger Temperatur nicht durch das entweichende -
Chlor, sondern durch das entstandene fein zertheilte Pla-
tin bewirkt, so lag es nahe, statt des Platinchlorids Pla-
tinschwamm anzuwenden.
Die Erfahrung hat gezeigt, dafs man bei Anwendung
7»
100
des Platinschwamms sehr gute Resultate erhahen kann. Hr.
Weber hat durch Versuche, deren Resultate weiter unten
mitgetheilt werden, erwiesen, dafs wenn man gewogene
Quantitäten von unorganischen Salzen mit bedeutenden Men-
gen von organischer Substanz (Zucker) mengt, das Ge-
menge verkohlt, und die verkohlte Masse nach Mengung
mit Platinschwamm verbrennt, man die ganze Menge der
angewandten unorganischen- Salze, wenn sie löslich sind,
schon durch Wasser ohne Verlust ausziehen kann. — Es
^. ist tibrigens schon eine lauge bekannte Erfahrung, dafs wenn
Kaliumplatinchlorid vorsichtig geglüht wird, man durch Aus-
waschen mit Wasser die ganze Menge des in ihm enthal-
tenen Chlorkaliums erhalten kann.
Die Wirkung des fein zertheilten Platins ist hierbei
eine zweifache. Durch die Einmengung des unschmelzbaren
Platins wird verhindert, dafs namentlich die leicht schmelz*
baren Salze die Kohle umgeben, und sie gegen die Ver-
brennung schützen können, was die hauptsächliche Ur-
sach der schweren Oxydation der Kohle bei möglichst
niedriger Temperatur ist. Dann aber besitzt bekanntlich
das fein zertheilte Platin in einem hohen Grade die Ei<
genschaft, Gasarten zwischen seinen Poren zu verdichten,
wodurch die Verbrennung der Kohle erleichtert und be-
schleunigt wird.
Was die erste Eigenschaft des Platins betrifft, so hat
schon vor längerer Zeit Wackenroder darauf aufmerksam
gemacht, dafs es die leicht schmelzbaren unorganischen al-
kalischen Salze in manchen organischen Substanzen sind,
welche die Verbrennung derselben ungemein erschweren,
und er halte deshalb auch vorgeschlagen, die an Erdarten
armen verkohlten organischen Körper mit kohlensaurer Ba-
rjterdc zu mengen, um die Verbrennung der Kohle zu
erleichtern. Diese Erleichterung wird auch dadurch bewirkt,
aber obgleich man die angewandte Barjterde in manchen
Fällen leicht durch Schwefelsäure fortschaffen kann, so ist
das doch, besonders bei Anwesenheit von Kalkerde, mit
nicht geringen Unbequemlichkeiten verknüpft.
101
Das Verfahren bei AuwenduDg des Plaliuschwamins ist
folgendes: Die verkohlte organische Substanz wird in ei-
nem Porcelianniörser vorsichtig fein zerrieben, und mit 20
bis 30 6nn; Platinschwamm auf das innigste gemengt. Diese
Menge ist mehr als hinreichend, und in Ermangelung so gro-
fser Mengen von Platin i^ann man auch bedeutend weniger
anwenden; doch geht die Verbrennung der verkohlten Masse
weit leichter und schneller von statten, wenn sie, mit sehr
vielem Platin gemengt ist. Das Gemenge bringt man hier-
auf in eine kleine dünne Platinschale oder besser auf ei-
nen grofsen concaven Platindeckel von 2 bis 2^ Zoll im
Durchmesser und erhitzt das Ganze über der Spirituslampe
mit doppeltem Luftzuge. Nach kurzer Zeit, ehe noch das
Gemenge ins Glühen gekommen ist, fängt jedes Kohlen-
theilchen an zu verglimmen, und die Oberfläche des schwar-
zen Gemenges überzieht sich mit einer grauen Schicht. Durch
flcifsiges vorsichtiges Umrühren mit einem kleinen Platinspa-
tel erneuert man die Oberfläche und befördert die Ver-
brennung. So lange noch unverbranntc Kohle in der Masse
enthalten ist, findet ein Verglimmen statt, sobald sie aber
vollständig verbrannt ist, hört jedes sichtbare Erglühen auf,
auch wenn man dieselbe stärker erhitzt. Da die Verbren-
nung des ganzen Gemenges nicht auf einmal stattfinden
kann, so bringt man neue, nicht zu grofse, Quantitäten
auf den Platindeckel oder in die Schale.
Die erhaltene graue platinhaltige Masse wird in einen
Platintiegel gebracht und im Luftbade bei einer Tempera-
tur von 120° C. so lange erhitzt, bis sich das Gewicht der-
selben nicht mehr verändert. Man kocht sie darauf mit
Wasser aus und wäscht das Ungelöste mit heifsem Was-
ser aus; das Auswaschen ist in kurzer Zeit beendet. In
der fillrirten Flüssigkeit sind alle im Wasser löslichen Be-
standtheile der Asche enthalten, nebst geringen Mengen
phosphorsaurer Erden, welche vom Wasser in sehr gerin-
ger Quantität mit aufgelöst werden. Der ungelöste Rück-
stand enthält die phosphorsauren Erden, und auch Alkalien.
Die Gegenwart letzterer rührt davon her, dafs beim Er-
102
hitzen die pjro- uud metaphosphorsauren Erden aus den ent-
standenen kohlensauren Alkalien Kohlensäure ausgetrieben
und im Wasser unlösliche Doppelsalze von ^ phosphorsäu-
ren Erden und Alkalien gebildet haben. In einigen Fällen,
besonders bei der Untersuchung von Stroharten, enthält die
wässrige Auflösung aufser Kalkerde und Magnesia noch
eine mehr oder minder grofse Menge von Kieselsäure. Er-
stere sind zum Theil im reinen Zustande bei der Auflösung
enthalten, wenn sie ihre Kohlensäure durch eine zu starke
Hitze verloren haben.
Die kohlensauren Alkalien in der verkohlten Masse kön-
nen zum Thcil durch Einwirkung der Kohle, zum Theil
auch durch die der pyro> und metaphosphorsauren Salze,
einen Theil ihrer Kohlensäure verloren haben. Die Be-
stimmung der Kohlensäure in der Asche hat daher keinen
grofsen Werth, da eine gröfsere oder geringere Menge von
gefundener Kohlensäure von manigfaltigen Umständen ab-
hängen kann. Hat man in einer Asche keine Kohlensäure
gefunden, findet man aber bei der Zusammenstellung der
Resultate die Phosphorsäure mit den Basen als dreibasische
phosphorsaure Salze verbunden, so kann man mit Sicherheit
annehmen, dafs Kohlensäure wenigstens in der schwach ver-
kohlten Masse enthalten war, da die dreibasischen phos-
phorsauren Alkalien, und besonders auch die dreibasische
phosphorsaure Magnesia eine sehr geringe Beständigkeit
besitzen, und nicht gut in einer organischen Substanz exi-
stiren können, da sie sich mit so grofser Leichtigkeit in
wasserhaltige phosphorsaure und in kohlensaure Salze ver-
wandeln.
Es wäre wtinschenswerth, gemeinschaftlich übereinzukom-
men, ob man bei Aschenanaljsen die gefundene Kohlen-
säure mit anführen soll oder nicht, um die Resultate der
Analysen besser mit einander vergleichbar zu machen.
Der erhaltene wäfsrige Auszug wird bis zur Trocknifs
abgedampft, die trockne Masse schwach geglüht, und ihr
Gewicht bestimmt. Will man die Kohlensäure in ihr be-
stimmen , so ist es nöthig, erst Kohlensäuregas vor dem
103
Abdampfen durch die Lösung zu leiten, um die Kohlen*
säure zu ersetzen , die in den kohlensauren Alkalien durch
den Einflufs der Kohle in Kohlenoxjd verwandelt wor-
den ist.
Beträgt das Gewicht des trocknen Bückstandes einige
Gramme, so kann man zur Bestimmung einzelner Bestand-
Iheile verschiedene Mengen desselben benutzen und um
eine Controle ftlr die Bichtigkeit der Untersuchung zu er-
halten, auch in jedem Falle die Kohlensäure bestimmen.
Ist aber das Gewicht des trocknen Bückstandes gering, so
bestimmt man alle Bestandtheile in einer und derselben
Menge 4lesselben.
Der Gang der Untersuchung ist dann folgender: Die
in Wasser gelöste Masse wird durch verdünnte Salpeter-
säure übersättigt, (was, wenn die Kohlensäure quantitativ
bestimmt werden soll, in einem dazu geeigneten Apparate
geschehen mufs). Scheidet sich bei der Ucbersättigung Kie-
selsäure aus, so wird diese abfiltrirt, und in der filtrirten
Lösung durch salpetersaures Silberoxjd das Chlor abge-
schieden. Man entfernt darauf das überschüssige Silberoxjd
durch Chlorwasserstoffsäure und dampft in einer Porcellan-
schale die Flüssigkeit bei sehr geringer Hitze bis zur Trock-
nifs im Wasserbade ab. Der trockne Bückstand wird mit
Chlorwasserstoffsänrc befeuchtet, Wasser hinzugefügt und
die abgeschiedene Kieselsäure abBltrirt. Ihr Gewicht wird
gemeinschaftlich mit der bestimmt, welche etwa bei der
Sättigung der trocknen Masse durch Salpetersäure ausge-
schieden worden war.
Die von der Kieselsäure abfiltrirte Flüssigkeit wird durch
Ammoniak übersättigt. Es wird hierdurch in den meisten
Fällen ein nicht sehr bedeutender Niederschlag von phos-
phorsauren Erden entstehen, die abfiltrirt, und nicht zu lange
ausgewaschen werden, da sie sich sonst zum Theil wieder
im Wasser lösen. Man glüht diese Fällung, zieht, ihr Ge-
wicht von dem des zur Trocknifs abgedampften wässrigen
Auszugs ab, und bewahrt sie auf, um sie dem salpetcrsau-
104
reu Aaszuge des in Wasser unlöslichen RQckstandes hin-
zuzufügen.
Die Flüssigkeit, welche von dem durch Ammoniak ent-
standenen Niederschlage abfiltrirt worden ist, wird mit et-
was Oxalsäure versetzt, wodurch nur in wenigen Fällen
eine geringe Trübung von oxalsaurer Kalkerde entstdit,
welche von der im wässrigen Auszuge aufgelösten schwe-
felsauren Kalkerde herrührte. Nur bei der Analyse der
Stroharten findet sich dieselbe im wäfsrigen Auszuge; bei
der Untersuchung der Saamen und der animalischen Sub-
stanzen entsteht in dem wäfsrigen Auszuge keine Trfibung
durch Oxalsäure.
Die von der Oxalsäuren Kalkerde abfihrirte Auflösung
wird mit Chlorbar jum versetzt, wodurch schwefelsaure,
phosphorsaure und auch wohl etwas Oxalsäure Baryterde
gefällt wird. Der Niederschlag wird nach dem Filtriren
ausgewaschen. Enthält er Oxalsäure Baryterde, so ist ein
vollständiges Auswaschen nicht möglich, da dieselbe auf-
löslich ist. Man behandelt die Fällung darauf mit verdünn-
ter Chlorwasserstoffsäure, wobei die schwefelsaure Baryt-
erde ungelöst bleibt, die ihrem Gewicht nach bestimmt wird,
woraus man das der Schwefelsäure berechnet. In der fil-
trirten Flüssigkeit entfernt man die Baryterde durch ver-
dünnte Schwefelsäure, übersättigt dann mit Ammoniak. und
fällt die Phosphorsäure als phosphorsaure Ammoniak-
Magnesia.
Die Flüssigkeit, aus welcher die Schwefelsäure und die
Phosphorsäure durch Chlorbaryum geschieden worden sind,
wird mit kohlensaurem Ammoniak mit einem kleinen Zu-
satz von freiem Ammoniak versetzt, um die Baryterde des
überschüssigen Cblorbaryums abzuscheiden. Man dampft
das Filtrat bis zur TrockniCs ab, und verjagt die ammoniaka-
lischen Salze durch Glühen; der geglühte Bückstand ent-
hält die Alkalien als Chlormetalle. Man bestimmt ihr Ge-
wicht, und trennt Kali und Natron nach bekannten Methoden
von einander.
105
Dieser Gang der Uotersachang des wäfsrigen Aaszogs
der verkohlten Masse ist im Wesentlichen ganz derselbe,
wie ich ihn früher vorgeschlagen habe ' ).
Das mit Wasser aasgezogene Platin wird nun mit ver-
dünnter Salpetersäure behandelt. Es wird einige Male da-
mit erhitzt, abfillrirt und mit heifsem Wasser, zu welchem
einige Tropfen Salpetersäure gesetzt worden sind, ausge-
waschen. Die Lösung enthält Verbindungen von Phosphor-
säure mit Kalkerde, Magnesia und Eisenoxjd, in dem sehr
häufig Spuren von Mangan sich finden, salpetersaures Kali
und Natron, (von den alkalihaltigen phosphorsauren Erd-
salzen herrührend) und salpetersaure Kalkerde und Mag-
nesia. Letztere finden sich besonders in der Untersuchung
der Stroharten, und sind in der Asche als kohlensaure (oder
bei stärkerem Glühen zum Theil als reine) Erden enthalten.
Die Auflösung enthält nie Schwefelsäure und Chlor.
Sie wird bis zu einem geringen Volumen abgedampft,
doch so, dafs noch ein Ueberschufs von Salpetersäure vor-
handen bleibt, und dann mit metallischem Quecksilber be-
handelt, um auf die von mir beschriebene Weise die Phos-
phorsäure von den Basen zu trennen ^ ).
In manchen Fällen kann man auch aus der salpetersau- '
ren Lösung' die phosphorsauren Erden durch Ammoniak
fällen, den Niederschlag in Salpetersäure lösen, und mit
metallischem Quecksilber zerlegen. Bei den Analysen der
Aschen von Stroh ist diefs sogar bequemer, da in diesen die
Menge der phosphorsauren Erden nur gering, und in der Lö-
sung die Basen vorzüglich als salpetersaure enthalten sind.
Wenn man das mit Wasser erschöpfte Platin statt mit
Salpetersäure mit Chlorwasserstoffsäure behandelt, so hat
die Anwendung dieser Säure einige Unbequemlichkeiten,
da bei der Trennung der Phosphorsäure von den Basen
vermittelst metallischen Quecksilbers, Salpetersäure hinzu-
gefügt werden mufs, und dann die Gegenwart der Chlor-
wasserstoffsäure störend einwirkt, weil eine grofse Menge
1) Pogg. Ann. Bd. 76, S. 325.
2) Pogg. Aonal. Bd. 76, S. 252.
106
von QaeduilberchlorOr sich bildet, wddies das metalUsche
Quecksilber bedeckt, und die Zersetzung sehr erschwert.
Das mit Wasser und Salpetersäure ersdiOpfte Platin
enthält nur noch Kieselsäure. Man erhitzt es in einer
Platinschale mit einer Auflösung tob Kalihjdrat,. filtrirt und
wäscht mit heifsem Wasser aus. Aus der alkalischen Auf-
lösung wird die Kieselsäure auf die bekannte Weise er-
halten.
Das durch Wasser, Salpetersäure und Kalilösung er-
schöpfte Platin wird bei 120" C. getrocknet, bis es nicht mehr
an Gewicht abnimmt. Was es jetzt weniger wiegt als nach
der Verbrennung der Kohle ist das Gewicht der Asche,
weniger der Quantität von Kohlensäure, die sich, wie schon
oben erwähnt wurde, nicht mit Genauigkeit bestimmen lä&t
Hat man die organischen Substanzen, besonders die
▼egelabilischen zuvor sorgfältig gereinigt so ist auch nach
der Untersuchung das Platin rein; sonst enthält es Sand
und Tbon. Die mechanische Reinigung der organis«dien
Substanzen von diesen Einmengungen ist auch schon des-
halb wohl zu berücksichtigen, um das Platin rein zu erhal-
ten, und um nicht gezwungen zu seyn, das Platin aufzulösen,
was bei so bedeutenden Mengen etwas unangenehm ist.
Dasselbe Platin ist bisjetzt zwölfmal angewandt wor-
den. Es hat zwar allmälig bedeutend au Volumen abge-
nommen, doch besitzt es fast noch dieselbe Fähigkeit, die
Verbrennung zu beschleunigen wie zuvor. Es kann gewiCs
noch oft zu demselben Zwecke angewandt werden; endlich
aber wird es wohl so dicht werden, dafs es bei der fer-
neren Anwendung die Verbrennung der Kohle nidit mehr
begünstigt. Dann mufs es aufgelöst werden. Aus der Lö-
sung wird es durch Chlorammonium gefällt, und auf die
bekannte Weise wieder in Platinschwamm verwandelt.
Die Verbrennung einer verkohlten organischen Substanz
mit Hülfe von Platiuschwamm dauert, wenn man ungefilhr
100 Grm. der Substanz angewandt hat, 2 bis* 3 Stunden,
während die Verbrennung der Kohle nach jeder andern
Methode bei weitem mehr Zeit in Anspruch nimmt, und
. . 107
mit weit gröfseren Unannehmlichkeiten yerknfipft ist. Die
von mir jezt vorgeschlagene Methode erfordert zwar eine
bedeatende Menge von Platin, da aber von demselben nichts
verloren geht, so ist kein pecaniärer Nachtheil dabei*.
Man kann zwar bei dem Gange der Untersuchung manche
Veränderung anbringen, doch mQsseu dieselben wohl er-
wogen werden.
Man könnte z. B. nach der Oxydation der Kohle, wenn
man die Kohlensäure nicht bestimmen will, das Platin un-
mittelbar durch Salpetersäure ausziehen, wodurch die Un-
tersuchung sehr vereinfacht würde. Diefs kann aber nur
geschehen, wenn in der Asche keine Chlormetalle enthal-
ten sind, was nur höchst selten der Fall ist. Bei Anwe-
senheit der Chlormetalle wird durch die Salpetersäure et-
was Platin aufgelöst, dessen Entfernung mit grofsen Unan-
nehmlichkeiten verknüpft ist.
Man könnte den wäfsrigen und den salpetersauren Aus-
zug des Platins mit einander vereinigen, wodurch ebenfalls
die Untersuchung vereinfacht würde. Aber auch diese Ver-
änderung i^t nicht zu empfehlen. In dem vereinigten Aus-
zuge mufs dann zuerst, wenn sich Kieselsäure ausgeschie-
den hat, diese filtrirt werden, darauf wird durch salpetersau-
res Silberoxjd das Chlor, und durch Chlorwasserstoffsäure
das überschüssige Silberoxyd abgeschieden. Dann mufs man
durch Chlorbaryum die Schwefelsäure fällen und durch
Schwefelsäure die überschüssige Baryterde entfernen. Wenn
man nun die phosphorsauren Erden durch Ammoniak fällt,
so enthält die filtrirte Flüssigkeit bei der Analyse der
verschiedenen organischen Substanzen verschiedene Be-
standtheile. Bei der Untersuchung der Stroharten ist in
derselben noch Kalkerde, Magnesia, Kali, Natron, Kiesel-
säure und aufserdem noch Chlorammonium, salpetersaures
und schwefelsaures Ammoniak. Bei der Untersuchung an-
derer organischer Substanzen findet man in jener Flüssig-
keit keine Kalkerde und keine Magnesia, aber aufser jenen
Substanzen noch phosphorsaure Alkalien. Man müfste nun
bei Gegenwart von Kalkerde dieselbe durch Oxalsäure fäl-
108
«
leii, dann aber müfste inaa die Flüssigkeit zur Trocknifs
abdampfen und die aminoniakaliscben Salze verjagen. Diefs
aber darf wegen der Anwesenbeit des Chlorammoniums
und des salpetersauren Ammoniaks nur in einer Porcel-
lanscbalc gesebeben, (da eine Platinscbale stark angegrif-
fen wird und sebr leiden würde) und da aucb die Ver-
flücbtigung des schwefelsauren Ammoniaks sebr unangenehm
ist, so ist diese Modification der Methode, obgleich sie ein-
facher ist, nicht zu empfehlen.
Aus diesen Gründen wäre es aucb nicht vortheilhaft, eine
Asche, welche man ohne Hülfe des Platinscbwamms erhal-
ten hat, sogleich mit Salpetersäure und nicht zuvor erst
mit Wasser zu behandeln.
Zur Prüfung der Methode bat Hr. Weber mehrere
Versuche mit Salzen angestellt, welche mit grofsen Meur
gen von organischer Substanz gemengt wurden, worauf
er das Gemenge verkohlte, mit Platinschwamm verbrannte,
und aus der erhaltenen Masse die Salze wiederum zu er-
halten suchte.
I. Es wurden angewandt:
0,869 Grm. Chlornatrium
0,466 - schwefelsaures Natron
2,060 - kohlensaures Natron
3,395.
Die Salze wurden in Wasser gelöst, und mit einer Auf-
lösung von Zucker, die 6 Loth Zucker enthielt, gemengt,
das Ganze darauf abgedampft und verkohlt. Die erhaltene
Kohle wurde mit Sorgfalt in einem Porcellanmörser fein
gerieben, mit Platinschwamm gemengt und nach der oben be-
schriebenen Methode verbrannt. Der Rückstand wurde mit
hcifsem Wasser ausgezogen und ausgewaschen. Als der
wäfsrige Auszug mit Salpetersäure übersättigt wurde, ent-
stand nur eine sehr geringe Kohlensäureentwicklungy die
lauge nicht der Menge des angewandten kohlensauren Na-
trons entsprach. Die Kohlensäure war also bei der Yer-
kohlung und bei der Einäscherung zum gröfsten Theil durch
die Wirkung der Kohle als Kohlenoxjdgas ausgetrieben
109
wordeOy da in den angewandten Salzen keines war, das die
Vcrflfichtignng der Kohlensäure hätte veranlassen können.
In der FIfissigkeit wurde das Chlor durch salpetersau-
res Silberoxyd, die Schwefelsäure nach Entfernung des Sil-
beroxjds durch Chlorbarjum bestimmt, und nach Entfernung
der Barjterde das Natron als schwefelsaures Natron er-
halten.
Es wurden erhalten
^079 Gnn. Chlorsilber =15,11 Proc. Chlor
0,825 - schwefeis. Baryterde = 8,34 - Schwefels.
4,268 - schwefeis. Natron =55,02 - Natron
Im angewandten Salzgemenge sind enthalten
Chlor 15,46 Proc.
Schwefelsäure 7,71
Natron 55,17 -
Dieser Versuch zeigt, dafs die unorganischen Bestand-
theile in einer Terkohlten Masse durch Oxydation vermittelst
des Platinschwamms mit Genauigkeit wiedergefunden wer-
den können. Ich lasse es unausgemacht, was die Ursache
der gröfseren Menge der erhaltenen Schwefelsäure war.
II. Nicht nur uro das Verhalten der phosphorsauren
Salze, sondern, besonders um die Einwirkung derselben auf
alkalische Chlormetalle kennen zu lernen, wurden zu dem
zweiten Versuche ein Salzgemenge von
• • • •
1,875 Grm. phosphorsauren Natron (Na^P)
1,222 - Chlornatrium
3,097.
angewandt. Es wurde nach der Lösung wie das frühere
Salzgemenge mit einer Auflösung von 6 Loth Zucker ge-
mengt, und mit dem Ganzen wie zuvor verfahren. Der ver-
brannte Rückstand wurde mit Wasser ausgezogen, darauf
nach Ansäurung der Lösung mit Salpetersäure das Chlor
durch Silberoxydlösuug gefällt, nach Abscheidung des Silber-
oxyds wurde die filtrirte Flüssigkeit zu einem kleinen Volu-
men abgedampft, und mit Salpetersäure und metallischem
Qaecksilber im Wasserbade zur Trocknifs abgedampft. Nach
HO
Behandlung der trocknen Masse mit Wasser wurden in dem
Ungelösten nach schon beschriebenen Methoden die Phos-
phorsäure an Natron gebunden, und als phosphorsaure Am-
moniak-Magnesia gefällt. In dem Aufgelösten wurde das ge-
löste Quecksilber durch Ammoniak niedergeschlagen, die fil-
trirte Flüssigkeit zur Trocknifs abgedampft, und die trockene
Masse, um das Natron in derselben als Chlornatrium zu
erhalten, mit Chlorammonium gemengt und geglQht Wenn
man eine bedeutende Menge von diesem Salze anwendet,
so kann das Glühen in einem Platiutiegel geschehen, ohne
dafs derselbe leidet, was der Fall ist, wenn salpetersaores
Ammoniak gegen Chlorammonium vorwaltend ist.
Es wurden erhalten:
2,577 Grm. Chlorsilber =20,15 Proc. Chlor
1,568 - Mg'P =32,06 - Phosphorsäure
2,854 - Chlornatrium = 49,15 - Natron
Im angewandten Salzgcmenge sind enthalten:
23,79 Proc. Chlor
32,25 - Phosphorsäure
49,27 - Natron.
Man sieht hieraus, dafs die Mengen der Phosphorsäure
und des Natrons sehr genau wiedererhalten wurden, nicht
aber die des Chlors, von dem ein Theil durch das phos-
phorsaure Natron ausgetrieben wurde.
III. Es wurde ein dritter Versuch angestellt, um za
sehen, ob die Einwirkung der phosphorsauren Salze auf
alkalische Chlormetalle nicht durch Einmeugung von koh-
lensauren Alkalien aufgehoben werden kann. Eis wurde
daher folgendes Salzgemenge angewandt:
1,086 Grm. Chlornatrium
1,410 - phosphorsaures Natron (Na^ P)
1,418 - kohlensaures Natron.
3,914.
Die Lösung des Salzgemenges wurde wiederum mit der
Lösung von 6 Loth Zucker abgedampft, das Ganze verkohlt
und wie zuvor mit Platinschwamm verbrannt. Bei der An-
111
sSarang des ^äEsrigeo Auszugs mit Salpetersäure ymrde Dur
eine sehr schwache Entwicklung von Kohlensäure bemerkt.
Es wurden erb alten:
2,553 Grm. Chlorsilber =16,09 Proc. Chlor
■ •
1,253 - Mg^P =20,08 - Phosphorsäurc
3,996 - Chlornatrium =54,24 - Natron
In dem angewandten Salzgemenge sind enthalten:
16,73 Proc. Chlor
19,21 - Phosphorsäure
52,81 - Natron.
Durch einen unbekannten Umstand ist bei diesem Ver-
suche eine gröfsere Menge von Phosphorsäure und von
Natron erhalten worden, aber die Menge des Chlors stimmt
ziemlich gut mit der im angewandten Chlornatrium, so dafs
man annehmen kann, dafs bei einer hinreichenden Menge
von kohlensauren Alkalien bei der Verkohlung und bei der
Einäscherung kein Chlor aus den alkalischen Chlormetallen
durch phosphorsaure Alkalien ausgetrieben wird.
Bei der Einäscherung von organischen Substanzen wird
man daher durch die Analyse die richtige Menge des Chlors
erhalten, wenn zugleich dabei eine gehörige Menge von
kohlensauren Alkalien sich bildet. Die Bestimmung wird
aber ungenau, wenn neben den alkalischen Chlormetallen
pyrophosphorsaure Alkalien in gröfserer Menge zugegen
sind, und das Chlor kann gänzlich bei der Verkohlung
ausgeschieden i^erden, wenn die organische Substanz meta-
phosphorsaure Salze enthält, wie diefs namentlich bei einer
von Hrn. Weber angestellten Untersuchung des Eigelbs
der Fall gewesen ist ^ ). In diesen Fällen wäre es rath-
sam, die organische Materie vor der Verkohluug mit der
Lösung einer gewogenen Menge von kohlensaurem Natron
zu behandeln, damit einzutrocknen, und von dem durch
die Analyse gefundenen Natrongehalt den des augewand-
ten' Salzes abzuziehen. Das Eintrocknen und das Ver-
1) Pogg. Add. Bd. 79, S. 408.
112
kohlen der organischen Substanz darf dann nur in einem
Piatintiegel stattfinden.
Nachdem diese Abhandlung schon ausgearbeitet worden
war, erschien eine ähnlichen luhalts von Hrn. Strecker ').
Bei der Bestimmung der unorganischen Bestandtheile in
den organischen Substanzen verwirft er die früher von mir
vorgeschlagene Methode der Verkohlung und empfiehlt die
Einäscherung in einer Muffel, aber bei einer bei Tage nicht
sichtbaren Rothglühhitze. Die Resultate der Versuche,
die er angestellt hat, um sich zu Überzeugen, dafs bei
dieser Temperatur kein Chlornatrium sich verflüchtigt,
und die Methode genau sey, sind sehr günstig ausgefalleu.
Um dem Verlust an Chlor bei Gegenwart von phosphor-
sauren Salzen zuvor zukommen, mengte er die organische
Substanz mit Baryterdehjdrat. Er macht darauf aufmerk-
sam, dafs durch die Anwendung derselben auch die ganze
Menge des Schwefels und des Phosphors, wenn diese als
solche in der organischen Substanz enthalten waren, als
Schwefelsäure und Phosphorsäure in der Asche gefunden
werden.
Der gröfste Vortheil der Methode der voUkommnen Ein-
äscherung liegt unstreitig darin, dafs man die ganze Menge
der Asche unmittelbar ihrem Gewichte nach bestimmen kann.
Hat man ferner eine bedeutende Menge davon erbalten, so
hat man nicht nöthig dieselbe Quantität der Asche zur Be-
stimmung aller Bestandtheile anzuwenden, sondern kann
verschiedene Mengen dazu verwenden, um nur einzelne
Bestandtheile ihrer Menge nach aufzufinden, wodurch die
Analyse oft vereinfacht wird, und bisweilen mit grdCserer
Genauigkeit ausgeführt werden kann. Ist femer ein Fehler
bei der Untersuchung vorgefallen, so hat man nicht nöthig,
die Einäscherung noch einmal vorzunehmen, wenn man sidi
einen Vorrath von Asche verschafft hat.
Andererseits hat aber auch die Anwendung des Platin-
schwamms
1) Ann. d. Cl»cm. u. Pharm. Bd. 73, S. 339.
113
sdiwamms sehr bedeutende yortheile. Die Einäscherung mit
demselben ist in sehr kurzer Zeit voilendety während die
Einäscherung ohne denselben in der Muffel sehr lange Zeit
erfordert. Dasselbe findet auch- statt , ireun man die ver-
kohlte organische Substanz in einer Glasröhre einäschert,
während maa einen sehr langsamen Strom von Sauerstoff-
gas darüber leitet, und die etwa entweichenden flüchtigen
Bestandtheile in Wasser leitet. Die Temperatur ist bei
der Verbrennung mit Platinschwamm auf einem Platindeckel
so gering, dafs sie kaum die dunkelste Rothgluth erreicht.
DaCs dabei, ungeachtet einer aufserordentlich bedeutenden
Menge von Kohle kein Chlornatrium sich verflüchtigt, ha-
ben Versuche dargethan.
Die Versuche, welche Hr. Strecker angestellt hat, um
zu beweisen, dafs bei der Einäscherung in der Muffel kein
Chlornatrium sich verflüchtigt, sind nicht ganz überzeugend,
da bei diesen das Chlornatrium fnit einer zu geringen Menge
von Zucker gemengt worden war. Es wurden auf 5,2 und
2,67 Grm. Cblornatrium nur 8 und 10 Grm. Zucker ange-
wandt. Diese geringen Mengen geben aber bei der Verkoh-
lung nur sehr geringe Quantitäten von Kohle, so dafs das
Chlornatrium die gemengte Kohle bei weitem an Gewicht
übertraf. 10 Grm. Zucker beim Ausschlufs der Luft verkohlt,
hinterliefsen bei einem Versuche nur 1,23 Grm. Kohle. Hr.
Weber wandte bei seinen Versuchen ungefähr die dreifsig-
fache Menge von Zucker an gegen geringe Mengen von
anorganischen Salzen. Er suchte diese mit ungefähr so vie-
ler kohlehaltiger Materie zu mengen, dafs ein ähnliches
Yerhältnifs dadurch erhalten wurde, wie nach der Verkoh-
lung in vielen organischen Substanzen zwischen den unor-
ganischen und organischen Bestandtheilen stattfindet. Es
fragt sich nun, ob wirklich kein Chlornatrium sich in der
Muffel verflüchtigt, wenn dasselbe mit sehr vieler organi^
scher Materie gemengt eine lange Zeit hindurch der Roth-
gluth, wenn auch nur der dunkelsten, ausgesetzt wird.
Die Anwendung von Baryterdehydrat hat gewifs viele
Vortheile. Aber die Wegschaffung! der schwefelsauren Ba-
PoggcndorfiPs Annal. Bd. LXXX. 8
114
ryterde bei Gegenwart von Kalkerci^salzen ist mit so be-
deutenden Unannehmlichkeiten verknüpft, dafs vielleicht die
Anwendung einer gewogenen Menge von kohlensaurem Na-
tron vorzuziehen ist.
Die gänzliche Einäschernng sowohl in der Muffel als
besonders in einer weiten Glasröhre durch einen sehr lang-
samen Strom von Sauerstoffgas ist noch mit einer andern
Unannehmlichkeit begleitet. Ein Theil der Asche sintert
manchmal an dem Thone oder dem Glase, besonders wenn
leicht schmelzbare Salze darin enthalten sind, fest an, und
läfst sich auch bei Anwendung von Aufiösungsmitteln nicht
gut von der Unterlage trennen. Diefs ist bei Anwendung
von Platinschwamm nie der Fall, und auch zu vermei-
den, wenn bei der Einäscherung in der Muffel die orga-
nische Substanz in eine Platinschale gelegt wird.
V. Ueber das T^orkommen der Bernsteinsäure im
menschlichen Körper fon W* Heintz.
dchon im vorigen Jahre habe ich in den Jenaischen An-
nalen für Physiologie und Medicin (Bd. I. S. 180) eine
Arbeit unter dem Titel: Untersuchung des flüssigen Inhalts
der Echinococcenbälge (Hjdatidenbälge) einer Frau, be-
kannt gemacht, in welcher ich zeigte, dafs die klare oder
kaum getrübte Flüssigkeit, welche den Inhalt dieser häutigen
Bälge ausmacht, die sich am häufigsten in der Leber, aber
auch in allen anderen Theilen des Körpers, namentlich in
der Bauchhöhle und selbst in den Muskeln nicht bloüs beim
Menschen, sondern auch bei Thieren vorfinden, und welche
sich dadurch auszeichnet, dafs sich aus ihr gewöhnlich schnell
ein Bodensatz absetzt, welcher aus den bekannten Echino-
coccen besteht, bernsteinsaures Natron enthält. Ich glaube
schon damals genügend die Identität der von mir daraus
115
dargestellten Säure mit der . Bernsteinsänre nachgewiesen
zu haben, obgleich die Menge derselben, welche ich ge-
wonnen hatte, nicht hinreichte, um eine Eiementaranaijse
anzustellen. Jetzt ist es mir durch die Güte des Hrn. Prof.
Dr. Langenbeck, welcher mir vor Kurzem -| Quart ei-
ner solchen Flüssigkeit zugesendet hat, möglich geworden,
auch diese auszuführen. Ich kann mich aber nicht damit
begnügen, das Resultat der Analyse einfach anzuführen,
sondern ich werde einen kurzen Auszug meines früheren
Aufsatzes vorausschicken, weil ich annehmen darf, dafs den
Chemikern die Jenaischen Annalen, worin er abgedruckt
ist, nicht leicht zur Hand sind, und die blofse Analyse
vielleicht nicht als genügend zu dem Beweise erachtet wer-
den möchte, dafs diese Säure wirklich Bernsteinsäure sey.
Die Echinococcenflüssigkeit, welche ich im vorigen Jahre
untersuchte, war den Echinococcenbälgen entnommen, welche
sich in der Leber einer Frau in grofser Menge und von an-
sehnlicher Gröfse gebildet hatten. Sie war farblos, ziem-
lich klar, beim Umschütteln nur von schnell sich zu Bo«
den senkenden Flocken, die aus Echinococcen und kleine*
ren Echinococcenbälgen bestanden, getrübt, reagirte schwach
alkalisch, besafs ein spec. Gewicht von 1,0076 und ent-
hielt nur Spuren von Eiweifs , denn in der Kochhitze, wie
beim Zusatz von Salpetersäure wurde sie nur unbedeu-
tend getrübt. Die alkalische Reaction derselben rührte
nicht yon kohlensaurem Ammoniak, sondern von kohlen*
saurem Natron her, denn ein ihr genäherter mit Salzsäure
befeuchteter Glasstab erzeugte keine Nebel von ^Salmiak.
Aufserdem fand ich darin weder Schwefelsäure noch wäg-
bare Mengen von Phosphorsäure, dagegen Chlor in gro-
fser Menge, etwas Kalk, Kali und Talkerde und viel
Natron.
•Zur Ausmittelung der Natur der organischen Bestand-
theile dieser Flüssigkeit dampfte ich eine bedeutende Quan-
tität derselben anfangs über freiem Feuer, zuletzt im Was-
serbade ein. Hierbei trübte sich die Flüssigkeit und bil-
dete auf der Oberfläche eine Haut, die sich allmälig wie-
8»
116
der erzeugte, wenn sie entfernt wurde. Ans der abge-
dampften Masse krjstallisirte viel Kochsalz heraus. Sie
wurde mit Alkohol vermischt, wodurch ein sehr viel Koch-
salz enthaltender Sjrup gefällt wurde, aus dem wohl cha-
rakterisirte organische Substanzen darzustellen mir nicht
gelungen ist. In dem alkoholischen Auszuge konnte durch
eine alkoholische Chlorzinklösung kein Kreatin gefällt wer-
den, und auch nachdem ein Theil der Hjrdatidenflössig-
keit selbst mit etwas Salzsäure zur Trockne gebradit wor-
den war, brachte Chlorzinklösung in dem alkoholischen
Auszuge dieses Rückstandes keinen Niederschlag hervor.
Es war also auch kein Kreatin vorhanden. Ebenso wenig
konnte ich Harnstoff oder Harnsäure darin entdecken.
Aus dem nach dem Verdunsten der alkoholischen Lö-
sung bleibenden Extracte schieden sich neben wenigen Koch-
salzkrjstallen nach langer Zeit büschelförmig gruppirte lange
Nadeln ab, die durch Abpressen und theils durch Umkrj-
stallisiren, theils durch Auflösen in wenig Wasser und Fäl-
len mittelst starkem Alkohol, worin sie sich nur schwer
lösten, gereinigt wurden. Die Auflösung der möglichst ge-
reinigten Krjstalle in wenig Wasser setzte beim Znsatz
von Salzsäure kleine Krjstalle einer schwer löslichen Sftore
ab, welche durch Eindunsten der Flüssigkeit und Auszie-
hen mit Aether von einem darin unlöslichen Salze gesdiie-
den werden konnte, welches aus reinem Chlornatrium be-
stand.
Durch Verdunsten der ätherischen Lösung wurde eine
stark sauer reagirende, in der Wärme unter Bräunung
schmelzende, bei stärkerer Hitze ein weifses krystallinisches
Sublimat liefernde krjstallinische Masse erhalten , welche
ich nach diesen Erscheinungen anfangs für Hippursäure oder
noch etwas verunreinigte Benzoesäure hielt. Bei genauerer
Untersuchung beobachtete ich jedoch so entscheidende Un-
terschiede zwischen diesen Säuren und der aus der Hyda-
tidenflüssigkeit gewonnenen, dafs ich von dieser Ansidit
zurückkommen mufste.
Ich fand nämlich 1 ) dafs diese Säure bei der Soblima-
117
tion stets vollkommen scharf ausgebildete Krystalle lieferte,
VFfthrend die Benzoesäure, mag sie als solche selbst mit der
gröEsten Vorsicht sublimirt werden, oder bei der Zersetzung
der Hippursäure durch Hitze entstehen, stets abgerundete
Blättchen bildet, an denen keine scharfen Kanten oder
Ecken beobachtet werden können;
2) dafs sie bei ISO"» C. bis 160'' C. anfängt langsam
zu sublimiren, aber erst bei 180^ bis 190^ C. schmilzt
imd nun etwas schneller sublimirt, während die Benzoe-
säure schon bei 120^ C. schmilzt, und die Hippursäure
selbst bei 180^ bis 190^ C. nur eine anfangende Schmel-
zung erleidet, und noch' kaum eine Spur eines Sublimats
liefert;
3) dafs das Natronsalz derselben durch Alkohol gefällt
wird, während das hippursäure Natron durch Alkohol nach
Schwarz') nicht fällbar ist, welche Angabe ich zu be-
stätigen Gelegenheit hatte;
4) dafs sie keinen Stickstoff enthält, dessen Abwesen«
heit idk sowohl nach der La ssaingne' sehen Methode mit-
telst Natrium, als auch nach der älteren Methode durch
Glühen mit Kalikalk nachgewiesen habe.
Dafs die Säure nicht Oxalsäure war, ging schon dar-
aus hervor, dafs in einer alkalischen Flüssigkeit nicht zu-
gleich Oxalsäure und Kalkerde gelöst enthalten seyn kön-
nen, wie diefs in der Hydatidenflüssigkeit der Fall war.
Es blieb daher nur noch übrig, sie mit der Berstein-
säure zu vergleichen; entweder mufste sie diese Säure, oder
eine neue noch nicht bekannte Säure seyn. Die Unter-
suchung hat ergeben, dafs sie in allen Stücken mit der
Bernsteinsäure übereinkommt.
Beide Säuren sind in Aether, wenn auch nicht sehr leicht,
löslich, lösen sich auch schwer im Wasser, reagiren stark
sauer, enthalten keinen Stickstoff, bilden ein in Wasser
lösliches Kalksalz, sublimiren schon bei 150° — 160° C.
sehr langsam, fangen bei 175° C. an zu schmelzen, sind
aber erst etwa bei 185° C. vollständig geschmolzen, und
1) AoD. d. Chem. und Pharm. Bd. 54 ^ S. 36. *
118
blimireu mm schneller in yoUst&ndig ausgebildeten KrysUl-
len. Zwar scheint es, als wenn ein Umstand gegen die Iden-
tität beider Säuren spricht, nämlich der, dafs das Matronsalz
der aus der Hjr da tiden- Flüssigkeit erhaltenen durch Alkohol
gefällt wird, während nachDoepping ') das bernsteinsanre
Natron in wäfsrigem Weingeist leicht löslich ist. Allein
ein directer Versuch überzeugte mich, dafs auch das bern-
steinsanre Natron durch starken Alkohol aus seiner con-
centrirten wäfsrigen Lösung gefällt wird, und zwar ganz
in derselben Form, wie das entsprechende Salz jener Säure.
Aber alle oben angegebenen Eigenschaften genügen nidit,
um die Identität der in der Echinococcenflüssigkeit gefunde-
nen Säure und der Bernsteinsäure zu beweisen. Da ich
wegen Maugels an Material keine Elementaranaljse anstel-
len konnte, so kam ich auf den Gedanken, die Krjstalle
derselben mittelst des Mikroskops zu untersuchen, welche
beim Erhitzen bis 180^ C. sublimirten. Es fand sich, dafs
die Säure aus der Hydatiden -Flüssigkeit schiefe rhombische
Prismen bildete. Ob diese aber dem ein- und eingliedrigen
oder zwei- und eingliedrigen Systeme angehören, konnte
ich nicht entscheiden, obgleich es mir in einem Falle, wo
es mir gelang, den Krystall auf die nur SuCserst kleine Ab-
stumpf ungsÜäche einer der Kanten zu wälzen, auf welche
die schiefen Endflächen aufgesetzt waren, schien, als wenn
der Ton diesen Kanten und der dorcfa die beiden schiefen
Endflächen gebildeten Kante erzeugte Winkel ein sdiiefer
sey, wonach dann die Krystalle dem ein- ond eingliedrigen
Systeme angehören mufsten. Dagegen lieCsen sich die Win-
kel, welche die schiefen Endflächen ond die FlSchen des
rhombisdien Prismas auf der Längsfläche des KrystaUs bil-
den, sehr genau mittelst des MikrogonioBCIcrs messen.
Sie betrugen im Mittel too drei nur am wenige Minoten
differirenden Messungen 110^ Itf und ISG"" 45'.
Die Krystalle, welche idi anf gleiche Weise ans Bem-
steinsäure erhielt, die aus Bernstein dargestellt worden war,
T erhielten sich durchaus ebenso, wie jene. Die cntspre-
119
chenden Winkel an denselben wurden im Miltel von sechs
an yerschiedenen Krjrstallen ausgeführten , untel* einander
nur um wenige Minuten abweichenden Messungen gleich
110<'20' und 136'>40' gefunden.
Dieses- Resultat meiner Versuche war es namentlich,
welches die Ueberzeugung in mir befestigte, dafs die aus
der Hjrdatldcnflüssigkeit erhaltene Säure mit der Bernstein^
säure wirklich identisch sej. Dennoch war es wünschens-
werth diesen Schlufs aus meinen Versudien noch durch
die Elementaranalyse zu bestätigen.
Ehe ich aber zu derselben übergehe, will ich die Re-
sultate der quantitativen Untersuchung der JHjdatidenflüs-
sigkeit, in welcher ich die Bernsteinsäure zuerst aufgefun-
den hatte, so weit sie sich nach den bei der qualitativen
Untersuchung gefundenen Daten ausführen liefs, wieder-
geben. Sie bestand aus
Wasser 986,76
Feste Bestandtheile 13,24
\
•1000.
Chlorcalcium
0,46
Chlormagnesiüm
0,20
Chlorkalium
0,24
Chlornatrium
3,85
Bernsteinsaures Natron
3,41
Extractive Stoffe
6,08
Albumin
Spuren
13,24.
Ich mufs jedoch bemerken, dafs die Menge des bern-
steinstauren Natrons, da man noch keine genaue quantitative
Bestimmungsmethode der Bernsteinsäure kennt, nur aus der
gefundenen Menge des kohlensauren Natrons berechnet ist,
dafs also die angegebene Quantität desselben, abgesehen
von der geringen Menge schon in der Hjdatiden- Flüssig-
keit präexistirenden kohlensauren Natrons, nur dann der
Wahrheit nahe kommt, wenn wirklich keine andere orga-
nische Säure als Bernsteinsäure darin enthalten war.
Schon in meinem früheren Aufsatze erwähnte ich, dafs
120 ^
man,, nachdem man weifs, da£s die in der Hydatiden -Flüs-
sigkeit enthaltene, an Natron gebundene Säure Bernstein«
säure ist, sie am vortheilhaftesten gewinnen kann, wenn
man die bis zur starken Sjrupsconsistenz eingedampfte Flfis-
sigkeit mit Salzsäure versetzt und mit Aether wiederholent-
lieh schüttelt. Beim Verdunsten der ätherischen Lösungen
erhält man die Säure, die aber noch gereinigt werden mu(s.
Dieser Methode habe ich mich später bedient, um aus
einer anderen Pottion Echinococcenflüssigkeit die Bernstein-
säure darzustellen und habe sie darin auch wirklich gefun-
den, jedoch, da die Menge der Flüssigkeit, die mir zu Ge-
bote stand nur gering war, nur in geringer Menge.
Endlich ist es mir mittelst derselben Methode der Dar-
sellung gelungen, sie aus der mir neuerdings von Hrn. Prof.
Dr. Langenbeck zugesendeten Hjdatiden- Flüssigkeit hin-
reichend rein und in zur Elemcntaranaljse einigermafsen ge-
nügender Menge zu gewinnen, und sie scheint daher nach
diesen Versuchen ein constanter, nie fehlender Bestandtheil
dieser Flüssigkeiten zu sejn.
Zur Reinigung der beim Verdunsten der ätherischen Lö-
sung zurückbleibenden Säure löste ich sie zunächst in Was-
ser, filtrirte von dem Ungelösten ab, dampfte die^ Lösung
ein, wusch den Rückstand mit kaltem Alkohol, worin die
Bernsteinsäure bekanntlich sehr wenig löslich ist, und kry-
stallisirte sie endlich mehrmals aus der alkoholischen Lö-
sung um. So erhielt ich etwas mehr als 0,130 Grm. ziem-
lich reiner, nur an einzelnen Stellen noch etwas gelblich
oder bräunlich gefärbter Bernsteinsäure, welche noch femer
umzukrystallisiren, ich nicht wagte, da ich fürchten mu&te,
eine nicht zur Analyse genügende Menge übrig zu behalten.
Diese hat folgende Zahlen ergeben:
0,1298 Grm. lieferten 0,1967 Grm. Kohlensäure und
0,062 Grm. VTasser. Diefs entspricht 0,0536 Grm. Kohlen-
stoff und 0,0069 Grm. Wasserstoff, oder 41,29 Proc. Koh-
lenstoff und 5,32 Proc. Wasserstoff.
121
Gefunden:
Beredinet:
Kohlenstoff 41,29
40,68
4C
Wasserstoff 5,32
5,08
3H
Saaerstoff 53,39
54,24
40
100. 100.
Allerdings hat die Analyse -^j^ Proc. Kohlenstoff mehr
ergeben, als die Formel verlangt. Da sie indessen mit ei«
Der so geringen Menge Substanz hat ausgeführt werden
mfissen, und dieselbe augenscheinlich noch nicht ganz rein
war, so läfst sich diese geringe Abweichung von der nach
der Rechnung in der Bernsteinsäure enthaltenen Menge
Kohlenstoff eben dadurch leicht erklären , und ich halte
daher das Vorkommen der ^Bernsteinsäure in der Hjdati-
den- Flüssigkeit durch diese Analyse für vollkommen er-
wiesen.
VL Ueber die Pseudomorphosen des Glimmers
nach Feldspaih, und die regelmäfsige Verwachsung
des Feldspaihs mit Albit; fon Gustaf? Rose.
JL seudomorphosen des Glimmers nach Feldspath sind nicht
neuy sie wurden schon von Haidinger') und Blum^)
beschrieben. Erstcrer beobachtete sie in dem Porphyr von
St. Agnes in Cornwall, Letzterer in dem von St. Just, so-
wie in dem Granit von Warmsteinach im Fichtelgebirge.
Die veränderten Feldspathkrystalie waren in beiden Fäl-
len eingewachsene Krystalle, die von St. Agnes und Warm-
steinach waren in kleinkörnigen grünlichgrauen Lcpidolith-
ähnlichen Glimmer verändert, die von St. Just in ein höchst
feinkörniges Gemenge von weifsem Glimmer und Quarz
1) Abhandl. der l. bölimischen Gesellsch. der Wissenscli. von 1841.
2 ) Pseadomorphosen S. 275 und Nachtrag zu den Pseudomorphosen S. 26.
122
mit eingesprengten Zinnerz -Körnchen. Der Feldspath von
Warmsteinach war aber mehr oder weniger zersetzt, er
hatte im Allgemeinen nicht die gewöhnlidie Frische , und
war licht 'fleischrofh, wenig glänzend, bröcklig, und fast
überall mit grünlichweifsen GlimmerschOppchcn gemengt,
die aber an vielen Stellen so gehäuft waren, dafs der frü-
here Feldspath an solchen ganz verschwunden und nur die
Form von ihm geblieben war.
Neuerdings haben sich dergleichen Pseudomorphosen
nun auch bei aufgewachsenen Krjstallen in den Drusenrän-
men des Granits von Hirschberg in Schlesien gefunden^).
Sie wurden daselbst von Hrn. Brücke beobachtet, in gro-
fser Vollständigkeit gesammelt, und von dem Besitzer mir
freundlichst zur Untersuchung mitgetheilt. Die Feldspath-
krjstalle sind auch hier mehr oder weniger vollständig in
einen lichte grünlich -weifscn, fein- und kleinschuppigen Le-
pidolith- ähnlichen Glimmer verwandelt. Sie sind der Form
n^ch theils einfache, theils Zwillingskrjstalle nach Art der
Bavenoer, wie sie in den Drusenräumen des Granits ge-
wöhnlich vorkommen. Die Oberfläche ist bei allen rauh
und zerfressen, und mit Glimmerblättchen mehr oder weni-
ger dick bedeckt, und von diesen zieht sich die Glimmer-
masse in das Innere hinein, bei manchen nur mehrere Li-
nien tief, bei anderen tiefer und dann gewöhnlich kleinen
Rissen und Sprüngen folgend, und noch andere sind ganz
und gar mit Glimmer erfüllt, der nun in der Mitte fein-
schuppiger als an den Rändern erscheint. Wo der Glim-
mer nur an den Rändern zu sehen ist, hat der angrSnzende
Feldspath Farbe und Glanz und etwas von seiner Härte
verloren, er ist weifs und matt geworden, und läfst sidi
mit dem Messer ritzen, während er weiter entfernt seine
ursprüngliche fleischrothe Farbe und Härte hat; wo dtf
Glimmer das Innere erfüllt, ist auch mit der Lupe keine
Spur von Feldspath zu entdecken.
1) Der eigentliche Fundort ist der FeldspatLbracb am grünen Busch zwi-
schen Hi'rsclibcrg and Lomnitz.
123
X
Diese letzteren Krjstalle mderlegen also auf tias Be«
stimmteste alle andern Meinungen, die man sich sonst über
die Bildqng derselben machen könnte; denn wenn man beim
Anblick der ersteren auch noch die Meinung haben könnte,
ab wären Glimmer und Feldspath gleichzeitige Bildungen,
bei welchen nur der Glimmer ganz an die Aufsenseite ge-
drängt wäre, so kann man diefs nicht annehmen bei Krj-
stalieu, die keine Spur mehr von Feldspath enthalten. Doch
auch selbst die Krjstalie, bei welchen sich der Glimmer
nur an der Oberfläche findet, kann man nicht für gleich-
zeitige Bildungen halten, da in diesem Falle die veränderte
Beschaffenheit des Feldspaths in der Nähe des Glimmers
nicht zu erklären wäre. Bei den Gemengen des Adulars
mit feinschuppigen Cblorit vom Gotthardt, die offenbar
gleichzeitige Bildungen sind, haben beide Substanzen ein
ganz frisches Ansehen, und der Adular behält auch in der
unmittelbaren Nähe des Chlorits seine Durchsiditigkeit und
seinen Glanz.
Wenn demnach die beschriebenen Krjstalle wohl un-
zweifelhaft für Pseudomorphosen zu halten sind, so möchte
auch hier wohl die Bildung des Glimmers nicht anders als
wie Bischof gezeigt hat, durch Zersetzung auf nassem Wege
erfolgt seyn. Indessen ist bei den Pseudomorphosen von
Hirschberg noch eine andere Erscheinung bemerkenswerth.
Die Feldspathkrystalle, welche in den Drusenräumen des
Granits vom Biesengebirge vorkommen, sind gewöhnlich
mit kleinen, durchsichtigen, fast wasserhellen Krystallen
von Albit besetzt, die mit ihnen auf die bekannte Weise
verwachsen sind. Sie sitzen vorzugsweise auf gewissen Flä-
chen, während andere davon ganz oder doch meistentheils
befreit sind. Zu den ersteren gehören die Flächen des
verticalen rhombischen Prisma T und /, zu den letzteren
besonders die schiefen Endflächen. Bei den mehr oder we-
niger in Glimmer verwandelten Feldspathkrystallen von
Lomnitz finden sich aber diese Albitkrystalle ebenfalls; sie
sitzen auf der ganz rauhen und zerfressenen Oberfläche in
124
derselben Webe wie bei den frischen KrystalleD, und sind
ziemlich ebenso klar und durchsichtig wie bei diesen. Es
fragt sich nun, sind diese Albitkrystalle nrsprfingUdie Bil-
dungen, die mit dem Feldspatbe gleidizeitiger Entstehoog
sind, oder sind sie ebenfalls wie der Glimmer Zersetznngs-
producte. Die erste Annahme möchte auf den ersten Au-
genblick die naturlichste ersdieinen; es giebt so viele regeU
mäfsige Verwachsungen Ton verschiedenen Mineralien die
man fQr gleichzeitige Bildungen halten mufs, wie von Stan-
rolith und Cyanit, von Eisenglanz und Rutil u. s. w., und
von diesen scheinen die Verwachsungen von Albit und
Feldspath nicht verschieden; femer finden sich die in Gra-
nit, Porphyr und Gneifs eingewachsenen Feldspathkrystalle
auf gleiche VTeise nicht sowohl von Albit als von Oligo-
klas bedeckt, nur daCs der letztere hier eine zusammen-
hängende Hülle bildet, und diefs findet sich in dem ganz
frischen Gestein, so daCs man die Hfille nicht als Zersetznngs-
product ansehen kann; es könnte daher wohl wahrschein-
lidi seyn, daCs auch der Albit auf den aufgewadisenen
Krjstallen des Feldspaths eine ursprüngliche Bildung, und
bei den zersetzten ^Krjstallen derselbe nur frisch geblieben
und von der Zersetzung nicht angegriffen sey. Untersucht
man indessen die Sache näher, so erheben sich dodi al-
lerhand Zweifel dagegen. Die Feldspathkrystalle des Hirsch-
berger Thaies sind häufig stellenweise mit ganz unregelmS-
fisigen Flächen begränzt, die wie die Flächen von Sprüngen
und Rissen aussehen, welche die Krystalle durchsetzt ha-
ben. Auch auf diesen Flächen ist der Feldspath mit den
kleinen Albitkrystallen besetzt, die ungeachtet der unebe-
nen Flächen doch in regelmäfsiger Stellung zu dem Feld-
spath sich befinden. Offenbar müssen die Krystalle erst
gebildet, und dann geborsten seyn, ehe sich die Albitkry-
stalle absetzen konnten. Ferner sind die Feldspathkrystalle
sehr häufig ganz oder stellenweise mit einem dünnen Ueber-
zuge von erdigem rothen Eisenoxyde bedeckt, der oft dicker
wird, und in diesem Fall gewöhnlich als feinschuppiger me-
125
tallisch glänzender Eisenglanz erscheint'). Bischof^) er-
wähnt auch dieses Ueberzuges der Schlesischen Feldspath-
krjstalle, und hält ihn für ein Product der Zersetzung des
Feldspaths, deren ersten Grad er bezeichnet; indem er in
nichts anderem, als in einer höheren Oxydation des in
dem Feldspath enthaltenen Eisens bestehe und die Art der
Verbreitung des Eisenoxjdes auf der Oberfläche der Feld-
spathkrjstalle möchte diese Art der Entstehung wohl wahr-
scheinlich machen^).
Auf diesem Ueberzuge Ton Eisenoxjd kommen nun aber
die Albitkrjstalle nicht selten aufgewachsen vor. Wenn
derselbe. einen Feldspathkrjstall ungleichmäfsig bedeckt, so
sind die Albitkrystalle allerdings weit gröfser und häufiger,
wo der Ueberzug nicht ist, aber sie finden sich bestimmt
auch da, wo er ist, und in derselben Lage, so dafs der
Ueberzug die Anziehung des Feldspaths zu dem sich bilden-
den Albit nicht aufgehoben hat. Namentlich sieht man
die Albitkrystalle auf dem Eisenoxyde da, wo der Feldspath
mit jenen unregelmäfsigen Kluftflächen begränzt ist, und
hier ist oft der bedeutende Albit noch mit dem Eisenoxyd
1 ) Dieser Ueberzug kommt mehr oder weniger auf allen Feldspathkrystallen
des Hlrschberger Thaies vor, findet sich aber ganz besonders häufig bei
dem Feldspath m dem unter . den Namen des Krötenloches bekannten
Steinbraclie bei Schwarzbach, eine Stunde südh'ch von Hirscbberg, der
sonst noch durch die Gröfse und Vollkommenheit der hier vorkommen-
den Feldspathkrystalle ausgezeichnet ist. Die Masse des bedeckenden und
in die Bisse und Spalten des Feldspaths eindringenden Eisenoxyds ist^
hier so grofs, dafs dieser Feldspath für die Benutzung zum Porcellan
für unbrauchbar gehalten, und der Bruch daher, ungeachtet der Menge
von Feldspath, die er noch immer enthält, verlassen wurde.
2) Lehrbuch der ehem. und phjsik. Geologie Th. 2, S. 295.
3) Die Krystalle enthalten aufserdcm durch die ganze Masse Eisenoxyd ein-
gemengt. Legt man frische Bruchstucke von dem Feldspath von Schwarz-
bach, die von der mit Eisenoxyd bedeckten Oberfläche durchaus nichts
enthalten, in Ghlorwasserstoflsäure, so wird dieselbe sehr bald gelb, und
in sehr kurzer Zeit, zumal wenn man das Ganze an einen warmen Ort
gestellt hat, Eisenoxyd in nicht unbeträchtlicher Menge ausgezogen. Die
sehr lichte röthlichbraune Farbe des Feldspaths wird dadurch in eine
schneeweifse verwandelt.
126
gemengt und dadurch roth gefärbt; legt man dergleichen
Stücke in Salzsäure, so wird das Eisenoxyd unter dem Al-
bit fortgenommen ^). Da aber das Eisenoxjd sich zwischen
dem Feldspath und Albit befindet, so beweist dieser Um-
stand, dafs beide letztere Substanzen keine Bildungen sind,
die unmittelbar auf einander stattgefunden haben, und es
folgt auch weiter daraus, dafs, wenn das Eisenoxyd ein
Zersetzungsprodukt und eine Bildung auf nassem Wege
sey ^), ein Gleiches auch von dem Albite anzunnehmen sey,
so dafs man glauben möchte, der Feldspath sey ursprüng-
lich ein inniges Gemenge von reinem Feldspatb mit Albit
gewesen, letzterer aber allmälig von den Gewässern aasge-
zogen, und auf der Oberfläche wieder abgesetzt. Dafs dieÜB
noch nicht vollständig geschehen sey, beweist die Analyse
des Feldspaths von Schwarzbach von Awdeeff, wonach der-
selbe noch eine gröfsere Menge Natron enthielt, als der gla-
sige Feldspath nämlich 5,06 Proc. ^), und dafs durch solche
Ausziehung von Albit keine bedeutende Veränderung in der
Spaltbarkeit einzutreten braucht, beweisen die grüneQ Di-
opside von Sahla, die wie aus den Untersuchungen meines
Bruders hervorgeht *), Kalkerde verloren und Talkerde und
Wasser aufgenommen haben, sich mit dem Messer mit Leich-
tigkeit ritzen lassen, aber doch nicht ihre Spaltbarkeit gänz-
lich eingebüfst haben. Uebrigens enthält auch der Feldspath
zuweilen kleine Albitkrystalle in sichtbarer Gröfse und nicht
unbeträchtlicher Menge eingemengt, wie z. B. zuweilen der
1^ Bei einem solchen Versuche blieb unter den gröfseren AlbitkrystaUen
in der Mitte noch etwas Eisenoxjd zurück, aber auch diefs wurde ge-
wifs ausgezogen sejn, hätten die Stücke längere ZeJ^ in Ghlorwasserstoff-
säure gelegen.
2) Dafs Eisenglanz eine Bildung auf nassem Wege seyn kann, beweisen
auf das Bestimmteste die in Eisenglanz veränderten Muscheln von Semur
im Dep. G6te d*or. Yergl. Blum 's Pseudomorphosen, Nachtrag $.202.
3) Vergl. Poggendorff's Annalen Bd. 62, S. 468. Dafs in dem ana-
Ijsirten Feldspath kein Albit sichtbar eingemengt war, kann ich bezeu-
gen, da ich Hrn. Awdeeff das Mineral zur Analyse selbst mitgetheilt hatte.
4) Vergl. Schweigger*s Journ. Bd. 35, S. 100 and auch Bischof dieoi.
und physik. Geologie Bd. 2, S. 516.
127
grüne, Amazooeustein genannte, Feldspath vom Ilmengebirge
im Ural ' ).
VII. Untersuchung der specißschen Eigenschaften
der beiden Säuren, aus denen die Traubensäure
besteht; fon Hrn. L. Pasteur.
{^Ann, de chim. et de phy%, T, XXV Ilh p, 56 frei und abgekürzt.)
JLlie gegenwärtige Arbeit bezweckt zu zeigen, was eine
frühere nur unvollständig that^), dafs die Traubensäure
eine Verbindung ist von zwei Säuren, welche die Polari-
sationsebene des Lichtes gleich stark drehen, aber die eine
rechts und die andere links, welche in ihrer, sonst gleichen
Krjrstallform einen ähnlichen Unterschied darbieten, und
diese Eigenschaften auch auf ihre Salze übertragen. Von
diesen Säuren, die durch die Namen Rechts- und Linkstrau-
bensäure {Acide dextrorac^ique et acide livoracemiqtie^
unterschieden wurden, ist die Rechtstraubensäure identisch
mit der Weinsäure.
Das Material zu dieser Untersuchung lieferte Hr. K est-
ner zu Thann (Elsafs), der Entdecker der Traubensäure,
was um so dankenswerther ist, als diese Säure seitdem
nidit wieder vorgekommen ist. Vergebens hat Hr. K est-
ner manigfaltige Versuche zu deren Darstellung unternom-
men und ohne Zweifel verdankt sie ihre Entstehung nur
einem besondern Umstand in der Fabrikation^ oder einer
Krankheit des Weinsteins in -den Trauben.
Traubensaures Natron-Ammoniak.
Es war dieses Doppelsalz, durch welches zuerst die
Trennung der beiden Säuren gelang.
1) Tergl. G. Rose Reise nach dem Ural etc. Bd. 2, S. 79.
2) Ann, de chim. ei de phys, T, XXIF, p, 442.
128
Sättigt man gleiche Theile 'TraubeusXure durch Natron
und durch Ammoniak und mischt die beiden Flüssigkeiten
mit einander, so setzt sich beim Erkalten, oder freiwilligen
Abdampfen ein Doppelsalz in schönen Krjstallen ab, die
nach drei oder vier Tagen eine Länge und Dicke von meh-
reren Centimetern erreichen. Untersucht man diese Kry-
stalle einzeln, so erkennt man, dafs sie zweierlei Art sind;
die einen sind rechts, die andern links hemiedrisch, und
die Gewichtsmengen beider sind zu jeder Zeit der Krjstal-
lisation gleich. Die Lösung der rechts -hemiedrischen Kry-
stalle dreht die Polarisationsebene des Lichts nach der Redh-
ten, die der links -hemiedrischen nach der Linken, und zwar
um dieselbe Gröfse; bis auf die Anordnung der. hemiedri-
schen Flächen sind beide Arten von Krystallen Tollkoiii-
men identisch.
Diese beiden Salze lassen sich nur dadurch trennen,
dafs mau ihre Krystalle nach deren hemiedrischen Charak-
ter aussucht, was natürlich bei den verwachsenen nur sdir
unvollständig geschehen kann. Soviel wie möglich mub
man nur isolirte gut ausgebildete Krystalle auslesen. Fügt
man zu einer kalt gesättigten Lösung, z. B. zur Mutterlange
einer Krystallisation, eine gewifse Menge gemischter Kry-
stalle und löst sie durch Erwärmen der Flüssigkeif, so er-
hält man nach drei oder vier Tagen sehr schöne, isolirte
und leicht auszulesende Krystalle. Die hinzugefügte Safat-
menge mufs eine solche seyn, dafs sich in den ersten 24
Stunden nur einige Krystalle aussondern. Die Lösung die-
ses Salzes verliert Ammoniak beim Verdampfen und dadordi
erfolgt eine Ablagerung von saurem Salz in sehr kleinen
Krystallen. Um die Bildung dieses sauren Salzes zu yer-
hüten, fügt man der Lösung., wenn man sie zum Krystal-
lisireu hinsetzt, einige Tropfen Ammoniak hinw«
Will man sich durch eine chemische Reaction überzeu-
gen, dafs die sonach getrennten Krystalle von zweierid
Art sind, deren keine, einzeln genommen, TraubensSnre
enthält, so braucht man sie nur aufzulösen und mit der
Lösung eines Kalksalzes zu behandeln. Sind die Lösungen
etwas
129
etwas verdünnt, so sieht man keinen Niederschlag entste-
hen, vielmehr setzen sich nach einiger Zeit isolirte glän-
zende Krystalle ab, bestehend aus geraden Prismen mit
rhombischer Basis, die an den Enden in ein Octacder über-
gehen. Endlich schlägt sich das Kalksalz mit allen Kennt-
zeichen des Weinsauren Kalkes nieder. Die Lösungen bei-
der Arten von Krystallen verhalten sich ganz gleich für
das Auge. Löst man aber beide Krjstallarten , die rechts-
und die links -hemiedrischeu, gemeinschaftlich auf, so bildet
das Kalksalz, selbst in einer sehr verdünnten Lösung, so-
gleich oder nach einigen Sekunden einen Niederschlag in
Gestalt eines amorphen Pulvers oder kleiner dünner Lamel-
len, die, je nach der mehr oder weniger grofsen Langsam-
keit der Fällung, isolirt oder sternförmig gruppirl sind,
und alle Kennzeichen des traubensauren Kalks besitzen.
Kryatnllforni des recbts- und des links-tranbensaaren
Natron- Ammoniaks.
Die Krystallform des rechts -traubensauren Natron -Am-
moniaks ist in Fig. 6, Taf. IL abgebildet, die des links -
traubensauren in Fig. 7. Es ist ein gerades Prisma mit
rechteckiger Basis P, M, T, abgestumpft an den Seiten-
kanten durch die Flächen V. Die Kante der Flächen b'
mit T ist abgestumpft durch eine Fläche A. Wäre keine
Hemiedrie vorhanden, würde jedes Ende vier Flächen h
haben, die durch ihre Verlängerung ein gerades Octaeder
mit rhombischer Basis gäben. Allein es sind an jedem Ende
nur zwei Flächen h vorhanden und diese beiden Paare
stehen so über Kreuz, dafs sie durch ihre Verlängerung ein
regelmäfsiges Tetraeder bilden. Hält man die Fläche P
vor sich, mit der Fläche T horizontal, so hat man rechts
oben am Krystall eine Fläche h. Der ganze Unterschied zwi-
schen dem rechts- und dem links -traubensauren Salz besteht
darin, dafs, bei dem letzteren, bei gleicher Stellung des
Krystalls, die Fläche h zur Linken des Beobachters liegt.
Uebrigens sind die Winkel ganz dieselben an beiden Salzen.
In Wirklichkeit ist die Krystallform dieser Salze com-
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX "
130
plicirter als es die Figuren 6 und 7 darstellen. So unter
andern kommen noch auf der Kante zwischen P und T
zwei Flöchcn vor, die bemerkenswerth sind, weil sie die
Flüche P ohne Wiukelmessung erkennen lassen und da-
durch das Auslesen der rechts- und der links -hemiedri-
schen Krystalle sehr erleichtern.
Zuweilen geschieht es, dafs die Flächen h an einem
und demselben Krystall sowohl zur rechten als zur linken
Seile vorkommen; aber dieser Fall, der z. B. beim Brech-
weinstein häufig ist, in dem das unregelmäfsige Tetraeder
desselben sich zu einem Octaeder vervollständigt, stellt sich
glücklicher^veise bei dem in Rede stehenden Salze nur sehr
selten ein, und ist oft nur scheinbar.
Eine Frage, die sich natürlich darbietet, ist die: ob nicht
die Traubensäure ein Gemenge gleicher Theile beider (rechts-
und links -modiiicirten) Säuren sey, und daraus die beiden
untersuchten Doppelsalze entstehen. Allein die oben er-
wähnte Reaclion gegen Kalksalze spricht dagegen. Denn
die Lösung eines Krystalls von Traubensäure, wie klein
er auch sey, giebt mit einem Kalksalz traubensauren Kalk.
Uoberdiefs wird man weiterhin sehen, dafs die Rechts- und
die Links- Traubensäure nicht zusammen existiren können,
ohne nicht durch ihre Verbindung sogleich Traubensäure
zu geben, leicht erkennbar an der Gestalt und Löslichkeit.
Es ist also nur die Krystallisation, bei welcher das
Ooppelsalz von Natron und Ammoniak, aus einer noch un-
bekannten Ursache, ein Zerfallen der Traubensäure bewirkt
und die beiden Salze entstehen läfst.
Diese Eigenschaft besitzt aufser dem genannten Dop-
pelsalz nur noch das traubensaure Kali -Natron, welches
leicht zu erhalten ist, zuwider den Angaben einiger Che-
miker, die da behaupten, ein Gemeng von neutralem tran-
bensaurcm Kali und neutralem tranbensaurem Natron gebe
nur neutrales traubensaures Kali und nicht das Doppelsah.
Die fibrigen traubensauren Salze enthalten Traubensänre
als solche. Dergleichen Krystalle sind die neutralen Salze
von Kali, von Natron, von Ammoniak und das Kalkialz.
131
Ninamt man nSoiUch eioen einzelnen Krjrstall von diesen
Salzen und föUt seine Lösung durch ein lösliches Kalksalz^
ao fällt traubensaurer Kalk nieder. Ueberdiefs sind die
Krystalle dieser Salze, namentlich die sehr regelmäfsigeu
des traubensauren Kalis und des traubensauren Natronsy
nicht hemiedrisch.
DarstellUDg der Recbts- und dar Liokstraubensäure.
Um diese Säuren zu erhalten mufs man sich zuvörderst
eine ziemlich grofse Menge der Krystalle verschaffen, die
sich beim Versuche zur Darstellung des traubensauren Na-
tron-Ammoniaks ablagern. Man nimmt gleiche Gewichts-
theile Traubeusäure, sättigt den einen durch reines kohlen-
saures Natron, den andern durch Ammoniak, und vermischt
beide Flüssigkeiten. Man dampft sie ein, läfst krystallisi-
ren und befolgt die früher gegebenen Vorschriften. Eine
bei 11^ C. gesättigte Lösung dieses Doppelsalzes zeigt 23^
am Banm^'schen Aräometer an, dagegen 28°, wenn sie bei
der Temperatur 21° C. gesättigt ist.
Rechtstraabensäore.
Dieselbe erhält man, wenn das rechtstraubensaure Na-
tron-Ammoniak mit salpetersaui^em Bleioxyd oder einem
Barytsalz behandelt wird. Das Bleisalz eignet sich dazu
am besten, weil das rechtstraubensaure Bleioxyd fast un-
löslich ist, und obwohl anfangs gelatinös niederfallend, bald,
besonders in der Wärme, einen krystallinischen Nieder-
schlag bildet, der sich leicht abfiltriren oder decantiren läfst.
Eis ist jedoch möglich, dafs es etwas salpetersaures Blei
enthalte, welches nicht durch Waschen zu entfernen ist.
Die Krystalle des rechtstraubensauren Bleioxyds erwei-
sen sich unter der Lupe oder dem Mikroskope als gerade
rhombische Prismen mit octaedrischer Abstumpfung der
Enden.
Das Salz ist wasserfrei und bat die Zusammensetzung
C^H^Oj.PbO, denn 1,603 desselben, in einer Porcellan-
kapsel geglüht, hinterliefsen 0,972, worin durch Behandlung
9»
i32
Ulli Essigsäure 0,479 mclallisches Blei nachgewiesen wur-
den, wonach es 62,9 Proc. Bleioxyd enthält.
Dafs es fast gauz unlöslich ist, geht aus folgendem Ver-
such hervor. 100 Grin. rechtstraubensaures Natron -Am-
moniak wurden mit 130 6rm. salpetersaurem Bleioxjd ge-
fällt, und dadurch 135 Grm. trockues rechtstraubensaures
Bleioxyd erhalten. Diefs entspricht 50 Grm. trockner Säure;
nach der obigen Zusammensetzung hätten es 50,5 Gnn. sejn
müssen.
Das rechtstraubensaufe Blei wird darauf bei gelinder
Temperatur mit Schwefelsäure behandelt, am besten mit
einem kleinen Ueberschufs derselben, wenn man die Säure
krjstallisirt haben will; sonst ist dieser nicht nOthig. Audi
kann man (wie zur Darstellung der Linkstraubensäore)
das Bleisalz durch Schwefelwasserstoff zersetzen ; doch bat
diefs keinen Yortheil.
Aus concentrirten Flüssigkeiten, besonders bei Gegen-
wart einer kleinen Menge Schwefelsäure, schiefst die Rechts-
traubensäure an, bei langsamer Verdampfung in klaren, to-
luminösen Krjslallen von grofser Schönheit.
Die Rechtstraubensäure ist, wie sogleich bewiesen wer-
den soll, in allen ihren physischen und chemischen Eigen-
schaften identisch mit der Säure im gewöhnlichen Wein-
stein und nur um an ihren Ursprung zu erinnern, wird sie
hier noch durch den Namen von derselben unterschieden.
Identität der Rechtstraubensäure mit der Weinsäure. -^
Die Krjstallform der Rechtstraubensäure ist Fig. 8. Taf. IL
abgebildet; sie ist, wie die der Weinsäure, ein schiefes
Prisma mit reclangulärer Basis. Parallel der Fläche M ist
die Spaltbarkeit sehr glänzend. Die Winkel, die mit den
von Hrn. de la Provostaye bei der Weinsäure gefun-
denen sehr gut übereinstimmen, sind:
P : 6 = 145° 32' P :c=i 134*^ 30'
P:M = 100^32' M : d= 128^32'
M:b = 135^00' d :d = 102°54'.
M:k =122° 30'
133
In der Regel ist der Krystall hemiedriscfa , denn die
Flächen c finden sich entweder nur an seiner Rechten, wie
es eben die Figur zeigt, oder, wenn sie auch an der Lin-
ken vorkommen, so sind sie doch meistens daselbst viel
weniger ausgebildet. Nur in einigen sehr seltenen Fällen
haben die Flächen c zur Rechten und Linken eine gleiche
Ausdehnung, ein neuer Beweis, dafs die Ursache, welche
die Hemiedrie erzeugt, nicht immer eine Unsymmetrie der
Gestalt herbeiführt.
PyrO'Elektriöität der Weinsäure und der Rechtstrau-
b^nsäure, — Beide Säuren sind pjro- elektrisch. Die grob- ^
sten Prüfm|ttel auf Elektricität reichen hin zu zeigen, dafs
ein Krjstall von der einen oder andern Säure sich beim
Erwärmen oder Erkalten mit beiden Elektricitäten ladet.
Ist das Elektroskop sehr empfindlich, so kann man sehen,
dafs schon die Handwärme Pole hervorruft. Beim Erkal-
ten ladet sich die rechte Seite des Krjstalls Fig. 8. Taf. II.
mit positiver Elektricität, die linke mit negativer. Beim
Erwärmen verhält es sich umgekehrt.
Spedfisches Gewicht. — Durch Wägungen in Terpen-
thinöl, worin die Rechtstraubensäure ganz unlöslich ist,
wurde ihr specifisches Gewicht = 1,750^ Das der Wein-
säure Wird in den Lehrbüchern der Chemie zu 1,75 an-
gegeben.
Chemische Zusammensetzung. — 0,5 Grm. krjstallisirter
Rechtstraubensäure gaben 0,583 Kohlensäure und 0,181
Wasser, woraus sich ergicbt die Formel C^QsOg.HO
und die Zusammensetzung
RechtslraubcDsaare. Während die der WeiD.s<iure:
Kohle 31,9 32,0
Wasserstoff 4,0 4,0
Sauerstoff 61,1 64,0
100,0. 100,0.
Drehungseermögen der beiden Säuren. — Folgende Ver-
suche werden zeigen, dafs das Vermögen zur Drehung der
Polarisationsebene des Lichts bei der Rechtstraubensäure
134
eben 80 stark ist wie bei der Weinsäure , bei wdcber es
von Hm. Biot so specieli untersucht wurde ^)«
31,428 Grm. BechtstraubensSure wurden in 68,571 Gnu«
Wasser gelöst. Die scheinbare Dichtigkeit der ' Lösung
war 1,1560, die Temperatur 21^ C, die Länge der Beob-
ächtungsröhre 500 Millimeter. Die Concentration der Lö-
sung war ganz wie bei Hrn. Biot, nur betrug bei diesem
die Temperatur 25^,5 C. und die Böhrenlänge 519,5 MUm.
Die Farben der ordentlichen und der aufeerordentli-
chen Bilder für verschiedene Azimute giebt Hr. Biot fol-
gendermafsen an:
A.
P-
£.
00,00
Beinahe weifs
Blangrun oder blaCi grönblau
20,00
do.
Sehr sichtbar blau
21,00
do.
Verschwindend blaa, kein Roth-
violett.
23,00
do.
Yiolettrotk
27,00
Milchweifs
Orangeroth oder rothorange
40,33
Beinahe weifs
Orangegelb
48,50
Blafs blaugrun
Höthlichweirs
90,00
Blaugrün oder grünblau
Beinahe weifs
Dieselben Farben wurden bei denselben Azimuten an
der Lösung der Bechtstraubensäure beobachtet. Nur fand
sich das Uebergangsazimut statt bei 21 ^^ genau bei 20^
offenbar weil die Röhre im Yerhältnifs 50 zu 52 kürzer
war und die Temperatur statt 25°,5, nur 21° betrug, denn
bekanntlich wächst das Drehungsvermögen der Weinsäure
mit der Temperatur. Bothes Glas, welches bei Hrn. Biot
eine Drehung von 18 ",8 veranlafste, bewirkte nur eine
von 17^5.
Hr. Biot hat aus zahlreichen Versuchen eine Formel
abgeleitet, mittelst deren man das Drehungsvermögen einer
Lösung von Weinsäure ableiten kann, wenn man nur ihren
Gehalt an dieser Säure kennt. Diese Formel ist
,[a]r ist das moleculare Drehungsvermögen für den ro-
then Strahl; A eine für alle Lösungen constante, nur mit
der Temperatur veränderliche Gröfse; B eine Constante
1) M^m. de V Inst, 1837. (Ann. XXXVIII. 179.)
135
=7 14f ,31 und c der Wassergehalt 3er Lösung in Gewichts-
theilen.
£ür 21^'C. Temperatur, ist ils— 0,17132, mithin hat
man für die Lösung der Rechtstraubensäure:
[«]r = — 0,17132 + 14^31. 0,68571=9S64.
Berechnet man andrerseits das Drehvermögen mittelst
der Formel
- ^ « . (a=17°,5 / = 500
[«]r,-, wenn j^ ^^3^^28^=1,153,
so findet man
[a]r=9^681
eine vollkommene Uebereiustimmung für dergleichen Ver-
suche.
Vergleicht mau die Farben, welche eine die Polarisa-
tionsebene drehende Substanz, wie Quarz, Zucker u. s. w.
in ihrem ordentlichen und aufserordeutlichen Bilde dar-
bietet, mit denen der vorstehenden Tafel, so sieht man
deutlich einen Unterschied für gleiche Ablenkung. Ueber-
diefs steht bei allen Substanzen, die dem allgemeiuen Dre-
hungsgesetze einfacher Strahlen folgen, das mittlere Azimut
des rothen Glases zu dem Uebergangsazimut, bei gleicher
Dicke, in dem constanten Verhältjfs 4a* ^^ ^^^^ ^^^ ^^^
Ablenkung 20, die oben bei der Uebergangsfarbe beob-
achtet ward, zu der Ablenkung 17^,5 .des rotheu Strahles
überzugehen, mufs mau sie multipliciren mit -~ oder nach
26 89
Hrn. Biot's vorhin angeführten Versuch, mit -«jp- Diefs
beweifst, dafs die rechtstraubeusauren Lösungen die Polari-
sationsebeneu der einfachen Strahlen nicht so zerstreuen wie
der Quarz.
Alles dieses hebt jeden Zweifel an der Einerleiheit der
Weinsäure und Rechtstraubensänre, die weiterhin durch
die Untersuchung ihrer Salze noch bestätigt werden wird.
Links traubensäure.
Die Darstellung derselben geschieht genau wie die der
Rechtstraubensäure. Liukstraubeusaures Natron - Ammoniak
136
wird mit salpetersaurem Bleioxyd behandelt und der Nieder-
schlag durch verdünnte Schwefelsäure zersetzt
Diese Säure krjstallisirt, besonders wenn sie mit etwas
Schwefelsäure vermischt ist, bei langsamer Yerdampfimg
leicht, in sehr schönen klaren und grofsen Krjstallen. Nichts
ist sonderbarer und zugleich aufserordentlicher beim ge-
genwärtigen Zustand der Wissenschaft als der Vergleich
der Weinsäure oder Rcchtsfraubensäure mit der Linkstrau-
beusäure, die man auch Linksweinsäure nennen könnte.
Zwischen beiden Säuren ist kein anderer Unterschied an-
gebbar als der in der Hemiedrie und der im Sinne der Ab-
lenkung der Polarisationsebene des Lichts. Winkel der
Flächen, physikalisches Ansehen, Löslichkeit, speeißsches
Gewicht, chemische Eigenschaften, Zusammensetzung, alles
ist gleich bei beiden Säuren, aber die Krjstallform der
einen ist das Gegenstück der anderen. Ein WeinsSare-
Krjstall, vor einem Spiegel gehalten, giebt ein Bild genaa
von der Form der Linkstraubensäure. Andererseits lenkt
die Linkstraubeiisäure die Polarisationsebene des Lichts nach
der Linken ab, während die Weinsäure sie nach der Rechten
dreht und zwar um dieselbe absolute Gröfse ^ )•
Krystallform. — Die Krystallform der LinkstraubensSure
ist in Fig. 9, Taf. IL abgebildet; verglichen mit der Rechts-
traubensäure in Fig 8 ersieht man, dafs beide Formen in
allen Stücken identisch, jedoch nicht fiberdeckbare Polyeder
sind. Sie decken einander nicht, weil di^ Fläche b nicht
identisch mit der Fläche k ist, kurz weil das Prisma ein
schiefes ist. Die Winkel sind fibrigens dieselben wie bei
der Rechtstraubensäure.
Auch hier wie bei der Rechtstraubensäure verschwinden
die Flächen c zuweilen vollständig an der rechten Seite,
wie es die Figur angiebt; häufig sind sie sowohl rechts
als links vorhanden, aber, mit Ausnahme einiger sehr sel-
tenen Fälle, sind sie an der linken Seite immer entwickel-
I) "Weshalb di*nn aurli durch die Traubeiisaurc und deren Salze keine
Drehung der PoUrisationsebene bewirkt wird P.
137
ter als an der recbteh. *- Eine leichte ond sehr gIXuzende
Spaltbarkeit findet parallel der Fläche M statt.
Pyro^ElekiricitäL — Die Linkstraubensäure ist stark
pyro- elektrisch, ebenso stark ak die Rechtstraubensäure.
Nur ist es, wenn der Krjstall erkaltet, die linke Seite
Fig. 9, welche sich positiv ladet, während die rechte Seite
negative Elektricität annimmt. Bei der Rechtstraubensäure
oder Weinsäure verhält es sich umgekehrt.
Speeifisches Gewichi. — Bestimmt in Terpenthinöl, worin
die Säure ganz unlöslich ist, fand es sich = 1,7496, identisch
mit dem der Weinsäure.
Chemiiche Zusammet^setzung. — 0,5 Grm. krjstallisirter
Linkssäure gab 0,583 Kohlensäure und 0,182 Wasser; dem-
nach ist ihre Formel C4H3O5.HO und ihre Zusammen-
setzung:
Linkstraubensaare: Weinsäure:
Kohlenstoff 31,9 32,00
Wasserstoff 4,02 4,00
Sauerstoff 64,08 64,00
100,00. 100,00.
LösKchkeiL — Man füllte eine Röhre mit Krjstallen
von Linkstraubensäure, eine andere mit Krjstallen von
Rechtstraubensäure, gofs Wasser auf beide und liefs sie
über Nacht stehen. Am anderen Morgen wog man von
der rcchtslraubcusauren Lösung 1,226 Grm. und von der
linkstraubensauren, 0,996 Grm. ab, und dampfte beide auf
einem Ofen bei 100'* ein, bis der Rückstand sein Gewicht
nicht mehr änderte. Die rechtstraubensäure Lösung hatte
verloren 0,699, die linkstraubensäure 0,567, wonach also
die erste 57,01 Proc. und die letztere 56,92 enthielt. Die-
ser Versuch, bei welchem die Temperatur 19 oder 20° C.
betrug, beweifst, dafs die Löslichkeit beider Säuren gleich ist.
Drehungst>ermögen. — Das Vermögen zur Drehung der
Polaristniionscbene des Lichts ist, seiner Gröfse nach, bei
der Linkstraubensäure genau gleich dem bei der Rechtstrau-
bensäure. Auch die zuerst von Hrn. Biot bei der Wein-
138
sSare nachgewiesene and bisher nodi bei keiner anderen
Substanz wahrgenommene ganz specieile Dispersion der Po-
larisationsebenen findet sich unverändert bei der Linkstran-
bensäure wieder. Ebenso ist der EinflaCs der Temperatur
und der der Concentration der Lösung genau derselbe. Aber
während die Drehung bei der Weinsäure nach der Rech-
ten geht, erfolgt sie bei der Linkstraubensäure nadi dar
Linken. Die folgenden Versuche lassen darüber keinen
Zweifel und noch strenger spricht dafür die Neutralität der
Traubensäure.
Eine Lösung von Linkstraubensäure, deren scheinbares
spec. Gew. 1,21699 und deren wahres also 1,2147 war,
wurde bei 20^ G. in einer 50 Centim. langen Röhre beob-
achtet. Nach dem Mittel mehrer Beobachtungen betrug die
Abhandlung für den rothen Strahl 18^90L^), für die
Uebergangsfarbe war sie 21^,28jL. Berechnet man nach
der von Hrn. Bio t für die Weinsäure -Lösungen den Säure-
gehalt der Lösung aus dem scheinbaren specifischen Ge-
wicht, so findet man, dafs sie 0,42 Proc. Säure enthielt
Die Formel
[a]r=il+JBe
giebt dann
[a]r = — 0,27840+14,31. 0,58=8^02.
Nach der allgemeinen Formel
[a]r=^ hat man [a]r=7^4l «).
1 ) Wir bezeichnen hier und in der Folge mit den Buchstaben L und R
die Ablenkung der Polarisationsebenen nach der Ldnken oder Rechttn.
Das Original gebraucht dazu Pfeile. P.
2) Da die Abweichung des aus dem Versuch abgeleiteten Drehungs%'ernio-
gen, 7^,41, von dem nach der Formel [a]r = il + ff« berechneten,
8*,02, gröfser :war als bei allen übrigen Versuchen, so entstanden Zwei-
fel an der Richtigkeit der Beobachtung, Der Fehler entspricht 2 bis 3
Graden in der dircct gemessenen Ablenkung, was die Grän&en der mog^
liehen Fehler bedeutend übcrlriflt. Sehr wahrscheinlich war der NoU-
punkt vor der Beobachtung nicht verificirt und derselbe durch eine
Veränderung in der Atmosphäre oder durch eine andere zufallige Ursache
verschoben worden.
139
Wie schon erwähnt, ist bei allen Substanzen , welche
die Polarisationsebenen nach der Art des Quarzes disper-
giren, das Yerhftltnifs der Ablenkung des rothen Strahls
zu der der Uebergangsfarbe gleich ^^, Diefs VerhältniCs
nähert sich bei der Weinsäure weitmehr der Einheit, ob-
gleich es för jede Lösung dieser Säure ein anderes ist.
Sucht man durch welches Dreifsigstel man 21,28 multipli-
dren müsse, um 18,90 zu erhalten, so findet man ^[p.
Entscheidender ist folgender Versuch, weil er mit ei-
nem unter wenig anderen Umständen von Hrn. Biot an-
gestellten verglidien werden kann.
35,7 Grm. Linkstraubensäure wurden in 6i,3 Grm. Was-
ser gelöst und die Lösung, bei 17**, in einer 50 Centm.
langen Röhre beobachtet. Ihr scheinbares spec. Gewicht
war 1,1806, ihr wahres 1,182.
Diese Lösung kommt der von Hrn. Biot beobachte-
ten (s. Mim. von 1836 p. 142) sehr nahe, denn dieselbe
enthielt 34,27 Säure und 65,73 Wasser, hatte ein schein-
bares spec. Gew. =1,1725 und ein wahres 1,16919, und
wurde bei 26^ G. in einer 518 MUm. langen Röhre beob-
achtet. Für die Farben ihrer Bilder fand Hr. B.:
Der Verfasser übergab dieselbe Losung Hrn. Biot. Dieser beobach-
tete sie gemeinschaftlich mit einer Weinsaure -Losung von gleichem spe-
cifischen Gewicht bei 20^5 C. in einer Röhre von 520 Millim. Für
die traubensaure Lösung fand er
ar=— 21^925; aj= — 24«,8 also ar:ai =26,52:30
und berechnet nach der von Hrn. Biot aus seinen Versuchen mit der
Weinsäure hergeleiteteten Formel [c»]r =5^1 + ^e
[a]r = 8^078.
Mittelst der allgemeinen Formel
r «!»•=*■; — i findet man fair = 8^246.
Die Weinsäure -Lösung von gleichem specifischen Gewicht gab:
ar=-i- 22^15; aj=H-24%5 also ar raj =27,12: 30
und [a]f =8^,33 berechnet nach der Formel:
r 1 — **•*
140
A,
o.
£.
0,00
Beinahe weiCt
Blau blaugrun
19,00
do.
Gutes blaugrun
21,16
do.
Blaugrun, noch merlclidi, aber
sehr schwach
22,50
do.
Null oder fast Null
23,00
do.
Purpur Tiolettrolh
28,00
do.
Oraogeroth
32,50
do.
Rothgelb
59,00
Weifs, kaam grünlich
Weib, kaum röthlicb
90,00
Grunweilj
grün
oder
bUfs blan-
Fast weifs
Die Lösung der LiukstraubensSure gab Hrn. Pasteur
Farben, die sich von denen der obigen Tafel in gleichen
Azimuten nicht unterscheiden liefsen. Nur war die Ablen-
kung der Uebergangsfarbe 20^,5 L statt 22^,5 Ry und die
des rothen Strahls 17 ",8 L statt der von Hrn. Biot ge-
fundenen 20'',1 IL
Berechnet man [cejr mittelst der Formel fQr die Wein-
säure-Lösungen [a]r = ii + B6 fQr die Temperatur 17^,
so findet man:
[a]r = — 0,62116 + 14,31 . 0,64 = 8^53
fQr das Drehungsvermögen unserer linkstraubensauren Lö-
sung.
Berechnet man dasselbe andererseits nach der allgemei-
nen Formel
und den Daten des obigen Versuchs:
a=17°,8; /=50; 6=35,7; ^=1,182,
so findet man
[a]r=8°,43.
Die Uebereinstimmung kann nicht genQgender sejn.
Hier noch eine andere Bestätigung. Das Drehungsver-
mögen der Biot'schen Lösung bei 26'',6 C. ist 9<',55. Be-
rechnet man nach der Formel [a]r = il+£e, was das
Drehungsvermögen der linkstraubensauren Lösung bei 26^
sejn würde, so findet man
[a]r = 9",47.
141
Sndit man endlich', in Dreifsigsteln aasgedrfickt, das
VerhSltnifs der Ablenkang der rothen Farbe zu der der
Uebergaugsfarbe, so findet man es bei der Linkstrauben-
saure = '^^^y nährend Hr. Biot es bei der WeinsSure
= ^^\^ gefunden hat.
Alle diese Bestätigungen beweisen übereinstimmend, dafs
zwischen dem DrehungsvermOgen der Weinsäure und dem
der Liukstraubensäure kein anderer Unterschied als der
seiner Richtung vorhanden ist.
Merkwürdig in mehrfacher Beziehung ist das Verhalten
der Salzsäuren Lösung des Kalksalzes beider Säuren. Links-*
tranbensaurer Kalk, in Chlorwasserstoffsäure gelöst, giebt
eine Flüssigkeit, die ein sehr merklich recAfxgehendes Dre-
hungsvermögen besitzt. Die Lösung der Weinsäure oder
itecM^traubensäure in derselben Säure lenkt dagegen links
ab. Nachstehendes ist das Detail eines mit linkstrauben-
saurem Kalk angestellten Versuchs.
20 Grm. des krystallisirten Salzes wurden in 63 Cub.
Centm. eiiier Chlorwasserstoffsäure gelöst, von denen 100
CC, bei 2P, 11,25 Grm. trocknes CIH enthielten. Das
spec. Gew. dieser Säure von 1,08157 bei 21^,5. In einer
39,8 Centm. langen Röhre betrug die Drehung für die
Uebergangsfarbe 6*^^1 R, Das spec. Gew. der Lösung be-
trug 1,18595.
Mit vieler Sorgfalt überzeugte sich Hr. P., dafs die Lö-
sung des linkstraubensauren Kalks in Chlorwasserstoffsäure
keine Spur von Weinsäure, noch von Traubensäure ent-
hielt. Es ist also eine ganz eigenthümliche Wirkung der
Chlorwassers(offsäure auf den linkstraubensauren Kalk, wo«
durch, ohne Bildung von fiechtstraubensäure, die Drehung
in die rechtsgehende umgewandelt wird.
Traiibensfture.
Aus vorstehenden Thatsachcn erhellt, dafs die Trauben-
säure aus zwei besonderen Säuren, der Weinsäure oder
Rechtstraubensäure und der Linkstraubensäure besteht. Um
den Beweis davon zu vollenden, braucht man nur concen-
142
irische Lösungen beider SSnren mit einander xa mischen;
angenbliGklich gesteht das Ganze, unter fbhibarer WSrme*
Entwicklung, zu einer krystaliinischen Masse, die alle phy«
sischen und chemischen Eigenschaften der Traubenstture be-
sitzt. Durch Wiederauflösen und Umkrystallisiren eriiält
man die Tranbensäure in schönen Krystallen, die in Hirer
Krystallform und Zusammensetzung ganz identisch sind mit
der Säure von Thann.
0,5 Grm. dieser Säure gaben 0,519 KohlensSnre und
0,215 Wasser, entsprechend der Formel CfHsO^.HO
oder
Die SSare von Thann cnthik:
Kohlenstoff 28,32 28,57
Wasserstoff 4,96 4,76.
Obwohl sich nun also die Traubensäure ans ihren Be-
standtheilen zusammensetzen läfst, so ist es doch bisher
weder Hrn. Kestner noch Hrn. Pasteur geglückt, die
Weinsäure in dieselbe umzuwandeln. Letzterer,, geleitet
durch Biot's Beobachtung, dafs das Drehungs vermögen
der Weinsäure -Lösung sowohl bei Temperatur -Erniedri*
gung als bei Zusatz von Schwefelsäure abnimmt, setzte
eine solche Lösung, thcils für sich, theils vermischt mit
Schwefelsäure, der Kälte aus, allein im ersteren Fall ge-
fror sie, und im letzteren, obwohl die Temperatur — 19^ C.
betrug, zeigte die Flüssigkeit noch Drehungs vermögen, hatte
sie sich also nicht in Traubensäure umgewandelt.
Uebrigens ist zu bemerken, dafs so wie das (Rechts)-
Drehuugsvermögen der Weinsäure mit sinkender Tempe-
ratur abnimmt, das nach der Linken drehende Vermögen
der Linkstraubensäure sich Unter gleichen Umständen eben-
falls verringert.
Recbts- und linkstraubensaure Salee.
Alle Beziehungen, die in der Gestalt, dem Drehnngs-
vermögen und den chemischen Eigenschaften zwischen der
Rechts- und Liukstraubensäure statt6nden, wiederholen sich
genau bei den Salzen beider Säuren. Jedem weinsauren
143
Salz entspricht ein linkstraubensaures, dafs sich nur darch
die Lage seiner hemiedrischen Flächen and durch sein Dre-
hmigsvermögen von ihm unterscheidet.
Linkstraubensaures Ammoniak.
Sättigt man Linkstraubensäure durch Ammoniak und
fiberläfst die Flüssigkeit dem freiwilligen Verdampfen (ei*
Her heifsen Lösung mufs mau Ammoniak in Ueberscbufs
hinzusetzen, weil sie Ammoniak verliert und beim Krystal-
lisiren in neutrales und saures Salz zerfällt), so erhält man
klare sehr schöne und wenig efflorescirende Krystalle von
der Gestalt Fig. 10. Taf. II. Verglichen mit der in Fig. 11
abgebildeten Gestalt des weinsauren oder rechtstrauben-
sauren Salzes ersieht man, dafs sie von dieser nur durch
die Lage der hemiedrischen Flächen h abweicht. Die Win-
kel sind gleich , nämlich^ beim
linkstraubensaurcn Salz
weioiauren Salz ' )
P '.M= 88" 2*
= 88» 9'
P :5 =127 25
= 127 40
P : (f = 124 47
= 124 55
A :Jir = 125 0
= 125 0
d :d =110 55
= 110 0
A, : ür = 126 20
= 126 20.
Beide Salze, das links- und das rechtstraubensaure, sind
parallel P deutlich und leicht spaltbar.
Chemische Zusammensetzung, — 0,5 Grm. des krystalli«
sirten linkstraubeusauren Ammoniaks gaben 0,482 Kohlen
und 0,297 Wasser, wornach es, entsprechend der Formel
C4H2O5.NH4O, enthält:
wogegen d. weinsaure Sali:
Kohlenstoff 26,3 26,0
Wasserstoff 6,6 6,5
Drehungsvermögen. — 8,9585 Grm. linkstraubensaures
Ammoniak wurden in 64,728 Grm. Wasser gelöst. Die Lö-
1) Diese W^inkel sind von Hrn. De la Provoslaye cnllchnt, bis auf
die h:M und Ai : üf , welche derselbe tu 145® 14' und 143® 50' an-
giebt.
144
«
8UDg hatte bei 18^,2 C. das spec. Gew. 1,057. In einer
50 Centm.langen Röhre bei 17^ C. beobachtet, ergab sich
für die Uebergangsfarbe die Ablenkung 24*^50 £. Dieselbe
Lösung, im SoleiTschen Compensationsapparat beobachtet,
gab 10,2 Part, entsprechend 24 '',48 L.
Hiernach . findet man mittelst der allgemeinen Formel
[a] = ^ das moleculare Drehuugsvermögen [^»3 = 38° 195
für die Uebergangsfarbe, und, wenn man dasselbe mit i%
multiplicirt, für das entsprechende Vermögen der rothen
Farbe [a]r = 29^,29 L, übereinstimmend mit Hrn. Biot,
der das Drehungsvermögen des neutralen weinsaurea Am-
moniaks [a]r=29'',004 fand.
In einem Falle bildeten sich bei Hm. P. unregelmäCsige
Tetraeder, die, aus der Flüssigkeit genommen , von Innen
aus opak wurden, und, obwohl sie deshalb nicht genau
gemessen werden konnten, eine andere Form als die ge-
wöhnliche des linkstraubensauren Ammoniaks erkennen lie-
fsen. Vermuthlich war diefs ein dimorpher Zustand des-
selben.
Li oksCraubeo saurer Brechweiostein.
Saures linkstraubensaures Kali wurde mit Antimonoxyd
gesftttigt und zum Krjstallisiren hingestellt. Es biMeten
sich klare sehr schöne Krjrstalle Fig. 13. Taf. II., ganz ihn«
lieh, bis auf die Lage der Flächen 6, denen des gewöhn-
lichen Kali -Brech Weinstein Fig. 12.
Bei den ersteren liegen die Flächen i, wenn man t
horizontal legt und g gegen sich wendet, an der linken
Hand. Zuweilen sind die Krjstallc homoedrisch, alle acht
octaedrischeu Flächen h gleichmäfsig ausgebildet. Dann kann
mau sie nur durch das Drehungs- Phänomen ihrer Lösung
▼on denen der Weinsäure unterscheiden.
Specißsches Gewicht — Dasselbe ergab sich beim wem-
saureu Brechweiustein zu 2,5569, beim linkstraubensauren
zu 2,4768, beides bestimmt in Terpenthinöl, worin diese
Salze unlöslich sind.
Che-
145
Chemische Zusammensetzung. — Sie entspricht genau der
von Dumas und Piria für den gewöhnlichen Brechwein-
stein gegebenen Formel C4 H, O5 . Sb^ O3 + C^ H^ O^ .KO
+ HO. Denn diese Chemiker fanden im
wahrend das Iinkstraubensaore
weiosaaren Salz: Salx:
Kohlenstoff 14,3 14,0 14,44 14,42 14,45
W^asserstoff 1,5 1,5 1,49 1,52 1,47
indem Hr. P. aus 2 Grm. linkstraubensauren Brechwein-
stein 0,265 Wasser und 1,060 Kohlensäure erhielt, was
zu den letzteren Zahlen führt:
Drehvermögen. — - Eine bei 17°,5 gesättigte Lösung des
linkstraubensauren Brechweinsteins gab in einer 50 Centim.
langen Röhre für die Uebergangs färbe die Ablenkung 61^ L.
Eine bei 17^,2 gesättigte Lösung des gewöhnlichen Brech-
weinsteins dagegen 60" R.
5 Grm. linkstraubensaurer Brechweinstein in 68,509 Grm.
Wasser gelöst, bei 19° in einer 50 Centim. langen Röhre
beobachtet, gaben für die Uebergangsfarbe 55° 30' L, Ge-
wöhnlicher Brechweinstein, unter TÖllig gleichen Umstan-
den, gab 55° 30' R. Das specifische Gewicht dieser beider
Lösungen war 1,0447.
Die allgemeine Formel [a] = r^ giebt für den
linkstraubensauren Brechweinstein [a]y=156°,2L
weinsauren Brechweinstein [a3y=156°,2 jB.
Links traubonsaur es Antimonoxyd- Ammoniak.
Saures liukstraubensaures Ammoniak in Wasser gelöst
und mit Antimonoxyd gesättigt, giebt ein Doppelsalz, das
mit dem tetraedrischen linkstraubensauren Kali -Brechwein-
stein vollkommen isomorph ist.
Wenn man nach Krystallisation des tetraedrischen Brech-
weiusteins die Krystalle aus der Mutterlauge nimmt, so
liefert dieselbe Krystalle von anderer Form und chemischer
Zusammensetzung. iDasselbe findet bei der Lösung des wein-
sauren Antimonoxyd -Ammoniaks statt.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX 1(P
146
Eiu Grm. dieses neuen krystallisirteo Brechweinsleios
lieferte 0^314 Wasser und 0,515 Kohlensäure, entspre-
chend in 100
Kohlenstoff 14,05 '
Wasserstoff 3,49.
Die Formel C^H,Os(Sb,03+NH^O) + 4HO er-
fordert.
Kohlenstoff 13,82
Wasserstoff 3,45.
Die Krystallform dieses Brechweinsteins, der sehr leicht
efflorescirt, ist in Fig. 14. Taf. IL abgebildet. Fig. 15 ist
die desselben weinsanren Doppebalzes. Die Winkel bei-
der sind gleich.
Linkstraubensaarer Kalk.
Versetzt man die Lösung eines linkstraubensauren Salzes
mit einem Kalksalz, so lagern sich, bei grofser Verdönnung
der Flüssigkeit, kleine glänzende harte sehr nette Krystalle
ab, als gerade rhombische Prismen mit abgestumpften Enden,
zuweilen mit vollständig ausgebildeten Octaedern. In Form,
Löslichkeit und übrigen Eigenschaften unterscheiden sie sich
durchaus nicht vom weiusauren Kalk, da die Krystalle im-
mer hemiedrich sind. Dennoch ist gewifs, dafs der links-
traubensaure Kalk sehr vom recfatstraubensanren verschie-
den ist, denn mit diesem gemischt, bildet sich sogleich trau-
bensaurer Kalk, der sich von beiden leicht und wohl unter-
scheiden läfst.
Die sonderbare Eigenschaft dieser Salze, in Cblorwas-
serstoffsäure gelöst, ein umgekehrtes Drehungsvermögen wie
in wäfsriger Lösung zu zeigen, wurde schon vorhin S« 141
angeführt.
Beide Salze sind auch dimorph; denn zuweilen schieben
sie anfangs in zarten, seidenartigen, divergirend verwach-
senen Nadeln an, die am anderen Morgen in isolirte Oc-
taeder übergegangen sind, und, nach einer Analyse, dte
Zusammensetzung C4H3 0^.Ca04-4HO besitzen, aber
147
selbst unter dem Mikroskop ihre Form nicht crkcifaeD
lieben.
ZusammenseUung. — 1 6rm. linkstraubensaarer Kalk
lieferte 0,4215 Wasser und 0,544 Kohlensaure. Hiernach
enthält dieses Salz (A) und nach einer andern Analyse
das in NadeUGruppen krjrstallisirende Salz (B) in 100:
A. B.
Kohlenstoff 14,8 15,7
Wasserstoff 4,69 4,7.
Dagegen fand Dumas für den weinsauren Kalk, ver-
glichen mit der Formel C4H2O5 .CaO + 4HO:
Geronden: Formel*
Kohlenstoff 14,6 13,8
Wasserstoff 4,7 4,6.
Liokstraabensanres Natron- Ammoniak.
Die Krjrstallform dieses Salzes ist schon zu Anfange die-
ser Abhandlung studirt worden. Dmrch Umkrjstallisation
gereinigt, hat es ein Drehnngsvermögen, welches, an Gröfse,
dem des entsprechenden weinsauren Salzes ganz gleich ist.
Eine Lösung von 30,135 Grm. Salz in 60,270 Grm. Was-
ser, die bei 15^,5 das spec. Gew. 1,1499 besafs, gab, bei
16^ 5 in einer 50 Centim. langen Röhre beobachtet, die
Ablenkung iür die Uebergangsfarbe = 49^,8 £•
Die allgemeine Formel [a]=j^, worin a = 49°,8,
{=die Röbrenlänge, s der procentische Salzgehalt und
S die wahre Dichtigkeit der Lösung ist» giebt
[a]>=26^0i.
Specifisehes Gewicht. — Dasselbe fand sich dem des
reditstraubensauren Natron -Ammoniaks nahe gleich, nänt-
lidi im Mittel gleich 1,576.
LöslichheU. — Gro&eKrystalle von beiden «Salzen, dem
Itnks- und dem rechlstraubensaurea Natron- Ammoniak, wur-
den in zwei Röhren in Eis gestellt, und mit kaltem Was-
ser übergössen und dann nach anderthalb Stunden die LO-
suBgen rascb i» zwei tarirle Schdea gehiacbt, uncl im siedeiiw
10*
148
den Wasserbade abgedampft und eingetrocknet, bis die
Bückstände nichts mehr verloren, wozu mehr als 20 Stun-
den erforderlich waren und wobei viel Ammoniak entwich.
Dadurch fand sich, dafs die bei 0^ gesättigte Lösung des
rechtstraubensauren Doppelsalzes 15,17 Proc. und die des
linkstraubensauren 15,13 Proc. enthielt, beide Rückstände
getrocknet bei 100°.
4,093 des rechtstraubensauren Salzes bei 100° getrock-
net, verloren 1,070, und 4,032 des linkstraubensauren 1,138,
was 28,61 und 28,22 Proc. ausmacht. An krystallisirtem
Salz enthielt also die bei 0° gesättigte Lösung des rechts-
traubensauren 21,25 Proc. und die des linkstraubensau-
ren 21,09.
Linkstraub ensaur es Natron-Kali.
Sättigt man von gleichen Theilen Traubensäure den ei-
nen mit Natron, und den andern mit Kali, und läfst die
Flüssigkeit krjstallisiren, so setzen sich zu gleichen Ge-
wichtstheilen beide Salzarten ab, das links- und das redits-
traubensaure Doppelsalz dieser beiden Basen. Um sich da-
von zu überzeugen, braucht man nur einen einzelnen Krj-
stall aufzulösen und durch ein Kalksalz zu fällen. Es bil-
det sich kein traubensaurer Kalk, sondern linkstraubensau-
rcr oder rcchtstraubcnsaurer.
Die Krystalle sind isomorph mit dem vorhin studirteo
Natron -Ammoniak -Doppelsalz (Fig. 6. und 7 Taf. II.)
Mit isolirter Linkstraubensäure wurde das Natron -Kali-
Doppelsalz bereitet und es entstanden linkshemiedrische
Krystalle, die identisch waren mit denen, welche sich abla-
gern, wenn man, wie eben angegeben, traubensaures Na-
tron-Kali zu bilden versucht. Das linkstraubensaure Dop-
pelsalz ist in Gestalt, Eigenschaft und, was Gröfse betrifft,
im Drehungsvermögen ganz dem S eignet tesalz gleich, nur
ist es linkshemiedrisch, und linksdrehend.
Die Krjstalle des links- und des rechtstraubensauren
Natron-Kalis, die man beim Versuche zur Bildung des
traubensauren Doppelsalzes dieser Basen erhält, weichen
149
von denen, die man mit isolirter Linksfraubeusäure und
Weinsäure bekommt, darin ab, dafs sie immer mit den
hemiedrischeu Flächen versehen sind, während diese bei
leztereu, z. B. beim gewöhnlichen Seignettesalz, oft fehlen.
Beim Versuche, das traubensaure Natron -Kali zu bil-
den, sind die erhaltenen Krjstalle oft scheinbar homoedrisch,
weil die hemiedrischeu Flächen sich sowohl an der linken
als an der rechten Seite entwickeln. Zuweilen ist auch
die Homoedrie eine wahrhafte, denn einzelne homoedrische
Krystalle geben mit Kalk traubensauren Kalk; allein im
Allgemeinen ist die Homoedrie nur eine scheinbare, wie
man diefs mittelst Kalksalz oder durch eine sorgfältige Un-
tersuchung der Krjstallform erkennt.
Traubensaure Salse.
Ans ^Uem diesem folgt, dafs die traubensauren Salze
d. b. die Salze, die man als eine Verbindung von links-
und rechtstraubensauren betrachten kann, niemals hcmie-
drisch vorkommen und die Polarisationsebene des Lichts
ablenken können. Und so ist es auch wirklich, nament-
lich beim traubensauren Kali, traubensauren Natron und
traubensauren Antimonoxyd -Kali, die in dieser Beziehung
genauer untersucht wurden. Die Krystalle dieser drei Salze
sind vollkommen homoedrisch, und dafs ihre Homoedrie
keine versteckte ist, geht daraus hervor, dafs der kleinste
Krystall von ihnen, aufgelöst und mit einem Kalksalz ge-
fällt, traubensauren Kalk erzeugt.
150
VIII. Dritte Notiz über neue sonderbare jintven-
ihingen des Fera^eHens der Eindrücke auf tue
Netzhaut; con J. Plateau.
(MhfCtlMält Tom Hrn. Terf. aas T. Xn 3« Buäet, de tacad, de Br»-
jtelUs. — Die «weile Notk findci wli io 4. An. Bd. 79, S. M9.)
in mittelst des TamiaMkopt oder Vha/audMiUwpt deo gc-
i
gezeichneten Figoren das Ansehen Ton Leben nnd Beire-
£uiu zu sehen, mnfs man bekanntlich die rotirende Sdidbe
dicht vor dem einen Auge hallen, das andere schlieCseo,
und, durch die Zone der Oefliiungen hin, das Bild der
Scheibe in einem Spiegel betrachten. PieCs Verfahren ist
aber unbequem und öberdieCs zeigt es die ganze Reihe der
auf der Oberfläche der Schöbe STmmetrisch geordneten
Figuren auf einmal nnd folglich unter Terscfaiedftien Nei-
gungen. Ich will daher eine Abänderung des Apparats be-
schreiben, mittelst deren die Er&cfaeinnng direcft, mit beir
den Augen, nnd folglich Ton mehr als einer Person m-
gleich beobachtet werden kann. Diese Abänderoog, die
nulserdem nur die, eine angemessene Stellung finnriimeadcn
Figuren sehen lalst und auch die TSosdiong sdir crhOht,
beruht auf einer Combination der VeriahningsweiBcn des
Auorthoskops and des Phaenakistikops.
Gehen wir zum ersten dieser Instromente zorfick (Man
sehe die zweite Notiz ^ und denken ans die Geschwindig-
keiten beider Scheiben als einander entgegengesetzt Be-
zeichnet man dann, wie wir in jener Xote gezeigt haben,
mit Vi die Geschwindigkeit der Scheibe, welche die Zerr-
bÜder enthält , und mit F. die der schwarzen Scheibe^ so
if : das Verhältnifs zwischen den Winkeldimensionen in der
verzerrten und der regelmilsigen Figor, glcidi •=- + L
Nun haben wir gezeigt, da(s, wenn das Verhältnis -^-
r.
ganze Zahl ist, das bei einem Umlaufe einer der Spalten
erzengte Bild nicht das Bild deckt, welches bei des vor-
151
V
hergehenden Umlaufe dieser nSmlichen Spalte entstanden
war. Allein diese Nichtdeckung, welche man beim Anor-
thoskop nothweudig vermeiden mufs, macht dagegen eins der
Principe der Täuschung aus, um die es hier sich handelt.
Nehmen wir Fii = I und F» = 4 oder, anders gesagt,
denken wir uns, die schwarze Scheibe drehe sich vier Mal
schneller als die durchscheinende^ Das Verhältnifs der
Winkeldimensionen wird dann gleich ^ + 1 oder -f seyn,
folglich die gesammte Winkelbreite der entstellten Figur
sich zu der der regelmäfsigen verhalten wie 5 zu 4. Zeich-
nen wir die regelmäfsige Figur in einem Winke], der V?
des Umfangs bespannt, was, nach dem obigen Verhältnifs
zwischen den Winkeldimensionen, -/^ als Maafs des von
der verzerrten Figur eingenommenen Winkels giebt. Diefs
gesetzt, ziehen wir nun auf Papier einen Kreis von glei-
chem Durchmesser wie die durchscheinende Scheibe und
theileif denselben in 20 gleiche Winkel; zeichnen wir als-
dann eine regelmülsige Figur in einem dieser Winkel, eine
zweite in dem folgenden, und sofort bis zur sechszehnten,
und richten diese 16 Figuren nach dem Princip des Phae-
nakistikops ein, d« h. solchergestalt, dafs man, von der
ersten zur letzten, stufenweise zu allen Abänderungen in
Gestalt und Stellung tibergeht, welche die Bewegung zusam-
mensetzen, deren Anschein man hervorbringen will. Thei-
len wir hierauf die durchscheinende Scheibe in 16 gleiche
Winkel, versetzen in jeden derselben eine der obigen Fi-
guren, verzerren sie winkelförmig in dem Verhältnifs 4 zu 5
und bringen diese verzerrten Figuren in dieselbe Ordnung
wie die regelmäfsigen, denen sie entsprechen. Endlich schnei-
den wir in der schwarzen Scheibe vier Spalten aus.
Die beiden also construirten Scheiben befestige man
auf ihren Axen und stelle sie dergestalt, dafs der Radius,
welche einen der mit den Zerrbildern versehenen Winkel
halbiren würde, von der Mitte der Scheibe aus nach oben
gekehrt sey und eine der Spalten sich vor demselben be-
finde. Hierauf beleuchte man die durchscheinende Scheibe
von der Rückseite stark, stelle sie, wie beim Anorthos-
152
kop, hinter der schwarzen Scheibe auf und setze den Appa-
rat in Bewegung. Sobald die Spalte, von der ihr gegebenen
Lage aus, ^ Umlauf zurückgelegt hat, wird die durchsdiei-
nende Scheibe xV Umlauf in entgegengesetzter Richtung voll-
endet haben, und folglich der Radius, welcher den Win-
kel, der dicht am eben betrachteten liegt, halbiren würde,
in der verticalen Stellung^ angelangt seyn. Allein alsdann
wird auch die folgende Spalte in dieser verticalen Stellung
befindlich seyn und man* sieht, dafs dasselbe statthaben
wird bei allen Radien, die respective die Mitten der 16
mit Zerrbildern versehenen Winkel einnehmen: im Mo-
ment, wo einer dieser Radien durch die vom Centrum der
Scheibe nach oben gezogene Yerticale geht, trifft er mit
einer der Spalten zusammen. Jeder der 16 Winkel mit
seinem Zerrbilde wird also seinerseits durch eine der Spal-
ten dergestalt vertrieben seyn, dafs die Mitte seines Bil-
des, vom Centrum aus, nach oben gerichtet ist, und folg**
lieh werden sich alle diese Bilder successive an dem näm-
lichen Orte zeigen. Aber diese Bilder werden im Yerhfilt-
nifs 5:4 zusammengezogen seyn, so dafs jede verzerrte
Figur ein regelmäfsiges Bild in aufrechter Stellung geben
wird. Die rasche Folge aller dieser Bilder an einem und
demselben Ort erzeugt also, wie beim gewöhnlichen Phae-
nakistikop, den unausgesetzten Anschein einer Figur, welche
die beabsichtigte Bewegung ausführt.
Aufser diesem aufrechten Bilde, das aus dem Zusam-
menlreffen der Zerrbilder und Spalten im oberen Theile
ihrer Umläufe hervorgeht, entsteht offenbar, wie beim
gewöhnlichen Phaenakistikop, auch eine Reihe anderer re-
gelmäfsiger Bilder, die in Bezug auf das Centrum der Scheibe
symmetrisch geordnet sind. Allein beim vorliegenden Instru-;
meut läfst es sich leicht so einrichten, dafs das aufrechte
Bild, d. h. dasjenige, auf welches die Aufmerksamkeit gerich-
tet seyn soll, sich alleinig zeige; denn dazu braucht man
nur mittelst eines Schirms das Licht der Lampe bis auf
den vom aufrechten Bilde eingenommenen Raum aufzufan-
gen. Man stellt diesen Schii^m hinter der durchscheinenden
153
Sdieibe au(^ ihr möglichst nahe, und parallel ihrer Ebene;
endlich bringt man die Lampe so an, dafs die Flamme sich
der zum Durchlafs des Lichts bestimmten Oeffuung gegen-
über befinde, und von derselben 6 bis 7 Centi&eter ent-
fernt sey. Die Oeffnung mufs die Form eines Trapezes
haben, seitwärts durch zwei Radien der Scheibe und oben
wie unten durch eine horizontale Gerade begrSnzt sejn.
Leicht findet man, welche Winkelbreite und Höhe man
diesem Ausschnitt zu geben habe. Der Schirm kann von
geschwärzter Pappe seyn.
Die Anwendung des Schirmes setzt aber voraus, dafs
das aufrechte Bild immer genau an derselben Stelle bleibe,
was erfordert, dafs das Verhältnifs der beiden Geschwin-
digkeiten strenge richtig und durchaus unveränderlich scj.
Nun ist es aber fast unmöglich, diese Bedingung durch ein
System von Bollen und Schnüren zu erfüllen ' ). Man
mufs also ein System von gezahnten Bädern anwenden;
ich habe das folgende angewandt.
• Die horizontal und in gegenseitiger Verlängerung lie-
genden Axen, auf welchen die durchscheinende und die
schwarze Scheibe mittelst Mütter befestigt sind, lassen zwi-
schen ihren, einander zugewandten Enden, einen gewissen
Abstand. Jedes dieser beiden Enden trägt ein Bad mit
Zähnen senkrecht auf seiner Ebene und dem Zwischenräume
beider Bäder zugewandt; diese beiden Räder sind vertical,
parallel und um eine selbe Gerade drehbar. Dasjenige,
dessen Axe die durchscheinende Scheibe aufnimmt, hat ei-
nen Durchmesser von 6 Centimcteru; dagegen ist bei dem
andern, welches die schwarze Scheibe aufnimmt, der Durch-
messer sowie die Anzahl der Zähne viermal geringer. In
dem Baume zwischen den beiden Bädern steht ein um sich
selbst drehbarer Stablstift, versehen mit einem Getriebe,
das mit seinem oberen Theil in den oberen Theil des gro-
fseu Bades und mit seinen unteren Theil in den oberen
Theil des kleinen Bades eingreift. Versetzt man nun den
Stahlstift in Drehung, so drehen sich begreiflich die bei-
1) Man sehe die kvrtlle Notis.
154
deu RSder und folglich auch die beiden Scheiben in ent-
gegengesetzter Richtung, nur ist die Geschwindigkeit der
schwarzen Scheibe die vierfache von der der darcbscfaeinen-
den. Die beiden Scheiben sind 18 Millimeter von einander
entfernt. Der Stahlstift geht bis zum Fufs des Instruments
hinab und ist am unteren Ende mit einem zweiten Getriebe
versehen, welches in ein anderes verticales Rad gr^ft, und
dieses hat eine kleine Handhabe, mittelst welcher man das
ganze System in Bewegung setzt.
Der Glascylinder der Lampe mnfs umgd)en sejm von
einem im Durchmesser doppelt so grofsen Blechcylinder
mit einem Loch von 7 bis 8 Centim. Höhe und 2,5 Centim.
Breite, in der Höhe der Flamme, auf Seite des Apparats.
Dieser Blechschornstein mufs oben eine Rauchkappe (fum^
rore) haben, damit die Decke des Zimmers nicht beleuch-
tet werde; auch darf in diesem Zimmer keine andere Lampe
oder Kerze angezündet seyn.
Bei meinem Instrumente halten die dursdieinendeo Sehei-
ben 27 Centim. im Durdimesser. Die Figuren nehmen eine
Zone ein, die mwischen zwei Kreisen von respective 5^ und
12 Centim. Durchmesser eingeschlossen ist, so dafs die Zone
eine Breite von 5,5 Centim. besitzt Da das Papier, ud
die gehörige Durchsichtigkeit zu haben, dfinn seyn muCs
und andererseits die Scheiben einen ziemlich grofsen Durch«
messer besitzen, so habe ich, am ihnen mehr Steifigkeit la
geben, den Raum zwischen der inneren GrSnze der Zone
und dem Centrum mit einer Scheibe Bristol -Papier be*
klebt und auch jenseits der Sufseren GrSnze der Zone ei-
nen ringförmigen Streifen desselben Papiers angebracht.
Die Figuren sind in Aquarell ansgeflDhrt, allein in den dunk-
len Partien wurde die Farbe auf beide Seitm des Papiers
aufgetragen, um die Kraft derselben zu verstärken; ans dem-
selben Grunde wurden die Stellen, die mehr Glanz haben
sollten, mit Fimifs Oberzogen. Um das Detail Qber mei-
nen Apparat zu vervollständigen, Rige ich noch hinzn; 1)
dafs die Schlitze in der schwarzen Schabe an dem vom
Centrum entferntesten Ende 2 l^Iillin. breit sind und vou
I
155
da gegen das CeDtmm schmBler werden, 2) dafs die Oeff.
nung in dem Schirm 65 Millim. hoch ist, oben eine Breite
▼on 33 Millim. und nuten eine von 15 Millim. besitzt, und
3) endlich, daCs dieser Schirm etwa 7 Millim. entfernt von
der durchscheinenden Scheibe aufgestellt wird.
Wenn alles beschriebener Maafsen vorgerichtet, und
der Apparat in Bewegung gesetzt ist, sieht man, wie zu
Anfange dieser Note gesagt, den Effect direct und mit
beiden Augen, und obwohl es am zweckmäfsigsten für den
Beobachter ist, sich gerade vor dem Bilde aufzustellen, so
begreift man, dafs die Erscheinung sich auch noch hinläng-
lich unter einer kleinen Schiefe zeigt, so dafs zwei oder
drei Personen gleichzeitig beobachten können. Ueberdiefs
sieht man bloCs ein einziges Bild, nämlich dasjenige, wel-
ches die aufrechte Stellung einnimmt. Und da nur dieses
Bild allein im ganzen Zimmer erleuchtet ist, so hat es eine
bedeutende Helligkeit und man kann somit Licht-Effecte
hervorbringen, die man mit dem gewöhnlichen Phaenakisti-
kop uomöglich erlangen kann.
Als Beispiel will ich erwShneni was einer meiner Ap-
parate leistet. Das Bild stellt einen Teufelskopf vor, wel-
cher sich vorüber neigt, um ein Kohlenfeuer anzublasen,
dann sich zurfickbiegt, um Athem zu holen, hierauf sich
abermals zum Anblasen neigt, und so fort. Man sieht die-
sen Kopf von vorne; er ist ungefähr 4 Centim. hoch, und
befindet sich, wie das Feuer, auf einem dunklen Hintergrund.
Wenn er bläfst, schwellen seine Baken an, seine Lippen
treten hervor, und, die Stirne runzelnd, richten sich die
Augen aaf das Feuer; zugleich facht dieses sich an, sprüht
und verbreitet ein lebhaftes Licht, welches den Kopf von
unten her stark beleuchtet und dagegen die hinteren Theile
desselben, welche im Schatten bleiben, sehr verdunkelt.
Wenn dann der Kopf sich aufrichtet und Athem schöpft»
sinken seine Baken zusammen, er öffnet den Mund, ent-
runzelt die Stirn und richtet die Augen auf den Zuschauer;
allein nun läfst auch das Feuer nach, und verliert an Glanz,
156
wobei der Kopf, welcher fiberdie& weniger nahe ist, im
Halbdankel erscheint.
Einer unserer grofsen Künstler, Hr. Madoa, war auf
meine Bitte so gut, das Modell des Kopfes für den Moment
zn zeichnen, wo er mit der gröCsten Heftigkeit bläCsL Ich
übertrug hierauf diese Zeichnung in eine der Abtheilon-
gen der durchscheinenden Scheibe, TergröCserte die Win-
keldimensionen in allen ihren Theilen, im YerhäUnib
4 : 5 darauf veränderte ich sie gdidrig in den übrigen Ab-
theilnngen, und verwandte die gröCate Sorgfalt auf die Ans-
führoDg dieser Figuren. Das gewöhnliche Phaenakistikop
giebt nur eine sehr unvollkommene Idee von den Effecten,
welche man durch Anwendung des ihm zu Grunde liegen-
den Princips hervorbringen kann, welche aber vollkommen
erreichbar sind mittelst des neuen Apparats, der Gegenstand
dieser Note ist. Auch hat mein kleiner KohlenbUs«' bei
Allen, die ihn in Thätigkeit sahen, eine wahrhafte Bewun-
derung erregt
Allein man kann noch weiter gdien, wenn man eine
Idee benutzt, die mir Hr. Wheatstone mitgetheilt hat,
und darin besteht, das Princip des Stereoskops mit dem
des Phaenakistikops zu vereinigen. Mittelst des von jenem
Physiker erfundenen Stereoskops scheinen Gegenstände, die
auf ebenen Flächen mit blofsen Strichen perspeclivisch ge-
zeichnet sind, bekanntlich drei Dimensionen zu haben, in
solcher Täuschung, daCs man sich unmöglich derselben er-
wehren kann. Gesetzt nun, es gelänge durch Combination
beider Instrumente, diesen Effect dem des Phaenakistikops
hinzuzufügen ; alsdann werden Figuren, die einfach auf Pa-
pier gezeichnet sind, unwiderstehlich erhoben (en ronie
boise) und sich bewegend erscheinen, und somit das voll-
ständige Ansehen von Leben erhalten. Diefs heifst die
Täuschung der Kunst auf die höchste Stufe tragen.
Nun ist die in dieser Note beschriebene Abänderung
des Phaenakistikops ungemein geeignet, die besagte Com--
bination zu verwirklichen. Bekanntlich erfordert die Dar-
stellung eines Gegenstandes im Stereoskop zwei Zeichnun-
157
gen, die eine gewisse Relation zu einander haben und seit*
wärts im Apparate aufgestellt werden. Es genügt also zwei
durchscheinende Scheiben zu construiren, deren Figuren
die vom Stereoskop verlangte Relation zu einander haben,
dann diese Scheiben auf zwei ähnlichen Apparaten wie
dem beschriebenen zu befestigen, sie an beiden Seiten des
'Wbeatstone'schen Apparats gehörig anzubringen, und end-
lich dafür zu sorgen, dafs beide Systeme genau einerlei Be*
wegung erhalten. Diese letztere Bedingung ist leicht zu er-
füllen, wenn man die beiden gezahnten Räder, welche zum
Drehen der unteren Trillinge der beiden Stahlstifte bestimmt
sind, auf einer gemeinschaftlichen mit einer Handhabe ver-
sehenen Axe befestigt.
Nur giebt es eine, aber bedeutende Schwierigkeit, die
nämlich, die Figuren so zu zeichnen, dafs sie genau die
vom Stereoskop verlaugte Relation besitzen. Indefs könnte
man sie überwinden, wenn man ein, auch von Hrn. Wheat-
stone erfundenes Erfahren anwendete. Um ein Paar von
Zeichnungen zu erhalten, welches im Stereoskop die Vor-
stellung nicht von einer blofsen Perspective in Strichen,
sondern von einem Gegenstande mit gewölbten Formen,
wie eine Bildsäule, zu geben vermag und zwar mit Schat-
ten und Lichtem, hat Hr. Wheatstone den Gedanken
gehabt, mittelst der Photographie auf Papier zwei Bilder
des Objects hervorzubringen, während dabei successiv das
Daguerreotjp in zwei so verschiedene Stellungen gebracht
ist, dafs die beiden Bilder die erforderliche Relation zu ein-
ander besitzen. Man könnte z. B. die 16 Abänderungen
der regelmäfsigen Figur, deren Bild man in dem uns be-
schäftigenden combinirten Apparat erzeugen will, in Gjps
modelliren, dann mit dem Daguerreotjp von jedem dieser
16 Modelle ein Paar Zeichnungen aufnehmen, und endlich
diese Zeichnungen unter erforderlicher Verzerrung auf zwei
Scheiben übertragen. Ohne Zweifel wäre diefs eine etwas
lange, und die höchste Sorgfalt erfordernde Arbeit; aber man
würde durch die Bewunderungswürdigkeit der Resultate
reichlich entschädigt seyn.
158
IX. Untersuchung über die Fortpflanzungsgeschivm-
digkeü der ElehtricHät; t^on HH. H. Fizeau und
E. Gounelle.
(Compt. rend. T, XXX, p, 437.)
Bi
^is in die neaesten Zeiten sind alle Versuche zur Erken-
nung der Geschwindigkeit, mit welcher die Elektricität sich
fortpflanzt, yergeblich gewesen. Im Jahre 1834 beschrieb
Hr. Wheatstone eine Methode, durch welche er, mittekt
eines sehr rasch rotirenden Spiegels, diese Geschwindigkeit
veranschaulichen und schätzen konnte ^). Nach Hrn. W h e a t*
stone pflanzt sich die Elektricität in einem Knpferdraht
mit der Geschwindigkeit von 460 000 Kilometer in der Se-
kunde fort, eine Geschwindigkeit anderthalb Mal so groÜB
als die des Lichts. Im Jahre 1849 machte Hr. Walker
in Amerika neue Versuche über diesen Gegenstand.^ Die
Versuche wurden unternommen, um die elektrischen Tele-
graphen zur Bestimmung geographischer Längen-Unterschiede
zu benutzen; sie ergaben eine weit geringere Fortpflanzungs-
geschwindigkeit als Hr. Wheatstone gefunden hatte, nim-
lich nur 18700 engl. Meil. oder 30 000 Kilometer, also eine
15 Mal kleinere Zahl als die vorhergenannte. Wiewohl
Hr. Walker's Methode mehrfachen Einwürfen ausgesetzt
ist, so läfst sich doch nicht unschwer erkennen, daCs seine
Versuche eine ganz andere Geschwindigkeit ergaben als die
von Hrn. Wheatstone.
Die Untersuchungen, die den Gegenstand dieser Abhand-
lung bilden, beruhen auf einer anderen Methode als die bei-
den vorhergehenden. Ihr Princip besteht darin, dafs man ei-
nen Strom gleichzeitig und in sehr kleinen Zwischenzeiten an
zwei sehr entfernten Punkten des Leiters unterbricht und
die in einem Galvanometer erzeugten Ablenkungen be(4>-
achtet; letztere verändern sich mit der Zahl der Unterbre-
chungen, werden für eine gewisse Zahl ein Maximum und
für eine andere ein Minimum.
1) Aon. Bd. 34, S. 464.
159
Diese Vereacbe wurden an deo OrShten der elektrischen
Telegraphen von Paris nach Ronen , und Ton Paris nach
Amiens angestellt* Die beiden DrShte jeder dieser Linien
konnten zu Ronen und zu Amiens vereinigt werden, und
bildeten sodann Leiter von aufserordentlicher Länge, deren
Enden in einem und demselben Saale des Ministeriums des
Innern ausliefen. Für die Linie nach Amiens betrug die
Länge 314 Kilometer, för die nach Rouen 288. Die er-
stere war aus Eisendrähten coustruirt, die zweite zu eiiiem
Drittel etwa aus Eisendraht nnd zu zwei Dritteln aus Kup«
ferdraht. Diefs war für unsere Untersuchungen ein sehr
glücklicher Umstand, indem er uns zu erkennen erlaubte,
dafs die Geschwindigkeit nicht gleich ist in verschiedenen
Leitern.
Die Unterbrechungen wurden auf folgende Weise her^
vorgebracht. Ein hölzernes Rad von 50 Millimetern hatte
auf seinem Umfang 36 gleiche Abtheilungen, abwechselnd
18 von Platin und 18 von Holz; es safs auf der Axe ei-
ner Froment'schen Rotatiousmaschine, deren Geschwindig«
keil ein Zähler zu messien erlaubte. Platinplatten, die paar-
weise und isolirt von einander angebracht waren, legten
sich gegen die Abtheilungen, so dafs jedes Paar einen Unter-
brecher für sich bildete. Die einen und die anderen konn«
teft so geregelt werden, dafs die Unterbrechungen zusam^p
menstimmten oder abwechselten. Der Versuch wurde auf
mehrere Weisen eingerichtet. Die beste bestand darin ein
Differential- oder Bifilar- Galvanometer und drei Unterbre^
eher Ä, B, C, anzuwenden. Diese letzteren sind so ein-
gerichtet, dafs A mit B abwechselt und mit C überein-
stimmt.
Eis sey nun eine Batterie verbunden an dem einen Pole
mit der Erde^ und an dem anderen mit A und darauf mit
dem Telegraphendraht Da die Drähte an dem anderen
Ende der Leitung mit einander verknüpft sind, so kommt
der Strom in dem anderen Draht zurück ; letzterer steht m
VeH^ittdung mit B und C, jedes von diesen mit einem der
Galvanometerdrähte und endlich jeder dieser Drähte mit
160
der Erde. Der Strom kann sich also auf zwei verschiedenen
Wegen, die abwechselnd offen and verschlossen sind, znr
Erde begeben und, je nachdem der Durchgang durch den
einen oder andern geschieht, wird die Magnetnadel in ent-
gegengesetztem Sinne abgelenkt. Während der Rotation
des Rades gehen nur discontinuirliche Ströme durch das Gal-
vanometer; allein aus den Versuchen des Hrn. Pouillet
ist bekannt, dafs wenn die Unterbrechungen rasch auf ein-
ander folgen, die Nadel in derselben Weise wie durch
einen stetigen Strom abgelenkt wird. Bei dieser Einrich-
tung wird die Fortpflanzungsgeschwindigkeit angezeigt durch
periodische, den mehr oder weniger grofsen Rotalionsge-
schwindigkeiten entsprechende, Veränderungen in den Ab-
lenkungen. Allein die Perioden sind nicht ganz ähnlich,
die zweite ist weniger markirt als die erste, die dritte ist
kaum bemerkbar. Für die Linie nach Amiens erfolgte die
erste Periode bei einer Geschwindigkeit von 9 Umläufen
in der Sekunde, für die Linie nach Ronen bei einer von
13,58 Umläufen.
Die nach dieser Methode gemachten Versuche führten
zu folgenden Schlüssen.
1. In einem Eisendraht von 4 Millimeter Durchmesser
pflanzt sich die Elektricität mit einer Geschwindigkeit von
101 710 oder rund 100 000 Kilometer pro Sekunde fort
2. In einem Kupferdraht von 2,5 Millimeter Dardi-
messer beträgt diese Geschwindigkeit 177 722 Kilometer odo'
rund 180 000.
3. Die beiden Elektricitäten pflanzen sich mit gleicher
Geschwindigkeit fort.
4. Die Anzahl und die Natur der Elemente, aas de-
nen die Batterie besteht, folglich die Spannung der Elek-
tricität und die Intensität des Stroms, haben keinen Ein-
flufs auf die Geschwindigkeit der Fortpflanzung.
5. In Leitern von verschiedener Natur ist die Geschwin-
digkeit nicht proportional dem Leitungsvermögen.
6. Wenn discontinuirliche Ströme sich fortpflanzen in
einem Leiter, so erleiden sie eine Diffusion, vermöge welcher
sie
161
sie am Orte der Ankunft einen gröCseren Raom einnehmen
als an dem des Ausgangs.
7. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit scheint sich nicht
mit dem Querschnitt der Leiter zu verändern ; unsere Ver-
suche lassen jons diesen Satz für sehr wahrscheinlich halten.
8. Wenn dieser Satz riditig ist, so verändert sich die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit nur mit der Natur der Lei-
ter, und die Zahlen, welche wir gegeben haben, stellen die
absoluten Geschwindigkeiten in Eisen und Kupfer dar.
X. lieber die Geschwindigkeit des elektrischen Stroms
in einer metallischen Leitung; von O. M. Mitchel,
Director der Sternwarte zu Gincinnati ' ).
in Cincinnati zur Verwandlung von Zeit in Raum benutzt
wird, liefert durch Aufzeichnung der kleinsten Zeittheile
die Mittel zur Ausführung der feinsten Versuche. Die Stern-
uhr ist so eingerichtet, dafs sie ihre Pendelschläge auf eine
Metallpiatte überträgt, die unter einer aufzeichnenden Stahl-
feder von fester Stellung rotirt. Die Scheibe, welche die
Metallplatte trägt, rotirt mit gleichförmiger Geschwindigkeit
und empfängt, ohne in ihrer Bewegung gestört zu werden,
die Stöfse der aufzeichnenden Feder. Eine zweite Feder,
direct der ersten gegenüber angebracht, steht unter der
Controle des Beobachters am Mittagsrohr oder anderen
Instrumente, und giebt ihm die Mittel, jede beobachtete
Erscheinung mit all der Genauigkeit aufzuzeichnen, mit wel-
1) Aus: The astrononiical Journal^ Ab. 2, einer neuen von Hm. B.
A. Gould zu Cambridge, in Massachusets, herausgegebenen ZeiUcKrift. —
Bis auf den aufserwesentlichen Schiurs ist dieser Aufsat» hier vollstSn-
dig und möglichst sinngetreu wiedergegeben; etwaige Unversländlichkeitcn
fallen Anr dem Original snr Last. P*
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 1^ ■•
162
eher das Aage den Moment des Eintretens derselben er-
fassen kann.
Vor einigen Monaten, nach VoUendang dieser Maschi-
nerie, richtete sich meine Aufmerksamkeit auf die Geschwin-
digkeit elektrischer Ströme in Telegraphendrähten und im
Erdboden, da dieselbe mit in die Bestimmung Ton Län-
gen-Unterschieden durch telegraphische Signale eingeschlos-
sen ist.
Am Abend des 12. NoTcmbers (1849) wurde auf der
Sternwarte eine Reihe von Versuchen gemacht, um die Ge-
schwindigkeit der Fortpflanzung einer elektrischen Welle
in TelegraphendrShten zu bestimmen.
Die zu diesen Versuchen dienende Leitung war folgende.
Von der Hauptbatterie in O'Rielly's Telegraphenstation
in Cincinnati ging ein Draht zu der eine engl. Meile ent-
fernten Sternwarte und von hier nach Pittsburg; von dort
kehrte ein zweiter Draht in die Sternwarte zurück, ging
zu einem Elektromagnet (receiving magnef) und endete im
Elrdboden, mit dem auch die Hauptbatterie in Cincinnati
verbunden war.
Die Anstellung der Versuche geschah folgendermaCsen.
Die Sternuhr war so eingerichtet, dafs ihr Pendel eine in
der Sternwarte befindliche Kette (loccU circuif) schlofs, welche
auf die Zeitfeder (time pen) wirkte und somit die abwech-
selnden Pendelschläge oder Sekunden auf eine Metallplatte
aufzeichnete, die auf der schon beschriebenen Sdieibe lag.
Diese Vorrichtung blieb im ganzen Laufe der Versuche un-
verändert, weshalb jene Feder von nun an Normalfeder
(^Standard pen) heifsen mag.
Ein Elektromagnet (receiving magnet) dient zum Schlie-
fsen einer andern örtlichen Kette (an Kraft und Länge der
ersteren gleich), die auf die Beobachtungsfeder (obserwOkm
pen) wirkte, und veranlafste, dafs sie mit ihrer Spitze in
die Metallplatte stiefs.
Auf diesen Elektromagnet wirkte, nach Belieben des
Beobachters, entweder eine örtliche Kette, welche darcb
einen metallischen Ansatz der Normalfeder geachlotseo
163
worde^ oder die grofse^nach Pittsburg führende Keüe von
sechshundert und sieben engl. Meilen Drahtlänge.
Bei diesen Verbindungen wurden, wie zu ersehen, die
Pendelschläge direct durch die Nonnalfeder aufgezeichnet.
Sie wurden aber auch aufgezeichnet durch die veränderli-
che Feder (wie ich kurz die zweite nennen will), bewegt
von der Normalfeder, die entweder eine kurze örtliche Kette
durch den Elektromagnet, oder die lange Pittsburg -Kette
durch denselben Elektromagnet schlofs, indem dieser Elek-
tromagnet, wie zuvor angegeben, die auf die veränderliche
Feder wirkende örtliche Kette schlofs.
Wenn die veränderliche Feder durch die kurze örtliche
Kette angetrieben wurde, so folgte dem Aufzeichnen der
Nonnalfeder das der veränderlichen Feder innerhalb ei-
nes Zeit -Intervalls, welches gleich war der Armatur -Zeit
Qarmature time) der Normalfeder, vermehrt um die Ar-
matur-Zeit des Elektromagnets und die Fortpflanzungszeit
der Elektricität (trat^e time of the fluid) durch die kurze
Kette und den Elektromagnet, welche Zeit natürlich un-
merklich war.
Wirkte dagegen die lange Kette auf den Elektromag-
net und durch diesen auf die veränderliche Feder, so folgte
die letztere der Normalfeder innerhalb eines Zeitraums, der
gleich war dem vorhergehenden, vergröfsert um die Zeit,
welche der elektrische Strom zum Durchlaufen des sechs-
hundert und sielien engl. Meilen langen Drahts gebrauchte.
Dieses ist jedoch nur richtig 1. wenn die Intensität der
örtlichen und der langen Kette gleich ist, und 2. wenn die
Ajustining des Elektromagnets constant, und sein Gang (jpass)
auf ein Minimum reducirt ist.
Diese beiden Bedingungen sind erfüllt, sobald die bei-
den Federn in ihrer Lage zu einander so ajustirt sind, dafs
zwei von ihnen auf der Scheibe gemachte entsprechende
Tüpfel, bei Ruhe der Scheibe, auf einem und demselben
Radius liegen. Dann wird der Winkelabstand (intervall)
zwischen den Tüpfeln {records) der beiden, durch eine
kurze und eine lange Kette angetriebenen Federn, verrin-
11*
164
gert um den Absfand zwischen den Tfipfelnj wann die rer-
anderliche Feder dnrch die karze Kette angetrieben wird,
die Zeit vorstellen, welche die elektrische Welle zum Durch-
laufen der sechshundert und sieben engl« Meilen Draht ge-
braucht.
Ich will nun zeigen, wie wichtig die strenge ErfQlIung
der drei Bedingungen sej:
1. die Intensität der langen und kurzen Kette, welche
durch den Elektromagnet auf die veränderliche Feder wir-
ken, gleich zu machen;
2. den Gang (pass) des Elektroroagnets auf das Mi-
nimum zurückzuführen und ihn unverändert zu halten;
3. die beiden Federn so zu stellen, dafs ihre Tüpfel
bei ruhender Scheibe genau auf einem Radius liegen.
Um den Einflufs der Intensität und des Ganges zu er-
mitteln, wurden folgende Versuche angestellt. Nachdem
die Verknüpfungen in der zuvor beschriebenen Weise voll-
zogen worden, wurden von den beiden Federn vier Kreise
von Sekunden -Tüpfeln (second-dots) unter folgenden Um-
ständen gemacht:
1. ganze Kraft der Batterie, Gang des Elektromagnets
ein Minimum;
2. ganze Kraft der Batterie, Gang des Elektromagnets
ein Maximum;
3. halbe Kraft, Gang ein Maximum;
4. halbe Kraft, Gang ein Minimum.
Die Zeit zwischen dem Niederstofsen der Normalfeder und
dem späteren der veränderlichen Feder betrug
im ersten Fall 0",091 ' )
- zweiten - 0 ,2628
- dritten - 0,310
- vierten - 0 ,104.
Aus diesen Versuchen geht hervor, dafs die AjustirnDg
des Elektromagnets Veränderungen in den Angaben erzeugt,
1) Es ist der Miitelwerth von 10 Yersuclieo, die einzeln folgende Resol-
taie ergaben: 0",091; 0,092; 0,090; 0,090; 0,091 ; 0,091; 0,090; 0,092;
0,092; 0,091.
165
die weit gröfiser sind als die Fortpflauzungszät in der längst
möglichen Kette. Und ebenso erhellt , dafs der Einflufs
der verschiedenen Intensitäten einen Fehler von solcher
Gröfse Teranlafst, dafs alle Versuche nutzlos würden, von
welchen dieser Einflufs nicht strenge ausgeschlossen wäre.
Es waren nun zwei Schwierigkeiten zu überwinden.
Man mufste die Batterien auf Gleichheit reduciren und einen
Beweis haben, dafs diese Gleichheit erreicht sej. Um diefs
zu erlangen, wurde folgendermaafsen verfahren. Die Hen-
kel (handks) der Federn waren elastisch und vibrirten bei
jedem Niederstofs derselben. Die Hälfte der Dauer dieser
Vibration ist, wie man später sehen wird, die Armatur«
Zeit. Nun fand sich die Armatur -Zeit als abhängig von
der Intensität der Ströme, die auf den Elektromagnet wirk-
ten. DiCs Kraft der örtlichen Batterie wurde daher ver-
stärkt oder geschwächt, bis die Armatur-Zeit, wie es die
beiden Ketten aufzeichneten, von gleichem Werthe war.
Die Feder war so ajustirt, dafs dem ersten Tüpfel immer
der zweite oder Vibrations- Tüpfel folgte, welcher bei je-
der Aufzeichnung deutlich von der Feder augegeben wurde.
Nach Ueberv^indung dieser Schwierigkeit wurden die
Federn so ajustirt, dafs sie, auf der ruhenden Scheibe, ra-
dial liegende Tüpfel machten. Es ergab sich hiernach, dafs
diese Ajustirung in dem gröfsten der aufgezeichneten Kreise
bis auf 0",011 unsicher war. Der absolute Raum, auf alle
übrigen Kreise übertragen und genau gemessen, gab die er-
forderliche Berichtigung.
Als alle Vorrichtnngen vollendet waren, wurden die
örtlichen Verknüpfungen Hrn. Henry Twitchell über-
geben, während Hr. S tager, von O'Riellys Telegraphen-
statiou in Cincinnati, die entfernten Verknüpfungen be-
sorgte.
Der Abend war heiter und windstill, warm für die Jah-
reszeit. Hr. Stager berichtete, die Linie sey in vortreffli-
chem Stande. Der Gang des Elektromagnets war auf sein
Minimum gebracht, und die Stärke der langen und kurzen
16&
Batterie war gleich, wie es die Gleichheit der -aufgezeicllneteD
Annatar- Zeiten ergab.
Dm 9*58' stiefsen die Federn zugleidi auf die Metall-
platte, wfthrend die lange Kette auf die verSnderliche Fe-
der wirkte. Ich untersuchte die Platte, um zu sehen, ob
die Aufzeichnungen gerathen seyen, und fand die Ttipfel
in der schönsten, zartesten Weise in das Metall eingeschla-
gen. Am Schlüsse des ersten Kreises von Tüpfeln, welcher
genau 60 Sekunden einnahm, wurde das Zeichen zum
Wechseln gegeben, und, aufs Wort, die lange Kette aus-
gehoben und dafür die kurze örtliche Kette eingeschaltet.
Dieser Austausch wurde Ton Hrn. S tager mit solcher Ge-
schicklichkeit ausgeführt, dafs nicht eine Sekunde verloren
ging-
Auf diese Weise wurden fünf Kreise aufgezeichnet, drei
mit der langen und zwei mit der kurzen Kette. Das Ohr
konnte zuweilen den Uebergang von der langen zur kurzen
Kette mit Schwierigkeit erkennen, allein nach vielen Ver-
suchen fand sich, dafs diefs Organ nicht zuverlässig sej.
Die Verwandlung von Zeit in Raum auf der Scheibe gab
uns jedoch Gelegenheit, die Ablesung der zartesten Zeichen
zu einer hohen Vollkommenheit zu bringen.
Hr. Twitchell hat alle Messungen mit dem von mir
zum Messen kleiner Winkelräume erfundenen Instrumente
ausgeführt. Dasselbe Isfst noch 0,001 Zeitsekunde ablesen.
Die Scheibe arbeitet während des ganzen Versuchs in der
bewundernswürdigsten Weise; die Zeichen lagen tadial
vom Centrum aus und bewiesen scAnit die Gleichförmig-
keit ihrer Bewegung.
Die Messungen ergaben als Mittel der Zeitintervalle fol-
gende Werthe, nebst ihren Berichtigungen (B) wegen nicht-
radialer Stellung der Federn:
B: Berichtigt:
No. 1 lange Kette * )=:0",0568 — 0",01 10=0^,0458
No. 2 kurze - =0 ,0399 — 0 ,0145=0 ,0254
- 1) Für die beiden ersten Mittel giebt auch Hr. M. die Resnluie der ein-
Keinen Messungen, 30 an der Zahl, deren extreme Werthe: 0^,050
und 0^61 für No. 1 und 0",041 und 0^,036 fär No. 2 betragen.
167
B: Berichligt:
No. 3 lange Keüe = 0^0633— 0^0165 =0^0468
No. 4 karze - =0 ,0444—0 ,0195=:0 ,0249
No. 5 lange - s 0 ,0682 — 0 ,0215 = 0 ,0467
Aus dem Vergleich dieser Werthe ergiebt sich die Fort-
pflanzungszeit im sechshundert und sieben engl. Meilen lan-
gen Draht:
Abweichung vom Mittel:
No. 1 — No. 2 =0 ',0204 0 ",00088
No. 1 — No. 4 = 0 ,0209 0 ,00038
No. 3 — No. 2 =0 ,0214 0 ,00014
No. 5 — No. 4 = 0 ,02 19 0 ,00064
No. 5 — No. 2 = 0 ,02 13 0 ,00002
No. 5— No. 4 =0 ,0218 0,00052
Mittel 0",02128. 0",00U43.
Das Mittel giebt eine Geschwindigkeit von 28524 engl.
Meilen in der Sekunde ').
IX Ueber thermo- elektrische Erscheinungen an
gleichartigen Metallen; von F. C. Henri ci.
JLyie Erfahrungen über die thermo- elektrischen Erschei-
nungen an gleichartigen Metallen, welche ich im Folgenden
mitzutheilen mir erlaube, sind die Frucht einer langen Be-
schäftigung mit diesem Gegenstande. Gleich im Beginn der-
selben habe ich die Nothwendigkeit erkannt, bei allen Ver-
suchen über diese Erscheinungen sehr mäfsige Erwärmungen
anzuwenden, und nicht nur chemische Veränderungen der
Oberfläche, sondern auch Veränderungen im inneren Ge-
füge der Metalle zu verhüten, welche beide nach meinen
Erfahrungen den gröfsten Einflufs auf die zu untersuchende
Erscheinung haben und schon bei Temperaturen eintreten.
1) Also auch sehr verschieden von den Angaben Wheatstone s, Fi-
£eaa*s und Walker's, 'Welcher Letzterer übrigens einen Eisendraht
benatite (Stein heil, Astron. Nachr. No. 679), wahrend Hr. Mit-
chel das Material seines Drahts nicht angiebt. P.
168
können, die keinesviregs sehr hoch zu nennen sind« Des-
halb ist es auch nothwendig, die unmittelbare Berfihrung
der zu erwärmenden Metallstücke mit der Wärmequelle
zu vermeiden. Durch folgende einfache Einrichtung glaube
ich zu einer reinen Darstellung der Erscheinung gelangt
zu sejn.
Auf einem mit Leinölfirniis überzogenen Holzstfick A
Fig. 16 Taf. II. werden die Metalle, welche ich am liebsten
in Form von Drähten von nicht Über 2 Millimeter Dicke
oder von schmalen zugespitzten Streifen anwende, vermit-
telst eines aufzuschraubenden dünnen Holzplättchens n be-
festigt. Die Drähte oder Streifen, welche bei a mit dem
Galvanometer in Verbindung gebracht werden, sind bei h
wiuklich gebogen, und ihre Endflächen c, welche ich ge-
wöhnlich auf einer matten Glasplatte abgeschliffen, auch
wohl mit frischen Bruchflächen angewendet habe, unter
leichter Federung mit einander in Berührung zu bringen
und das Ende eines dünnen Messingstreifens o aufzulegen,
durch welchen die Erwärmung einer beliebigen Stelle des
einen Drahts etc. vermittelt wird, indem unter denselben,
auch wieder an einer beliebigen Stelle o, ein kleines Oel-
lämpchen mit kurzer wohlbegränzter Flamme (deren Spitze
den Streifen nicht berührt) geschoben wird. Eine solche
Flamme ist sehr einfach mit den kleinen Nürnberger Doch-
ten in Holzscheibchen, welche zu Nachtlichtern gebraucht
werden, darzustellen. Hat man nun den völligen Ruhe-
stand der Galvanometernadel, abgewartet, so sieht man die-
selbe mehr oder weniger bald nach dem Unterschieben des
Lämpchens in eine bequem zu beobachtende langsame Be-
wegung gerathen und zuletzt bei einer bleibenden Ablen-
kung zur Ruhe kommen. Bei dieser Einrichtung bedarf
man keiner besonders langen Drähte etc.; man kann die
erfolgende Wirkung vom ersten Augenblicke an genau beob-
achten und auch nach Belieben stärkere und schwächere
Erwärmungen anwenden. Für die gehörige Reinigung der
Drähte etc* ist immer gesorgt worden; es scheint jedoch
wesentlich nur auf die Reinheit der Berührungsflächen an-
169
zukommen. Die Ergebnisse meiner Versuche sind in fol-
gender Tafel zusammengestellt, worin ein von dem erwärm-
ten Ende unmittelbar zum kalten fibergehender Strom po*
siiw genannt ist.
Answeicliung
d. GalvaDometer-
Metalle.
. 1. Kupfer, in Drähten
2. Messing, do.
3. Silber, in Drähten (von gewöhnl.
Thalern, kupferhaltig)
Dieselben Drähte, beide geglüht
4. Silber, in Drähten (von den fein-
sten hanöverschen Thalern, sehr
rein)
Dieselben Drähte, beide geglüht
5. Zinn, in Drähten
6. Kadmium, do.
7. Platin, dö.
Dasselbe, do. geglüht
8. Gold, do.
9. Neusilber, do.
10. Nickel, in Streifen
11. Zink, do.
12. Zink, in Drähten
13. Eisen, do.
14. Antimon, in dünnen Stangen
15. Wismulh, do.
16. Blei, in Drähten
Stromrichtung.
positiv
do.
nadel.
positiv
do.
3",
3^
4^
4^
4«
3i°
negativ
do.
positiv
do.
do.
do.
do.
do.
do.
negativ
do.
do.
do.
do.
2°, 3«
l^ 1°
3^^ 2"
2^ ly
5% 4^
7S 6°
6°, 7«
l3^ 14^
ll^ 12°
14% 16«
15°, 16°
20°, 20°
40°, 50°
0°
0°
17. Quecksilber
Zu den beiden letzten Angaben bemerke ich Folgen-
des. Das Blei wurde in den Drähten von verschiedener
Dicke versucht und es wurden glänzende Berührungsflächen
durch Abschneiden mit einem scharfen Messer dargestellt;
ich konnte keine sichere Spur einer Wirkung erkennen.
Das Quecksilber befand sich in einer Rinne abc Fig. 17
Taf. II. in Holz, deren halbe Länge bc 28 Centimeter be-
170
trug. WKbrend bei a und b die Galvauometerdrahtenden
eingesenkt waren, wurde neben c (einer kleinen Korkschei-
dewand) eine beliebig zu steigernde Erwärmung des Qaeck-
Silbers durch einen mit einem Ende eintauchenden winklich
gebogenen und durch eine Weingeistflamme erhitzten Strei-
fen von Eisenblech bewirkt. Bei der Entfernung des Kork-
stücks c habe ich nie eine Spur von Bewegung der Galva-
nometernadel bemerkt. Ob in dem Versuche von Vors-
selman de Heer (Ann. Bd. 49, S. 121.), welcher das
Gegeuthcil ergab, alle Fehlerquellen vermieden worden
sind, vermag ich nicht zu beurtheilen. Die Schwierigkeit
liegt übrigens ohne Zweifel nur in der Herstellung von Be-
rührungsflächen, bei welchen auch nur auf sehr kurze Zeit
die Continuität der Masse wirksam unterbrochen wäre. Eine
gleiche Schwierigkeit scheint auch das Blei darzubieten.
Um die etwaige Wirkung einer beträchtlichen Ungleich-
mäfsigkeit in der Fortleitung der Wärme innerhalb eines
Melallstücks zu untersuchen, habe ich Kupfer- und Eisen-
drähte durch die Seiteuwand eines mit Schnee gefüllten
Gefäfses (Fig. 18 Taf. II.) geführt und unmittelbar neben
dem Austritt bei o erhitzt, aber nicht die geringste \^r-
kung wahrgenommen. Eine blofse Unregelmäfsigkeit in der
Fortpflanzung der Wärme innerhalb der Körper kann also
nicht die Ursache der in Rede stehenden thermo- elektri-
schen Erscheinungen seyn.
Für die thermo - elektrischen Erscheinungen bei ungleich-
artigen Metallen scheint man die Ansicht Becquerers,
dafe sie von einem ungleichen Wärmeausstrahl ungsvennö-
gen derselben herrühren, allgemein angenommen zu haben.
Da es nun kaum wahrscheinlich ist, dafs die Ursache der
thermo - elektrischen Erregung bei gleichartigen Metallen eine
andere als bei ungleichartigen sejn sollte, so fragt sich, was
sich zu Gunsten dieser Ansicht im vorliegenden Falle sagen
lasse? Jch bemerke zunächst Folgendes.
Melloni hat nachgewiesen *), durch welche geringen
Unterschiede in der physischen Beschaffenheit der Metalle
1 ) Add. Bd. 45, S. 57; Bd. 53, S. 268.
•171
(Härte, Gef&ge etc.) AenderuDgen ihres Strahlungsvermd*
gens Terursacht werden. Entsprediende Aenderungen er-
folgen durch solche Unterschiede auch, in der thermo- elek-
trischen Erregung, was die folgenden Erfahrungen deutlich
zeigen.
Die beiden MessingsdrShte No. 2 der obigen Tafel ga-
ben bei abwechselnder Erwärmung ihrer Enden positive
Ströme mit Ablenkungen von 4^ und 5^ ; nachdem sie in
einer Weingeistflamme stark ausgeglüht und darauf mit Bims-
stein ect. sorgfältig gereinigt worden, erfolgten bei abwecb-
selnder Erwärmung negative Ströme mit Ablenkungen von
14 und 3^ '). Hierauf wurden die Enden der Drähte flach
gehämmert und wieder gereinigt; bei der Erwärmung des
einen Endes erfolgte ein positiver Strom von 3", bei der
Erwärmung des anderen Endes ein negativer Strom tou
57 °. Als hierauf beide Drahtenden aufs Neue gegltiht und
gereinigt worden, erfolgten bei abwechselnder Erwärmung
derselben zuerst positive Ablenkungen von ^ " und 4 ° und
darauf (bei zunehmender Erwärmung) Umsetzung in negch
Hve Ablenkungen von 4° und 5^.
Von den Kupferdrähten No. 1 wurde das eine Ende (a)
geglQht, das andere (b) nicht. Bei der Erwärmung von a
erfolgte eine positive Ablenkung von 4^, bei der Erwär-
mung von b eine negative von 1^, dann umsetzend.
Von den Silberdrähten No. 4 wurde ebenfalls das eine
Drahtende (a) geglüht, das andere (6) nicht. Erwärmung
von a gab eine positive Ablenkung von 3" bis 4°, Erwär-
mung von b eine negative von 3^.
Ferner ist es kaum möglich zwei Drahtenden so homo-
gen zu finden, dafs bei Erwärmung ihrer Berührungsstelle
nicht eine thermo- elektrische Wirkung zu erkennen wäre.
Sogar als die frischen Bruchflächen eines durchbrochenen
Kupferdrahts mit einander in Berührung gesetzt wurden,
brachte die Erwärmung der Berührungsstelle durch die äu-
1) Geglüht während fortgesetzter Berührung erFolgten, nach eingetretener
Erkaltung nnd ohne Reinigung, bei abwechselnder Erwärmung negative
Ströme von 20** bis 30* Ablenkung.
172
fserste Spitze des scharf zugespitzten Messingstreifeiui eiDO
zwar kleine aber deutliche Ablenkung der Galvanometer-
nadel (von ungefähr 4") hervor. So ist es auch leicht,
durch mechanische Mittel (z. B. durch einen Schlag mit
der Schärfe eines Hammers, durch einen Zangendruck, Feil-
strich etc.) eine Drahtstelle so zu verändern, dafs eine Er-
wärmung neben derselben elektrische Ströme hervorruft
Endlich habe ich Drähte von Kupfer, Messing, Platin, Zink,
Neusilber, Eisen, Kadmium an beliebigen Stellen erwärmt
und fast ohne Ausnahme Ablenkungen der Galvanometer-
nadel, oft von mehren Graden, bald nach der einen, bald
nach der andern Seite erhalten, so dafs ich mit der Spitze
des Messingstreifens die wirksamen Stellen der Drähte^ an
welchen ohne Zweifel kleine Verschiedenheiten im inneren
GefOge vorhanden waren, sehr genau ausmitteln konnte.
An dünnen Stangen von Antimon und Wismuth sind diese
Wirkungen noch viel gröfser. Wird an einem Eisendraht
eine kleine Stelle geglüht, so verhält sich diese wie ein
anderes Metall.
Die grofse Bedeutung der inneren Structur der Metalle
macht sich auffallend geltend in der Stärke und Richtaag
der auftretenden thermo- elektrischen Ströme, alle unter-
suchten Metalle von ausgebildeterer Structur gaben negatife
Ströme und gröfsere Ablenkungen als die andern positive
Ströme gebenden Metalle.
Melloni bestreitet zwar bekanntlich eine innere Wä^
mestrahluug der Metalle '); aber seine Erfahrungen könnee
auf die in Rede stehenden Erscheinungen wohl keine An-
wendung finden. Man mufs es vielmehr für äufserst wahr-
scheinlich halten, dafs im Innern der Körper wenigstens
da, wo die Continuität der Masse irgendwie zerstört ist
(wie bei Aenderungen im Gefüge), auch eine Störung in
der Bewegung der Wärme, d. h. ein Uebergang durch Strah-
lung, stattfinde. Versucht man nun aber, die Erscheiniin-
gen speciell aus dem fraglichen Princip zu erklären, so zeigt
sich sofort die Schwierigkeit der Erklärung der negativen
1) Ann. Bd. 65, S. 112.
173
Ströme. Es dfirfte in der That kaum möglich seyn, bei
dem jetzigen Zustande unserer Kenntnisse. über die Bewe*
gung der Wärme im Innern der Körper diesen Gegenstand
befriedigend zu erörtern und namentlich zu der Einsicht
zu gelangen, wie aus einer Aenderung in der Bewegung
der Wärme eineElektricitätsentwickelung entspringen könne.
Ich dachte einen Augenblick, dafs die Annahme einer bei
jeder Ausstrahlung zugleich stattfindenden Rückstrahlung ins
Innere durch Reflexion an der Fläche, von welcher die
Ausstrahlung erfolgt, verbunden mit der Annahme, dafs die
Richtung der zum Vorschein kommenden elektrischen Ströme
von dem Intensifätsverhältnifs beider Strahlungen abhängig
und der Richtung der überwiegenden entgegengesetzt sej,
zum Ziele fuhren könne; und in der That hätte man da-
bei den Metallen, welche negative Ströme geben, um diese
zu erklären, nur eine gegen die Rückstrahlung überwiegende
Ausstrahlung zuzuschreiben. Aber aus dieser Annahme ist
die positive Stromrichtung, welche z. B. alle Combinatio-
nen von Wismuth mit andern negativen Metallen bei Er-
wärmung der Berührungsstelle geben, nicht zu erklären.
Für das Princip im Allgemeinen scheinen übrigens auch
die sonderbaren Wechsel in der Richtung der elektrischen
Ströme zu sprechen, welche man nicht selten bei steigen-
der E)rwärmung beobachtet und von welchen vorhin einige
Beispiele angeführt wurden. Die auffallendste Erscheinung
dieser Art habe ich an zwei Kadmiumdrähten beobachtet.
Beide Drahtenden gaben, bei allmälig steigender Erwärmung,
anfangs positive Ablenkungen von I4 ^ und 2^, dann um-
setzend negative Ablenkungen von 4" und 4°, dann wieder
umsetzend positive Ablenkungen von 3°, und beim Abneh-
men fanden sich beide Berührungsflächen völlig glänzend
und anscheinend ganz frei von Oxyd.
Schliefslich erlaube ich mir noch, auf die constante
Wirkung aufmerksam zu machen, welche auf alle von mir
untersuchten Metalle das Ausglühen derselben äufsert; sie
besteht darin, dafs die Metalle durch Ausglühen in der all-
gemeinen thermo- elektrischen Reihe dem Wismuth näher
174
gerückt werden. Dieses ergiebt sich eigeDllidi schon aas
den bereits angeführten Beispielen, unzweideutiger aber
noch aus anderen besonders angestellten Versuchen , bei
welchen je zwei gleichartige Drähte, von denen der eine
zuvor stark ausgeglüht worden, mit einander combinirt und
an der Berührungsstelle erwärmt wurden. In allen Fällen
war die Stromrichtung vom geglühten zum nngeglQhten
Drahtende und die Ausweichungen der Galvanometernadel
betrugen bei Drähten von
Kupfer S'' Neusilber 6"" Eisen 6"*
Silber 3"" Gold S*" Zink 14'' ').
Messing 4"^ Platin S""
Dieses Ergebnifs ist in sofern auffallend, als man im
Sinne der besprochenen Hjpothese nach Melloni'a Aus-
strahlungsversuchen das Gegentheil hätte vermuthen sollen,
da man diesen zufolge von einer Dichtigkeitsvemiinderungi
wie sie durch das Glühen eines durch den Drahtzug ver-
dichteten Metalls bewirkt wird, eine VergröCserung seines
Ausstrahlungs Vermögens zu erwarten hat, die Richtung der
thermo- elektrischen Ströme bei ungleichartigen Metallen
aber der Richtung der überwiegenden Wärmeausstrahlmig
entgegengesetzt ist.
Sehr beachtenswerth bleibt für jede Theorie die That-
Sache, dafs die Eigenschaft der Metalle, bei der Combioa*
tion mit gleichartigen positive oder negative Ströme zu ge-
ben, von ihrer Stelle in der allgemeinen thermo - elektri-
schen Reihe völlig unabhängig ist, und dafs also aus dem
thermo-elektrischeu Verhalten der Metalle für sich ihr Ver-
halten in der Combiuation mit anderen Metallen nicht ge-
folgert werden kann; so giebt z. B. Wismuth - Kupfer ei-
nen vom Wismnth zum Kupfer gehenden Strom bei Er-
wärmung der Berührungsstelle, während beide Metalle, jedes
für sich, Ströme von entgegengesetzter Richtung geben.
1) Das ungegluhte Drahtende war gehämmert, um etwa seine DichtiglMk
dadurch ku vergröüsern im Gegensatz zum Glühen. Die obigen Ablen-
kungen wurden bei Erwärmung der Beruhrungsstelle durch den Mes-
singstreifen erhalten. Unmittelbare Unterstellung des Lampchens (oAxf
Berührung der Drähte mit der Flamme) gab viel gröfscre Ablenkongen.
175
XII. üeber die thermischen Eigenschaften des
Turmalins; von' Hrn. H. de Senarmont.
{Ann, de Mm, et de phy%, T. XXV HL p, 279)
JLIer Turmalin befindet sich nicht anter den Krjstalleu
des rhomboedrischen Systems, welche ich in meiner Ab-
handlang über die Wärme -Leitungsfähigkeit krjstallisirter.
Körper untersucht habe^). Ich konnte mir 'davon keine
hinlänglich homogjßne Platte verschaffen. Der Querschnitt
etwas grofser Krjstalle zeigt nämlich immer zum wenigsten
drei Individuen, die durch dicke Nähte in Form eines drei-
strahligen Sterns vereinigt sind.
Seit jener Zeit experimentirte ich mit einer schönen Tur-
malinplatte von hellem, ins Grüne fallendem Meer- Algen-
Blau, die, rechteckig, 32 auf 28 Millimeter hält und 1,75
Millimeter dick ist. Sie ist vollkommen durchsichtig, kaum
absorbirend, und wenn man sie in polarisirtem Licht unter-
sucht, indem man sie auf eine parallel der Axe geschnittene
Quarzplatte (^Quariz parallele) von angemessener Dicke
legt, so erweist sie sich vollkommen homogen, bis auf die
äufsersten Ränder, wo man überdiefs kleine Flecke (jglaces)
bemerkt.
Bei der durch Schmelzung von Wachs auf dieser Platte
hervorgebrachten Ellipse ist das Verhältnifs zwischen gröfs-
tem und klein3tem Durchmesser gleich 1,27 und der letztere
ist parallel der krjstallographischen Axe.
Der Turmalin, ein repulsiver Krystall, kommt also
durch seine thermischen Eigenschaften neben den gleich-
falls repulsiven Krystallen, Idokras, Korund und Eisen-
glanz zu stehen.
XIII. Kräftige Stahlmagnete;
von TV. M. Logeman.
H,
.r. Mechanikus Logeman in Haarlem hat mir kürzlich,
als Probe seiner Leistungen, einen von ihm nach Hrn. Elias's
Angabe verfertigten Hufeisenmagnet verehrt, der sich durch
1) Ann, de chim, ei de phj-s, Ser, HL T. XXIL p, 179 (Ann. Bd. 75,
S. 50).
176
etoe im Yerf^ciA mr Stahlmane fmf/auim groCsc S
aiuzeichDet Dersdbe, aus einer «nzigen Laumelie I
bend, wie^ nämlich nar 1,09 Pfand preols. (0,5125!
gramro) und besitzt eine conatante Tragkraft Ton 31,5 1
preofs. (14,75 Kilogramm), eine Kraft, die mehr ab
pdf so groEs ist, wie sie von der Haecker'scfaen F(
isl0,33j/p^ gefordert wird ').
Zogleicb meldete mir Hr. L., dals er im Stande
weit grötsere Magnete von ähnlicber Starke anznferl
Idi wurde dadurch TeranlaCst, Hm. L. om Eünsendonf
nes Preiscoarantes za ersadien, und da er diesen Wi
Tor einigen Tagen erföUte, so erlaobe idi mir den«
hier .zar Kenntnib der Physiker zn bringen.
^Prdse 4er HofeteDiuigBeie, aaeh Hra. Blias's«Aa|;abe w
Üg^umd tu hMbem bei W. H. Lo^eMaa ia Haarlem^
No.
Tragkraft.
Preis.
No.
Tragkraft.
Fk«
1
25
10
5
150
i
• 2
40
17
6
200
12
3
80
42
7
300
17
4
120
78
8
400
21
»»■
,Die Tragkräfte sind in Prenfs. Pfunden angegebea
Preise in Holland. Golden, mit Verpackang*'.
„Gerade Stäbe aller Art für magnetisclie Obserratc
▼on der nämlichen relativen Stärke wie die Hufeiseq
nete, werden zu sehr billigen Preisen Terfertigt''.
Wie Hr. L. bemerkt, bestehen die beiden ersten Num
aus Einer Lamelle, No. 3, 4 und 5 aus drei, und die
letzteQ aus fünf Lamellen. Die angegebenen Tragk
sind constant, erhalten sich also nodi nach wiederhc
Abreifsen der Anker. Poggendor
1 ) Ann. Bd. 57 , S. 335. Bei Ankunft in Berlin besafs der Ma^nel
ganz die angegebene Tragkraft^ ▼ernoothlich aber nor, 'weil er bein
packen durch einen unglücklichen Fall eine Erschütterung erlitten
Ein Paar Striche mit einem kleinen Elektromagnet ersetzten den \
indefs YolUtandig.
Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grunstr. 18.
3
-»■ !
/
1850. A N N A L £ N JTo. 6.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
BAND LXXX.
I. lieber die physikalischen Eigenschqflen des Eises
und deren Zusammenhang mit den (vorzüglichsten
Phänomenen der Gletscher;
fon Hermann Schlaginttveit.
(Mitgetlieilt vom Hiti. Verf. aus dem nächstens bei J. A. Barth in Leip-
zig erscheinenden W^erke: Untersuchungen über die phyiikalische Geogra-
phie der Alpen^ von Hermann und Adolph Schlagintweit.)
JLyic Untersuchungen von Saussure und besonders die
grofsen Reiben ausgedehnter Beobachtungen, welche in
neuerer Zeit angestellt wurden, haben uns an den Glet-
schern mit einem unerwarteten Reichthum mannigfaltiger
Erscheinungen bekannt gemacht. Wir dürfen dem Studium
derselben wohl ein ganz allgemeines Interesse beilegen;
es kann als ein Beitrag zur Monographie des Eises betrach-
tet werden, indem es uns die Eigenschaften dieses verbrei-
teten Körpers in grofsen und kleinen Massen und unter
den verschiedensten äufsercn Umständen erkennen läfst ').
1 ) Ich theile hier die gröfsei*en Arbeilen in ehronologischer Ordnung mit.
S im ml er, F'alesiae et Alpiuni descriptio, LugJ. Bat. 1632. —
Scheuchzer, Ilinera afpina. Lugd. Bat, — Grüner, die Eisge-
birge des Schweizerlandes. Bern 1760. 3 Bde. 8**. (Diese drei sind al-
tere topographische Werke) — Saussure, Voyages dans ies Alpes.
Neufchdtei 1779—1796. 4 Bde. 4^ — Hugi, naturhistorische Al-
penreisen. 1830. 8". — Agassiz, Etudes sur ies glaciers. Neuf-
chdtei 1840. 8^ Uebersetzt unter dem Titel: Untersuchungen aber
die Gletscher. — Martins, Ohservations sur Ies glaciers du Spitz-
berg compares ä ceux de la Suisse et de la Non^^ge. Bibl. unii\
de Genki^e 1840, Tome 28^ p. 139. Bullet, de la Soc. giol. de la
Fr, XL p, 282. — Gharpentier, Essai sur Ies glaciers et le ter-
rain errat ique de la vallee du Rhdne 1841. 8®. — Hugi, über das
"Wesen der Gletscher und Winterreise in das Eismeer 1842. 8*. —
Forbes, Trapeh through the Alps of Sapoy and other parts of
the pennine chain with obsercations on the phenomena of glaciers*
Edinb. 1843. 8^ Uebersetzt Ton G. Leonhard. Seeond edition
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 12
178
In der vorliegCDdeii Abhandlnng werde ich von den
ErscheinuDgeD an Gl«tschem vorzfiglich jene berühren,
w^ohe mit den phjsikaliGchen £igenficbftft«n das £i»es in
ünmitlelbarem Zusammenhange stehen.
Die Formen dei EerralleDden Elsei.
An allen der Atmosph&re aasgesetzten Theilen zerßUt
das Gletschereis in einzdne KOrner. TreaneB nir ein grd-
fseres Stück Eis aus dem Gletscher nahe der Oberfläche,
so wird es uns leicht, dasselbe in einzelne Theile zu zer-
legen, die sich sogleich an ihren abgerundeten Flächen als
Individuen, sehr verschieden von Bruchstücken, erkennen
laSECD.
Die Körner hängen ohne alles Bindemittel lose zusam-
men, sie sind durch kleine Zwischenräume gelrennt, die
bald mit Luft, bald mit Wasser erfüllt sind, wobei ihre
Unebenheiten geleukartig in einander eingreifen. Sie zei-
gen daher immer eine gewisse Verschiebbarkeit. Die Spitze
eines Stockes in die Oberfläche eingedrückt, läfst sich dort
leicht bewegen; zugleich ist dabei ein eigenthGmIiches Knar-
ren des Eises hörbar. Ihre GrilTse ist sehr wechselnd. In
den oberen Gletscbertheilen , in der Nähe der Firumeere,
sind sie am kleinsten ; ihr Volumen betragt dort selten mehr
als einen Cubikceutimeler. Ein Beispiel dafür ist a der
Fig. 1 ; die KOrner sind von jener Stelle, wo die Pasterze
GlelicberbömEr; o. Fastene; b und c. Venngt. J au. GrOfi^
\S4S und viele AbbRndlange» in Jimes, Edwb. Jouni. ••— A|aiiti,
Gajot el Deior, Sjrtlimt glaciaJre ou recherchn nir iem gladert,
Uur wUcanUme, leur armenac txttmion sd U r^ fu'Ot ant fout
datu fhittoire de ta terre. VpartU: Noupdk* Umätt.tl tmpi-
179
al8 Gletscher zuerst Tom Firne sich unterecheiden l&fst.
Je weiier wir aber dem Ende des Gletschers uns ntthern,
desto grMser werden sie. Die bedeutendsten, die uns war*
kamen, beobachteten wir am See der Pasterze und an yo^
nen losgerissenen EUsblöckea, welche der Ausbruch eines
Gletschersees im Oetzthale mehr als eine halbe Meile Ton
ihrem früheren Standorte entfernt hatte. Auf diese beiden
Punkte beziehen sich die Körner b und c der Torherge«
henden Figur. Der körperliche Inhalt dieser war im Ma*
ximum 6 bis 8 Cubikcenttmeter ' )•
Diese Körnerstructur ist zwar nirgends deutlicher aU
au Gletschern, dort wurde sie auch zuerst erkannt; allein
ich glaube ganz sicher gefunden zu haben, dafs sie auch
an jedem anderen Eise unter günstigen Umständen auftriti*
Ich weifs wohl, daCs diese Ansicht mit jener ton anderen
Beobachtern nicht übereinstimmt, welche eine absolute Ver-
schiedenheit zwischen Gletscher- und Wassereis ann^h-
men^)» Allein schon 1829 haben Alexander van Hum-
boldt und Gustav Rose auf ihrer Reise nach Ruüsland
ähnliche Formen bemerkt^). Auch Schmidt, in Jena^)
beobachtete die Absonderung des Eises in stänglichen Frag^
meoten, während Alexander Petzhold ^) nach eigenen
Versuchen in Gittersee bei Dresden auf die Analogie der
Formen des Gletscher- und Wassereises zuerst hingewie-
sen hat.
riences sur les giaciers nctuels et Uur aciion physique sur le iol
pur Louis Agassiz, Paris J847. 8°. — Em ausföhrlicheres Ver-
zeichoifs aller eiozelnen Abhandlungen findet sich Agassis Syst. pag.
XIII -^ XXXI.
1 ) Diese Gröfsen wurden dadurch bestimint, dafs die unmittelbaren Gyps-
modelle derselben (siehe Seite 180) in wassergcfiHhe calibrirte Bohren
gebracht worden, und so das verdrängte VVasser unmittelbar abgclescA
werden konnte
2) Yergl. Agassiz, Syst S. 150 Anmerk. •
3) G. Rose mineralogisch geognostische Reise nach Rufsland etc. Bd. I.
Seite 13:
4.) Poggendorff's Ann. 1342, Bd. 5$, S. 472 t- 473.
5) Beitrage sur Geognosie von Tyrol. Leipzig 1343*
12*
180
Ffir OD8 war vor allem ein aasfOhrlkhes Vergleichen
nothwendig. Wir benutzten zum Studium dieser Formen
zwei stehende Gewässer in der Nähe von Mönchen: die
Kanäle in Njmphenburg und den künstlich angelegten See
des englischen Gartens. Wir mufsten sogleich die grofsen
Schwierigkeiten kennen lernen, welche sich uns entgegen-
stellten, wenn wir die Formen und Structurverhältnisse des
Gletscher- und Wassereises vergleichen wollten. Die blofse
Anschauung kann nicht genügen, besonders wenn sie ab-
hängig von den einzelnen Jahreszeiten durch so lange Zwi-
schenräume getrennt ist; überdiefs ist das Eis durch seine
Durchsichtigkeit fOr das Erkennen feinerer Einzelheiten und
durch sein stetes Schmelzen för eine andauernde Untersu-
chung und ausgeführte Zeichnung sehr ungeeignet.
Es mufste daher sehr wichtig sejn, naturgetreue und
bleibende Copien solcher Formen zu erhalten, was ich durch
folgende Methode zu erreichen suchte. Aus Wachs und
Terpenthin wurde eine sehr weiche, für die geringsten Ein-
drücke empfängliche Mischung zusammengesetzt, durch welche
ich mir Abdrücke vom Eise verschaffte. Um durch die etwa
höhere Temperatur des Gerätes nichts von den feineren
Formen zu zerstören, gebrauchte ich die Vorsicht, dasselbe
vorher durch Umgeben mit Schnee und Eis auf beinahe
0° abzukühlen. Von den so erhaltenen negativen Bildern
wurde an Ort und Stelle ein Abgufs aus feinem Gjpse ge-
macht (Königsgyps) ^), dessen Feinkörnigkeit für die Schärfe
der Copien nichts zu wünschen Übrig läfsf.
Für Gletscherkörner und ähnliche Formen des Wasser-
eises, bei denen mehr als eine Oberfläche zu erhalten war,
unterstützte die Schmelzbarkeit des Originals die Genauig-
keit des Abdruckes ungemein. Ich hüllte ein solches Stück
rasch in das abgekühlte Wachs, welches fest ängeprefst wurde,
und liefs es nun liegen bis sein Inhalt in Wasser verwan-
delt war. "Durch dieselbe kleine Oeffnung, durch welche
1) Diese feine Sorte ist leider nar in gröfseren Städten %n finden; wir
waren daher gezwungen, jedesmal davon in die Alpen einco kleinen
Yorrtth mitzunehmen.
181
das Wasser entleert Trorde, gofs ich den Gjps ein und
▼ermied so das unangenehme Aufschneiden der Patrone,
«
was so leicht eine Verzerrung des Bildes zur Folge bat').
Ich erhielt nach und nach eine Reihe von 76 verschiedenen
Eisformen, thells Gletscher-, theils Wassereis, die nun un-
mittelbar neben einander gehalten, die Beurtheilung ihrer
charakteristischen Einzelheiten ungemein erleichterten. Ich
wählte aus denselben jene Formen, welche ich ffir die am
meisten charakteristischen hielt , und habe sie auf der Ta*
fei I. vereinigt. Dieselben wurden absichtlich nach diesen
Gjpsen und nicht nach der Natur entworfen, weil sich so
eine weit gröfsere Genauigkeit und Sorgfalt der Ausführung
erreichen liefs.
Die ersten Spaltenanlagen sehen wir dort an den ver-
schiedenen Gegenständen dargestellt. No. 1 ist die Ober-
fläche eines Eisblockes der im Februar 1847 unter Schnee
und kleiiverem Eise gelegen hatte; No. 2 der Abdruck der
Wand einer Gletscherspalte, nahe dem Firnmeere und No. 3
ist wieder Wassereis. Das letztere bildete einen leicht
convexen Ueberzug von l.j Centimeter Dicke über einen
Stein in der Höhle des Marcellgletschers. Es war durch
die öftere Bespülung des Gletscherbaches entstanden. .Ueber-
all erstreckten sich feine Risse von dem Netze der Ober-
fläche auch in die Tiefe; No. 3 das dünnste Stück zerfiel
bei der Berühnung in einzelne prismatische Fragmente. Diese
Risse sind es, welche am Gletscher als Haarspalten bekannt
sind; sie finden sich jedoch am Wassereise ebenso gut, die
von ihnen eingeschlossenen Theile sind aber noch nicht
das, was wir am Gletschereise Körner nennen wollen; die
Haarspalten unterscheiden sich durch ihre geringe Weite
sehr wesentlich von den Räumen, welche gewöhnlich die
Gletscherkörner trennen. Da sie jedoch , wie wir sehen
werden, den letzteren vorhergehen und sie bedingen, so
müssen wir schon jetzt ihre Entstehung betrachten.
1 ) Zur biesseren Erhaltung wurden die Modelle mit lieifscra Stearin über-
zogen, und so lange erwärmt, bis dieser Ueberzug eingedrungen war.
Sie wurden dadurch fester und erlaubten audi das Eintauchen in Wasser.
182
Beßndet sich Eis in einer Temperatur Tön 0^^ oodl folgt
darauf eine bedeutende Erniedrigongy so zieht es sich zn^
sammen ^); und es ist für die folgenden Betrachtangen nicht
unwichtig, dafs diese YoInmenTeränderung grOfser ist, ah
sie bei irgend einem anderen festen Körper beobafchtct
wurde.
Die lineare Ausdehnung beträgt ffir I^" C. =0,0000375
Bei einem langsamen Erkalten bleibt die Zusammeuzie-
hung allerdings gleichmäfsig; allein ist der Temperatunii^ech-
sel ein schnellerer, so wird das Eis bei einiger Dicke sich
an allen Oberflächen rascher zusammenziehen als im Innerren
und daher Risse erhallen, welche sich an der Oberfläche
zu einem unregelmäfslgen Netze vereinen.
Als Unterstützung für die Annahme, dafs die Haarspal-
ten durch Temperaturdifferenzen entstehen^ darf auch die
Richtung derselben angeführt werden. Sie gehen nämlich
jedesmal von jener Oberfläche, welche der Kälte aus-
gesetzt ist, rechtwinklich gegen das Innere, und zwar so
regelmäfsig, dafs sie, wenn die des Eises ein Cjlinder ist,
radienförmig gegen die Axe desselben convergiren, und den-
selben in keilförmige Stücke zerfallen machen. Um mich zu
überzeugen, dafs die Richtung der Spalten von der ur-
1) C. Brunner in PoggcndorfPs Ann. 1845. Bd. 64. S. 115. An-
naUs de chirnie et de physique t, XI F. S. 378 und Slruve, Butt,
Acad, St. Peiersb. 1845. /. iF. S. 170. PoggcndorfPs Ann. 1845.
Bd. 66, S. 298.
Struve fand die Ausdehnung des Eises noch gröfser, namli'ch 0,000052
für 1° C.
2) Zur Yergleichnng mögen folgende Ausdehnuogscoeflicienten dienen:
Zink gehämmert = 0,00003 1 1 = j^igö 8 m c a t o n.
Blei = 0,0000288 = s^Jöö E " i c o t.
Kalkspath (nach der Ha« jita i e) == 0,0000286 = 5 Jgg Mitscherlicli.
Zinn » 0,0000248« ,9455 SmeotoD.
Silber = 0,0000208 = jsJw Troughioo.
Messing (gegosscu) = 0,0000188 = 55 Jgj Lavoisier.
Eisen =0,0000119 = 55450 Berthollet.
G lasslab = 0,0000081 = nsW Roy.
(Nach Baumgartncrs Supplemeniband Seite 919—^22.)
183
SprQDglidtat) Lag«, in welchäf das Eis uch bildete, ganz
Fig. % unabhüngig iet, brachte ich
eine Eisplatte in eine solche
Stellung, dats ein Theil der-
selben a der Fig. 2., frei war,
irfibrend ihr zweites Ende vom
anderen Eise uH>gebcn wurde.
Obgleich die Kaufile im freieo
StelluDC der Kanäle id IjorlzonialcD ~, ., i .r •
Plauta. Theile ganz regelmKIsig ver-
liefen, zeigten sie gegen c bedeutende VerkrfimmuDgeD, da-
darch bedingt, dafs die KBltc von den Platten d und e
nicht so gut zugeführt wurde als von der AtmospbHre. Auch
an den Ecken, wie bei der Platte d, sehen wir nicht sel-
ten UnregelmafsigVeiten, in diesem Falle von dem Ein-
flüsse der Flache f herrObrend.
Bei grofscr Kälte dürfen wir nach diesen Voraussetzun-
gen erwarten, dafs die Spalten bSufiger eiiid, sich nSber
sieben, also an der Oberfläche ein engeres Nelz bilden.
Diefs ist in der Tbat der Fall, und dehnt sich so weit ans,
dafs unter solchen Umständen das Eis in kleinere Stocke
zerföllt, als bei geringeren Extremen der Temperatur.
Man könnte vielleicht die Anlage des Spaltennetzes
wenigstens an der Oberfläche nicht der Kalte, sondern ge-
rade dem entgegengesetzten Umstände, dem Schmelzen In
der Wärme zuschreiben, wenn man bedenkt, dafe das zu
f'S- 3. untersuchende Eis nicht ein einziges
Kr^stallindividuum ist, sondern aus
vielen einzelnen besteht, wobei die
grOfeereu vielleicht langsamerschmel-
zen als die kleineren. Es wBre dann
diese Erscheinung jener nicht unähn-
lich, dafs die Oberflächen von Mc-
tallplatten von SSuren nicht gleich-
mäfsig angegriffen werden, Bondern '
mannigfache Vertiefungen und Erhö-
Er>i«Aoiagc i. Spaii™nei«> """»g«» erhalten. Allein dieser An-
dureh 4!« Loupe gcKbeo. eicbt widerspricht die Forlscizung
184
rechtwinkliger Risse in die Tiefe, die daraus nicht erklSrt
werden können, und die völlige Ordnungslosigkeit der Netze
an der Oberfläche. Das letztere läfst sich am besten an den
ersten Anfängen beurtheilcn ; ich theile daher^ das kleinste
Spaltennetz mit, welches ich zu beobachten Gelegenheit hatte.
Es ist unter achtmaliger linearer Yergröfsernng gesehen,
und war an einem dicken Blocke von Wassereis entstan-
den. An demselben waren vor dem Versuche alle Ober-
flächen dadurch erneuert worden, dafs wir ihn in einem
Zimmer von + 16^ C. bedeutend abschmelzen liefsen; er
wurde dann während einer* Nacht ins Freie gebracht, bei
welcher die Temperatur auf — 11^ C. sank; ich glaube
nicht, dafs sich in diesen Linien irgend eine Regelmäfsig-
keit erkennen läfst, die auf Zusammenhang mit Krjstall-
formen hindeutete. (Die runden, dunkel eingefafsten Kör-
per waren eingeschlossene Luftblasen).
Bei einer Abhängigkeit von den letzteren liefse sich auch
erwarten, dafs Eis unter dem Mikroskope langsam schmel-
zend den Umrifs seiner Bänder ungleich veränderte, und
einzelne Ecken oder Kanten sich bildeten ; allein diefs 6n-
det nicht statt, sondern das Abschmelzen ist auch bei star-
ker Yergröfsernng ein ganz gleichmäfsiges.
Wir betrachteten bisher das Eis als eine ganz gleich-
artige Masse, welche sich unter dem Einflüsse der Kälte
spaltete; allein dicfs können wir nur, so lange wir ihre
Anlage nahe den Oberflächen betrachten. Bei dem weite-
ren Eindringen erleiden diese Spalten dadurch wesentliche
Veränderungen, dafs der Zusammenhang des Eises an vie-
len Stellen durch Luftblasen unterbrochen ist. Bei dem
Uebergange aus dem flüssigen in den festen Zustand wird
die vom Wasser absorbirte Luft frei; die Trennung ist so
vollkommen, dafs selbst Eis aus vorsichtig und lange aus-
gekochtem Wasser noch immer einige Luftbläschen' zeigt.
Schon im gewöhnlichen Wassereisc .sind sie daher sehr
zahlreich, noch mehr in jenem des Gletschers, welches aus
Firnkörnern und infiltrirtem Wasser entstanden ist.
Diese Luftblasen wirken auf die Spalten in doppelter
185
Beziefaang modificireud ein. Sie bestimmen den Ort ihrer
Eutstehung und theilweise auch ihre Richtung, indem ge-
rade au jenen Stellen die Zerklüftung am leichtesten ein«
tritt, wo der gleichartige Zusammenhang der Massen un-
terbrochen ist. Analoge Fälle finden sich aufser dem Eise
an allen Körpern, z. B. an gegossenen Metallen, die Luft-
blasen eingeschlossen haben, an Glas, Porcellan u. s. w.
Es werden demnach bei fortgesetzter Zerklüftung vor al-
lem die Blasen nach verschiedenen Richtungen unter sich
verbunden, und diesem Umstände ist es vorzüglich zuzu-
schreiben, dafs das Eis des Gletschers sich nicht nur in
längliche, sondern auch fast cubische Stücke trennt.
Ein zweiter Einflufs der Luftblasen auf die Haarspal-
len besteht in der Veränderung ihrer Form. Sobald eine
Haarspalte, in eine Luftblase mündet, trifft sie au dieser
Stelle eine bedeutende Erweiterung. Eindringendes Schmelz-
wasser und die gegenseitige Communication mehrerer Luft-
blasen durch Haarspalten machen, dafs bald kleine „Kanäle''
entstehen, die in ihrer Form von den Haarspalten abwei-
chen; sie nehmen vielmehr die Gestalt von vielen Kugeln
an, die durch einen hohlen Cjlinder zu einem gemeinschaft-
lichen, nicht vollkommen gleichartigen Ganzen verbunden
sind. Am deutlichsten sieht man diefs an !No. 4. der Taf. L
Es ist das vorliegende Stück der Durchschnitt einer
Reihe solcher Kanäle, wie wir sie am Wassereise an ei-
ner Stelle bemerkten, wo gerade viele derselben in einer
Ebene lagen. Die letztere stand senkrecht auf der hori-
zontalen Oberfläche der Eisdecke. Wenn solche Kanäle
durch Aussaugen des Wassers an einem ausgehaueuen Stücke
mit Luft erfüllt werden, so erscheinen sie besonders bei
)ener Stellung des Eises sehr deutlich, in welcher eine to-
tale Reflexion des Lichtes stattfindet. Gewöhnlich ver-
schwinden sie unter der Einwirkung zu grofser W^ärroe
beinahe unmittelbar nach ihrem Entstehen, und machen sich
nur durch ihren Einflufs auf die Bildung der Kanäle be-
merkbar.
Wenn solche Kanäle in geringer Entfernung sich bc-
186
finden, so rersdundzen sie seitlich, and isoliren nach und
nach ehixelne Stficke Eises. Dieses tritt rat allem am
Gletscher ein, der so reich an Luftblasen ist, daher auch
dort die Gletscherkörner so besonders deutlich entwickelt
sind. Uebrigens liefert auch Wassereis ganz analoge For-
men, wie uns die Vergleichung von No. 5 und 6 Taf. I.
zeigt. Die KanSle stehen dabd in einzelnen dichteren
Gruppen gesondert, anfangs bilden sie unregelmäfsig cjüd*
drischc Röhren, deren trennende Wände aber immer mehr
verschmelzen und zuletzt nur noch dfinne Kanten und Eckeo
übrig lassen, welche den Kömern eine rauhe Oberfläche
ähnlich einer Feile geben. No. 6 Taf. L ist von Wasser-
ds: die feilenartige Rauheit der Oberflädie sdien wir be-
sonders schön an No. 7.
Die Bildung von Rissen geht der Anlage von Kanälen
stets voraus und bedingt sie; allein das schöne, feine Spal-
tennelz der Oberfläche, wie wir es in den Abdrücken 1—3
Taf. I. kennen lernten, wird nicht immer so deutlich sicht-
bar; die gröfste Anhäufiing der Spalten beschränkt sich
zunächst auf die Oberfläche; wird diese Schicht durch
Schmelzen entfernt, so bleiben zuletzt nur Kanäle fibrig,
aus einzelnen in die Tiefe sich fortsetzenden Rissen ent-
standen. Dieis ist die Ursache davon, daCs wir in den ein«
zelnen deutlich isolirenden Gletscherkömern nur selten
Haarspalten bemerken; an Eise, welches vor Schmelzen
weniger geschützt ist, treten nur die Kanäle auf; ein Bei-
foid dafür sehen wir au No. 6 Taf. 1 ' ).
])a gröfserc Kanäle den Eintritt der Luft und die Er-
^InDUUg des Wassers etwas über 0° sehr erleichtern, so
g^chiebt es, dafs sie jetzt selbst theilweise zerstörend ein-
wirken. Daher werden die Theile, die zwischen den MQn-
dungeu der Kanäle liegen, stets ein wenig convez. An
manchen Stellen des Gletschers verbindet sich mit der Kälte
auch der Zug der Masse thalabwärts, um die Spaltenbil-
1) Das Original wurde iin Mai-s 1847 im Freien beobachtet; die Eis-
ina$6cn, die wahrend des Sommers in Kellern aufbewahrt werden, cfi-
gon ganz dasselbe.
187
doDg an einzeloen Theilen besonders häufig zu machen;
auch diese Grappen von Spalten setzen sich mit Luftbla-
sen in Verbindung und werden so zu Kanälen, die das Eis
in grofsen Massen und in sehr bestimmten Riehtungen durch-
ziehen. Dabei ist die ursprünglich eingeschlossene Luft
durch Wasser ersetzt; das Eis erhält dadurch an diesen
Stellen eine weit gröfsere Durchsichtigkeit und erscheint
blau gegenüber dem blasenreieheren, weifsen ^).
Die Gröfse der Fragmente , in welche das Wassereis
zerfällt, ist an diesem wie am Gletscher sehr wechselnd.
An Platten, welche dick genug sind, die ganze Reihen-
folge der Erscheinungen zu zeigen, bemerken wir, dafs die
ersten prismatischen Körper, in die es zunächst der Ober-
fläche zerfällt, kleiner sind als die später entstehenden;
ein Vorgang, der )enem sehr ähnlich ist, dafs die Glet-
scherkörner an den oberen Parthien kleiner sind als nahe
dem Gletscherende.
Ffir den Gletscher hat man die Erklärung der wech-
selnden Gröfse auf verschiedene Weise versucht. Zuerst
ging man von den Formen des Firnes aus, denn auch bei
diesem bemerkt man, dafs die Gröfse seiner Körner mit
dem Alter zunimmt. Dort wird die Vergröfserung dadurch
herbeigeführt, dafs durch die Befeuchtung des einzelnen
Kornes mit dem Schmelzwasser concentriscbe Schichten um
dasselbe sich ablagern. Man kann sich davon sehr deut-
lich an den Schneemassen überzeugen, die auch in den
Ebenen an beschatteten Stellen sehr lauge sich erhalten.
Am schönsten fanden wir eine solche Bildung in einem
grofsen Gefäfse voll Schnee, den wir in München im Freien,
aber an der Nordseite eines Hauses vor directer Beson-
nung geschützt, im Jahre 1847 vom Januar bis Mitte März
aufbewahren konnten: es wurde dabei nur die Vorsicht
gebraucht, den Boden des Gefäfses an mehreren Stellen
1 ) Diese blauen Bänder sind für die Sliuctur des Gletschers durch Ihre
VerlheiluDg und ihre Neigunj; sehr charakteristisch; der Gegenstand dieser
Abhandtang erlaubt nicht, sie in ihrem Zusammenhange mit dco allge-
meineren Erscheinungen des Gletschers näher ku untersuchen.
188
ZU durchlöchern; wir verschafften aof diese Weise dem
zu reichlichen Schmelzwasser einen beständigen AbflaÜB.
Da noch häufige Nachfröste eintraten, erlangten die Schnee-
körner eine Dicke von i — 1 Millimeter.
Es war sehr natürlich, dafs diese Vorgänge, welche
man in der Natur vielfach beobachten kann, anfangs auch
auf die Bildung der Gletscherkörner angewendet worden.
Allein schon eine theoretische Betrachtung aller Nebennm-
stände läfst die Unwahrscheinlichkeit dieses Vorganges er-
kennen. Denn würden sich diese concentrischen Eisschich-
ten bilden, so müfsten die Kanäle in jeder Nacht sich
schliefseu, in welcher die Temperatur bedeutend unter 0'
sinkt, was in diesen Höhen nicht selten ist. Allein gegen
das Schliefseu derselben, selbst in der Nähe der Oberfläche,
sprechen die lufiltrationsversuche, welche wir später aus-
führlicher behandeln werden ^ ).
Ich glaube, dafs die Ursache des Gröfserwerdens der
Gletscherkörner dieselbe ist, welche auch das Wassereis
nach und nach in gröfsere Fragmente zerfallen macht. We-
sentlich ist dabei der Grad der Kälte und ihr Eindringen
in das Innere. Am Wassereise sind deshalb die kleinsten
Fragmente in der Nähe der Oberfläche und bei noch nicht
starker Kälte bemerkbar; ins Innere setzen sich die Risse
weit weniger zahlreich fort, daher treten auch dort die
Kanäle mehr vereinzelt auf, die Stücke werden gröber,
wenn die erste Schicht entfernt ist. Am Gletscher ist die
gröfste Kälte au den höchsten Theilen, in der Nähe der
Firnmeere, daher dort auch das kleinkörnigste Zerfallen.
Das Eis bewegt sich zwar nach abwärts, und ein Stück,
welches wir jetzt am Gletscherende in grofse Körner zer-
fallend beobachten, hat vor einer langen Periode eben-
falls unter der Firnlinie sich befunden; allein der Tempe-
ratur dieser Höhen war es damals nicht ausgesetzt, da es
wegen des grofsen jährlichen Abschmelzens früher sich tief
unter der Oberfläche befunden haben mufste. Am Ende
1) llugi schreibt die Vergröfscrung der Körner der Absorption toq Ga-
sen aus der Atmosphäre zu. Wesen der Gletscher. S. 9.
189
jedes Winters liefse sich demnach eine stärkere Zerklüf-
tung in der Nahe der Oberfläche an jedem Theile des
Gletschers erwarten; allein diese Schicht verschwindet bald;
und was wir im Sommer beobachten, ist davon abhängig,
wie tief die Intensität der Kälte ins Innere eingedrungen,
wie dicht gedrängt die Bisse sich noch einige Meter ' ) un-
ter der Oberfläche während des Winters verbreiteten. Es
läfst sich erwarten, dafs diefs am Gletscher um so weni-
ger der Fall war, je mehr wir uns seinen tiefer gelegenen
Theilen, seinem Ende nähern; das Zerfallen in alimälig
gröfsere Körner spricht ebenfalls entschieden dafür.
In günstigen Fällen haben wir sogar einen Beweis, der
noch directer unsere Voraussetzung unterstützt. Es geschieht
nicht selten, dafs von secundären Gletschern, die nahe ei-
nem Felsenabhange sich befinden, Stücke abbrechen und
auf einen tiefer gelegenen primären Gletscher hinabfallen.
Es werden dabei die innersten, ganz compacten Eismassen
hinabgerissen; tritt diefs noch vor dem Ende des Winters
ein, in der Zeit also, in welcher dieses Stück dieselben
Einwirkungen der Kälte erfährt, wie jene Stelle des Glet-
sdiers, auf welche es fällt: so trennt es sich in Fragmente
von derselben Gröfse wie seine Unterlage, während es in
der früheren Lage in weit kleinere Stücke zerfallen wäre.
Und doch haben diese Massen in wenigen Sekunden eine
verticale Höhe zurücklegt, zu der sie als Theile eines re-
gelmäfsigen Gletschers eben so viele Decennien gebraucht
haben würden. Auch Wassereis müfste nach dieser Ansicht,
auf den Gletscher gebracht, genau in dieselben Massen zer-
fallen wie dieser. Es findet sich solches auf jedem Glet-
scher von selbst, und bietet ungemein belehrende Formen.
Wenn eine Spalte mit Wasser erfüllt ist, so setzen sich
an die Wände derselben Schichten von Wassereis an und
schliefsen sie alimälig mit einem soliden Pfropfe von Eis.
Auch dieses zerfällt in Körner, die sich einzeln von jenen
der Umgebung in nichts unterscheiden lassen; nur die ge-
1 ) Ueber die genaaen Angaben dts sommerlichen Abschmelzens des Glet-
schers siehe Gap. VII.
190
riogere Menge tod Luftblasen macht, dafa sidi eine solche
Stelle sehr deutlich durch eine mehr lichtblaue Farbe aus-
zeichnet. In Folge der schalenförmigen Ablagerung des Ei-
ses bei seinem Entstehen sind auch die Körner im Groben
ähnlich gelagert, ohne deswegen in ihren individuellen For-
men im Mindesten beeinträchtigt zu seyn. Es wird Jeder-
mann zugestehen, dafs das in diesen wassererfQllten Spalten
gebildete Eis mit dem Gletschereise nicht mehr zusammen-
hängt als jenes, welches gefrorenes Wasser in einem Gefäfse
liefert.
Schmilzt Eis in gröfseren Massen, so bleibt seine Ober-
fläche nicht glatt oder gleichförmig, sondern erleidet be-
deutende Veränderungen, die sich in zwei Gruppen brin-
gen lassen. Die eine derselben sind die muldenförmigen
Flächen an verticalen Eiswänden und an den Decken der
Höhlen, die andere die kleineren Unebenheiten des Eises.
Die ersten bemerkt mau besonder^ schön an Spalten-
wänden, und an solchen Stellen in der Nähe der Ufer, wo
Stöcke des Gletschers abbrachen und freie verticale Wände
zuröckliefsen. Auch an Spalten im Firne, und an jähen
Aufscuseiten angehäufter Schneemassen sind sie sehr deut-
lich. Sie lassen sich ihrer Form nach mit nichts besser
vergleichen als mit einer Fläche, die man an einem weichen
Körper dadurch erhält, dafs man denselben mit einem Löf-
fel durch Abtragen zu ebnen sucht, wodurch eine Reihe
concaver Einschnitte entsprechend der Conveiität des Löf-
fels zurückbleiben. In dem oberen Theile ist )ede solche
Coneavität beinahe kreisrund; nach unten wird sie flacher
und weiter, so dafs ihre seitlichen Bcgränzungen, den Aesteo
einer Hyperbel ähnlich, auseinander weichen. Am schön-
sten und regclmäfsigsten bemerken wir diese Formen im
Innern der grofscn Höhlen, welche sich am Austritt der
Gietscherbäche bisweilen finden, nur sind sie an der Dede ||
mehr kreisrund als an den Wänden. Da sie hier auch sehr Ij
glatt und spiegelnd sind, so reflectiren sich in ihnen he- 1|
leuchtende Wellen des Baches und andere helle Punkte
unzählige Male; sie geben dadurch dem Eüngange aolGherll^
191
Höhlen einen ungemeinen Reiz. Die Erklärung dieser son-
derbaren Formen ist nicht ohne Schwierigkeit; folgende
dürfte jedoch nicht ganz unwahrscheinlich seyn. Wenn an
irgend einem Punkte das Schmelzen beginnt, so läuft das
entstandene Wasser weg und schützt die Umgebung dadurch,
daCs es eine ganz feine Schicht bildet, die verdunsten mufs,
ehe auch dort das Schmelzen beginnen kann; so erhalten
wir in den regelmäfsigsten Fällen Kugelsegmente, wie an
den Decken der Höhlen; rücken sich durch fortgesetztes
Schmelzen die begränzenden Flächen dieser Kugelsegmente
immer näher, und schneiden sie sich, so bleiben spitze pj-
ramidenartige Gestalten übrig, die sich besonders an den
Decken von Schnee- und Firuhöhlen finden.
An verticalen Wänden, wo das entstandene Schmelz-
wasser nicht nach allen Seiten gleichmäfsig abläuft, sondern
vorzüglich nach unten, sind auch dort die gröfsten Vor-
sprünge, was statt der regelmäfsigen Kreisformen der Dek-
ken die erwähnten eliptischen Eindrücke zurückläfst. Die
erste Ursache davon, dafs das Abschmelzen nicht überall
gleichmäfsig eintritt, mag wohl mit der vorausgehenden Risse-
und Körnerbildung zusammenhängen.
Diese löffeiförmigen Erosionsflächen sind nicht auf die
Gletscher und den Schnee der Alpen allein beschränkt; sie
sind auch bei Expeditionen in höhere Breiten regelmäfsig
erwähnt, und machen sich an groben Anhäufungen von
Scbneemassen fast überall bemerkbar.
Kann das Schmelzwasser sich sammeln, bildet es nicht
eine dünne bald verdunstende Schicht, so trägt es nicht
zur Erhaltung, sondern zur Zerstörung des Eises bei, in-
dem es sich bei directer Besonnung etwas Über 0^ erwärmt.
Es erweitert dann die Kanäle bedeutend und bildet be-
sonders da, wo jene häufig sind, in den blauen Bändern,
kleine Thäler von der mannigfaltigsten Verzweigung bis zu
2 Centimeter Tiefe. Ein Beispiel dafür ist No. 12 der
Tafel I.
Es dürfte nicht uninteressant seyn, bei dieser Gelegen-
heit noch einmal auf die Erscheinungen am Wasaereise zu-
192
rückzukoinmeiiy and die UnebenheUen za betraditen, weldie
auch dieses bei längerem Schmelzen anuimnikt« Wir batten
bei uDsercu Beobachtungen an den KanSlen in Nymphen-
burg und bei jenen am See im englischen Garten bei MQn*
eben den Yortheil, zwei Gruppen zu betrachten, die anter
etwas verschiedenen Umständen sich befanden; am ersteren
Orte lag das Eis auf Wasser, am zweiten auf festem Bo-
den. Bei beiden zeigten sich schon sehr bald bedeutende
Unebenheiten, welche an vielen Stellen jene des Gletschers
tibertrafen: deswegen wohl, weil hier das Schmelzwasser
wegen der grofsen Horizontali (fit nicht wie am Gletscher
wenigstens theilweise zu Bächen sich vereinigte und so ab-
flofs, sondern nur durch die entstandenen verticalen Kanäle
einen sehr beschränkten Ausweg fand. Wo das Wasser
sogleich entfernt würde, dürften sich demnach keine solchen
Vertiefungen bilden; diefs ist in der That der Fall an der
porösen Oberfläche des Schnees, in welchem dasselbe rasch
nach seiner Entstehung versinkt. Wo Wasser unter dem
Eise war, blieb die Unterfläche stets glatt, und die Kanäle
bildeten hier ganz deutliche Kömergränzen, sehr Shnlidh
jenen No. 5. Taf. I. Ganz dasselbe zeigt die UnterAäche
jeuer grofsen Eisblöcke, welche in manchen GUtscherseen
umherschwimmen. Einen sehr schönen Abdruck davon ep
hielten wir Ton einem Blocke des Sees im grünen Thor
(Pasterzengletscher), welcher in No. 11 Taf. I. wiederge-
geben ist und zugleich als besonders deutliche Entwicke-
lung der Kömergränzen unsere Berücksichtigung verdienle.
Die erhabensten Stellen am Eise von Njmphenburg halten
noch am 2. März 15 — 16 Centimeter, die dünnsten 5—6
Centimetcr; es blieb demnach den ersteren eine relative
Höhe von 10 Centimeter: später schmolzen die dickeren
auf 4 — 5 Centimeter ab, während die dünneren Parthien
kaum 1 Millimeter betrugen, und zuletzt waren es einzelne
Fragmente, welche im Wasser lose herumschwammen').
Anf
1 ) Im Winter 1850 beobachtete ich auch an den Kanälen dct Thioipr-
ten« bei Berlin die Bildung d«r Bisse sehr deutlich.
193
Aaf frockner Unterlage waren ebenfalls bedeutende Un-
ebenheiten der Oberfläche bemerkbar, aber auch die untere
Seite war hier nicht glatt, sondern höckerig und trug da-
durch bei, dafs dieses Eis weit schneller als das erstcre
in Gruppen von isolirten Fragmenten zerfiel, die bisweilen
10 bis 12 Cubikcentimeter Masse hatten.
VertheiluDg der KaDftle im loDern.
Die bisher betrachteten Erscheinungen sind am Glet-
scher vorzugsweise über die Oberfläche verbreitet. Die
deutliche Körnerbildung erstreckt sich zwar auch etwas in
die Tiefe; jedoch dürften drei Meter in verticaler Entfer-
nung von jeder der Atmosphäre ausgesetzten Oberfläche
wohl als Maximum gelten; eine Gröfse, welche gegenüber
der ganzen Gletschermasse doch eine unbedeutende ist.
Ich mufs hier eine Unterscheidung in der Bezeichnung
des Gletschereises einführen, die ich erst später bei der
Behandlung der Ogiven ausführlicher entwickeln kann ^).
Man unterscheidet bekanntlich ein luftblasenreiches Eis,
welches in Folge der Reflection des Lichtes an den ein-
geschlossenen Blasen weifs erscheint, und ein blaues ^ in
welchem die Blasen grofsen Theils durch wassererfüllte
Kanäle ersetzt sind; dadurch erhält das Eis eine gleichmä-
(sige lichtblaue Farbe. Diese Parthien sind schmäler und
durchziehen in gewissen Lagen das weifse Eis, sie werden
die „blauen Bänder'' genannt. Nur diese letzteren verbrei-
ten das körnige Gefüge bis tiefer in das Innere; im weifsen
Elise sind e$ aber nur einzelne unregelmäfsig zerstreute Haar-
spalten und Kanäle, welche tief in die compacte Gletscher-
masse eindringen, ja ich fand die letzteren selbst an der
Decke von Gletscherhöhlen, wobei sie sicher von der Ober-
fläche kamen, obgleich sie eine Eismasse von 60 bis 80
Meter durchsetzen raufsteu.
Der Umstand, der mich zu dieser Annahme berechtigte,
war folgender. Unmittelbar über einer Höhle ^) lag die
1 ) Cap. IV. p. 83 1. c.
2) Aid Marcellgletscher.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 13
194
Mittelmoräney welche aafser den schönen grOfseren Blöcken
auch sehr viel Schwamm und Sand enthielt Da die Ka-
näle von oben mit Schmelzwasser sich erffiUten, so mofste
mit diesem auch solcher Schlamm eintreten, und es war
zu erwarten, dafs er an der Decke der Höhle sich bemerk-
bar machte, wenn die Kanäle wirklich von da bis an die
Oberfläche reichten. Diefs war in der That hier an sehr
vielen Stellen der Fall; und directe Versuche durch künst-
liche Infiltrationen bestätigten, dafs diese Theilcfaen wirklich
Ton der Oberfläche herabgekommen waren.
Die beste Art, von den Kanälen des Gletschers sich zu
überzeugen, sind die Infiltrationsversuche mit gefärbten Flüs-
sigkeiten, welche Agassiz bereits im Anfange seiner Un-
tersuchungen mit so vielem Erfolge angewandt hatte. Un-
ter mehreren Medien, die wir versuchten, fanden wir eine
concentrirte Auflösung von saurem chromsauren Kali am
vortheilhaftesten, deren sich auch Agassiz' bediente. Lack-
mus, Curcuma, Campechenholz sind entweder weit weniger
intensiv gefärbt, oder sie dringen nicht mit derselben Leich-
tigkeit ein. Das saure chromsaure Kali behält noch bei
ungemeiner Verdünnung eine deutliche Weinfarbe; setzt
man etwas basisch essigsaures Bleioxyd zu, so erhält man
eine noch intensivere gelbe Farbe; die suspendirten Theile
des gefällten Bleisalzcs sind nicht so grofs, dafs sie die
Kanäle verstopften.
Die Versuche wurden auf mehreren Gletschern theils
im Oetzthale, theils auf der Pasterze in Kärnlhen angestellt
Die gemeinschaftlichen Resjiiltate waren folgende: Wurde
die Vertiefung zur Aufnahme der Infiltrationsflüssigkeit, zwei
Maafs concentrirter Lösung enthaltend, in ein blaues brei-
tes Band gemacht, so entleerte sie sich ungemein rasch, und
liefs sich an den Wänden der Spalten sehr deutlich bis
zu 8 und 10 Meter Tiefe verfolgen, obwohl ich die Infil-
trationsgrube stets mehrere Meter vom Bande der Spalten
entfernte. Suchte ich eine Stelle blauen Eises, welche et-
was erhaben war, so verbreitete sich die Infiltration aud
sehr rasch über die Oberfläche; und hier beinahe gleidi
195
stark in weifsein und blauem Eise; ich fand bei einem be-
sonders glücklichen Falle die madreporenartigen verticalen
Vertiefungen des Eises, welche von eingesunkenen Stein-
eben u. dgl. herrühren, bei einer horizontalen Entfernung
▼on 40 Meter deutlich von der Infiltrationsmasse geförbt
and erhielt, als ich zur Controle etwas essigsaures Blei
hinein brachte, augenblicklich den charakteristischen Nie-
derschlag.
Im weifsen Eise ist die Infiltration anfangs eben so
stark als im blauen, aber in der Tiefe nimmt sie ab, sobald
sie die Region des deutlichen Körnergefüges verlassen hat.
Auch in den wassererfüllten Stellen des Gletschers (Baig
noirs) findet eine Infiltration statt, obgleich ihre Wände
nicht von Gletscher- sondern von neu entstandenem Was-
sereise bekleidet sind. Dafs sie die enthaltenen Flüssigkei-
ten nicht ganz wasserdicht von der Umgebung abschliefsen,
sieht man auch daraus, dafs diese so wie die kleinen ma-
dreporenartigen Löcher des Morgens oft wasserleer sind.
Man könnte diefs theilweise der Verdunstung zuschreiben,
allein ich sähe Fälle, in welchen diese nicht von Einflufs
seyn konnte; es bildeten sich in mehreren kalten Nächten
während unseres Aufenthaltes auf der Pasterze über diesen
Wasserbehälter kleine Eisplatten, welche bis zum nächsten
Morgen sehr wohl erhalten blieben: unter ihnen abej war
keine Spur von Wasser zu finden. Hätten wir nicht die
Stelle von früheren Besuchen her wohl gekannt, und ge-
wufst, dafs das Wasser erst nach der Bildung der Eüsplatte
durch Infiltration verschwunden war, so wäre uns das Ent-
stehen dieser Decken über wasserleeren Vertiefungen sehr
überraschend gewesen. Dieser Umstand machte uns auf-
merksam, die Wasserstände an mehreren Orten des Abends
durch eingesteckte eiserne Stifte zu bezeichnen, und wir
fanden sie in der That des Morgens gewöhnlich etwas tie-
fer (2 bis 3 Centimeter), während sie nach 10 Uhr von
dem Schmelzwasser wieder gefüllt waren. An kalten Herbst-
tagen, wenn das Schmelzwasser von Tag zu Tage spärlicher
wird, bemerkt man an diesen Stellen die Infiltration be-
13»
196
sonders schön. Es bilden sich mehrere parallele Krusten
von Eis, die von der Oberfläche beginnend in Abständen
von 2 bis 3 Centimetern nach unten sich folgen. Es sind
diefs die Reste jener Eisdecken, die sich in den vorausge-
gangenen Nächten auf ^er Oberfläche bildeten, und nun
eine gleichzeitige Uebersicht der früheren Wasserhöhen ge-
währen.
Au den Wänden der Spalten bemerkt man noch ein
anderes Phänomen, welches die allgemeine Senkung des
Wassers während der Nacht anzeigt. Des Morgens ist an
der Oberfläche nur selten verschiedenfarbiges Eis zu se-
Fig. 4. hen; andenSpaiteu-
wänden ist zwar die
Streif ung von unten
nach aufwärts so
deutlich wie später
am Tage ; allein
Nadilliclies Verschwinden d. blauen Bander. a b N ^eni^e Fufs UUtCr
Umrifs der Gletscbcrobcrfläche ; N Niveau des - ^-^t /,.. ,
Wassers; w wciTses Eis; das dunkel Gezeichnete der UberUaCbe VCT-
sind blaue Baader; horizontale Lange vier Meter, schwindet sie, ob*
wohl ZU anderer Zeit die Bänder so deutlich bis an den
Rand der Spalten herauf reichen, und noch über die Ober-
fläche des Gletschers fortlaufen.
Dieses Verschwinden rührt daher, dafs die oberen Theile
des Eises, auch des blauen, wasserleer sind; die Kanäle
des letzteren sind mit Luft gefüllt, daher erscheinen beide
Arten gleichförmig weifs; bis zum Rande des Wassers, von
unten nach aufwärts, sind Farbe und Structur so verschie-
den wie gewöhnlich. Dieser Fall spricht zugleich sehr deut-
lich dafür, dafs die Zwischenräume in den blauen Bändern
durch Infiltration von oben gefüllt werden.
Eine gröfsere Reihe von Infiltrationsversuchen, die mir
besonders erlaubte, in verticaler Richtung von der Tiefe
der Infiltration mich zu überzeugen, machte ich am Ver-
nagt im Oetzthale.
Die Stelle befand sich in einem der zerklüftetsten Theile
197
des Vernagt, in der NShe der Alpenweiden auf ,,PIattei'^
Dnrch ein Gewirre von Spalten und Eisnadeln war dieser
' Punkt etwas unbequem zu besuchen; dafür bot er aber
den Vortheil, dafs man im Stande war, mit geringer Nach-
hülfe eine sehr passende Höhle herzustellen. Man trat auf
einigen ciugehauencn Stufen in die Spalte hinauf, die von
Natur ziemlich enge durch Hinab werfen von Schnee und
Eis in einer Tiefe von 3 Metern sich so fest schlofs, dafs
man mit Vorsicht sich darauf stellen konnte; zur gröfseren
Sicherheit band ich mich an ein Seil, dessen anderes Ende
um einen Pfahl aufser der Höhle geschlungen war. Die
Stellen der Infiltrationsflüssigkeit waren so gewählt, dafs
- eine verticale Linie von dort gerade der tiefsten Stelle der
Eiswand, die nach Innen concav war, sich näherte. Ich
machte drei Vertiefungen zur Aufnahme der Infiltrations-
flüssigkeit. Eine in einem breiten blauen Bande, die zweite
in reinem weifsen Eise und eine dritte da, wo schmale
weifse und blaue Bänder mit einander wechselten. Schon
10 Minuten nach dem Einfüllen war die Flüssigkeit aus
dem blauen Eise an den untersten Stellen, 3 Meter verti-
cal unter dem Infiltrationspunkte, sichtbar; die Grube war
dabei leer geworden. Bald begann auch an der dritten
Stelle die Färbung sich zu zeigen ; aber vorzugsweise nach
dem Verlaufe der blauen dünnen Bänder. Auch am wei-
fsen Eise wurde die Flüssigkeit bemerkbar, aber erst eine
Viertelstunde später; sie war hier nicht gleichmäfsig ver-
theilt, sondern blieb in mehreren gröfseren Gängen ver-
eint. Nach einiger Zeit wurden die Infiltrationslöcher sorg-
faltig gereinigt und ausgetrocknet, dann liefs ich an die-
ser Stelle einen bedeutenden Theil des Eises abtragen.
Hier zeigte sich der Einflufs der Eismassen von verschie-
dener Structnr auf die Infiltration besonders deutlich. Im
blauen Eise war dieselbe, so weit ich eutblöfsen konnte,
überall ganz gleichmäfsig verbreitet. Im weifsen aber hörte
sie in dieser Form bei 2 Meter Tiefe fast in einer hori-
zontalen Ebene auf; von hier abwärts waren nur feine
198
and sdir sdiwadie KOrnergrinzcB za cntdedLcn ' ). Die
Infiltration erstreckte sidi nodi etwas tiefer, allein unglödi
▼ertheilty und hielt sich an einzelne grOGsere Gänge, wie
wir es schon vor dem Abhauen da* Decke ans den Er-
scheinungen an den Wänden der Höhle Termatheten. Ich
machte hier, um mir ein noch deutlicheres Bild dieser
Yerhiltnisse zu geben, im reinen weiCsen Eise neae Lö-
dier, die ich mit chromsaurem Kali f&llte, wählte aber
die Lage derselben so, dafs mandie ein oder zwei Kanäle
einsdilossen, andere im ganz compacten Eise blieben. Ich
gofis die Flüssigkeit des Abends ein, des anderen Mor-
gens waren drei Behälter, ¥on denen ich es bereits erwar-
tete, und ein anderer leer geworden; im letzteren ent-
deckte idi jetzt, durch die Farbe des Kalisalzes unter-
stQtzt, leicht die Ausflufsstellen, die idi Tags vorher nicht
bemerkte. Die beiden anderen Gruben, die im ganz com-
pacten weiCsen Eise gemacht waren, hatten aber ihr Ni-
veau vom vorigen Abend kaum um 2 Centimeter geändert.
An den Stellen, wo weiCs und blau abweciiselt«i, war
der Effect der lofiltration ein ungleichartiger. Im blauen
Eise war auch hier ihr Ende durch Abtragen nicht zu ent-
decken ; im weifsen dagegen hatte sie eine bestimmte Gränzei
nur um einige Decimeter tiefer als in der Grube No. %
Elinzelne Gänge und Kanäle f&hrten auch von hier in die
Tiefe fort
An der Pasterze hatte ich Gelegenheit Infiltrationsver-
suche 1) nahe der Fimlinie, 2) in der Mitte des Gletschers
und 3) unmittelbar an seinem Ende zu machen. Blaue Bän-
der waren überall gleich stark infiltrirt; allein im gewöhn-
lichen Elise bot die Vergleichung der einzelnen Punkte das
interessante Resultat, dafs 1 und 2 in Beziehung auf die
Tiefe der Infiltration nur wenig abwichen; 3 hingegen zeigte
nur sehr geringe Infiltration.
Die Schlüsse, welche wir daraus auf die Vertheiluog
der Risse und Kanäle machen dürfen, sind folgende. Die
1) Ucbcr die feinen Spallen in gröfseren Tiefen und ilu« EaUtdinng
siebe S. 212.
199
blauen BSnder fQhren die Flüssigkeiten tiberall in Tiefen,
die wir nicht mehr verfolgen können; im gewöhnlichen wei*
fsen Eise aber erstreckt sich die gleichmäfsige Dnrchträn-
kung der Massen nur 2 bis 3 Meter nach abwärts, dann
hören die zahlreichen Gruppen der Spalten fast in einer
Ebene auf; nur einsclue Kanäle, auch kleinere Risse setzen
sich in bedeutende Tiefen fort. Charakteristisch ist, dafs.
jene Ebene, in welcher die reichliche Infiltration aufhört,
am Anfange des Gletschers tiefer liegt als am Ausgange.
Ich glaube darin eine Unterstützung meiner Ansicht über
die Entstehung der Risse zu sehen, iodem gerade dort die-
selben am tiefsten sich erstreckten, wo wegen der höheren
Lage die gröfste nächtliche Kälte auf Tagestemperaturen
über t)^ zu folgen vermag. Die Gröfse der Differenz zwi-
schen dem Maximum und Minimum mag allerdings für den
Anfang und das Ende des Gletschers sich nur wenig un-
terscheiden; allein sie wird im ersteren Falle durch ein
geringes Plus und ein grofses Minus, im zweiten durch ein
grofses Plus und ein geringes Minus hervorgebracht; die
Wirkungen müssen dabei nothwendig verschieden sejn, da
alle Temperatur über 0^ das Eis nicht zu erwärmen, nur
zu schmelzen vermag, während die Temperaturerniedrigung
unter 0^ sehr bedeutend auf die Gröfse der Zerklüftung
einwirkt.
Ich weifs wohl, das die absolute Vergleichbarkeit hö-
herer und tieferer Punkte in Beziehung auf die verticale
Ausbreitung dieser Risse nicht zu beanspruchen ist; auch
das ungleiche Abschmelzen ist darauf von Einflufs, indem
es an den unteren Parthien von dem körnigen mit Ka-
nälen durchzogenem Eise mehr zerstört, als an den höher
gelegenen; allein diese Differenz ist ') nicht grofs genug,
die Unterschiede vollkommen zu erklären. Jedenfalls ist
aber am Ende des Winters die zerspaltene Schicht au der-
selben Stelle tiefer, als aoi Ende des Sommers.
1) Nach unseren Versuchen über die Abtragung des Eises.
200
LaftbUsea.
Die Menge der Laftblasen, weldie im Gletadier einge-
schlossen ist, wird für denselben nicbt nur dmdi ihre Be-
theiligong an der Bildung der KOmergrinzen und der Ka-
näle im Inneren des Eises wichtig; sie hat auch auf den
Umrib seiner Oberfläche im Kleinen «nen bedeutenden
EinfloCs. Am besten können wir dieis ans dem Vergleich
Ton No. 12 und 13 Taf. I. entnehmen. In dem ersten Stöcke^
welches die Oberfläche des blauen Elises wiedergiebt, sind
die Vertiefungen durch ungleiche Schmelzung so grob, dafs
die Figur dem Relief einer Gebirgsgegend nicht unähnlich
wird. Die tiefsten Stellen bezeidinen uns immer die Um-
risse der Körner. Punkte, an welchen kurz TOiber Luft-
blasen waren, bemerken wir auch hier als kreisrunde Ver-
tiefungen; allein sie sind TerhältniCsmäCsig sparsam vertheilt.
Ganz entgegengesetzt verhalten sich die Formen des wei-
fsen Eises in Ko. 13 Taf. L Die Körnergränzen lassen sich
durch tiefere aber enge Spalten auch hier erkennen, jedoch
die grofsen Verschiedenheiten im Relief sind hier nicht zu
bemerken; die Spuren der Luftblasen hingegen sehen wir
ausserordentlich deutlich und zahlreich. Wir zählen auf
einem Quadratcentimeter weiCsen Elises nicht selten 17 bis 18
solcher Vertiefungen. Durch theilweise Reflexion der
Wärmestrahlen an der Oberfläche der Luftblasen, und
durch die Erwärmung der Luft im Eise wird auch das
schnellere Schmelzen des weifsen Eises gegenüber dem
blauen hervorgebracht; ja die Luftblasen tragen nicht sel-
ten noch unmittelbar dazu bei. Sie bewirken durch die
Ausdehnung der Luft, dafs das Eis, noch ehe es bis an
die Blase herabgeschmolzen, berstet, und nun in ganz klei-
neu Fragmenten über die Oberfläche zerstreut wird. Das
dadurch hervorgebrachte leise Knistern ist an schönen war-
men Tagen ungemein deutlich; bei einiger Aufmerksamkeit
hält es nicht schwer, sich unmittelbar von dem Vorgänge
zu überzeugen und die Fragmente der gesprengten dünnen
Eishüllen zu entdecken.
201
Das ErVrSmieD der Laft innerhalb des Eises zeigt eidi
noch in einer anderen Fonn. An den hervorragenden Thei-
len des Gletschers bemerkt man oft Bläschen, die wie
jenes in Fig. 6. nach nntea von einem Hofe von Wasser
F'ig- &• umgeben sind, von dessen Fltls-
sigkett man sich durch OefCnen
der Hohle leicht überzeugen
kann. Mandtmal ist eine solche
Luftblase nach allen Seiten von
Wasser umgeben, gewöhnlich
,,, nur nach unten '),
Luflblascn im Eiie von SüssiEem ^v tat ■ i j j l •
■WajKr umgeben ; die pirallcten *^^^ W^aSSer ISt dadurch ent-
ScHche =Eiji die gelreuitcn= standen, dafs die Luft WSrme-
Luriblasea; das hell Gclaaieiie= ,1.1 l l- > 1 l J
Waiser. Strahlen absorbirte, welcite das
Eis als dialbermaner Körper durchlicfs; an ein Eindringen
des Wassers durch Spalten, etwa Haarspalten, war in al-
len Fällen, welche ich sah, nie zu denken; auch wäre )a
bei einer solchen Oeffuung immer die Luft ausgetreten,
ehe das Wasser Platz finden konnte. Die schöne Ent-
wickelung dieser Formen ist um so überraschender, wenn
wir bedenken, dafs das Eis zu jenen Körpern gehört,
welche nur sehr wenig diatherman sind. Melloni hat ge-
funden, dafs Eis bei 2,6 Millimeter Dicke von 100 Sirah-
len der Locatellischen Lampe. nur 6 durchläfst, während
Steinsalz 92, Spiegelglas 39, krjstallisirter Gyps 14 Strah-
len durchliefficn ' ).
Die Masse der Luft zu bestimmen, welche in einem
gegebenen Volumen Eis enthalten ist, macht einige Schwie-
rigkeit, da sie beim Schmelzen zum grofsen Theile von
Wasser absorbirt wird. Ich mufste mich daher begnügen
durch Eindrücken in eine etwas erwärmte Metallform dem
Stücke ein bestimmtes Volumen zu geben und dann sein
absolutes Gewicht, zu bestimmen; ich suchte dabei ein
Slfick, welches möglichst frei von Haarspalten war. Die
WSgung wurde auf einem Aräometer ans Glas vorgcuoui-
1) Dieselben Fonacn: \gassii Sjstime p. 168.
2) Müller-Pouiliei Pfajiib 11. 424.
202
meDy welches 1 Milligramm mit Sidcriieit anzeigte , ond
24 bis 30 Grammen tragen konnte; eine groCse Bequem-
lichkeit war esy da(s sein Hals in Längentbeile getheilt war,
welche genau die Veränderungen der Belastungen um +
oder — 1 Milligramm durch ihr Einsinken oder Steigen
angaben.
Berechnen wir daraus das Gewicht eines Cubikmeicrs
▼on dem blasigsten Eise, so finden wir:
Wägung o. 867,1 Kilogramm
6. 829,1
c 891,2
Mittel 862,4 Kilogramm.
Die Diditigkeit des reinem Eises ist, nach den schöneo
Untersuchungen von Brunner dem Sohne, folgende:
Tcmp. C
Diclite.
Tcmp. C
Dickte.
Tcmp. C. •
Didüe.
0
0,91800
— 7
0,91879
— 14
0,91957
— 1
0.91812
— 8
0,91890
— 15
0,91968
— 2
0,91823
— 9
0,91901
-16
0,91980
— 3
0.9ia34
-10
0,91912
— 17
0^1991
— 4
0,91845
— 11
0,91924
-18
0,92002
— 5
0,91856
— 12
0,91935
-19
0,92013
— 6
0,91868
— 13
0,91946
— 20
0,92125
Wir erhalten demnadi für die Masse des Eises in den ge-
wogenen 27 Cubikcentimet^m, dem Inhalte jener Metall-
form, da in 100 Tbeilen Volumen: Eis 939, Luft 61, ein
spec. Gew. =0,862.
Bei blauem Eise konnte idi durdi Wägung zweierlei
erfahren: 1) den Raum, den die Haarspalten, Kömergrän-
zen und Kanäle einnahmen, 2) das spec Gew. des mög-
lichst blasenfreien Gletschereises. FQr den ersten Versuch
wurde ein Stück von 27 Cubikcentimeteru, an dem alle
Kanäle mit Wasser gefällt waren, gewogen, dann durch
Aussaugen schnell entleert und wieder gewogen. Der Ver«
lust im Mittel mehrerer Versuche ergab ihren Baum in
1000 Theilen Eis zu 70 bis 90. Wenn auch bei dem Aos-
saugen und während der kleinen Pause zwischen der er-
sten und zweiten Wägung einiger Verlust durch Schmel-
203
zen des Eises herbei geföhrt wurde, so wird, dieser Fehler
hier um so weniger zu berücksichtigen sejn, da die Räume
der Kanäle ohnehin keine consfante Gröfse sind und in
zwei dicht neben einander liegenden Stficken sehr merklich
differiren können.
Wollte ich Stücke von blauem Eise wägen, welche frei
von Kanälen waren, und möglichst wenig Luftblasen ent-
hielten, so war ich gezwungen die Stücke weit kleiner zu
machen. Ich wog 4 Cubikcentimeter und fand ihr Gewicht. •
1 Versuch 3,69
2 - 3,63
3 - 3,66
Mittel 3,66 Grm.
Für 1 Cubikcentimeter erhält man daraus
0,915 Grm.
und ein specifisches Gewicht von
0,915 Grm.
was von jenem des reinen Eises nur wenig abweicht.
Läfst man weifses blasenfreies Eis langsam thauen, so
wird nicht alle darin enthaltene Luft absorbirt; diese Er-
scheinung gewinnt dadurch an Interesse, dafs die absorbirte
Luft auch eine andere Zusammensetzung zeigt, als die aus-
tretende.
Um die absorbirte Luft vom Wasser zu trennen, wurde
das letztere unter den bekannten nöthigen Vorsichtsmafs-
regcln ausgekocht, und die austretenden Gasarten unter
einer warmen Salzlösung aufgefangen. Die calibrirte Röhre,
in welche die Luft eintrat, tauchte ich am Schlüsse der
Operation so lange unter die Sperrflüssigkeit, bis ich die
Temperatur der letzteren jener der eingeschlossenen Luft
gleichsetzen durfte. Der Barometerstand, der jedesmal ab-
gelesen wurde, betrug zwischen 600 und 570 Millimeter,
da alle folgenden Versuche theils am Gletscher selbst, theils
in Vent (5800 P. F.) angestellt wurden. Das gefundene
Gasvolumen wurde auf 0^ C. und 760 M. M. Baiometersland
reducirt.
204
Die so erhaltenen Mengen waren:
BezeicImuDg des Wassers.
No.
•
Ort.
1
Pasterze
2
Pasterze
3
Alte Lawine b. d.
Johannishütte.
4
Vernagt
5
Vernagt
6
Dorf Vent ^
7
Dorf Vent
8
Dorf Vent
9
Johannishütte
Aus weifsem Gletschereise
Aus blauem Gletschereise
Aus dem Firne
Luft iu
lOOOTheil.
Wasser.
47,10
ao,48
23,60
45,68
28,56
34,24
25,68
13,12
13,79
Aus 'wcifsera Gletschereise
Aus blauem Eise
Aus frisch gefallenem Schnee
Kleiner Badi von Stablein kommend
Oetzwasser
Wasser der Quelle
Anmcrk. No. 1^3 und 9 waren 1848 in Kamthen, wahrend meines
Aufenthaltes auf <der Pasterze, angestellt. No. 4—8 wurden 1847
im Octzthale ausgeführt.
Das Wasser aus weifsem Eise ist nach diesen Yersu-
chen vollkomnien gesättigt, da im Mittel 46 Theile Luft
auf 1000 Wasser als Maximum angenommen werden ');
aber selbst das blaue Eis lieferte noch luftreicheres Was-
ser als die gewöhnlichen Quellen und Bäche.
Zur chemischen Analyse der Gase bedienten wir uns
des Eudiometers von Gaj-Lussac ^), dem Fresenius
eine so bequeme Form gegeben hat ^ ). Ein Cylinder von
1 Fufs Höhe und 3 — 4 Zoll Weite, der nämliche in dem
auch das Aräometer aufgestellt werden konnte, wurde mit
verdünnter Salzsäure gefüllt; in demselben befand sich die
graduirte engere Röhre, welche die zu analysirende Luft
und einen Kupferstreifen einschliefst, um den zur Vermeh-
rung der Oberfläche und zum besseren Hinaufleiten der
Salzsäure mit einem Bindfaden Kupferdrehspäne gebunden
sind. Die drei Spitzen, an seinem unteren Ende sind fe-
dernde Streifen, welche den graduirten Cylinder in der
weiteren Röhre festhalten^).
1 ) Nach D al t o n s Versuchen. Manchester Memoirs 2 Ser, 1 , 284 ; 5, 1 1.
AnnaU of Phil. 7,215.
2) Ann. de Chim. et de Phjs. 62, 219.
3) Anleitung zur quantilaüvcn Analyse S. 435.
4) Ueber die Zuverlässigkeit so wie die weitere Behandlung siehe die aus-
fuhrliche Darstellung bei Fresenius a. a. O.
205
Die Absorption des Sauerstoffs ist nach drei Standen
sicher vollendet. Die Correction wegen des Luftdruckes
ist hier selten nöthig, da sich innerhalb der kurzen Zeit
der Barometerstand nur wenig ändert. Die Temperatur
der Sperrflüssigkeit wurde stets berücksichtigt und nach ihr
das wahre Volumen der enthaltenen Gase berechnet.
Ich machte mit diesem Apparate die Analyse von zwei
verschiedenen Luftarten ; die erste war vom Wasser absor-
birt und wurde durch Kochen ausgetrieben, die zweite war
jene Luft, die bei langsamem Thauen des Eises nicht ab-
sorbirt wird^ sondern in Bläschen aus dem Schmelzwasser
aufsteigt.
Analysirte Luft.
Volumen.
Sauerstolf. Stickstoff.
Gewicht,
SauerstofT. StickstofT.
Im Wasser absorb. Lnft
ISidit absorbirte Luft
29,0 Proc.
16,4 -
71,0 Proc.
83,6 -
31,7 Proc.
18,3 -
68,3 Proc.
81,7 -
696,04 Cb -Ct. Sauerstoff= 792,23 Cb- Ct. Stickstoff = 1 Grm. (Mar-
chand Chem. Taf. S. 10.)
Das Wasser auch des Gletschers absorbirte demnach
weit mehr Sauerstoff als Stickstoff. Alexander von
Humboldt und Gay-Lussac erhielten aus destillirtem
Wasser, welches mit Luft gesättigt war, 32,8 Proc. Sauer-
stoff, aus Schneewasser 28,7 *■ ).
Die nicht absorbirte Luft konnte ich mir am Gletscher
selbst leicht verschaffen. Es entwickeln sich an vielen was-
sererfüllten Theilen kleine Luftblasen, eben jene, die beim
Schmelzen nicht mehr absorbirt werden. Diese sind es,
die unter einer Glasglocke aufgefangen den Gegenstand der
zweiten Analyse bildeten. Bischof, der unter ganz ähn-
lichen Umständen die Luft analysirte, die sich aus den
„Eislöchern des Gletschers" (Baignoirs) entwickelte, fand
ebenfalls sehr wenig Sauerstoff (10,22 Proc.) O-
Es fragt sich nun, welche Zusammensetzung die im Eise
1) Journal de Phys, 60, 129 Gilbert 20, 147.
2) Schwcigg. 37, 266. Sehnliche Resultate aus Schnecluft erhielt Bous-
slngault in Gay-Lussac*s Ann, de Chim» 76, 354.
206
eingesdilossene Laft selbst hatte. Nelmen wir aus den
beideo Analysen das Mittel, so erhalten wir
31,7+18^ _25 proc. Gewicht
Saaerstoff, wahrend doch die Atmosphäre nur 23,07 ent-
hält; schon die eingeschlossene Laft scheint demnach etwas
an Sauerstoff reicher gewesen seyn. Dieses Resoltati ge-
winnt eine Bestätigung, wenn wir die Umstände betraditeo,
unter welchen sich die Luftblasen im Eise bildeten. Sie
entstanden zum Theile aus jener Luft, welche die Zwi-
schenräume der Fimkörner ausfüllte; diese war gewils Ton
atmosphärischer Luft nicht verschieden. Ein zweitem aller-
dings kleinerer Theil derselben trat aber bei dem Gefrieren
jenes Wassers aus, welches den Firn durchtränkt und bei
dem Uebergange in den festen Zustand die einzelnen Kör-
ner zu einem compacten Ganzen, zum eigentlichen Glet-
schereise vereint. Die letztere Luft, ursprünglich vom Was-
ser absorbirt, war etwas sauerstoffreicher; so dafs audi
auf diese Weise der kleine Ueberschufs von Sauerstoff
(von 2 Proc.) erklärt ist. Allein diese Betrachtung nOthigt
uns zugleich anzunehmen, dafs nicht in jedem einzelnen
Bläschen solche Luft eingeschlossen ist, die mehr Sauerstoff
enthält als die Atmosphäre, sondern daCs einzelne nur mit
Atmosphäre, andere dafür mit einem um eo gröfsereu Ge-
halt von Sauerstoff gefüllt sind. Da beim Schmelzen des
Eises einige Bläschen wegen bereits erfolgter Sättigung des
Wassers oder wegen zu schneller Bewegung fast gar nichts
durch Absorption verlieren, so läfst sich erwarten , was
auch durch die Experimente sich bestätigte, dafs die aus-
tretende Luft weit weniger eine constaute Zusammensetzung
zeigt als die absorbirte.
Farbe des Eises.
Unter den physikalischen Eigenschaften des Eises ver-
dient auch die Bestimmung seiner Farbe unsere . Au&nerk-
samkeit. Wenn auch die Luftblasen in gröfserer Menge
207
dasselbe weifs erscheinen lassen^), so bleibt doch der ei-
genthümlichen lichtblauen Farbe desselben noch Einflufs
genug, im Grofsen sich bemerkbar zu machen. Ganz be-
sonders deutlich sind solche Farben in den Spalten des
Eises sowohl als des Firnes zu beobachten. Unabhängig
▼on dem Zustande der Bewölkung, frei also von dem Ein-
flüsse reflectirten blauen Lichtes, zeigen« solche Vertiefun-
gen eine blaue oder blaugrüne Farbe von solchem Glänze
und so grofser Schönheit, wie wir sie nur an besonders
günstigen Tagen am Firmamente oder an der Oberfläche
grofser Wassermassen wiederfinden.
Ich bestimmte dieselben dadurch, dafs ich sie mit
einem rotirenden Kreisel verglich, auf welchen Papiere
von verschieden Farben gebracht werden konnten. Eine
ausführliche Beschreibung dieses Cjanometers wird später
bei den Untersuchungen über die Farbe des Firmamentes
mitgetheilt werden. Die Werthe der folgenden Tabelle sind
die procentischen Antheile jeder einzelnen Farbe. ( TF=
Kremserweifs , C=Kobaltblau, 6r=gebrannter Ocker). 5.
8. 9. sind Farben der Oberfläche, die andern beziehen sich
alle auf Spalten und Vertiefungen.
No.
Ort d. Beobachtung.
Gegenstand.
Procente.
J.
Lelterglelsch«r
Schneelöcher von 5 Gent.
Weile u. 1 Meter Tiefe
7« W. 21 C. 0,6 G.
2.
Similaan
Schmale Spalten im Firn-
76 W. 23 C. 0,8 G.
3.
Niederjoch
meere.
Schneelöcher im Firnmeere
72W.27C.1,0G.
4.
Fimroeer d. Pasterze
Blaues Licht d. Firnhöhlen
77 W. 22 C. 1,0 G.
5.
Küppeler Berg io
Blauer Schlagschatten auf
61 W. 39 C.
Gurgl.
den Firnen der Kleinlei-
ten an der Oberfläche.
6.
Pasterae
Muhle von 10 Meter Tiefe
73 W. 26 C. 1.0 G.
7.
Thor des Marcellglet-
Blaue Bänder im Innern
ö)81W. 19C.0,6G.
schers
b) 78W.21C.0,6G.
c) 76W.24C.0,6G.
1 ) An einigen ganz dünnen Luftschichten , welche kleine Spalten ausfüll-
ten, bemerkten wir mehrere Male ein ganz ausgezeichnetes Farbenspiel,
die bekannten Farbenerscheinungen an dilnnen Blättchen (Newton's Ringe).
Sehr häufig waren sie besonders an dem (Wasser) Eise der Kolowrats-
höhle bei Salzburg.
208
No.
Ort d. BeobachtoDg.
Gregenstand.
Procente.
8.
Pasterzc (Joliannis-
Farbe d. beschatteten Glet-
69 W. 27 C. 4.0 G.
hüttc) nächst d. Hütte
schers 5 Uhr Nachmittags
Oberfläche.
9.
Ebendaselbst bei den
Farbe desselben in grofser
73 W. 23 C. 4,0 G.
Burgställen
Enifemang. Oberfläche
10.
München
Löcher in zusarnmengehäuf-
tem frischgefall. Schnee
von 1^ Meter Tiefe.
73 W. 27 C. 0,2 G.
Da gleichzeitig Versuche Ober die Farbe der Atmo-
sphäre gemacht Tvurden, so dürfte es nicht anwichtig seyn,
auch diese hier zu erwähnen. Das Blau der Atmosphäre
enthält im Zenith schon bei 20Wf absoluter Höhe 40 Proc.
C. und steigert sich bei 1200(y bis zu 92 Proc. C. Die
meisten Beobachtungspunkte der obigen Tabelle befinden
sich z^vischen 6000 und 9000* und die cjanometrischc Fär-
bung des Himmels beträgt
bei 6000' 53 W., 47 C.
bei 9000' 74 W., 74 C.
Die beobachteten Farben an Schnee und Eis sind demnach
nicht nur heller als die Farbe der Atmosphäre in der be-
treffenden Höhe, sondern erreichen nicht einmal das Blau
über den Hochebenen am nördlichen Fufse der Alpen. Es
war mir diefs anfangs sehr überraschend, da die Firnhöb-
Icn nur spärlich beleuchtet sind, was dunkle Farben erwar-
ten liefs. Allein die Differenz zwischen der Helligkeit der
Himmels- und Glctscherfarben ist so grofs, dafs ich, ein-
mal durch das Instrument aufmerksam gemacht, auch mit
blofsem Auge aufs deutlic^ihste mich davon überzeugen konnte.
Die Farben der Oberfläche sind nach der herrschenden
Beleuchtung sehr wechselnd; einmal (No. 5) erreichten sie
beinahe das Blau eines mäfsig dunklen Firmamentes. Desto
schöner ist es zu sehen, wie übereinstimmend die Hellig-
keit aller Vertiefungen ist; selbst an frisch gefallenem Schnee
der Ebenen finden wir dieselbe schöne Farbe, wenn er
nur hinlänglich tief ist. Die Höhendifferenz der Beobach-
tungspunkte (München 1500', Similaun llOOO*) ist so grofs,
und die Helligkeit so ähnlich und von ihr unabhängig (Nie-
derjoch
209
derjoch 8000' 72 W. MQnchen 72 W.), dafs die Höhe von
keiuem Einflüsse seyn kann.
Wir- erhalten vielmehr als mittleres Resultat aus den
sechs Beobachtungen an Vertiefungen
74,9 W. 24,3 C. 0,8 G.,
was wir als die eigenthümliche Farbe des Wassers im fe-
sten Zustande betrachten dürfen, welche aber, wie an vie-
len anderen Körpern, erst bei hinlänglicher Dicke sicht-
bar wird * ).
Gohäsion des Eises.
Nachdem wir die Formen und Eigenschaften des Eises
in kleineren Massen und am Gletscher betrachteten, so
weit sie uns durch Beobachtung und Experiment zugänglich
sind, müssen wir noch eine andere Eigenschaft des Eises
untersuchen, die sich vorzüglich an der Masse im Grofsen
bemerkbar macht,- und mit der Erklärung der wichtigsten
Erscheinungen am Gletscher innig zusammenhängt, nämlich
den Grad der Verschiebbarkeit seiner Theile.
Es ist diefs eine Eigenschaft, die in verschiedener Gröfse
jedem festen Körper zukommt; wir erinnern, dafs man Glas
zu pressen vermag, dafs es doppelt brechend wird, dafs
das specifische Gewicht der Metalle durch Pressen oder
Hämmern verändert wird u. s. w. Allein am Gletscher
macht sich eine Verschiebbarkeit so entschieden bemerkbar,
dafs man das Eis desselben beinahe als halbflüssig (For-
bes) oder doch als plastisch (Agassiz) annahm. Die Er-
scheinungen, welche dazu veranlafst haben sind folgende:
I •
1) Ueber die Farbe des Wassers vergl. Prof. Bunsen: Colon r of the
water, Jameson new philos, Journ. 1849 p, 95 und Martins, Ja-
mesons ph. Journ. 43. 1847 S. 87. Zur Vervollständigung der phy-
sikalischen Eigenschaften des Eises mufs ich ermahnen, dafs das Eis nach
' den Untersuchungen von A. Ermail (Gilb. Ana. Bd. XI, S. 165).
die Elektricitat nicht leitet, und dafs dasselbe nach den schönen Versu-
chen von Brunner (Po gg. Ann. Bd. 80, S. 173) ebenso 'wie der
Wasserdampf stark diamagnetisch ist. Die Kurse dieser Mittheilung möge
damit entschuldigt seyn, dafs diese Erscheinungen zu den Phänomenen
am Gletscher in keinem näheren Zusammenhange stehen.
Poggendorff's Annal. Bd. LXXX. 14
210
Der Gletscher geht auch darch VerengeruDgen des Thaies
in seiner ganzen Masse hindurch, if&hrend er als YoUkom-
men starrer Körper, etwa durch Gleiten auf der Unterlage
sich bewegend, durch solche Hindemisse anbeweglich fest-
gehalten werden mfifste.
Erreidit er dagegen eine Thalweitung, so nimmt er an
Breite zu. Die einzelnen hierher gehörigen Beobachtun-
gen werden uns bei den Fragen der Bewegung und der
Structur beschäftigen ' ).
Die abwechselnden Lagen von blauem und weifsem Eise
sind in der Nähe der Ufer vielfach gekrümmt und gebo-
gnen in ihrer Form, ganz analog den gewundenen Schichten
des Schiefers. Diese treten überall auf, wo die Reibung
und locale Hindernisse der Bewegung entgegenstehen.
Auch die Vertheilung der Bewegung ist hier zu berück-
sichtigen, denn der Gletscher zeigt an verschiedenen Punkten
ungleiche Schnelligkeiten; er geht au der Oberfläche schnel-
ler als in der Tiefe (was sich aus der veränderten Stellung
der blauen Bänder ableiten lädst), femer in der Mitte schnel-
ler als am Rande«
Allein die Verschiebbarkeit der Gktschermaise, welche
aus diesen Beobachtungen folgt, kann kaum als eine Ei-
genschaft des Eises an sich betrachtet werden. Es besitzt
dieses ja wie Quarz, Glas und andere spröde Körper, ei-
nen scharfkantigen, entschieden muschligen Bruch. Wir
kennen Blei, Gold u. s. w. durch härtere Metalle ritzen
oder spitze Instrumente einführen ohne Bruchstücke zu
erhalten, während das Eis dabei jedes Mal splittert, wenn
wir die Vorsicht gebrauchen die Instrumente auf 0° abzu-
kühlen; sonst wird die Beobachtung unmöglich, indem das
Eis schmilzt. Auch die Risse, welche die blauen Bänder
bedingen, die Spalten u. s. w. sprechen am Gletscher selbst
für die Sprödigkeit des Eises. Vergleichen wir demnach
Eis bei den uns gewöhnlichen Dimensionen mit anderen
1) Die Kömcrauflockerang entreckt sich, wie wir aakcD, von der Ober-
fläche nur bis ftu 3 Meter Tiefe. Der Gletscher kann demnach keines-
wegs als ein von W^asser dnrchtranktes A^regat betrachtet werden.
211
Körpern, so köODen wir seine Zusaminendrückbarkeit, die
Verschiebbarkeit seiner Theile, nicht als Tielmal bedeuten-
der annehmen; ja es zeigt sich vielmehr als sehr spröder
und zerbrechlicher Körper. Diefs scheinen auch einige di-
recte Versuche zu bestätigen, welche ich fiber den Einflufs
des Druckes auf die Zerspaltuug des Eises im Laboratorium
des Hrn. Prof. Magnus anstellte. Es sei mir erlaubt Dem*
selben für seine gütige Tbeiluahme an diesen Versuchen
meinen verbindlichsten Dank auszuprechen. Als der auge-
wandte Druck der hydraulischen Presse 150 Pfund auf den
Quadratzoll betrug, begann die Zerspaltung rechtwinklich
auf den beiden Platten der hydraulischen Presse , also in
der Richtung des Druckes einzutreten; die Zerspaltung
setzte sich bei Vermehrung des Druckes auch in anderen
Richtungen rasch fort; es war unvermeidlich, dafs das be-
nutzte Eis einige Luftblasen enthielt, welche natürlich eben-
falls dazu beitrugen, die Zcrdrückbarkeit etwas zu vermeh-
ren; ich mufs jedoch bemerken, dafs gerade das Gletscher-
eis -an letzteren sehr reich ist. Zur Beurtheilung der Sprö-
digkeit des Eises möge dienen, dafs selbst schlecht ge-
brannte Ziegel 300 bis 400 Pfund Druck auf den Qua-
dratzoll (preufsisch) erlauben, während Porphjr 36200,
Syenit 15200, Quarz 6100 Pfund Druck ertragen, ehe sie
zerdrückt werden * ).
Eine Verdichtung der Masse, ein Zusammendrücken der-
selben schien am Eise der Zersplitterung nicht oder nur
in sehr geringem Grade vorauszugehen. Sie hätte sich an
der Formveränderung einiger eingeschlossener, runder Luft-
blasen durch Abplattung erkennen lassen.
Im Gletschereise selbst kommen zwar flache Luftblasen
oft in grofser Masse vor; sie scheinen gröfstentheils eine
ursprünglich unregelmäfsige Fonn derselben zwischen den
Firnkörnern zu seyn; gegen ihre Entstehung durch Com-
pression spricht nicht selten der Umstand, dafs sie gewöhn-
1) Nach den Versochen von Brix, Ganthey, Rondelet u. A. Ich
verdanke den lithographirlen Bericht über diese Versuche der gütigen
Mittheilnng des Hrn. geheimen Oberbaiirathes Slüler in Berlin.
14»
212
lieh nur in kleinen Gruppen parallel sind, dagegen sehr
oft in grofser Nähe ganz verschiedene Richtungen zeigen.
Eine ähnliche feine Zersplitterung des Eises wird auch
am Gletscher in grofsen angehäuften Massen durch die
Menge der Luftblasen, welche die Zerbrechlichkeit wesent-
lich unterstützen, eintreten; sie scheint vorztSglich die Be-
wegung des Gletschers auf schroffen Ebenen möglich za
machen; sie erlaubt dabei durch den Einflufs der Reibung
die gröfsere Schnelligkeit an den dickeren Stellen, d. h. iu
der Nähe der Mitte, zu erklären. Die Bewegung selbst
wird ebenfalls dazu beitragen die Zersplitterung zu ver-
mehren durch die Hindernisse, welche ihm eine nicht glatte
sondern stets rauhe und höckerige Unterlage entgegenstellt.
Der Infiltration scheinen diese Rifschen nicht zugäng-
lich, sondern nur die (gröfseren) Haarspalten und Kanäle,
welche gemeinschaftlich an Wassereis und Gletschereis
durch die Einwirkung der äufscrcn Temperatur entstehen,
und durch eintretende Luft, durch das circulirende Was-
ser und die Betheiligung der so zahlreich im Eise enthal-
tenen Luftblasen nach und nach erweitert werden. Diese
Rifschen aber, welche durch den Druck und die Reibung
hervorgebracht werden, sind demnach von der Körnerbil-
düng unabhängig; ich bitte, sie nur als eine Voraussetzung
zu betrachten, welche jedoch durch die Bewegung und
Structur des Gletschers^ andererseits durch die Sprödigkeit
des Eises an sich, nicht unwahrscheinlich seyn dörfte. Da-
durch scheint es zu geschehen, dafs der Gletscher im Gro-
fsen so sehr die Formen einer plastischen Masse nachahmt '),
worauf zuerst die zahlreichen und vortrefflichen Beobach-
tungen von Forbes, Agassiz, Martins etc. aufmerk-
sam gemacht haben. Ich bedaure, in dieser Abhandlung
diese letzteren Erscheinungen nur in Kürze berühren zu
können; bei der Untersuchung der speciellen Phänomene
I) Die ungleiche Sclinclligkeit einzelner Theile, die veränderte Stellang
der blauen Bander und das Durchgehen der Gletscher durch Thalver-
engerungen macht eine Erklärung der Bewegung durcK ein einfaches Rat-
schen oder Gleiten unmöglich.
213
des Gletschers werde ich Gelegenheit haben, ausführlicher
darauf zurückzukommen ' ).
Resultate.
1) Gletscher- und Wassereis zerfallen unter dem wech-
selnden Einflüsse von Wärme und Kälte in ganz identische
Formen.
2) die Luftblasen betheiligeu sich sehr wesentlich bei
der Bildung der Körner und wirken auf die Gestalt aller
freien Oberflächen ein.
3) Die deutliche Körnerbildung erreicht mit Ausnahme
der blauen Bänder eine Tiefe von 3 Metern im Maximum.
Die Infiltration aber dringt in unregelmäfsig vertheilten Ka-
nälen und einzelnen Haarspalten noch weit tiefer ein.
4) Die im weifsen Eise eingeschlossene Luft beträgt im
Durchschnitte 6 Proc. Volumen.
5) Das Schmelzwasser absorbirt Luft bis zur Sättigung.
6) Die vom Wasser absorbirte Luft ist sauerstoffrei-
cher, die beim Schmelzen des Eises austretende (der nicht
absorbirte Rest) sauerstoffärmer als die Atmosphäre.
«7) Die blaue Farbe der Vertiefungen in Schnee, Firn
und Eis rührt nicht von reflectirtem Lichte des Firmamen-
tes her, sondern ist die eigenthümliche Farbe des Wassers,
im festen Zustande. Sie ist im Mittel identisch mit einem
Gemenge von 74,9 Proc. Kremserweifs, 24,3 Proc. Kobalt
und 0,8 Proc. gebranntem Ocker, daher stets heller als das
Blau der Atmosphäre im Zenith für mittlere Breiten.
8) Das Eis zeigt überall, wo wir demselben begegnen,
alle Eigenschaften eines festen ja sogar spröden Körpers.
Jene Verschiebbarkeit der Masse, welche wir am Gletscher
aus der Structur und Bewegung erkennen, scheint durch
die feine Zersplitterung des Eises bedingt zu sejn, welche
durch den Druck der bedeutenden Massen und ihre Rei-
bung gegen die Unterlage entsteht.
1) Uulersudiuogcn über die physik. Geographie der Alpen Cap. I. — VII.
214
II. Ueber den elektrischen Enlladungsstrorn in ei-
nem dauernd unterbrochenen Schlief sungsbogen;
von Peter Riefs.
(knsLu^. Berichte d. Akad. d. Wiss. 18. April 1850).
iJei den bisherigen Untersuchungen der elektrischen Ent-
ladung war der Schliefsungsbogen der Batterie entweder
t>olly das halfst: durchweg aus guten Leitern zusammenge-
setzt, oder er war an einer Stelle durch Luft oder einen
anderen schlechten Leiter unterbrochen. Im zweiten Falle
wurde die Entladung von solcher Stärke genommen, dafis
sie den ganzen Bogen durchlief, indem sie die Lficke des
unterbrochenen Bogens unter Funkenerscheinung durchbrach.
Die Wirkungen der Entladung waren bei der einen und
der anderen Beschaffenheit des Bogens sehr verschieden; .
man konnte aber auch, durch Steigerung der Dichtigkeit
der entladenen Elektricitätsmenge, alle Erscheinungen des
unterbrochenen Bogens im vollen hervorbringen.^ Darnach
habe ich zwei Entladungsarten unterschieden, die im vollen
Bogen vorkommen, die continuirliche Entladung, welche
von einem Querschnitte des Bogens zum nächstfolgenden
stetig fortgeht, und die discontinuirliche y bei welcher die
Elektricität in einem Querschnitte stockt, auf einen entfern-
ter liegenden Querschnitt durch Influenz wirkt und später
die dazwischen liegende Masse des Bogens plötzlich durch-
bricht. Bei aller Verschiedenheit der Wirkung beider Ent-
ladungsarten treten aber einige unverkennbare Aefanlich-
keiten ihrer Gesetze hervor; so die unveränderte Stärke
des Entladungsstromes bei dem Glühen von Drähten ver-
schiedener Länge und die Proportionalität des Stromes zum
Quadrate des Querschnittes des glühenden Drahtes, welche
beide Beziehungen sich den einfachen Wärmeformeln an-
schliefsen. Es war hiernach geboten, die beiden Momente
der discoutinuirlichcn Entladung experimentell von einan-
der zu trennen, die Wirkungen der Entladung in einem
215
dauen^ unterbrochenen Schliefsangsbogen zu untersucben,
in einem Bogen also, in dem die Entladung an einem be-
stimmten Querschnitte stockt, ohne später die Lücke durch-
brechen zu können.
Es war ein Condensator gebildet worden aus zwei ver-
tical stehenden ebenen Messingscheiben, 81 Lin. Durchmes-
ser, die parallel einander gegenüber standen und durch
eine Guttapercha -Platte getrennt waren. Die eine Scheibe
wurde durch* einen Draht mit der äufseren, die andere mit
der inneren Belegung einer geladenen Batterie verbunden.
Man unterscheidet hiernach an den Schliefsungsbogen einen
äafs^en Draht und eine äufsere Scheibe, eine innere Scheibe
und einen inneren Draht ; der Uebergang von Elektricität
aus der Batterie in die beiden Seheiben soll, der Kürze
wegen, mit Entladung der Batterie bezeichnet werden. Als
in den inneren oder äufseren Draht Platiospitzen einge-
sdialtet wurden, die durch einen mit Jodkaliumlösung ge-
näfsten Papierstreifen verbunden waren, zeigte die durch
die Entladung hervorgebrachte Zersetzung im zweiten Theile
des Schliefsungsbogens einen Strom an von derselben Rich-
tung, wie wenn die Unterbrechung durch den Condensator
nicht vorhanden gewesen wäre. Die Diditigkeit der Elek-
tricität in diesem Strome hatte ein constaiites Verhältnifs
zu der elektrischen Dichtigkeit der Batterie, denn die Beob-
achtung der Schlagweite im äufseren Drahte zeigte diese
proportional dem Quadrate der Dichtigkeit in der Batterie.
Um eine thermische Wirkung des Stromes, und damit
ein Maafs seiner Stärke zu erhalten, mufste der Conden-
sator bedeutend vergröfsert werden; diefs geschah, indem
an seine Stelle mehrere zu einer Batterie vereinigte Fla-
schen gesetzt wurden, die im Folgenden als Condensator-
flächen bezeichnet werden. Diese Einschaltung einer un-
geladenen Batterie in den Schliefsungsbogen einer geladenen
ist bereits von Hrn. Do ve ausgeführt worden '), der da-
mit die Wirksamkeit des hier betrachteten Stromes und
die merkwürdige Thalsache aufgefunden hat, dafs ein nas-
1) Berichte d. Akad. 18 14. 354-1846. 366.
216
8er Faden, ia den inneren Draht eingesdialtet, die im äu-
Cseren Drahte beobachtete Wirkung des Stromes wesentlich
verändert.
Stromstärke nach der Oberfläche des emgeschalteten dm-
densators. Die Formel, welche diese Abhängigkeit ausdrfickt,
ergiebt sich folgendermaCsen. Die an einer Stelle eines
Constanten Schliefsuogsbogens durch die BatterieentladuDg
erregte Wärme hat den allgemeinen Ausdruck B:=zaq^y,
wo y die Dichtigkeit, 9, die Menge der Elektricität be-
zeichnet, die aus der Batterie in den SchlieCsongsbogen
eingetreten ist. Bei cioer vollen Schliefsung ist diese ein-
tretende Menge, wie frQher gezeigt worden ist, stets pro-
portional der Menge f , die sich in der Batterie befindet;
es konnte daher, da a eine willkührliche Constante be-
zeichnet, überall bisher 9^ mit q vertauscht worden. Diefs
ist nicht erlaubt, bei der Einschaltung eines Condensators
in den SchlieCsungsbogen, weil die von einem Condensator
aufgenommene Elektricitätsmenge eine Function seiner Gröfse
ist. Diese Function ist, wie ich bei der Untersuchung des
Condeusators gezeigt habe, im Allgemeinen nicht anzuge-
ben. In dem vorliegenden Falle, wo Batterie und Con-
densator aus unter sich gleichen Flaschen bestehen, deren
Anzahl allein geändert wird, hat die Prüfung gezeigt, daCs
die Vertheilung der Elektricität sehr nahe im Verhältnisse
der Oberflächen von Batterie und Condensator geschieht.
Es bezeichne 1 die Gröfse der inneren Belegung einer Bat-
terieflasche, s die Anzahl dieser Flaschen, f die Belegung
einer Condeusatorflasche, c die Anzahl, so geht von einer
in der Batterie befindlichen Elektricitätsmenge 9, auf den
Condensator die Men£;e \ ^ über. Diefs ist offenbar die
iu^ inneren Drahte bewegte Elektricitätsmenge, deren Dich-
tigkeit der elektrischen Dichtigkeit gleich ist. Setzt mau
daher iu d^i^aq^y für g^ den gefundenen Werth, für y
den bekannten Werth -^, so erhält man, da a eine will-
kührliche Constante bezeichnet.
217
für die Erwärmung in einem unterbrochenen Schliefsungs-
bogen durch die Entladung einer Batterie von s Flaschen,
die mit der Elektricitätsmenge q geladen ist, wenn der ein-
geschaltete Condensator aus c Flaschen besteht. Die Be-
legung der von mir angewandten Batterieflasche betrug nahe
2,6y die der Condensatorflasche 1,5 O ^iifs so dafs bei der
Anwendung der Formel überall /*= 0,577 gesetzt worden
ist. Die Formel hat sich allen beobachteten Erwärmungen
an einer constanten Stelle sowohl des inneren als des äu-
fseren Schliefsungsbogens vollkommen angeschlossen.
Stromstärke nach der Beschaffenheit des Schliefsungs-
bogens. Wenn die Erwärmung an einer Stelle des Schlie-
fsungsbogens untersucht, und dann zu dem Bogen ein Draht
hinzugesetzt wird, dessen Länge I, Radius r, und dessen,
von seinem Metalle abhängige, Yerzögerungskraft x ist, so
wird die Erwärmung durch die Formel ausgedrückt
d= ^
(n-*o(y-i-/)*,
worin F= -^ und die Constante b empirisch bestimmt wer-
den mufs. Bei der Bestätigung dieser Formel durch die
angestellten Beobachtungen wurde der Werth von b etwas
gröfser gefunden bei Einschaltung der Drähte in den äufse-
ren, als bei Einschaltung in den inneren Schliefsungsbogen,
80 dafs also ein und derselbe Draht den Entladungsstrom
weniger schwächt, wenn er zu dem inneren, als wenn er
zu dem äufseren Bogen hinzugesetzt wird. Muthmafslich
ist dieser geringe Unterschied bei der Aenderung des Stro-
mes kein wesentlicher, sondern rührt davon her, dafs in
allen augestellten Versuchen der äufsere Schliefsungsbogen
zur Erde voUkouAnen abgeleitet, der innere hingegen iso-
lirt war.
218
Stromstärke im inneren und äufseren 8ehlief$ungshogen,
Von zwei gleichen Drähten wurde der eine in den inne-
ren, der andere in den äufseren Schliefsungsbogen befe-
stigt; die aus einer Beobachtungsreihe berechnete Erwär-
mung des ersteren Drahtes verhielt sich zu der des zwei-
ten wie 559 zu 509. Diefs VerhältniCB ist von dem Glase
und der Oberfläche der Batterie- und Condensator- Flasche
abhängig; aber wesentlich ist, daCs^die Stromstärke im in-
neren Drahte gröfser sej, als im äuüseren. Es bezeichne
ffi das Verhältnifs der Influenzelektricität zu der erregen-
den Elektridtät auf den Belegungen der Batterieflasche,
eine gleiche Bedeutung habe fi in Bezug auf die Conden-
satorflasche. Durch die Entladung sey von der inneren
Belegung der Batterie die Elektricitätsmenge + 1 fortge-
gangen , so verliert die äufsere Belegung die Menge — m.
Erhält die innere Belegung des Condensators die Menge
+ 1 9 80 geht von seiner äufseren + /tt fort, und ebenso
mufs, da seine äufsere Belegung die Menge =- m aufnimmt,
von seiner inneren — mfi fortgehen. Es sind daher auf
dem inneren Schliefsungsbogen in Bewegung die Mengen
+ 1 und — mfiy auf dem äufseren die Mengen +^ und
— 1». Da nun (l-|-f»^) — (m+ii) = (l — m) (1 — /tX
die Gröfsen m und ii aber stets kleiner als 1 sejn müs-
sen, so ist 1-l-m/i stets gröfser als m-l-^, das heifst, es
ist auf dem innerü Bogen eine gröfsere Elektricitätsmenge
in Bewegung, als auf dem äufseren. Es ist dabei noch zu
berücksichtigen, dafs, wie sich sogleich zeigen wird, die
Elektricitätsmenge auf dem äufseren Bogen zu grofs ange-
setzt worden ist.
Die Seitenentladung an dem unterbrochenen ScUiefsrnngi-
bpgen. Bei der Seitenentladuug im vollen Schliefsungsbo-
gen ') ist die Länge des Funkens im Seitendrahte dem Qoa-
drate der Dichtigkeit der Elektridtät in der Batterie pro-
portional und desto kleiner gefunden worden, je weiter
entfernt von deip Ende des Schliefsungsbogens, das die
innere Belegung der Batterie berührt, die Seitenentladong
1) AbhaDdlungen d. Akad. 1849. Berichte S. 46.
•\
219
beobachtet wurde. Zugleich blieb der isolirte Seitendrahi
stets mit der Elektricitätsart geladen zurück, die sich im
Inneren der Batterie befand. Die Untersuchung der Er-
scheinung am unterbrochenen Bogen gab dieselben Bestim-
mungen mit alleiniger Ausnahme, dafs, wenn die Seiten-
entladung am üufseren Bogen hervorgebracht war, der Sei-
tendraht die der Elektricität der Batterie entgegengesetzte
Art zeigte. Es mügen m und jm die im vorigen Abschnitte
angegebene Bedeutung haben. Geht die Elektricitätsmenge ,
+p aus der innern Belegung der Batterie fort und nimmt
die innere Belegung des Condensators die Menge +Pi
auf, so sieht man leicht, dafs auf dem äufseren Schliefsungs-
bogcu die Mengen fip^ — mp vorhanden waren. Da nun
diese Summe, wie sich aus der Seitenentladung entnehmen
liefs, selbst in dem Falle negativ blieb, wo, durch Anwen-
dung von zwei Flaschen der Batterie als Condensator, m=fi
war, so folgt, dafs p^ kleiner als p sejn mufste, also nur
ein Theil der aus der Batterie entladenen Elektricitätsmenge
in den Condensator tibergegangen war. Der tibrige Theil
war auf dem inneren Schliefsungsbogen zurückgeblieben;
von der im vorigen Abschnitte auf dem äufseren Bogen
in Bewegung angenommenen Elektricitätsmenge mufs daher
^""^'/i, eine in allen Fällen positive Gröfse, abgezogen
werden.
Stromstärke bei Einschaltung rßon zwei CoiidensatiMren
in die Schliefsung. Die Einschaltung eines Drahtes in ei-
nen Theil des unterbrochenen Schliefsungsbogens verlän-
gert, wie die oben angeführte Formel lehrt, die Dauer des
Entladungstromes; es war die Frage, ob die Einschaltung
eines zweiten Condensators denselben Erfolg haben werde.
Hierzu wurde luerst die Erwärmung an einer constanten
Stelle des inneren wie des äufseren Schliefsungsbogens beob-
achtet, wenn nur ein Condensator, und wenn hinter die-
sem ein zweiter Condensator im Schliefsungsbogen vorhan-
den war. Alsdann wurde, durch Bestimmung der Schlag-
weite des dem Innern der Batterie nächsten Condensators,
220
die iu beiden Fällen aus der Batterie entladene Elektrici-
tätswenge gemessen. Diese Messung bestätigte nebenbei
die zu Anfange gemachte Annahme der Yertheilung der
Elektricität nach der Oberfläche der Batterie und des Con-
deusators. Das Verhältnifs der im Scbliefsungsbogen be-
wegten Elektricitätsmengen erklärte die bedeutende Ver-
ringerung der Erwärmung, die der zweite Condensator durch
seine Einschaltung hervorgebracht hatte. — In dem Aus-
drucke -^^ , der für die Stärke des Entladungstromes
in einem durch einen constanten Condensator unterbro-
chenen Bogen gilt, hängt im Allgemeinen der Zähler von
der Ladung der Batterie, der Nenner von der Beschaffen-
heit des Schliefsungsbogens ab. Die Einschaltung eines
zweiten Condensators hat das Eigen thtimliche, dafs durch
sie nur q^ (die aus der Batterie entladene Elektricitäts-
menge) geändert wird, und diese Einschaltung daher einer
Aenderung der Ladung der Batterie gleichzusetzen ist.
Die beobachteten Wirkungen der Entladung im dauernd
unterbrochenen Scbliefsungsbogen schliefsen sich, unter Be-
rücksichtigung der verschiedenen Bedingungen, so genau
den Wirkungen im vollen Bogen und ihren Gesetzen an,
dafs sich in beiden Fällen derselbe Mechanismus der Ent-
ladung *) voraussetzen läfst. Es mufs auch hier die 6e-
sammtentladung aus einer grofsen Menge von Partialentla*
düngen zusammengesetzt sejn, von welchen jede so lange
dauert, bis der elektrische Zustand des Schliefsungsbogens
an jedem seiner Enden, welche die Belegungen der Batterie
berühren, das andere Ende erreicht hat. Eine Verzögeruog
der Fortschreitung dieses Zustandes an einer Stelle des Bo-
gens mufs die Dauer jeder Partialentladung und damit die
der Gesammtentladung verlängern. Hierdurch ist die Ab-
hängigkeit der Wirkung der Entladung in dem einen Theile
des Schliefsungsbogens von der Beschaffenheit des anderen
Theiles um Nichts auffallender, als die Abhängigkeit des
1) Pogg. Aonal. Bd. 78, S. 433.
221
Entladungsstromes von jedem Tbeile eines vollen Bogens.
Unabhängig von dem Fortschreiten der beiden Elektricitä-
ten in der Masse des Bogens ist die Anordnung des Ueber-
Schusses an Eltktricität auf seiner Oberfläche; diefs tritt
hier noch evidenter als bei dem vollen Bogen hervor, in-
dem trotz des Überall gleichen Stromes die angehäufte Elek-
tricität im inneren Bogen positiver, im äufseren negativer
Art ist. Der Unterschied des Stromes im vollen und im
unterbrocheneu Bogen ist daher nur der, dafs im letzteren
die Menge der bewegten Elektricität nicht nur durch die
Batterie, sondern auch durch die Untersuchungsstelle be-
stimmt wird, und das diese Menge während ihrer Bewe-
gung an der Unterbrechungsstelle selbst eine Verringerung
erleidet. Werden mehrere Condensatoreu hinter einander
in den Schliefsungsbogen eingeschaltet, so durchläuft der
Entladungsstrom alle einzelne Drähte, die entweder - eine
Belegung der Batterie mit einem Condensator, oder zwei
Condensatoren mit einander verbinden. Nach der einen
Richtung wird in den aufeinander folgenden Drähten die
positive Elektricität, nach der anderen die negative abneh-
men, so dafs an den beiden Drähten, welche die Belegun-
gen der Batterie berühren, der eine die gröfstc Menge po-
sitiver und die kleinste negative Elektricität erhält, in dem
anderen das entgegengesetzte Verhalten stattfindet. Diese
Abnahme ist jedoch keine, der Vorstellung dieser Entla-
dongsweise wesentliche Bedingung; sie hängt von der Ent-
fernung je zweier Condensatorscheiben ab und fällt fort,
wenn wir uns diese einander unendlich nahe gerückt den-
ken. In diesem Falle giebt der beschriebene Vorgang eine'
anschauliche Vorstellung der continuirlichen Entladung. Läfst
man andererseits zwei Condensatorscheiben in endlicher Ent-
fernung von einander, steigert aber die Dichtigkeit der Elek-
tricität in der Batterie, so dafs der Zwischenraum zwischen
den Scheiben durchbrochen wird, so erhält man die diS"
continuirliche Entladung. Es folgt hieraus, dafs jeder dis-
continnirlichen Entladung eine Entladung mit unterbroche-
nem Bogen vorangeht, die, nach der vorliegenden Unter-
222
suchuog, äholiche Wirkungen wie die continnirliche ElndadilDg
hervorbringt. Dieser Umstand erklärt die zu Anfange auf-
geführten Gesetze, welche die discontinuirliche Entladung
mit der contiuuirlichen gemein hat.
Der getrennte Entladungsstrom. In der vorliegenden
Untersuchung waren die Scheiben oder Belegungen des
Condensators, der den Schliefsungsbogeu unterbrach, ein-
ander sehr nahe gestellt gewesen; entfernt man sie immer
mehr von einander, so wird die Wirkung der einen Scheibe
auf die andere immer kleiner und zuletzt unmerklich. Auch
in diesem Falle ist in beiden Drähten ein elektrischer Strom
vorhanden, von dem man sich leicht durch Einschaltung
eines Zersetzungsapparates überzeugt. Dieser Strom, der
als getrennter Strom bezeichnet werden kann, entsteht durch
die allen Entladungsströmep wesentliche Bedingung, durch
den Ladungszustand der Batterie und die, durch die bei-
den Drähte abwechselnd bewirkte, Aufhebung und Wie-
derherstellung dieses Zustandes. Die Zerfällung der Ge-
sammtentladung in ihre Partialentladungen erklärt auch hier
den beobachteten Einflufs, den die Beschaffenheit jedes der
beiden Drähte auf den Strom äufsert. Die erste Partial-
cutladung besieht darin, dafs der innere Draht durch Fort-
führung eines Elektricitätsquantum aus dem Inneren der
Batterie den Ladungszustand aufhebt und der äufsere Draht
durch Fortschaffung eines entsprechenden Quantum von der
änfseren Belegung der Batterie diesen Zustand wiederher-
stellt. Erst wenn beide Drähte wieder unelektrisdb ge-
worden, kann die zweite Partialentladung folgen; es mofs
daher die Dauer der Gesammtentladung von der Beschaf-
fenheit jedes der beiden Drähte abhängen. Die beiden
Leiter (früheren Condensatorscheiben) an den Enden der
Drähte haben auf die Dauer des Stromes keinen Einflufs»
bestimmen aber die Elektricitätsmenge, die während der
ganzen Entladung aus der Batterie fortgeführt wird. Sind
die beiden Leiter in Bezug zur Batterie sehr grofs, so wird
die Batterie vollständig entladen und man erhält dann io
jedem der beiden Drähte alle Wirkungen, die sich an ei-
223
oeHi Toiien Scbliefeungsbogen zeigen. — Die äofsere Bie-
gung einer Batterie wurde mit den Gasröhren des Hauses
verbunden, die innere mit einem Drahte berührt, der iso-
lirt bis zum Erdboden geführt und mit seinem Ende darin
versenkt war. Hier konnten die Erwärmungen im Drahte
und ihre gesetzraäfsige Abhängigkeit von der Stärke der
Ladung der Batterie aufgezeigt werden. Gegen eine Deu-
tung dieses Versuches, als ob die zwischen den Enden der
beiden Drähte liegende Erdschicht eine vollkommene Schlie-
fsung der Batterie bewirke, da zwar die Erdmasse specifiscb
schlecht leite, hier aber mit einem aufserordentlich grofsen
Querschnitte eintrete, sprechen nicht nur frühere Erfahrna-
gen über die Entladung der Batterie, sondern auch bei
dem Versuche selbst auftretende Erscheinungen, die sich
mit jener Annahme nicht vereinigen lassen.
In Bezug auf den voltaischen Strom sind, bei Gelegen-
heit der elektrischen Telegraphen, zwei verschiedene An-
nahmen gemacht worden. Man hat die Erdmasse zwischen
den Enden eines gerade ausgespannten, viele Meilen langen,
Drahtes, in den eine voltaische Batterie eingeschaltet ist,
theils als eine die Batterie schliefsende Verbindung abge-
sehen, theils als eine Ableitung für die Elektricität beider
Pole, was man durch die Bezeichnung des Erdkörpers als
reservoir cotnmun auszudrücken scheint. Wurde die Erde
als verbindender Leiter angesehen, so mufste ihr Wider-
stand bestimmt, das heifst die Länge eines bekannten Drah-
tes angegeben werden, dessen Einschaltung den Strom ebensq
verringert, wie die Einschaltung des Erdkörpers. Dieser
Widerstand ist verschieden angegeben und zuletzt auf eine
Gröfse formulirt worden, die nur von der Gröfse der Be-
rührung zwischen Metallleiter und Erdreich abhängt und
von der Entfernung der Enden der Metallleiter unabhängig
ist. Daneben hat man durch telegraphische Versuche die
Zeit der Fortpflanzung der Entladung in der Erde zu bestim-
men gesucht und von der Entfernung der Drahtenden abhän-
gig zu finden geglaubt, und den Versuch ausgeführt, von
der Erde einen Zwei$:strom in Drähten zu erhalten. Dieser
224
letzte Versucli, dessen Thatslchlichkeit nicht za bezweifeln
isty widerspricht aber nach den Gesetzen der ZweigstrOme
der Annahme, dafs die Erde ein die Batterie Bchliebender
Leiter sej, während er die entgegengesetzte Annahme zwar
nicht unterstützt, ihr aber nicht widerstreitet. Diese mehr-
fachen Widersprüche dürften schon für sich der Meinung
den Vorzug geben lassen, dafs auch bei dem voltaiachen
Strome keine Leitung von einem Drahtende zu dem an-
dern durch die Erde stattfindet, und die hier angestellte
Untersuchung der Erscheinungen der ReibnngselektridtSt
die richtige Erklärung an die Hand geben. Hiernach ist
der voltaische Strom im elektrischen Telegraphendraht ab
ein getrennter Strom, und die Erdschichten an den Enden
des Drahtes sind als zwei für sich wirkende Ableitungen
anzusehen, bei welchen es gleichgültig ist, dafs sie Theile
des zusammenhängenden Erdkörpers sind.
II L Abänderung der Laplace' sehen
BarometerforrneL
Um des Gebrauchs von Logarithmen- und anderen Ta«
fein überhoben zu seyn, schlägt Hr. Babinet vor, statt
der Laplace'schen Barometerformel
«=18393»(Iogff-IogÄ) [l + ^^^^J
die folgende anzuwenden:
Sie ist indefs nur für Höhen unter 1000 Meter gültig;
für gröfsere Höhen, und wenn man sich mit keiner Ap-
proximation begnügen kann, hat man eine intermediäre Sta-
tion zu Hülfe zu nehmen. (Compt. rend. T. XXX. p. 309).
IV.
225
IV. Berichtigung der von Rudberg berechneten
Axenwirütel der zweiaxigen Krysttdle;
von E. Wilde.
H
aaptsächlich in der Absicht, die FresneTsche Theorie
der doppelten Brechung zu prüfen, hat Rudberg bekannt-
lich fOr einige zvreiaxige Krjstalle die Winkel, die von
den beiden optischen Axen gebildet werden, nach dieser
Theorie berechnet, und die Resultate der Rechnung mit
seinen Messungen verglichen ')• Bei dem Arragonit findet
er aber zwischen der Rechnung und Beobachtung eine Dif-
ferenz von 2^^, und bei dem farblosen Topas sogar eine
Differenz von mehr als 8^. Rudberg sucht zwar diese
so bedeutenden Differenzen, beim Arragonit wenigstens, dar-
aus zu erklären, dafs bei den Messungen die Stellen der
beiden Axenpole sich nicht genau erkennen lassen; man
würde indefs, wenn die Fresnel'sche Theorie durchgän-
gig und bei allen Krystallen Fehler von solcher Gröfse
xoliefse, nicht jeden Zweifel an ihrer Wahrheit unterdrücken
können. So verhält es sich aber nicht, sondern Rudberg
hat hier vielmehr die FresneTsche Theorie nicht in ihrem
wahren Sinne angewandt.
Werden mit n und ^ die Fortpflanzungsgeschwindigkei-
ten der beiden, senkrecht auf einander polarisirten Strah-
len von beliebiger Richtung bezeichnet, in welche sich ein
einfallender bei seinem Eintritte in die zweiaxigen Krystalle
spaltet, und sind « und d die Winkel zwischen diesen
Strahlen und den optischen Axen, so hat man, sagt Rud-
berg, «I» Svmt der Emanationstheorie für die Geschwin-
digkeit des einen Sixahles die Gleichung:
(l) u«=il+5sin'4(«— «'),
in welcher Ä und B Constante sind, und für die des an-
deren die Gleichung:
1) Diese Aonalen Bd. 17, S. 1.
PoggendorfiPs Annal. Bd. LXXX. 15
226
(2) c'«=il+J?MnH («+«'),
io Folge der Fresnerschen Theorie za nelimen. WoHe
man aber die Geschwindigkeiten tu Smme der ümdubMiianS'
theorie berechnen, so müsse man in diesen Formeln —
f
ond -7 statt r ond c' setzen. Weil sie jedoch , im Sinne
der Emanationstheorie angewandt, einfacher sind, ond weil
dann zugleich die Geschwindigkeiten der Strahlen in deo
Krystallen dorch die Brechongsexponenten selbst angege-
ben werden, sobald ihre Geschwindigkeit in der Luft zor
Einheit genommen ist: %o wolle er seine Rechnongen lie-
ber für die Emanationstheorie dnrchföhren.
Rndberg hatte, um die zur Berechnung des Azenwin-
kels erforderiidien Brechungsexponenten zu bestimmen, drei
Arten Ton Prismen aus dem Arragonit schleifen lassen. In
der einen Art, welche ich das Prisma P nennen will, war
die Kaute des brechenden Winkels parallel mit der MU-
tellinie (Fig. I. Taf. IV.) ddt, welche den spitzen Winkel
xc!f^=a der beidm optischen Axen xw und ys halbirt.
In der anderen Art, die das Prisma Q heilsen soll, war
die brechende Kante parallel mit der Linie ff\ die senk-
recht steht auf der Mittellinie <f d*. In der dritten Art end-
lich, welche ich das Prisma Jl nennen i^ill, war die bre-
chende Kante parallel mit einer Linie, die man senkrecht
auf der Ebene der Axen (der Ebene der Zeichnung) in c
zu denken hat.
Ffir das Prisma P, dessen brechende Kante parallel mit
der Mittellinie ddt ist, stellt ff den DcArchschnitt der anf
der Ebene der Zeichnung senkrechten Durchgangsebene der
beiden gebrochenen Strahlen vor, und es ist in diesem
Falle jedesmal die Summe der Winkel e+e'slSO«». Denn
ist $ c die Richtung des einen oder anderen Strahles in der
durch ff gehenden und auf der Zeichnung senkrechten
Ebene, sind also die Bogen sx und sy die MaaCse der
Winkel e' und e, so ist, wenn man den Bogen s om den
Bogen si zu 180^ ergänzt, der Bogen sx so grofs^ als #s.
In den beiden sphärischen Dreiecken cfsx «nd cfs» ist
227
niSmlich der Winkel $ef derselbe, femer der Winkel fcx
ssf'cy=fc», und der Neigungswinkel der Ebene cfs
gegen die Ebene der Axen in beiden Dreiecken ein rech-
ter. Man hat also €+«« = 180^=€+«xs=64-e'y folg*»
lieb « — e'=180<>— 2«', and aus (1) und (2):
(3) f?»=il + Bc08«€'
(4) f>''^Ä+B,
so dafs VI in diesem Falle constant ist.
Für das Prisma Qy in welchem die brechende Kante
parallel mit ff ist, und die Durchgangsebene der gebro-
chenen Strahlen durch die Mittellinie dif geht, sind offen-
bar die beiden Winkel € und e' jedesmal gleich. Es ist
daher für diefs Prisma:
(5) f)^ = A
(6) c'»=A+JBsin'€',
in diesem Falle also die Geschwindigkeit e constant.
Ffir das Prisma R endlich, in welchem die brechende
Kante senkrecht auf der Ebene der Axen steht, die auf
dieser Kante senkrechte Durchgangsebene der gebrochenen
Strahlen also in die Ebene der Axen föUt, ist jedesmal
€=€'+«9 folgliche — £' = a, und e*4-€'=2€'-f«cr, mithin
(7) f)'=il+Bsin':^
(8) v''z=zA+Bsin'[6'+^y
und in diesem Falle, wie im zweiten, die Geschwindig-
keit f> constant, weil der Axenwinkel a einen constanten
Werth hat.
In einem der beiden Spectra haben also für jedes der
drei Prismen die Strahlen eine constante Geschwindigkeit,
und zwar sind in Folge der FresneTschen Theorie diese
Strahlen von copstanter Geschwindigkeit jedesmal diejeni-
gen, in denen die Aethervibrationen parallel mit der jedes-
maligen brechenden Kante erfolgen. Rudberg konnte
daher diefs Spectrum von dem anderen mit veränderli-
cher Geschwindigkeit der Strahlen durch «ine Turmalin-
15*
228
platte, die vor das Ocular des Fernrohres gebradit war,
durch welches die Farben der Spectra betrachtet wurden,
leicht unterscheiden, da eine solche Platte bekanntlich
nur die mit ihrer Axe parallelen Aethervibratiooen durch-
läfst. Das Spectrum, welches sichtbar blieb, wenn die
Axe des Turmalins parallel mit der brechenden Kante ge-
halten wurde, entstand nSmlich jedesmal durch Strahlen
von constanter Geschwindigkeit.
Mit seiner unübertroffenen Sorgfalt bestimmte nun Rud-
berg die Brechungsexponenten für die Strahlen von con-
stanter Geschwindigkeit in jedem der drei Arragonitprismen
P, Q, R nach derselben Methode, nach welcher er auch die
Brechungsexponenten des Kalkspaths und Bergkrjstalls ge-
funden hatte, fQr jede der sieben Fraun ho fer'schen Linien
besonders, und erhielt z. B. ffir die Linien JJ, £, D, B die
Werthe so, wie sie in folgender Tabelle angegeben sind:
Arragonit
BrechungsexpoDenten der Strahlen von constanter
Geschwindigkeit
Strahl.
iiD Prisma IK
H
E
D
B
1,54226
1,53264
1,59013
1,52749
im Prisma Q.
1,71011
1,69084
1,68589
1,68061
im Prisma tL
1,70509
1,68634
1,68157
1,67631
Bezeichnet man mit Budberg den Brechungsexponen-
ten für das erste Prisma und für die gelben Strahlen, die
zur Linie D gehören^ mit n', för das zweite mit fi" ^ and
für das dritte mit n", so hat man also im Sinne der Erna-
nationstheorie aus (5):
» '' =1,68589 '^ =2,84222=il,
ferner aus (4):
n'' = 1,53013^=: 2,34129== ii+£, woraus
B=n'« — n'"« = — 0,50093,
endlich aus (7):
»'* =1,68157« =2,82768=il+i?ain' -^.
229
SO dab
und der ganze Axeowinkel a:=19^36'. Werden die Axen-
winke! auch für die anderen Fraunhofer 'scheu Linien
in derselben Weise berechnet, so bekommt mau Mgeude
Tabelle:
Strahl.
H
K
D
B
Berechnete wahre Axenwinkel des
Arragonits.
20« 25'
J9 53
19 36
19 44
An einer Arragonitplatte, deren parallele Oberflächen
(Fig. 2. Taf. IV.) AB und ab senkrecht gegen die Ebene
der optischen Axen PQ und pq geschliffen waren, fand
nun Radberg durch wiederholte Messungen den schein-
baren Winkel phPzs/S der optischen Axen (den Winkel,
den die in der Richtung der Axen durch den Krjstall ge-
henden Strahlen nach ihrer Brechung in die Luft mit ein-
ander bilden) ungefähr 32^. Es mufs sich also, wenn die
Messungen mit der Theorie übereinstimmen, aus den vor-
stehenden wahren Axenwinkeln pcP=za (die von den Axen
im Krjstall wirklich gebildet werden) eben dieser schein-
bare Winkel ergeben.
Die Geschwindigkeiten der beiden jStrahlen, die in der
Richtung einer jeden der beiden Axen den Krjstall durch-
dringen, sind nicht blofs coustant, sondern auch gleich,
indem dann aus (1) und (2) für <'=0 und 6=a:
o*=f)'^=il+Bsin»y.
Diese beiden Strahlen,* die längs jeder Axe eben deshalb
ungetrennt fortgehn, weil ihre Geschwindigkeit eine gleiche
ist, spalten sich jedoch bei ihrem Austritte in die Luft in
P und p, und es befolgt nur der eine von ihnen, dessen
Vibrationen der brechenden Kante parallel sind, das Ge-
setz desSnelliua. Da die Dnrchgangsebexie beider Strah-
230
len hier in der Ebene der optischen Axen Hegt, so maCs
man für a=19"36' den zu D gehörigen Brechnngsexpo-
nenten n''= 1,68157 des Prisma R nehmen, und hat daher
für diesen in gewöhnlicher Art gebrochenen Strahl:
sindp A=sin -|- srrn" sin qpe^^fi' sin ■—
= 1,68157 sin9« 48'=sinl6° 38',
so dafs /?=33° 16'. Berechnet man in dieser Weise noch
die scheinbaren Winkel für IT, E und B, so erhält mao
folgende Tabelle:
Strahl.
Berechnete scheinbare Axeo winket des
Arragonits.
H
E
D
B
35'' lO*
33 51
33 16
33 24
SO dafs der Mittelwerlh ungefiihr 34^ beträgt, und die Beob-
achtung von der Rechnung um etwa 2^ abweicht.
Rudberg, der ak den Grund dieser Differeoz die Un-
sicherheit ansieht, die von der Messung der scheinbaren
Axenwinkel untrennbar ist, sucht die Ursache dieser Un-
sicherheit besonders darin, dafs die beiden Strahlen, die in
den Kryslallen längs jeder Axe sich uDgespalten fortbewe-
gen, bei dem Austritte in die Luft sich trennen« So be-
rechnet er für die Stelle H des Spectrams den Winkel,
um den sie beim Arragonit getrennt werden, auf 2^ 7' 20".
Bei den Messungen werden aber die Axenpole in der Mitte
der weifsen, von farbigen Bingen umgebenen Curven ge-
nommen, und hier würde man die Axenpole auch wirklich
sehn, wenn die beiden Strahlen, die ungetrennt längs je-
der Axe durch den Krjstall gingen, in Bichtungen, die de-
nen der einfallenden parallel sind, austreten würden. Da
aber die austretenden Strahlen divergiren, so entstehe eben
hierdurch die grofse Ungenauigkeit in der Bestimmung der
scheinbaren Axenwinkel.
In derselben Weise, wie bei dem Arragonit, bestimmU
Rudberg mittelst der Prismen P, Q, R auch die Brediungi-
231
eaipoafiDteu ffir den farbloaeii Topas , und fand f&r diesel
ben folgende Wertbe:
Topas.
BrechuBgaexpoBentea der Strahlen von constanter
Geschwindigkeit
Strahl.
im Priama P.
H
E
D
B
1,63506
1,62408
1,62109
1,61791
im Prisma Q.
1,62539
1,61452
1,61161
1,60840
im Prifi^a i?«
1,62745
1,61668
1,61375
1,61049
woraus sieb die Axenwinkel ffir eben diese Strahlen erge-
ben, wie folgt:
Strahl.
Berechnete wahre Axenwipkel des
Topas.
H
E
D
B
54*» 54'
56 40
56 37
55 52
Ais Miltelwerth erhsU man also 56°. Brewster aber bat
den wahren Winkel der optischen Axen im Topas = 65°,
und Biot ihn =64° 14' gefunden, so dafs die Differenz
hier 8 bis 9 Grade beträgt.
Da es mir nicht wahrscheinlich schien, dafs der von
Radberg angegebene Grund so grofse Differenzen in den
berechneten und beobachteten Axenwinkeln zur Folge ha-
ben könne, so unterwarf ich die vorstehenden Rechnungen
•iner genaueren Prfifuqg, und überzeugte mich durch die-
selbe, dafs Rudberg die Fresnel'schen Gleichungen
nicht in ihrer wahren Bedeutung genommen habe, dafs aber,
wenn diefs geschieht, die Theorie im Einklänge mit den
Beobachtungen ist, wie aus dem hier Folgenden hervor-
gehn wird.
Fresnel, der seine Theorie der doppelten Brechutig
nicht im Sinne der Emanaiions-, sondern vielmehr in dem
der Undulationalheorie durchgeführt hat, giebt, wenn die
Buchstaben v, v\ e, b' die vorige Bedeutung behalten, für
232
die Fortpflanznngsgeschwindigkeiteii der beiden entgegen-
gesetzt polarisirteii Strahlen, in welche sich ein einfallender
in den zweiaxigen Krjstallen spaltet, die Ausdrücke an '):
(9) c' = 6'+(a' — 6')8«ö'i(« — O
(10) c'^=6^+(a« — 6«)sin*4(6-h€'),
die zugleich die Geschwindigkeiten der beiden entgegenge-
setzt polarisirteu Strahlen in den einaxigen Krystallen um-
fassen.
Für die einaxigen Krjstalle fallen nSmlich die beiden
Axen, auf welche sich diese Gleichungen beziehen, in eioe
einzige, folglich auch die beiden Winkel a und s' in einen
gleichen Werth (p zusammen, und so geben die Gleichun-
gen in diesem Falle in die Formen über:
(11) c« = 6«
(12) o"=6«+(a* — 6'»)sin>,
so dafs t? = & die in allen Durchgangsrichtungen durch die
Krystalle stets gleich bleibende Geschwindigkeit der soge-
nannten gewöhnlichen (ordinären), und f>' die in Terschie-
denen Richtungen veränderliche Geschwindigkeit der tM-
gewöhnlichen (^extraordinären) Strahlen ist. Die Geschwin-
digkeit dieser letzteren hat in den negativen einaxigen Krj-
stallen, für welche im Sinne der Undulationstheorie a^6,
ihr Maximum a f(ir (p = 90^f wenn also die Strahlen in
einer gegen die Axe senkrechten Richtung durch den Krjr-
stall gehen, ihr Minimum b aber für 9> = 0^, wenn die
Richtung der Strahlen mit der Axe zusammenfällt. In den
positiven einaxigen Krjstallen dagegen, für welche in der
Bedeutung der Undulationstheorie a^ft, wird aus dem
Maximum das Minimum und umgekehrt.
Bekanntlich stehen im Sinne der Emanationstheorie die
Geschwindigkeiten der Lichtstrahlen in der Luft und ip ei-
nem anderen brechenden Mittel im umgekehrten Verhftltnib
J ) M^m. de tacad, des sciences de tinsi, de France^ 1827. iom. FIL
pag. 45 in dem Mim, sur ia doubie rifraction. Ferner jtiiments
de phys. erpSrimentaU par Pouillei^ trois, idii.t^m,lL pag.9iU
Diese Annalen Bd. 23, S. 372.
233
ihrer Brechung in diesen beiden Mitteln« im Sinne der Un^
dolationstheorie aber im geraden Verhältnifs der Brechung,
wenn in beiden Fällen ihre Geschwindigkeit in der Luft
zur Einheit genommen wird. So verhält sich die Geschwin-
digkeit des Lichtes in der Luft zu der im Wasser für die
Emanationslheorie wie 3:4, so dafs ^ (der gerade Bre-
chungsexpouent) seine Geschwindigkeit im Wasser ist; fOr
die UndulatioDstheorie aber ist diese letztere =f (der um-
gekehrte Brechungsexponent).
Um diefs auf den Kalkspath anzuwenden, so fand Ma-
lus *) mittelst eines Prisma aus diesem Krjstalle, in wel-
chem die brechende Kante der Axe parallel war, den fOr
alle Durchgangsrichtungen constanten Brechungsexponenten
der gewöhnlichen Strahlen = 1,6543, und den kleinsten Bre-
chungsexponenten der ungewöhnlichen, wenn sie im Krjstalle
eine gegen die Axe senkrechte Richtung hatten, =1,4833').
FQr die Emanationstheorie ist also auch die constante Ge-
schwindigkeit der gewöhnlichen Strahlen im Kalkspath b'=i
1,6543, und die kleinste der ungewöhnlichen, wenn sie
eine gegen die Axe senkrechte Richtung haben, a= 1,4833;
ffir die Undulationstheorie dagegen ist die constante Ge-
schwindigkeit der gewöhnlichen Strahlen 6= -r^= 0,604485,
und die gröfste Geschwindigkeit der ungewöhnlichen, wenn
sie eine gegen die Axe senkrechte Richtung haben, a=-7
=0,674172, welche Werthe auch unit ihrem schon von
Huygens ^) bestimmten Verhältnisse 0,93410: 1,05032 ziem-
lich genau Qbereinstimmen.
Um aus diesen Constanten fOr jede andere Richtung
1 ) Theorie de ia double, rifraction de ia lumihre, Paris , 1810
paff. 199.
2) Nach Rndberg*s genaueren Bestimmungen entspreclien diese Bre-
chungsexponenten einer zwischen B und C liegenden Stelle des Spec-
trums. Für die Linien D und £, welche dem gelben Lichte angehö-
ren, fand er die Brechuogsexponenten der gewöhnlichen Strahlen 1,6583
und 1,6636. und die der ungewöhnlichen 1,4863 und 1,4887. Diese
Annalen Bd. 14, S. 54.
3) Tractatui de iumine^ cap, V.
234
der Lichtstrahlen ihre Geschwindigkeit ableiten zu kOnnen,
dürfe man zwar fQr die Emanationstheorie, sagt Radberg,
die Gleichungen (9) bis (12) ungeändert beibehalten ^ für
die Undulationstheorie aber müsse man — und —f statt v
W V
und t>' nehmen, und er wolle daher die Rechnungen ia
ihrer einfacheren Form für die Emanationstheorie durch-
führen.
Rudberg scheint also vorausgesetzt zu haben, dafs
beide Theorieen zu denselben Resultaten führen j tote sich
diefs doch keinesweges so verhält, wozu noch kommt ^, dafs
auch die gröfsere Einfachheit der Formeln in der Emana-
tionstheorie nur für einen einzelnen Lichtstrahl behauptet
werden kann. Denn versteht man unter der Gesdiwindig-
keit des Lichtes nicht sowohl die eines einzelnen wirkungs-
losen Elementarstrahles, sondern mit gröfserem Rechte die
Geschwindigkeit der Lichtu>elle, die sich aus diesem StraUe
und den in seiner unmittelbaren Nähe befindlichen JStMom-
mensetzt: so darf man für die Undulationstheorie nicht die
ganzen rechten Seiten jener Gleichungen umkehren, sondern
nur die umgekehrten Brechungsexponenten statt der ConstOH'
ten in denselben nehmen, wodurch sie für die eine Theorie
durchaus nicht einfacher, als für die andere werden.
Nimmt mau nämlich im Sinne der Undulationstheorie
die Geschwindigkeit 6=0,604485 des längs der optischen
Axe des Kalkspaths sich fortbewegenden Strahles zu der
einen Halbaxe (Fig. 3 Taf. IV,) cg, die Geschwindigkeit
a = 0,674 172 des in senkrechter Richtung gegen die Axe
sich bewegenden Strahles aber zur anderen Halbaxe cd
einer Ellipse, und denkt man dieselbe um die kleine Axe
gh=2.cg gedreht, um das sogenannte Sphäroid der dop-
pelten Brechung für den Kalkspath zu erhalten: so ist, wenn
der Winkel feg, den der Radius cfz=zr mit der Halbaxe
cg bildet, mit (p bezeichnet, und aus f die Ordinate fm=zy
senkrecht auf die grofse Axe gefällt wird, nach der Glei-
chung der Ellipse:
235
f m' =r' cos' qp= ^ (a* — cw')
= ~5(a' — r'sin'^qp), woraus
Es stimmt also dieser Ausdruck mit dem von o'^ in (12)
Qbereio, und es ist daher im Sinne der Emanationstbeorie,
für welche d und 6' die geraden Werthe der Brechungs-
exponenten bedeuten, die Geschwindigkeit eines gegen die
optische Axe des Kalkspaths unter dem Winkel ^ geneig-
ten Lichtstrahles nichts anderes, als der umgekehrte Wertb
des zugehörigen Radius cf in dem Sphäroid der doppelten
Brechung. Für die Undulationstheorie ist folglich die Ge-
schwindigkeit eben dieses Strahles der Radius selbst, weil
die Strahlgeschwindigkeiten in der einen Theorie die um-
gekehrten Werthe von denen in der anderen sind.
Man hat aber auch, wenn die Tangente kf an den
Punkt f gezogen wird, für cmz=ix die Subtangente i?ii=
fl»
— — a?, folglich
X
und, da die Tangente die mittlere Proportionale zwischen
der Subtangente und der Summe der Subnormale -^ und
Subtangente ist:
^^ — 1^^ '
folglich, wenn aus c das Loth cn auf die Tangente gefällt,
und der Winkel ncg = ckn, den diefs Loth mit der opti-
schen Axe cg oder die Tangente mit der Axe der x bildet,
mit tp bezeichnet wird:
/•w' 5=^(a' — a?^)=*/^^ .sin' i/i
__v» — ±_n^ — ^ a /^ j y woraus
fl^ein* i/;=:a?' [6' +(a« — fc^siu^ tff} ,
236
80 dafs
Es stimmt also auch dieser Ausdruck, in welchem a und fr
die umgekehrten Brechuugsexponenten sind, mit dem io
(12) fiberein, mit dem Unterschiede jedoch , dafs hier das
Zeichen tp nicht die Neigung der optischen Axe gegen deo
Lichtstrahl cf, sondern vielmehr den Winkel der optischen
Axe mit der Richtung cn bedeutet, die senkrecht ist ge-
gen die Frontebene kn der Lichtwelle, die sich ans den
zu cf und zu den nahe gelegenen Strahlen gehörigen Ele-
meutarwellen zusammensetzt. So darf man also statt der
Coustanten in der Gleichung (12) nur die umgekehrten
Brechungsexponenten nehmen, damit sie in diesem Sinne -
fGr die Undulationstheorie die Quadrate der Geschwindig-
keiten der ungewöhnlichen Strahlen angebe.
Um diefs durch ein Beispiel noch mehr zu erläutern,
so hat man für die Emanationstheorie fr' ' =2,7367118 und
a'' =2,200178, folglich für 9^=30'', wenn die Geschwin-
digkeit in der Luft zur Einheit genommen wird:
ü'' = &'' +(a'» — fr")sin' 30<>=2,60257 ,
und aus (13) für 6' =0,365402 und a'' =0,454508:
er =r' =0,38423=^-^,
so dafs hier die Geschwindigkeit das Umgekehrte des Ra-
dius ist. Für diesen Werth von q) hat man aber auch
cm=a;=rsin30'>=0,30993 und o;'' =0,09606, folglich
.tangt/;='g = — Ai^= 0,464 1583= tang 24 «53',
mithin
cn' =6' +(a'—6')sin'24»53'=0,38118,
und es ist dieser Werth im Sinne der Undulationstheorie
zwar nicht genau das Quadrat der Geschwindigkeit (0,38423),
mit welcher sich der Strahl cf im Krjstalle bewegt, wohl
aber der genaue Ausdruck für das Quadrat der Geschwin-
digkeit, mit welcher die ^u diesem Strahle gehörige Licht-
237
u>eHe io einer gegen ihre eigene Frontebene in senkrecli-
ten Richtung cn im Krjstalle sich fortpflanzt.
Unter der optischen Axe, die in den einaxigen Krj-
stallen jedesmal auch die krystallographische ist, hat man
daher nicht sowohl die Richtung zu verstehn, in welcher
ein gewöhnlicher und ungewöhnlicher Elementarstrahl eine
gleiche Geschwindigkeit haben, sondern vielmehr die Rich-
tung, in der sich die Frontebenen der zu diesen Strah-
len gehörigen Lichtwellen mit gleicher Geschwindigkeit be-
wegen.
Werden in eben dieser Bedeutung für die Undulations-
theorie die Gleichungen (9) und (10) auch für die atoei-
axigen Krjstalle augewandt, — bei denen man der vorigen
Entwicklung gemäfs unter den beiden optischen Axen die
Richtungen zu verstehen hat, in denen die Frontebenen
der zu beiderlei Strahlen gehörigen Lichtwellen eine gleiche
Geschwindigkeit haben — und die Prismen P, Q, R in dem
vorigen Sinne genommen: so ist für das Prisma P, in wel-
chem die Kante des brechenden Winkels parallel ist mit
der Mittellinie (Fig. 1. Taf. IV.) dd, und die Summe der
Winkel 6+6'=180^ folglich € — «' = 180^^26':
(14) • f?'=&'+(a'— 6«)co8'€'
(15) v^'ziza^
a also die für alle Durchgaugsrichtungen constante Ge-
schwindigkeit des einen Strahlenbündels in dem auf der
Mittellinie senkrechten Schnitte ff. Die veränderliche Ge-
schwindigkeit des anderen Bündels dagegen kann, wenn
a wieder den Winkel der optischen Axen bedeutet, von
€'=90" bis 6'=90" — -^ variiren, so dafs mau 0=6 als
das Minimum, und ©= r6«-|-(a^ — 6')sin' yl^als dasMa-
ximum der Geschwindigkeit dieses Bündels in dem Schnitte
ff erhält, wenn a>6. Ist aber a<;6, so wird aus dem
Maximum das Minimum und umgekehrt.
Für das Prisma Q^ in welchem die brechende Kaute pa-
rallel mit ff ist, und die auf ff senkrechte Durchgangs-
238
ebene der gebrochenen Strahlen durch die Mittellinie dd
geht, sind die beiden Winkel € und 6' gleich. Es ist da-
her für dieCs Prisma:
(16) ©'=6'
(17) t?''=6' +(a' — 6«)sin« 6 = a» — (a* — 6')cos' e,
und b die für alle Durchgangsrichtuügen constante Ge-
schwindigkeit in dem durch die Mittellinie gehenden, und
auf ff senkrechten Schnitte. Die veränderliche Geschwindig-
keit dagegen kann von 6 = 90^ bis €=-|- variiren, so dals
man t?'=a als das Maximum, und r'rsja*— (a*— 6')cos'y|^
als das Minimum erhält, wenn a^&. Ist aber a<Cb, so
wird auch hier aus dem Maximum ein Minimum und um-
gekehrt.
Die Maxima und Minima der veränderlichen Geschwin-
digkeiten V und v' treten also in diesem Falle und dem
vorigen entweder dann ein, wenn die zugehörigen Strah-
lenbündel durch die Ebene der Axen gehen, oder wenn
sie eine gegen diese Ebene senkrechte Richtung haben.
Für das dritte Prisma R, in welchem die auf der bre-
chenden Kante senkrechte Durchgangsebene der Strahlen
in die Ebene der Axen fällt, so dafs 6 = €' + «, folglich
€ — 6'=a und € + € =2€'H-a, wird
(18) f?'=6'+(a'— 6')sin^-|
(19) f?'' = 6'-h(a'— 6«)sin'(6'+-|),
und in diesem Falle die Geschwindigkeit f) constant. Die
veränderliche Geschwindigkeit v* kann dagegen von 6'= — -l*
bis €' = 90^ — — - variiren, so dafs man f)'=zb als das Mi-
nimum und v' = a als das Maximum erhält, wenn a^i.
Für a<lb wird. auch hier aus dem Maximum das Minimom
und umgekehrt.
Werden nun diese im Sinne <]er Undulationstheorie ge-
nommenen Gleichungen zur Berechnung des Axenwinkek
239
im Afragonit angewandt, so hat man in Folge der Tabelle
' Seite 228 ffir den Strahl J9 aus (15):
ferner aus (16):
folglich aus (18):
»' =i-;6^ =0,35364 = 6» +(«'- 6')8in» f,
woraus
und a=17°50\ Berechnet man eben so noch die Axen-
winke! für die Strahlen Hy E und B, so erhält man, fol-
gende Tabelle:
Strahl.
H
E
D
B
Berechnete "wahre Axenwiokel des
ArragoDits.
IS*» 26'
18 2
17 50
17 58
aus der sich der Axenwinkel in seinem Mittelwerthe für
die txi E und D gehörigen gelben Strahlen =17^56' er-
giebt. Es hat aber Brewster') mittelst des von ihm
selbst bestimmten Brechungsexponenten 1,693 den Axen-
Winkel im Arragonit =18^18', mittelst des Rudberg'-
schen Exponenten aber diesen Winkel = 17^ 33' gefun-
den. Da nun der hier berechnete Werth von 17^ 56' ge-
nau in der Mitte zwischen diesen beiden , von Brewster
bestimmten liegt, so kann man sagen, dafs beim Arragonit
die Theorie mit den Beobachtungen übereinstimmt.
In der vorstehenden Tabelle ist es zugleich uuverkenn-
I bar, dafs die Axenwinkel von dem violetten Ende H des
Spectruntis nach dem rothen B hin kleiner werden, indem
p die Abweichung von dieson Gesetze bei B ohne Zweifel
9 1) Diese Annaleo Bd. 27, S« 604.
240
nur in einer weniger genauen Bestimmung der xa diesem
Strahle gehörigen Exponenten ihren Grund hat
Sprächen nicht tausend andere Gründe gegen die Ema-
nationstheorie, 80 würden schon Rechnungen , wie diese,
fOr die alleinige Wahrheit der Undulationstheorie zeugen
können. Werden die Fresnel'schen Gleichungen in dem
Sinne der ersteren verstanden, so geben sie Resultate, de-
nen die Natur widerstrebt; dieselben Gleichungen aber,
für die Undulationstheorie genommen, sind in vollkomme-
nem Einklänge mit der Natur.
Werden die Gleichungen (9) und (10) für die Undu-
lationstheorie auch auf den Topas angewandt, so findet man
folgende Axcuwinkel:
StraM.
H
E
D
B
Berechnete wahre Axenwinkel des
Topas.
55« 10'
56 58
56 58
56 6
so dafs man als Axenwinkel für die gelben Strahlen etwa
57 "* bekommt. Es weicht dieser Winkel von Biot's Mes-
sungen also immer noch um 7° ab, die Differenz ist aber
Aoth um 1^ geringer, als sie sich nach Rudberg's Rech-
nungen herausstellt.
Rudberg selbst macht darauf aufmerksam, daCs der
Grund, aus welchem er die fehlende Uebereinstimmung zwi-
schen der Theorie und den Beobachtungen beim Arragonit
erklären zu können glaubte, bei einer so grofsen Differenz»
wie sie hier beim Topas gefunden ist, nicht ausreichend
sey. Es geht diefs ja auch schon daraus hervor, weil sonst
beim Arragonit, wo der Trennungswinkel der beiden aus-
tretenden Strahlenbündel nach Rudberg's Rechnungen
mehr als 2^ beträgt, diese Differenz gröfser sejn müfste,
als beim Topas, für welchen der Trenn ungswinkel nach
Rudberg's Angabe nur 21' hat, während doch gerade
umgekehrt beim Arragonit die Theorie mit den Messungen
über-
241
fibereio8timmt^ Auch der Umstand, dafs die Axen^inkel
der Terschiedenen Farbeu Terschiedeu siud, kann zur Er-
klärung einer so grofsen Differenz nicht ausreichen, weil
sonst dasselbe auch beim Arragonit stattfinden müfste. Es
bleibt vielmehr nur der schon von Rudberg behauptete,
und von Brewster durch seine Beobachtungen an dem
brasilianischen Topas bestätigte Grund übrig, dafs die Axen-
Winkel in verschiedenen Individuen des Topas eine ver-
schiedene Gröfse haben, wie diefs ja auch bei anderen
Krjstallen, z. B. dem Glimmer, der Fall ist, dessen Axen-
winkel von 6" bis zu 45^ variirend gefunden wird.
Dafs die Axenwinkel sich im Topas gerade umgekehrt,
wie im Arragonit verhalten, dafs sie von dem violetten
nach dem rotheu Ende hin zunehmen, ist aus der vorste-
henden Tabelle offenbar, indem auch hier die Abweichung
von diesem Gesetze bei B gewifs nur durch die nicht ge-
naue Bestimmung der zugehörigen Exponenten entstan^
den ist.
Da Rudberg's Abhandlung, die auch ins Französische
und Englische übersetzt ist, bei ihrer allgemeinen Verbrei«
tung in den optischen Schriften oft angeführt wird, so habe
ich die Veröffentlichung der vorstehenden Berichtigung der
Rudberg' sehen Rechnungen für eine der Wahrheit schul-
dige Pflicht um so mehr halten müssen, da der Unterschied
der für die Geschwindigkeit des Lichtes in beiden Theo-
rieen gültigen Formeln, wie ihn Rudberg feststellt, auch
in anderen Gebieten der Optik, namentlich in der Theorie
der chromatischen Polarisation zu uunöthigen Weitläufig-
keiten leicht verleiten könnte.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX> 1^
242
V. Veber ftoihcvendig scheinende Ergäftzühg^n der
Beobachtungen über die Boden - Temperatur in
Sibirien; von ßaer.
(Aas dem Builetin de la Classe physico-mathemalique der Petersbai^ger
Akademie T. VIU.)
r\ls dnsere Akademie sich die Aufgabe gestellt hatte, den
Schergin -Schacht in Jakutsk zur Untersuchung der Boden-
Temperatur in Sibirien, sowie zur Bestimmung der Wärme-
Leitungs-F^higkeit und der Mächtigkeit des Eisbodens ins-
besondere zu benutzen, konnte die zum Entwürfe eines
Planes für die Sibirische Reise ernannte Commission nicht
umhin, die Frage sich zu stellen: Ob nicht die Wfinde
des genannten Schachtes durch die von aufsen eindringende
Luft merklich gegen den umgebenden allgemeinen Boden
abgekühlt seyen? Um eine Entscheidung über diesen Zwei-
fel zu erhalten, wurde in der Instruction verlangt, daCs in
verschiedenen Tiefen immer je zwei Thermometer ifn die
Wand des -Schachtes, das eine nur auf einen, das andere
bis 7 Fufs von seiner Höhlung entfernt eingelassen wer-
den sollten.
Bekanntlich ist diese Aufgabe, trotz der localen Schffie-
rigkeiten, die man hier nicht so grofs voraussehen konnte,
mit Vieler Beharrlichkeit durchgeführt, so wie auch meh-
rere neue Gruben und Bohrlöcher, theils in der unmittel-
baren Nähe von Jakutsk , theils in gröfseren Entfernungen
angelegt und Messungen der Boden - Temperatur in ihnen
angestellt sind. Die Nothwendigkeit solcher Vergleicbungs-
punkte war im Verlaufe der Beobachtungen immer mehr
hervorgetreten.
Die Beobachtungen selbst konnten' von unserm geehr-
ten Collegen, Hrn. V. Middendorff, nur begonnen wer-
den ^), sie sind theils von anderen Mitgliedern der Reise-
gesellschaft, theils von fremden, dazu tüchtig befundenen
und zu diesem Zwecke unterwiesenen Personen fortgesetzt
worden.
1) S. Annal. Bd. 62, $.404.
243
Wir haben auch schon seit längerer Zeit die wissen-
schaftliche Bearbeitung aller auf dieser Reise gesammelten
geothermischen Messungen von Hrn. von Middendorff
iw ersten Bande seines Reisewerkes erhalten. Unser geehr-
ter Herr College kommt im Allgemeinen zu dem Resultate,
dafs die Wände des S che rg in -Schachtes sich zwar in den
oberen Thcfilen wahrscheinlich ein wenig abgekühlt haben,
nämlich in der Tiefe von 50 Fufs unter dem Eingange, vom
Jahre 1839 bis zu den Jahren 1S44 — 1846 um 0%6 R.
etwa; dafs aber in gröfseren Tiefen die Temperatur ziem-
lich beständig geblieben sej. (Middendorff 's Reise,
Bd. I., S. 157.) Daraus wird gefolgert, dafs die Beobach-
tungen in der Wand des Seh ergin -Schachtes uns ein an-
nähernd richtiges Maafs für die Boden -Temperatur jener
Oegend, für die Leitungs- Fähigkeit des gefrornen Bodens,
und, was nolhwendig damit zusammenhängt, für die Mäch-
tigkeit desselben geben.
Nachdem ich sämmtliche Beobachtungen und die aus-
führlichen Deductioneu aufmerksam durchgegangen bin, um
Ober das Ergebnifs derselben in den „Beiträgen zur Kennt-
nifs des R. Reiches*' ') zu berichten, kann ich nicht um-
hin, eine ziemlich abweichende Ueberzeugung zu gewin-
nen, eine Ueberzeugung, nach welcher der auffallende Wi-
dersprach zwischen den Temperaturen in den neuen Gru-
ben und dem Schergin-Sqbachte ^ich ganz anders lösen
würde.
Ich glaube nämlich mit überwiegender Wahrscheinlich-
keit nachweisen zu können, dafs die Wand des Schergin,-
Schachtes sich sehr bedeutend abgekühlt hat, wohl mehr
als irgend ^in Mitglied der Commission früher geglaubt
haben würde.
Uqs zu der Annahme einer bedeutenden Abkühlung des
:Sch ergin-Schachtes um mehrere Grade der Reaumur'schen
ßc^le geneigt a^u ipachen , sollen wir zuvöicdert ^\e neuen
1 ) Die zweite Hälfie des 9. Bandes dieser Beitrage, welche die Geschichte
der naturhistorischen Reisea, die inDerhalb des Rassischen Reiches von
1840 — lfiM5 angestdU mi^, «9tha|t, wird 39 eben jiedruclft.
16*
244
•
Gruben und Bohrlöcher mit dem Schergiu-Sdiachte tct-
gl eichen.
In der unmittelbaren Nähe von Jakutsk, d. b. nur we-
nige Werst Ton der Stadt entfernt , wurden auf dem lin-
ken Lena -Ufer drei Gruben angelegt. Der Eingang In die-
selben'lag durchschnittlich 350 Fufs höher als der Eingang
in den Seh ergin -Schacht, welcher nur 36 Fufs höher als
das Eis der Lena gefunden wurde. Man hätte also in ihneD,
so sehr auch die Linien gleicher Boden - Temperaturen den
Unebenheiten der Oberfläche des Bodens zu folgen streben,
eher eine niedere Temperatur als im Schergin-Schachte,
bei gleicher Tiefe vom Eingange, erwarten sollen, da die
weit unter 0^ stehende mittlere Jahres -Temperatur der
Luft hiesiger Gegend auf die hohen Ufer auch von der
Seite wirken mufs, auf die Sohle des Lena -Thaies aber
nur von oben. Allein die Beobachtungen zeigten umge-
kehrt in den neuen Gruben den Boden in gleicher Tiefe
um mehrere Grade wärmer als im Schergin- Schachte. Die
neuen Gruben hatten 6 Fufs im Quadrat und meistens
ward, vom Boden der Grube ausgehend, tiefer gebohrt.
^ Eine dieser Gruben, die Leontjew Grube genannt, wurde
nur bis 20 Fufs tief getrieben, füllte sich aber dann mit
Wasser aus den obersten Erdschichten und konnte nicht
weiter benutzt werden. Bis zu einer Schicht bleibender
Temperatur gelangte man also hier gar nicht. Wir bemer-
ken nur, dafs in der Tiefe von 20 Fufs, vor dem Ein-
dringen des Wassers (am 19. Juni), — 4** R. beobachtet
wurden, wogegen im Seh ergin -Schachte in der Tiefe vou
20 Fufs in keiner Jahreszeit weniger als — 6" R. abgele-
sen sind. Bine zweite, die Mangan- Grube, wurde im Win-
ter 28 Fufs tief gegraben. Dann wurde vom Boden der-
selben noch 28 Fufs weiter gebohrt. In der Tiefe voo
20 Fufs, 1 Fufs weit von der Wand des Schachtes fand
man zuerst im März — 6^,3 R. als Wirkung des ganzen
vorhergegangenen Winters; bis zum Schlüsse des Mais stieg
hier die Temperatur auf — 4*^,6 R., so dafs man am 19.
Juni auch wohl gegen — 4** R. gefunden haben wfirde,
245
wenn man um diese Zeit noch beobachtet hätte. In 50
Fufs Tiefe, wo für die initgeuoinmenen Thermonieler gar
kein Wechsel nach den Jahreszeiten erkennbar seyn konnte,
las man im Mai —3^2 bis — 3'S3 ab. Eine dritte, die
ScbiloW' Grube, wurde im Sommer 1844 nur 19 Fufs tief
getrieben und dann 52 Fufs weiter gebohrt, im Februar
1845 ward aber die Grube bis auf 35 Fufs vertieft und
dann noch 25 Fufs gebohrt. Am 7. April begannen die
Beobachtungen in der Tiefe von 50 Fufs, und sie wurden
bis zum 14. Mai desselben Jahres fortgesetzt. Sie gaben
zuerst — 2",5 und zuletzt — 3'*,0. Im folgenden Jahre
wurden die Beobachtungen in derselben Tiefe im April,
Mai und Juni wiederholt. Sie schwankten nun zwischen
— 3",1 und — 3^,2. Nehme ich diese Temperatur als dio
bleibende an, wovon ich den Grund später anzeigen
werde '), so stimmen die Mangan- und die Schilow-Gruhe
darin überein, dafs sie in 50 Fufs Tiefe die Temperalui
von — 3*^,2, mit der Schwankung von — 0°,l geben. Die
LeonifeW'Grvhe widerspricht nicht, da sie 50 Fufs Tiefe
gar nicht erreichte. Im Seh ergin -Schachte aber las man
in 50 Fufs Tiefe an dem nähern, d. h. nur um einen Fufs
eingesenkten Thermometer nach den verschiedeneu Zeiten
zwischen — 6°,9R. und — 9",1 R. ab, und an dem wei-
tern (7 Fufs eingesenkten) Thermometer zwischen — 6°,5
und — 6° R. Aber die Ucbereinstimmung der neuen Gru-
ben und ihrer Bohrlöcher wird noch auffallender, wenn
wir in die obern, nach den Jahreszeiten ihre Temperatur
wechselnden Schichten übergehen. Am 18. Juni las man
in der Schilow- Grube in 20 Fufs Tiefe — 4° R. ab, und
genau dieselbe Zahl am 19. Juni in der Leontjew- Grube.
Wir haben schon oben gesagt, dafs man in der Mangan-
Grube ^icht bis in den Juni beobachtete, dafs aber aus den
Beobachtungen des Mais sich schliefsen lasse, die Tempera-
tur werde in derselben Zeit und Tiefe ausgeführt — 4 R.
1) Ich -werde weiter unten zu zeigen versuchen, dafs auch die Wände
dieser Gruben oder kleinen Schachte während der Arbeit sich merklich <
abkuhhen, was nicht ohne Wirkung auf die Bohrh>cher blieb.
246
gewesen seyn. Der Schergin- Schacht aber hat io 20 Fufs
Tiefe am 21. Juni 1845 — 9",4 am nfihem und — 9^3
am weitern Thermometer.
Sollen wir nun die Angaben des Schergin-Schachtes
oder die der drei neuen Gruben mit ihren Bohrlöchern
für die richtigeren in Bezug auf den allgemeinen nnanfge-
schlossenen Boden ansehen? Allerdings lagen di6 neuen
Jakutsker Gruben nicht weit von einander, and irgend ein
weit wirkender Grund för locale Erwärmung hätte auf alle
drei gleichen Einflufs ausüben können. Aber auch alle
weiter abstehenden neu angelegten Gruben stimmen offen-
bar mehr mit den neuen Jakutsker Gruben als mit dem
S ch e r g i n - Schachte.
Leider kann man bei diesen entfernten nicht anmittel-
bar die Boden -Temperatur mit der Luft -Temperatur ver-
gleichen. Indessen folgert Hr. ▼. Middendorff selbst
aus einer ganz kurzen Reihe von Mai- Beobachtungen in
der Luft von Amginsk (200 Werst nach Südosten von
Jakutsk), dafs in dieser Zeit die Temperatur in Amgiusk
I ^,44 R. höher war als in Jakutsk. Nehmen wir hiernach
an, dafs die gesammte Jahres -Temperatur in Amginsk etwas
über einen Grad wärmer ist als in der letztem Stadt, so
stimmen die Grube (28 Fufs tief) und das Bohrloch (32
Fufs tiefer) wieder ganz gut mit den ähnlichen neuen Anla-
gen bei Jakutsk, und gar nicht mit dem Schergin-Schacbte.
Man fand in Amginsk auf 50 Fufs Tiefe bleibende Tem-
peratur — 1*^,9, und in 20 Fufs Tiefe zuerst im Mai — 2^2
— 2^,5, im April des zweiten Jahres (eigentlich bei 21FuGs
Tiefe) etwas mehr * ).
Noch 200 Werst weiter in derselben Richtung nach SO
wurde bei der Mündung der Mc^a in den Äldan eine Grube
21 Fufs tief getrieben, das Bohrloch konnte Jedoch wegen
vorkommender Felsen nur 14 Fufs gefördert werden. Die
Temperatur in 20 Fufs Tiefe, von Ende März bis zum 3.
April, — 1»,15 bis — 2«,15 R., und in 35 Fufs von — Vfi
1) Voo dieser Zunahme spSter. Jetfct kam es aur darauf an, die groCw
AbwetckoDg rom Schergin>Schacbie zu seigen.
247
bis — l",9i5 scheint wieder mehr mit allen neueti BroDueu
zu stiiutneü.
Nach Süd- Westen von Jakutsk nimmt die Boden- Tem-
peratur, wie sich erwarten liefs, noch rascher zu als nach
SQ. In OlekmtHsk hatte man allerdings im Juli in 2Q Fufs
Tiefe — 0^,3 unä in Witimsk (freilich im September) über
+ 3^ R. Hat nun auch bei der letzten Ablesung ein gro-
fser Theil der Sommer -Temperatur schon eingewirkt, so
scheint doch der völlige Mangel bleibenden Boden -Eises
mehr mit den neuen Gruben und Bohrlöchern als mit der
Temperatur im Schergiu-Schachte zu stimmen. Dasselbe
scheiut mir ron dem Boden bei Turuchansk zu gelten, der
ungefähr 0" mittlere Temperatur in seinen veränderlichen
und etwas mehr in den nächsten unveränderlichen Schieb-
ten hat. Doch will ich auf diesen entfernten Punkt, dessen
mittlere Luft -Temperatur ganz uubekannt ist, kein Gewicht
legen, um die Beweiskraft der anderen nicht zu schwächen.
Wenn nun aber die Temperaturen in den neuen Bohr-
löchern bei Jakutsk unter sich gut übereinstimmen, die Tem-
peraturen im Seh ergin -Schacht dagegen vißl tiefer sind,
wenn die Gruben und Bohrlöcher in Amginfk, lJ$t-Maisk,
Olekminskf Witimsk ^ auch wohl die iu Turuchansk augen-
scheinlich besser mit den neuen Jakutsker Gruben stimmep
als mit dem Seh ergin- Schachte^ mufs man da nicht .diesen
für die Ausniabme und jene für mehr regelrecht halten, welche
die Temperatur des Bodens, bevor er aufgeschlossen ist,
viel näher angeben?
Wprin 9ber kann der Grund liegen, daCs die Wandung
des Schergin-Scbachtes um mehrere Grad kälter ist als
der allgemeine Bpdeu dieser Gegend?
Ich weifs mir nur eine dreifache Möglichkeit zu denken.
Entweder ist ein bleib^eudier und gleichmäfsig fortwirkender
Grund vorhanden, der den Punkt, auf welchen gerade der
Schergin-Schacht traf, in Isedeutepd niederer Temperatur
als die Umgegend erhält; oder ZYyeiteus, es wirkte früher
eine abkühUude Ursache, deren Wirkung noqb nicht auf-
gehört hat; Qder drittens, es i$t später, nach dem Bau des
248
Schachtes uud vielleicht durch diesen Bau selbst, eine Ab-
kühlung eingetreten, deren Wirkung, wenn auch nicht im
Wachsen begriffen, doch noch fortbesteht.
Für die erste Möglichkeit, eine bleibende locale gröfsere
Bodenkälte, wüfste ich nur solche Gründe zu finden, welche
mit dem hier weit verbreiteten und mächtigen Alluvial -Bon
den unvereinbar sind.
Die zweite Möglichkeit einer vorhergegangenen Abküh-;
Inug in der Tiefe, die noch nicht ganz gehoben wäre, bat der
Commission allerdings vorgeschwebt. Die Beobachtung der
Local- Verhältnisse uud die Reihenfolge der Temperaturen
nach der Tiefe sprechen einer solchen Vermuthnng aber
nicht das Wort. Nehmen wir z. B. an, dafis vor einigen
Jahrhunderten beim Eisgange der Lena, zu welcher Zeit
die obern Erdschichten der benachbarten Ufer auf 13^ bis
15^ R. unter 0^ 'erkaltet seyn konnten, gefrorne Schollen
derselben mit Eisschollen gemischt an 60 Fufs hoch aufge-
häuft wurden, so könnten vielleicht Jahrhunderte vergehen,
bevor solche Schichten die Temperatur annehmen worden,
welche der erlangten Lage hier zukommt, besonders wenn
später neue Ueberschüttungen eintraten. Es sollen sich
allerdings auch in den Wänden des Schachtes, bis 72 Fufs
Tiefe, Holzstämme und Wurzeln, dann in viel ansehnliche-
ren Tiefen, zfvischen 104 und 384 Fufs, auch Spuren von
Pllanzenresten finden, die einmal von der Oberfläche ge-
kommen seyn müssen. Ihre Lagerung wird in dem älteren
und dem neueren Berichte nicht näher beschrieben. Da-
gegen beobachtete Hr. v. Middendorff zahlreiche wel-
lenförmige Abgränzungen dünner Schichten, welche häufige
uud oft wiederholte Ueberfluthungen anzudeuten scheinen
uud zwar von fliefsendem Wasser, das doch nur unbe-
deutend unter 0^ erkaltet gewesen seyn könnte. Ferner
lassen sich bedeutende Ueberstürzungen gefrorner Erdschol-
len ohne Eisschollen, welche die Treiber abgeben würden,
hier bei der Tiefe bis zu welcher der Boden gefroren ist
kaum denken, und selbst bei Unterwaschungen eines über-
hängenden gefrorenen Ufers würden die Einstürze, wenn
249
sie zur Zeit des Einganges erfolgten, wahrscheinlich Eis-
schollen mit verschütten. Zusammenhängende Eismassen hat
man aber in der Wand des Seh er gtn- Schachtes nicht be-
merkt, wie eine solche in der Grube zu Amginsk sich selir
bemerklich machte (Reisewerk, Bd. I. S. 116). Verschüttete
Erdschollen würden nach verschiedener Richtung geneigte
Schichten erzeugen. Aelterc Berichte {Bull, de VAcad.,
Bd. III. p. 195) sprechen aber nur von einer deutlich ge-
neigten Schichtungs- Fläche, und auch diese wird zweifel-
haft, da Hr. v. Middendorff ihrer nicht erwähnt. End<
lieh fand sich die Temperatur in der Wand des Schachtes
nach der Tiefe hin zwar nicht ganz gleichmäfsig, aber doch
so coutinuirlich wachsend, dafs nirgends eine Schicht ge-
funden wurde, welche eine geringere Temperatur als eine
höher liegende bewahrt hätte.
Es fehlt also wenigstens jeder Beweis einer plötzlichen
hohen Ueberschüttung, deren Temperatur noch nicht aus-
geglichen wäre.
Gehen wir dagegen zu der dritten Möglichkeit, zu einer
später eingetretenen und noch anhaltenden Abkühlung über,
so glaube ich diese, wo nicht bis zur vollen Evidenz er-
weisen, doch in sehr hohem Grade wahrscheinlich macheu
zu können.
Wenn man die seit Middendorff's Ankunft in Ja-
kutsk, im April 1844, in der Wand des Schachtes angestell-
ten Temperatur- Beobachtungen in ihrer chronologischen
Reihenfolge läfst, sie aber in Gruppen theilt, um Mittel-
zahlen zu finden, und die Ablesungen an den weitern Ther-
mometern als den weniger dem wechselnden Einflüsse des
Zutrittes der Luft unterworfuen wählt, so findet man die
Mittel- Temperaturen, welche die folgende Tabelle mit Aun
gäbe der Zahl von Beobachtungen, aus welchen sie abge-
leitet sind, enthält.
250
Mittel der I^emperatar-Ablesangen (ft^) an den 7 nüb In die Wand
dea Sobachtea von Jakatak eiDgelaaieoen ThemoBiaterDi aoa ehreao-
logiach geordneten Grappea abgeleUet
(s SB Zahl der Beobachtan^aa.)
Tiefe.
1844
Apr. Nov. Dec
1845
Jan. — Mai.
2545
JuDl — Nov.
R*.
X.
K\
R».
X,
1846
l<*ebr. — Juni.
R».
50 Fufs
100 -
150 -
200 -
250 -
300 -
350 -
382 -
Ml
5,13
4,515
3,85
3,34
2,972
2,615
2,395
10
10
10
10
9»)
9«)
10
10
6,64
5,24
4,62
3,90
3,33
3,02
2.73
2,411
10
10
10
9»)
10
7
10
9
6,67
5,195
4,66
4.38')
3,33
3,195
2,778
2,40
20 •
19
19
13«)
5
19
19
3
6,63
5,30
4,60
4,50
3,25
2.80
2
2
2
2
2
2
Die vom April 1844 bis zum Jani 1846 forfgeheode
Abkühlung scheint mir nach dieser Tabelle nicht nur evident,
sie ist sogar fast so gleichmäfsig als man von einer Reihe
von Beobachtungen, die in unregelmäfsigen Intervallen and
von verschiedenen Beobachtern angestellt sind, nur immer
erwarten kann. Nur die Station von 250 Fufs Tiefe will
nicht mit einstimmen; allein in dieser hört die Reihe der
mitgetheilfon Ablesungen mit dem Juli 1845 auf, weil es
sich erwies, dafs das Thermometer verdorben war.
Wenn man aus vorstehender Tabelle die von 1844 bis
1846 noch fortgehende Abkfihlung erkannt hat, so löst sich
ein sonst schwer zu lösendes RSthsel auf die einfachste
Weise von der Welt. Hr. v. Middendorff hat nimlicb,
um den Einflufs der Jahreszeiten auf die Boden -Tempera-
1) Eme zweifelhaft gewordene Ablesung, die in dem Reisewerke mit ei-
nem Fragezeichen notirt wird, ist hier nicht in die Bereclinuof geftogep«
2) Zwei Ablesungen sind nicht in die Berechnung gezogen.
3) Diese Mittelzahl ist aus Ablesungen abgeleitet, die Hr. ▼. Middco-
dorff (ur irrig hielt, da der Quecksilberfaden sich gellieik' haben aolL
Allein sie stimmen ganz gut mit den anderen. Der leere Raum in der
Theilung raufs ganz unbedeutend gewesen sejn (wenn überhaupt die
eingegangenen Berichte nicht irrig waren ) , da sonst die Ablesungen hö-
here Temperatur- Grade gegeben hätten. Bd. 1, S. 109 des Reiic-
werkes.
251
tur zu erkennen, alle früheren und späteren Beobachtatt-
geü vereint und nach den Jahres- Cyclus gruppirt. Er
kommt dabei auf das auffallende Resultat, dafs auch in
Tiefen, die dem Einflufs der Jahreszeiten nicht mehr un-
terworfen seyn sollten, an den weiteren Thermometern, also
7 Fnfs von der Höhle des Schachtes ' ), im November eine
Erwärmung beginnt, die im December in den meisten Sta-
tionen ganz bestimmt mefsbar und so auffallend ist, dafs
sie nicht mehr auf Ablesungs -Fehler beruhen kann. Was
aber kann im Inneren der Erde vorgehen, das mit dem
Verlaufe der Jahreszeiten isochronisch wäre? Wie also
wäre eine solche Erwärmung erklärbar? Ganz einfach durch
Sonderuüg der Jahre. December- Beobachtungen haben wir
nur vom Jahre 1844. Auch haben wir von diesem Jahre
drei November- Beobachtungen, von dem Jahre 1845 nur
zwei, und von 1846 gar keine. Wenn nun die Abkühlung
in den Jahren 1844 bis 1846 noch fortging, so ist die noth-
wendige Folge, dafs, wenn man nach den Monaten sum-
mirt, der November etwas und der December bedeutend,
wärmere Temperaturen zeigt, als die anderen Monate, die
entweder iin Jahre 1844 fehlen, oder im Jahre 1846 noch
vorkommen.
War aber die Abkühlung vom April 1844 bis zum Juni *
1846 noch mefsbar, so kann man wohl nicht zweifeln, dafs
sie früher,* so lange die Arbeit noch fortging, noch viel be-
deutender war. Das wird auch durch frühere vereinzelte
Beobachtungen bestätigt. Hr. Prof. Er man beobachtete
im April 1829, in der Tiefe von 50Fufs, bis zu welcher
die Grube damals getrieben war, — 6'* R. ; Hr. v. Mid-
dendorff hat diesen Vergleichungs- Punkt nicht übersehen,
allein da ihm das weitere Thermometer in dieser Tiefe
durchschnittlich — 6",6 R. zeigte, so folgert er eine ge-
ringe Abkühlung. Da jedoch Hr. Er man sein Thermome-
ter nicht so tief einlassen konnte, und schon damals ohne
1) Ich nenne inimer diejenigen Thermometer, welche 7 Fufs von der
Höhlung des Schachtes abstanden, die weitern, und die 1 Fufs ab-
stehenden die nähern..
252
m
Zweifel, wie die neuen Gruben nachweisen, der Zutritt
dei* Luft abkühlend gewirkt hatte> auch diese Einwirkung
zuvörderst die nächsten Schichten erfaCßte, so werden wir
wohl eine richtigere Vergleichung haben, wenn wir unser
näheres Thermometer von derselben Tiefe verglerchen. Für
dieses geben die neueren Beobachtungen im Jahre 1844
— 6",9 bis — 9",1 und im Jahre 1845 — 7^8 bis — 9",1.
Die Station von 50 Fufs Tiefe hat sich also , 1 Fufs von
der Höhlung des Schachtes, von 1829 bis 1845 beinahe
um 3° abgekühlt.
Auch die früheren Beobachtungen des älteren Schergin
scheinen mir die seitdem bedeutend vorgeschrittene Abküh-
lung zu erweisen. Ich bin weit davon entfernt, sie für
sehr genau zu halten, da es in die Augen springt, dafs
Seh ergin nur auf Ablesung von ganzen Graden ausging,
und dafs er, wenn die Quecksilber -Säule nicht bei einem
vollen Grade endete, einen halben notirte. Dafs sie aber
nicht völlig ohne Werth sind, glaube ich an folgender Zu-
sammenstellung erweisen zu können, welche in der linken
Hälfte Schergins Temperatur-Notizen enthält, in der rech-
ten Hälfte aber diejenigen Temperaturen, welche dieselben
Tiefen nach den Beobachtungen unserer Expedition von
1844 bis 1846 zeigten. Da unsere Expedition Beobach-
tungs- Stationen von 50 zu 50 Fufs hatte, so brauche ich
kaum zu bemerken, dafs die Temperatur für 77 Fufs ans
den Mittel -Temperaturen, die Hr. v. Middendorff für
50 Fufs und für 100 Fufs gefunden hat, berechnet ist, eben
so für 119 Fufs aus den Mittel -Temperaturen für 100 und
150 u. s. w. Ausdrücklich aber hebe ich hervor, dafs ich
die Ablesungen an den weiteren Thermometern gewählt
habe, um so nahe als möglich die Temperaturen zu erhal-
ten, welche die entsprechenden Erdschichten haben müfs-
ten, wenn keine Erkältung stattgefunden hätte, im Falle
die Temperaturen der Wände des Seh ergin- Schachtes
uns wirklich die Temperatur der allg(5meinen Erdschichten
anzeigten.
253
Temperaturen
derselben
Schergiii*s Temperatur -Beobacl
itangen im
Tiefe nach den
Diffe-
Boden des Schachtes.
Beobachtun-
renzen.
gen der Sibir.
Expedition.
Zeit der Beobach-
Tiefe.
Tempera-
1844—1846.
tungen.
turen.
?
77 Fufs
— 5^5 R.
- 5»,97
— 0,47
?
119 -
-4,0
-4,99
— 0,99
?
217 .
-2,0
-3,70
— 1,70
1. April 1836
301 -
-1,0
\
15. Octüber 1836
——
-1,5
- 3 ,10
-2,22
27. November 1S36
^ _
— 0,5
28. Januar 1837
— .
— 0,5
I
31. IVIäri 1837
373 -
-0,5
— 2,51
— 2,01
Die letzte Columne zeigt ans die Differenzen zwischen
den Seh ergin 'sehen Beobachtungen und der Temperatur
der entsprechenden Erdschichten, wie die neuern Beobach-
tungen sie nach den weiteren Thermometern anzudeuten
scheinen.
Wie soll es nun zugehen, dafs Schergin die tiefsten
Stationen 2 Grad zu warm fand? Er setzt sein Thermo-
meter in den Boden des Schachtes ein, und unterschied
dessen Temperatur von der Temperatur der Luft im Schachte.
Er hätte also, wenn wir zugeben, dafs keine spätere Ab-
kühlung eintrat, die bleibende Temperatur der verschiede-
nen Boden -Tiefen ablesen sollen. Solleu wir annehmen,
da(s seine Thermometer völlig falsch waren? Dagegen spricht
der Umstand, dafs in den höheren Stationen die Differen-
zen viel geringer sind. Ja, diese Differenzen sind ziemlich
regelmäfsig wachsend , wodurch auch die Vermuthung wi-
derlegt wird, dafs etwa die Arbeit in der Grube Luft und
Bodeo erwärmt habe, da sich nicht absehen läfst, warum
die Gruben -Arbeit in der Tiefe von 77 Fufs den Boden
nur um 0^,4 und dann immer mehr bis über 2 Grad er-
wärmte. Die fast regelmäfsige Zunahme der Differenzen
spricht auch gegen eine völlig unaufmerksame Ablesung,
welche um einige Grade falsch gewesen wäre. Eine grofse
Genauigkeit soll damit nicht behauptet werden, da über-
254
haupt nur halbe Grade verzeichnet sind, und die vierfa-
chen Angaben fQr den Boden als er 43 Faden (301 Fufs)
tief war, schlechte Ablesungen oder Schreibfehler vermu-
then lassen. Solche Liederlichkeiten können aber keine
Progression geben. Wir erkennen dagegen in einer sol-
chen Progression eine Abkühlung, die allmälig weiter dringt,
und um so auffallender wird, je wSmer ursprOaglich die
Erdschichten vor der Eröffnung waren ^ ).
Das Maafs der Abkühlung haben wir nicht vollständig
in den Differenzen zwischen den Beobachtungen Scher-
gin's und denen der Expedition, denn sie wufste schon
während der Arbeit wirken, hatte also schon gewirkt als
Schergin in der Tiefe von 77 Fufs sein Thermometer
in den Boden einsetzte und olme Zweifel schon als Hr.
Prof. Erman nach Verlauf des ersten Winters in 50 Fufs
Tiefe beobachtete.
Ja, ich kann nicht umhin eine allmälige, wenn auch
geringe Abkühlung aus allen Beobachtungen heraus zu le-
Rcn, welche Hr. ▼. Middendorf f .aus den neuen Grüben
uns mittheilt, mit Ausnahme der Witim»k -Gruhis^ -wo Aher-
nll der Boden mehrere firade über dem NuHpuukie er-
wärmt war.
I) Mao könnte mir einwerfen, daCi ich, wie bei der Yergleichoi^ der
Krm aussehen Bcobaclitungen mit den neuem, die nahem Tbcnnoroe-
ler der leitlern in der obigen Tabelle hätte vergleichen sollen. Allein
es kam vorxtiglich darauf an, aDschaolich ku machen, dafs die Scber-
gin 'sehen Beobachtungen fast gar nicht mil der Ueberaeqgung ga rtr-
cluen sind, dafs die jeuigen Temperaturen ira Schergin -Schachte die
wahren Boden -Temperatuien auch nur annähernd angeben. Für die-
sen Zweck waren die mehr schwankenden Angaben der nalkcm Ther-
mometer weniger brauchbar, da die weitem Thermometer dorcfa die
Progi*ession der Diflerenzen beweisen, dafs SehergiD*« BeobaditnngCB,
wenn auch gewift nicht sehr genau, doch nicht .gattt su verwerfen sind.
Indessen habe ich auch die nähern Thermometer- Angaben unserer
Expedition mit den Schergin*schen verglichen und folgende DilTeren-
*en gefunden: lur 77 F. Abkühlung um 1*,68; lur 119 F. um P,46;
Hir 217 F. um l*,5; für 301 F. um 1%66 und ITir 371 F. am 2*,05.
Diese Differenzen sind einander gleicher, mit sdiwankenden Wcehsel;
doch ist auch hier die tiefste em grö&ten.
255
Aödi die Oklminsk-Gfiahe kannte fOr unsere Ansicht
geltend gemacht werden, bat j^edoch wenig Beweiskraft, da
siib nar die Tiefe von 21 Fnfs erfeicAite, und in ihr nur
im Sotanliet beobachtet wurd^. In der Grube von Afnginsk
las man, in der Seitengrube in 20 Fufs Tiefe ^), am 27.
März — l^,2& und danft tSglich Tt^eniger WSrn^e, so dafs
am 3. April dasselbe Thermometer — 2**, 15 hatte. War
etwa die Welle der Winterkälte im Absteigen? Allein im
Bohrloche fiel in 35 Fufs, wo der Wechsel der Jahreszei-
ten kaum merklich sejn sollte, und zwar im Verlaufe ei-
ner Woche, die Temperatur von — 1",0 auf — 1®,55.
Auf allen bdhem Stationen (7' und 15') war die Zunahme
der Kälte noch auffallender. „Das ist )a offenbare Folge
vom Eindringen der äufseren Luft, welche am Ende des
Märzes und in den ersten Tagen des Aprils noch sehr kalt
seyn mufs", wendet man vielleicht ein. Wir zweifeln nicht
daran, sondern glauben an solchen Gruben und Bohrlöchern,
in denen in zweien Jahren beobachtet wurde, den augen-
fälligen Beweis von der anhaltend abkühlenden Wirkung
der eindringenden^ kalten Luft nachweisen zu können. In
der Amffinsk'Gvuhe wurde im Bohrlöche in 50 Fufs Tiefe
im Jahre 1845 zuerst — 1®,55, dann steigend bis — 1*',8,
in folgendem Jahre nur einmal — l'',75, meistens aber
(neunmal) — 1®,9 abgelesen. Das Mittel war für 1845
— 1^65 R., für 1846 aber — 1*^,88 R. In der Schilow-
Grnbe bei Jakutsk fand man in derselben Tiefe am 7. April
*- 2",5 R., im Mai desselben Jahres — 3",(l und — 3°,1,
im April des folgenden Jahres — 3",2. Beide Reihen von
Beobachtungen, welche allerdings nur eine Abkühlung von
einigen Zehntheilen von Graden anzeigten, wurden in Bohr-
löchern angestellt, welche aus dem Boden von nicht sehr
tiefen Gruben getrieben waren. In den Seitenwänden der
Gruben ging die Abkühlung sehr Tiel rascher vor sich,
worüber wir das Reisewerk selbst zu vergleichen bitten.
Wir haben damit auch schon die Ursache angedeutet,
1 ) In den neuen Grüben oder Schachten wurden die Thermomeler in
Seitenhahlen 4 Puh weit in die ^^and «ingesetxt.
256
der wir die bedeutende Abkuhlaog im Schergin-Schadte
zuschreiben. Die kalte Luft des Jakutsker Winters , die
häufig und anhaltend unter — 30^ R. erkaltet ist, mufBfe
nothwendig während der Arbeit und so lange der Schacht
nach seiner Vollendung offen stand, in ihn einsinken. Hätte
sie in ihm in Ruhe bleiben können, so wOrde die Wir-
kung dieser Luftsäule auf die Wand des Schachtes nicht
sehr bedeutend geworden sejn, allein in den tiefen Re-
gionen des Schachtes durch die Wand desselben erwärmt,
mufste sie immer wieder sich erheben, während andere
Luft einströmte. So mufste ein fortgehender Courant as-
cendant und descendant im Innern des Schachtes in den
kälteren Jahreszeiten bestehen, dessen Wirkung nur Ab-
kühlung sejn konnte, denn kältere Luft drang ein und
was die aufsteigende Luft an Wärme gewonnen hatte, war
ja der nächsten Umgebung des Schachtes entzogen. So
war es denn natürlich, dafs mit dem Weitertreiben des
Schachtes, man Wände und Boden gefroren fand, auch
nachdem man den Nullpunkt der gewöhnlichen Boden- Tem-
peratur schon überschritten hatte. Hätte man rasch bohren
können, so hätte man vielleicht den aufgethauten Boden er-
reicht, aber, ohne Bohrer, langsam mit Keilhaaen einen
Schacht von 3^^ Arschin oder 98 Zoll E. im Quadrat fort-
führend, arbeitet man, wie wir glauben, in den letzten
Jahren innerhalb einer Scheide von Boden-Eis, welche sich
mit der Förderung der Schachten von selbst verlängerte.
Dafs während der wärmeren Jahreszeit die atmosphärische
Luft nicht eindrang, ist ebenso wahrscheinlich. Da sie viel
zu leicht war, konnte sie nur durch Wärme -Mittheilung,
ohne Luftströmung von oben sehr langsam und wenig wir-
ken. Dennoch wird es im Sommer in dem gröfiseren Theile
des Schachtes an Bewegung der Luft nicht gefehlt haben,
da die Luft auf dem Boden des Schachtes, so bald sie des-
sen Temperatur angenommen hatte, nothwendig mit der
schweren I^uft in den höhern Regionen einen aufsteigenden
und absteigenden Strom erhalten mufste. Diese Bewegung
innerhalb des Schachtes konnte, wie es scheint^ auch nicht
fehlen,
257
fehlen, wenn er ganz hermetisch jahrelang geschlossen ge-
wesen wäre. Ja, die Erkältung während des Winters wirkte
doch gewifs durch die schtitzende Decke hindurch, und
mufste, wenn sie auch gar keine Luft von aufsen eindrin-
gen liefs, doch die Luft in der obersten Kegion des Schach-
tes abkühlen und den Gewichts-Unterschied zwischen ihr
and den untersten Schichten noch vermehren.
Wir unterscheiden also eine Strömung, welche durch
das Eindringen der sehr kalten äufsern Luft bedingt, we-
sentlich zur Abkühlung des ganzen Schachtes beitragen
mnfste, da sie erst wieder aufsteigen konnte, wenn sie dem
Schachte und besonders den tiefsten Theilen desselben viele
Wärme entzogen hatte, ^ und im Sommer nicht umgekehrt
warme Luft eindrang ^), und «ine andere, welche nicht
kalte Luft von auf&en einführte, sondern mehr die Wirkung
hatte, die Temperaturen verschiedener Tiefen mit einander
auszugleichen, also die tiefern Stationen abzukühlen und
die hohem zu erwärmen.
Die Art dieser Strömungen stelle ich nur als Vermu-
thangen hin, da wirkliche Beobachtungen fehlen. Ich glaubte
ihre Wandelbarkeit nur erwähnen zu müssen, weil man-
ches auffallende Ergebnifs der neueren Beobachtungen, das
auf den ersten Blick gegen eine allmälige Erkaltung zu
sprechen scheint, durch die Veränderlichkeit der Strömun-
gen verständlich gemacht werden kann. So ist es z. B.
sehr auffallend, dafs in allen Stationen unterhalb 200 Fufs
Tiefe die näheren Thermometer eine höhere Temperatur
anzeigten als die entfernteren und zwar während der gan-
zen Zeit der Beobachtungen von 1844 bis 1846, dagegen
in den Stationen über 200 Fufs, bis zu den wechselnden
Temperaturen hinauf, die näheren Thermometer kälter ge-
funden wurden als die weiteren. Woher dieses Phänomen
und zwar in allen Jahreszeiten? Vor der neuen Eröffnung
war der Schacht während sechs Jahre durch eine starke
1) Ein Beweis von der Wirksamkeit dieser Strömung liegt darin, dafs
die Kohlensäure, welche im Sommer im Boden sich ansammelte, mit
dem Beginne des Winters verschwand.
PoggendorlTs Annal. Bd. LXXX. 17
258
UeberschüttuDg gut geschlossen gewesen, die eingeschlos-
sene Luft hatte also Zeit genug gehabt, ihre Wirkung nicht
nur auf die nächste Wandung, sondern auch nach der
Leitungs-Fähigkeit des Bodens zur Seite weithin auszudeh-
nen. Immer aber sollte die nächste Schicht der Wand die
kälteste sejn, wenn, wie wir glauben, die allmälige Ab-
kühlung vom Inneren des Schachtes ausging. — Wir zwei-
feln auch nicht, dafs das Yerhältuifs so war, so lange der
Schacht verschlossen blieb, dafs aber später eine Verän-
derung eintrat. Diese mufste, abgesehen von der Wärme,
welche die Beobachter und ihre Lichter mitbrachten, schon
dadurch eintreten, dafs die abgeschlossene Strömung in eine
offene sich verwandelte. Die abgeschlossene Strömung war
aber, wie es uns scheint, eine mehr ausgleichende^ welche
die oberen Tiefen auf Kosten der unteren erwärmte, und
die unteren abkühlte. Die neu eintretende Abkühlung in
der oberen Hälfte der unmittelbaren Wandfläche war also
nothwendigc Folge der Eröffnung. Genfigt sie aber auch
um die eingetretene Erwärmung in der unteren Hälfte ver-
ständlich zu machen? Vielleicht. Indessen mögen noch
andere Verhältnisse hinzugekommen sejn. Wenn etwa der
aufsteigende Strom, der ja erwärmend wirken mufs, eioe
andere Richtung erhalten hatte, als ihm früher zukam, so
wird er auf die Ecke, welcher er jetzt näher ist, erwär-
mend wirken. Nun erfahren wir, dafs vor dem Eingehen
in den Schacht eine massive Eisbrücke, die drei Vieriheil
von der Höhlung des Schachtes einnahm, weggebrochen
werden mufste. Verändert wurde die Richtung der Luft-
strömungen dadurch nothwendig. Alle Thermometer lagen
übereinander in derselben Ecke des Schachtes. Ob nicht
der aufsteigende Strom dieser Ecke in ihrer unteren Hälfte
näher war als früher? Für künftige Beobachtungen wäre
zu rathen, dafs man auch in die gegenüberstehende Ecke
Thermometer einsetzte.
Doch möge die Bewegung der Luft im Innern des Schach-
tes scjn wie sie wolle — es scheint unläugbar, dafs die
259
Wände des S cfa er g in «Schachtes bedeutend kälter sind
als der umgebende Boden bei Jakutsk.
Ist diese Vermuthung richtig, so folgt daraus:
1) Das wir aus den Temperaturen in der Wand des
Seh ergin -Schachtes nicht einmal annähernd auf die Bo*
den -Temperaturen in verschiedenen Tiefen unter Jakutsk
schliefsen können.
2) Dafs wir ferner die Wärme- Leitnngsfähigkeit des
gefrornen Bodens aus dem genannten Schacht nicht ablei-
ten dürfen, und sie mithin noch gar nicht kennen. Ich
halte sie, nach den alltäglichen Erfahrungen tiber das Vor-
dringen der Kälte durch das Eis und den gefrornen Boden,
für viel geringer als sie nach den Jakutsker Beobachtungen
scheint.
3) Dafs wir also auch die Mächtigkeit des Eis -Bodens
nicht schätzen können, selbst wenn wir die Temperatur-
Beobachtungen in den neuen Gruben als mafsgebend be-
trachten, wie ich sie allerdings für annähernd richtig halte.
Wenn wir die Temperatur-Beobachtungen in den neuern
Gruben als mafsgebend betrachten, so folgt aber auch, dafs
in diesen Gegenden, wo die mittlere Temperatur der Luft
)ief unter dem Nullpunkt steht, der Boden einer viel hohem
Temperatur geniefst. Die mittlere Luft -Temperatur ist in
Jakutsk nach den neuem Beobachtungen etwa — 8°,7 R.,
die Boden -Temperatur in50Fufs Tiefe, nach der SchiloW'
und der Mangan -Gruhe zwischen — 2°,5 und — 3° R.
Dieser Unterschied ist allerdings sehr grofs. Allein Wah-
lenberg fand schon in Lappland die Temperatur der Quel-
len um mehrere Grade höher als die mittlere der Luft. Die
Schneedecke, welche im Winter von der Kälte nur sehr
langsam durchdrungen wird, vor dem Sommerr aber schwin-
det, wird diesen Unterschied vorzüglich bedingen. Dazu
kommt, dafs im Sommer der Regen die wärmere Tempe-
ratur der Luft mehr oder weniger in die Tiefe führt, im
Winter aber der Schnee die ihm mifgetheilte Temperatur
nur zum Theil der tiefer liegenden Schnee -Schicht mittheilt,
17*
260
zum Theil wieder der Luft. Der Schnee , der meistens
bei mäfsiger Kälte fällt , ist, wenn das Wetter hell und
kalt wird, ein Erwärmer der untersten Luftschicht. Um
diese Wirkung nicht zu gering anzuschlagen, mufs man sich
nur erinnern, dafs die gesammte Schneedecke in kältern
Klimaten gleichsam die Summe der wärmsten Wintertage
ist. Die jedesmalige oberste Schicht des Schnees wird ihre
Wärme gröfstentheils nach oben an die meistens kältere
und bewegte Luft abgeben, in sehr geringem Maafse durch
die schlecht leitende untere Schneeschicht an den ebenfalls
schlecht leitenden gefrornen Boden. — In wie weit das
abwechselnde Frieren und Aufthauen in den obersten Erd-
schichten auf die Differenz zwischen der Luft und Boden-
Wärme Einflufs ausübt, möge künftigen Unternehmungen
als Aufgabe hingestellt werden. Bis dahin denke ich mir,
dafs dieser Wechsel, nach der Abhängigkeit des Bodens,
den Unterschied zwischen Luft- und Boden -Temperatur
verändern mufs. Mit dem Flüssigwerden des Wassers wird
Wärme gebunden. Ist der Boden so beschaffen, dafs von
diesem Wasser viel abfliefst, so verliert er viel von der
ihm gehörenden Wärme; läfst er wenig abfliefsen, so be-
hält er sie bei sich. Dagegen wird freilich der trockne
Boden von der Sonne viel mehr durchwärmt als der was-
serhaltige.
Hr. V. Middendorff scheint in der grofsen Differenz,
welche bei Jakutsk zwisjchen der Luft- und der Boden-
Temperatur sich ergiebt, wenn man die Temperaturen in
den neuen Gruben für die normalen hält, einen wichtig,
sten Bestimmungsgrund, wenn nicht den wichtigsten gefun-
den zu haben, die Temperaturen des Schergin -Schachtes
für die normalern zu halten.
Ich wünsche sehnlichst eine Entscheidung dieser Frage«
und in diesem Wunsche liegt der Grund zu meinem heu-
tigen Vortrage. Es scheint mir eine Ehrensache für die
Akademie, diese Entscheidung so bald als möglich herbei-
zuführen.
Neue und auf ein Paar hundert Fufs tiefgehende Bohr-
261
löcher scheinen erforderlich, so wie jetzt, nach dem Ver-
laufe einiger Jahre eine neue Reihe von Bepbachtungen im
Schergin-Schachte, theils in den alten Stationen, theils in
denselben Tiefen in der diagonal gegenüberstehenden Ecke.
Am entscheidendsten würde wohl die Frage gelöst, wenn
man im Seh er giu- Schachte sehr weit, 60 — 100 Fufs etwa,
nach der Seite bohren könnte, um zu erfahren, ob der
Schacht mit seiner tiefern Hälfte blofs eine erkältete Scheide
um sich hat oder nicht. Hr. v. Middendorff hat am
Schlüsse der ersten Lieferung vom ersten Bande seines
Reisewerks einen Horizontalböhrer vorgeschlagen, mit dem
man in ungefrornem Boden bis 30 Fufs in Einem Tage
soll vordringen können. Mit diesem Instrumente läfst sich
bestimmter Erfolg erwarten. Der Unterschied in den Ent-
fernungen der angewendeten Thermometer von 1 Fufs und
7 Fufs war bei dem Wechsel, dem die näheren Thermo-
meter ausgesetzt sind, zu gering, um die Leitungsfähigkeijt
des Bodens bestimmen zu können.
Bis es zu einer neuen Expedition mit neuen Apparaten
kommt, kann ich nicht umhin zu glauben, dafs eine vor*
läufige Untersuchung der neuen Schachte durch eine Per-
son, deren Ablesungen bis auf einen halben Grad zuver-
läfsig sind, die Frage entscheiden mufs, ob der Scher-
gin-Schacht um mehrere Grade erkaltet sey.. Wenn nämlich
meine Vermuthung begründet ist, dafs in eine so durch-
sunkene Stelle die Kälte bedeutend eindringt, so müssen
auch die Wände der neuen kürzeren Schachte jetzt wohl
bedeutend kälter sejn als zur Zeit der früheren Beobach«*
tungenf
Für die Leitungsfähigkeit des gefrornen Bodens wird
man auf diese Weise freilich noch kein erträgliches Resul-
tat finden.
262
V. lieber einige Eigenschaften der Borsäure, und
über die quantitative Bestimmung derselben;
Qon Heinr. Rose.
B
ekanutlich ist die quantitative Bestimmung der Borsäure
mit solchen Schwierigkeiten verbunden, dats wir bis jetzt
keine andere Methode kennen, die Menge der Borsäure
mit Sicherheit in >ierbiudungen zu finden, als die, die
Quantitäten der Basen, die mit der Borsäure verbunden
sind, zu bestimmen, und die Menge der Borsäure aus dem
Verluste zu berechnen.
Man bestimmt die Basen in ihren Verbindungen mit
Borsäure, entweder auf die Weise, dafs man sie aus den
Auflösungen durch Schwefelwasserstoff oder andere Rea-
geutien abscheidet, oder dafs man die Borsäure aus ihren
Verbindungen als Fluorborgas verjagt. Diese Methode^
deren sich zuerst Arfvedson bediente, giebt die genau-
sten Resultate.
lieber die Verflüchtigung der Borsäure aus ihrer wäft-
rigen Lösung ^ und über die quantitative Besiimmung der-
selben in ihrer Auflösung in Wasser. — Die Borsäure ver-
flüchtigt sich in ihrer Auflösung in Wasser mit den Däm-
pfen derselben mehr als irgend eine andere der sogenannten
feuerbeständigen Säuren, und selbst als solche, weldie aus
ihren Verbindungen durch Borsäure ausgetrieben ond bei
erhöhter Temperatur verjagt werden können. Die FlQch-
tigkeit der Borsäure in ihrer Auflösung in Wasser -ist be-
deutender, als man sie gewöhnlich annimmt. Durch län-
geres Erhitzen der Auflösung, besonders, wenn sie con-
centrirt ist, und man das abgedampfte Wasser von Zeit
zu Zeit erneut, würde man gewifs im Stande sejn, eine
gewisse Menge gänzlich zu verflüchtigen. Es wurden 0,565
Grm. wasserfreier Borsäure in 12 Unzen Wasser gelöst und
diese Lösung abgedampft; dieselbe Quantität Wasser wurde
noch zweimal angewandt, endlich der Rückstand mit sehr
263
kleinen Mengen Wasser, die nur zu seiner Auflösung hin-
reichten, Übergossen und das Ganze an einem mäfsig war-
men Ort dem Verdampfen tiberlassen. Nach zwei Tagen
wog der geschmolzene Rückstand nur 0,100 Grm. Es hat-
ten sich also 82,30 Proc. Borsäure verflüchtigt.
Erhitzt mau BorsSure bis zum Schmelzen im Platintie-
gel, so nimmt das Gewicht derselben beständig ab, wenn
der Zutritt der Luft nicht sorgfältig vermieden wird; die
Abnahme ist aber weit bedeutender, wenn das Erhitzen
bis zum starken Glühen gesteigert wird. Immer aber be-
trägt diese Abnahme nur einige Milligramme. Befeuchtet
man aber die erkaltete Borsäure mit einem Tropfen Was-
ser, und erhitzt von Neuem bis zum Glühen, so beträgt
die Gewichtsabnahme einige Centigramme, und sie wird
noch um etwas bedeutender, wenn man statt des Wassers
einen Tropfen Alkohol anwendet. Am besten vermeidet
man die Gewichtabnahme beim Schmelzen der Borsäure,
wenn man eine kleine Menge von kohlensaurem Ammoniak
auf die Oberfläche der Säure bringt.
Man weifs noch nicht mit Sicherheit, 0b die geschmol-
zene Borsäure wasserfrei ist. Man kann «ich aber leicht
davoä überzeugen. Bringt man in geschmolzene Borsäure
Stücke von geschmolzenem Chlornatrium, so kann nicht
die mindeste Entwickelung von Chlorwasserstoff bemerkt
werden, auch wenn das Ganze längere Zeit glüht. Es ver-
flüchtigt sich dann nur Borsäure. Befeuchtet man aber die
erkaltete Masse mit einem Tropfen Wasser, und glüht bei
zugemachtem Deckel, so bemerkt man beim Oeffnen des
Deckels einen deutlichen Geruch von Chlorwasserstoff,
und ein mit Ammoniak benetzter Glasstab, der über die
Masse gehalten wird, bringt die bekannten Nebel des Chlor-
ammoniums hervor. Durch diesen Versuch, den man mit
demselben Erfolge sehr oft wiederholen kann, überzeugt
man sich leichter von der Abwesenheit des Wassers in der
geschmolzenen Borsäure, als durch das Schmelzen dersel-
ben mit frisch geglühtem Bleioxjd.
Wegen der Flüchtigkeit der Borsäure beim Abdampfen
264
der Tväfsrigen Auflösung ist es mit sehr grofsen Schwierig-
keiten verknüpft, die Menge derselben darin zu bestimmen.
Man bat vorgeschlagen, die Verflüchtigung der Bor-
säure beim Abdampfen auf die Weise zu vermeiden , dats
man die Auflösung vor dem Abdampfen mit Ammoniak
übersättigt. Aber die Verwandtschaft der Borsäure zum
Ammoniak ist eine so geringe, dafs sich dasselbe mit den
Wasserdämpfen zugleich verflüchtigt. Uebersättigt man eine
concentrirte wäfsrige Auflösung der Borsäure mit Ammo-
niak, fügt dann Alkohol hinzu und zündet diesen an, so
brennt er nur anfangs nicht mit grüner Farbe, wohl aber
später. Nur das Zusetzen der feuerbeständigen Alkalien
verhindert die Verflüchtigung der Borsäure vollständig, wes-
halb alsdann hinzugefügter Alkohol nach dem Anzünden
keine grüne Flamme zeigt.
Es wurden 0,700 Grm. wasserfreier Borsäure in wäfs-
rigem Ammoniak aufgelöst und unter beständigem Zusetzen
von neuen Mengen concentrirter Ammoniakflüssigkeit bis
zur Trocknifs abgedampft; die abgedampfte Säure wurde
in einer Atmosphäre von kohlensaurem Ammoniak geglüht.
Sie wog dann nur 0,620 Grm.; es hatte also ein Verlust
von IM3 Proc. Borsäure stattgefunden.
Dieser Verlust ist sogar etwas bedeutender, als wenn
die concentrirte wäfsrige Auflösung der Borsäure für' sich,
ohne Zusatz von Ammoniak, abgedampft wird. Denn jene
0,620 Grm. in Wasser gelöst, gaben nach dem Abdampfen
0,551 Grm. der geschmolzenen Säure. Der Verlust war
in diesem Falle also nur 10,66 Proc. — Jedenfalls ergiebt
sich aus diesen Versuchen, dafs das Ammoniak in nichts
die Flüchtigkeit der Borsäure vermindert.
Bei einer Untersuchung des Datoliths von Rammeis-
berg ^) hatte derselbe die Borsäure auf die Weise quan-
titativ bestimmt, dafs er, nach Aufschliefsung des Minerals
in Chlorwasserstoffsäure, die Auflösung nach Abscheidung
der Kieselsäure mit Ammoniak übersättigte, die Kalkerde
durch Oxalsäure fällte, die filtrirte Flüssigkeit vorsichtig zur
1) Pogg. Aon. Bd. 47, S. 169.
265
Trocknifs sibdainpfte und den trockDen Rückstand im be-
deckten Platintiegel schmelzte. Er hatte hierbei ein Resul-
tat erhalten, das sich der Wahrheit näherte.
In der verdampften Flüssigkeit konnte aufser freiem Am-
moniak nur Chlorammonium und oxalsaures Ammoniak ent-
halten sejn. Es schien mir daher wahrscheinlich, dafs die
Gegenwart des Chlorammoniums die Verflüchtigung der Bor-
säure beim Verdampfen ihrer wäfsrigen Auflösung yerhin-
dern könne.
Als Hr. Weber 1,650 Grm. Borsäure, in Wasser ge-
löst, mit Chlorammonium versetzte, das Ganze in einer
Platinschale zur Trocknifs abdampfte, und den trocknen
Rückstand in einem Plalintiegel so lange glühte, bis sich
keine Dampfe von Chlorammonium mehr entwickelten, er-
hielt er einen Rückstand, welcher bei der Temperatur, bei
welcher reine Borsäure sehr leicht schmilzt, nicht zum
Schmelzen zu bringen war. Das Gewicht des Rückstands
betrug 1,404 Grm., also nur 85,10 Proc. der angewandten
Borsäure. Er wurde der stärksten Hitze ausgesetzt, welche
durch eine Spirituslampe mit doppeltem Luftzuge hervor-
zubringen war, ohne ihn schmelzen zu können. Das Ge-
wicht nahm merkwürdiger Weise dabei noch zu, und ver-
mehrte sich bis zu 1,430 Grm. Wurde ein^ gewogene
Menge von Bleioxjd hinzugefügt, so schmelzte dasselbe
»it dem Rückstande zusammen, das Bleioxjd wurde da-
bei reducirt, das Gewicht des Ganzen aber nur unbedeu-
tend verändert.
Durch Einwirkung des Chlorammoniums auf Borsäure
hatte sich der von B almain zuerst dargestellte und spä-
ter von Wühler ') näher untersuchte Borstickstoff gebil-
det. Er bleibt ungelöst, wenn man, nachdem man eine
Auflösung von Borsäure, mit Chlorammonium versetzt, zur
Trocknifs abdampft, die trockne Masse glüht und nach dem
Erkalten mit Wasser behandelt. Er bildet ein weifsgraues
Pulver, das sich ganz auswaschen läfst. Nach dem Trock-
nen nimmt er eine dunklere Farbe an. Mit Kalihjdrat ge-
1) Pogg. Ano. Bd. 79, S..467.
266
schmolzen entwickelt das Pulver einen starken Gerach nadi
Ammoniak; nach dem Auflösen der geschmolzenen Masse
konnte in der Auflösung kein Chlorgehalt nachgewiesen
werden.
Die angegebene Darstellungsart dieses merkwürdigen
Körpers ist vielleicht die leichteste und zweckmäfsigste.
Mengt man gepulverte Borsäure mit Chlorammonium innig
zusammen, und glüht das Gemenge, so wirken beide nicht
so leicht aufeinander, als wenn sie vorher aufgelöst wor-
den sind. Das Gemenge schmilzt, und man erh< nicht
eine so bedeutende Menge. Man erhSlt gar keinen Bor-
stickstoff, wenn man die Auflösung der Borsäure mit Chlor-
ammonium versetzt, in einer Platinschale abdampft, und
die abgedampfte Masse, in der Schale selbst, beim Zutritt
der Luft glüht. Ein Zusatz von freiem Ammoniak zum
Chlorammonium verhindert die Entstehung des Borstick-
stoffs übrigens nicht.
Wird Borsäure im aufgelösten Zustand mit salpeter-
saurem Ammoniak abgedampft und die abgedampfte Masse
geglüht, so erhält man nach dem Auflösen keinen Bor-
stickstoff. Die Masse schmilzt wie reine Borsäure und
löst sich nachher vollständig im Wasser auf. Als aber
versucht wurde, eine gewogene Menge von Borsäure ge-
meinschaftlich mit salpetersaurem Ammoniak abzudampfen,
schäumte beim Erhitzten der abgedampften Masse dieselbe
durch das sich entwickelnde Stickstoffoxydulgas so stark,
dafs ein Uebersteigen nicht zu verhindern war. Man konnte
sich indessen überzeugen, dafs auch durch salpetersaures
Ammoniak die theilweise Verflüchtigung der Borsäure nicht
vermieden werden konnte.
Da man die Menge von Phosphorsäure und von Arse-
niksäure, wenn diese Säuren im Wasser aufgelöst -sind,
auf keine Weise besser quantitativ bestimmen kann, als
auf die, dafs zu den Auflösungen eine gewogene Menge
von frisch geglühtem Bleioxjd gesetzt, das Ganze abge-
dampft, und die trockene Masse erhitzt oder geglüht vnrd,
so wurden ähnliche Versuche auch mit der Borsäure an^e-
267
stellt, in der gewissen Uebcrzeugung, auf diese Welse die
Verflüchtigung der Borsäure beim Abdampfen zu verhindern.
Aber aiich diese Methode gab kein, auch nur entfernt
sich der Wahrheit näherndes Resultat. Hr. Weber dampfte
die Auflösung von 1,143 Grm. geschmolzener Borsäure mit
5,616 Grm. Bleioxjd ab, und glühte das Abgedampfte in
einem Porcellantiegel. Es schmolz und gab ein nach dem
Erkalten gelb aussehendes durchsichtiges Glas, das aber
nur 6,588 Grm. wog. Es hatte also ungeachtet der Ge-
genwart eines so stark basisch wirkenden Oxyds wie das
Bleioxjd, ein Verlust von 14,96 Proc. Borsäure, die sich
' beim Abdampfen verflüchtigt hatte, stattgefunden.
Es wurde dieser Versuch modificirt wiederholt. 7,246
Grm. Bleioxjd wurden in Salpetersäure gelöst, die Lösung
mit 0,704 Grm. Borsäure abgedampft und die trockne Masse
in einem Porcellantiegel geglüht und geschmolzen. Die ge-
schmolzene Masse wog aber nur 7,793 Grm. Der Verlust
an Borsäure betrug in diesem Versuche daher 22,30 Proc.
und war also beträchtlicher als beim Vorhergehenden.
Da die feuerbeständigen Alkalien die einzigen Basen zu
seyn scheinen, welche im Uebermaafs zu einer Auflösung
von Borsäure gesetzt, die Verflüchtigung derselben beim
Abdampfen ihrer wäfsrigen Lösung verhindern, so suchte
• • • •
ich das dreibasische phosphorsaure Natron (Na^P) zu die-
sem Zwecke anzuwenden, da in diesem das dritte Atom
des Natrons nur mit schwacher Verwandtschaft gebunden
ist, und bekanntlich in der Auflösung ^chon durch Koh-
lensäure j^on der Phosphorsäure getrennt werden kann.
Das phosphorsaure Salz wurde von grofser Reinheit ange-
wandt. Hr. Weber löste 1,220 geschmolzener Borsäure
und 6,508 Grm. des dreibasischen Salzes, im wasserfreien
Zustand, in Wasser auf und verdampfte die Auflösung bis
zur Trocknifs. Das Abdampfen mufste mit Vorsicht im
Wasserbade geschehen, da die Masse über freiem Feuer
abgedampft eine grofse Neigung zum Spritzen zeigte. Sie
^ blieb lange in einem syrupartigen Zustand und überzog
sich mit einer Haut, welche das fernere Verdampfen des
268
Wassers sehr erschwerte. Endlich stärker erhitzt / bl8hte
sie sich zwar stark auf, spritzte aber nicht. Nach mehre-
ren Wägungeu wog sie 7,585 Grm. Es hatte also ein Ver-
lust von Borsäure und zwar von 11,72 Proc. stattgefanden.
Es wurden nun die feuerbeständigen Alkalien in ihrem
kohlensauren Zustande angewandt. Selbst durch eine con-
centrirtc Auflösung der Borsäure wird die Kohlensäure in
der Kälte aus den kohlensauren Alkalien nicht ausgetrie-
ben, und beim Erhitzen nur in einem sehr geringen Grade;
erst wenn die Auflösungen der Borsäure und der kohlen-
sauren Alkalien bis zur Trocknifs abgedampft worden sind,
und man die trockene Masse zu erhitzen und zu glühen
anfängt, findet die Entwickelung der Kohlensäure statt,
ohne ein starkes Schäumen zu bewirken.
Wenn man die Menge der Borsäure in ihrer wäfsrigen
Auflösung quantitativ bestimmen will, so kann keine an-
dere Methode angewandt werden, als die, zu der Auflö-
sung ein Ucbermaafs einer gewogenen Menge von wasser-
freiem kohlensauren Natron hinzuzufügen, das Gahze bis
zur Trocknifs abzudampfen, die trockene Masse zu glQ-
hen, ihr Gewicht, und darauf die Menge der nicht aasge-
triebenen Kohlensäure zu bestimmen, woraus sich dann das
der Borsäure ergiebt.
Diese Methode ist freilich zeitraubend, giebt aber ein
genaues Resultat, doch nur, wenn mit gewisser Vorsicht
bei der Untersuchung verfahren wird.
Hr. Weber löste 1,804 Grm. geschmolzene Borsäare
gemeinschaftlich mit 3,988 Grm. geschmolzenem kohlensaa-
rem Natron in Wasser auf. Die Lösung wurde zur Trock-
nifs abgedampft, die saure Masse vorsichtig geglQht, und
zum Schmelzen gebracht. Bei starker Hitze war die Masse
dünnflüssig, bei schwächerer aber zähe.
Wurde die Masse bei der stärksten Hitze geschmol-
zen, welche ein kleiner Platintiegel durch die Hitze einer
Spirituslampe mit doppeltem Luftzuge mit aufgesetztem
Schornsteine erhalten kann, so war das Gewicht nach dem
Erkalten ein constantes, und veränderte sich auch nicht
269
.durch längeres Stehen. Wurde der Tiegel aber darauf
ohne Schornstein bei mäfsiger Hitze geglüht , so nahm das
Gewicht etwas zu; es war aber nicht möglich ^ dadurch
ein constantes Gewicht zu erhalten.
Beim schwächeren GlQhen nimmt also die Masse wie-
der etwas Kohlensäure auf, die sie beim stärkeren Glühen
verloren hatte.
Die bei starker Hitze erhaltene Masse wog 4,345 Grm.
Durch schwächeres Glühen konnte das Gewicht nach und
nach bis zu 4,375 Grm. vermehrt werden, das sich aber
wieder bis zu 4,345 Grm. durch erneutes starkes Glühen
. verminderte.
Diese Versuche sind öfters mit demselben Erfolge wie-
derholt worden.
Durch schwächeres Erhitzen hatte sich die Masse wie-
der bis zum Gewicht von 4,360 Grm. vermehrt. In diesem
Zustande wurde sie in einem Apparate, wie man sich des-
sen zur Kohlensäure -Bestimmung bedient, durch Schwefel-
säure zersetzt. Es wurden 0,215 Grm. Kohlensäure ent-
bunden.
Zieht man von dem Gewichte der geschmolzenen Masse
2,338 Grm. oder die Menge des Natrons in dem angewand-
ten kohlensauren Natron, so wie die 0,215 Grm. der in der
geschmolzenen Masse enthalten gewesenen Kohlensäure ab,
so erhält man 1,807 Grm. für die Menge der Borsäure. Diefs
ist aber sehr nahe das Gewicht der angewandten Säure.
Man sieht also, dafs diese Untersuchung, die freilich
etwas umständlich ist, ein sehr genaues Resultat gegeben
hat. Es ist übrigens, wie leicht einzusehen, für das Resul-
tat ganz gleichgültig, ob man das Schmelzen der Masse
längere oder küizere Zeit fortsetzt, und ob dabei eine sehr
starke oder schwächere Hitze angewandt wird.
Die Menge der durch die Borsäure ausgetriebenen Koh-
lensäure steht zu jener in keinem sehr einfachen Verhält-
nisse, und diese ist kein einfaches Aequivalcnt für jene.
Es waren durch 1,804 Grm. Borsäure aus dem kohlensau-
ren Natron 1,435 Grm. Kohlensäure ausgetrieben worden.
270
Der Sauerstoff der angeiYandten BorsSure ist 1,2407 Grm.,
der der ausgetriebenen Kohlensäure aber 1,042. Jener
verhält sich zu diesem wie 1:0,839. Es hatte sich also
hierbei ein borsaurcs Natron gebildet, das gegen 2 Atome
Borsäure 2^ Atome Natron enthielt, also noch basischer
war, als der sogenannte neutrale Borax.
Es darf diefs keine auffallende Erscheinung sejn. Bei
noch weit stärkerer Hitze als angewandt wurde, wäre noch
mehr Kohlensäure als bei den erwähnten Versuchen vor-
flGchtigt worden. Säuren, wie Borsäure, die in den man-
nigfaltigsten Verhältnissen sich mit Basen verbinden, trei-
ben beim Schmelzen sehr ungleiche Mengen von Kohlen-
säure aus kohlensauren Alkalien aus. Ich hatte in der längst
vergangenen Zeit, früher eheBerzelius die Versuche be-
kannt gemacht hatte, welche Arfvedson über die Sätti-
gungscapacität der Borsäure angestellt'), eine Reibe von
Versuchen über denselben Gegenstand ausgeführt, aber die
Resultate derselben nicht veröffentlicht, weil sie mir keine
genügende Resultate gaben, und mit denen von Arfved-
son nicht übereinstimmten. Bei diesen schon vor 28 Jah-
ren angestellten Versuchen schmelzte ich gewogene Quan-
titäten von Borsäure mit gewogenen Mengen von kohlen-
saurem Natron zusammen, und fand dafs 100 Tb. Borsäure
sich mit 165,4; 162,6 und 168,8 Th. Natron verbinden.
Arfvedson fand durch ähnliche Versuche, dafs 100Tb.
Borsäure sich nur mit 135,5 Th. Natron vereinigten. Of-
fenbar waren von uns beiden verschiedene Hitzgrade beim
Schmelzen angewandt worden. Aber bei meinen früheren
Versuchen wurde durch Borsäure noch mehr Kohlensäure
ausgetrieben, als bei den jetzt beschriebenen und ein bor-
saures Natron erzeugt, dafs gegen 2 Atome Borsäure mehr
als 3 Atome (3,6) Natron enthielt. Der Sauerstoff der ange-
wandten Borsäure verhielt sich zu dem der vertriebenen Koh-
lensäure in den drei angeführten Versuchen wie 1 : 1,203:
1:1,212 und 1:1,258. In AVfvedson's Versuchen i^ar
der Sauerstoffgchalt der angewandten Borsäure dem der
1) Pogg Ann. Bd. 2, S. 131.
271
alisgefriebenen Koblensäure gleich , also ein borsaures Na-
tron erzeugt worden, dats gegen 2 Atome Borsäure 3 Atome
Natron enthielt.
Es findet zwischen den verschiedenen Oxyden und Säu-
ren, welche mit kohlensauren Alkalien zusammengeschmol-
zen, Kohlensäure aus diesen austreiben, ein bemerkens-
werther Unterschied statt. Einige von ihnen verjagen eine
bestimmte Menge von Kohlensäure, die in einem sehr ein-
fachen Verhältnisse zu dem angewandten Oxyd steht, und
gewöhnlich ein Aequivalent von ihm ist, und die verschie-
denen Temperaturen, die man während des Schmelzens an-
wendet, so wie die Dauer des Schmelzens sind auf das
Resultat von keinem wesentlichen Einflufs. Andere aber
verhalten sich wie die Borsäure; sie verbinden sich in vie-
len Verhältnissen mit den Alkalien, und die Menge der
ausgetriebenen Kohlensäure richtet sich nach verschiede-
nen Umständen, besonders nach den verschiedenen Tem-
peraturen während des Schmelzens und nach der Dauer
des Versuchs.
Zu diesen Oxyden gehören namentlich aufser der Bor-
säure, die Titansäure, die Tantalsäure und die Pelopsäure,
während die Niobsäure zu den Oxyden gerechnet werden
mufs, die sich nur in sehr einfachen Verhältnissen mit den
Alkalien zu verbinden scheinen.
Diese Eigenschaft der Borsäure, verschiedene Mengen
von Kohlensäure aus den kohlensauren Alkalien zu ver-
jagen, ist aber ganz ohne Einflufs auf die qantitative Be-
stimmung dieser Säure in ihrer wäfsrigen Auflösung nach
der oben angeführten Methode.
Es wurde ein ähnlicher Versuch zur Bestimmung der
Borsäure in ihrer wäfsrigen Lösung vermittelst des kohlen-
sauren Kalis angestellt. Hr. W^eber löste 1,418 Gnn. Bor-
säure und 4,644 Grm. kohlensaures Kali in Wasser auf, und
dampfte d^ Ganze bis zur Trockuifs ab. Auch in diesem
Falle fand eine Kohlensäureentwickelung nicht früher statt,
als bis die Masse beinahe trocken war, besonders aber
erst beim Glühen.
272
Nach dem GlQben der geschmolzenen Masse zeigte sich
dieselbe sonderbare Erscheinung, die beim Schmelzen mit
kohlensaurem Natron bemerkt worden war« Das Gewicht
der, bei schwächerer Hitze geschmolzenen Masse nahm ab,
als die stärkste Hitze angewandt wurde, die eine Spiritus-
lampe mit doppeltem Luftzuge mit aufgesetztem Schornsteine
zu geben vermag, vermehrte sich aber wiederum, als das
Schmelzen bei geringer Hitze fortgesetzt wurde. Ohne auf-
gesetzten Schornstein geschmolzen wog die Masse 5,155 Grm.
durch aufgesetzten Schornstein verminderte sie sich endlich
bis zu 5,111 Grm.; nahm aber durch kurzes GlQhen bei
niedriger Temperatur bis zu 5,119 Grm. zu. Aus dieser
Menge, durch Schwefelsäure zersetzt, entwichen 0,518 Grm«
Kohlensäure.
Zieht man nun von dem Gewichte der geschmolzenen
Masse die ]\Ienge des Kalis im angewandten kohlensauren
Kali oder 3,162 Grm. Kali ab, so wie noch 0,518 Grm.
Kohlensäure, so erhält man für die Borsäure 1,431 Grm.;
was auch ziemlich gut mit der angewandten Menge fiber-
einstimmt. Da das kohlensaure Kali nicht mit solcher Si-
cherheit im wasserfreien Zustand, wie das kohlensaure Na-
tron gewogen werden kann, so ist das erhaltene Resultat
nicht so genau, wie im ersten Versuche.
Es sind durch 1,418 Grm. Borsäure 0,959 Grm. Kohlen-
säure aus dem kohlensauren Kali durchs Schmelzen ausge-
trieben worden. Der Sauerstoff der angewandten Borsäure
ist 0,9756 Grm., der der ausgetriebenen Kohlensäure 0,686.
Jene verhalten sich zu diesen wie 1 : 0,700.
Die Menge der Kohlensäure, welche durch Borsäure
aus kohlensaurem Natron und aus kohlensaurem Kali aus-
getrieben wurden, stehen in keinem einfachen Verhältnisse.
Schon Arfvedson bat bemerkt, dafs 100 Th. Borsäure
sich beim Schmelzen mit kohlensaurem Kali mit 139 Th«
Kali verbinden; der Sauerstoff der Borsäure verhält sich zu
dem der ausgetriebenen Kohlensäure hiernach wie 68,8:47,2
also nahe wie 1 : 0,68. Es hatte sich hier also neutrales
bor-
273
• • • •
borsaures Kali (KB) gebildet. Ich hatte bei meinen frü-
heren Versuchen gefunden, dafs 100 Th. Borsäure sich beim
Schmelzen mit 146,5 und 142,6 Th. Kali vereinigten, hier-
nach verhält sich der Sauerstoff der angewandten Borsäure
zu dem der ausgetriebenen Kohlensäure wie 1 : 0,722, was
mit dem oben beschriebenen Versuche übereinstimmt. Bei
diesen Versuchen bildete sich also ein borsaures Kali, das
etwas basischer als das neutrale Salz ist.
Trennung der Borsäure rem Basen, — Es ist bekannt,
dafs man auf keine Weise die Borsäure in Verbindungen,
wenigstens in denen in welchen sie einen wesentlichen Be-
standtheil ausmacht, ihrer Menge nach sicherer und genauer
bestimmen kann, als wenn man dieselben mit Fluorwasser-
stoffsäure, darauf mit concentrirter Schwefelsäure behandelt,
und die Borsäure als Fluorbor verjagt. Durch die Menge
der erhaltenen schwefelsauren Salze läfst sich am sicher-
sten die Menge der in der Verbindung enthaltenen Basen,
und dann die der Borsäure aus dem Verluste finden.
Man kann indessen die Borsäure aus den borsauren
Verbindungen noch auf eine andere Weise verjagen, näm-
lich als Borsäureäther, wenn man sie mit concentrirter '
Schwefelsäure und Alkohol behandelt. Doch steht diese
Methode der vermittelst Fluorwasserstoffsäure die Zeszetzung
zu bewirken, bei weitem nach, und kann nur dann ange-
wandt werden, wenn man in Ermangelung einer Platinre-
torte sich nicht concentrirte Fluorwasserstoffsäure verschaf-
fen kann.
Das Verfahren, das man bei dieser Methode zu beob-
achten hat, ist folgendes: Nachdem man das Gewicht der
borsäorehaltigen Verbindung bestimmt hat, wird dieselbe,
am besten in ein^r grofsen Platinschale (in Ermange-
lung derselben in einer grofsen Porcellanschale) mit con-
centrirter Schwefelsäure übergössen und erwärmt, bis sie
ganz zersetzt, und, wenn die Base mit der Schwefelsäure
keine unlösliche Verbindung bildet, aufgelöst ist. Man
läfst darauf das Ganze erkalten, und setzt dann 6 bis 8
PoggeDdorfTs Annal. Bd. LXXX. 18
274
Loth starken Alkohol hinzu , wenn man einige Gnmme
der borsauren Verbindung angewandt hat. Es sdieiden
sich dadurch die Basen als schwefelsaure Salze ab. Man
rührt Alles mit einem Platinspatel gut durcheinander und
erwärmt unter beständigem Umrühren bis zum Kochen. Das
Umrühren ist noth wendig, weil die Flüssigkeit vor dem
Kochen stark auIstOst und spritzt. Ist das Kochen einge-
treten, so haben sich die ausgeschiedenen Salze zu einer
klaren Flüssigkeit wieder aufgelöst, und das Umrühren ist
nicht mehr nöthig. Man dampft hierauf die Flüssigkeit bei
starkem Kochen bis zu einem geringen Volumen ein, und
bis sie anfängt sich stark zu schwärzen, labt sie dann er-
kalten, und übergiefst sie aufs Neue mit 4 bis 6 Loth
Alkohol. Dieser mufs mit dem sjrupartigen Rückstand
gut untereinander gerührt werden. Das Erwärmen mub
darauf unter beständigem Umrühren mit grober Vorsicht
geschehen, damit durch Anfstofsen kein Verlust entstehe^
was übrigens sehr leicht vorkommen kann. Ist indessen
das Kochen wieder eingetreten, so geht das Abdampfen
ruhig von statten, und das Umrühren ist dann nicht mehr
nöthig. Man dampft wiederum bis zu einem geringen Vo-
lumen ein, und wiederholt die Behandlung mit Alkohol,
aber nur mit geringereu Mengen desselben und das Ab-
dampfen unter den augegebenen Vorsichtsmafsregeln noch
ein- oder zweimal. Zuletzt wird gänzlich bis zur Trock-
nifs abgedampft, wobei der Rückstand sehr stark schäumt,
und Kohle sich abscheidet, ohne )edoch zu spritzen. Man
erhitzt so lange bis alle freie Schwefelsäure sich verflüch-
tigt hat, bringt den Rückstand in einen kleinen Platintiegel
bis zum Glühen, wobei die Kohle sehr leicht verbrennt,
und er vollkommen weifs erscheint. Man behandelt iha
dann, namentlich bei Gegenwart von Alkali, auf die be-
kannte Weise mit kohlensaurem Ammoniak, und bestimmt
sein Gewicht. Die Borsäure ist gänzlich verjagt worden.
Hr. Weber erhielt auf diese Weise ans 1,925 Gnu.
geschmolzenem Borax 1,352 Gim. schwefelsaures Natron,
in denen 0,592 Grm. Natron enthalten sind. Der Be-
275
I
rechnuDg nach eothftit der angewandte Borax 0,594 Gnn.
Natron.
Es ist bei dieser Operation nothwendig dafs das Ganze
l&ngere Zeit stark kocbt. Würde man bei geringerer Hitze
den Alkohol abdampfen, so würde sich minder leicht Bor-
sAureäther bilden, und die Borsäure würde weit schwerer
nnd nicht vollständig verflüchtigt werden können.
Wendet man statt der Schwefelsäure Chlorwasserstoff-
säure an, wie C. G. Gmelin schon vor längerer Zeit vor-
geschlagen hat, so erzeugt sich lange nicht so leicht, wie
durch Schwefelsäure, Borsäureäther, und die Verflüchtigung
der Borsäure geht sehr langsam und nicht vollständig von
statten.
Versuche, die Borsäure aus ihren Verbindungen quanti-
iatie durch Fällung abiuscheiden. — Die oben beschriebenen
Versuche zeigen, dafs es zwar möglich ist, die Menge der
Borsäure in ihrer Auflösung in Wasser zu bestimmen, dafs
aber die Methode mit Schwierigkeiten verknüpft und zeit-
raubend ist. Aber sie läfst sich nur anwenden, wenn die
wäfsrijge Auflösung aufser Borsäure keine anderen Stoffe
enthält, ausgenommen vielleicht Ammoniak, welches durch
die Einwirkung des kohlensauren Natrons gänzlich verflüch-
tigt wird.
Der Fall aber, dafs Borsäure ohne andere Bcstandtheile
in einer wäfsrigen Auflösung enthalten ist, kommt gewirs
selten vor. Es ist daher wünschenswerth, eine Methode
anzuwenden, die Borsäure aus ihrer Auflösung durch Rea-
gentien als eine unlösliche Verbindung abscheiden zu kön-
nen, um aus dem Gewichte des erhaltenen Niederschlags das
der Borsäure zu finden.
Aber die Borsäure bildet mit vielen Basen zwar schwer
lösliche, aber gar keine vollkommen unlösliche Salze. Fällt
man die Auflösung von einem borsauren Salze z. B. von
Borax durch Salze von Erden- und Metalloxjden, so ist
oft das erzeugte schwer lösliche borsaure Salz in einem
UeberschuEs von Borax unauflöslich, aber auflöslich in
18*
276
einem Uebersdiusse der Erd- oder Metalloxydsalze, Yfie
z. B. das borsaure Bleioxyd.
Die einzige Verbindung, durch welche die Borsäure aus
ihrer Auflösung vollständig ausgeschieden werden könnte
ist das von Berzelius zuerst dargestellte Borfluorkalium.
Dasselbe ist iin Wasser sehr schwer löslich und dem Kie-
selfluorkalium sehr ähnlich. Berzelius giebt an, dafs es
auch in geringer Menge in Alkohol auflöslich sey, was ich
indessen nicht bestätigt fand. In einer Auflösung von Chlor-
ammonium ist es aber auflöslicher als im blofsen Wasser.
Berzelius^) hat vorgeschlagen, die Erzeugung die-
ser Verbindung zu benutzen, um die Borsäure quantitativ
abzuscheiden. Zu dem Ende soll man die borsaure Ver-
bindung mit Fluorwasserstoffsäure übergiefsen, damit di-
gerireu, und dann den Ueberschufs der Säure im Wasser-
bade abdampfen. Der Rückstand besteht dann aus einer
Fluorbor- und einer Fluorverbindung. Die erstere ist im
Wasser löslich, besonders wenn dieses mit ein wenig Chlor-
wasserstoffsäure schwach sauer gemacht worden ist; die
letztere ist darin unlöslich. Die Lösung und das Wasch-
Wasser werden concentrirt, und mit einer Lösung von es-
sigsaurem Kali im Ueberschufs vermischt. Die Masse ver-
dickt sich dadurch zu einem Magma, indem sich Borfluor-
kalium bildet. Sie wird nun mit starkem Alkohol umgerührt,
worin sich die essigsauren Salze auflösen. Das Borfluor-
kalium wird auf ein gewogenes Filtrum gebracht, mit kal-
tem Alkohol gewaschen, bei 100^ C. getrocknet, gewogen
und aus dem Gewichte die Menge der dem Borfluorkaliom
entsprechenden Borsäure berechnet. Die alkoholische Auf-
lösung wird bis zur Verflüchtigung des Alkohols verdampft,
und die in dem Rückstände enthaltenen Basen nach be-
kannten Regeln bestimmt. Das ungelöste Fluorür wird
vermittelst Schwefelsäure zersetzt und aus dem erhaltenen
schwefelsauren Salze die Base bestimmt.
Eine grofsc Menge von quantitativen Analysen, welche
Hr. Weber angestellt hat, um die Borsäure als Borfluor-
1) Berzelius Lehrbuch 3. Auflage S. 81.
277
kalium zu bestimmen, haben indessen kein günstiges Re-
sultat gegeben.
Wenn man eine borsaure Verbindung mit einem Ueber-
scbufs von Fluorwasserstoffsäure behandelt, so ist wohl
unstreitig Kalkerde die passendste Base, um den Ueber-
schufs der Fluorwasserstoffsäure zu entfernen, da Fluor-
calcium die unauflöslichste der Fluorverbindungen zu sejn
scheint.
Hr. Weber versetzte die Lösung von 1,218 Grm. was-
serfreiem Borax mit Fluorwasserstoffsäure, behandelte das
Ganze mit einem Ueberschufs von reiner kohlensaurer Kalk-
erde im Ueberschufs, bis kein Brausen mehr bemerkt wurde,
und kochte, weil das Fluorcalcium sich nur durchs Kochen
auf diese Weise gut abscheidet. Die filtrirte Lösung wurde
mit essigsaurem Kali versetzt, wodurch kein Niederschlag
entstand, der sich erst beim Abdampfen zeigte. Es wurde
dann so viel Alkohol hinzugefügt, dafs das Volumen der-
selben dem der Flüssigkeit gleich war und nach 24 Stun-
den filtrirt. Der mit Alkohol gewaschene und bei 100^ C.
getrocknete Niederschlag wog nur 1,542 Grm. Diefs ist
aber gerade die Hälfte von dem, was man hätte erhalten
müssen, denn diese Menge entspricht nur 0,423 Grm. Bor-
säure, während im angewandten Borax 0,841 Grm. Borsäure
enthalten 'sind.
Der Versuch wurde oft, auch modificirt wiederholt.
1,117 Grm. Borax mit Fluorwasserstoffsäure, darauf mit
kohlensaurer Kalkerde und endlich mit essigsaurem Kali
und Alkohol, wie zuvor behandelt, gab 2,208 Grm. BoriQuor-
kalium, die 0,614 Grm. Borsäure entsprechen. Der auge-
wandte Borax aber enthält 0,772 Grm. Borsäure.
0,993 Grm. Borax in Wasser aufgelöst wurden zuerst
mit Salpetersäure, dann mit Fluorwasserstoffsäure und end-
lich mit kohlensaurer Kalkerde behandelt, worauf zu der
filtrirten Lösung essigsaures Kali und Alkohol hinzugefügt
wurden. Es wurden 2,733 Grm. Borfluorkalium erhalten,
die 0,760 Grm. Borsäure entsprechen. Da diefs weit mehr
ist, als man hätte erhalten müssen, indem die angewandte
278
QoaDtHit Borax nur 0,686 Gnn. BorsSore «thSlt, so wurde
das Borfluorkaliani Ton Neaem mit Weingeist, welcher
ans 3 Vol. starkem Alkohol and 1 YoL Wasser bestand,
lange ond anhaltend aus^esö(st. Die abfillrirte FlQssigkeit
enthielt keine Salpetersäure, aber kleine Mengen von Kalk-
erde, und als das Salz davon ausgewaschen war, wog es
nur l.SOT Grm.. welche nur 0.502 Gnn. BorsSure entspre-
chen. >Iit Sciiwefelsäure zersetzt, zeigte sich im Rückstände
eine bedeutende Men^e von Kalkerde.
1,100 Grm. des sogenannten neutralen Borax im was-
serfreien Zustande NaB^ wurden nach Auflösung im Was-
ser mit FIuorwjLsserstoffsSure versetzt, und dann mit koh-
lensaurer Kalkerde behandelt. Durch das nachherige Zu-
setzen von essiiisaurem Kali und von Alkohol wurden nur
O.S<>6 Grui. Borduorkalium erhalten, die nur 0,241 Grin.
Borsaure entsprechen, während in dem angewandten Salze
0.51^ Grm. davon enthalten sind. Aber auch die geringe
Mon^e des erhaltenen Boriluorkaliums enthielt viel Kalkerde.
Es tolzX aus dieseu Versuchen, dafs man auf keine
\Vei<e die Borsäure als Borfluorkalium bestimmen kann,
weuu sie au Natron oder au andere Basen gebunden ist.
Bei der Behandlung uiit Fluorwasserstoffsäure bildet sich
djua Bortluornatriuic. das durch essigsaures Kali nicht voll-
stdudi^ ia Borfluorkalium und durcb kohlensaure 'Kalkerde
beim Kochen etwas zersetzt wird, wodurch eine gewisse
Meu^e von Borduo rcaicium entsteht, das dann immer io
dem erhaltenen Borfluorkalium enthalten ist
Selbst Borsäure, im Wasser aufgelüst, kann nicht voll-
ständig in Borfluorkalium umgewandelt werden. Hr. We-
ber erhielt durch 1,-394 Grm. Borsäure nach der Behand-
lung mit Fluorwasserslofrsäure, Scheidung des Ueberschus-
$es derselben durchs Kochen mit kohlensaurer Kalkerde,
und Behandlung der fiUrirten Flüssigkeit mit essigsaures
Kali und Alkohol 4,9S1 Grm. Borfluorkalium, die 1,386
Grm. Borsäure entsprechen, was zwar sehr nahe der an-
gewandten Menge gleichkommt, aber das erhaltene Bor-
fluorkalium enthielt sehr viel Borfluorcaldum. Das Fluor-
279
kaliom wird also dütcbs Kochen mit kohlensaurer Kalk-
erde theilweise zersetzt, obgleich Berzelius die Unzer-
setzbarkeit dieses Salzes durch die Hydrate und Carbonate
der Alkalien uod Erden beim Kochen hervorgehoben hat.
Da das Fluorkalium ein zerfliefsiiches Salz ist, so wurde
versucht, es durch Alkohol vom Borfluorkalium zu tren-
nen, was aber gänzlich mifslang. Hr. Weber behandelte
0,881 Grm. Borsäure mit essigsaurem Kali, darauf mit Fluor-
wasserstoffsäure und endlich mit Alkohol. Es wurden aber
3,851 Grm. Borfluorkalium erhalten, während der ange-
wandten Menge von Borsäure nur 3,164 Grm. entsprechen.
Mit dem Borfluorkalium war also auch Fluorkalium gefällt
worden.
Trennung der Borsäure eon Fluort)erbindungen. — In
manchen in der Natur vorkommenden Silicaten kommt Fluor
neben Bor vor. Ob beide darin zu einem Borfluormetalle
vereinigt sind, ist nicht genau untersucht; es scheint jedoch
noch ÜberschOssige Borsäure neben einer solchen Verbin-
dung vorhanden zu sejn.
Die quantitative Bestimmung des Fluors bei Gegenwart
von Borsäure ist mit solchen Schwierigkeiten verknüpft,
dafs sie noch nicht tiberwunden worden sind. Hr. Weber
löste 0,680 Grm. Fluornatriuui und 0,803 (wasserfreien) Borax
in Wasser auf, und versetzte die Auflösung mit Salpeter-
säure. Es wurde darauf kohlensaure Kalkerde hinzugefügt,
das Ganze erhitzt und filtrirt. Aus dem Ungelösten wurde
die Menge des Fluorcalciums nach einer früher beschriebe-
nen Methode bestimmt ^ ). Es wurden aber nur 0,363 Grm.
Fluorcalcium erhalten, die 0,175 Grm. Fluor entsprechen,
während in dem angewandten Fluornatrium 0,305 Grm.
Fluor enthalten sind. Es halte sich also Fluorbornatrium
gebildet, das durch die Behandlung mit kohlensaurer Kalk-
erde nur theilweise zersetzt worden war.
Trennung der Borsäure von der Phosphorsäure. — v. Ko-
beli hat vorgeschlagen, diese Trennung auf die Weise zu
bewirken, dafs man zu der Auflösung beider eine Eisen-
1) Pogg. Ann. Bd. 79, S. 115.
280
chloridaQflöfiiiDg hinzufügt, und das Ganze darauf durch
einen Ueberschufs von kohlensaurer Kalkerde fällt ^ ); eine
Trennung, wie er sie auch bei der des Fluors von der
Phosphorsäure empfiehlt.
Der Zusatz der Eisenchloridauflösung ist hierbei nicht
nothwendig. Ich habe schon vor einiger Zeit gezeigt, dafs
^ Phosphorsäure, sowohl im freien Zustand, als auch an
, Basen gebunden, durch kohlensaure Barjterde vollständig
in der Kälte gefällt werden könne, wenn man zu der Auf-
lösung etwas Salpetersäure oder Chlorwasserstoffsäure hin-
zufügt ^ ). Wird eine Auflösung von Borax durch Chlor-
wasserstoffsäure sauer gemacht, und dann mit einem Ueber-
schusse von kohlensaurer Barjterde in der Kälte behan-
delt, so ist in dem Ungelösten keine Borsäure enthalten;
es besteht nur aus kohlensaurer Barjterde.
Durch kohlensaure Barjterde kann daher die Trennung
der Borsäure von der Phosphorsäure bewirkt werden. Die
höchste Genauigkeit erreicht man aber dadurch nicht, da
phosphorsaure Barjterde in einer Boraxauflösung nicht ganz
vollständig unlöslich ist. Digerirt man in der Kälte trockne
phosphorsaure Barjterde mit einer concentrirten Lösung
von Borax, so enthält nach einiger Z^it die filtrirte I^suug
Spuren sowohl von Barjterde als auch von Phosphorsäure^
welche letztere leicht durch moljbdänsaures Ammoniak darin
zu entdecken ist.
Hr. Weber behandelte 2,186 Grm. '^ phosphorsaures
Natron, und ungefähr 3 Grm. Borax in Wasser gelöst, in
der Kälte unter öfterem Umrühren mit einem Uebermaafs
von kohlensaurer Barjterde, nachdem vorher Chlorwasser-
stoffsäure zu der Auflösung hinzugefügt worden war. Nach
24 Stunden wurde filtrirt und ausgesüfst; aber selbst nach
langem Auswaschen gab das Waschwasser nach dem Ver-
dampfen einen Rückstand, und reagirte vermittelst des mo-
Ijbdänsauren Ammoniaks auf Phosphorsäure. — Das Un-
gelöste wurde in Chlorwasserstoffsäure gelöst, die Barjt-
1) Journ. für praku Chem. Bd. 36, S. 305.
2) Pogg. Ann. Bd. 78, S. 221.
281
erde durch Schwefelsäure entfernt, und darauf die Phos«
phorsäure als phospborsaure Ammoniak -Magnesia gefällt.
Es wurden 0,870 Grm. geglühte Mg"" P erhalten, die 0,551
Grm. Phosphorsäure entsprechen.
Da das '^ phosphorsaure Natron in mehreren Verhält-
nissen sich mit Krystallwasser verbindet und dabei stark
verwittert, so wurde von demselben Salze, das zu dein
Versuche augewandt worden war, ein Theil vorsichtig ge-
glüht, um seinen Wassergehalt zu bestimmen. Es entspre-
chen, da das angewandte Salz stark verwittert war, nach
dem angestellten Versuche jene 2,186 Grm. 0,576 Grm.
Phosphorsäure. Es wurden also nur 25,20 Proc. Phos-
phorsäure vom krjstallisirten Salze statt 26,35 Proc. er-
halten.
Wird phosphorsaure Ammoniak -Talkerde mit einer con-
centrirten Boraxauflösung längere Zeit in der Kälte dige-
rirt, so kann in der filtrirten Lösung keine Phosphorsäure
wahrgenommen werden. Es wurden deshalb 2,647 Grm.
des phosphorsauren Natrons (welche 1,307 Na^F oder
0,697 Grm. Phosphorsäure entsprechen) nach der Auflö-
sung in Wasser mit einer bedeutenden Menge einer Bo-
raxauflösung versetzt, und aus der Auflösung die Phos-
phorsäure als phospborsaure Ammoniak -Magnesia gefällt.
Man erhielt 1,137 Grm. geglühter Mg'P (mit 0,720 Grm.
Phosphorsäure), in welcher also noch eine geringe Menge
von Borsäure enthalten war. Das geglühte Salz, mit Schwe-
felsäure und Alkohol behandelt, färbte die Flamme des
letztern nicht grün, aber in Chlorwasserstoffsäure gelöst^
wurde Curmunpapier durch die Lösung nach dem Trock-
nen sehr schwach gebräunt.
Der Ueberschufs an Phosphorsäure, welchen man nach
dieser Methode erhält, ist also ebenso grofs wie der Ver-
lust, der durch die Methode vermittelst kohlensaurer Ba-
rylerdc entsteht.
Trennung der Borsäure von Basen in unlöslichen Ver-
bindungen, — Sie können durchs Schmelzen mit kohlen-
282
sauren Alkalien vollständig zersetzt werden, so, daft wenn
die geschmolzene Masse mit Wasser behandelt wird, die
ganze Menge der Borsäure sich mit dem fiberschfissigea
kohlensauren Alkali auflöst, während die Base nngelOst
zurClckbleibt, wenn sie nicht in einer Auflösung von koh-
lensaurem Alkali mehr oder weniger löslich ist.
' Hr. Weber hat auf diese Weise borsaure Baryterde
und borsaure Magnesia zersetzt.
Die borsaure Barjterde schmilzt mit der vierfachen
Menge von kohlensaurem Natron leicht zu einer klaren
Flüssigkeit. Die geschmolzene Masse hinterläfst, mit Was-
ser behandelt, kohlensaure Barjterde ungelöst, deren Ba-
rjrterdegehalt genau dem entsprach, welcher in der schwefel-
sauren Barjterde enthalten war, die aus derselben borsau-
ren Baryterde nach Auflösung derselben in verdünnter
Chlorwasserstoffsäure durch Fällung mit verdünnter Schwe-
felsäure erhalten wurde.
Als borsaure Magnesia wurde Boracit von Lfineborg
angewandt, aber absichtlich nicht klare und durchsichtige
Krystalle, sondern kleine, undurchsichtige, offenbar schon
in einem anfangenden Zustande der Zersetzung begriffene.
1,002 Grm. davon wurden mit der vierfachen Menge voo
kohlensaurem Kali geschmolzen. Die geschmolzene Masse
bildete nicht während des Schmelzens eine vollkommön
klare durchsichtige Flüssigkeit, sondern es schwammen nicht
aufgelöste Flocken darin herum. Nach der Behandlung der
geschmolzenen Masse mit heifsem Wasser blieben 0,310
Grm. Magnesia ungelöst, aus welcher nach der Auflösung
in Chlorwasserstoffsäure noch 0,008 Grm. ^Eisenoxyd abge-
schieden wurden. Durch Oxalsäure konnte keine Spur von
Kalkerde wahrgenommen werden, aber die durch phosphor-
saures Natron abgeschiedene phosphorsaure Ammoniak-Mag-
nesia gab nach dem Glühen 0,825 Grm. Mg^ P, welche 0,302
Grm. Magnesia, also gerade so viel enthalten, als die frfi-
her erhaltene Magnesia, nach Abzug des Eisenozyds, be-
trägt.
Da die reine Magnesia etwas auflöslich im Wasser ist,
283
80 enthält die wftfsrige Auflösung der geschmolzenen Masse
etwas davon. Sie wurde deshalb idurch Chlorwasserstoff-
säure übersättigt, dann mit Ammoniak neutralisirt und mit
phosphorsaurem Natron versetzt, wodurch noch 0,057 Grm,
• • • •
gegifihte Mg^F erhalten wurden. Die Analyse ergab also
.Magnesia 32,23
Eiseuoxyd 0,79
Borsäure (als Verlust) 66,98
100,00.
Schon Rammeisberg hat undurchsichtige Krjstalle
des Boracits untersucht '), und in ihnen einen etwas grÖ-
fseren Talkerdegehalt als in den durchsichtigen Krystallen
gefunden. Bei den von Hrn. Weber analysirten Krysfal-
len war aber, da sie noch etwas mehr Magnesia enthalten,
als die von Rammeisberg untersuchten, die Zersetzung
noch weiter vorgeschritten, durch welche der Gehalt von
Borsäure sich in dem Maafse vermindert, als der der Mag-
nesia sich vermehrt.
Die Magnesia im Boracit kann auch noch von der Bor-
säure nach der AufU>sung in Chlorwassersloffsäure als phos-
phorsaure Ammoniak -Magnesia abgeschieden werden. Hr.
Weber erhielt aus 1,753 Grm. der undurchsichtigen Bo-
racitkrystalle 1,572 Grm. Mg'P und 0,008 Grm. Eisenoxyd.
Hiernach waren die Krystalle zusammengesetzt aus:
Magnesia 32,86
Eisenoxyd 0,45
Borsäure (als Verlust) 66,69
100,00.
Es ist noch zu bemerken, dafs dieser Boracit beim Glü-
hen einen Verlust von 3,52 Proc. zeigt, die wohl aus Was-
ser bestanden. Es ist möglich, dafs statt der ausgeschie-
denen Borsäure Wasser in die Zusammensetzung eingetre^
ten ist.
Aus den Verbindungen der Borsäure mit den metalt»-
sehen Basen kann man letztere aus der Auflösung in Säu-
1 ) Pogg. Ann. Bd. 49, S. 449.
284
ren, theils darch Schwefelwasserstoff, thäls durch Schwe-
felammonium scheiden. Ist die Borsäare mit alkalischen
Erden verbunden, so können diese entweder durchs Schmel-
zen mit kohlensauren Alkalien, oder aus der Auflösung In
Säuren durch Schwefelsäure ohne oder mit Zusatz von Al-
kohol getrennt werden. Die Magnesia wird von der Bor-
säure theils durchs Schmelzen mit kohlensaurem Kali ge-
schieden, theils aus der Auflösung in Säuren als phosphor-
saure Ammoniak- Magnesia gefällt. Nur die Alkalien kön-
nen auf keine andere Weise von der Borsäure geschieden
werden, als dafs man letztere entweder als Fluorbor oder
als Borsäureäther verjagt, Methoden, die auch bei den
Verbindungen der Borsäure mit andern Basen angewandt
werden können ^).
VII. Untersuchung nordamerikanischer Mineralien
(^Nemalit, Orthit, schwarzes Kupferoxyd);
von C. Rammeisberg.
I. Nemalit.
V or einiger Zeit erhielt ich einige Stöcke dieses Minerals
aus dem Serpentin von Hoboken in New Jersey. Es bil-
det parallelfaserige hellgrüne Massen; die Fasern sind sei-
denglänzend, elastisch, lassen sich nicht zu Pulver zerreiben.
Nuttal erklärte diese Substanz für ein wasserhaltiges
Talkerdecarbonat; Thomson aualysirte als Nemalit ein
Silikat, und Connel hat zuletzt die erste Angabe bestä*
tigt. Die Analysen der beiden Letzteren hatten gegeben:
1 ) Nachdem der Druck dieser Abhaodluog schon aDgefangcn hatte, ersähe
ich aus dem pharraac. Gcntralblalt No. 24, S. 390, dafs Hr. Schweit-
zer sich ebenfalls mit der quantitativen Bestimmung der BorsSare be-
schäftigt hat.
285^
Thomson.
GoDoel.
Kieselsäure
12,568
0,80
Talkerde
51,721
57,86
Eisenoxjd
5,874
Oxjdul 2,84
Wasser
29,666
27,96
99,829
Kohlensäure 10,00
Talkerde
64,86
25,49
Eisenoxjdul
4,05
0,90
Wasser
29,48
Kieselsäure
0,27
99,46
Aber die mir als Nemalit zugekommeue Substanz, ob-
wohl sie alle Eigenschaften zeigt, welche die amerikanischen
Mineralogen demselben zuschreiben, ist weder ein Garbo-
nat noch ein Silikat. Beim GlQhen giebt sie Wasser und
wird bräuulichgelb. Sie löst sich ohne die geringste Spur
von Kohlensäure in Chlorwasserstoffsäure auf, (die ge-
glühte erhitzt sich mit der Säure) und besteht aus:
Sauerstoff.
26,39
26,20
98,65.
Sie ist folglich Talkerdehydrat, MgH, d. h. mit dem
Brudt identisch, welcher an demselben Orte vorkommt,
aber, den Beschreibungen zufolge, eine ganz andere Be-
schaffenheit hat,' da er weifse, blätterige Massen bildet.
Ich mufs es dahin gestellt sejn lassen, ob die von mir un-
tersuchte Substanz wirklich der ächte Nemalit Nuttals ist.
II. O r t h i t
Hr. Prof. Dana in Newhaven, Connecticut, schickte
mir eine Probe eines schwarzen Minerals von EastBrad-
ford, ehester Countj in Pennsjrlvanien, von dem mau
vermuthet hatte, dafs es Tscheffkiuit oder Gadolinit sej.
Ich habe es als Orthit erkannt.
Es ist derb, fettglänzend, von flachmuschligem Bruch,
spröde, hat ein spec. Gewicht = 3,535. Vor dem Löth-
rohr schwillt es stark auf, sich wurmförmig krümmend und
286
schmilzt dana zu einer schwarzbraooen KugeL Beim Glü-
hen zeigt es keine Feuererscheinong, wird braon and ver-
liert nur 1 Proc. am Gewicht.
Von Chlorwasserstotfsäure wird es leicht anter Gallert-
bildung zersetzt. Die Auflösung enthält bdde Oxyde des
Eisens.
Die Analyse gab:
SaDcnloir.
Kieselsäure
31,86
16,55
Thouerde
16,87
7,88
j 8^
Eiseuoxjd
3,58
1,07
EiscDOxjdal
12,26
2,72
]
Ceroxjdul
21,27
3,15
1
Lantbanoxjd
2,40
0,35
> 9,75
Kalkerde
10,15
2,88
l
Talk erde
1,67
0,65
J
GlGhverlost
1,11
101,17.
Diefs Resultat stimmt ganz mit dem von mir früher an
anderen Orthiten erhaltenen Qberein '), wonach ÄUanit
und Orihit identisch und von der Zusammensetzung des Gra-
nats sind. Eis beweist aber zugleich, dafs der 'Wasserge-
balt mancher Orthite unwesentlich, and erst spSter aafge-
uommen ist.
Das Vorkommen des Allanits in den verrinigten Staa-
ten wird von Dana *) zu Haddam in Connecticut, Bol-
ton in Massachusets, South Roy aiston, Athol nod
Monroe in New -York angegeben.
III. Schwarzes Knpferbzji.
Auf der Sudseite des Oberen Sees (Xoie Smperior) im
Staate Michigan hat man bekaontlich in neuester Zeit an-
sehnliche Massen von gediegenem Kupfer (theilweise too
Silber begleitet) und von anderen Kupfererzen gefondeo.
In einem Conglomeratgestein in der Nihe von Capper-
1) S. diese Ann. Bd. 76, S. 96.
2 ) Syst, of ja in. ii. Edii, p. 430.
287
Harbour kommen abgerundete schwere Massen von schwar-
zem Knpferoxyd, zum Theil von bedeutender Gröfse vor.
Es ist braunschwarz, theils krystallinisch blättrig, theils
didit, schwer zersprengbar, bat ein spec. Gew. =5,952,
und ist nur hie und da von ein wenig Kieselkupfer be-
gleitet.
Gegen Reagentien verhält es sich wie reines Kupfer-
oxyd.
Hr. Joy aus Boston analysirte es in meinem Labora-
torium und fand in einem sehr reinen Stück 99,45 Proc.
Kupferoxyd; in einer anderen Probe 1,19 Eisenoxyd, 0,23
Kalkerde und 3,38 Kieselsäure.
Das Kupferoxyd hat man bisher nur als einen dünnen
weichen Ueberzug auf anderen Kupfererzen gefunden, und
Kupferschwärze genannt. Es scheint dieselbe aber niemals
sehr rein zu seyn. Nach Semmola soll Knpferoxyd in
dünnen Blättchen im Krater des Vesuvs vorkommen; es
ist Tenorit genannt worden.
VIII. Vierte Notiz über neue, sonderbare Anwen-
dungen des Verweilens der Eindrücke auf die
Netzhaut; von Hrn. J. Plateau.
(Mitgetlieilt vom Hrn. Verf. aus dem Bullet, de Vacad, roy, de Beigique
T, XV !• No. 10. — Die drei ersten Notizen finden sich in diesen Ann.
Bd. 78, S. 563, Bd. 79, S. 269 and Bd. 80, S. 150.
liimmt man eine zum gewöhnlichen Phänakistikop gehö-
rende l^cheibe und betrachtet, statt durch die Zone der
Oeffnungen nach dessen Bilde im Spiegel zu schauen, diese
Scheibe direct, während man sie rasch rotiren läfst, so
verwischen sich die darauf abgebildeten Figuren, und statt
dieselben ihre Bewegungen ausführe^n zu sehen, unterschei-
288
det mau nur noch eine Reihe kreisrunder concentrischer
Streifen ^on verschiedener Farbe. Diefs ist ein DOthi>ven-
diges und bekanntes Resultat des Verweilens der Eindrücke.
Indefs giebt es einen Fall, in welchem diese Verwirrung nidit
stattfindet, oder, mit anderen Worten, es giebt eine ge-
wisse, freilich sehr einfache Art von Bewegung, bei wel-
cher die rotireude Scheibe, ohne irgend ein HülCsmittel
beobachtet, die Erscheinung hervorbringt.
Auf eine weifse Pappscheibc von 25 Centim. Durch-
messer zeichne man eine archimedische Spirale , so, dab
deren Mittelpunkt mit dem der Scheibe .zusammenfällt und
die Windungen derselben etwa 12 Millim. auseinanderste-
hen. Darauf zeichne man eine zweite Spirale, parallel mit
der ersteren, und von dieser um 4 Millim. entfernt. Diese
beiden Linien zusammen bilden sonach auf der Scbeibe ei-
nen spiralförmig gewundenen Streifen von 4 Millim. Breite.
Nun beschreibe man, vom Mittelpunkt der Scheibe aus,
drei Kreise, die respective Ij, 5 und 8^ Centim. im Durch-
messer halten, unterbreche aber die beiden letzteren da,
^vo sie den spiralförmigen Streifen treffen, so dafs sie nur
in den Zwischenräumen der Windungen dieses Streifens
ausgezogen sind. Alsdann schwärze man den kleinen cen-
tralen Kreis, streiche den Raum zwischen diesem und dem
zweiten blau an, den Raum zwischen dem zweiten nnd
dem dritten gelb, und das Uebrige roth, lasse aber die
Windungen des spiralförmigen Streifens weifs. Die Far-
ben blau, gelb und roth müssen intensiv sejn. Fig. 20
Taf. II. stellt die so vollendete Scheibe dar (Im Original
ist die Figur farbig ausgeführt; hier sind die Farben durch
die Buchstaben r (dunkles Rosenroth) g (gelb) und h
(intensives Hellblau) angedeutet).
Läfst man nun diese Scheibe rotiren, in dem vom Pfeile
«ingegebenen Sinne und mit der Geschwindigkeit, die man
ihr durch einen raschen Impuls mit der Hand ertheilcn kann,
so bewahren der schwarze Kreis und die farbigen Zonen
noch dasselbe Ansehen, wie es offenbar seyn muCs; allein
der spiralförmige Streifen erscheint als eine Reihe wetÜBer
scharf
289
atbarf gezeichneter Ringe, die, einer nach dem anderen, am
Rande des schwarzen Kreises entstehen, allmälig an Gröfse
zunehmen, folgweise dnrch die blaae, gelbe und rothe
Zone wandern, und sich am Umfang der Scheibe Terlieren*
Läfst man die Scheibe in entgegengesetzter Richtung roti-
reu, so entspringen die Ringe dagegen am äufseren Um*
fang, und ziehen sich zusammen, um, einer nach dem an»
deren, im schwarzen Kreise zu verschwinden.
Die eben beschriebene Täuschung erklärt sich zu leicht,
als dafs ich deshalb irgend ins Einzelne zu gehen brauchte;
sie ist überdiefs von gleicher Art und von gleicher Her-
kunft wie die, welche sich zeigt, wenn man eine Schraube
mit nicht zu grofser Geschwindigkeit um ihre Axe dreht.
Man weifs, dafs dabei die Schraubengänge noch direct ge-
sehen werden, und, statt sich um die Axe zu drehen, mit
einer im Sinne dieser Axe fortlaufenden Bewegung begabt
zu seyn scheinen.
■ Wenn man aber unsere Scheibe zweckmäfsig modificirt,
g^eÜngt es, eine sonderbare Täuschung anderer Art herror-
znbiriogen. Zu dem Ende müssen die Spiralgänge des wei-*
fsett ^Streifens weiter auseinander stehen und nur etwa 2
Mlllim^ breit seyn, sich auch auf einem Tollständig schwarr
^^eft Grunde befinden (Fjg. 21 Taf. IL). Um diese Scheibe
mit gehöriger Regelmäfsigkeit und Schnelligkeit rotiren zu
lassen, mufs man sie auf einer Rolle befestigen, die durch
cSne gröfsere bewegt werden kann. Man kann sie z. B.
auf einer der Kupferrollen des in meiner ersten Note be<r
schriebenen Instruments (Ann. Bd. 78, S. 563) befestigen,
und mufs dann dem Handgriffe eine solche Geschwindig-
keit geben, dafs die Scheibe 6 bis 7 Umläufe in der. Se-
kunde macht. Da die Spiralgänge des weifsen Streifens
auf dieser Scheibe viel schiefer gegen die Radien liegen
als auf der vorhergehenden, so begreift man, dafs die Ringe
nicht mehr scharf gezeichnet erscheinen und ihre scheinbare
Bewegung nach dem Umfang oder Mittelpunkt viel rascher
seyn wird. Wenn man nun die Scheibe, während man sie '
im Sinne des Pfeiles dreht, mit auf das Centrum gerichteten
PoggendorfiTs Annal. Bd. LXXX. I^
290
Aagen betrachtet, hinlänglich lange , aber doch nicht bis
Kum ErmQden der Augen, und man wendet nun diese so-
gleich auf einen anderen Gegenstand, z. B'. auf das Ge*
sieht einer Person, so sieht man eine sonderbare Erschein
nung: es scheint nämlich der Kopf der Person eine Zeit
lang kleiner zu werden. Dreht man dagegen die Scheibe im
umgekehrten Sinn, so ist der Effect ein umgekehrter; der
Kopf scheint sich zu Tergrörsern.
Diese Täuschung zeigt sich bei verschiedenen Individuen
in sehr ungleichem Grade. Von acht Personen, mit de^
nen ich einzeln den Versuch austeilte, sahen zwei gar nichts;
eine dritte dagegen, für welche ich das Instrument so dre-
hen liefs, dafs sich die Ringe verkleinern mufsten, und die^
nachdem sie die drehende Scheibe betrachtet halte, die Au-
gen auf mein Gesicht richtete, rief mit Erstaunen aas, dafs
sie meinen Kopf sich ungeheuer vergröfsern sehe. Die fdlif
anderen endlich sahen die Erscheinung zwar voHkommeDi
aber mit geringerer Intensität. Uebrigens würde Mch das
Phänomen wahrscheinlich auch bei den beiden ersten Per-
sonen entwickelt haben, wenn ich den Versuch weiter fort^
gesetzt hätte; denn begreiflich ist der Anblick einer sölcken
rotirenden Scheibe ermüdend für das Auge, man tnufe also
bei diesem Versuch mit vieler Schonung zu Werke gebes,'
und wenn man ihn mit derselben Person wiederholen will,
darf es nur in langen Zwischenräumen geschehen» ■ Ebed
um diese Ermattung des Auges zu verringern, habe ich
dein weifsen Streifen nur eine Breite von 2 Miliimeteni
gegeben.
Die wunderliche Täuschung, welche ich eben beschrie«
ben, ist von gleicher Ordnung mit der, welche sich dar-
bietet, wenn die Augen von Gegenständen, die wahrhaft
oder scheinbar in rascher Fortbewegung begriffen sind,
einen verlängerten Eindruck erhalten haben. So z. B. schei-
nen die Gegenstände am Wege, welche, während man fährt,
sich neben dem Wagen zu bewegen schienen, im Augen-
geublick, wo man anhält, eine entgegengesetzte Bewegung
anzunehmen. Bei der Scheibe ^ wenn diese im Sinne des
291
Pfeiles rotirt, hat das Auge deo unausgesetzt erneuten An;-
schein einer Yergröfserung der weifsen Ringe gehabt, ttnd
es gewahrt darauf den entgegengesetzten Anschein d. h.
den einer Verkleinerung. Umgekehrt, wenn die Scheibe
im anderen Sinne rotirt, und das Auge deti steten An*
schein einer Verkleinerung der weifsen Ringe gehabt hat^
ist es der Anschein einer Vergröfserung, den es wahrnhnmt.
Diese Tendenz des Organs, uns die Empfindung einer Be^
wegung zu ^eben, die der, von welcher es einen längeren
Eindruck erhalten hat, entgegengesetzt ist, kann als eine-
allgemeioe Thatsache betrachtet werden, und sie wird ein
neues Argument zu Gunsten des Princips der Oscillationen
der Eindrücke, eines Princips, welches meiner Theorie det
zubilligen Farben, die ich am Schlufse meiner Abhandlung
über diese Farben zu Terallgemeinem suchte, zum <3rrundf
liegt*).
Dieses Prindp, das mir hier zu wiederholen erlaubt
sejn mag, ist folgendes:
. SobaU^in Organ einer längeren Ertegungvntencorfen
vArd^ seM es einen Widerstand enigegisny der mit 4er Dauer
dieser- JErregung wächst Wird es darauf plöttlich der ep^
regenden .ütsache entzogen ^ so sucht es seinen ntnihälen
Zustand wieder zu gewinnen y durch einen analogen Gang
wie den einer Spring feder^ die, abgelenkt aus ihrer Oleiöh^
gewichtsform und darauf- losgelassen, durch abnehmende Os"^
dlldtionen/ vermöge derer sie wechselsweise nach' der einen
und der andern Seite ausschlägt, in diese Form z^rückkehri^
Das will sagen: Im Moment, wo das OrgÜn aufhört, uw-
ter dem Einflufs der erregenden. Ursache -»w stehen, geht es
anfangs rasch m seinem normalen Zustand zurück; aber
vermöge einer Art erlangter Geschwindigkeit überschreitet
es diesen normalen Zustand, um sich momentan in einen
entgegengesetzten zu versetzen; darauf kehrt es wieder zum
1 ) Esiai d*une thiorie gin^rale comprengnt tensemhle des apparen*
Cßs visuelles qui succedent ä la contemplaiion des ohjets CQloris^
etc. ( Mem, de l*acad* de Brux. T, FIIL — AuszugS'weiie lü iUitn
Annalen Bd. 32» S. 543.)
19*
" 292
normalen Zustand zurück und strebt aufs Neue ihn zu über-
schreiten^ indem eSy jedoch mit geringerer Intensität^ den
der Erregung entsprechenden Zustand wieder annimmt ^ um
zum zweiten Male, jedoch noch schwächer wie zuvor, in den
entgegengesetzten Zustand zurückzugehen, und sofort, bis
endlich der normale Zustand definitiv erreicht ist.
Aus diesen successiven Zuständen des Organs entspringt
eine Reihe abwechselnd entgegengesetzter und an Stärke ab-
nehmender Empßndungs- Phasen, von denen die einen von
gleicher Natur mit der ursprünglichen Empfindung sind und
positive Phasen genannt werden können, während die ande-
ren entgegengesetzter Natur sind und negative Phasen zu JM-
fsen verdienen.
Die EmpfinduDgen, welrhe auf eine längere und dann
plötzlich abgebrochene Erregung folgen, sind bei weitem
nicht immer so regelmäCsig und vollständig in ihrem Gang;
allein ich habe in Betreff der- zufälligen Farben Beispiele
gegeben, die das Princip in seiner ganzen Vollständigkeit
bewahrheiten. Unter anderen habe ich einen Versuch be-
schrieben, durch welchen man bis fQnf negative Phasen,
abwechselnd mit positven, betrachten kann. Zuweilen
unterscheidet man nur eine Reihe negativer Phasen ^ sej
es, dafs die dazwischenfallenden positiven wirklich nicht
vorhanden sind, oder, was wahrscheinlicher isC, dafs sie
zu wenig Intensität besitzen, um scharf wahrgenommen
werden zu können. Dieser Gang ist bei den zufälligen Far*
ben häufig. In vielen Fällen endlich gewahrt man nur die
erste negative Phase; diefs geschieht z. B. bei dem Versuch
mit unserer Spiral -Sdieibe.
Am Schlufs der oben erwähnten Abhandlung. habe ich
zu zeigen gesucht, dafs das Princip der OsciUationcn auch
auf andere als die Gesichts -Empfindungen, ja sogar auf mo*
rausche JEmpfinduugcn anwendbar sey; ich bin überzeugt,
dafs diefs Princip einst dazu dienen wird, mehrere dunkle
Punkte der Physiologie, der Mediciu und Philosophie auf-
zuklären.
293
IX, Veber ein neues Polarishop;
i^on Hrn. H. de Senarmont.
(Ann. de chim. et de phys, T. XXFllL p. 279).
E
line kleine Zahl von Polariskopen hat die doppelte Ei^
genschaft, die geringsten Spuren von Polarisation aufzn-'
decken und den Sinn derselben mit einiger Genauigkeit zu
bestimmen.
Die besten Apparate dieser Art sind ohne Widerrede
die doppelt drehenden Platten, welche man Hrn. Soleit
verdankt; und man kann sie sogar, wie ich gezeigt habe ^),
zum Studium der Beschaffenheit eines elliptisch polarisir-*
ten Liditbündels mit Nutzen anwenden«
Sie verlieren indefs bei dieser Anwendung einen Theii
ihrer Vorzüge, weil ihre Farbe sich nach dem Ellipticitäts-
grade der Polarisation verändert, vom Weifs, welches der
Circularpolarisation entspricht, bis zu der merklichen Farbe,
die der geradlinigen Polarisation entspricht.
Ueberdiefs versagen diese Platten ihren Dienst, sobald
es sich um einfaches Licht handelt, weil die Farbenunter*
schiede dann zu blofsen Intensitätsunterschieden werden,
deren Schätzung schwierig ist.
Ich habe ein von diesem letzteren Mangel freies Pola-
riskop aufgesucht und glaube es durch die folgende Vor-
richtung gefunden zu haben.
Aus vier gleichen Quarzprismen, deren Hypothenusen
aneinander gelegt werden, setze ich eine solche parallel-
flächige Platte zusammen, dafs die Ein- und Austrittsflä-
chen lothrecht auf der optischen Axe sind. Siehe Taf. IL
Fig. 19.
Die beiden Prismen, welche die untere Hälfte der Platte
bilden, haben ihre brechenden Kanten auf einei* selben
Seite liegen, aber das vordere Prisma, z. B. 6, ist links-
drehend (levogyre) und das hintere D rechtsdrehend (dex-
1 ) Ann. de Mm. et de phys. T. XX, p. 397. (Ann. Ergbd. IL 6. 513.)
294
irogyre'). Die obere Hälfte der Platte ist ebenso zasam-
mcngesetzt, aber das vordere Prisma Ü ist rechtsdrehend,
und das hintere G* linksdrehend.
Stellt man diese Platte rechtwinklig gegen die Bahn
eines parallelen und folglich im Sinne der Axe gerichteteo,
polarisirten Lichtbündels, so sieht man sie bedeckt mit ge-
radlinigen Fransen, die den brechenden Kanten der Pris-
men parallel sind. Fällt der Hauptschnitt des Zerlegers
zusamoien mit der Ebene der ursprünglichen Polarisation,
so entspricht die centrale schwarze Franse des aufseror-
deutlichen Bildes der Mitte der Platte oder dem Punkt,
wo die Dijcke der verkehrt liegenden Prismen gleich ist
Sie ist also eine gerade Linie in beiden Hälften, der vor«
deren und der hinteren, der halbirten Platte.
Dreht man hierauf den Hauptschnitt des Zerlegers, so
terschiebt sich die centrale Franse parallel mit sich selbst;
sie entfernt sich von der brechenden Kanta des Quarz-
prisma, dessen Drehungsvermögen gleichen Sinn hat. Da
nun in der vorderen und hinteren Hälfte der Platte die
Kanten dieser Prismen bei dem einen rechts, bei dem an-
dern links liegen, so wird die Yorderhälfte der Fransen
parallel mit sich selbst in dem einen Sinn vorrücken, und
die Hinterhälfte in dem andern. Diese Fransen werden
also an der Mittelnaht der halbirten Platte gebrochen.
Sehr genau erkennt man den Moment, wo der Haopt-
sdinitt des Zerlegers mit der Ebene der ursprünglichen Po-
larisation zusammenfällt, weil man leicht zu beurtheilen
vermag, wann die beiden Fransenstücke in gerader Linie
liegen oder parallel verschoben sind. Es ist diefs eine
einfache und empfindliche Schätzung, die, von Farbe und
Licht unabhängig, sowohl für homogenes als für weifses
Licht gültig ist, ja, bis auf die zunehmende Blässe^ der
Fransen, sowohl für elliptische als geradlinige Polarisation.
Jemehr die Hjpolhenuse gegen die optische Axe ge-
neigt ist, desto mehr werden die Fransen auseinander ge-
rückt, verbreitert und verschlechtert; |e weniger sie es ist,
desto dichter, schmäler und schärfer werden, sie. Hat man
295
aber den Zcrleger am. 90^ giedreht^ so werden die Fran-
sen nur um einen halben Zwischenraum verschoben. Es
ist also klar, dafs man mit einer starken. Keignng der Hj-
pothenuse eine bedeutende Versehiebung erhält, die aber
schlecht begränzt ist, weil die Ränder der Fransen zu ver-
waschen sind; dagegen bekommt man mit einer schwachen
Neigung eine zwar geringe, aber wohl begrän^te Yer-
schiebung, weil die Ränder der Fransen scharf sind.
Es scheint also hier ein Maximum von Empfindlichkeit
zn geben, welches man zu erreichen suchen mufs. Ich habe
Prismen versucht, deren Hypothenusen Winkel von 42, 22
und 12 Grad mit der optischen Axe machen. Die Empfind^
lichkeit nahm fortwährend zu, sobald man die Fransen mit
einem kleinen Fernrohr vergröfserte.
Ich habe die Empfindlichkeit des neuen Polariskops mit
der der doppeltdrehenden Platten verglichen, indem Ich
sie, statt dieser Platten , an einen Soleil'schen Saccharime-
ter anbrachte.
Mit dem Winkel von 12^ erhielt ich eine Empfindlich-
keit, die wenigstens der der Platten gleich war; beim Win-
kel von 22^ war sie nur die Hälfte von dieser, und beim
Winkel von 42^ nur ein Viertel derselben.
Die eben beschriebenen zusammengesetzten iPlatten mit
halbirten Fransen können mit Yortheil die doppelldrehen^^
den Platten in dem Apparat ersetzen, den ich zum Stu-
dium der Eigenschaften desjenigen Lichts angewandt habe,
welches von den mit Metall -Opacität begabten Krjstallen
reflectirt wird ^). Allemal, wo bei den doppeltdreheuden
platten eine Gleichförmigkeit der Farben eintritt, beobach-
tet man bei dem neuen Polariskop eine Einstellung der
Fransen in gerade Linien. Dieses Kennzeichen macht die
Elrscheinungen noch hervortretender und die Messungen
werden dadurch weit genauer.
1 ) Ann. de chim, et de pkys, T. XX, p. 397. (Ann. Ergbd. II. 8. 518).
>..
296
X* Bemerkungen über die Volume und die Dich
tigkeiten flüssiger und gasiger Körper;
i?on Hrn. J. A. Groshans.
L
diesen Annalen Bd. 78, S. 112 und Bd. 79, S. 290 habe
ich bemerkt:
1 ) dafs die Dichtigkeiten der Dämpfe aller Körper bei
0",76 nnd den Siedpunkteo mit einander vergleichbar sind;
2) dafs das Verhältnifs dieser Dichtigkeiten -bei allen
entsprechenden Temperaturen beständig dasselbe bleibt;
3) daCs man dadurch diese Temperaturen berechnen
kann;
4) dafs, wenn man ein Drittel der Dichtigkeit des Was-
serdampfs bei 0?',76 und 100^ C. zur Einheit annimmt, die
Dichtigkeiten der Dämpfe aller übrigen Körper im Allge-
meinen durch ganze Zahlen ausdrückbar sind;
5) dafs diese Zahlen bei einigen Körpern von der Zu-
sammensetzung pC-hfiTi+rO übereinstimmen mit der
Anzahl p, g, r der in denselben enthaltenen Atomen;
6) dafs im Allgemeinen eine Beziehung vorhanden ist
zwischen den Zahlen, welche die Dichtigkeit ausdrücken
und der Anzahl von Atomen oder Volumen, aus denen die
Körper zusammengesetzt sind.
Der gegenwärtige Aufsatz enthält die Resultate der von
mir gemachten Vergleiche der Dichtigkeiten der Dämpfe mit
den Dichtigkeiten der sie hervorbringenden Flüssigkeiten,
beide genommen bei den Siedpunkten und der Spannung
von 0* 76.
Sind die Atomgewichte zweier Körper P und p respec-
tive A und a, die Siedpunkte derselben in Centigraden
£ und e, die Dichtigkeiten der Dämpfe bei 0^,76 und d«i
Punkten JS und e, unter Annahme der erwähnten Einheit,
V und r, so hat man die Gleichung:
297
Der Körper P wird das grötsere Atomgewicht haben.
Die Atomgewichte werden aaf ITs = 1 bezogen.
Wenn die Dichtigkeiten gleich sind, stehen die Atom-
gewichte im Yerhältnifs der Volume, denn
Wenn die Siedpunkte und folglich die Volume gleich
sind, verhalten sich die Atomgewichte wie die Volume;
es wird seyn
" — = — und immer ist v; — =5 — X -^ •
Nimmt man für das Quecksilber E = 384^,72 und
c = 0,00366, so wird F=20. Für das Wasser hat man
6 = 100^ C. und i? = 3. Für beide Körper existirt also
die. Relation:
100 100.3 20 , 100 5 V??
9 — 9.20 ^ 3 ^ 9 — 3^9*
Die Volume der Dämpfe beider verhalten sich genau
wie 5:3.
Angenommen, als flüssige Volume, für das Quecksilber
98,0 (Regnault) und für das Wasser 117,3 (Kopp)
verhalten sich diese Volume zu einander wie 5 : 5,98 d. h.
wie 5:6.
Aber 4'4==2*1- ^^^^ kann also annehmen, dafs,
beim Uebergang aus dem gasigen Zustand in den flüssigen,
das Quecksilber sich genau im doppelten Verhältnifs zu-
sammenziehe wie das Wasser.
" Der Genauigkeitsgrad dieser Zahlen läfst sogleich ver-
muthen, dafs alle übrigen Körper, oder wenigstens die
meisten, dasselbe Phänomen darbieten, und dafs im Allge-
men die Zusammenziehuugen der Körper unter sich ver-
gleichbar sind.
So ist es auch in der That; nur erfordert der Beweis
eine Auswahl der Kiirper, deren Zusammenziehungen man
vergleichen will. Man erreichte es nicht so leicht, wenn man
die Zusammenziehungen aller Körper blofs mit der eines
einzigen von ihnen, z. B. mit der de^ Wassers, vergleichen
298
wollte. Das Wasser ist vielleicht der Körper, der sich
zu diesem Vergleiche am wenigstens eignet
Ich bin dahin geführt, einige Körper, die eine Eigen-
genschaft in gleichem Grade darbieten, in zwei Klassen
zu bringen.
1. Es giebt Körper, deren Siedpunkte gleich oder fast
gleich sind. Ich nenne sie isopeptische Körper.
2. Es giebt Körper, die in Dampfform bei 0",76 tmd
ihren Siedpunkten gleiche Dichtigkeit haben. Ich nenpe sie
isobarische Körper.
Die i£fopeptischen Körper zeigen, im flüssigen Zustande,
im Allgemeinen (vielleicht mit einigen Ausnahmen) folgende
Erscheinungen:
1. Bei allen gleichen Temperaturen stehen die Dichtig-
keiten in einem einfachen Verhältnifs: -=>, ~, «^ n. s. w.
2. Das VerhSltnifs der Flüssigkeits-Dichten steht in
einfachem Verhältnifs zum Verhältnifs der Dampfdichten.
•
E
beobacbt.
B e i 8 p
E
berecbn.
li e I e'
F.
).
Dichtigkeit
bei 0' G. bei £.
Brom
llolzgeist
63" P.
58 A.
66 P.
60 K.
58,5
58,5
30
6
3,1872 P.
.0,8193 M.
2,9795 P.
•
0,7619 H
CblorsiUcium
59 P.
58,0
48
1,5237 P.
1,394
Bromalher
Aether
40,6 P.
35,5
35,0
33,65
44
15
1,4733 P.
0,7361 M.
1,3970
0,6969 Kp.
Glilorphosphor
Alkohol
78,3 P.
78,5
78,2
49
1,6162 P.
0,8123 M.
1,466 P.
0,7393 Kp.
Brom - Aelayl
Cblorarsen
132,6 P.
133,8
2,1629 *)P.
2,2050 P.
1,923
1,914
Hieraus folgt:
1. Dafs die Zusammenziehungen der Körper, bei ihrem
Uebergange aus dem dampfförmigen Zustand in den flüssi-
gen, im Allgemeinen ein einfaches Verhältnifs zeigen.
1) Bei den bcobaclitcten Daten bezeichnet: P. Pierre, A. Andrewi,
K. Kane, Kp. Kopp und M. MiUcl zwischen Pierre a. Kopp.
2) Bei 20',8.
299
2. Dafs die ZuiBammenziehangen zweier isöpepüsibhcr
Körper im flüssigen Zustand gleich sitid^). >
Bei den isopeptisclien Körpern sind alle gleichen TeuN
perataren nothwendig entsprechende. Bei vielen, vielleicht
bei den meisten, flössigen Körpern sind die Contractio^
nen gleich für ein gleiches Intervall zwischen E und der
Temperatur, bei welcher die Spannung (760— p) Milli«
meter ist. Diese Zusammenziehungen sind fast die doppel-
ten von der des Wassers. Diefs erklärt das so kleine Vo-
lum dieses Körpers, unter welch einem Gesichtspunkt man
es auch mit dem anderer Körper verglichen habe.
Da V im Allgemeinen eine ganze Zahl ist und kaum
30 oder 40 übersteigt, so giebt es unter der unendlichen
Anzahl von Körpern nothwendig viele isobare.
Dergleichen sind z. B.
Qaecksüber . . • • • • • j jeren r=.20
Schwefelalher . . C4H,o03S
Kohlensäure CO^
Ameisens. Aethjloxjd OgHgOa [ deren F=14
Essigsaur. Methjl . CaH^Oa >
Stickstoffoxyd ....NO)
Schwefelkohlenstoff • . CS, ( , ., .-
. , ^ T» AI deren K=15.
Aelher C^HiqO l
Schweflige Säure . . . SOj
Die Volume der drei letzten Körper zeigen ein son*
derbares Phänomen:
Das Volum von S^C bei 42° (E berechnet)
ist (nach Pierre) .' = 386
Das Voliftn von SO^ bei —8« (Pierre) . = 277
Das Volum von C4H,üO ist (nach Kopp)
genau die Summe dieser beiden VoIun|e , = 663
Bei dem ameiseusauren Aethjloxjd, CaH^ O,,
wo F=14 und JS== 55^,5 (berechnet) ist
das Volumen (nach Kopp) . . . .'. == 1059
Beim Jodälher, C^H, qJ, wo F:;=56, u. das be-
rechnete £=73Sa Ut das Volum (Pierre) . = 1075
1 ) Vielleicht wSre es zwecfanSfsig 4m beiden Arten von ZasamrocnMcliun-
gen durch verschiedene Worte zu unterscheiden.
300
Diese beiden Yolame können als gleich angesehen wer-
den. Ich kenne, nicht die Dichtigkeit der Dämpfe bei 0^,76
und E^); wenn aber die beiden Körper nicht isobar
sind, ist es wenigstens unmöglich, daCs V:v ein einfaches
Verhältnifs sej.
Angenommen fQr C4H,oS03, £=156 und K = 20,
fQr Aether, C^H^qO, « = 33^,65 und t?=:15, dann ist:
Z — ?2_±
V 15 ~ 3* '
Die Dichten der Flüssigkeiten bei E und e sind 0,9274
(Pierre) und 0,6969 (Kopp)
0,9274 _ _4_ j£
0,6969 3,005 3 '
Nehmen wir an für Jodälher (C^H^oJ) £ = 73^6
und F=:56, sowie für Chloräther 6 = 13,6 und 0 = 2^
so haben wir
T — 28 — ^-
■
Die Dichtigkeiten der Flüssigkeiten bei E und e sind,
nach Pierre, 1,815 und 0,9058; aber
l^öbS — ^'**°^-
Angenommen für Zinnchloryd (SnCI,) £=111^,9 und
r=42, sowie für Aether (C^H.oO) e = 33^65 und
0 = 15, ist
F_42
V ~15*
•
1) Ick habe nicht immer Gelegenheit gehabt, die Yertache, welche die
Dichte der Dampfe bei 0™,76 und 0^ G. gegeben, au&osachai. So kann
ich Korper als isobar aufgeführt haben, die es nicht sind, und andere
ab nicht isobar, die es wirklich sind. Meine Absicht war nur so Bei-
gen, dafs im Allgemeinen die Zusammenxiehungen flSssiger und gasiger
Korper in einfachem Yerhältnils stehen. Wenn dieser Sals festgestellt
ist, wird es leicht sejn, die wahren Verhältnisse zu bestimmen. Denkt
man sich die Dichtigkeiten bei 0^ und E als proportional den Atomge-
wichten oder deren Multiplis, so bleiben die Verhältnisse immer einfach,
obgleich in einigen Fällen das wahre VerhaltniCi die Einheit aeyn kann.
301
Die Dichtigkeiten der Flfis^igkeiten bei E und e Isind
1,965 (Pierre) und 0,6969 (Kopp), aber
1,965. jl2^
0,6969 14,89*
Es scheint demnach als sej in diesen drei Beispielen
das Verhältnifs strenge der Einheit gleich.
Beim Bromholzäther, C, Hg Br, zeigt die Rechnung, dafs
.F=r38 sejn mufs. Denn beim Brom ist F = 30; es wäre
also £ = 37^4. Pierre hat etwa la«' C. gefunden. Den-
noch bleibt kein Zweifel, dafs 37^4 wirklich die der Span-
nung 0",76 entsprechende Temperatur sey.
Ferner wollen wir für das Bromsilicium annehmen e =:
153^ und 17 = 76. Dann haben wir
Z— .?§ — J-
V 76 2 •
Die Dichtigkeiten der Flüssigkeiten bei E und e sind^
nach Pierre, 1,6218 und 2,4334^ aber
1,6218 _ 2
2,4334 3^0009'
Ich schliefse hiemit diese Betrachtungen ; sie scheinen
mir hinllinglich, um den Satz von den Zusammenziehungeki
in einfachem Verhältnisse festzustellen. '
t
'Bei den obigen isopeptischeh Körpern findet sich das
Chlörsilicium als isopeptisch neben Brom und Hölzgeist
gesetzt. Es kann zweifelhaft seyn, ob dem strenge so ser,
weil das Verhältnifs der Dichtigkeitäa nicht so einfach ist
als es seyn müfste. Es scheint nämlich, dafs bei mehren
Körpern der direct beobachtete Siedpunkt nicht zusam-
menfalle mit der der Spannung 0'",76 entsprechenden Tem-
peratur.
Der Siedpunkt des Holzgeistes z. B. scheint nach meh-
ren Beobachtungen 66^ C. zu seyn. Für F=6 und £=58,3
ist indefs, nach Berzelius, seine Spannung bei 14^=83
Millimeter, und diefs entspricht der des Wassers bei 48^,8.
Dadurch hat man
E = - 273,22 + ^'^'f^^^^J"^* = 590 fi
während Kaue gefunden £ = 60.
302
Dieselbe BemerLong lä&t sich beim SditrefelkohleiistoII
machen. Seiu Sicdpankt scheint 46 bis 48° za seyn, in-
defs giebr Mitscherlich 42^ Für F=15 ist £=41,9,
und nach The na rd sind die Temperataren 22*^,5 fGrS^C
und TT^'jSö fär Wasser entsprechende; diefs giebl£=41®,4.
Ich weifs nicht, bis wie weit sich die Abweichungen
erstrecken können; aber es steht zu glauben, dafs sie so
bedeutend sind, um zuweilen die Bestimmung Ton V uo-
möglich zu machen. Es ist also in mehren Fällen schwie-
rig zu unterscheiden, ob Körper isopept oder isobar seyen
oder nicht, Tor allem weil die Dichtigkeiten der Flüssige»
keiteu bei E mit diesen Abweichungen behaftet sind.
Ich komme auf eine Torhin erwähnte Folgerung zorfick.
Bei mehren, aus Kohlenstoff, Wasserstroff und Sauerstoff
zusammengesetzten Körpern ist V gleich der in ihnen enl-
haltenen Anzahl von Atomen (oder Volumen) C, H^ undO.
Ich habe deren bis jetzt 10 bis 12 aufgezählt. In vier Com-
binationen hat der Stickstoff das Gewicht 14. Das Brom
hat für sich und in zwei Combinatiouen das Gewicht 30.
Das Gewicht des Quecksilbers ist 20. Ohne Zweifei wäre
CS voreilig, ans diesen Thatsachen auf die Zosammen-
setzbarkeit der Elemente zu schliefsen. Indefs scheioen
sie mir die durch das Duiong- Petit'sche Gesetz fiber
die specifische Wärme erregte Idee vom Charakter der FJn-
hest abzuändern streben.
Bottcrdam, den 30. Nov. 1819.
d03
XL lieber die Eoctreme der Kälte, welche im Jahre
1850 auf den preufsischen Stationen beobachtet
wurden; pon H. fV. DoQe.
(Aus cL Monatsberichten d. Akad. April 1830).
jißie Witferuugserscheinungeu des vergangenen Winters
zeigen so bedeutende Abweichungen besonders in den ba-
rometrischen Schwankungen von den mittleren Wertheu,
dafis eine Untersuchung, wo diese Störungen begonnen und
wie sie sich fortgepflanzt haben, interessante Ergebnisse
verspricht. Solche Untersuchungen können aber erst nm-
fassend angestellt werden, wenn aus sehr verschiedenen
Gegenden die Beobachtungen veröffentlicht werden. Die
hier der Akademie vorgelegte Notiz bezieht sich zunächst
nur auf die Extreme der Kälte, wie sie vom 20 — 22. Ja-
nuar auf den preufsischen Beobachtungsstationen, welche
unter der Leitung des statistischen Bureaus stehen, an ver-
glichenen nach Reaumur gelheilten Instrumenten erhalten
wurden.
Die Kfilte trat überall nach mehrere Wochen anhalten-
den tiberwiegend östlicheb Winden ein, welche anfangs
mehr aus NO, später mehr aus SO- wehten. In der Nacht,
in welcher die höchte Kälte beobachtet wqrde, 21 — 22,
erreichte das Baroä^ieter eine ungewöhnliche Höhe. Das
Maximum der Kälte fiel nach Posen; Bromberg und Posen
gaben fibereinstimmend eine 29 Grad fibersteigende Kälte.
Nach der Kfiste der Ostsee hin ist diese Kälte weniger in-
tensiv, und nimmt bedeutend nach dem Rhein hin ab. An
der Stelle der gröfsten Kälte häuft sich die Luft am stärk-
sten an (in Königsberg wurde das absolute Maximum beob-
achtet, an den anderen Stationen zu den gewöhnlichen
Stunden 6, 2, 10). Um die Vertheilung der Temperatur
ttnd des Druckes anschaulich zu machen, sind in der fol-
genden Tafel die numerischen Data zusammengestellt. Die
erste Columne enthält die absoluten Kältegrade, an einem
304
Rcgisterthermoineter erhallen, wo X steht; neben dem bft-
romelrischen Maximum und dem Tage, an welchen es beob-
achtet ward, steht das Monatsmittel. Die letzte Colomne
enthsU den Ueberschub des Maximum Ober dieses Mittel.
Die so faSnfig gemachte Bemerkung, dah bei hoben
Kältegraden, welche in der Ebene beobachtet werden, die
Temperatur nach der Höhe zunimmt, bestätigt sich hier
sehr schön durch die Brockenbeobachtungen. Am 22. war
die Kälte daselbst nur —9,0, —10,5, am 21.; das abso-
lute Minimum des Monats — 15,3 f&IU daher *uf «nen
ganz
305
ganz anderen Tag, den 27. Januar. Aefanliche VerhSltnisse.
zeigten sich im Riesengebirge, denn in einem an den Ver-
fasser gerichteten Briefe schreibt Graf Pilati: „In Schle*
gel, bei Glatz, 1181' Über dem Meere, stieg die Kälte am
22. bei Sonnenaufgang auf — 27, in Pischkewitz, nicht im
hochgelegenen Schlosse, sondern in der Beamtenwohnung
am Wasser, soll sie — 30 gezeigt haben. Dagegen haben
'Wünscbelburger den bei ihnen sehr angenehmen Winter^
morgen ohne besondere winterliche Vorsichtsmafsregeln zu
einer Fahrt nach Glatz benutzt und haben die Kälte in
Glatz nicht begreifen können. Am 7. April fand ich in
diesem Städtchen unmittelbar am Fufs des Heuscheuer schon
mehrere Blumen, während bei uns noch keine Spur davon
zu sehen ist'^
XII. Veher die Hagelbildung;
von Dr. Julius LiJwe.
v/bschon die Meteorologie in neuster Zeit so grofse Schritte
gethan und Manches, was uns dunkel, in ihren erweiterten
Lichtkreis gezogen hat, wodurch uns das Entfernte näher
gerückt, ist, so müssen wir doch eingestehen, dafs die
Hagelbildung immer noch etwas Räthselhaftes an sich trägt.
Die Theorie von Volta, welche, fast über alle andere
Ansichten herrschend, sich lange ausschliefslich zu behaup-
ten wufste, sucht man jetzt in vielen wissenschaftlichen
Kreisen, und wohl nicht mit Unrecht, doch nach und nach
zu verlassen. Sie erklärt den Hergang dieses Phänomens,
ohne durch ihre Erklärungsweise andere neue Fragen und
Zweifel verschwinden zu lassen. Eine geistreiche Färbung
können wir ihr deshalb sicher nicht absprechen und ihre
Autorität kräftigt diese Ansicht. So grofsartige Spiele der
Natur lassen sich allein aus unseren physikalischen Kabi«
PoggendorflP» Annal. Bd. LXXX. 20
306
neten nicht beantworten, sie verlangen eine lauge Reihe
sorgfältiger Beobachtungen, durch welche wir endlich aa{
den Weg folgerechter Schlüsse geführt werden müsseo.
Ich bin weit davon entfernt dieses Problem hier lösen zu
wollen; meine Zeilen haben nur den Zweck, den Meteo-
rologen eine Thatsache zu berichtigen, bei welcher ich selbst
Zuschauer war und die bei Vergleichungen und Zusam-
menstellungen ähnlicher Art denselben kein unwillkomme-
ner Beitrag scjn möchte. Ich beschreibe daher ein Ha-
gelwetter, wie ich es im Jahre 1845 den 2. August in Cron-
berg am Taunus erlebt habe und werde mir am Schlüsse
erlauben eine Ansicht über dessen Bildung auszusprechen,
von welcher ich mich seit dem Tage des Ereignisses bis
heute nicht lossagen konnte. Meine Angaben über das
Wetter selbst habe ich durch die Freundlichkeit des Hrn.
J. Becker, Lehrer, welcher mir die seinigen zur Verfü-
gung stellte, vervollständigen können. Um einige örtliche
Bemerkungen nicht zu übergehen, schicke ich voraus, dafs
Cronberg am Fufse des Taunus liegt. In Westen von dem
sogenannten 1268,10 Fufs hohen Hartberg, in Norden von
dem 2468,60 Fufs hohen Altkönig eingeschlossen ( JahrhG-
cher des Vereins für Naturkunde im Herzogth. Nassau).
Seine nördliche Breite beträgt öO"» T 48" und seine Mee-
reshöhe etwas mehr als 700 Fufs mit einem mittleren Ba-
rometerstand von 327,28 par. L. und einem mittleren Ther-
mometerstand von + 7,53" R.
Am Abend des 1. August fiel ein nicht unbedeutender
Regen, wobei die Temperatur -f- 13,1" R. war. Wah-
rend des Tages selbst spielte ein schwacher Wind aus
WS und SSW und der Himmel blieb dabei stets bewölkt.
Erst in der Nacht von dem 1. auf den 2. hörte man in
der Entfernung oft ein schwaches Donnern. Gegen Mor-
gen ertönte das Rollen desselben schon immer nShcr und
stärker und erreichte um 5 Uhr eine solche Heftigkeit, dafs
er alle Schlafenden aus den Betten trieb. Dabei schwSrzte
sich der westliche Horizont immer mehr und mehr und in-
tensive Blitze erleuchteten und durchkreuzten ihn nach al-
307
lea BichtangeD. Uugeflibr 20 Minuten nach 6 Uhr zeigte
aich plötzlich in WSW eine Tveifsgraue Wolke, aus de-
ren Mitte, nach Becker's Angaben, öfters weifsgraue, fft«
dierförmige Strahlen schössen. Gegen 6 Uhr 30 Minuten
hörte man das charakteristische, prasselnde Geräusch, wel-
ches immer den Hagelwettern vorausgeht und die ziemlich
tiefgehende Wolke, von welcher dasselbe herzukommen
schien, bewegte sich sichtbar schnell von WSW nach NO
' in directem Laufe nach Cronberg zu. Das Leuchten der
Blitze, sowie das Krachen des Donners wurde dabei stets
gewaltiger. In wenigen Augenblicken stürzte eine unge-
heure Hagelmasse mit furchtbarer Heftigkeit unter einem
hohlen Windesheulen in toirbelnden Bewegungen auf die mir
gegenüberliegenden Dächer; Fensterflügel wurden ausgeho-
ben und die Scheiben derselben fast bei allen Wohnungen
zertrümmert. Die Entladungswolke war so dicht, dafs wäh-
rend ihres Niederfalls es ganz dunkel wurde. Nach der
Aussage mehrerer Beobachter, die in der Ferne mit zusa-
hen, soll Cronberg in diesem Moment ihren Blicken völ-
lig entschwunden sejn. Das ganze Schauspiel dauerte etwa
5 — 7 Minuten, und doch war die in so kurzer Zeit gefal-
lene Hagelmasse so grofs, dafs sie die Strafsen und Wege
fast bis zu einem Fufs hoch überschüttete. Die einzelnen
Körner zeigten eine Gröfse, etwas beträchtlicher als die ei-
ner Flintenkugel; nach Becker's Messungen erreichten viele
den Durchmesser von ll — 12'". Ihre Gestalt war fast durch-
gehend die kugelförmige; doch wichen einige. von dieser
Regelmäfsigkeit ab und waren an den Rändern etwas ein-
gerissen; )a, es sollen an manchen Orten sogar Eismassen
von der Ausdehnung einer Mannshand herabgeschleudert
worden sejrn. Besonders geschah diefs in einem ungefähr
•|r Stunde von Cronberg entfernten Walde, am Hartberg,
wroselbst also die Entladung der Wolke mit ihrer gröfsten
Intensität dürfte begonnen haben. Einige dieser Kömer
sollen bei ihrem Aufschlagen wie Glas zersprungen 'seyn
und ein schweflicher Geruch nach dem Fallen der Hagel-
massen sich bemerkbar gemacht haben* Etwa l\ Stunden
20»
308
westlich von Cronberg fielen zuerst vereinzelt einige KAr-
ner. Das Welter nahm seinen Zug nach NO and entlad
sich, jedoch in sehr geschwächtem Maafse, auch in den nord-
östlich von Cronberg gelegenen ' Fluren. Der Stand des
Barometers vor dem Wetter betrug 324,6"', nach demselben
325,0'" bei 0^ R. Das Thermometer zeigte im Anfange
13,1^ und gegen 7 Uhr 11,4^ R. Auch hier geschah es,
wie in so vielen Fällen, dafs vor dem Hagel kein Regen
fiel; erst gegen das Ende stellte sich derselbe ein nnd ward
heftiger, als das Hageln ganz aufgehört hatte. Der Regen-
messer erlangte dadurch einen Stand von 66 par. L. Ich
vermag es nicht zu schildern, welche entsetzliche Zerstö-
rung ein Wetter von so kurzer Zeitdauer anrichtete. Die
schönen und herrlichen Aussichten auf eine reidie Ernte
waren vernichtet; wie ausgedroschen lagen die Aebren der
Halmfrüchte an dem Boden, das Kraut der Knollengewächse
fast gänzlich abgeschlagen; die Obstbäume der FrQchte nnd
Blätter beraubt, standen abgestreift da, wie nach einem
Herbstfroste, leeres Gezweig hinaus in die feuchte Lfifte
breitend. Ein dichter Nebel, welcher von den Fluren auf-
stieg, bildete zu diesem traurigen, herbstlichen Gemälde
die Umrahmung. Eine Menge getödteter Singvögel schwam-
men in den mit Hagelkörnern und unreifem Obste gemisch-
ten Wasserströmen, welche von den Anhöhen herabraosch-
ten. Ein Knabe allein sammelte solcher armen Thiere über
46, ja sogar junge Hasen waren den Schlägen dieses Wet-
ters nicht entgangen. Die kräftigsten, dickstämmigsten
Bäume waren entwurzelt und auf die Krone gestellt^ über-
all erblickte man die Spuren dieser schrecklichen Verwü-
stung der Natur; eine sonst so milde Schafferin zeigte sich
hier in der Lust unersättlicher Zerstörung.
Das ganze Auftreten dieses hier beschriebenen Natur-
ereignisses zwang mir die Ansicht auf, dafs die Hagelbil-
dung auf einer Mitwirkung von Wirbelwinden beruhen
müsse; einmal das hohle Brausen, womit die anftingliche
Entladung begleitet war; ferner die wirbelnden Bewegun-
gen, welche ich beim Niederfallen der Hagelkörner beob-
309
aditete; alsdann die seltsame Stellung der entwurzelten
Bäume, Alles dieses scheint sich mit dieser Meinung zu
▼ereinigen. Sej es mir nun erlaubt ein Bild Über die Ent-
stehung solcher Wirbeln und der daraus folgenden Hagel-
bildung zu entwerfen. Es ist eine bekannte Thatsache,
dafs die in den Aequatorialgegenden stark verdünnte, senk-
recht aufsteigende Luft in einer gewissen Höhe zu beiden
Seiten des Aequators nach den Polen hin abfliefst (Aequa-
torialstrom). Dieser Verlust wird ersetzt durch eine Strö-
mung in entgegengesetztem Sinne, welche eine Richtung
von den Polen zu dem Aequator hat (Polarstrom). Solche
Windbewegungen finden auf gleiche Weise auf der nörd-
lichen, wie südlichen Halbkugel statt; doch betrachten wir
deren Lauf nur auf der nördlichen Hemisphäre» Diese bei-
den Passate, wie man sie auch zu bezeichnen pflegt, wer-
den in geringen Entfernungen vom Aequator in entgegen-
gesetzten Bewegungen horizontal über einander noch hin-
fliefsen. Der Polarstrom, als der kältere und schwerere,
wird der untere (untere Passat), der Aeqnatorialstrom, als
der leichtere, wird der obere Strom sejn (obere Passat).
Doch diese Differenz in der Lagerung der beider Luftströ-
mungen wird mehr und mehr schwinden müssen, je mehr
der obere Passat sich abkühlt, welches geschieht, indem
er fiber Breiten streicht, die eine geringe Temperatur be-
sitzen, als die seinige ist. So wird nun bekanntlich bald
ein Zeitpunkt kommen, wo diese beiden Ströme nicht mehr
horizontal über einander abfliefsen, sondern eine kurze Weile
sich neben einander herbewegen werden.
Ist dieser Augenblick erfolgt, so wird sogleich ein leb-
hafter Austausch an den Berührungsstellen beider Passate
eintreten; Theile des Polarstroms werden hinüber zum Ae-
qnatorialstrom gerissen, da letzterer ein gröfseres Bewe-
gungsmoment besitzt, als ersterer, indem er von Breiten
kommt, denen eine gröfsere Rotationsgeschwindigkeit eigen
ist Allein diese Theilchen des unteren Passats werden
dem schnellen Laufe ihrer neuen Stromrichlung nicht fol-
gen können, ihre gröfsere Schwere wird sie daran hindern.
310
and somit werden sie liach einem sehr kurzen Zeitraame
gezwungen za ihrer ursprünglichen Richtung fiberzasprin-
gen. Durch diesen wechselseitigen Verkehr beider Winde
wird eine wirbelnde Bewegung entstehen müssen, die um
so heftiger, }e beträchtlicher der Bruchtheil ist, um wel-
chen die Schnelligkeit des Aequatorialstroms die des Polar-
stroms übertrifft; natürlich innerhalb gewisser Gränzen.
Durch eine solche andauernde Rotation an den Berührungs-
flächen beider Luftströmungen wird aber eine bedeutende
Abkühlung hervorgerufen; die vorher in der Atmosphäre
aufgelösten Wasserdämpfe müssen coudensirt werden, ja,
ihre Temperatur wird bei anhaltender Bewegung bis zum
Gefrierpunkt herabsinken, und von diesem Augenblick an
sind alle Bedingungen zur Eisbildung gegeben. Die sich
immer aufs Neue niederschlagenden Dämpfe werden sich um
den bereits gebildeten Krjstallkern ablagern, und somit
ein Wachsen desselben bedingen. Diese so zu sagen ent-
standene Hageltrombe wird von dem schneller eilenden
Aequatorialstrom mit fortgerissen uud für dieses dürfte die
Beobachtung sprechen, dafs nämlich die meisten Hagelwet-
ter ein Streifen von SW nach NO zeigen. Schon Dove
nimmt bei seiner Erklärung über das Entstehen der Stürme
solche Wirbel zu Hülfe, nur wird nach seiner Ansicht
eine wirbelnde Bewegung aus dem Anstofse, den einer der
Ströme auf den anderen ausübt, nicht recht deutlich. Auch
viele Andere haben schon den Wirbeln einen grofsen An-
theil bei der Hagelbildung zugestanden, nur sollen es theils
nach ihren Meinungen elektrische Wirbel seyn, und ich er-
innere mich sogar gelesen zu haben, dafs solche elektrische
Wirbel aus dem Anstofsen gleichnamiger elektrischer Fluida
hervorgerufen würden, so z. B., dafs die Erde und die
Wolken beide + E. oder beide mit -r- E. geladen wä-
ren. Ich glaube diese Hypothese ist zu sehr auf die Un-
kenntnifs von der Lehre der elektrischen Vertbeilung ge-
baut, als dafs sia in den Kreis der Wahrscheinlichkeit dürfte
gezogen werden. Noch vielfältige Beobachtungen werden
bestätigen, dafs die Wirkung von Wirbeln überhaupt bei
31i
der HagelbitduDg ein Factum ist, welches sich nicht weg-
I&ugnen läfst.
Wenigstens scheint die stets sich der Kugelform so nä-
hernde Gestalt der Hagelkörner auf eine rotirende Bewe-
gung hinzuzeigen. Merkwürdig ist auf jeden Fall die That-
Sache, dafs zwischen den Wendekreisen gar keipe Hagelwetter
vorkommen sollen (Humboldt's Reise III. S. 465). Ebenso
auch nicht jenseits des 60*^ der Breite, und somit wSre ihr
Erscheinen mehr auf die mittleren Breiten beschränkt, eine
Annahme, welche die Erfahrung zu bekräftigen scheint.
Nach der Weise, wie ich mir erlaube die Entstehung der
Hagelwolken zu denken, liefse sich darüber vielleicAt ein
Aufscblufs erlbcilen. So lange die beiden Ströme hori-
zontal über einander abfliefseu, ist eine gegenseitige Reac-
tion nicht denkbar, und dieses ereignet sich ja stets in
unbeträchtlichen Entfernungen vom AeqiAator, woselbst der
obere Passat von seiner anfänglichen Intensität noch we-
nig verloren bat; dagegen mufs er in sehr hohen Brei-
ten schon so bedeutend abgekühlt seyn, dafs seine Wir«
kung auf den Polarstrom verschwindet Sollte nun wirk-
lich dieses ganze Phänomen nur auf einer Gegenwirkung
dieser beiden Luftströmungen beruhen, so müfste man
vielleicht ein Wehen des Windes nach verschiedenen Sei-
ten bei einem Hagelwetter beobachten können, welche
Wahrnehmung in der That schon soll gemacht worden seyn,
besonders sehr bemerklich an dem unregelmäfsigen Zuge
der Wolken. Im Kleinen kann man ein solches Spiel zweier
Luftströmungen und die dadurch entstehenden Wirbeln se*
hen, wenn man die Fenster eines Zimmers öffnet, in wel-
cfaem viel Rauch ist, und dessen Temperatur gegen die der
äfufseren Luft nicht um sehr viel Wärmegrade differirt.
Es bliebe nur noch die Frage zur Beantwortung übrig,
welche Rolle die Elektricität bei dieser Naturerscheinung
spiele und in wiefern eine Entladung der Hagelwolke ver-
anlafst werden könne. Die neueren Beobachtungen in der
Physik haben das Resultat geliefert, dafs die Elektricität
meist durch den Verdampfungsprocefs der Luft . zugeführt
312
wird, and zwar wfirde der Wasserdampf dabei -t- die Erde
dabei — elektrisch. Es ist nicht wohl anzunehmen, dafs
die Elektricität in der Atmosphäre blofs auf das Verkom-
men der + E. beschränkt sej, und in der That haben an-
gestellte Versuche auch — E. in derselben nachgewiesen.
Wie dem nui) sej, immer müssen wir den Verbrennungs-
und Verdampfuogsproccfs als die Hauptquelle der Luftelek-
tricität betrachten. Werden nun diese Dämpfe verdichtet,
80 wird sich die E., mit welcher sie geschwängert war.eii,
auf ihrer Oberfläche abscheiden und mit ihrem Gegensatze
auf der Erde oder mit dem einer ihr näherstehenden Wolke
in Spannung treten. Ein Gleiches findet wohl bei Hagel-
wolken statt, nur mit dem Unterschiede, dafs die Hagel-
wolken gewöhnlich sehr tief gehen und ihre Elektridt mehr
das Bestreben zeigt sich mit der E. der Erde ins Gleich-
gewicht zu setzen; ferner mufs in diesem Falle die Span-
nung um vieles beträchtlicher seyn, als dieses bei Gewit-
terwolken zu sejn pflegt, indem die dort verdichteten Dämpfe
immer noch eine gröfsere Leitungsfähigkeit besitzen, als
die hier angehäuften Eismassen. Durch diese wechselseitige
Neigung der ungleichuamigen Fluida zur Neutralisation
mufs endlich eine Entladung der Hagelwolke erfolgen.
Nach Volta's Ansicht wäre es eine rasche Verdunstung,
hervorgerufen durch die Absorption der Sonnenstrahlen,
welche die Hagelbildung begünstigen. In unserem Falle
waren die vorhergehenden 15 Tage fast meist regnerisch
und zwar verhielt sich die Heiterkeit der Atmosphäre m
deren Bewölbung wie 1:2,1, unter denen sich 10 Regen-
tage befanden.
Diese feuchte Witterung dürfte für den groCsen Beidi«
thum von Elektricität sprechen, mit welcher die Luft an die-
sem Tage angefüllt war, und der am Abend des 1. August
gefallene Regen mufs die unteren Luftschichten um so bes-
ser leitend gemacht haben; auch bewirkte vielleicht dar
stark mit Nadelholz bepflanzte Hartberg, über dem die Wolke
zuerst zog, und woselbst die Entladung sicher zuerst be-
gonnen, eine starke Vertheilung, wenigstens spricht sich
313
die Erfabning fOr einen derartigen Einflafs von Waldun-
gen aus.
Die unausgesetzten Forschungen der neuren Zeit werden
uns auch noch hierüber aufklären, diese Naturerscheinung
wird das für uns jetzt Wunderliche verlieren , wenn es
uns vergönnt, seyu wird, mehr auf ihren Anfang zurückzu-
gehen, und vielleicht finden sich auch in diesem Phäno«
men die schönen Worte Humboldt's bestätigt: „Dafs
die Meteorologie ihr Heil und ihre Wurzel in der heifsen
Zone suchen müsse !*'
XIII. Ueber den Taihspaih;
von August Breithaupt.
A\s ich den Tälkspalh oder Carbonites hysiaticus in mei-
nem vollst. Handb. d. Mineralogie Bd. 2. S. 240 bestimmt
hatte, vermochte ich von der chemischen Beschaffenheit nur
im Allgemeinen anzugeben, dafs der Körper die reinste
kohlensaure Magnesia sey, welche man von krystallisirten
Mineralien habe. Man kennt ihn sehr ausgezeichnet aus
Norwegen, wo er beim Hofe Lofthuus unweit Suarum in
Begleitung von Serpentin, sogen. Titaneisen, Hydrotalkit
und einem Phengit- Glimmer, in einer lagerartigen Zone im
Urgneise vorkommt. Hier wird er meist von grobkörniger
marmorähnlicher Beschaffenheit, seltener in gröfseren ho-
mogen krystallischen Partien angetroffen.
Diesen Talkspath habe ich in drei Spaltungsgestalten
gemessen und, bei schöner Spiegelung, den stumpfen Bhom-
boeder- Winkel, wie früher an anderen Varietäten = 107^
28i' gefunden, nämlich 107^28', 107<' 28^', 107^29'. Das
specifische Gewicht =3,017.
Hr, Prof. Th. Scheerer, dem ich auch die obige geo-
gnostische Notiz verdanke, fand die chemische Zusammen-
314
setzoDg im Darchscboitte von vier sehr nahe miteinander
übereinstimmenden Analysen so, wie unter a folgt ; 6 giebt
die Bestandtheile naeb der Formel MgC:
a. b.
Koblensäure 51,447 52,768
Magnesia 47,296 47,232
Eisenoxydul 0,786
Wasser 0,470.
Hierbei ist das Atomgewicht der Magnesia zu 251,6 an*
genommen.
Von den Säuren wird aucb dieser Talkspath bedeu-
tend schwieriger angegriffen als die amorphe kohlensaure
Magnesia, der Magnesit. Den Magnesit von Frankenstein
in Schlesien fand der nur genannte Qiemiker als eine ganz
vorzüglich reine Magnesia.
XIV. Ueber den jiigirin;
von j4ugust Breiihaupt.
u.
nter dem Namen Aigirin oder Äegyrin hat man bisher
zweierlei von Hrn. Es mark entdeckte und benannte Mi-
neralien, einen Pyroxen und einen Amphibol begriffen.
Hr. Plantamour hat von dem einen Aigirin folgende
Mischung bekannt gemacht:
Kieselsäure 56,57
Titansäure 2,01
Thonerde 3,41
Kali 7,79
Natron 2,06
Kalkerde 5,91
Magnesia 5,87
Eisenoxydul 24,38
Der andere Aigirin soll sich hingegen chemisch wie ein
Amphibol verhalten haben. •
315
Uolfitigst erhielt ich Dan den 'achten Äigirin durch Hrn.
A. Krantz, verwachsen mit dem Jüngern Leueophany wel-
cher Begleiter für jenen bezeichnend seyn .soll, und mit
einem graulichweifsen frischen orthoklastischen FelsU mit
deutlicher hemiprismatischer Spaltbarkeit und vom specific
sehen Gewicht 2,490 bis 2,507, den ich nicht geradezu
für Pegmatolith erklären möchte. Ferner gehören zu den
Begleitern diejenige Abänderung des meist dichten Nairo-
liths, welche auch Bergtnatmit genannt worden und ein
Phengit. Der Fundort ist die Insel Skaadön, die Nachbar-
insel von Lamskjaerj wo den genannten Mineralien auch
noch Mosandrit, angeblich selbst Bodalit beibrechen. Beide
Inseln liegen im Meerbusen von Brevig in Norwegen. Die .
Mineralien sollen als Ausscheidungen im Zirkon- Syenit
vorkommen.
Der Aigirin von Skaadön besitzt folgende Eigenschaften:
Glasglanz.
An den Kanten grün durchscheinend bis undurchsichtig.
Farbe, grünlichschwart, schwärzlich- und in den dünn-
sten Krystallen bis lauchgrün. Strich, lichte grünlichgrau.
Die eingewachsenen Krystalle erscheinen zwar in schilf-
artigen Säulen mit starker Längenkerbung, wie man der-
gleichen oft an Amphibolen zu sehen gewohnt ist, allein
das Mineral ist dennoch ein Pyroxen. Die 'Neiguilg des
Prisma gegen die Brachydiagonale liefs sich befriedigend
messen und dieser Winkel betrug 133^26', woraus man
den primär-prismatischen Winkel od P = 86^ 52' erhält, den
stärkst geschobenen, der noch mit Genauigkeit an einem
Pyroxen beobachtet worden. — Die Spaltbarkeit ist bra*
chydiagonal, vollkommen; makrodiagonal deutlich; primär-
prismatisch nur in Spuren; somit gleichen Verhaltens wie
bei einigen anderen Pyroxenen, z. B. bei Bronzit (Pyro^
xenus magnesius) und Kieselmanganspath {Pyroxenus man-
ganosus). Derartiges Verhalten der Spaltbarkeit kennt man
hingegen von keinem Amphibol.
Härte = 7 bis 7i.
Specifisches Gewicht = 3,432 bis 3,504 nach drei Be-
316
stimmongeDy der dunkel lanchgrüne war der leidifesfe^ der
schwarze der schwerste.
Hrn. Prof. Plattner bat ich um chemische Untersu-
chung des Minerals, wozu er die schwarze Abänderung,
welche auch die von mir gemessene ist, verwendete. Ich
erhielt von ihm darüber folgende Mittheilung:
y,Der leicht schmelzbare Aigirin weicht in seiner Zu-
sammensetzung wesentlich von derjenigen ab, welche Hr.
Plantamour angegeben, und nähert sich mehr der des
Arfvedsonit's. Ich habe darin folgende Bestandtbeile ge-
funden :
Kieselsäure 52,00
Thonerde 2,20
Eisenoxydul 29,25
und Natron einen bedeutenden Gehalt, welcher wohl das
meiste des am Gewicht fehlenden betragen dürfte. Dage-
gen habe ich weder Kali, noch Kalkerde, noch Talkerde
aufgefunden.'^
Von dem Arfvedsonit unterscheidet sich der Aigirin da-
durch, dafs das Eisen in jenem als Oxyd, in diesem als
Oxjdul enthalten ist.
Aus den vorstehenden Untersuchungen geht hervor, daCs
dieser Aigirin ein Pyroxen und zwar eine eigenthimlid^
Specie desselben ist, und es möge der Name Aigtrin für
dieses Mineral beibehalten werden.
Der andere Aigirin ist ein Amphibol von grünlichschwar-
zer Farbe, welcher einen grünlichgrauen, schon ins Grüne
fallenden Strich giebt, nach dem primären Prisma schön
spaltet und das specifische Gewicht 3,297 hat. Den pris-
matischen Winkel habe ich noch nicht gemessen«
317
XV. Der Ferdinandsbrunnen zu Marienbad.
(Aus einer 1849 su Eger veroflentlichten Notiz).
Di
'ie Ferdinandsquelle Dimmt seit dem Jahre 1820 einen
ehrenvollen Platz unter den Gesundbrunnen Deutschlands
ein.. Prof. Steinmann hatte sie damals, kurz nach ihrer
Fassung, chemisch untersucht, und in '16 Unzen Wasser
45,9650 Grane fester Bestandtheile gefunden.
Im Jahre 1825 wiederholte Berzelius diese Analyse
zu Stockholm am versendeten Wasser von der Herbstfül-
lung 1824, und erhielt ein gleiches Resultat, nur entdeckte
er darin, nebst Spuren von Jod, Flufs- und Phosphorsäure,
noch Lithion und Strontian. Darnach enthielten 16 Unzen
des Wassers der Ferdinandsquelle:
Schwefelsaures Natron 22,5362 Grane
Chlornatrium 8,9963 -
Kohlensaures Natron 6,1302
Kohlensaures Lithion 0,0676
Kohlensaure Kalkerde 4,0112
Kohlensauren Strontian 0,0054
Kohlensaure Talkerde 3,0489 -
Kohlensaures Eiseuoxjdul .... 0,3993
Kohlensaures Manganoxydul . • • 0,0921
Basisch phosphorsaure Thonerde • • 0,0054
Kieselsäure 0,6697 -
Flufssaure und phosphorsaure Kalkerde
und Joduatrium ....... Spuren
Summe der festen Bestandtheile . 45,9623 Grane
Freie und au die Bicarbonate gebun-
dene Kohlensäure ..... . 20,1580 -
Summe aller Bestandtheile . . . 66,1203 Grane
Specißsches Gewicht = 1,00462.
Im nämlichen Jahre fand Struve in einer gleichen Menge
Wassers einen Salzrückstand von 45,2795 Granen.
Die grofse Uebereinstimmung dieser zu verschiedenen
Zeiten unternommenen Analysen dreier der ausgezeichnet-
sten Chemiker setzt es aufser Zweifel, dafg der Ferdinands-
brunnen in den Jahren 1820, 1824 und 1825 eine überein-
stimmende chemische Znsammensetzung gehabt hat, und zwar
tion nicht ganz 46 Granen feuerfester Bestandtheile m 16 Un-
zen Walsers.
318
Seit einigen Jahren bat sich durch wiederholte Abdam-
pfuDgsversuche im Kurorte die interessaDte Thatsache her-
ausgestellt, dafs das quantitative Mischungsverhältuifs -der
genannten Quelle ein ganz anderes y und zwar ein toeU
günstigeres geworden ist. Es waren sowohl im Sommer
1843 nach einem siebenwöchentiichen Regen, als auch im
Herbste desselben Jahres nach einer fast ebenso lange
anhaltenden trockenen Witterung, jedesmal 12 Civilpfunde
(zu 16 Unzen) Ferdinandsbrunnen abgedampft worden und
hatten, im Widerspruche mit den bisherigen Analysen, für
1 Civilpfund (zu 16 Unzen) die höchst bedeutende Summe
von 73 7 Granen fester Bestandtheile gegeben.
K. M. Kersten, Professor der analytischen Chemie
zu Freiberg, dadurch veranlafst, hat eine ebenso unpar-
teiische als grundliche Analyse vorgenommen und die Rich-
tigkeit der vorangegangenen Abdampfungen bestätigt. M.
vgl. die meisterhafte Abhandlung des genannten Analyti-
kers: „Der Kreuz- und Ferdinandsbrunnen in Marienbad,
von neuem chemisch untersucht. 12. Leipzig, 1845." Die-
ser zufolge enthalten 16 Unzen des Wassers der Perdi-
naudsquelle:
Schwefelsaures Natron 38,7663 Grane
Schwefelsaures Kali 0,3256
Chlornatrium 15,3968 -
Kohlensaures Natron 9,8995
Kohlensaures Lithion 0,0691
Kohlensaure Kalkerde 4,1832
Kohlensauren Stroutian 0,0061
Kohlensaure Talkerde 3,4944
Kohlensaures Eisenoxydul . . . . ' 0,4707
Kohlensaures Manganoxydul • . . 0,1205
Basisch phosphorsaure Thonerde • . 0,0137
Neutrale phosphorsaure Kalkerde • . 0,0145
Kieselsäure 0,7411
Brom-, Fluor-, Quellsäure- und Quell-
satzsäureverbinduugen und organi-
sche Materie Spuren
Summe der festen Bestandtheile 73,5015 Grane.
Freie und an die Bicarbonate gebun-
dene Kohlensäure 22,8372 >
Summe aller Bestandtheile 96,3387 Grane.
Specifisches Gewicht = 1,01030.
319
Man ■ kann die bis auf das Jahr 1832 verfolgte, durch
Kersten's Analyse ermittelte chemische Zusammensetzung
des Wassers der Ferdinandsquelle unmöglich für ein zufäl-
liges, vorübergehendes Ereiguifs halten. Wir finden viel-
mehr den vermehrten Salzgehalt der Quelle in der seit
1828 geänderten physikalischen Beschaffenheit der nächsten
Umgebung des Brunnens nächst -ursächlich und nothtoendig
bedingt.
Damals war behufs der Aufführung der gegenwärtigen
grofsartigen Colonnade am Ferdipandsbrunnen die Trocken-
legung des versumpften Erdreichs in einer ziemlich weiten
Ausbreitung nöthig geworden. Man mufste zu diesem
Zwecke ringsherum ein förmliches Netz von gemauerten
Abzugskanälen anlegen, die zum Theil zu 5 — 7 Fufs Tiefe^
meist auf Rostunterlagen aufgeführt wurden und, nach dem
im hiesigen Archive befindlichen Bauplane (vom genann-
ten Jahre), auf einem Flächenraume von beiläufig 1500(1]
Klaftern, zusammengenommen eine Längenausdehnung von
2016 Fufs betragen« Ueberdiefs mufstre westwärts von der
Quelle das Bett des vorbeifiiefsenden Auschabaches weiter
hinausgerückt, und östlich eine 20 — 25 Fufs hoch aufstei-
gende Berglehne ganz abgetragen werden. Bei den letzt-
genannten Erdabgrabungen kam man auf ein vorher unge-
kanntes Stollenwasser. Den Abflufs dieses Wassers leitete
man in einen Hauptkanal, und liefs die übrigen Abzugs-
kanäle und' Gräben in diesen einmünden. Dafs hierbei
nebst einigen schwächeren Säuerlingen eine bedeutende
Menge sogenannter wilder oder Tagewässer abgeleitet wor-
den war, zeigt schon der Augenschein, wornach der mit
dem abfliefsenden Mineralwasser der Ferdinandsquelle ver-
einte Wassersfrom an seiner Einmündung in den Auscho-
witzer Bach wenigstens das Dreifache der zuströmenden
Wassermasse der Ferdinandsquelle allein beträgt.
Es erscheint nach den hier auseinandergesetzten Ver-
hältnissen im höchsten Grade wahrscheinlich, dafs die obige
Zunahme der Ferdinandsquelle an Salzgehalt mit der ge-
wonnenen Ableitung und Fernhaltung der sogenannten wil-
den (zum Theil mit mineralischen Bestandtheilen gemeng-
ten) Wässer im nothwendigen Zusammenhange steht. Um
diese Behauptung zur Gewifsheit zu erheben, war eine
neuerliche unmittelbare Messung der Wassermenge der
Quelle an ihrer Abflufsröhre das einzige Mittel.
Prof. Steinmann hatte dieselbe im J. 1820 bei di-
320
recter Messung =3471 Kubikzolle (fast 45 österr. Maafs)
binnen einer Minute gefunden. Sie wurden aber nach Tie-
len, zu jeder Jahreszeit und bei den abweichendsten Wit-
teruugsverhältnissen wiederholten, stets übereinstimmenden
Versuchen, deren einer vor vielen glaubwürdigen Zeugen
vorgenommen wurde, als = 1728 Kubikzolle (nicht ganz
22^ Österreich. Maafs) binnen einer Minute thatsächlich
nachgewiesen. Dafs diese Verminderung der Wassermenge
der Ferdinandsquelle seit dem Jahre 1828 wirklich einge-
treten ist und so fort bestanden hat, dafür spricht die vom
hiesigen Apotheker K. Bremsen, schon früher mitgetheilte
Beobachung, dafs die Menge des abfliefsenden Wassers
seit der genannten Zeit mindestens um ein Drittel abge-
nommen hat.
Der Schlufs liegt nicht fern, dafs mit der also herbei-
geführten Verminderung der Wassermenge der Quelle (1828)
die erst in neuester Zeit physikalisch -chemisch ermittelte
und aufser allen Zweifel gesetzte Vermehrung ihres Salz-
gehaltes eingetreten ist, und seither mit jener gleichmäCsig
fortbestanden hat. Daraus folgt, dafs die neue chemische
Zusammensetzung des Wassers der Ferdinandsquelle als
eine von nun an bleibende betrachtet und allen weiteren
medicinischen Schlufsfolgerungen zu Grunde gelegt werden
müsse.
Dabei wird nicht geläugnet, dafs das Wasser des Fer«
dinandsbrunnens dann und wann kleinen Schwankungen un-
terworfen sejn könne f wie sie allen Mineralquellen mehr
oder weniger eigen sind; aber diese haben sich bisher in
der Erfahrung, wie gesagt, nur als höchst geringfügige her-
ausgestellt.
Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin , Grunstr. 18.
1850. A N N A L E N JTo. 7.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
BAND LXXX.
I. lieber das Eindringen des Elektromagnetismus
in weiches Eisen und über den Sättigungspunkt
desselben; von Prof. Dr. v. Feilitzsch in
Greifswald.
JL/ie umfassenden Untersuchungen der HH. Lenz und Ja -
cobi „über die Gesetze des ElektrouTagnetismus" ') schei-
nen kaum noch eine Frage in diesem Gebiete unbeantwor-
tet zu lassen. Dennoch aber ist gerade durch jene sorg-
fältige Berücksichtigung aller Umstände Raum zu neuen
Untersuchungen geschaffen. Bei Gelegenheit der Erörte-
rungen über den Einflufs der Dimensionen des Eisenker-
ne& auf ^en in ihm erregten Magnetismus heifst es u. a.
(Ann. Bd. LXI. 262.):
,y Wir können für die meisten praktischen Bedürfnisse den
Satz annehmen: dafs bei massiven Eisen cjlindern von
gleicher Länge und von mehr als ^" Durchmesser die
durch galvanische Ströme von gleicher Stärke und durch
Spiralen von einer gleichen Anzahl Windungen . ertheil-
ten Magnetismen, den Durchmessern dieser Cjlinder pro-
portional sind*^
Ferner heifst es (Ann. Bd. XL VII, 244):
„Der im weichen Eisen durch galvanische Ströme hervor-
gerufene Magnetismus ist diesen Strömen genau propor-
tional *^
Vindicirten wir dem ersten Satz seine volle Gültigkeit
(denn Versuche mit hohlen Eisencylindern sind nicht an-
gestellt worden), so würde eine einfache Proportionalität
zwischen den Lineardimensionen des Eisenkernes and den
1) Pogg. Ann. Bd. XLVH, 225; Bd. LXI, 254 und 448. .
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 21
322
gewonoenen Magnetismen zo dem ScUoCb berechtigen: dafs
die magnetische Spannong des Easens blob an der Ober-
fläche stattfände und nicht in das Innere der Eisenmasse
eindränge. Der andere Satz in allen Conseqnenzen ver-
folgt, wQrde das ausschliefsen , was man gemeinhin unter
Sättigungspunkt versteht. Und beide Sätze wGrden uns
lehren, dafs etwa ein cjlindrisch gebogenes Eisenblech, von
immer stärkeren galvanischen Strömen umflossen, in dem
Maafsc mehr Magnetismus liefern würde, als die Ströme
sich verstärkten, oder der Umfang des cjlindrischen Ble-
ches zunähme.
Diese und ähnliche Bedenken drängten mich, die Frage
zu ventiliren, ob der Magnetismus des galvanischen Stro-
mes überhaupt in das Innere eines Kernes von weichem
Eisen merklich eindringe und, wenn ein solches Eindringen
vorhanden ist, nach welchen Gesetzen es geschehe. Die
folgende Abhandlung mag zeigen, wie weit die aufgewor-
fenen Fragen beantwortet werden konnten.
Bei den Untersuchungen schlug ich folgenden Weg ein.
Zuerst prüfte ich für weitere Umfilnge der Stromstärke, als
es von den HH. Lenz und Jacobi geschah, ob auch dann
noch der Elektromagnetismus in denselben Eisenkernen pro-
portional den Stromstärken sej; und ob er sich bei ver-
schieden dicken aber gleich langen Eisenkernen und bei
gleicher Stromstärke verhalte wie die Umfange der Eisen-
cjlinder. Hierauf untersuchte ich, ob hohle und massive Eli-
sencjlinder von übrigens gleichen Dimensionen eine gleiche
Quantität von Magnetismus bei denselben Stromstärken
geben. Da ich fand, dafs letzteres für geringe Stromstär-
ken der Fall war, dafs aber immer gröfbere Differenzen
eintraten, je mehr die Stromstärke zunahm^ versuchte ioh,
ob eine gleiche Abnahme vorhanden wäre, weün mehre
hohle Eisencjrlinder von gleicher Länge in einander ge-
schachtelt wurden. Da ich nun durch di^cs Verfahren wie-
der eine Vermehrung des Magnetismus wahrnahm, sdilofs
ich, daCs derselbe in Wahrheit merklich in das Innere des
Eisens eindringt, und fragte endlich, welche Gesetze das Ein-
323
dringen des Magnetismus in das Innere des weichen Eisens
befolgen möchte.
Zur Messung der Stromstärken und des Elektromagne-
tismus im weichen Eisen bediente ich mich einer früher
beschriebenen Vorrichtung *)• Auf der Mitte einer senk-
recht auf dem magnetischen Meridian stdienden Scale be-
fand sich eine kleine Declinationsnadel genau fiber dem
Nullpunkt der Scale. Eine Kupferdrahtspirale von der
Länge 2 a konnte auf der einen Seite, ein nach absolutem
Maafse gemessener Magnetstab von der Länge 2 a auf der
anderen Seite der Declinationsnadel, längs der Scale, ver-
schoben werden. Die Verschiebung geschah so lange, bis
die Declinationsnadel sich wieder genau im magnetischen
Meridian befand, und dann wurden die Entfernungen r
der Mitte der Spirale und g der Mitte des Maguetstabes
von dem Nullpunkt der Scale gemessen, und nach der un-
ter V., in der citirten Abhandlung befindlichen Formel
die Quantität J' des durch die Spirale und einen etwa ein-
gelegten Eisenkern gewonnenen Magnetismus berechnet. In
der Formel ist J= 10 588 000 =s der nach absolutem Maafse
gemessenen Quantität des Magnetismus im Stabmagneten.
Der Einfachheit wegen mag wie früher J= I gesetzt werden.
Die elektromagnetische Spirale war im Uebrigen so be-
schaffen, wie die früher beschriebene, nur dafs sie aus vier
Abtheilungen zu je zwei Lagen (14 Millimeter im Durch-
messer haltenden) Kupferdrahts bestand, von denen jede
Abtheilung gesondert, und alle vier zugleich zur Schlie-
fsung der Grove'schen Kette benutzt werden konnten. «Die
Anzahl der Windungen dieser acht Lagen Kupferdraht
betrug
(46+44) + (43+41) + C43 + 43)+(43+43)=346.
Der Durchmesser der Oeffnung in der Spirale betrug
40 Millimeter. Da nun die cjlindrischen Eisenkerne, der
1) Pogg. Ann. LXXVIU^ 21 i£
21»
324
rcn ich mich bediente, nur eiiieD Durcbmesser tod 31,....
Millimeter uud weniger hielteu, mufste ich mich Tersichem,
ob es nothwendig sej, die Cyliuder während der Versache
in der Axe der Spirale zu halten, oder ob es genüge, sie
auf die untere Fläche der hohlen Holzrolle zulegen, um
welche die Spirale gewunden war. Zu dem Ende fafste
ich einen möglichst dünnen Eisencjlinder so in eine Papp-
rolle, dafs er mittelst derselben genau in die Axe der Spi-
rale tu liegen kam. Wenn alsdann der Strom in der Spi-
rale kreisle und durch Verrückung des Slabmagneten die
Declinatiousnadel auf ihren Nullpunkt gebracht worden
war, fand keine Bewegung derselben statt, wenn der um-
hüllende Pappcjlinder forlgenommen , uud der dünne Ei*
Senkern dadurch in die excentrische Lage versetzt wurde.
Es ist also für die angewandten Dimensionen gleichgültig,
ob der in der Spirale befindliche Eisenkern in der Axe
derselben liegt, oder etwas aus derselben verschoben ist.
Dafs die Weite der Windungen der Spirale ohne Ein-
fluCs auf den in einem Eisenkern zu erzeugenden Magne-
tismus ist, haben die HH. Lenz und Jacob i in den ci-
t'irten Abhandlungen erörtert.
In der folgenden Tabelle sind die Resultate der Ver-
suche zusammengestellt, welche mit massiven Eüsenkemen
unternommen wurden, um das Verhältnifs der QaantitSt
des in denselben gewonnenen Magnetismus zur Stromstärke
und zu den Umfangen der Eisencylinder zu ergründen.
Von einer Anzahl von Eisency lindern, welche alle gleiche
Länge hatten und von derselben Eisensorte angefertigt wa-
ren, wählte ich, um die Versuche nicht zu sehr zu ver-
vielfältigen, diejenigen heraus, welche mit den in der er-
sten Columne verzeichneten Nummern versehen waren.
Die Umfange wurden an drei Stellen durch directe Mes-
sung bestimmt und das Mittel aus den Messungen genom-
men. Die verschiedenen Messungen differirten jedoch nur
um Zehntel von Millimetern. Die Umfange sind in der
zweiten Columne verzeichnet. Die Länge aller Eisenkerne
betrug 110 Millimeter. Die Beobachtungen selbst wurden
325
so angestellt, dafs ich zuerst die Stromstärke uach dem
früher angegebenen und oben citirteu Verfahren ermittelte.
Hierauf schob ich die Eisenkerne in die Spirale, näherte
den Stabmagneten der Declinationsnadel so lange, bis die-
selbe wieder im magnetischen Meridian einspielte und no-
tirte seine Entfernung q vom Nullpunkte der Scale. Als-
dann wurde dasselbe Verfahren für die umgekehrte Lage
des Eisenkernes in der Spirale wiederholt, um etwa vor-
handenen festen Magnetismus auf diese Weise möglichst zu
eliminiren. Um eine Aenderung dieses festen Magnetismus
möglichst zu vermeiden, wurde bei einer jeden Verschie-
bung der Eisenkerne in der Spirale der Strom unterbro-
chen. Am Ende jeder Versuchsreihe wurde die Stromstärke
abermals bestimmt und hierauf die Versuchsreihe für alle
Eisenkerne wiederholt. So erhielt ich drei Beobachtungen
für die Stromstärke und vier BeobaclUupgon für jeden Ei-
senkern, aus welchen das arithmetische Mittel zur Berech-
nung genommen wurde. Dieses Mittel wurde = q gesetzt.
Die Gröfse r ist die Entfernung der Mitte der Spirale von
dem Nullpunkt der Scale. Die Gröfsen a und a in der For-
mel sind resp. =51"" und =45,5"'". Die dritte Abthei-
lang der Tabelle enthält die Gröfsen r und (>, die dar-
aus gefundenen Maafse J' für den elektrischen Strom und
darunter die, diesen Stromstärken zugehörigen Quantitäten
des im weichen Eisen entwickelten Magnetismus. Noch
verdient bemerkt zu werden, dafs bei der Berechnung sich
die Summe der Magnetismen ergiebt, welche in Folge des
Stromes in der Spirale allein, und welche in Folge des ein-
gelegten Eisenkernes auf die Declinationsnadel wirkten. In
der Tabelle ist die durch die Spirale allein erhaltene Zahl
von der durch Spirale und eingelegten Eisenkern erhalte-
nen absozofien.
326
Um&og m
Millimetcm.
6Z ii
327
Die iD jodor Horizootalreihe der.drüteu Columne ste-
henden Zahlen zeigen,
da{$ für die angewandteH gaha$Usehen Ströme die Mag-
netismen in den weichen Eisenkernen den Stromstärken
proportional sind.
Kleine regellose Differenzen von dem ausgesprochenen Ge-
setz finden namentlich für geringe StromstSrken statt. Es
zeigen aber die gröfseren Stromstärken stets eine Neigung
zum Sättigungspunkt, also einen ffir die Proportionalität
zur Stromstärke etwas zu geringen Magnetismus, welcher
Unterschied um so mehr hervortritt, je dtinner die Eisen-
cylinder sind. Um allen Ballast zu vermeiden habe ich,
statt weitläufige Rechnungen hier aufzuführen, (in der
Figurentafel V.) die für jede Horizontalreihe sich erge-
benden Curven aufgezeichnet, und zwar ist die Curve
OII^ für den zum Eisenkern 11*^ gehörige Horizontalreibe
gültig, und die Curven 0^lll 0|XI. entsprechen den
übrigen Eisenkernen. 0 und 0^ sind die respectiven Coor-
dinaten-Anfangspunkte, die Abscissen sind den Stromstärken
und die Ordinaten den im Eisen fretwerdenden Magnetis-
men proportional aufgezeichnet.
Vergleicht man die Zahlen der Tabelle, welche in je-
der Horizontalreihe der dritten Columne unter einander
stehen, mit den Zahlen der zweiten Columne, so ergiebt sich,
dafs für die angewandten galvanischen Ströme die Mag-
netismen den Umfangen der cylindrischen Eisenkerne pro-
portional sind.
Die Werthe dieser Zahlen sind (in der Figuren tafel V.)
fOr den Coordinaten- Anfangspunkt O, graphisch darge-
stellt. Die Abscissen sind den Umfangen, der Cylinder,
die Ordinaten den gewonnenen Magnetismen proportional
aufgezeichnet, so dai^ aa, bb .... ff die Curven für sechs
verschiedene Stromstärken darstellen. Da diese Curven
der geraden Linie sehr nahe kommen, so rechtfertigen sie
das ausgesprochene Gesetz. Dafür, dafs die gemessenen
Magnetismen für den Eisenkern Mo. 11" sich augenscheinlich
328
nicht dem Gesetze dieser Proportionalität fOgen wollen,
weifs ich keinen Grund anzugeben.
Die Wiederholung dieses Theiles der Untersachiingen
der HH. Jacobi und Lenz auf einem gänzlich verschiede-
nen Wege dürfte für den Umfang der Beobachtungen zur
Genüge die Richtigkeit der ausgesprochenen Gesetze dar-
thuu, noch dazu, wenn wir für gröfsere Stromstärken eine
Neigung zur magnetischen Sättigung statuireu wollen , die
immer mehr hervortritt, je dünner die angewandten Eisen-
kerne sind.
Der weitere Verlauf meiner Untersuchungen erhebt
jedoch diese Annäherung zum Sättigungspunkt zur Ge-
wifsheit.
Bei der Prüfung der Magnetismen, welche hohle und
massive Eisenkerne von übrigens gleichen Dimensionen ge-
ben, suchte ich zuerst zu beantworten, ob eine gewisse
Form der Polflächen von Einflufs sej. Ich liefs zu dem
Ende drei eiserne Cjlinder von gleichen Dimensionen an-
fertigen, von denen der eine massiv und die andern hohl
waren. Von den letzteren war jedoch der eine mit eisernen
Deckplatten versehen, während der andere blofs aus einem
cjlindrisch zusammengebogenen und verlötheten Blech be-
stand. Diese drei Cjlinder legte ich nach einander in die
elektrische Spirale, welche stets von demselben, aber schwa-
chen Strome umflossen war. Eine Prüfung der in den Cj-
lindern freigewordenen Magnetismen ergab zwar einen Un-
terschied derselben, doch waren die Unterschiede so geringi
dafs sie nicht auf den bedeutenden Unterschied in der Masse
oder auf eine Verschiedenheit in der Gröfse der Polflächen
geschoben werden konnten; vielmehr mufsten sie ans der
Verschiedenheit der Eisensorten, der Art der Löthung, der
gröfseren oder geringereu Quantität des stabilen und on-
regelmäfsig vertheilten Magnetismus, namentlich in den boh-
len Kernen, erklärt werden.
Genug, ich glaubte mich durch diesen Vorversuch be-
rechtigt, hohle Eisenrjlinder mit Deckplatten, und solche
ohne Deckplatten, für gieichwerthig erachten zu dürfen und
329
«ntitzte daher zu den folgeoden Versuchen nur -die ein-
acheren Cjlinder der letzten Art. Ich liefs nun eine An-
zahl solcher Cjlinder von 110 Millimeter Länge aus Eisen-
blech anfertigen. Sie waren mit Messing an den Längsfugen
zusammengelöthet und pafsten mit geringen Zwischenräumen
in einander. In der' nächstfolgenden Tabelle enthält die
erste Yerticalreihe die Nummer dieser Cjlinder, die zweite
die gemessenen Umfange und die dritte die Blechdicke,
welche letztere aus den Dimensionen, dem absoluten und
dem specifischen Gewichte berechnet wurde.
No.
UmfaDg in
Blechdicke in
MillimeterD.
Millimetern.
2
97,0
0,52
3.
91,4
0,53
4.
85,9
0,54
5.
79,5
0,54
6.
73,9
0,52
7.
67,8
0,53
8.
61,2
0,53
Diese Cjlinder benutzte ich folgendermafsen. Zuerst
bestimmte ich für eine, in der nächsten Tabelle angegebene
Entfernung r der Mitte der Spirale von dem Nullpunkte
der Scale, die ebenfalls daselbst in der zweiten Columne
verzeichnete Stromstärke, indem ich die. gleichfalls in der
ersten Columne iLerzeichnete Entfernung q der Mitte des
compensirenden Stabmagneten in die Formel L einsetzte.
Hierauf legte ich den bohlen Eisencjlinder No. 2 in die
Spirale und maafs die in der vierten Columne verzeichne-
ten Gröfsen q. Da in allen diesen Eisencjlindern eine grofse
Quantität von stabilem Magnetismus zurückblieb, konnte ich
denselben nicht besser aus den Beobachtungen eliminircn, als
dadurch, dafs ich nach jeder Beobachtung den EismicjÜn-
der in der Spirale umdrehte und abermals den Werth von
g maafs. War der Unterschied von q in der ersten und
der zweiten Lage des Eisencjliudcrs in der Spirale sehr
bedeutend, so berechnete ich für beide Messungen den
Magnetismus besonders und nahm aus diesen Rechnungen
330
6m UBitd, wie « in der f&nften Cokmuie venciobiiet hI.
War bImt der Unterschied dieses so gemeaseDCO ^ snr. ge-
ring, so bcredmele ich den MagnetiEimiB Bor ans dem SÜt-
lel diBMr beiden p. Aas diesen Gmnde ist nameatlidi
bd geringeren Stromstirken ein doppelter W«-tb von f
in der Tieften Colnmne augegeben. Nach Messung der
Werlbe von p fflr den Cjlinder No. 2 schob ich in da-
sdben den Cjlinder No. 3 and bestimmle von neoem f,
ebenso Terfnbr ich mit dem Cjlinder No. 4 n. b. w., io
lange als noch eine Zunabme an Magnetiamns bei gleichtr
Stromstarke sich bemerklich machte. Die in der fKoftoi
Colamne veixeichDeten Werlhe sind die Werthe für die
Magnelisinen der Eisenkerne allein, nach Abzog des Wer-
tbes iGr die magoriisdie Wirkung der Spirale. Dadarch,
dafs man den Werth des Magnetismus fSr den zweiten
Eisenkern von dem ffir den zweiten und dritten, und die-
sen letzteren von dem für den zweiten, dritten und vierteo
u. s. f. abzieht, erhalt man die in der siebenten Columue
verzeichueten Werlhe der Magnetismen, welche gleichzei-
tig in den einzelnen Eisenhallen allein frei werden. In
der sechsten Colamne sind die Nummera dieser Eieenhfll-
len einzeln verzeicbneL Jede Versuchsreihe wurde (Qr
dieselbe Stromstarke drei Mal wiederholt, bo dafs q Ar
die SlromsUrke das Mittel ans vier Messungea (zu An-
fang and za Eode jeder Wiederholung) und q filr die Mag-
netismen der Eisenkerne das Mittel ans 3 oder 6 Messon-
gen ist.
1.
rvndg in
Millimetern.
2.
Strom-
stärke.
3.
Nummern d.
gleichseitig
gebrauchten
Eisencjlin-
der.
4.
^ in Milli-
metern.
6.
Gesaromt-
magne-
tismus der
Gjlinder.
6.
Num-
mer der
einzel-
nen Cy-
linder.
7.
Magnetis-
mus in
densel-
ben.
r— 300
^=»602,62
0,187
2.
2.3.
2. 3. 4.
(344,23)
|370,37
348,77
345,26
0,313
0,348
0,365
r— 400
^=587,25
0,270
2.
2.3.
2. 3. 4.
(404,13)
{419,47
404,42
401,86
0,618
0,563
0.577
r=400
^—496,12
0,449
2.
2.3.
2. 3. 4.
339,16
335,40
331,31
0,968
1,016
1,044
r— 600
0,790
2.
2.3.
2. 3. 4.
350,31
344,75
343,13
1,748
1,874
1,913
r»500
^ss 447,35
1,212
2.
2.3.
2. 3. 4.
305,42
298,67
297.26
2,639
2,911
2,971
2.
3.
4.
2,639
0,272
0,060
r»:650
«=608,52
1,826
2.
2.3.
2. 3. 4.
2. 3. 4. 6.
354,65
342,48
340,05
339^3
3,592
4,198
4,329
4,358
2.
3.
4.
5.
3,592
0,605
0,132
0,029
r=650
«»432,47
2,975
2.
2.3.
2.3. 4.
2.3.4.6.
315,68
294,08
289,98
288,33
4,742
6,604
7,024
7,199
2.
3.
4.
5.
4,742
1,961
0,420
0,175
r=800
««443,83
6,150
2.
2.3.
2. 3. 4.
2. 3. 4. 6.
2.a4.5.6.
347,25
313,45
299,70
296,99
294,79 .
5,690
9,613
11,823
12,432
12,751
2.
a
4.
5.
a
5,690
A923
2,210
0,609
0,319
r— 900
«=r 455,72
6,783
2.
2.3.
2. 3. 4.
2. 3. 4. 5.
2.3.4.6.a
2 7.
2 8.
368,90
333,15
314,16
305,70
302,95
301,58
300,90
6,059
10,710
14,129
15,942
16,577
16,860
17,011
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
6,059
4,661
3,419
1,813
0,a35
0,283
0,151
332
Eine andere VerGucbsreihe , ganz ia äliulicher Wdse
wie die der vorigen Tabelle, iedoch nur mit vier Lagen
Kupferdrabt auf der magnelisirendeo Spirale, aiigeetellt, od-
lerdrticke ich. Sie führte, freilich in unTollkomiDCDer Weise,
zu deiiBelben Resultaten als die vorige.
Die Resollalc der vorigen Tabelle habe idb Don eben-
falls graphisch (auf der Figurenlafel V.) dargestellt, und
zwar sind die in Columne 2 und 5 Terzeicbuelen Zah-
len für den CoordinateD- AnfaugspunLl O projicirl. Die
Abscissen entsprechea den Zahlen der Columue 2, also
deu SlromslSrken, und die Ordinaten den Zahlen der Co-
lumne 5, d. h. den in den respecüven Eisencylindern ef-
zenglen Magnetismen. Die Currc Om bewegt sich wie
der mit der Stromstärke zunehmende Magnetismus in dem
aufsersten Eiseneylinder No. 2, die Cuire Ott ni^ der in
den beiden in einandergescfaobenen Cylindern No. 2 und
3 a. E. f., so dafs enditdi die Carve Oa fQr die Gesammt-
heit der Cjlinder No. 2 bis 8 gelten würde.
Wir erkennen sogleich, dafs der Magnetismus in den
äu&crsten C^lioder sehr bald einem Sätligangspunkte zaeilli
indem die Gurre 0« «idi asymptotisch einer Horizonta-
len annähert, deren ungefähre Lage unechwer zu eira-
theo ist.
Femer sehen wir, dafs, je mehr Eisencytinder in einan-
der liegen, dcGio weniger eine Neigung des MaguclisniDi
vorhanden ist, sich dem Sättigungspunkt aozuDähero, denn
333
die Curveo On, Oo . . . Os Dähern sich mehr und mehr
einer Graden OII*. Der geneigte Leser wird sich aber er-
inuern, dafs diese Grade Oll^ der Zunahme des Magnetis-
mus in dem oben beschriebenen massiven Eisencylinders
II* entsprach. Dieser massive Cylinder II* hatte einen
Umfang von 94""^,9; unser hohler Eisencylinder No. 2 hat
aber einen Umfang von 97°''',0, also nahezu denselben,
wie jener. Sehen wir von diesem kleinen Unterschiede
ab, bedenken wir ferner, dafs bekanntlich verschiedene
Eisensorten eine verschiedene Fähigkeit haben, Magnetismus
aufzunehmen, und dafs wir hier Cylinder von Stabeisen
und gewalztem und zusammengelöthetem Eisenblech voiIie>
gen haben; bedenken wir endlich, dafs diese letzteren Cy-
linder nur mit Zwischenräumen in einander liegen : so be-
rechtigt eine Anschauung der verzeichneten Linien unzwei-
felhaft zu den Schlüssen:
1) Der Elektromagnetismus dringt in das Innere des tDei-
chen Eisens ein.
2) Derselbe dringt um so mehr ein, je stärker der indu-
drende galvanische Strom ist.
3) Eine jede Schicht des toeichen Eisens hat einen Sätti-
gungspunkt.
4) Der Magnetismus in hohlen und massiven Cylindem von
gleicher Eisensorte ist bei gleicher Stromstärke gleich
starky wenn überhaupt genug Eisenmasse ^ur Enttoicke-
hmg desselben vorhanden ist.
Es entstehen aber die weiteren Fragen: wie verhält
sich der Magnetismus zur Dicke derjenigen Eisenscbicht,
bis zu welcher er eindringt? und welche ist die Dichtigkeit
des Magnetismus an der Oberfläche des Eisenkernes? Auch
diese Fragen lassen sich durch die gefundenen Zahlen beant-
worten.
Ziehen wir nämlich die in der fünften Columne der letz-
ten Tabelle verzeichneten, zu dem Eisencylinder No. 2 ge-
hörigen Zahlen von denen ab, die zu den Cylindern No. 2
und 3 gehören, verfahren ebenso mit deii letzteren Zahlen
indem wir sie von den zu No. 2, 3 und 4 gehörigen ab-
334
ziehen, so eilialten wir die Qaantitltcn too Magndismin^
welche gleichzeitig in den einzelnen Cjlindem frei werden.
Diesdben sind in der siebenten and die tngdillrigen Cy-
linder in der sechsten Columne Tefzeicfanet. Um za beant-
worten, wie sich der Magnetismus bei gleicfaer Stromstärke
in den Tcrschiedenen Schichten des Eisens ▼erhält, bran-
chen wir nur die Zahlen ^er siebenten Coliuniie in der
letzten Tabelle mit den Zahlen der dritten Columne in der
vorletzten Tabelle zo vergleichen. Eine graphische Dar-
stellnng befindet sich auf der Fignrentafel V. Von des
Coordinaten- Anfangspunkte 0^ ans gerechnet, sind die Ah-
scissen den Blechdicken der angewandten Cylinder propor-
tional, so dafs jeder Theilstrich ffir 0,1 Blillimeter genom-
men worden ist. Die Ordinaten entsprechen den Zahlen
der siebenten Columne und zwar gehören die Conren
gg zur Stromstarke 8,510
hh - - 6,783
ft - - 5,150
4* . - 2,973.
Mit Vernachlässigung derjenigen Punkte^ weldie einem Mag-
netismus geringer als 0,4 zugehören, liegen die verzeichne-
ten Punkte so merklich in geraden Linien, dab wir uns
nicht entschlagen können, die Curven als gerade Lanien
zu betrachten. In Wahrheit dürfen wir aber diese gerin-
gen Magnetismen aufser Acht lassen, da sie die Anziehung
welche das weiche Eisen auf die Magnetnadel ausfibt, fer-
ner den uoregelmäfsig im Eisen vertheilten stabilen Magne-
tismus nicht verdecken, und da bei so geringen Grölsen
Beobachtungsfehler am leichtesten hervortreten. Allerdings
verschaffen sie den Curven das Ansehen, als wQrden sie
sich asymptotisch der Abscissenaxe zu bewegen; doch rafifsten
wohl alsdann die Curven schon früher eine dieser Bewe-
gung bezügliche Gestalt angenommen haben. Aas diesen
Gründen scheue ich mich nicht, die hier verzeichneteo
Curven für gerade Linien zu erklären und sonadi auszu-
sprechen: t
335
Der EtekiroMMguetismus dringt in das weiche Eisen bis
»if einer näher !&u erörternden , von der Stromstärke a6-
hängigen Tiefe ein, fco er =0 ist. Proportional dem
Abstände von der in dieser Tiefe liegenden Schicht nach
aufsen wird er in jeder Schicht intensiver und erlangt an
der Oberfläche des Eisens das Maximum der Intensität.
Betrachten wir uun diese Corven mit Ausnahme der
genannten verdächtigen Punkte als gerade Linien, so können
vrir ihre wahrscheinlichste Lage nach der Formel y=/9—aa;
berechnen, wo fi und a Constante, x die Abscissen und
y die Ordinaten bedeuten. Nach dieser Berechnung wür-
den sich die wahrscheinlichsten Lagen dieser vier Linien
folgend ermafsen ergeben:
[»»] ,=7,355- W44« j -"; »=^^
[«3,=w^-a,,57,j-J;j:J|^
[AÄ] y=6,640-4.050a. jy^^: l^^'^^^
Setzen wir in diesen Formeln a;==0, so erhalten wir die
Werthe, welche y (d. i. die Dichtigkeit des Magnetismus),
an der äufsern Oberfläche des Eisens erlangt hat. Diese
W^the (ür y fiiild für die hier angewandten vier Strom-
stSrken so merkwürdig nahe dieselben, dafs ich nicht um-
hin kann auszusprechen: -
Die Dichtigkeit des Elektromagnetismus an der Oberfläche
des weichen Eisens ist für alle Stromstärken dieselbe
Gröfse.
Hie ÖrOfse von y variirt zwischen Zahlen 7,272; 7,355;
7^ä22 und 6,640. Der wahrscheinlichste Mittelwerth aus
diesen viei^ Gröfsen ist 7,200, so dafs wir obige Behauptung
dahin erweitern können:
die Dichtigkeit des Elektromagnetismus an der Oberfläche
des weichen Eisens ist für alle Stromstärken dieselbe und
läfst sich durch die Gröfse 7^200 ausdrücken.
336
Diese Gröfse 7,200 wäre nun auch der SättiguDgppunkt,
bis zu welchem eine mefsbar dicke Schicht eiaes EiBen-
cylinders gedeihen könnte. Einer Abscisse 7,200 entspräche
sonach die horizontale Asymptote, gegen welche die Curve
Om sich nähert.
Setzen wir in den zuletzt aufgeführten Gleichungen
y=0, so erhalten wir die Werthe von a;, bis zu welchen
der Magnetismus überhaupt unter die Oberfläche des wei-
chen Eisens bei einer gewissen Stromstärke eindringt. Die
Linien gelten für die Stromstärke
8,510; 6,783; 5,150; 2,957,
die so gefundenen Tiefen, bis zu welchen die magnetischen
Spannungen in das Eisen eindringen, sind:
3,541; 2,895; 2,319; 1,640.
Die letzteren Gröfsen sind den ersteren so proportional,
dafs, wenn wir die ersteren als Abscissen, die letzteren
als Ordinalen zum Coordinatenanfangspunkt O^ verzeichnen,
die entstehende Linie zz merklich genug als Gerade gelten
kann. (Figurentafel V.) Es ginge hieraus hervor:
dafs die Tiefe, bis zu welcher der Elektromagnetismus
in das weiche Eisen eindringt, der Stromstärke propor-
tional ist.
Da wir, wie gezeigt wurde , die ganze Quantität des
Magnetismus im massiven Eisenkern 11* in den hohlen Ei-
senkernen wiederfinden, nur mit dem Unterschiede, daÜB
wir ihn im letzten Falle in seine Factoren zerlegen können,
so habe ich keinen Anstand genommen, die Vertheilung des-
selben im massiven Eisen mir ebenso zu denken wie in den
hohlen Cjlindern, und deshalb habe ich mich in den allge-
meinen Sätzen einer Zweideutigkeit bedient, welche sowohl
für massive als für zerlegbare Cjlinder ihre Gültigkeit hat
Eine Wiedcrliohlung und Erweiterung dieser Versuche
dürfte erspriefslich sejn. Genauere Messungen, namentlich
an gebohrten, nicht gelöthelen, hohlen Eisencjlindern, wür-
den genauere Resultate herbeiführen, als die mit unvoll-
kommenen Apparaten hier vorgelegten. Eine Untersuchung
der verschiedenen Eisensorten in. Bezug auf die im Voran-
337
gehenden erörterten Fragen möchte vielleicht zu neuen
Aufschlüssen über dieses geheimnifsvolle Metall führen. Es
vväre wohl möglich, ähnliche Betrachtungen auch auf den
stabilen Magnetismus des Stahles in geeigneter Weise zu
fibertragen. Doch schliefse ich diese^ Untersuchungen einst.
Tveileu ab, da zu denjenigen Zwecken , zu denen sie ange-
stellt wurden, die gewonnenen Resultate mir für jetzt ge-
nügen.
Zusatz.
Um die mit der hier angewandten elektrischen Spirale
gewonnenen Stromstärken mit Stromstärken vergleichen zu
können, die mit anderen Spiralen gemessen werden, er-
laube ich mir noch zusätzlich zu bemerken, dafs die Halb-
messer der auf derselben befindlichen acht Lagen von Win-
dungen, bis zur Mitte des Kupferdraht^s in jeder dieser
Lagen gemessen,
22; 24,7; 27,4; 30,1; 32,8; 35,5; 38,2; 40,9 MiUimeter
betrugen. Bezeichnet man diese acht Halbmesser mit A,, h^,
....As und eine der oben in Zahlen angegebenen Strom-
stärken mit J', so würde eine andere Spirale (von gleicher
Länge) deren Windungen die Werthe k^, &2...ftj» zu Halb-
messern hätten, von einem gleichen Strome durchflössen
sevn, wenn
J' J"
2 3 a "~" 2 9
wäre, in welcher Formel J" den durch die zweite Spirale
gemessenen Werth der Stromstärke bedeutet. Diese For-
mel ergiebt sich aus den Betrachtungen, welche zu der For-
mel III meiner Abhandlung „Ueber den Magnetismus elek-
trischer Spiralen von verschiedenem Durchmesser '* führten.
Greifswald, den 4. April 1850.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX.
22
338
II. Veber Stibaeihyl, ein neues anümonhaltiges
organisches Radical;
€on C. LöQPig und K. Schweizer.
(Uebersandt von dem HH. Ycrf. aus den Mittheilangen No. 4S der
Zurcli. Natorf. Gesdlschaft).
JLlie vortrefflichen Untersuchungen Bunsen's Ober das
Kakodjl machten es im hohen Grade wahrscheinlich, dafs
sich Antimon mit Kohlen* und Wasserstoff ku einen or-
ganischen Radicale vereinigen kOnne. Von dieser Idee aus-
gehend, versuchte der eine von uns schon vor mehreren
Jahren eine Verbindung dieser Art durch Einwirkung von
Chlor- oder BromSthyl auf Antimonkalium dareustellen ' ).
Es wurde in der That auf diese Weise, besonders bei An-
wendung von Bromäthyl, eine farblose Flüssigkeit erhalten,
welche schwerer war als Wasser, an der Luft einen star-
ken weifsen Rauch entwickelte-, sich leicht in Weingeist
und Aether löste, und durch Sanerstoffabsorption in einen
weifsen in Wasser löslichen Körper fiberging, welcher deut-
lich sauer reagirte. In der wäfsrigen Lösung bewirkte Schwe-
felwasserstoff einen hellgelben Niederschlag, welcher einen
starken, mercaptanähnlichen Geruch besafs und im getrock-
neten Zustande von rauchender Salpetersäure unter Fener-
erscheinung zersetzt wurde. Eine Analyse des im luftleeren
Baume fiber Schwefelsäure getrockneten Präcipitats lieferte
Kohlen- und Wasserstoff wie im Aethyl, weshalb sich ver-
muthen liefs, dafs die urspröngliche flüssige Verbindung
selbst eine Verbindung von Aethyl mit Antimon seyn könne.
Obgleich es schon längst unsere Absicht war, diesen Ge-
genstand weiter zu verfolgen, so worden wir doch jetzt
die folgende Untersuchung nicht vorgenommen haben, wenn
uns nicht die wichtige Arbeit Frankland's*) fibo* die
Isolirung des Aethyls von Neuem dazu veranlafst hätte.
1) Chemie der organischen VerbinduDgeo, Bd. 2, S. 433.
2) Annaleo der Pharmacie, Bd. 72, S. 171-216.
339
T^ir bitten jedoch daa Folgende nur als eine vorläufige
Motiz zu betrachte, und wir werden im VerbSltnifs ab
die mit manchen Schwierigkeiten verbundene Untersuchung
▼orschrcitet, die Resultate bekannt machen. Das Wich-
tigste, zu welchem wir bis jetzt gelangt» ist: daCs auf die
angegebene Weise in der That ein organisches Radical
gebildet wird, welches Kohlen- und Wasserstoff im Ver-
bältnils wie im Aethjl, verbunden mit Antimon, enthält,
und welchem wir vorläufig den Namen SHbäthyl gegeben
haben.
Das Antimonkalium, welches wir zur Darstellung des
Stibätbyls benutzen, erhalten wir durch Glühen eines in-
nigen Gemenges von 5 Theilen rohen Weinsteines mit 4
Theilen Antimon. Das Gemenge wird in einem bedeckten
Tiegel erst laugsam bis zur Verkohlung des Weingeistes
erhitzt, dann eine Stunde lang einer Weifsglühhitze ausge-
setzt, hierauf wird der Ofen luftdicht verschlossen und der
Tiegel langsam erkalten gelassen, wozu wenigstens 24 Stun-
den erforderlich sind. Man erhält auf diese Weise einen
vollkommen krjstallisirten Regulus, von ausgezeichnetem
Metallglanz, welcher das Wasser unter heftiger Entwick-
^ng von Wasserstoffgas zersetzt, sich wegen seiner Dich-
tigkeit au der Luft nur langsam oxydirt und in ^iner trocke-
nen Reibschale schnell zu einem feinen Pulver zerrieben
werden kann, sich dabei aber erwärmt und an der Luft
sich sehr bald entzündet. Diese Entzündjang kann jedoch
▼erhindert werden, wenn man sogleich beim Reiben 2 — 3
Tbeile feinen Quarzsand hinzufügt. Nach einer Analyse
▼on Hrn. Hilgard aus Illinois, welcher uns bei unserer
Untersuchung thätig unterstützte, enthält die Legirung 12
I Proc. Kalium.
Um das Stibäthyl zu erhalten, kann man sowohl Chlor-
als Brom- und Jodäthyl anwenden; das letztere eignet
sich jedoch am besten dazu, weil es noch leichter als Brom-
äthyl zersetzt wird. So wird salpetersaures Silberoxyd
durch eine weingeistige Lösung von Jodäthyl sogleich ge-
fällt, während Bromäthyl erst nach einiger Zeit auf das-
22*
340
selbe einwirkl. Das JodStbyl erhalten wir nach der ge-
fTöhnlichen Methode durch gemeinschaftliche Einwirkang
▼on Jod und Phosphor auf Weingeist. Es ist jedoch nö-
thig, dasselbe, um es vollkommen phosphor- wasserfrei zu
erbalten, mehrmals mit Jod und Chlorcalcium zu be-
handeln.
Bringt man fein geriebenes Antimonkalium mit JodSthjl
zusammen, so beginnt nach einigen Minuten eine SnCserst
heftige Einwirkung, welche, wenn die Quantität der rcagi-
rendeu Stoffe grofs ist, bis zur Entztindung gehen kann.
Mit grofsen Massen zu operiren, ist unmöglich, auch ist
es nothwendig, um die Heftigkeit der Einwirkung zu m8-
fsigen, das Antimonkalium mit 2 — 3 Theilen feinem Quarz-
sand zu zerreiben. Das Antimonkalium mufs im Verhält-
nifs zum Jodäthvl in grofeem UeberschuCs angewandt wer-
den, weil, wie sich aus den Analysen ergeben wird, 3 At.
Jod gegen 1 At. Antimon austauschen, und die Legirnng
nur 12 Proc. Kalium enthält. Wir bringen nicht mehr
Jodäthjl auf das .\ntimonkalium, als nölhig ist dasselbe
schwach damit zu befeuchten.
Wir finden es am vortheilhafteslen, zur Darstellung des
StibSthTls kleine Kolben mit kurzem Halse von 3 bis 4
Unzen Inhalt anzuwenden. Diese werden zu zwei Dritteln
mit der frich geriebenen Mischung von Antimonkalium und
Sand gefüllt und sogleich Jodäthjl im genannten Verhält-
nifs zugesetzt. Der Kolben wird mit einer gewöhnlichen
gläsernen Destillationsröhre, welche in eine kleine VorInge
mfindet, verschlossen. Nach einigen Minuten tritt die Re-
action ein; durch die stattfindende Wärmeentwicklung wird
das im Ueberschnfs zugesetzte Jodäthjl verflfichtigt und
der Kolben selbst mit Jodäthjigas angefüllt. Sobald kein
Jodäthjl mehr Qbergeht, wird die Destillationsröhre entfernt
und der Kolben, noch warm, so schnell als möglich mit
dem eigentlichen Apparat in Verbindung gesetzt. Derselbe
besitzt folgende Einrichtung: Ein hohes weites Cjlinder-
glas ist mit einem Kork, welcher dreimal durchbohrt ist,
verschlossen; durch die eine Oeffnung geht eine bis auf
341
den Boden reichende Glasröhre, welche, anfserhalb in ei-
uem rechten Winkel gebogen, mit einem Apparate in Ver-
bindung steht, in welchem während der' Operation fortwäh-
rend Kohlensäure entwickelt und durch eine lange Chor-
calciumröhre geleitet wird. Durch die zweite Oeffnung wird
eine gleich unterhalb des Korkes mündende, weite, 1 — 2
Fufs lange Glasröhre gebracht, aus welcher die Kohlensäure
entweicht. Durch die dritte sehr enge Oeffnung endlich
geht die eigentliche Destillationsröhre fast bis auf den Bo-
den des Gefäfses, in welches schon vorher ein mit Anti^
monkalium zum Theil gefüllter kleiner Kolben gebracht
wird, der zur Auffanguug des Products, und später wieder
als Destillationsgefäfs dient. Durch den Apparat läfst man,
bevor die Operation beginnt, wenigstens i Stunde lang
einen raschen Strom von Kohlensäure gehen, damit sich
zuvor alle Theile mit Kohlensäure anfüllen. Der Kolben
wird nun auf der Spirituslampe im Anfang schwach und
nach und nach stärker so lauge erhitzt, bis keine Tropfen
mehr übergehen. Der Kolben wird alsdann entfernt, die
Destillationsröhre, ohne sie aus dem Apparate herausztinch
men, mit Wachs verschlossen, und die Operation, die höch-
stens 20 Minuten dauert, mit einem zweiten Kolben u. s. w.,
vorgenommen. Arbeiten sich zwei in die Hände, und hat
man 20 — 24 Kolben in Bereitschaft, so kann man sich
leicht in einem Tage 4 — 5 Unzen rohes Product verschaf-
fen. Der Kolben in welchem das Destillat aufgefangen
wurde, wird nun in der Atmosphäre von Kohlensäure ver-
schlossen und nach einigen Stunden die Rectification im
gleichen Apparate vorgenommen. Um zu entscheiden, ob
bei der Einwirkung des Jodäthjls auf Antimonkalium ver-
schiedene Producte gebildet werden, brachten wir in den
Apparat mehrere kleine Fläschcheu und fingen das Ueber-
gehende in 4 Portionen auf, was leicht und ohne Verlust
durch Drehen des Cyliudergefäfses geschehen kann. Ob-
gleich das Stibälhyl keinen angenehmen Geruch besitzt, so
ist derselbe doch so wenig belästigend, dafs man selbst in
einem Zimmer die Operation vornehmen kann.
342
Wir theilen non die Resultate der Analysen der ver-
schiedenen bei der Rectification erhaltenen Portionen mit
Zam Abwägen der Substanz bedienen wir ans kleiner, en-
ger Cjlinderröhren, welche zu einer langen Spitze ausge-
zogen sind. Dieselben sind an der Stelle, an welcher die
Haarröhre beginnt, zu einem spitzen Winkel gebogen; die
Capillarröhre ist so lang, dafs sie fast auf den Boden des
oben angegebenen, mit Kohlens&ure gefQllten Cylindergla-
ses reicht, in welche sie durch die enge Oellnung gebracht
wird, durch welche bei der Destillation die Destillations-
rOhre geht; die Cjlinderröhrchen selbst befinden sich an-
(serhalb des Apparates. Dieselben werden nun mit der
Spirituslampe so stark erhitzt, als das Glas ohne weich zu
werden, ertragen kann. Nach dem Erkalten erhitzt man
sie abermals und nach 9 — 10 maliger Wiederholung sind
dieselben vollständig mit Kohlensäure angeföllt. Man taucht
nun die Spitze in die Substanz, die natQrlich sich schon
vorher im Apparate befinden mufs, und f&llt sie so weil
an, dafs ungefähr der sechste Theil leer bleibt und sich in
der Haarröhre keine Flüssigkeit mehr befindet Ehe man
die Spitze aus dem Apparate herausnimmt, labt man sie
noch 80 lange in der Atmosphäre mit Kohlensäure, bis die
kleine Menge Substanz, welche an derselben haftet , abge-
dunstet ist; die Spitze wird dann zugeschmolzen. Um nun
die Cjlinder in die Verbrennungsröhre zu bringen, macht
man an die Biegung einen Feilstrich und bricht die Spitze
im Momente, in dem mau den Cjlinder in die Verbren-
nungsröhre bringt, ab; dabei findet, weil sich Kohlensäure
im Cjlinder befindet, kein Rauchen statt Die HaarrOhre
wird hierauf 2 — 3 Mal zerbrochen und ebenlalk in die
Verbrennungsröhre gebracht
Die Verbrennung geht mit Kupferoxjd ohne Schwie-
rigkeiten von statten, aber die Oxydation ist unvollständig.
Wir erhielten von derselben Substanz 25, 28, 30 bis 33
Proc. Kohlenstoff. Die Ursache liegt in der Zeraettbar-
keit der Verbindung durch die Wärme; es scheidet sich
nämlich ein inniges Gemenge, vielleicht eine Verbindung
I
343
vou Aulimoti uud Kohle, aus, auf wcicbc dos Kupferoxyd
nicht mehr einzuwirken vermag. Dagegen gelingt die Ver«
brennung* vollständig, wenn man dem' Kupferoxjd 4 — 5
Proc. chlorsaures Kali zusetzt. Das chlorsaure Kali wird
geschmolzen, dann zerrieben, mit dem noch warmen Kup-
feroxyd gemengt und das Gemenge einige Tage unter der
Glocke über Schwefelsäure stehen gelassen. Ein solches
Genienge entwickelt ganz gleichförmig Sauerstoffgas, uud
mau hat die Kegulirung der Operation ganz in der Hand.
In die Verbrennungsröhre wird zuerst etwas reines Kupr
feroxjd, dann eine Schicht des Gemenges, hierauf die Sub-
stanz, dann bis zur Hälfte der Röhre von der Mischung
und zuletzt wieder reines Kupferoxyd gebracht.
Weder Salpetersäure noch Königswasser bewirken eine
vollständige Oxydation des Antimons. Wir versuchten das*
selbe zu bestimmen, indem wir in die Verbrenuungsröhre
Ziokoxyd brachten, dem etwas chlorsaures Kali zugesetzt
wurde; wir erhielten jedoch Differenzen von 6 Proc, je
nach der Hitze, welche bei der Verbrennung einwirkte.
In sehr höher Temperatur scheint sich eine Verbindung
Ton Antimonoxyd mit Zinkoxyd zu bilden, welche weder '
von Salzsäure noch Königswasser angegriffen wird. Bes*
sere und übereinstimmendere Resultate erhält man, wenn
dem Zinköxyd kein chlorsaues Kali zugesetzt wird. Das
Antimon scheidet sich dann metallisch aus, und ist leicht
durch Königswasser zu lösen. Die besten Resultate er-
hielten wir jedoch, indem wir die Verbindung durch glü^
henden Quarzsand leiteten. Wir wenden eine lange Ver-
brennungsröhre an, bringen in den unteren Theil etwas
Sand, auf denselben die Substanz, füllen den übrigen Theil
zu 1 mit Quarzsand an und lassen den leeren Theil der
Röhre aus dem Verbrennungsofen herausreichen, damit er
kalt bleibe und sich in demselben das Antimon, welches sich
möglicherweise verflüchtigen könnte, condensiren könne. Der
Quarzsand wird nun, wie bei organischen Elementarana-
lysen, nach und nach bis zum Glühen erhitzt, und dann
über denselben der Dampf der Verbindung geleitet. So-
344
iivie derselbe mit dem glQheuden Sand in BerGbrung kommt,
scheidet sich Aulimou krystalliiiisch ans, and man findet
dasselbe gewöhnlich in einem sehr kleinen Baume beisam-
men. Nach dem Erkalten wird der Inhalt der Röhre iq
ein Becherglas gebracht, die Bohre mit Königswasser aas-
gewaschen und der Sand mehrere Stunden lang mit rau-
chendem Königswasser digerirt. Man verdünnt nun mit
einer Lösung von Weinsäure, fällt das Antimon durch
Schwefelwasserstoff und findet die Menge des Antimons
durch Bestimmung des Schwefelgehaltes des erhaltenen voll-
ständig getrockneten Schwefelautimons.
In der ersten Portion bildeten sich nach einiger Zeit
farblose, spiefsige Krystalle, welche Jod enthielten; schon
beim Uebergiefsen derselben mit verdünnter Salpetersäure
wird Jod frei, was bei dem Jodäthjl nicht der Fall ist.
Wir haben aber bisjetzt diese Krjstalle nur ia so geringer
Menge erhallen, dafs es uns nicht möglich war, eine nä-
here Untersuchung derselben vorzunehmen. Auch der flüs«
sige Theil enthält noch Jod, welches sogleich ausgeschieden
wird, wenn mau denselben mit concentrirter Salpetersäure
zusammenbringt. Bei der Analyse des flüssigen Theiles mit
Kupferoxjrd und chlorsaurem Kali setzte sich zuletzt iu der
Röhre des Chlorcalciumapparates plötzlich Jod ab. Ohne
Zweifel bildete sich zuerst Jodkupfer, welches zuletzt, nach-
dem Alles oxydirt war, durch den noch freigewordeueu
Sauerstoff in Jod und Kupferoxyd zerlegt wurde. Die
^weiten, dritten und vierten Portionen waren jedoch ganz
frei von Jod.
Es folgen nun die Resultate einiger Analysen der zwei-
ten, dritten und vierten Portion des Destillates.
1. 0,393 Substanz der zweiten Portion gaben:
0,472 Kohlensäure = 32,74 Proc. Kohlenstoff,
0,266 Wasser = 7,18 Proc. Wasserstoff.
2. 0,468 Substanz der zweiten Portion gaben:
0,280 Antimon = 59,82 Proc. Antimon.
3. 0,513 Substanz der zweiten Portion gaben:
345
0,619 Kohlensäure = 32,88 Proc. Kobleustoff,
0,323 Wasser = 6,99 Proc. Wasserstoff.
4« 0,396 Substanz der zweiten Portion gaben:
0,235 Antimon = 59,42 Proc. Antimon.
5. 0,496 Substanz der zweiten Portion ohne chlorsau-
res Kali verbrannt gaben:
0,560 Kohlensäure = 30,78 Proc. Kohlenstoff,
0,322 Wasser = 7,24 Proc. Wasserstoff.
6. 0,421 Substanz der dritten Portion gaben:
0,529 Kohlensäure = 34,27 Proc. Kohlenstoff.
7. 0,388 Substanz der dritten Portion gaben bei der
Verbrennung ohne chlorsaures Kali:
0,254 Wasser = 7,26 Proc. Wasserstoff.
8. 0,528 Substanz der dritten Portion gaben:
0,318 Antimon = 60,22 Proc. Antimon.
9. 0,446 Substanz der vierten Portion ohne chlorsau-
res Kali gaben:
0,548 Kohlensäure = 33,52 Proc. Kohlenstoff,
0,291 Wasser = 7,24 Proc. Wasserstoff.
10. 0, 413 Substanz der vierten Portion gaben:
0,522 Kohlensäure = 34,47 Proc. Kohlenstoff,
0,275 Wasser = 7,28 Proc. Wasserstoff.
11. 0,399 Substanz gaben:
0,234 Antimon = 58,70 Proc. Antimon.
Aus diesen Analysen ergiebt sich, dafs die dritte und
vierte Portion nicht ganz 1 Proc. Kohlenstoff mehr als die
zweite enthalten. Wenn man jedoch bedenkt, dafs die
Verbindung in hoher Temperatur Antimon verliert, so läfst
sich begreifen, dafs die letzten Quantitäten, welche über-
gehen, etwas mehr Kohlenstoff geben als die zweite Por-
tion, welche jedenfalls als das reinste Product zu betrach-
ten ist. Alle sonstige Verhältnisse sind aber so überein-
stimmend, dafs aufser den obengenannten jodhaltigen Krj-
stallen, bei der Einwirkung des Jodäthyls auf Antimonka-
lium die Bildung eines gleichartigen Productes ohne Anstand
angenommen werden kann.
346
Die erhaltenen Resultate stimmen am besten mit der
Formel C^^H^sSt übereiu.
2. Port. 3. Porti 4. Port.
C,,= 72,0 33,32 32,74 32,88 34,27 33i52"3M7
H,5= 15,0 6,94 7,18 6,99 7,26 7,24 7,28 7,19
St =129,25 9,74 59,82 59,42 60,22 58,79
216,2 100,00.
Es kommen demnach auf 3 At. Aethjl 1 Antimon =:
Ae3 St. Das Stibäthjl ist also in sofern mit dem Antimon-
wasserstoff aequivalent, als in dem erstem 3 At. ^Wasser-
Stoff durch 3 At. Acthyl vertreten sind; die Zusammen-
setzung bietet demnach nichts Ueberraschendes dar.
Das Stibäthyl erscheint als ein wasserklares , äulserst
dünnflüssiges, das Licht ziemlich stark brechendes Liqui-
dum Ton unangenehmem, zwiebelartigem Geruch , welcher
jedoch bald wieder verschwindet; bei — 29" geht es noch
nicht in den festen Zustand über. Bringt man au einem
Stäbchen einen Tropfen an die Luft, so entsteht ein dicker,
weifser Rauch, nach einigen Augenblicken entzündet sich
derselbe und verbrennt mit blendend weifser, stark leuch-
tender Flamme. Es ist schwerer als Wasser, in demselben
unlöslich, löst sich aber leicht in Weingeist und Aether.
In unserer nächsten Abhandlung werden wir über die spe-
cifischen Gewichte des flüssigen und gasförmigen Stibäth^ls,
sowie über dessen Siedpunkt nähere Mittheilungen machen.
Läfst man das Stibäthyl durch dne feine Spitze in reines
Sauerstoffgas treten, so verbrennt es mit der glänzendsten
Lichtentwicklung. Rauchende Salpetersäure bewirkt eben-
falls eine prachtvolle Verbrennung. Mit Brom vereinigt es
sich unter Verpuffung. Läfst man das Stibäthjl mit der
Vorsicht in einen Ballon treten, dafs keine Entzündung
eintritt, so bildet sich ein weifser Rauch, welcher sich pul-
verförmig an die Wandungen des Gefäfses anlegt; gleich-
zeitig entsteht jedoch, und besonders wenn mau eine grö-
fsere Menge auf die genannte Weise oxydiren läfst, eine
zähe, farblose, durchsichtige Masse, welche in Aether lös-
347,
lieb ist, während der pul verförmige Körper sich oicbt ia
demselben löst; Aetber kann daher sehr gut zur Trennung
beider Stoffe angewendet werden. Läfst man eine wein-
geistige Lösung des Stibäthjls in einem lose bedeckten Ge-
föCse langsam verdunsten, so bleibt eine zähe Masse zu*
rück, welche durch Aether leicht in die genannten zwei
Körper zerlegt werden kann* Der in Aether lösliche Theil
bleibt nach dem Verdunsten in Gestalt eines zähen, farb-
losen Syrups zurück, der auf dem Wasserbade nach und
nach zu einer durchsichtigen Masse eintrocknet. Die pul-
verförmige, in Aether unlösliche Substanz löst sich leicht
in Wasser und Weingeist. Die Lösungen reagiren deut-
lich sauer und scheiden die Kohlensäure aus ihren Verbin-
dungen. Dieser Körper besitzt einen stark bittern Ge«
schmack, sehr ähnlich dem des schwefelsauren Chinins.
Sowohl die wäfsrige als weingeistige Lösung, welche beide
leicht filtrirbar und dünnflüssig sind, besitzen die merk-
würdige Eigenschaft, beim Erwärmen dick, wie Stärkeklei*
8ter zu werden, und zuletzt zu einer porcellanartigen, leicht
zerreiblichen Masse einzutrocknen. Der trockne Rückstand
ist in kaltem Wasser und Weingeist wieder leicht löslich
und die Lösungen zeigen beim Erwärmen die gleiche Er-
scheinung. Die wäfsrige Lösung dieser Substanz, welche
wir vorläufig Stibäthjbäure nennen wollen, giebt mit Schwe-
felwasserstoff vermischt, einen hellgelben Niederschlag, wel-
cher einen höchst unangenehmen, mercaptanähnlicheu, lange
anhaftenden Geruch besitzt und sich sehr leicht sowohl in
Kali als Schwefelkalium löst. Sättigt man die wäfsrige Lö-
sung der Stibätbylsäure genau mit Kali und dann mit Schwe-
felwasserstoff, so erhält man ein äufserst leicht lösliches
Sulfosalz, welches eine grofse Neigung zu kryslallisiren
besitzt. Wird der Schwefelniederschlag unter der Glocke
über Schwefelsäure getrocknet, so erscheint er als ein sehr
schönes, hellgelbes Pulver; im Wasserbade verändert er
seine Farbe und wird braun wie Kermes. Raudiende Sal-
petersäure zersetzt die Substanz unter Feuererscheiuung;
beim Erhitzen derselben über der Spirituslampe erhält man
348
ein flüssiges Destillationsproduct, welches alle Eigenschat
ten des Schwefeläthyls besitzt, und als RQcksland bleibt
SchwefelantimoD.
Verniischt man die wäfsrige LOsaug der Stibäthjlsäare
mit concentrirter Salzsäure, so scheidet sich augenblicklich
eine gelbliche, ölige, schwere Flüssigkeit aus. Dieselbe ist
in reinem Wasser löslich; setzt man aber zu der Ldsong
wieder concentrirte Salzsäure, so erhält man sogleich wie-
der die ölige Substanz.
Die sjrupartige Masse, welche nach dem Verdunsten
der ätherischen Lösung zurückbleibt, und welche gleichzei-
tig mit der Stibäthjlsäure bei der freiwilligen Oxjdation
gebildet wird, ist im Wasser kaum löslich; sie löst sich
aber, wie schon angegeben, leicht in Aether und ebenso
auch in Weingeist, auch wird sie von einer wäfsrigen Ka-
lilösung leicht aufgenommen. Wird die alkalische Lösung
einige Zeit digerirt und hierauf mit verdünnter Schwefel-
säure schwach übersättigt, so entsteht ein weifser Nieder-
schlag, welcher mit concentrirter Salzsäure sogleich eine
flüssige, in Wasser untersinkende Chlorverbindung bildet.
Kalte, verdünnte Salpetersäure zeigt auf das Slibätbjl
keine Wirkung. Beim Erwärmen aber erfolgt unter schwa-
cher Entwicklung von salpetriger Säure vollständige Lö-
sung. Wird dieselbe gelinde verdunstet, so erhält man
sehr schöne, farblose, durchsichtige Krystalle, welche in
salpctersäurehaltigem Wasser schwer löslich sind, sich aber
sehr leicht in reinem Wasser lösen. Aus der wäfsrigen
Lösung krystallisirt die Verbindung in ausgezeichnet sdiö-
nen, grofsen, rhomboidalen Krystallen; dieselben besitzen
einen bittern Geschmack, reagiren schwach sauer auf Lack-
mus und schmelzen schon bei 40 — 50° zu einer schweren,
{arblosen Flüssigkeit, welche beim Erkalten zu einer durch-
sichtigen, krjstallinischen Masse erstarrt. Wird dieselbe
mit wenig Wasser übergössen, so wird sie weifs und nach
einiger Zeit erhält man wieder die ursprünglichen Krystalle.
Diese Verbindung ist ein salpelersaures Salz; Schwefelsäure
scheidet aus derselben Salpetersäure aus, und setzt man
349
ZU einem Krystall etwas grünen Vitriol, dann Wasser und
Schwefelsäure, so erhält man die bekannte Beaction auf
Salpetersäure.
ViTir fibergehen ' weitere Reactionsversuche, deren wir
noch mehrere mittheilen könnten. Das Gesagte mag vor
der Hand gentigen zum Beweise, dafs das Stibäthyl alle
Eigenschaften eines selbstständigen Badicales, gleich dem
Kakodjl, besitzt, und wir hoffen bald nähere Mittheilun-
gen tiber die verschiedenen Verbindungen machen za kön-
nen. Es unterliegt keinem Zweifel, dafs auch Methyl und
Amyl auf gleiche Weise mit dem Antimon verbunden wer-
den können; auch lassen sich wahrscheinlich andere Me-
talle nach derselben Methode in organische Verbindungen
überführen.
III. Ueber die Entladung der Franklin' sehen
Batterie; i?on P, Riejs.
JLlie nach Franklin's Vorschlag aufgestellte elektrische
Batterie besteht aus einzelnen isolirten leydener Flaschen
(oder Batterien), die in eine Beihe gestellt und so mit
einander verbunden sind, dafs der Knopf der ersten Flasche
mit dem Conductor der Elektrisirmaschine, der Knopf je-
der folgenden Flasche mit der äufsern Belegung der ihr
in der Reihe vorangehenden, die äufsere Belegung der letz-
ten Flasche mit der Erde in leitender Verbindung steht.
Wird von dem Conductor positive Elektricität dem Inne-
ren der ersten Flasche zugeführt, so geht von ihrer äufse-
reu Belegung positive Elektricität fort xmi häuft sich im
Inneren der zweiten Fasche an, von deren äufseren Bele-
gung positive Elektricität in die dritte Flasche geht und
so fort. Nachdem in dieser Weise alle Flaschen geladen
wurden, kann man die Verbindungen derselben aufheben
und, wie in der gewöhnlichen Batterie, alle innere Bele-
350
gungen der Flaschen mit einander, nnd ebenso alle SoCsere
Belegungen verbinden, um sie sodann gemeinscbaftlidi za
entladen. Diese Batterie, auch Cascadenbatterie und Fla-
schensäule genannt, hat nicht den practischen Werth, den
man ihr beigelegt hat. Obgleich nur die erste Flasche di-
rect vom Conductor geladen wird, so erfordert diefs, weno
es auf stärkere Ladungen ankommt, mehr Zeit und eine
viel gröfsere Wirksamkeit der Elektrisirmaschine, als wenn
alle Flaschen direct zu demselben Grade geladen wOrdeo.
Franklin, dem nicht leicht Etwas entging , das im
Kreise seiner Beobachtungen lag, hatte diefs wohl bemerkt
und seine Batterie verworfen, weil die Flaschen einiges
Widerstreben (some reluctance) Sufserten, sich laden za
lassen'). Diefs ist von den Physikern nicht beachtet wor-
den, die sich nach ihm mit der Batterie beschHftigt haben.
Neuerdings hat die Batterie ein theoretisches Interesse er-
halten, indem Dove ihre Entladung versuchte bei dersel-
ben Anordnung, die zu ihrer Ladung dient, und in Bezug
auf Schlagweite und Erwärmung sehr einfache Gesetze anf-
stellte^). Ich habe, in Folge dieser Angaben, Versuche
angestellt, die ich ausführlich miltheilen will, ehe ich die
Gründe angebe» die mich abhielten, aus ihnen ein Gesetx
abzuleiten ^ ).
1 ) £arper/m, and observat. 5'^ ed. p» 25. 29.
2) Poggend. Annalen 72. 406.
3) Hr. Knochenhauer hat vor Kurzem eine Menge kiehergchdnger
Beobachtungen initgetheilt und durch complicirte Formeln dartattclci
Tersucht. (Annalen 79. 354). Ich mnfs diese Akhandluag auf äeb be-
ruhen lassen, wie ich es bereits mit der groiseD Zabl vcurhei^gclinidcr
Arbeiten desselben Verfassers su thun Jur nothig fand« Diese Abband^
lungen enthalten nämlich sehr verwickelte Versuche, die «if die wül-
kGrlichste W^eise, häufig unter Vernachlässigung bekannter nnd bewSbrter
Satze der Elektricitatslehre , zu Angriflen auf neoerdiogs gewonnene Er-
fahrungen benutzt werden. Ab Vertheidiger dieser SSize und Er&bro»-
gen aufzutreten, wurde ich nur dann für gerechtfertigt halten, wenn mir
die Angriffe an sich gefährlich erschienen, oder wenn sie irgendwo An-
klang fanden. .Dafs Letzteres bisher nicht der Fall gewesen, ist ans do
Iftepertorien der Physik, am klarsten aus Muller's Bericht Cber die
neusten Fortschritte der Physik ( Braoaschwcig 1849) so erteken, ■■
351
VersuGhe im Schliefflangabogen«
Vier leydener Flaschen, jede von 14- D F«fs Belegung,
wurden auf 444 "^o^I breite, anf GlasfÖfsen isolirte, Metall-
teller gestellt und darch drei KnpferdrShte (von 21 Zoll
Länge x7 Liin* Dicke) zu einer Franklin'schen Batterie ver-
bunden wie Fig. 5, Taf. IV. zeigt. Mit dem Knopfe t^ war
der Conductor der Maschine während der Ladung in Ver-
bindung gesetzt, von der äufseren Belegung a^ ging ein Draht
zur Maafsflasche, deren Kugeln 4 Linie von einander stau-
den. Es wurden Ladungen der Batterie angewandt, die
1 bis 3 Entladungen der Maafsflasche verursachten. Bei
Versuchen, die mit einander verglichen wurden, blieb die
Ladung constant. Nach der Ladung wurde der Schliefsungs-
bogen angelegt, der, wo es nicht anders gesagt idt, voll-
kommen zur Erde abgeleitet war. Das eine Ende des Bo-
gens wurde durch den Entladungsapparat mit dem Knopfe t ^
der ersten Flasche verbunden, nachdem das andere Ende
an die äufsere Belegung des ersten, zweiten u. s. f. Flasche
angelegt worden war, was durch die Angabe bezeichnet
wird, dafs eine, zwei u. s. f. Flaschen benutzt werden.
Vor der Entladung der benutzten Flaschen wurden die übri-
gen von ihnen getrennt, oder, was merklich denselben Er-
folg hatte, ohne Lösung der Verbindung entladen.
Erwärmung, Versuch l. Ein empfindliches elektrisches
Thermometer wurde in den Schliefsungsbogen eingeschaltet
Die Batterie wurde geladen bis zwei Funken an der Maafs-
flasche fibergegangen waren.
Erwarmuog im Schlie-
utzte Flaschen.
fsungsbogen.
VerbSltoIfs d. Mitlel
1
7,5 7,4 7,7
1
2
12,8 11,9 12,8
1,7
3
15,4 15,3 15,8
2.0
4
21,6 22,3 21,4
2,9
welchem letztem Werke aach der W^erth der, einem fluchtigen Leser
Tielleicht auflallenden, Uebereinstimmung von Knochenhauer's Formeln
mit seinen Beobachtungen in das rechte Licht gestellt worden ist.
352
Während also 1 bis 4 Flaschen benatzt wurden, nahm die
Erwärmung von 1 bis nahe 3 zu.
Versuch IL Die absolute Grobe der Erwärmung hängt
von der Beschaffenheit des SchlieÜBungsbogens ab. Als der
Bogen durch einen Platindraht von 116 Lin. Länge, 0,0185
Halbmesser verlängert war, wurden bei derselben Ladung,
wie früher, die folgenden geringeren Erwärmungen be-
trachtet.
Erwärmung im Schlie*
Bcnolzte Flasclira.
Isangsbogen.
Terbältnil* i. MiKel.
1
4,6 5,0 5,0
I
2
8^2 8,0 8.0
1,7
3
11,8 11,4 11,2
2,3
4
14,6 15,3 15,1
3,0
Versuch III. Ebenso hängt aber die Erwärmung im
Schliefsungsbogen von der Beschaffenheit der Zwischen-
drähte ab, welche die einzelnen Flaschen mit einander ver-
binden. Der Platindraht wurde aus dem Schliefsungsbo-
gen entfernt und zum ersten Zwischendrahte (a^ t , der Fi-
gur 5 hinzugesetzt.
Erwärmung im Schlie-
utzte Flaschen.
fsungsbogen.
VerbSlmiT« d. Mittel.
1
7,5 7,3 7,5
—
2
7,8 7,3 7,9
1.7
3
11,0 11,0 11,0
2,4
4
13,2 14,0 13,6
3,0
I^ie erste Horizontalreihe gehört begreiflich nicht hier-
her, da bei Benutzung Einer Flasche kein Zwischendraht
vorhanden ist.
Versuch IV. Es wurden drei Batterien, von denen jede
nahe 3 GEufs innerer Belegung enthielt, einzeln isolirt
und zu einer Franklin 'sehen Batterie mit einander verbun-
den. Man hat also in Fig. 5 die vierte Flasche entfernt
und a^ mit der Maafsflasche verbunden zu denken. Bei
der Ladung gingep 3 Funken in die Maafsflasche Ober.^
fie.
353
ErwSrmuDg im Scblie-
Benutzte Batterien.
fsuDgsbogen.
VerhSl(iii& d. Mittel.
1
7,3 7,3
1
2
13,3 13,0
1,8
3
17,7 18,5
2,5
Aus den Versuchen I bis IV. folgt, dafs die ErwärmaDg
im SchliefsuDgsbogen der hier aDgewandten Batterie in ge-
ringerem Verhältnisse irächst, als die Zahl der benutzten
Elemente.
Schlagtoeite, Es wurde die Batterie aus 4 Flaschen
(Vers. I.) angewendet, im Schliefsungsbogen aber an der
Stelle des Thermometers ein Funkenmikrometer angebracht.
Die Verbindung des Bogens mit den Flaschen wurde auf
yerschiedene Weise bewerkstelligt.
Versuch V. Die eine Kugel des Mikrometers wurde
mit dem Knopf i^ der ersten Flasche verbunden, die an-
dere Kugel mit einer der äufseren Belegungen. Die Ku-
geln wurden in solcher Entfernung von einander gestellt,
dafs zwischen ihnen ein Funke überging zugleich mit dem
Funken der Maafsflasche , der die bestimmte Ladung der
Batterie anzeigte. Die Drähte, welche das Mikrometer mit
den Flaschen verbanden, waren in der ersten Versuchs-
reihe so lang, dafs das Mikrometer bei allen Versuchen
an derselben Stelle stehen bleiben konnte, in der zweiten
wurde der eine Draht bis 3 Zoll verkürzt, so dafs das
Mikrometer stets sehr nahe der äufsern Belegung der letz-
ten benutzten Flasche stand. Die Schlagweiten sind nur
bis 0,1 Linie gesucht, so dafs also die in der folgenden
Tabelle angegebenen Weiten, um 0,1 vermehrt, keine Ent-
ladung im Mikrometer zuliefsen.
Benutzte Flaschen. Schlagweite in par. Lin. Verhältnifs d. Mittel.
1 0,4 0,4 1
2 1,0 1,0 2,5
3 1,7 1,7 4,2
4 2,5 2,6 6,4
Diese Untersuchungsart giebt zu grofse Schlagweiten, weil
dabei der Schliefsungsbogen nothwendig isolirt ist, und
PoggendorfFs Annal. Bd. LXXX. 23
354
kurz vor dem Ueberspriogen des Fankens in der Maafs-
flasche im Innern der ersten Batterieflasche eine gröfsere
Dichtigkeit herrscht, als der daselbst befindlichen Elektri-
citätsmenge zukommt. Es wurde daher die folgende bes-
sere Methode zur Bestimmung der Schlagweite angewandt.
Versuch VI. Die eine Kngel des Mikrometers wnrde
mit dem Entladungsapparat, die andere mit einem zur Erde
abgeleiteten Drahte Tcrbunden. Nachdem die Batterie die
ihr bestimmte Ladung erhalten hatte, wurde der abgelei-
tete Draht an eine der äufseren Belegungen der Batterie
angelegt und, nach Entladung der ausgeschlossenen Fla-
schen, durch den Entladungsapparat die Verbindung der
isolirten Mikrometerkugel mit dem Knopfe t^ der ersten
Flasche hergestellt. Es wurde die gröfste Entfernung der
Kugeln gesucht (bis 0,1 Lin.) bei welcher eine Entladung
durch das Mikrometer stattfand.
Benulzte Flaschen. Sclilagweite in Linien. VerhältDifs.
1 0,3 1
2 0,9 3
3 1,4 4,7
4 2,3 7,7
Versuch VII. Am leichtesten wurde die Schlagweite ge-
funden, wenn die eine Mikrometerkugel mit einem isolir-
ten drehbaren Drahte, die andere mit einem zur Erde ab-
geleiteten Drahte verbunden war. Nach der Ladung der
Batterie wurde der erste Draht mit dem Knopfe der er-
sten Flasche, der zweite mit einer äufseren Belegung in
Berührung gesetzt, und durch behutsames Nähern der Ku-
geln des Mikrometers eine Entladung der Batterie herbei-
geführt.
Benutzte Flaschen
Schlagweite
in Linien.
Verhäh
Inifs d. Miltel
1
0,3
0,3
1
2
0,85
0,95
3
3
1,4
1,4
4,7
4
2,2
2,3
7,5
Versuch VIII. An der in Versuch IV gebrauchten, aus
355
3 Elementen bestehenden, Batterie wurden folgende Schlag-
weiten gefunden.
BenuUte Elemente.
Scillag weile.
Verhällnifs.
1
0,4
1
2
1,2
3
3
1,8
4,5
In den Versuchen V bis VIII ist bei Benutzung Ton 1 bis
3 Elementen die Schlagweite noch nicht bis zum fünffa-
chen, bei Benutzung von 1 bis 4 Elementen nicht bis zum
achtfachen gestiegen.
Versuche im Zwischendrahte.
Versuch IX. In der aus 4 Flaschen bestehenden Bat-
terie (Fig. 5.) wurde das Therinometer in den Zwischeu-
draht a^tj, zwischen der ersten und zweiten Flasche, ein-
geschaltet und die Erwärmung bei der Entladung der Bat-
terie durch den Schliefsungsbogcn beobachtet. Es konnte
hier nur die Ladung gebraucht werden, die 1 Funken in
der Maafsflasche erzeugte, weil bei stärkerer Ladung Elek-
tricität am Thermometer ausströmte. Bei Anwendung Einer
. Flasche wurde der Schliefsungsbogcn hinter dem Thermo-
meter angelegt, so dafs sich letzteres im Schliefsungsbogcn
befand.
Benutzte Flaschen 12 3 4
Erwärmung 3 4 5,5 7,5.
Versuch X. An die Stelle des Thermometers wurde
das Funkenmikrometer gesetzt, so dafs also der Zwischen-
draht unterbrochen war; während der Ladung wurde die
Lücke durch ein Drahtstück ausgefüllt, das darnach isolirt
entfernt wurde. Es wurde die gröfste Entfernung der Kun-
geln des Mikrometers gesucht, iei welcher die Entladung
der Batterie durch den Schliefsungsbogcn einen Funken im
Mikrometer erzeugte. Diese Entfernung giebt die Schlag-
weite im Zwischendrahte.
23*
356
Bcoolsle FlMchen.
Schlafwidte in Linien.
Yetliilaiirs
1
0,3
1
2
0,9
3
3
1,4
4.7
4
2,2
7,3
Versuch XL Um genanere Werthe der Erwärmung zu
erhalten wurde die Batterie aus 3 Elementen (Versuch IV)
gebraucht, der eine- Ladung gegeben wurde , bei welcher
in der Maafsflasche 3 Funken übergingen.
BenntKte Elemente. Erwärmang. Yerhältnifs d. Mittel.
1 8 8 1
2 13,5 13,8 1,7
3 19 20 2,4
Versuch XII. Im ersten Zwischendrahte dieser Batterie
wurden- die folgenden Schlagweiten gefunden. Die Ladung
war in der zweiten Reihe gröfser als in der ersten.
Benutzte Elemente. Schlagweite in Linien. Yerhältnifs d. Mittel.
1 0,25 0,4 1
2 0,80 1,2 3,1
3 1,10 1,7 4,3.
Diese Versuche im Zwischendrahte entsprechen genau den
im Schliefsungsbogen angestellten. Auch hier nimmt die
Erwärmung in geringerem Verhältnisse zu, als die Zahl
der benutzten Elemente, und die Schlagweite erreicht bei
3 Elementen nicht das fünffache, bei 4 Elementen nicht
das achtfache der Schlagweite, die bei Benuu^.ng eines
Elementes gefunden wurde.
Versuche an einer Batterie mit ungleichen Elementen.
Bisher war die Batterie aus gleichen Elementen zusam-
mengesetzt; jedes Element bestand aus einer Flasche, oder
aus mehreren gleichartig mit einander verbundenen Fla-
schen. Nun wurde eine Batterie aus 2 Elementen gebil-
det und die Gröfse des einen Elementes verändert.
Versuch XIII. Zum ersten (an dem Conductur der Ma-
schine anliegenden) Elemente wurde eine Flasche von 1^
OFufs Belegung genommen und das zweite Element aus
357
1 bis 4 gleichen Flaschen zasammengesetzt (Fig. 6.) Der
Zwischendraht aii^ war hier, wie früher, 21 Zoll lang,
.yV ^^^' ^ic^* ^s wurden folgende Erwärmungen an einem
im Schliefsungsbogen eingeschalteten Thermometer bei glei«
eher Ladung der Batterie beobachtet.
Zahl der Flaschen des
Erwärm
ung
sweiten Elementes «a
fl.
öKt;.
1
- 23,8
24
23,9
2
19,0
18,3
26,3
3
17,3
17,0
29,6
4
16,2
16,5
33,6.
Versuch XIV. Das zweite Element wurde constant ge-
nommen, das erste hingegen aus 1 bis 4 Flaschen gebildet.
(Fig. 7.) Am Schliefsungsbogen wurden folgende Erwär-
mungen beobachtet.
^ahl der Flaschen
des
Erwärmung
ersten ElemeDtes
»,.
e.
öVf..
1
24
24
2
18,5
18,2
25,9
3
16,4
16,6
28,6
4
15,8
15,7
31,4.
In beiden Versuchen nimmt die Erwärmung mit vermehr-
ter Flaschenzahl des veränderlichen Elementes ab, so aber,
dafs das Product der Erwärmung in die Quadratwurzel der
Zahl der Flaschen merklich zunimmt.
Die Resultate der mitgetheilten Versuche weichen be-
deutend von den Gesetzen ab, die Dove in der oben an-
geführten Abhandlung als allgemeingültig für die Franklin'-
sehe Batterie aufgestellt hat.
Die Erwärmung sowohl im Schliefsungsbogen als im
Zwischendrahte soll proportional der Zahl der gleichen Ele-
mente zunehmen, die zur Entladung benutzt werden; hier
ist die Erwärmung in geringerem Verhältnisse wachsend
beobachtet worden. Bei 1 bis 4 Elementen stieg die Er-
wärmung nur von 1 bis 3. (Vers. I bis IV, IX, XL)
358
Die Scbiagweiten im Scbüefsungsbogen und Zwischeor
draht sollen im Verhältnisse der Quadrate der benutzten
Elemente stehen, hier ist diefs Verbältnifs viel kleiner ge-
funden worden. Bei l bis 4 Elementen nahm die Schlag-
weite von 1 bis höchstens 7,7 zu (Vers. V. bis VIII, X, XII.)
Bei veränderter Gröfse eines Elements einer aus zwei
Elementen bestehenden Batterie soll das Product der Er-
wärmung im Schliefsungsbogen in die Quadratwurzel der
Flächengröfse des Elementes constant sejn ; hier ist das Pro-
duct mit steigender Flächengröfse zunehmend gefunden wor-
den (Vers. XIII, XIV.) Diese Abweichungen werden nicht
auffallen, wie die folgende Auseinandersetzung gezeigt ha-
ben wird, dafs eine unbestimmte Aufgabe vorgelegen hat,
für die also keine allgemeine Lösung zu erwarten ist.
Ursache der EDtladungserscheinungen der Franklin 'sehen
Batterie.
Eine leydener Flasche nimmt in ihrem Inneren so lange
Elektricität auf, bis ihr Knopf eine bestimmte elektrische
Dichtigkeit erreicht hat. Die aufgenommene Elektricitäts-
menge ist sehr gering, wenn die äufsere Belegung der Flasche
isolirt ist, wird um desto gröfser, ein je längerer Draht an
die äufsere Belegung angelegt worden, und erreicht ihr Ma-
ximum, wenn der Draht mit der Erde in Verbindung ge*
setzt worden ist. Es folgt hieraus, was sich auch leicht
direct nachweisen liefse, dafs bei einer bestimmten Elek-
tricitätsmenge im Inneren der Flasche die Dichtigkeit an
ihrem Knopfe desto gröfser ist, eine je geringere Ableitung
ihre äufsere Belegung erhalten hat. In der That ist nun
die. Franklin'sche Batterie, in der Art benutzt, wie es die
aufgeführten Versuche zeigen, nichts anderes als eine solche
einzelne Flasche mit veränderliches Ableitung ihrer äofse-
ren Belegung. Aus je mehr Elementen eine solche Batterie
besteht, desto geringer ist die Ableitung, desto mehr Wi-
derstreben, nach Frank lin's Ausdruck, hat ihr erstes Ele-
ment gegen die Ladung, und desto gröfser ist bei constanter
Ladung die elektrische Dichtigkeit am Knopfe dieses Ele-
359
ineDts. Hat man daher eine Batterie aus 4 Elementen (Fig. 5.)
geladen, und benutzt nur 3 Elemente bei der Entladung,
indem man den Schliefsungsbogen an a^ anlegt, so sinkt
augenblicklich die Dichtigkeit am Knopfe $, und man mufs
daher eine kleinere Schlagweite finden, als wenn der Bo<
gen an a^ angelegt worden wäre. Aus gleichem Grunde
mufs die Schlagweite noch kleiner sejn, wenn der Bogen
au a^ und endlich an a^ angelegt wird. Man könnte glau-
ben, dafs ein allgemein gültiges Gesetz für diese Abnahme
der Schlagweite zu finden wäre, wenn die Bedingung ge-
stellt ist, dafs alle Elemente der Batterie gleichartig und
gleichgrofs, alle Isolirteller und Zwischendrähte gleich ge-
nommen werden. Diefs ist nicht der Fall. Ich habe in
einer früheren Untersuchung ^ ) einen ähnlichen aber viel
einfachereren Fall behandelt. Einer elektrisirten Metall-
scheibe war eine gleiche, vollkommen abgeleitete Scheibe
parallel gegenübergestellt, und ich suchte die Schlagweite
oder die ihr proportionale elektrische Dichtigkeit an einem
Punkte der elektrisirten Scheibe bei verschiedener Entfer-
nung der Scheibe von einander. Die Abnahme der Dich-
tigkeit mit zunehmender Entfernung zeigte sich verschieden
nach der absoluten Gröfse der Scheiben, nach der Lage
des Punktes, an dem die Dichtigkeit untersucht wurde, und
endlich nach der Lage des Ableitungsdrahtes der zweiten
Scheibe, so dafs ein Gesetz für diese Abnahme nicht auf-
gestellt werden konute. Es ist daraus zu schliefsen, dafs
bei der Franklin'scben Battere die Abnahme der Schlag-
weite des ersten Elementes nach der Zahl der benutzte^
Elemente abhängig sejn wird von der Gestalt und abso-
luten Gröfse der Elemente und Isolirteller und von der
Form und Länge der Zwischendrähte, so dafs ein Gesetz
dieser Abnahme nur für den angewandten Apparat Geltung
bat« Dasselbe, was für die Dichtigkeit am Knopfe des er-
sten Elementes, also für die Schlagweite im Schliefsungs-
bogen, gilt auch für die Dichtigkeit am Knopfe eines fol-
1) Pogg. Ann. Bd. 73, S. 379-398.
>
will !■
'^ daCi Aesdbe Baut
J9
cntljdcB, eine kleiiiere Scfcbfweife Wt als wenn dcrEri-
bduDgrCoDke zwiscfceD Scfccibcn fibcrgckt, atnd liafe &fr
wSnBOBg iai SMlefamphaten hn zweiten Falle grS&cr H
ab in ertten. Dali nit der Dichtigkeit in der ßattmi
der Se Scblagweite proportional ist, die Entladonssdaaff
der Batterie iai omgekeiirten Yeriiältnils steke, fcabe kk
laenit war dretzekn Jahren angenommen ' } and scifda
durch eine grolse Menge ron Versuchen bestätigt gefondm
Diese Versodie, ans welchen ich die Gesetze der dcbn-
sehen Erwärmung ableitete, bin ich auf das Sorgfähigrie
bemObt gewesen Ton einer Aenderung der partikulira
Scblagweite frei zu halten. Deshalb wurden Gberall die Fli-
ehen, zwischen welchen die Entladung eintritt, nngeändcrt
gelassen 9 und die Näherung dieser Flächen wurde nieads
mit der Hand, sondern durch einen fallenden Körper am-
gefnhrt. Ganz im Gegensatze hierzu ist es nun bei der
Frnnkliu'schen Batterie die partikuläre Scblagweite allein,
die geändert wird, da man die mittlere Dichtigkeit der di-
rect om Conductor geladenen Flasche bei zu Tergleichoi-
den Versuchen constant erhält. Die Schlagweite dieser
Flantiio wird nach der obigen Betrachtung geändert durch
Aenderung der Ableitung ihrer äufseren Belegung, und ist
nnxwcifelhofl die Ursache der Verschiedenheit der beob-
nehlelen Erwärmungen. Es folgt hieraus, dafs ebenso we-
I) Piiffg. Ami. 43. 79.
tt) PuN«. Ami. 40. 351.
361
Dig wie fdr die Schlagweite, ein allgemeines Gesetz der
Erwärmung nach der Zahl der benutzten Elemente der Bat-
terie gefunden werden kann. Doch war es denkbar, dafs
unter gegebenen Bedingungen zwischen Schlagweite und
Erwärmung eine bestimmte Beziehung stattfände, und so
habe ich früher beiläufig^) diese Beziehung angedeutet für
den Fall, wo beide Erscheinungen in dem Zwischendrahte
einer Franklin'schen Batterie beobachtet wurden. Auch diese
Beziehung findet nach den hier vorgelegten Versuchen nicht
allgemein statt und es ist darnach zu schliefsen, dafs Vor-
aussetzungen, die in Bezug auf die mittlere elektrische Dich-
tigkeit einer geladenen Flasche gelten, nicht auf die Dich-
tigkeit einzelner Theile ihrer Belegung übertragen werden
dürfen.
Für die Erwärmung und Scblagweite im Schliefsungs-
bogen und Zwischendrahte einer aus gleichen Elementen
bestehenden Franklin'schen Batterie lassen sich also keine
Gesetze aufstellen, die nur die Zahl der benutzten Elemente
in sich begreifen. Ein Gleiches gilt für eine aus zwei Ele-
menten bestehende Batterie, in welcher die Gröfse eines
Elementes verändert wird, wie ein Blick auf Fig. 6 und 7
lehrt. In Fig. 6 ist es eine constante Flasche, deren äufsere
Belegung eine Ableitung von 1 bis 4 Flaschen erhält, an
deren Knopfe daher eine veränderliche partikuläre Schlag-
weite eintritt, welche die Ursache der im Schliefsungsbo-
gen beobachteten Erwärmungen ist. Zusammengesetzter ist
der Fall der Fig. 7, der nur zum Theil hierher gehört. Es
wird ein Element, das aus 1 bis 4 Flaschen besteht, am
Conductor mit conslanter Elektricitätsmenge geladen; die
mittlere elektrische Dichtigkeit des Elementes nimmt ab im
Verhältnifs der zunehmenden Flaschenzahl und es müfste
daher nach dem aligemeinen Gesetze die Schiagweite und
Erwärmung im gleichen Verhältnisse abnehmen. Nun aber
bildet eine constante Flasche die Ableitung der äufseren
Belegung dieses Elementes. Die Ableitung ist veränderlich
im entgegengesetzten Sinn mit der Flaschenzahl des Ele-
1) Pogg. Ann. 76. 484.
362
mentes denn offenbar ist Eine Flasche für Eine Flasche
eine gröfsere Ableitung, als für 2, 3 oder 4 gleiche Flaschen.
Da nun nach dem Obigen die partikuläre Schlagweite ei-
nes Elementes zunimmt mit Verminderung seiner Ableitung»
so mufs Scblagweite und Erwärmung hier in einem kleine-
ren Verhältnisse abnehmen, als dem der zunehmenden Fla-
scheuzahl des Elementes. Ein allgemeines Gesetz dieser
Abnahme kann hier, wie überall, wo partikuläre Schlag-
weiten im Spiele sind, nicht erwartet werden.
Die Betrachtung der Entladung der Franklin'schen Bat-
terie hat bisher den Einflufs der partikulären Schlagweite
auf die Erwärmung gezeigt, einen Einflufs, der schon frü-
her bekannt war und der sich einfacher und schlagender,
als an der Franklin'schen, an der gewöhnlichen Batterie
nachweisen läfst, indem man die Flächen ändert zwischen
welchen der Entladungsfunke erscheint, oder die Wirkun-
gen von zwei gleichen Flaschen vergleicht, die eine ver-
schiedene Glasdicke besitzen. Aber ein Versuch ist noch
nicht besprochen, der, wie die frühereu, von Dove her-
rührt, und eine merkwürdige Bestätigung eines für die Ent-
ladung der Batterie überhaupt sehr wichtigen Satzes liefert.
Wir haben gesehen (Versuch 111.), dafs ein dem ersten
Zwischendraht hinzugefügter Platindraht die Erwärmung im
Schliefsungsbogen sehr bedeutend verminderte. Da weder
die Menge noch Dichtigkeit der Elektricität im Bogen ver-
ändert werden kann durch die Zeit, in welcher die Elek-
tricitäteu sich im Zwischendrahtc ausgleichen, so beweist
die beobachtete Verminderung der Erwärmung die Abhän-
gigkeit, in welcher die auf einander folgenden Partialent-
ladungen, welche die Gesammtentladung bilden, von ein-
ander stehen. Jede Partialentladung einer Batterie kann
erst dann eintreten, wenn die ihr vorangehende Partialent-
ladung vollendet, also die Elektricität im Schliefsungsbo-
gen zur Ruhe gekommen und der anfängliche Ladungszu-
sland der Batterie wiederhergestellt ist. Diefs ist der Satz,
den ich aufgestellt^) und durch neuere Versuche über die
1) Pogg. Ann. 78. 433.
363
Entladung in einem dauernd unterbrochenen Schliefsungs-
bogen bestätigt habe. Die Wirkung der Entladung der
Franklin'schen Batterie ist demnach folgendermafsen abzu-
leiten:
Die Wirkung im Schliefsungsbogen wird allein durch
die Entladung des Elementes der Batterie hervorgebracht,
an dessen innere Belegung der Schliefsungsbogen angelegt
ist. Elektricitätsmenge, mittlere Dichtigkeit, partikuläre
Schlagweitc dieses Elementes haben denselben Einflufs auf
die Entladung, wie in der gewöhnlichen Batterie. Jede
Partialentladung führt eine bestimmte Menge von Elektri-
cität aus dem Inneren des Elementes in den Schliefsungs-
bogen; die Partialentladung ist vollendet und eine neue
erfolgt, wenn jene Elektricitätsmenge den Schliefsungsbo-
gen durchlaufen hat, und der Ladungszustand des Elements
wiederhergestellt ist. Das Letztere geschieht durch Fortfüh-
rung einer dem Ladungszustand entsprechenden Elektrici-
tätsmenge aus der äufseren Belegung des Elements, und
wird im ersten Zwischendrahte zugleich mit der Ausgleichung
der Elektricitäteu in den übrigen Zwischendrähten, ausge-
führt. Die Dauer jeder Partialentladung und damit die ih-
rer Summe, welche die Wirkung der Gesammtentladung
bestimmt, ist daher abhängig von der Beschaffenheit sowohl
des Schliefsungsbogcns als der Zwischendrähte. Dasselbe
gilt für eine Wirkung im Zwischendrahte, so dafs auch
hier die Zeit, in welcher die einzelnen Partialentladungeu
einander folgen, von der Zeit abhängt, in der die Ausglei-
chung der Elekricitäten in allen Zwischeudrähten stattge-
funden, und die Entladung den ganzen Schliefsungsbogen
durchlaufen hat.
364
IV. Beschreibung des seit 1845 zu Sans - Souci
aufgestellten Regen- und TVindmessers ;
construirt von Legeier,
Königl. HofgarlDer und Lehrer ao der Köolgl. Gärtner -Lehr -Anstalt.
JLlie Einrichtung dieses Instruments (Taf. IV. Fig. 8.) ist
folgende. Das cjlinderfönnige AufFangegeföfs A von star-
kem Zinkblech, 1,129 par. Fufs im lichten Durchmesser,
9 par. Zoll hoch, enthält eine Grundfläche von etwa 1 QFufs
und hat einen Boden, dessen Durchmesser um 4 Zoll grö-
fser ist, als der Durchmesser im Lichten. Aufserhalb am
Gefkfse befindet sich an einem platten Eisenstabe eine
Windfahne AT, deren unterer Rand 10 Zoll vom Boden
entfernt ist. Die Fahne selbst ist 15 Zoll breit und 8 Zoll
hoch; der Fahne gegenüber, ebenfalls aufserhalb, ist eine
unten verschlossene Röhre B angebracht, 2 Zoll im Durch-
messer, welchey um der Schwere der Windfahne das Gleich-
gewicht xa halten, mit Stückchen Eisen oder Blei gefüllt
ist. Im Boden ist innerhalb des Gefäfses, dem Rande sehr
nahe, *r Windfahne genau gegenüber, ein Loch angebradit,
worM ein Ausgufsröhrchen a gelöthet ist, von f Zoll Länge
gi^ \ Zoll Breite, weiches das in A gefallene Wasser
geknell ausfliefsen macht, was man durch einen in A^ nach
n sa schrägliegendeu zweiten Boden J erreicht. An dem
Bodenraude nach unten zu ist ein Rand r senkrecht ange-
löthet, 2^ Zoll breit, der die Oeffnung des Vertheilungs-
gefäfses C deckt, und dadurch verhindert, dafs Schnee oder
Regen in letzteres geweht wird. Das Vertheilungsgefäfs C,
ebenfalls von Zinkblech, ist auf eine der Lokalität ange-
messene Weise, unmittelbar auf dem Dache horizontal, und
zwar so befestigt, dafs die (man sehe den Grundrifs R Fig. 9
Taf. IV.) in seinem Boden befindlichen 8 Löcher, mit Be-
rücksichtigung der westlichen Abweichung, nach den 8 Him-
melsgegenden zu stehen kommen. Die Seitenwände dieses
Gefäfses 6 sind 2^ Zoll hoch und der Raum auf der con-
365
centrischen Kreisfläche von 2^ Zoll Breite, ist durch 1^ Zoll
hohe Querwände q, in 8 Abtheilungen getheilt, worin sich
in der Mitte das Ausflufsröhrchen x, von 4 Zoll Durch-
messer befindet. Der Anheftungspunkt für das Röhrchen
ist der niedrigste in )eder Abtheilung, damit das durch a
hineingelaufene Wasser sich schnell dahin begeben könne
um abzufliefsen, und wird diefs leicht durch muldenförmi-
ges Aushämmern der Bodenfläche jeder Abtheilung erreicht.
Sobald der Wind voll aus einer Himmelsgegend weht,
und Hegen mit sich führt, wird das Wasser durch a in die-
jenige Abtheilung gelangen, welche dieser Windrichtung
entspricht; weht aber der Wind nicht voll aus einer Him-
melsgegend, und schwankt er zwischen zwei oder mehre-
ren Windrichtungen, so wird in diejenige Abtheilung das
mehrste Wasser gelangen, welche mit der vorherrschend-
sten Windrichtung übereinstimmt. Zu dem Ende ist A,
im Mittelpunkte seines Bodens an eine gehärtete Eisenstange
D, welche 4 Zoll im Durchmesser hat, durch die daran
befindlichen eisernen Lappen y befestigt, und bewegt sich
D in einer ebenfalls gehärteten Pfanne £, welche letztere
durch einen eisernen Arm oder Träger T au einem Dach-
sparren durch eine eiserne Platte H angeschraubt ist. Diese
Pfanne überragt den kegelförmigen Theil von D um so viel,
als nöthig ist, um zur leichten Bewegung in den dadurch
gebildeten Raum d Oel giefsen zu können.
Die Ausflufsröhren x sind etwa 3 Zoll laug, und es
befinden sich unter ihnen entweder unmittelbar dre 8 glä-
sernen Mefscjlinder F, auf dem runden hölzernen Boden
Cr aufgestellt, oder ihre Enden sind mit so langen und
7 Zoll weiten Glasröhren durch kurze Gummiröhren t ver-
bunden, als die Entfernung von ihnen bis nach G hin er-
fordert. Die Mefscjlinder sind 12 Zoll hoch, oben ohne
umgebogenen Rand, 1 Zoll im Lichten weit und werden
folgendermafsen getheilt.
Ist nämlich in A eine Linie hoch Wasser gefallen, so
beträgt diefs für die Grundfläche von 1 D Fufs 12 Kubik-
zoll; wiegt man hiervon den zehnten Theil, 1| Kubikzoll,
366
wdche bei 15* IL 23.7676 Gf«. wicsciL ab. imd f&üt die-
ses ^Wasser in einen der an^e^rbcnen Crlinder, so nimmt
CS etwa 1| Zoll Höhe ilarin ein. för welcben Stand dann
aofserbalb am Crlinder. mit Bcrnckfklitisans der Canilla-
litü, ein Stricb einse?cUiffen wird, und enthält der Cjlin-
der onzefahr sechs Mal diese Höhe, wdche durch einge-
schliffene Zahlen Ton 1 — 6 bezeichnet werden. Dem sechs-
ten Theilnngsstri^ eesenöber ist ein mndes Loch einge-
schlifFen. etwa -^ Zoll weit, woran ein 2^ Zoll langes und
I- Zoll starkes Ansatzrohr e. ein wenig nach unten gerich-
tet, mit Sieeellack angekittet wird, zu weichem Ende der
obere Theil des Röhrcheos eine runde, muldenförmig ver-
tiefte Platte erhält. Der ouiere Theil Ton e ist abgesdirSgt,
damit der letzte Tropfen Wasser um so leichter abfallen
könne. Die Länge zwi^hen )e zwei Theibtrichen wird
mit einem MaaEsstabe balbirt und hier ein kürzerer Strich
oder Pookt einseschliffen.
Eine Zehntel Linie ist gleich Hnnderttausendtel Linien,
und kann dnrch diese Eintheilung ein am Abschätzen ge-
Gbtes Auge die Länge der im Crlinder Torhandenen Was-
sermenge, in Tansendtel - Linien ausgedruckt, bestimmen.
Das fiber ^%y Linien in den CTÜnder gefallene Wasser flieEst
durch e io den Behälter A\ welcher tou Zinkblech, inner-
halb eine so weite Röhre s hat. dafs diese die Windstange D
dnrchzosteckeu erlaubt. In K flieCst das Wasser dnrch die
am oberen Rande befindliche concentrische Oeffnong w^
welche darch den Deckel v gebildet wird, der auf den
Endpunkt Ton 2 aufsteckt. Durch den Hahn f wird das
"Wasser abgelassen, mit einem der Cylinder gemessen, und
die erhaltene Wasserhöhe dem)enigen Crlinder zugezählt,
welcher übergelaufen ist. Sind 2 Cvlinder zugleich über-
gelaufen, so mufs die stattgehabte vorherrschende Wind-
richtung entscheiden. Munden die Röhrchen x unmittelbar
in den Cylinder, so erhallen sie am Ende eine I7 ZU.
hohe und 1^ ZU. weile Kappe g, in welche der obere Theil
des Cjlinders gesteckt wird: das Ende des Röhrchens ragt
ein wenig und zwar abgeschrägt hinein, damit andi hier
367
der letzte Wassertropfen abfallen könne. Mündet die Röhre
nicht unmittelbar in den Cylinder, und ist sie mit Glas-
röhren Yerb(;inden, so trägt das Ende der Glasröhren mit
Siegellack angekittet eine dergl. Kappe, irelche den Zweck
hat, dafs das in dem Cjlinder befindliche Wasser nicht
so leicht verdunste, da in der Regel nur alle 24 Stunden
die gefallenen Wassermengen eingetragen werden. Die
Menge des, bei einer etwas langen Leitung dadurch ver-
loren gehenden Wassers, da ein Theil desselben zur Be-
feuchtung der Röhrenwände erfordert wird, bevor es in
die Cjlinder fliefsen kann, wird durch einen Versuch fest-
gestellt, und dieser Verlust entweder bei der Messung je-
dem Cjlinder als ein beständiges Minus zugezählt, oder
der erste Theilstrich bei allen um so viel niedriger ange*
bracht.
Der durch A aufgefangene Schnee wird herausgenom-
men, geschmolzen, und das Wasser mit einem getheilten
Cjlinder gemessen; um hierbei zu A gelangen zu können,
mofs sich im Dache eine verschliefsbare Luke befinden.
Auf Erfahrung begründet ist es vorzuziehen von irgend
riner angemessen gelegenen horizontalen Fläche die darauf
für 1 D Efs. gefallene Menge Schnee zu entnehmen und zu
schmelzen, weil, wenn derselbe nicht sogleich in A schmilzt,
viel davon, selbst während des Schneefalls, durch den Wind
wieder herausgeweht wird, oder man kann für die Schuee-
monate die Oeffnung von A, mit einem übergreifenden et-
was gewölbten Deckel verschliefsen, der in der Mitte eine
Oeffnung von einem halben Quadratfufs hat, wonach dann
die gefallenen Schneemengen doppelt zu notiren sind.
Jede Kappe trägt aufserhalb am Rande eine der Him-
melsgegend entsprechende Bezeichnung, und sind alle Kap-
pen, der festeren Haltung wegen, durch den kreisförmigen
Zinkstreifen m mit einander verbunden.
Der Boden G ist U ZU. stark, in der Mitte durchbohrt,
um D durchzulassen, welche mit ihrer kegelförmigen me-
tallenen Spitze auf der Unterlage h in einer kleinen Verr
tiefang ruht. Das über k hinaus befindliche Ende derselben
Höh 4 ZO. starL and endet in enca geraden Zap-
ien, der in das gabell&nnge Ende der Eisenstange D paust,
■nd daduidb beCestigt wird, daCs durch die Gabd and den
bdbcmca Zapfen ein Loch Undnrchgckt, dnrdi welches
nach der Vereinigang beider ein entsprechend starker Draht
t gesteckt wird. Diese Torrichtnng unteribricht bei bedeu-
tender Länge Ton D £e ■ggiiche Leitung Ton Elektridtät
in das Innere des GebSndcSy und bewirkt zngleidi, dafs sich
die Spitze von D nnr in k dreht, ohne zugleich mit dem
Gewichte Ton Ä darauf zu iahen, indem der eigentUdie
Stutzpunkt für ^ in C liegL
Am untersten Ende tou D ist eine Hfilse k angebracht,
wdche mit einem Drahte daran befestigt wird. Hieran be-
findet sich ein gekrümmter Draht J^ der mit seinem unte-
ren Ende in die auf dem hölzernen Boden L befiodliche
4 ZIL breite. 1 ZIL hiihe« oben ausgeschweifte mit Sacd
ausgefüllte Rinne n reicht, und hier, wenn er sich dreht,
eine kleine Furche im Sande henrorbringt Die Richtung,
in welcher Jf gegen D befestigt werden mufs, ist eine der
Ebene der Windlahne entsesensesetzte, so daCs die Spitze
Ton M dem Beobachter die Himmelsgegend anzeigt, aus
welcher der Wind weht.
Die Himmeisgegenden sind auf L nach Grundrifs Z,
(Fig. 10. Tat VI.) mit den oberen entsprechend bezeich-
net, wodurch der Beobachter im Stande ist genau und leicht
die statthabende Windrichtung aufzuzeichnen. Der Sand
in der Rione n hat den Zweck, dafs man an den durch M
darin hervorgebrachten kleinen Furchen, welche nach auf-
gezeichneter Beobachtung wegen des ausgeschweiften Ran-
des leicht mit dem Finger wieder zugestrichen werden kaun,
auch die stattgehabten Schwankungen des Windes wahr-
nimmt.
Um beim Durchlaufen des Windes durch die ganze
Windrose festzustellen, ob dabei eine Drehaug nach Rechts
oder Links stattgefunden habe, sind an den vier, 1 Fufs ho-
hen und angemessen starken Säulen 0, bewegliche Drähte o
angebracht, welche in einer Unterlage p so befestigt sind,
dafs
369
dafs'sie, aufgerichteti vou dem diesen Punkt in der Wind-
rose durchlaufenden oberen Theil des Drahtes M erfafst
und auf die Seile gelegt werden können. Stand also der
Wind im Norden, und ist die ganze Windrose durchlaufen,
so werden diese vier Drähte, wenn die Richtung durch
W^esten ging, nach Rechts umgelegt sejn, und Links um-
liegen, wenn die Richtung durch Osten stattfand, der Beob-
achter nämlich in Norden aufgestellt gedacht, mit dem Ge-
sicht nach Süden gewendet.
Der Boden L befindet sich auf eine angemessene Weise,
doch unverrückbar, befestigt.
Dieser so construirte Regenmesser läfst demnach, ohne
die stete Gegenwart des Beobachters zu erfordern, folgende
Beobachtungen zu:
1) Das gefallene Regen wassor, oder sonstige Niederschläge
werden, in Tausendtel-Linien ausgedrückt, von demje-
nigen Cj'linder aufgenommen, welcher der dabei statt-
gehabten Haupt Windrichtung entspricht.
2) Die Richtung des Windes wird genau nach der Him-
melsgegend angegeben, und eine stattgehabte Wind-
stille dadurch bemerbar gemacht, dafs der Zeiger keine
Furche in dem Sande hervorbrachte.
§
3) Bei eingetretenem Durchlaufen des Windes durch die
ganze Windrose wird festgestellt, ob diefs nach Rechts
oder Links stattfand.
Nachstehende Tafeln enthalten die monatlichen Mittel
der bisher mit diesem Wind- und Regenmesser gemachten
Beobachtungen :
PogseodorfiTs AnnaL Bd. LXXX.
24
ii
S2
II
1 i I
374
V. Ueber die Ldtkraft der Erde für Elehtricüät;
fon A. Baumgartner.
(Aas den SiUangsbcrichleD der K. Akademie der Wisseosdiafieo
so Wien, Mai 1849).
i^eit der Zeit, als man durch Gray die ersten Begriffe
über elektrische Leitung der Körper erlangt hatte, ward die
Erde immer für einen Leiter der Elektricität gehalten; man
hat es aber nicht versucht, ihr den Rang unter den Leitern
nachzuweisen, oder gar ihre Leitungsfähigkeit in einem Zah-
lenwerthe auszudrücken, ohne Zweifel, weil man, bis vor
ein Paar Decennien, die Mittel und Apparate, welche zu
solchen Bestimmungen nöthig sind, nicht kannte, und )ctzt,
wo man sie kennt, dieselben nur verhältniCämäfsig wenigen
Personen zu Gebote stehen.
Der Umstand, dafs mir bei der Einrichtung unserer aus-
gedehnten Telegraphenlinie die Oberleitung dieser Angele-
genheit anvertraut ward, setzte mich in die Lage, einiges
zur Lösung der vorgenannten wichtigen Aufgabe unterneh-
men zu können, und ich glaube, im Interesse der Wissen-
schaft, diese Gelegenheif benutzen zu müssen.
Erlauben Sie nun, dafs ich Ihnen das, was ich hierin
unternommen habe, und zu welchen Resultaten es geführt,
in Kürze mittheile.
Bekanntlich genügt es zum Behufe einer telegraphischen
Correspondenz zwischen zwei Orten nur eine einzige Draht-
leituDg einzurichten und in jeder der beiden Endstationen
das Drahtende in die Erde zu versenken; denn der in ei-
ner Station erregte elektrische Strom gebt im t)rahte hin
und in der Erde wieder zurück, oder umgekehrt, und der-
selbe hat den Leitungswiderstand im Elektromotor, im
Drahte und in der Erde zu überwinden.
Sind aber zwischen zwei Stationen zwei Leitungsdrähte
gezogen, die an jeder Endstation mit ihren Enden leitend
verbunden sind, so dafs sie eine in sich selbst zurückkeh-
375
rende leitende Kette bilden, so kann der an irgend einer
Stelle dieser Kette erregte elektrische Strom in einem Drahte
hin, im anderen zurücklaufen, und er hat auf seinem Wege
aufser dem Widerstände des Elektromotors nur den des
Drahtes selbst zu ge^rältigen. Stehen einem aber beide
Einrichtungen zugleich zwischen denselben Stationen zu Ge-
bote, so kann man den in der Drahtleitung hinlaufenden
Strom eines coustanten Elektromotors einmal im Drahte,
ein anderes Mal in der Erde zurückkehren lassen. Wird
nan durch ein in die Drahtleitung eingeschaltetes geeigne-
tes Mefsinstrument in beiden Fällen die Stromstärke ge-
messen, so kann man, nach den bekannten Gesetzen der
Bewegung elektrischer Ströme, das Verhältnifs der Leitungs-
widerstände in einer Längeneinheit des Drahtes und des
zwischen beiden telegraphischen Stationen gelegenen Thei-
les des Erdkörpers numerisch bestimmen, und somit die
Aufgabe lösen, welche ich vorher angedeutet habe.
Ich habe mich, um dieses durchzuführen, eines Theiles
unserer nördlichen Telegraphenlinie bedient. Es geht näm-
lich vom Bahnhofe der Kaiser Ferdinands -Mordbahn eine
aus Kupferdraht von einer Wiener Linie Dicke bestehende
Leitung über Gänserndorf nach Brunn, Olmütz und Prag,
und eine zweite ebenfalls über Gänserndorf nach Prefsburg,
so, dafs demnach zwischen Wien und Gänserndorf zwei
Drahtleitungen gezogen sind. Ich schaltete in die Draht-
leitung, welche mit einem Ende in Wien, mit dem anderen
in Gänserndorf in die Erde versenkt ist, ein kleines Zink-
Platin -Element mit amalgamirter Zinkplatte und angesäuer-
tem Wasser und eine sehr empfindliche Sinusboussole ein,
und beobachtete unter den bekannten Vorsichten, nachdem
die Nadel der Boussole in Ruhe gekommen war, die Gröfse
des Ableitungswinkels.
Hierauf liefs ich sowohl in Wien als in Gänserndorf
die Drahtenden von ihrer Verbindung mit der Erde lösen
und dagegen mit dem von Wien nach Prefsburg führenden
Drahte leitend verbinden, jede andere Verbindung aber
aufbeben , und mafs abermals den Ableitungswinkel der
376
MagnetnadeL Bef drei hinter rinander angesteUten Yer-
Bachen erhielt ich nachstehende Ablenkungen:
I. Ver-
sach.
2. Ver-
such.
3. Ver- I Dorch-
sach. I schnitt
1. Als der Strom im Drahte hiD
and her ging.
n. Als der Strom im Drahte hin,
in der Erde sarüdi ging.
20*
33«
I
22*
32;»
! 31»
20» 30'
32» 10'
Bezeichnet man in I. die Gröfse des Ableitungswin-
kels mit Af den specifischen Leitungswiderstand in der
ganzen Kette mit R, die elektromotorische Kraft mit £,
ferner die gleichnamigen GrOfsen in IL mit a, r, e, so
hat man:
sina= — , 8iUil=-=^
r R
und weil £=e ist
sin.a
&in.^
R
Der Leitungswiderstand hängt bekanntlich bei gleicher
Temperatur ab von der Natur des Widerstand leisten-
den Stoffes, Ton der Länge des Weges, den der Strom
in demselben durchläuft, und von dem auf der Stromhch-
tung senkrechten Querschnitte des Leiters. Ist die Kette
sehr lang und der Widerstand im Elektromotor sehr gering,
wie dieses in den hier besprochenen Versuchen der Fall
war, so kann man vom Leitungswiderstand im Elektromo-
tor ganz absehen und den gesammten Widerstand als von
der Drahtleitung und respective von der Erde abhängig be-
trachten. Nennt man nun die Drahtlänge, welche der elek-
trische Strom zu durchlaufen hat, wenn er im Drahte hin-
und zurückgeht L, )eue welche er durchströmt, wenn er
blofs im Drahte hinfliefst, aber in der Erde zurückkehrt I,
ferner die Entfernung der zwei Stationen, welche zum Ver«
suche ausgewählt werden, in gerader Linie A, bezeichnet
endlich M eine vom specifischen Leitongszustand des Drah-
tes und von seinem Querschnitte bei der Länge = 1 ab-
577
bSngige GrOfse, m hingegen eine Sbniicbe für den vom elek-
trischen Strome durchflossenen Tbeil des ErdkOrpers, so
hat man:
R=ML, r=sMl+mi.;
daher
*'"« ^^ und endlich ^ = ^"'"^
staA Ml-i-mX fit LiinA — /sina*
Die von Wien nach Gänserndorf gezogene Drahtleitung
ist 16100 Kl. lang, ferner ist eine Spirale von einem 0,19 L.
dicken, 130 F. langen Kupferdraht eingeschaltet, die dem-
nach denselben Widerstand leistete wie 1 Linie dicker Kup-
ferdraht von 600 Kl. Länge. Es mufs demnach die ganze
Drahtleitung bezüglich ihres Leitungswiderstandes mit 16700®
L&nge angenommen werden. Man hat demnach
Z=16700; L= 167004- 16100=32800 Kl.
Die gerade Entfernung der Station im Nordbahnbofe
von der in Gänserndorf beträgt 14800 Kl. = ^. Wird daher
in der letztgenannten Formel
A=20^3& a=32«lÖ'
gesetzt, so erhält man
M 14800siii(32M0')
3,14.
m 32800 sin ( 20*' 30' ) — 1 6700 sin ( 32<> 10' ) '
Es ist demnach der Leitungswiderstand eines Kupfer-
drahtes von der Länge =1 und 1 Linie Dicke 3,14 mal
gröfser, als der eines gleich langen vom elektrischen Strome
durchflossenen Theiles des Erdkörpers von unbekanntem
Querschnitte.
Man wird mir einwenden; dafs der gefundene Zahlen-
werth wenigstens in seinen Bruchtheilen nicht genau sej,
weil die Ergebnisse der drei Versuche, deren Durchschnitts-
werth in Rechnung genommen wurde, um 1^^ von diesem
Durchschnitt abweichen, und ich erkenne diefs willig an;
zu meinem Zwecke würde aber selbst ein Resultat genü-
gend sejn, das noch weniger scharf wäre als das hier er-
haltene, weil ich nur darauf ausging, zu ersehen, ob denn
wirklich der Widerstand in der Erde 6o klein sejr, dafs er
378
gegen den im Metallleiter vernachlärsigt werden kann, wie
man hie und da behaupten hört; sodann wünschte ich, ei-
nen Widerspruch aufzuklären, der zwischen der elektrischen
Leitfähigkeit des Erdkörpers und jener seiner uns bekann-
ten Bestaudtheile besteht, und endlich wollte ich über den
Gang eines elektrischen Stromes im Innern der Erde einige
nähere Aufklärung gewinnen.
Das erhaltene numerische Resultat zeigt genfigend, dafs
der Leitungswiderstand in der Erde nicht gar so unbedeu-
tend sej, als man zu meinen scheint, und wiewohl ich
Grund zu haben glaube, annehmen zu dürfen, es werde
sich dieser Widerstand bei gröfserer Entfernung der Ver-
suchsstationen verhältnifsmäfsig kleiner darstellen, als er
hier gefunden worden, so bleibt er doch immerhin von ei-
ner Gröfse, die, dem Widerstände im Drahtleiter gegenüber,
nicht zu vernachlässigen ist.
Der Erdkörper, wenigstens der hier ins Spiel gekom-
mene Theil desselben, erscheint als ein Lefter, der, wenn
man nicht auf den Querschnitt des Stromkanals sieht, so-
gar einem gut leitenden Metall, dem Kupfer vorgeht.
Andererseits ist aber bekannt, dafs die Stoffe, aus wel-
chem die uns bekannte Erdrinde besteht, sehr unvollkom-
mene Leiter seyen und an Leitkraft von den Metallen weit
übertroffen werden; wir finden uns sogar bestimmt, anzu-
nehmen, dafs das Wasser der bestleitende Theil der Erd-
rinde sej (einzelne Metalladern können hier nicht in Rech-
nung kommen, da sie kein Continuum bilden) und wissen
doch, dafs destillirtes Wasser ein mehrere Millionenmal
schlechterer sey als Kupfer.
Es mufs also die Erde ihre elektrische Leitfähigkeit nicht
sowohl ier Beschaffenheit, als der Quantität ihrer Masse
und eigentlich der Gröfse des Querschnittes, den sie einem
Strom darbietet, verdanken.
Dieser Scblufs führt aber wieder zu einer anderen, wie
cft auf den ersten Blick scheint, mit dem bekannten Gesetz
der Bewegung der Elektricität nicht vereinbarlicben Unzu-
kömmlichkeit. Es ist nämlich der Querschnitt, den die Erde
379
einem in sie eindringenden Strome darbietet, so ungeheuer
grofs, dafs selbst, wenn ihre specifische Leitkraft sogar
kleiner als die des Wassers wäre, ihr Leitungswiderstand
gegen den der Metalldrähte völlig verschwinden müfste, was
aber der Entfernung entgegen ist.
Man kann daher nicht umhin anzunehmen, dafs sich ein
elektrischer Strom, der in die Erde eindringt, in derselben
nicht so ausbreite, wie dieses die Gröfse des Erdkörpers
nach dem gewöhnlichen Leitungsgesetze gestatten zu müs-
sen scheint, sondern dafs er sich auf einen, wenn auch
bedeutenden doch nur im Verhältnifs zur Gröfse des Erd-
körpers unbedeutenden Querschnitt beschränke.
Dieser Ansicht stehen auch die bekannten Leitungsge-
setze nicht entgegen. So wie nämlich ein elektrischer Strom
an irgend einer Stelle in den Erdkörper iibergeht, löset er
sich gleichsam in eine unendliche Anzahl divergirender Strom-
fäden auf, die sich bei der Annäherung an die Stelle, wo
die Elektricität die Erde verläfst, wieder in convergirendeu
Linien sammeln. Nun hat aber nur die Axe dieses Strom-
kegels, nicht aber der ganze Strom, den kürzesten Weg
zwischen der Ein- und Austrittsstelle eingeschlagen und es
fiberwieget die Weglänge der einzelnen Elementarströme
die Axe des Stromkegels um so mehr, in einem je gröfse-
ren Querschnitte sich der Strom ergossen hat. Diese Ver-
längerung des Weges hat aber eine Vergröfseruug des Lei-
tuugswiderstandes zur Folge und kann demnach nur so weit
gehen, bis sie der Erleichterung der elektrischen Strömung,
welche sich aus der Yergröfserung des Querschnittes ergiebt,
das Gleichgewicht hält.
Man könnte sogar die Gröfse des Querschnittes, dessen
Gränzen der Strom nicht überschreitet, berechnen, wenn
die specifische Leitkraft der Erde bekannt wäre. Nimmt
man diese Leitkraft gleich jener des mit Salpetersäure
versetzten Wasser an, so ergiebt sich das Verhältnifs der
Leilkraft der Erde zu jener eines Kupferdrahtes bei glei-
chen Querschnitten und gleicher Weglänge, wie folgt: Nach
Pouillet's Versuchen hat man:
380
Die specifiscbe Leitkraft des mit ^
Salpetersäure Tersetzten Wassers
verhält sich zu jener einer gesättig-
ten Kupfervitriollösung • . . .wie 150: 10,000
die einer gesättigten Kupfervitriollö-
sung zu jener des Platins . . . ,, 1 : 2,546680
die des Platins zu jener des Kupfers „ 22 : 100
daher die specifiscbe Leitkraft des an-
gesäuerten Wassers zu jener des
Kupfers wie 1:771,721212.
Da nun den hier besprochenen Versucbsrcsultaten zu
Folge die elektrische Leitkraft der Erde nicht nur kleiner,
als jene des Kupferdrahtes, sondern sogar 3,l4mal gröfser
ist, so mufs der mittlere Querschnitt des Stromkanals in
der Erde [ — mal gröfser seyn, als im kupfernen Lei-
ter, mithin 65111 Q. F., d. h. ein Quadrat von 255 F.
Seite, oder einen Kreis von 144 F. Radius ausmachen. Die
wirkliche Verbreitung des. Stromes wird, da er innerhalb
der Fläche eines Kegels liegt und nicht in einem prismatisch-
cjlindrischen Kanal fortgeht, bedeutend gröfser sejrn ').
Allen diesen Betrachtungen liegt die Annahme zu Grunde,
dafs es gestattet sej, sich einen elektrischen Strom wie
den einer körperlichen Flüssigkeit vorzustellen, er mag in
einer fortschreitenden Bewegung, oder in einer solchen fort-
bestehen, wo die bewegten Theile die Lage ihres Gleich-
gewichts nur wenig verlassen, und ich habe geglaubt, hier-
zu darum berechtigt zu sejn, weil die Aufgabe der Natur-
forschung nach meiner Ansicht überhaupt darin besteht,
Unbekanntes auf den Typus des Bekannten zurückzuführen.
I) Die Sclilufsroigerungen des geehrten Hrn. Verf. durften indefs wesent-
lich dadurch beeinträchtigt werden, dafs die Platten, mittelst welcher
der Strom durch die Erde geleitet wird, erfahrungsroärsig eine Polari-
sation erleiden. Diese Polarisation möchte wohl den Haupt- Antheil
haben an der Schwächung des Stroms beim Durchgang durch die Erde.
P.
381
VI. JVeitere Versuche Über den elektrischen
Leitungswiderstand der Erde;
con A. Baumgartner.
{Abs Jen. Sitcuogsberichten der K. Akademie der Wissenfchafien
SQ Wien, Jani 1849).
1.
iJie weitere Ausdehnung der Doppelleitung an unserer
Telegraphen -Linie hat mir Gelegenheit gegeben, die Ver-
suche tiber den elektrischen Leitungswiderstand des Erd-
körpers im VerhIlUnisse zu dem eines i W. L. dicken Kup-
ferdrahtes weiter auszudehnen und ich gebe mir hiermit die
Ehre, der Klasse vorzulegen, was ich hierin erfahren habe,
and zu welchen Schlüssen ich mich für berechtigt halte.
Bei meinen ersten Versuchen dieser Art stand mir nur
die vier Meilen lauge Doppelleitung zwischen Wien und
Gänserndorf zu Gebote; vor Kurzem ward aber diese Lei-
tong (Iber Gratz hinaus verlängert und mir dadurch, und
durch die freundliche Bereitwilligkeit des Hrn. Telegraphen-
directors Dr. GintI die Möglichkeit gegeben, den Leitungs-
widerstand der Erde auf der nahe 11 Meilen langen Linie
zwischen Wien und Gloggnitz und auf der in der Verlän-
gerung derselben liegenden 28 Meilen langen Strecke zwi-
schen Wien und Gratz zu untersuchen.
Ueber die Art und Weise, wie ich diese Versuche an-
stellte, brauche ich nichts mehr zu erwähnen, da ich mich
genau an die Versuchsmethode gehalten habe, welche icli
auf der Wien- Gänserndorfer Strecke angewendet und wor-
über ich der Klasse bereits Bericht erstattet habe; auch der
Messapparat für den elektrischen Strom war derselbe, den
ich bei den früheren Versuchen gebraucht habe. Der Elek-
tromotor, dessen ich bedurfte, mufste aber kräftiger seyn»
als bei meiner früheren Arbeit, weil es sich um viel gröfsere
Entfernungen handelte« Ich brauchte daher dieselbe Batterie,
welche für kürzere Strecken zum Behufe des Telegraphi-
rens in Anwendung steht.
1
382
•
Wie ich schon erwihnt habe, beziehen sich die Ver-
suche, von denen ich hier Bericht erstatte, auf die Wien-
Gloggnitzer and auf die Wien -Gratzer- Strecke. Die Länge
des Leitongsdrahtes auf der ersten Strecke ist 10,93 Meilen
oder 43720 Klafter, auf der zweiten 27,93 Meilen oder
111,720 K. Kl. Mit Einrechnnng des MedBapparates und
der Indicatoren mit ihren 0,19 Linien dicken Drähten* er-
hält mau:
FQr die Wien-Gloggnitzer Linie die Drahtlänge, in wel-
cher der Strom hingeht 46536 Kl., jene, in welcher er hin-
und wieder zurückgeht 96,904 Kl.
Ffir die Wien -Gratzer Linie hingeged ist die Draht-
länge, in welcher der Strom hinfliefst 11786 Kl., jene, in
welcher er hin- und wieder zurückgeht 242876 Kl.
Die gerade Linie zwischen Wien und Gloggnitz, mithin
der Weg, welchen die Axe des elektrischen Stroms in der
Erde durchfliefsen mufs, beträgt 35,120 Kl., jene zwischen
Wien und Gratz hingegen 74640 Kl.
Die Ablenkung der Magnetnadel, als der Strom im Kup-
ferdrahte von Wien nach Gloggnitz ging und in demselben
wieder zurückkehrte, war 20^, als aber der Strom im Drahte
hinflofs und in der Erde zurückkehrte, betrug sie 40^. Die-
selben Gröfsen waren bei dem Versuche auf der längeren
Strecke zwischen Wien und Gratz 9" und 16^^«
Mittelst dieser Werthe erhält mau nach der in meinoB
früheren Berichte (Maiheft) entwickelten Formel:
1) für die Wien-Gloggnitzer Strecke 6,98
2) für die Wien -Gratzer Strecke . 4,70.
Diese Gröfsen fibertreffen jene, welche ich für die Lei-
tungsfähigkeit einer Strecke ron der Länge =1 und einem
unbestimmten Querschnitte gegen die in einem gleich lan-
gen Kupferdrahte vom Durchmesser einer Wiener Linie
auf der Wien-Gänserndorfer Strecke gefunden habe, um
ein Bedeutendes, doch führen auch diese zu den Schlüssen,
die ich aus den früheren Versuchen über den innem Ver-
lauf der Fortpflanzung der Elektricität im ErdkOrper ziehen
zu können glaubte; ja die Verschiedenheit der nninerisdieD
383 ^
Werthe in verscbiedeneb Stationen, die viel gröfser ist als
dafs sie von Beobachtungsfehlern herrühren könnte, da der
Ablenkungswinkel bei wiederholten Beobachtungen immer
genau von derselben Gröfse erschien, deuten noch bestimm-
ter darauf hin, dafs sich ein elektrischer Strom nicht in der
ganzen Erdmasse vertheile, sondern auf einen verhältnifs-
mäfsig kleinen Theil derselben beschränkt bleibe.
VII. Enargit, ein neues Mineral aus der Ordnung
der Glänze.
I. Mineralogische Bestiinmung nebst Bemerkungen;
von August Breithaupt
Jtlr. Conrad, ein theoretisch und practisch gründlich
ausgebildeter Hüttenmann, ist zu Anfang dieses Jahres aus
Peru, wo er 'über 2 Jahre lang thätig war, mit reichen Er-
fahrungen und Beobachtungen mannigfacher Art nach Frei-
berg zurückgekehrt. Unter den von ihm mitgebrachten Mi-
neralien fand sich eins, welches ich sogleich für neu und
eigenthümlich erkannte. Hrn. Conrad zolle ich für die
erhaltenen Proben davon, welche die folgenden Beobach-
tungen gestatteten, hiermit meinen aufrichtigen Dank.
Dieses Mineral zeigt metallischen Glanz, zwar sehr leb-
haft, aber nicht ganz vollkommen, nur etwa so, wie der
frische Manganit auf den Spaltungsflächen.
Farbe, eisenschwarz, auf den basischen Flächen nicht
ganz so dunkel, als auf den prismatischen. Strich, schwarz.
Primärform: Brachjaxes rhombisches Pjramidoeder,
nach Dimensionen unvollständig bekannt. Primäres Prisma,
odP:=98" ir, noch genauer nach äem Mittel meiner Beob-
achtungen 98" 10|'. Da die Messungen an Spaltungsgestal-
ten so scharf waren, dafs für einen Fehler von weniger
384
als einer Minute eingestanden werden kann^ so verglich
ich den Winkel nach der Progressions -»Theorie , man sehe
Bd. I. S. 289 meines vollst Handb. d. Mineralogie , wor-
nach die Substanz hexagonomerisch genommen werden mubf
und siehe da, es ergab sich ein ungemein einfacher Ablei-
tungswerth. Es ist nämlich ein nach |> Makrodiagonale des
schematischen Prisma von 120° abgeleitetes Prisma ss
98« 10' 48", also xP des Enargits =^?^. — Die wo-
nigen Krjstallc, welche bis jetzt bekannt sind, zeigen OP;
ooPob; xP; ooPöb, und noch Spuren eines secundären
Prisma, vielleicht X) P2. Die Basis OP ist eben, od P vor-
herrschend, und aus der Coexistenz der verticalen Gestal-
ten erklärt sich die Längenkerbung der Krystalle. — In
den derben Massen grofs- bis grobkörnig zusammengesetzt^
mit Neigung zum stäuglichen. — SpaÜbarkeity primär-pris-
matisch y vollkommen; brachy diagonal und makrodiagoual,
ziemlich deutlich; basisch, undeutlich; primär -pjramido*
edrisch, in Spuren. Bruch, uneben.
Spröde, läfst sich deshalb leicht pulverisiren, leichter
als die meisten Glänze.
Härte =4, genau die des Kalkspaths.
Specifisches Gewicht =4,430 bis 4,445, nach drei Be-
stimmungen.
Die ungemein deutliche prismatische Spaltbarkeit ist der-
artig von keinem andern Gliede der Ordnung der Glänze
bekannt, und da sich die Spaltungs- Prismen mit dem Be-
flexions- Goniometer ebenso leicht als genau messen lassen,
so liegt hierin und in dem eigenthümlichen Winkel eine
so grofse Auszeichnung, dafs ich deshalb das Mineral mit
dem obigen Namen bdegte, nach iva^yi^g d. h. in die Au«
gen fallend y deutlich. Auch das niedrige specifische Ge-
wicht dient, im Vergleiche mit den ähnlichen Glänzen des
rhombischen Krjstallisations- Systems, mit zur bequemen
Erkennung.
Es kommt der Enargit in grofsen derben Massen vor,
worin
385
worin selten kleine Kryslall-Dmaen erscheinen, und er
bricht auf einem Gange in krjstalliniscbem Kalkstein. Der
Gang hat keine gleichmäfsige MSchtigkeit, besteht vielmehr
aus grofsen linsenförmigen Körpern, welche aber bis drei
Lachter mächtig werden. Solche sehr bedeutende Anbrüche
enthalten allermeist nur jenes Mineral und die beibrechen-
den anderen metallischen Mineralien sind Tennantit, Kup-
ferkies und Eisenkies. Von diesen dürfte der Tennantit,
welcher das specifische Gewicht 4,369 gab, noch am fre-
quentesten seyn, so, dafs er zum Kupferausbringen mit
beiträgt; er ist ferner noch dadurch merkwürdig, dafs er
in seinen Combinationeu ein neues skalenisches Ikositessa-
roeder zeigt, welches die Combinations- Kanten zwischen
D und ^ mit Parallelismus der neuen Combinations Kau-
ten abstumpft, welches ich au einem anderen Orte beschrei-
ben werde. Der Eisenkies, meist nur porphjrartig im Enar-
git inne liegend, ist im frischen Bruche von der schönsten
gelben Farbe, welche man von diesem Mineral kennt, rea-
girt aber auch im Glaskölbchen über der Spiritus -Flamme
sehr stark auf Arsen; sein specifisches Gewicht beträgt 4,988*
Aufser grünem und blauem Beschläge auf den Klüften des
ganzen Gemenges ist au den erhaltenen Stücken keine an-
dere Gangart zu sehen; jedoch giebt Hr. Conrad an, dafs
auf dem Gange ein graues bis schwarzes Mineral von musch-
ligem Bruche in Menge einbreche, welches Aehnlichkeit mit
Perlstein habe.
Man kann sich übrigens eine Vorstellung von der Fre-
quenz des Enargits machen, wenn man erwägt, dafs in ei-
nem einzigen Jahre aus den Ausbrüchen für ungefähr 90000
Thaler Schwarzkupfer mittels Flammöfen ausgeschmolzen
worden sind. Deshalb und weil ich günstige Gelegenheit
dazu habe, hoffe ich von dem neuen Minerale, so wie von
seinen Begleitern noch eine beträchtliche Menge zu bekom-
men. Der Euargit liefert übrigens den Beweis, dafs wir noch
lange nicht alle massenhaft vorkommenden metallisch nutz-
baren Mineralien kennen dürften. Der Gang, auf dem er
PoggeodorfTs Aooal. Bd. LXXX. 25
386
blickt, beifst 8. Frandseo, der Fundort ist Maroeoctm m
Bergwerks Distrikt JauKy fiber 14000 Fo(s hoch, anf dee
Cordilleren too Peru. In der Nähe werden noch andere
Gänge too ganz abweichender Mineralien -Zosammeosetxnng
getroffen.
Schon seit Jahren kenne ich ein Mineral von der Gmhe
Junge hohe Birke bei Freiberg in prismatisch spaltbaren
nadelförmigen Krjstallen, dem Elnargit täuschend ähnlich,
aber die hiesige bergakademische Sammlang besitzt davon
zu wenig» am antersncht werden zo können. Es begleitet
die Kapferblende and den Kupferkies, )ene steht aber be-
kanntlich dem Tenuantit sehr nahe, and diefs erhöht die
Wahrscheinlichkeit, dals jene Krjrställchen Enargit sejen.
Aach kommt auf derselben Grube Teunantit vor.
Hr. Conrad hatte fOr technische Zwecke den Ejnargit
chemisch ontersucht ond als Hauptbestandtheile Kupfer, Ar-
sen and Sdiwefel erkannt. Der Silbergehalt aber beschränkte
sich auf ein Paar Pfundtheile.
II. Chemische Cntersachnog des Enargit's voa Morococfca
in Peru; voo C. F. Plattaer.
OnalitatiTe Untersachoiig.
In einer an einem Ende zugeschmolzenen Glasröhre er-
hitzt, decrepitirt das Mineral ziemlich heftig und giebt schon
bei ganz schwacher Hitze ein Sublimat von Schwefel; bei
stärkerer Hitze schmilzt es, noch ehe es zum GlQhen kommt,
zur Kugel, and das Sublimat vermehrt sich durch Sdiwe-
felarsen, welches anter der Abkühlung eine blaCs gelbrotbe
Farbe annimmt.
In einer an beiden Enden offenen Glasröhre schwach
erhitzt, giebt das Pulver des Minerals schweflige Säuren,
welche letztere mit Antimonoxjd und antimonsaurem Ao-
timonoxyd gemengt ist.
Auf Kohle schmilzt das gepulverte Mineral unter Ab-
gabe von Schwefelarsen sehr laicht zur Kugel, wobei sich
schwache Beschläge von arseniger Säure, Antimonoxjd uod
387
Ziukoxyd bilden. Wird die . zarückbleibende Kugel gepul-
vert und das Palver auf Kohle abgerostet, so erhält man
ein schwarzes glanzloses Oxjd, welches mit Borax auf
Platindraht geprüft nur auf Kupfer reagirt; wird aber die
Glasperle fast übersättigt und hierauf auf Kohle so lange
im Reductiousfeuer behandelt, bis das Kupfer metallisch
ausgefällt ist, so bleibt ein geringer Gehalt an Eisen zu-
rück, der sich durch die grünliche Farbe des mit der Re*
dactionsflamme behandelten Boraxglases sowohl, als auch
dadurch zu erkennen giebt, dafs die Glasperle, wenn sie
auf Platindraht im Oxydationsfeuer umgeschmolzen wird,
eine gelbe Farbe annimmt.
Aetzkali zieht aus dem fein gepulverten Minerale Schwe«
felarsen und Schwefelantimon aus, welche durch Zusatz
einer Säure mit citrongelber, ins Orange geneigter Farbe
ausgefällt werden.
Das Mineral besteht demnach hauptsächlich aus Schwe-
felkupfer und Schwefelarsen mit geringen Mengen von Schwe-
feleiscn, Schwefelziuk und Schwefelantimon.
Quantitative Bestimmung der einzelnen Bestendtbeile.
2,108 Grm. des feingepülverten , völlig trocknen Mine-
rals wurden durch Chlorgas zerlegt.
Nach Entfernung des freien Chlors aus der, die flüch-
tigen Chloride enthaltenden, Flüssigkeit wurde zunächst die
geringe Menge freien Schwefels auf einem gewogenen Fil-
tmm gesammelt und aus der Flüssigkeit die Schwefelsäure
durch eine Auflösung von Chlorbaryum ausgeschieden; auch
wurde der erhaltene schwefelsaure Baryt nach dem Trock-
nen und Glühen nochmals mit Chlorwasserstoffsänre be-
handelt und abermals geglüht. Aus dem Gewicht des
schwefelsauren Baryts und des freien Schwefels ergab sich
für das Mineral ein Gehalt von 32,180 Proc Schwefel. Da
dieser Schwefelgehalt ungewöhnlich hoch erschien, so wurde
' noch eine andere Mengq des Minerals zur Controle auf
ihren Gehalt an Schwefel untersucht und zwar durch Be-
handlung mit Salpetersäure und cblorsaurem Kali in der
25*
388
Wärme, und Aasfidlang der gebildeten Scbwefelsäore und
Chlorbaijum etc. Dabei stellte sich ein Gebält von 32,265
Procent Schwefel heraus, so dafs also in dem Minerale
durchsdinittlich 32,222 Procent Schwefel angenonmien wer-
den können.
Nachdem der znr Auflösung der flüchtigen Chloride im
geringen UeberschuEs zugesetzte Barjt durch verdönnte
Schwefelsäure entfernt worden war, wurden Arsen und
Antimon durch Schwefelwasserstoffgas ausgeschieden. Die
geßUtcn Schwefelmetalle wurden, nach Ausscheidung der
noch aufgelösten Theile in der Wärme, auf einem gewo-
genen Filtrum gesammelt, vollständig ausgewaschen und
anfangs bei niedriger, später aber bei einer Temperatur
von 120'^ C. getrocknet. Nach erfolgter Gewichtsbestim-
mung wurde ein Theil dieser Schwefelmetalle auf ihren
Gehalt an Schwefel wie gewöhnlich, und ein anderer auf
den Gehalt an Antimon durch Behandlung mit W^asser-
stoffgas in einer Kugelröhre untersucht, wobei sich ergab,
dafs das Mineral 17,599 Proc Arsen und 1,633 Proc An-
timon hält.
Die von den Schwefelmetallen des Arsens und Anti-
mons abfiltrirte Flüssigkeit wurde durch langsames Abdam-
pfen bedeutend vermindert und einstweilen bei Seite ge-
stellt.
Die bei der Behandlung des Minerals mit Chlorgas in
der Kugelröhre zurückgebliebenen, nicht flüchtigen Chlor-
metalle wurden in Wasser gelöst, dem ein wenig Chlor-
wasserstoffiBäure zugesetzt worden war. Aus dieser Auf-
lösung, welche sich, bis anf Spuren von Chlorsilber, frei
von unauflöslichen Theilen zeigte, wurde das Kupfer durch
Schwefelwasserstoffgas als Schwefelkupfer ausgefällt. Zur
Ueberzeugung, ob dasselbe vollkommen frei von Blei 3ej
wurde seine Auflösung, nach Zusatz von Schwefelsäure, zur
Trocknifs abgedampft. Da sich hierauf die trockne Salz-
masse aber vollständig in Wasser auflöste, woraus hervor-
ging, dafs ein . Gehalt an Blei nicht vorhanden war, so
wurde das in Auflösung befindliche Kupfer durch eine Anf-
389
lOsuDg TOD Aetzkali ansgeföllt. Aas dem Gewicht dep ge-
glühten Oxjdes wurde der Betrag an metallischen Kupfer
berechnet und derselbe zu 47,205 Proc. gefunden.
Die vom Schwefelkupfer abfiltrirte Flüssigkeit wurde
80 lange erwärmt, bis der Geruch nach Schwefelwasser-
stoffgas verschwunden war; hierauf wurde sie, nachdem
auch die sich ausgeschiedenen Schwefeltheilchen durch Fil-
tration entfernt waren, mit der zur Seite gestellten Flüs-
sigkeit, aus welcher die flüchtigen Chloride geschieden wor-
den waren, vereinigt und ziemlich weit abgedampft. Die
saure Flüssigkeit, welche auch Wcinsteins&ure enthielt,
wurde mit Ammoniak im geringen Ueberschufs, und hier-
auf mit Ammoniumsulfhydrat versetzt; es entstand ein Nie-
derschlag von Schwefeleisen mit Schwefelzink, welcher auf
bekannte Weise zerlegt, 0,565 Proc. Eisen und 0,228 Proc.
Zink lieferte.
Eine besondere Probe auf Silber vor dem Löthrohre
wies auch noch einen Gehalt von 0,017 Proc. Silber nach.
Das Mineral besteht demnach in 100 Gewichtsthei-
len aus:
Schwefel 32,222 Theilen
Arsen 17,599
Antimon 1,613
Kupfer 47,205
Eisen 0,565
Zink 0,228
Silber 0,017
99,449.
Diese Bestandtheile beweisen, dafs der Enargit hauptsäch-
lich aus einer Verbindung von Schwefelkupfer und Schwe-
felarsen besteht, dafs aber ein Theil des Kupfers durch
Eisen, Zink und Silber, und ein Theil des Arsens durch
Antimon ersetzt ist.
Sucht man durch Berechnung auf, wie sich die Anzahl
der Atome von den aufgefundenen Bestandtheilen, mit
Ausschlufs der höchst geringen Menge Von Silber, tn ein-
ander verhalten, so findet man folgendes VerhSltnifs:
390
S As Sb Ca Fe Zn
* 1605 : 185 : 10 1193 : 16 : 5, oder
1605 : 197 : ' liXlToder sehr nahe
8: 1 : 6.
Ninmit man an, daCs das Kupfer als Schwefelkapfer
mit Dreifach- Seh wefelarsen verbunden sey, wie diefs z.B.
beim Tennantit der Fall ist, welchem Mineral der Enar*
git in Bezug auf seine Bestandtheile am nächsten steht, so
stellt sich f wenn man die geringen Mengen von Antimon,
Eisen und Zink als substituirende Bestandtheile betrach-
tety die Formel Cu^As+Cu^As heraus, welche voraus-
setzt, dafs 8 Atome Einfach -Schwefelkupfer mit 1 Atome
Dreifach -Schwefelarsen, und 2 Atome Halbschwefelkupfer
mit 1 Atome Dreifach- Sdiwefelarsen verbunden seyen; al-
lein eine solche Zusammensetzung ist wohl schwerlich an-
zunehmen.
Ganz anders gestaltet sich die Formel, wenn man an-
nimmt, dafs das Kupfer als Halbschwefelkupfer mit Fönf*
fach -Schwefelarsen verbunden sey. Berücksichtigt man,
mit Ausnahme der sehr geringen Menge von Silber, alle
übrigen Bestandtheile des Minerals, so ergiebt sich die
Formel (€u, Fe, Zn)^ (As, Sb); und betrachtet man die
ttt
geringen Mengen' von Fe, Zn und Sb als Stellvertreter der
au den Hauptbestandtheilen fehlenden Mengen, so stellt
sich die sehr einfache Formel Cu^As (in früherer Formu-
lirung €u^As) heraus, welche andeutet, dafs das Mineral
als drittelsaures Fünffachschwefelarscn-Halbschwefelknpfer
zu betrachten sej und folgende Zusammensetzung voraus-
setze :
Schwefel 8 Atome = 1606,00 = 32,641
Arsen 1 „ = 940,08=19,106
Kupfer 6 „ =2374,14 = 48,253
4920,22 100.
Da nun bisjetzt, aufser dem Xanthokon, weiter kein Mi-
neral bekannt gewesen ist, in welchem eine Verbindung
eines basischen Schwefelmetalles mit Fünffach-Schwefelarsen
391
Ulfe atig^omiDfeD werden ktonen , indeiu die andern we-
nigen natörlicb vorkommenden Scbwefelarsenmetalle aus
Verbindungen von basischen Schwefelmetallen und Drei-
fM^- Schwefelarsen bestehen ^ auch da, wo Schwefelkupfer
als basisches Sthwefelmetall auftritt, sich dasselbe ebenfalls
nur als Halb-Scbwefelkupfer in der Verbindung befindet,
so dürfte der Enargit einen Beweis liefern; dafs in der
Natur nicht nur Fünffach -Schwefelarsenmetalle überhaupt
vorkommen können, sondern dafs auch das Halb-Scbwe-
felkupfer geneigt sey, sich mit Fünffach -Schwefelarsen zu
einem Schitefclsalz zu verbinden, worüber bis jetzt noch
zu wenig Erfahrungen gemacht worden sind.
VIIl. Carminspath, ein neues Mineral aus der
Ordnung der Arseniate; von F. Sandberger.
i^eit längerer Zeit war mir an Stücken des Würfelerz-
(Beudantit-) Vorkommens von Horhausen im Sayn'schen
ein rothes Mineral aufgefallen, ohne dafs ich aber wegen
der aufserordentlich geringen Mengen, die mir davon zu
Gebote standen, genauere Untersuchungen damit hätte vor-
nehmen können. Endlich fand ich es in dem meiner Lei-
tung anvertrauten naturhistorischen Museum zu Wiesbaden
an zwei, früher von Hrn. Erbreich erkauften Stufen in
hinreichender Quantität, um dessen Hauptcharakter festzu*
stellen, welche ich hier mittheile.
Krystallform nicht deutlich erkennbar, wahrscheinlich
rhombisch. Feine Nadeln zu Büscheln vereinigt, traubige
und kugelige Aggregate von strahliger Textur.
Blätterdurchgang anscheinend parallel den Flächen einer
rhombischen Säule.
Glasglam auf den Spaltungsflächen in Perlmütterglanz
übergehend. Stark durchscheiul^nd.
392
Fatbe canniiirotli ins Ziegelroflie, Ptalver rOtblidigelb.
Spröde« HSrte zwischen Steinsalz and Kalkspath, %b.
Vor dem LOthrohre auf Kohle f&r sich nnter starker
Eotwickelang von Arseuikdämpfen sehr leidit za einer staht
graoeu Schlacke sdimelzend. Mit Soda erhält mao Blei-
kdrner, die fioraxperle zeigt starke FSrbung durch Eisen.
Im Kölbchen Hber der Spiritoslampe geglQht, veränderte sich
die Substanz selbst im stärksten Feuer nicht.
In concentrirter Salzsäure beim Erwärmen sehr leicht
löslich zu einer goldgelben FlQssigkeit, in welcher Gold-
chlorid keine Abscheidong von metallischem Golde bewirkt;
in Salpetersäure löslich. Durch Aetzkalilösung wird Arse-
niksäure ausgezogen.
Da sich andere Bestandtheile weder vor dem Löthrohre,
noch auf nassem Wege ermitteln liefsen, so besteht das
Mineral aus wasserfreiem arseniksauren Bleioxjd- Elisen-
öxjd, über deren quantitatives Verhältnifs eine Analyse
entscheiden wird, wenn sich dazu hinreichendes Material
findet.
Das Mineral sitzt auf Quarz, Brauneisenstein oder WQr-
felerz auf und wird begleitet von nadel- und haarförmigem
Pyrolusit, wasserhellem arseniksaurem Bleioxjd und einer
gelben erdigen Substanz, welche noch näherer Dntersochung
bedarf.
Von dem arseniksauren Bleioxyd, welches ich zuerst
in der Combination od D. D. auffand, habe ich an einem an-
deren Orte^} bereits Mittheilung gemacht. Seitdem ist mir
auch die Form oc Z>. D. 0Z> an demselben vorgekommen, und
hinsichtlich seiner Entstehung sehr wahrscheinlich geworden,
dafs der metallglänzeude Kern, welche die erwähnte gelbe
Substanz zuweilen umhüllt, ein Geokronit-ähnliches Schwe-
felmetall seyn möge, welches den Blei- und Arsenikgehalt
zur Bildung der hier vorkommenden Mineralien hergegeben
haben würde.
1 ) VerhaDdlungen des naturhistorischen Vereins ftir die preufsischen Rhein-
laode 1849. S. 60.
393
IX. Untersuchung einiger Mineralien;
con Dr. C. Bergemann.
h Ueber den Dechenit (vanadinsaures Bleiozjd).
H
r. Dr. Krantz fand bei Nieder-Schlettenbach ein Mi*
neral auf, welches in seinem Aeufseren schon sich wesent-
lich von allen bekannten unterscheidet. Es besitzt an ei-
nem vorliegengen ausgezeichneten Exemplare von krystal-
linischer Beschaffenheit, die meiste Aehnlichkeit mit dem
sibirischen Bothbleierze. Bei den vorgenommenen LOth-
rohrversuchen gab sich die Gegenwart des Bleis auch zu
erkennen, jedoch bei der späteren Untersuchung fand ich
dieses mit Yanadinsäure allein verbunden. Für dieses
neue Mineral erlaube ich mir den Namen Dechenit, nach
dem um die Wissenschaft hochverdienten Berghauptmann
von Dechen, in Vorschlag zu bringen. Ueber das Vor-
kommen des Erzes theilt Dr. Krantz folgende Anga-
ben mit:
„Im Lauterthale in Bheinbaiern, 2 Stunden oberhalb
der französischen GrSnze (Weifsenburg), bei Nieder-Schlet-
tenbach, werden seit längerer Zeit schon Gruben betrieben,
welche Lager, in hier sehr verbreitetem buntem Sandstein,
von Braun- und Thoneisenstein für den Hüttenbetrieb in
Sfdiönau abbauen. In der Nähe davon und zwar auf der
Höhe des etwa 500 Fufs ansteigenden rechten Ufers, ent-
deckte man im vorigen Jahren schmale Trümmer von Blei-
glanz zu Tage ausgehend, die einen im Mittel 3 Fufs brei-
ten Gang sparsam durchsetzten; der Gang selbst bestand
zum gröfsten Theile aus einer Breccie von Nebengestein,
(buntem Sandstein), der Letten und Thon von röthlicher und
weifslicher Farbe zum Bindemittel diente. Einzelne Theile
des Sandsteins bekunden durch ihre specifische Schwere,
dafs sie mehr oder weniger mit metallischen Theilen erfüll^
sind ; sie haben meist eine weifse Farbe und enthalten koh-
394
iensaiires und phoephorsaures Blei. Auf dem Gang wurde
bereits ein 3 Lachter tiefer Schacht abgeteuft und auf der
halbeu Höhe des Thalgehänges ein gegenwärtig 30 Lachter
herumgehender Stollen aufgefahren, der aber noch 250 Lach-
ter fortgeführt werden mufs, wenn er den Schacht erreichen
soll. Das Erz selbst ist keineswegs in der Menge vorhan-
den, dafs die Kosten des Abbaues herauskommen möch-
ten, wenngleich das Gestein so mürbe ist, dafs 29 von ded
30 Laditer mit der Hand gelöst werden konnten und Zim*
merei und Mauerei noch nirgends 'nöthig wurde. Das Strei-
chen des Ganges ist Stunde 6, sein Einfallen fast seigen
Auf dem gegenüber liegenden Ufer der Höhe des Erleba-
cher Berges ist derselbe Gang bis zu 2 Lachter aufgeschürft
worden und hier fanden sich im röthlichen Letten, welcher
die Bleierde haltenden Sandsteinparthien einschlofs^ die
schmalen Trümmer der Dechenits, welche sich zuweilen zu
kleinen Drusen erweitern, die aber selten einen Durchmes-
ser von 1 bis ^' erreichen. Das Auftreten ist aber auch hier
gleich dem. ihm am nächsten stehenden Vorkommnissen bei
Wanlockhead,. Beresowsk und Zimapan so äufserst spar-
sam, dafs ich im Juni 1850 den Fundort nur mit sehr ge-
ringer Ausbeute verliefs".
Das Mineral bildet meistentheils kleine traubenförmige
Anhäufungen von krystaliinischer Beschaffenheit, die zu
grofsen und dichten Massen innig vereinigt sind, und be-
sitzt in diesem Falle eine meist reine, dunkelrothe Farbe.
Es findet sich ferner in dünnen und oft gebogenen Lagen,
gleichsam Schalen, oder auch förmliche Höhlungen und den
Ueberzug verwitterter Massen bildend. In diesem Falle
stellen die einzelnen Lagen eine innige Vereinigung kleiner,
warzenförmiger Körper dar, die den Charakter einer Um-
setzung schon an sich tragen. Einzelne Körnchen in die-
sem Vorkommen erinnern an das Vanadinblei von Zimapan,
oder au die kleinen Kügelchen, in welchen ein ähnliches
Mineral zu Wanlokhead als eine Seltenheit früher gefunden
wurde. Einschlüsse von Grünbleierz oder andereii Erzen
habe ich an. den grölseren krystallinischeu Stücken nirgends
395
bemerken kOnneoj aD den dfionen Lagen dagegen and in
den Höhlungen zeigen sich durch die Lupe zuweilen gelb-
lichgrüne Punkte, welche Tielieicht auf ein Zersetzungspro-
duct deuten dürften. Bei einem schönen gröfseren Exem-
plar von durchweg homogener Beschaffenheit waren die
traubenlörmigen Gestalten so länglich, fast pyramidenför-
mig gezogen, dafs sie bei oberflächlicher Betrachtung aus-
gebildeten Krystallen glichen, jedoch bei genauerer Un-
tersuchung verschwanden diese und bildeten eine Anhäufung
▼on krjstallinischen Theilen, deren Oberfläche gleichsam
wie angefressen erschien. Ein bestimmter Blätterdurchgang,
der einem Rhomboeder zu entsprechen scheint, ist an grö-
fseren Stücken unverkennbar , jedoch eine nähere Bestim-
mung wage ich nicht auszusprechen, zweifle übrigens nicht,
dafs durch die Bemühungen des Hrn. Dr. Krantz mefsbare
Krystalle werden aufgefunden werden.
Die Farbe des Minerals ist bei den krjstallinischen
Stücken ein dunkles Roth, an den durch warzenförmige Kör-
perchen gebildeten Lagen und in deren Höblungen dagegen
mehr gelblich; im Strich erscheint es immer gelblich. Die
Gegenwart von Eisen hat auf die rothe Farbe des Mine-
rals keinen Einflufs, denn dieselbe zeigt sich auch vollkom-
men gleichförmig im frischen Bruche; auch in den Auflö-
sungen des reinen Dechenits war kein Eisen zu entdecken.
Uebrigens ist das Mineral von einem sehr eisenschüssigen,
dunkelrotheu Thon ganz umgeben, der sich jedoch durch
Behandlung mit Wasser vollständig entfernen läfst. Bei
der rothen Farbe besitzt der Dechenit D'urchscheinenheit
und im frischen Bruche Fettgianz; das specifische Gewicht
beträgt 5,81, die Härte ist die des Grünbleierzes oder
kaum =4.
Für sich in der Pincette erhitzt, schmilzt esjeicht zu
einem gelblichen Glase; ebenso verhält es sich beim Er-
hitzen in einer Glasröhre, ohne dabei Wasser oder einen
Beschlag zu erkennen zu geben.
Vor dem Lölhrohre auf der Kohle decrepitirt es nicht
wie die bekannten Vanadinerze; es schmilzt leicht zur gelb-
396
lichgrfiQen Perle, indem sich Bleikörnchen und ein Beschlag
unter den gewöhnlichen Erscheinungen absetzen. An meh-
ren Proben nahm ich dabei zuweilen einen nicht anbe-
deutenden Arsenikgeruch wahr; bei anderen dagegen fehlte
er 9 90 namentlich bei den reineren, durchscheinenderen
Bruchstücken. Arsenikverbindungen sind daher wohl nicht
als wesentliche Bestandstheile des Minerals zu betrachten,
wenn dasselbe auch häufig von diesen begleitet wird. Pbos-
phorsäure war weder durch das Löthrohr, noch in den Auf-
lösungen, selbst bei Anwendung des moljbdänsauren Am-
moniaks, zu entdecken. Phosphorsalz und Borax zeigten
bei dem Zusammenschmelzen nur die Ersdieinungen, welche
die Gegenwart der Vanadinsäure charakterisiren, die durdi
den reducirenden Theil der Flamme hervorgebrachten grfi-
nen Gläser werden durch den äufseren Theil gelb und bei
der Benutzung von wenig Masse fast farblos. Soda liefert
einen weifsen Email, in dem sich Bleikörnchen zeigen.
In den mit Sorgfalt ausgewählten BruchsfOcken sowohl
der rothen, wie der gelblichrothen Modificationen des Mi*
nerals ergab die qualitative Analyse nur Bleioxyd und Ya*
nadinsäure. Phosphorsäure fand ich durch molybdänsaures
Ammoniak nur in einem kleinen Brfichstflcke von gelber
Farbe, worin zugleich viel Eisen- und Thonerde enthalten
war; in den reineren Exemplaren war sie nicht vorhanden.
Chlor zeigte sich nirgends in der geringsten Menge. Dtirck
diese Zusammensetzung ist das Mineral ganz von der des
Vanadinbleies von Zimapan, welches nach Berzelias')
■ • • • •
PbVPbCi+Pb darstellt, verschieden und ebenso dfirf-
ten die Massen, welche Damour^) und Thomson')
untersucht haben, nur Gemenge dieser Verbindung von
Chlorblei und vanadiusaurem Bleioxyd mit den anderen vod
1) S. dessen ADwendang des Löthrohrs S. 225. — Hier beschreibt Ber-
/.elius das Verhallen eines vanadinsauren Bleioxjds von Metlork, über
welches ich andere Mittheilungen nicht finden konnte, dessen Verhalten
aber ganz von dem oben angegebenen abweicht.
2) y4nn. des Mines 3^»« Ser, XL 161.
3) OutUne* o/min. L 574; Schweigger's Joum. LXIU. 119.
397
ihnen aufgeftindenen Stoffen, Kapferoxyd, Zinkoxyd a. s. w.
seyn. Vielleicht stimmt dasselbe aber mit dem fiberein, wel-
ches 6. Rose ') bei .Gelegenheit der Beschreibung eines
Yanadinerzes von Beresowsk erwähnt, in welchem Berze-
lias ein zweifach TanadiDsaures Bleioxjd vermuthet. Wenn
an dem sibirischen Erze Grünbleierz eine Umsetzung er-
litten hat, so dürfte hier vielleicht Arsenikbleispath an der
Bildung grofsen Antheil gehabt haben ' ).
Der Dechenit wird von verdQnnter Salpetersäure leicht
gelöst; Chlorwasserstoffsäure zersetzt ihn uuter Abscheidung
von Chlorblei, indem die dartiber stehende FlQssigkeit sich
grISn und bei Verdünnung mit Wasser sich bräunlich färbt.
Schwefelsäure zerlegt ihn ebenfalls, indem sich schwefelsau-
res Bleioxjd abscheidet. Durch Kochen mit Kali wird er
fast gar nicht angegriffen. Durch die quantitative Bestim-
mung des Bleis würde die Zusammensetzung des Minerals
gegeben sej^n, da es aber mein Wunsch war, in diesem
neaen Erze die Menge der Säure nicht allein durch Rech-
nung zu finden, sondern dieselbe wirklich abzuscheiden, so
versuchte ich das Blei aus der verdünnten salpetersauren
Auflösung durch Schwefelammonium zu fällen und durch
längeres Digeriren mit einem Ueberschufs von diesem die
Vanadinsäure wieder aufzulösen. Ich fand jedoch, dafs eine
vollständige Trennung dadurch nicht möglich war, selbst
wenn das Aussüfswasser stets mit einer gröfseren Menge des
vollkommen gesättigten Schwefelammoniums versetzt wurde.
Ans diesem Grunde zog ich es vor, aus einer salpetersau-
ren Auflösung das Blei durch Schwefelsäure zu fällen, das
Ganze längere Zeit zu digeriren, darauf Weingeist dem*
selben beizugeben und nun zu filtriren. Das so erhaltene
1) Poggend. Ann. Bd. 29, S. 455.
2) Mit dem eisenschüssigen Thon, welcher das Mineral umgiebt, stellte
ich ebenfalls einige Versache an und fand darin die Hauplbeslandlheile
desselben gemengt mit ein wenig einer Arsenik Verbindung, Blcioiyd und
Vanadinsaure, offenbar Zersetzungsproducte dieses und anderer im Gange
▼orkommender Erze. Phosphorsäure enthielt der Thon ebenso wenig
wie Chlorverbindungen.
398
schwefelsaure Bkioxyd war selbst nach starkem Elrhitxen
▼OD blendendweifser Farbe und alle Versuche, welche mit
ihm vorgeuommen wurden , zeigten, dafs es frei von Va-
nadinsänre war. Wird jedoch der Niederschlag nicht mit
der, freie Schwefelsäure enthaltenden, Flüssigkeit anhaltend
digerirt, so kann dadurch, wie Berzelius schon angiebt,
die Vanadiusäure nicht vollständig von Blei und nicht ein-
mal vom Baryt getrennt werden ' ). Da nach der Angabe
von Berzelius^) die Schwefelsäure vollständig von der
Vanadiusäure durch Verflüchtigung zu trennen seyn soll, so
glaubte ich durch Eindampfen sämmtlicher nach der Tren-
nung des schwefelsauren Bleioxydes erhaltenen Flüssigkei-
ten einen Rückstand zu bekommen, der, nach stärkerem
Erhitzen, nur aus Vanadiusäure bestehen müsse , welche
sich bei dem Eindampfen aus den durch die Einwirkung
des Weingeistes entstandenen niederen Oxjdationsstufen,
nach Zusatz einiger Tropfen Salpetersäure, wieder gebildet
hatte. Der so erhaltene Rückstand hatte auch bei zwei
Versuchen ganz das Ansehen der reinen Säure, jedoch
erhielt ich bei der Berechnung der Resultate der Ana-
lyse einen Ueberschufs. Bei der näheren Untersuchung
der abgeschiedenen Vanadinsäure fand sich aber, dafs die-
selbe noch Schwefelsäure enthielt, welche also aus der von
Berzelius beschriebenen Verbindung der beiden Säuren
selbst durch Glühhitze nicht vollständig zu entfernen ist
Sie mufste daher durch ein wenig Salpetersäuren Barjt
geschieden werden. Die Gewichtsmenge der Schwefelsäure
in dem schwefelsauren Baryt wurde von der zuerst erhai-
tenen Vanadinsäure abgezogen, wodurch also die Menge
der reinen Säure gegeben war. Um den überschüssig Inn-
zugesetzlen Baryt wieder zu trennen, wurde die concen-
trirte Flüssigkeit mit ein wenig Ammoniak und kohlensau-
rem Ammoniak versetzt und die sich abscheidenden weni-
gen Flocken von kohlensaurem Baryt abfiltrirt. Die Flüs-
sigkeit wurde zur Trockne verdampft und die nach starkem
1) S. d. Ann. Bd. 22, S. 61.
2 ) Ebend. S. 18.
399
ErUtzeD hhiterbleibende Vanadinsäure durch das Gewicht
bestiDiiiity wobei sich eine Uebereinstimmung mit dem durch
Berechnung erhaltenen Resultat, nach Abzug der Gewichts«
menge' der Schwefelsäure, fand.
Bei einer Analyse trennte ich die zurückgehaltenen Theile
▼on Schwefelsäure in Verbindung von Vanadinsäure und
jener dadurch, dafs ich die Masse mit einigen Tropfen Am-
moniak digerirte, wiederum eindampfte und stark erhitzte,
worauf nur Vanadinsäure hinterblieb ' )
I.
Das dunkelrothe, durchscheinende und krystallinische
Mineral zeigte folgende Zusammensetzung :
1.
a. 1,005 Grm. Mineral lieferten 0,723 Grm. schwefel-
saures Bleioxyd oder 0,538 Grm. Bleioxyd;
b. an Vanadinsänre 0,474 Grm.
2.
a. 1,772 Grm. Mineral lieferten 1,294 Grm. schwefel-
saures Bleioxyd, enthaltend 0,9518 Grm, Bleioxyd;
b. an Vanadinsäure 0,816 Grm; oder
1. 2.
Bleioxyd 52,915 Proc. 53,717 Proc.
Vanadinsänre 47,164 - 46,101 -
100,079 Proc. 99^818 Proc.
1 ) Die Bestimmung d«r Yanadinsanre als solche schien mir, wenn die Er- .
lutzung derselben mit Vorsicht vorgenommen wurde, ein genügenderes
Resultat zu geben, als wenn die Menge der Säure, welche so leicht zu
reduciren ist, aus der des Oxydhjdrates bestimmt wurde. Bei einem
Versuche, beim Glühen der Säure mit ein wenig Salmiak, erhielt ich
einen ans Oxjd und Saboxjd bestehenden RficktAud. Derselbe bildet
aich zuweilen auch wenn Vanadinaänre durch viel Oxalsäure, Zucker
u. dgl. reduclrt und die Auflösung mit einem Ueberschufs von reinen
oder kohlensauren Alkalien behandelt wird. Beim Sieden färbt sich die
braune Flüssigkeit zuweilen plötzlich durch Bildung eines Niederschlages
schwarz, welcher ebenfalls ein solches Gemenge darstelk, und, abliltrirt,
ausgesufst und getrocknet, einen halbmetallischen Glanz zeigt.
400
Nach diesen Resolfaten wörde das Saaentoffrerbdlails
in Basis und Sinre bst seyn wie 1 zS, und der Berecfcnnng
nach ist die ZosammenseCzung des Blinerals:
1 M. Bleioxyd 1394,50 = 54,67
1 - Vanadinsaare 1155,84 = 45,33
2550,34 = 100,00,
wonach es also ein neutrales vanadinsanres Bleioxyd PbV
bilden würde.
U.
Die Untersuchnng der in kleinen warzenförmigen, zer-
fressenen Körnchen yorfcommenden Abänderung des Mine-
rals von mehr ins Gelbliche gehender Farbe gab folgai-
des Resultat:
a. 1,104 Grm. lieferten 0,757 Grm. schwefekaures Blei-
oxyd oder 0,5583 Bleioxyd;
b. an Vanadinsäure 0,546 Grm. oder
Bleioxyd 50,57 Proc.
Vanadinsäure 49,27 -
99,84.
II. Gelbbleierz ans der Grabe Aznlaqaes bei la Bianca
(Zacatecas).
Ueber das Vorkommen dieses Bleierzes, so wie der Blei-
Terbindung, welche Gegenstand der folgenden Untersuchung
ist, finden sich vollständige Mittheilungen in Burkart's
Reisen in Mexiko Bd. II. S. 167.
Das Material zur Analyse, welches ich der Güte des
Hrn. Verfassers verdanke, bildet die dort beschriebenen,
tafelförmigen, fast durchsichtigen Krystaile von lichtgelber
Farbe mit so ausgezeichnetem Glänze.
Dieselben decrepitiren bei dem Erhitzen in einem Glal^
röhre stark, ohne zu schmelzen; vor dem Löfhrohre auf
der Kohle geben sie Bleikörner und Bleibeschlag; beim
Zusammenschmelzen derselben mit Soda wurde kein frOnes
Glas gebildet, sondern nur Blei metallisch abgeschieden;
auch Borax und Phosphorsalz zeigten das gewöhnliche Ver«
halten.
Die
401
Die qualitative Analyse zeigte in diesem Gelbbleierz
nur die Gegenwart der Molybdänsfiure und des Bleioxjds.
Das tein gepulverte Mineral wurde mit Salpetersäure und
Wasser behandelt, wobei unter Auflösung des Bleioxyds
neue Ausscheidung der Molybdfinsfiure mit Salpetersaure
erfolgte. Das Ganze wurde darauf mit Ammoniak und
Schwefelammonium im Ueberschufs versetzt und längere
Zeit in einer woblverschlossenen Flasche digerirt Das ent-
standene Schwefelblei wurde abfiltrirt und weiter bestimmt
und das Oxyd aus der Menge des erhaltenen schwefel-
sauren Salzes beredinet. Der Gehalt an Molybdänsäure
wurde nicht direct ermittelt, sondern nur durch Rechnung
gefunden. 2,0 Grm. Gelbbleierz gaben 1,696 Grm. schwe-
felsaures Bleioxyd oder 1,247 Grm. Oxyd. Die Menge der
Molybdänsäure beträgt darnach 0,753 Grm. Die Zusam-
mensetzung ist daher:
Bleioxyd 62,35 Proc
Molybdänsäure 37,65 -
100,00.
Die Resultate dieser Analyse lieferten also eine Bestätigung
fQr die Ansicht, dafs das Gelbbleierz aus gleichen Atomen
Basis und Säure besteht, indem diese Zahlen den durch
Berechnung erhaltenen, bei dieser Annahme, nahe kommen.
III. Arseniksaures Blei von demselben Fundorte.
Das untersuchte molybdänsaure Bleioxyd ist gleichsam
▼on einem Netzwerk kleiner Krystallnadeln umschlossen,
die ebenfalls eine reingelbe, fast mit der des Gelbbleierzes
übereinkommende Farbe besitzen; nur fehlt ihnen Durch-
asheinenheit und der eigenthtimliche Glanz. Durch die Lupe
etrachtet geben sich diese Nadeln als eine Anhäufung klei-
ner Säulen mit verschiedenen Endflächen bekleidet zu er-
kennen, durch welche dasselbe sich als ein Grtinbleierz
charakterisirt.
Vor dem Löthrohr auf der Kohle für sich oder mit
Flufsmitteln behandelt, zeigten die Krystalle die bekannten
Erscheinungen derjenigen Varietäten des Grünbleierzes,
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 26
402
welche neben der Phosphorsäure noch ArseniksSore enthal-
ten. Nur erschien mir der Arsenikgeruch dabei von unge-
wöhnlicher Stärke.
Bei einer qualitativen Analyse zeigte sich aber, dats
■diese Masse aufser dem Blei nur noch Arseniksäure und
Chlor enthielt; sie stellte also den Arsenikbleispath im rein-
sten Zustande dar. Von Phosphorsäure, oft der Hauplbe-
standtheil des Minerals, und selbst in dem schönen Arsenik-
bleispath von Johann -G^orgenstadt nicht fehlend, fand sich
.in den kleinen Krjstallen der meisten Exemplare, welche
ich zu prüfen Gelegenheit hatte, auch nicht eine Spur, wäh-
rend eine geringe Beimischung an anderen nur durch mo-
lybdänsaures Ammoniak nachzuweisen war.
Da hier eine so vollständige Vertretung der Phosphor-
^äure durch Arseniksäure stattfindet, so führte ich eine
quantitative Analyse des Minerals mit den ausgewählten
kleinen Krystallen aus. Das Mineral wurde durch verdünnte
Salpetersäure gelöst und das Blei durch Schwefelsäure ge-
fällt, mit Weingeist und Wasser ausgesüfst und als schwe-
felsaures Bleioxyd bestimmt. Das Chlor wurde aus der
Auflösung eines anderen Theils des Minerals durch salpe-
tersaures Silber als Chlorsilber gefällt.
Die Ermittelung der Arseniksäure geschah dadurch, dab
anhaltend Schwefelwasserstoffgas in die vom Blei befreite
Auflösung geleitet wurde. Von dem getrockneten und ge-
wogenen Niederschlage wurde ein abgewogener Theil mit
Salpetersäure digerirt, um die Menge des Schwefels in dem
Niederschlage kennen zu lernen und die entstandene Schwe-
felsäure durch Barytsolution geföllt.
Die Menge an, Arseniksäure konnte nun', nachdem der
Gehalt an Schwefel im Niederschlage bekannt war, nach
diesen Resultaten und nach der Gewichtsmenge des zuerst
erhaltenen Niederschlags berechnet werden.
0,736 Grm. Mineral gaben an Chlorsilber 0,0181 Grm.
1,318 - - - Bleioxyd 0,978
ferner Arseniksäure 0,303
oder
403
Bleioxjd 74,961 Proc.
ArseDiksäure 23,065 „
Chlor 2,445 „
100,471
• • •
oder, da dieses Grünbleierz Pb .Cl-|-3Pb^ As bildet, so
würden die vorstehenden Resultate sich in folgender Weise
▼ertheilen :
Bleioxjd 66,948 onnil
Arseaikgaure 23.065 j '^'"*-
99,598.
X. Ueher die Aneeendung der Kieselfluorwasser-
stoffsäure hei qucmtitativen Analysen;
von Heinr. Rose.
N.
achdem Berzelius zuerst das Kieselfluorkalium darge*
stellt und auf seine merkwürdige Eigenschaften aufmerksam
gemacht hatte ^), haben die Chemiker die schwere Auflös-
lichkeit dieses Salzes benutzt, um durch Kieselfluorwasser-
stoffsäure das Kali von manchen Säuren zu scheiden, und
am diese im freien Zustand darzustellen. Man hat auf diese
Weise die Chlorsäure, die Ueberchlorsäure, die Chrom-
säure -und andere Säuren in den Auflösungen ihrer Kali-
salze vom Kali getrennt. Bei quantitativen Analysen aber,
um Kali vollständig abzuscheiden, hat man die Kieselflnor-
wasserstoffsäure noch nicht angewandt, weil das Kiesel-
fluorkalium nur sehr schwer löslich aber nicht vollkommen
unlöslich im Wasser ist. Berzelius selbst meint auch,
dafs es nie zur quantitativen Bestimmung des Kalis ange-
wandt werden könne.
1) Pogg. Ann. Bd. 1, S. 188.
26*
404
Das Kieselfluorkaltum ist aber jd einer Flüssigkeit ganz
unlöslich, die mit Alkohol versetzt worden ist. Wenn man
daher die Auflösung eines Kalisalzes mit einem UeberschuCs
von Kieselfluorwasserstoffsäure versetzt , und ein der gan-
zen FlOssigkeit gleiches Volumen von starkem Alkohol hin-
znfQgt, so wird alles Kali vollständig als Kieselfluorka-
lium gefällt, das mit starkem Alkohol ausgewaschen wer*
den mufs, der mit einem gleichen Volumen von Wasser
verdOnnt worden ist.
Hr. Weber erhielt auf diese Weise aus 1,548 Grm.
geschmolzenen Chlorkaliums 2,307 Grm. Kieselfluorkalium,
die auf einem gewogenen Filtrum bei 100^ C. getrocknet
worden waren. Die angewandte Menge des Chlorkaliums
entspricht aber 2,293 Grm. Kieselfluorkalium. Die Kiesel-
fluorwasserstoffsäure kann daher wohl mit gutem Erfolge
zur quantitativen Bestimmung des Kalis angewandt werden.
Aber auch das Natron kann auf dieselbe Weise wie
das Kali seiner Menge nach sehr gut bestinunt werden.
Hr. Weber erhielt als er 2,038 Grm. Chloruatrium, io
Wasser gelöst, mit Kieselfluorwasserstoffsäure versetzte, ei-
nen Niederschlag, der sich aber durch Hinzufügung von
starkem Alkohol sehr vermehrte. Er wurde mit verdünn-
tem Alkohol ausgewaschen, und auf einem gewogenen Fil-
trum bei 100° C. getrocknet. Er wog 3,2977 Grm. Das
erbaltane Kieselfluornatrium enthält 0,809 Grm. Natrium;
das angewandte Chlornatrium aber 0,808 Grm.
Berzelius hat die Unlöslichkeit des Kieselfluorbar jums
benutzt, um die Barjterde von der Strontianerde durch
Kieselfluorwasserstoffsäure qualitativ und quantitativ zu
trennen ' ). Diese Trennungsmethode ist allerdings wohl
die beste von denen, welche wir kennen. Wenn man aber
die Barjterde aus einer wäfsrigen Auflösung durch Kiesel-
fluorwasserstoffsäure fällt, so erhält man einen Verlust, da
auch das Kieselfluorbarjum nicht vollkommen unlöslich im
Wasser ist. Schlägt man es aber aus einer weingeistigen
Auflösung nieder, so ist das Resultat ein recht genaues*
1) Pogg. Annal. Bd. 1, S. 195.
405
Aus 1,820 Grm. Chlorbar jum , id Wasser gelöst , mit rein-
ster Kieselfluorwasserstoffsäure gefällt, wurden von Hrn.
Weber durch Hinzufügung von etwas verdünntem Alko-
hol 2,458 Grm. Kieselfluorbar jum erhalten, die bei 100® C.
auf einem gewogenen Filtrum getrocknet worden waren.
Diese entsprechen 1,344 Grm. Baryterde, die angewandte
Menge des Chlorbar jums hingegen 1,340 Grm.
Während man bei der Fällung des Kieselfluorkaliums
und des Kieselfluoruätriums die wäfsrige Flüssigkeit mit
einem gleichen Volumen von starkem Alkohol verdünnen
mnfs, um diese Salze gänzlich zu fällen, braucht man zur
Fällung des Kieselfluorbaryums eine geringere Menge von
Alkohol.
Bei der Anwendung der Kieselfluorwasserstoffsäure zu
quantitativen Untersuchungen ist ein Umstand zu erwäh-
nen, der die gröfste Beachtung verdient. Man giebt in
den Lehrbüchern der Chemie an, dafs verdünnte Kiesel-
fluorwasserstoffsäure das Glas in der Kälte nicht im min-
desten angreife und dafs diefs erst durch Verdampfung der-
selben in Glasgefäfsen geschähe ^). Diefs ist indessen nicht
riditig. Wenn eine sehr verdünnte Kieselfluorwasserstoff-
siure lange Zeit in gläsernen Gefäfsen aufbewahrt wor-
den ist, so ist sie nicht rein, und obgleich die innere
Fläche des Glases nicht angegriffen zu sejn scheint, so hat
die Säure aus dem Glase etwas Alkali, Kalkerde und Ei<-
senoxjd, wenn letzteres im Glase enthalten war, aufge-
nommen. Man findet in dieser Säure dann auch oft einen
Absatz von alkalischen Kieselfluormetallen. Wendet man
nun aber- eine solche Säure zur Fällung der Alkalien und
der Baryterde an, so werden durch den Weingeist zugleich
auch die noch aufgelösten alkalischen Kieselfluormetalle
gefällt, und man bekommt daher einen Ueberschufs im
Resultate. Eine solche lange in Glasgefäfsen aufbewahrte
Kieselfluorwasserstoffsäurc ist wohl noch zu manchen qua-
litativen Untersuchungen, namentlich zur leichten Unter-
scheidung der Strontianerde von der Barjterde anzuwen-
1) Bers. Lehrb. d. Chem. 5. Aufl. Bd. 1, S. 811.
406
den, aber nicht za quantitatiren BedtimmuDgeDy zu wel-
chen man freilich sich zu jeder Analyse die Kieselfluor-
wasserstoffsäure frisch bereiten mufs, wenn man nicht Ge-
legenheit hat, sie wenigstens einige Zeit hindurch iu me-
tallenen Gefäfsen, namentlich in Gefäfsen von Platin oder
von Silber, aufzubewahren.
Als 1,157 Grm. Chlorbarjum in der wäfsrigen Auflö-
sung durch eine Kieselfluorwasserstoffsäure gefällt wurden,
die längere Zeit, vielleicht einige Jahre hindurch, in Glas-
gefäfsen aufbewahrt worden war, wurden, bei Anwendung
▼on Alkohol, 1,636 Grm. Kieselfluorbaryum erhalten. Die-
sen entsprechen 0,894 Grm. Baryterde, während das ange-
wandte Chlorbaryum nur 0,851 Grm. Baryterde entspricht.
Das erhaltene Kieselfluorbaryum enthielt aber noch die al-
kalischen Kieselfluormetalle, welche in der angewandten
Kieselfluorwasserstoffsäure aufgelöst waren, und durch den
angewandten Weingeist gefällt wurden.
Auch das Kieselfluorgas greift, wenn auch nur äufserst
schwach, das Glas an. Wenn man daher Silicate, die Fluor
enthalten, oder Gebirgsarten, in denen fluorhaltige phosphor-
saure Salze, namentlich Apatit, neben Silicaten vorkommen,
im gepulverten Zustand mit concentrirter Schwefelsäure zer-
setzt, so kann man, ungeachtet des grofsen Ueberschusses
von Kieselsäure in der zersetzten Masse, durch die entwei-
chenden Dämpfe eine geringe Aetzung auf Glas hervorbrin-
gen. Die Aetzung ist jedenfalls aber so schwach, dafs Uner-
fahrene sie oft gar nicht bemerken, und sie auch nur beim
Anhauchen des Glases sichtbar ist. Der Fluorkiesel wird
schon durch eine geringe Menge von Feuchtigkeit zersetzt;
beim gelinden Erhitzen entweicht daher aus der zersetzten
Masse Fluorkiesel und später etwas Fluorwasserstoffgas,
welches letztere die Aetzung bewirkt.
/^
407
XL Ueber die Unhaltbarkeh der bisherigen Theorie
der Newton' sehen Farbenringe; pon E. TVilde. •
u,
m besonders die Farben der gemischten Lamellen sorg-
föltiger beobachten zu können, habe ich mir ein Instrument
anfertigen lassen, mit welchem ich die Durchmesser der
Farbenringe bis auf Zehntausendtel eines Englischen Zolles
genau zu messen, und bis auf Hunderttausendtet zu schätzen,
die Annäherung der Gläser aber, zwischen denen die Ringe*
entstehn, bis auf Milliontel -Zoll zu bestimmen im Stande
bin. Ich will diefs Instrument, welches demnach eine grö*
fsere Genauigkeit in den Messungen gestattet, als sie selbst
mit dem von Biot erfundenen und zu anderen Zwecken
bestimmten Spbaerometer sich erreichen l&fst, ein Oyrei-
dameter nennen.
Schon vor einigen Jahren wurde von Jerichan') in
Schweden die erste zweckmäfsigere, von ihm selbst Gyrei-
doscop genannte Vorrichtung zur Erzeugung der Neioton*-
schen Farbenringe angegeben. Es lassen sich jedoch mit
diesem Instrumente keine Messungen anstellen, und es hat
daher das meinige eine andere Einrichtung erhalten müssen.
Bei der Beschreibung seines Gjreidoscops macht Je-
ricbau die Bemerkung, dafs er die bisherige Theorie
der Newton'schen Ringe für unwahr halten müsse, weil
seine eigenen Beobachtungen ihn belehrt hätten, dafs bei
sehr starkem Zusammenpressen der beiden Gläser der durch
reflectirtes Licht entstehende Centralfleck nicht, wie New*
ton behaupte, dunkel, sondern dafs er hell sej. Er ver-
sucht es auch, das Farbeubild, wie es sich wirklich zei-
gen soll, zu erklären, indem er es auf eine mehrmalige
Ausbreitung der Farben innerhalb eines Kreises zurück-
führt; ich mufs jedoch gestehn, dafs ich mit seiner Erklä-
rung keinen klaren Sinn verbinden kann.
Jene Bemerkung Jerichau's veranlafste mich indcfs
1) Diese AoD. Bd. 54, S. 139.
408
zur eigenen sorgßiltigeren Beobachtang der Newton' sehen
Ringe mit dem Gjreidometer, sobald ich diefs Instrument
erhalten hatte; ich kann aber seine Behauptung, dafs bei
einem sehr starken Zusammenpressen der Gläser der Cen->
tralfleck hell werde, nicht als eine wahre bestätigen. Wenn
ich im reflectirten homogenen Lichte die Gläser immer mehr
und mehr einander näherte, so entstand zuerst ein dunk-
ler Centralfleck am Gipfel der Convexlinse, der sich bei
gröfserer Annäherung der Gläser in einen dunklen Kreis
ausbreitete, dessen Inneres hell war, und aus dessen Mitte,
wenn ich mit der Annäherung der Gläser fortfuhr, sich
wieder ein dunkler Centralfleck entwickelte u. s. f., je
nachdem nämlich der Gangunterschied der an der oberen
und unteren Gränze der Luftlamelle reflectirten Strahlen
eine ungerade oder gerade Anzahl von halben Wellenlän-
gen betrug, bis endlich bei einem stärkeren Zusammen-
pressen der Gläser der Ceutralfleck dunkel wurde, ohne
dafs ich, sobald die Gläser gewaltsam noch mehr und bis
zum Biegen des oberen planparallelen ^ Zoll dicken Gla-
ses an einander gedrückt wurden, einen hellen Gipfel aus
diesem letzten dunklen Centralfleck, den ich deshalb den
Constanten nennen will, erhalten konnte. Er wurde nur
um so gröfser, während die ihm zunächst sich zeigenden
Ringe um so mehr von der kreisrunden Gestalt abwichen,
je mehr ich mit dem Zusammenpressen der Gläser fort-
fuhr. Im Tageslichte wurde jedoch, wie sich von selbst
versteht, der Wechsel zwischen Dunkel und Hell, der sich
bei der Annäherung der Gläser im homogenen Lichte in
der Mitte des Bildes zeigte, nicht wahrgenommen, sondern
sie ging vielmehr, nachdem sie bei der Annäherung der
Gläser die verschiedensten Farben entwickelt hatte, erst
dann in den constanten dunklen Fleck über, wenn die
Gläser mit stärkerem. Drucke zusammengeprefst wurden.
Während dabei im Tageslichte nur eine geringe Zahl von
Ringen deutlich erkennbar war, zeigte sich im homogenen.
Lichte das Gesichtsfeld im Mikroskope mit mehreren hun-
dert dunklen und hellen Curven erfüllt.
• 409
Ungeachtet ich also die Behauptung Jericbau's nicht
als eine wahre bestätigen kann, so bin ich dennoch, seit-
dem ich sorgfältigere Beobachtungen dieser Gattung von
Farben mit dem Gjreidometer angestellt habe, aus ande-
ren Gründen überzeugt, dafs die bisherigen Theorieen der-
selben, wie sie zuerst von Newton behauptet, und von
Yonng, Fresnel, Poisson, J. Herschel, Airy und
Anderen aus der Undulationstheorie abgeleitet sind, nicht
überall wahr sejn können. Diese Gründe sind:
1. Ist es theoretisch unmöglich, dafs eine Umkehrung
der Aetherschwingungen bei ihrer Reflexion an der unte-
ren Gräuze des einen Glases im Vergleiche mit der Rich-
tung, die sie nach ihrer Reflexion an der oberen Gränze
des anderen haben, eintreten kann, wenn nicht noch eine
Luftschicht zwischen den Gläsern vorhanden ist.
2. Wollte man auch, um die bisherigen Theorieen fest-
halten zu können, eine selbst gegen eine Wellenlänge sehr
kleine Tiefe der Lamelle da annehmen, wo der constante
dunkle Fleck im reflectirten Tages- oder homogenen Lichte
sich zu zeigen anfängt, so bleibt doch derselbe Fleck und
wird immer gröfser, wenn man mit dem Zusammenpressen
der Gläser fortfährt, so dafs dann unmöglich noch Luft
zwischen denselben vorhanden seyn kann. Da also die
Voraussetzung einer unbestimmbar kleinen Tiefe der La-
melle an der Stelle des constanten Fleckes eine ganz gleich-
gültige ist, so kann auch des ersten Grundes wegen der
Ursprung dieses Fleckes nicht in einer Interferenz der von
den Gränzen der beiden Gläser reflectirten Strahlen ge-
sucht werden, wie man diefs nichtsdestoweniger bisher ge-
than hat.
3. Im reflectirten Tageslichte erscheint der Central-
fleck tief schwarz. Der Gruntl seines Entstehens k^nn also,
wenn man auch da, wo er beobachtet wird, eine sehr
dünne Luftschicht zwischen den Gläsern zugeben wollte,
keinesweges iq dem Principe der Interferenz gefunden wer-
den, indem bekanntlich aus der Interferenz aller farbigen
Strahlen, nachdem sie alle denselben Weg durchlaufen ha-
410
beOy ihrer versdiiedenen Wellenläogen wegen nur eine
mehr oder weniger helle Färbung resaltirt. Da also der
oonstante Fleck weder durch eine sehr dünne Loftschichf,
nodi in Folge des ersten Gmndes für die Entfernung Null
der Glaser durch Interferenz entstehen kann, so muis sein
Ursprung in anderer Weise, als es bisher gesdiehen ist,
erklärt werden.
4. Weil auch im homogenen lAckiey wenn die Entfer-
nung der Gläser Null ist, und deshalb keine UmkehroDg
in den Aetherschwingungen eintreten kann, der Phasenzu-
stand der von den beiden Gläsern an der Berfihrungsstelle
reflectirten Strahlen übereinstimmend sejn muCs, der Cen-
tralfleck also nicht dunkel erscheinen kann.
5. Weil es den bisherigen Theorieen der New toni-
schen Riuge an aller Analogie mit denen verwandter Far-
benerscheinungen, wohin namentlich die Bengongsfiguren
zu rechnen sind, mangelt.
Aus allen diesen Gründen folgt also, dafs die JftUe
des RingsffSiems^ wenn die Entfernung der Gläser NmU ist,
im reßectirten Lichte nicht dunkel seyn kann, sondern dafs
sie rielmehr im Widerspruche mit den bisherigen Behaup-
tungen hell seyn wmfs.
Den kürzesten Beweis für das sogenannte Toung*stke
Gesetz finde ich nämlich in den FresneTschen Ausdrücken
für die Oscillationsgeschwindigkeit eines reflectirten und
nach der Einfallsebeue polarisirten Strahles, und eines re-
flectirten und senkrecht gegen die Einfalkebene polarisir-
ten, von denen die erstere (für den Strahl, in welchem
die Aetherschwingungen senkrecht gegen die Einfallsebene
und gegen die Richtung desselben sind) den Werth hat:
stD(i-#-r)
und die andere (fiir den Strahl, in welchem die Aether-
schwingungen parallel mit der Einfallsebene und senkrecht
gegen die Riditung desselben geschehen) den Werth '):
I) Diese Au. Bd. 22, S. 90.
411
(2) i?5lfe4-
"^ ' taDg(t+r)
Im Glase aD der oberen Gränze der Luftlamelle ist der
Einfallswinkel t kleiner, als der Brechungswinkel r in der
Luft, der Ausdruck (1) also positiv; an der unteren Gränze
der Lamelle dagegen, wo das Licht am der Luft in das
untere Glas tibergeht, und i gröfser ist, als r, wird der-
selbe Ausdruck negativ. Eben so hat der Ausdruck (2)
an beiden Gränzen der Luftschicht ein entgegengesetztes
Zeichen, indem er an der oberen Gränze negativ und an
der unteren positiv wird. Mit einem veränderten Zeichen
in der Oscillationsgeschwindigkeit ist aber jedesmal eine
Umkehrung in den Schwingungsrichtungen des Aethers ver-
bunden. Bei einem natürlichen (nicht polarisirten) Strähle,
der im Betreff der Intensität als zusammengesetzt aus jenen
beiden polarisirten angesehen werden kann, tritt daher bei
der Reflexion an der unteren Gränze der Lamelle eine
Umkehrung der Aetherschwingungen im Vergleiche mit ih-
rer Richtung nach der Reflexion ah der oberen Gränze
ein, welche Umkehrung für die Intensität des reflectirten
Lichtes denselben Erfolg hat, als wäre der Ganguuterschied
der interferirenden Strahlen um eine halbe Wellenlänge
(oder überhaupt um eine ungerade Anzahl von halben Wel-
lenlängen) gröfser oder kleiner, als er wirklich ist, diefs
jedoch nur unter der einzigen Bedingung, dafs sich noch
eine Luftschicht zwischen den Gläsern befindet. Wenn man
also bisher auch da, wo die Entfernung der Gläser Null
and keine Luft mehr zwischen denselben vorhanden sejn
soll, dem Gangunterschiede eine halbe Wellenlänge zuge-
legt hat, so ist diefs in offenbarem Widerspruche mit der
Undulationstheorie geschehen.
Als den einfachsten Ausdruck für die Intensität des re-
flectirten Lichtes, wenn ich der Umkehrung der Schwin-
gungen wegen den Gangunterschied der interferirenden ho-
mogenen Strahlen um eine halbe Wellenlänge X (oder um
eine ungerade Anzahl von halben Wellenlängen) gröfser
oder kleiner nehme, als er wirklich ist^ finde ich
412
(3) /=4a8ia'2i^^^,
sobald a die an der oberen oder unteren Gränze der La-
melle reflectirte Lichtmenge, d die Tiefe der Lamelle, und
r den Brechungswinkel aus dem Glase in die Luft bedeu-
tet. Für das durchgelassene Licht dagegen, fOr welches
keine Umkehruug in den Schwingungen eintritt, ist dann
die Intensität
(4) J'=l — 4a8in'2;r^^,
so dafs beide Lichtstärken complementär sind, da ihre Summe
die Intensität I des einfallenden Lichtes giebt.
Für das reflectirte Licht ergeben sich aus (3) die
Maxima der Lichtstärke für
j_ k 3A bk jj^
4cosr 4cosr 4cosr 4cosr
und die Minima der Lichtstärke für
.__.. 2X AI 6X
4cosr 4cosr 4cosr
weil für die erste Reihe J= 4 a, und für die zweite /=0
wird. Für das durchgelassene Licht dagegen hat man
aus (4):
die Maxima für d=0, =r ,=i .=7
4cosr 4cosr 4
• • •
cosr
und die Minima für d= , , = : , = - , =
4co.sr' 4cosr' 4cosr' 4cosr"*'
weil für die erste Reihe /=!, und für die zweite •fsl — 4a
wird. Da sich nun die Durchmesser oder Halbmesser der
Farbenringe wie die Quadratwurzeln aus den Tiefen der
Lamelle verhalten, so haben im reflectirten Lichte die
Durchmesser oder Halbmesser der Maxima das Verhältnifs
VT:y^:V5..., und die der Minima das Verhältnifs V"Ö:
]/~i:V~i,.., im durchgelassenen dagegen die Durchmesser
oder Halbmesser der Maxima das Verhältnifs Kö:V'2: V~4«».»
und die der Minima das Verhältnifs yT:K3:V5...
In dieser Weise gab Newton die Gesetze an, und in
eben dieser Weise sind sie bisher aus der UndulatioQs-
413
theorie abgeleitet worden. Sie stimmen aber/ wie gesagt,
mit eben dieser Theorie so wenig tiberein, dafs dieselbe
vielmehr eine Umkehrung dieser Gesetze für die Mitte des
Ringsyslems fordert.
Da die dem Centrum nächsten Ringe im reflectirten und
homogenen Lichte schon unmittelbar vor dem Entstehen
des Constanten dunklen Fleckes, während die Mitte des
Farbenbildes noch hell ist, ihre kreisrunde Gestalt zu ver-
lieren und eine mehr elliptische anzunehmen anfangen, so
kann es nicht bezweifelt werden, dafs die Berührung der
Gläser schon dann eingetreten und ihre Entfernung Null
ist, wenn man sie bis zum Beginne einer Aenderung in
der kreisförmigen Gestalt der dem Centrum nächsten Ringe
genähert hat, weil diese Aenderung offenbar schon auf eine
Pressung der Gläser hindeutet. Es mufs dann aber auch
der erste helle Ring sich ohne dunkle Unterbrechung an
die helle Mitte des Bildes unmittelbar anschliefsen , weil
der erste dunkle Ring erst da sich bilden kann, wo ftir
cosr=cosO°=l die Tiefe d der Lamelle = -j- ist, damit
der Gauguntcrschied der interferirenden Strahlen (wegen
des Hin- und Herganges des einen Strahles innerhalb der
Lamelle und wegen der Umkehrung seiner Schwingungen)
2A X 3A
= 2 -j^ + y = Y werden, und eine Vernichtung des Lieh-
tes in sich selbst eintreten könne. Man hat daher, wenn
diefs sich so verhält, im reflectirten Lichte
dieMaxima für d=0 und ^ ^^ ^^ ^^
und die Minima für d =
4cosr' 4c(Mr' 4cosr' 4cosr
2A 4A %X %X
4cosr' 4cosr' 4cosr* 4cosr
im durchgelassenen dagegen
die Maxima für a=-: ,=-: — ,= : ,=
4cosr' 4cosr' 4co$r' 4cosr
u, d. Minima für d=0 u. r , = : ,=t ,=:
• •
cosr 4cosr 4cosr 4cosr
woraus folgt, dafs im reflectirten Lichte die Halbmesser
414
I
der hellen Ringe das Verhältnifs Ki:V3:l^..., und die
der dunklen das Verhältuifs VizVliVe ...y im durchge-
lassenen aber die Halbmesser der hellen Ringe das Verhält*
nifs K2:]^:K6..., und die der dunklen das Verhältnifs
KI:V3:K5«*« haben müssen, während die Mitte des Bil-
des bis zur Tiefe d=-7~ cl^r Lamelle im Maximum des re-
flectirten und im Minimum des durchgelassenen Lichtes er-
scheint.
Dafs ich mich in diesen Behauptungen nicht täusche,
dafür bürgen mir die Messungen, die ich mit dem Gyrei^
dometer, in welches ein planparalleles und ein convexes
Glas mit einem Halbmesser tou 360 Zoll Engl, eingelegt
waren, angestellt habe. Wenn ich im reflectirten Lichte
bei heller Mitte des Farbenbildes die Gläser bis zum Be-
ginne einer Aenderuug in der kreisförmigen Gestalt der
Ringe einander genähert hatte, so habe ich für ihre Halb-
messer in dem homogenen Lichte '), das man durch Al-
kohol und Chloruatrium erhält, für den Einfallswinkel (den
Brechungswinkel r aus dem Glase in die Luft) =39^41'
als Mittel aus wiederholten Messungen, weil die Gränzen
der Ringe nicht scharf sind, sondern die dunklen allmälig
in die hellen übergehen, folgende Werthe erhalten:
Reflectirtes Licht.
Halbmesser
des ersten zweiten dritten vierten hellen Ringes.
— 0,1244" Engl. 0,1602" 0,1900"
des ersten zweiten dritten vierten dunklen RingnL
0,1021" Engl. 0,1439" 0,1765" 0,2040".
Diese Werthe bedürfen aber noch beträchtlicher Cor-
rectionen, die deshalb nöthig werden, weil die Halbmesser
der Ringe wegen der Brechung in dem oberen \ Zoll dicken
1) Es ist diefs Licht zwar nicht vollkommen homogen, sondern eine Mi-
schung von Gelb und Violett, wie ich durch seine Zerlegung mit einem
Prisma gefunden habe, so dafs man es eher orangefarben als gelb ntnuea
raufs; es ist aber doch homogen genug, um nur dunkle und gleichfarbige
Hinge erscheinen zii lassen.
415
Oläse kleioer erscheinen, als sie an der oberen GrSiize dei*
Luftlamelle wirklich sind. Den zur Berechnung dieser Cor-
rectionen erforderlichen mittleren Brechungsexponenteu des
oberen Glases habe ich nach der von Prechti^) angege-
benen Methode aus zehnmaligen Messungen bestimmt, und
denselben = 1,516908 gefunden. Da überdiefs die mikro-
skopische Linse von der Mitte des Farbenbildes jedesmal
2,91 Englische Zoll entfernt war, so ergeben sich die Cor-
rectionen wie folgt:
lor den ersten
lur den erslen
0,0056"
Beflectirtes Licht.
Gnrrectioncn
zweiten dritten
0,0070" 0,0091"
zweiten dritten
vierten hellen Ring.
0,0106"
vierten dunklen Ring.
0,0113".
0,0081" 0,0099""
Werden diese Correctionen den obigen Halbmessern
zugelegt, und wird der Halbmesser des ersten hellen Ringes
aus dem des zweiten nach dem Verhältnisse 1 : V3 berech-
nety so hat mau endlich:
Reflectirtes Licht
Halbmesser
des ersten
0,0758'"
des ersten
0,J077"'
zw^citen
0,1314"
zweiten
0,1520'
dritten
0,1693"
dritten
0,1864"'
vierten hellen Ringes,
0,2006"'
vierten dunklen Ringes.
0,2153",
welche Werthe so genau sind, dafs sie, mit den obigen
Quadratwurzeln in Proportion gestellt, für die Producte
der inneren und äufsereu Glieder Decimalbrüche geben, die
auf mindestens vier Stellen übereinstimmen. So soll sich
z. B. für den ersten und dritten dunklen Ring 0,1077'': 0,1864''
ss:0,01159:0,03474=2:6=l:3 verhalten, wie diefs auch
der Fall ist, da sowohl das Product der äufsereu, als auch
das der inneren Glieder bis auf vier Stellen =0,0347.
Die von der Undulationstheorie für das reflectirte Licht
geforderten Gesetze werden also auch durch die Beobachtung
1) „Practische Dioptrik«. W^icn, 1828, S. 127.
416
beitäiigt, ohne dafs man nöthig hätte, die Gläser über ihre
Berührungsstelle hinaus, bis der dunkle Ceniralßeck sich
ausgebildet hat, zusammenzupressen, und eben diefs ist es,
u>as ich beweisen wollte.
Ein anderer -Gruody der ffir die Wahrheit meiner Be-
haaptangen borgen kann, ist der, daCs bei allen verwand-
ten Farbenerscheinungen, in denen im homogenen Lichte
ein Wechsel von Hell and Donkel sich zeigt, and die Mitte
hell ist, das erste Minimum dann erst eintritt, wenn der
Gangunterschied der interferirenden Strahlen mindestens eine
ganze Wellenlänge beträgt. So ist z. B. in dem Beugungs-
bilde einer schmalen Oeffnung in einem undurchsichtigen
Schirme fQr den Gangunterschied Null die Mitte hell, und
ihre Intensität = 1. Sie bleibt aber auch ohne dunkle Un-
terbrechung noch hell für den Gangunterschied einer hal-
ben Wellenlänge, indem dann ihre Intensität = 0,4053 is^
und erst für den Ganguuterschied einer ganzen Wellenlänge
tritt das erste Minimum Null der Intensität ein ')• Den
New ton' sehen Ringen noch ähnlicher ist die Beugungs-
figur einer kreisförmigen Oeffnung, für welche die Mitte
gleichfalls hell ist, und der erste dunkle Ring sogar dann
erst entstehen kann, wenn der Gangunterschied schon die
Gröfse 1,220 A erreicht hat^). Deshalb kann hier überall
der Gangunterschied für das erste auf die helle Mitte des
Bildes folgende Maximum nicht durch Messung gefunden,
sondern er mufs vielmehr aus den Intensitätsausdrücken be-
rechnet werden, und eben deshalb habe auch ich den Halb-
messer für das erste Maximum nicht durch Messung finden,
X sondern ihn nur aus dem Intensitätsansdrucke (3) be-
rechnen können. Ungeachtet also in allen diesen verwand-
ten Farbenerscheinungen bei heller Mitte das erste Minimna
nicht für den Gangunterschied einer halben Wellenlänge
eintritt, so hat man bisher doch angenommen, dafs im durdh
gelassenen Lichte die Mitte des ganzen Farbenbildes hell,
und
1) Di'ese Add. Bd. 79, S. 206.
2) Ebendaselbst S. 224.
417
und nicbtsdestoweniger der erste dunkle Ring schon da
entstehen soll, wo die Tiefe der Lamelle eine Yiertelwel-
lenlänge, der Gangunterschied also eine halbe Wellenlänge
beträgt, indem fQr das durchgelassene Licht keine Umkeh-
rung in den Aetherschwingungen eintritt. Es fehlt also den
bis jetzt behaupteten Theorieen der Newton'schen Ringe
an aller Analogie mit denen verwandter Farbenerschei-
nungen.
Der Grund des bisherigen Irrthums liegt offenbar darin,
dafs man im Vertrauen auf die Genauigkeit der Beobach-
tungen Newton's den lediglich für die Annahme einer
Umkehrung der Aetherschwipgungen gültigen Intensitätsaus-
druck (3) auch für den Fall angewandt hat, wenn die Glä-
ser die Entfernung Null haben, und eine Umkehrung der
Schwingungen nicht mehr möglich ist. Hierzu kommt noch,
dafs man die Tiefe Null der Lamelle niemals in die Pro-
portionen gebracht hat, und bringen konnte, weil sonst das
vierte Glied derselben unendlich grofs werden würde, so
dafs es wohl erklärlich ist, wie ohne eine erneuerte Prü-
fung der Beobachtungen Newton's dieselben Fehler Jahr-
hunderte hindurch haben wiederholt werden können.
"Was schliefslich den Ursprung des Centralfleckes be-
trifft, der nur im Tageslichte schwarz, im homogenen Lichte
aber des matteren Hintergrundes wegen nicht dunkler er-
scheint, als CS die durch Interferenz erzeugten Ringe sind:
so stimme ich der Ansicht Jerichau's bei, dafs dieser
Fleck durch durchgelassenes Licht in ähnlicher Weise ent-
stehe^ wie die Stelle, an der man die Folie eines Spiegels
abgenommen hat, im rcflectirten Lichte gegen den hellen
Spiegelhintergruud dunkel erscheint; ich stimme aber dieser
Ansicht nicht als einer wahrscheinlichen Vermuthung bei,
sondern als einer unläugbaren Wahrheit. Meine Gründe
sind diese:
1. Es sey (Fig. 4. Taf. IV.) DEC ein gläsernes Prisma,
die Stelle des Auges in 0, und GH eine mit d^n Grund-
flächen parallele Linie, so wird eine Brechung oder Durch-
lassung der rothen Strahlen in t erst dann möglich, wenn
PoggcndorfTs Annal. Bd. LXXX. 27
418 •
der Winkel 0(6=49'' 2', der Einfallswinkel bei f also
= 40® 58', und eine Durchlassung der violetten in q erst
dann, wenn der Winkel Og6r = 50°7', der Einfallswinkel
in q also =39^ 53'. Bedeutet nochp die Stelle, von wel-
cher an eine Durchlassung der mittleren Strahlen eintre-
ten kann, so wird also zwischen t und BE keine Farbe
an der Basis DB gebrochen, und es findet in diesem Theile
derselben eine totale Reflexion des Lichtes Statt. Zwischen
i und p werden rothe, orangefarbene und gelbe Strahlen
durchgelassen. Im reflectirten Lichte sind diese Strahlen
also in geringerer Menge, als bei der totalen Reflexion
vorhanden, und deshalb ist das reflecfirte Licht hier auch
weniger intensiv. Zwischen p und q werden auch die übri-
gen Strahlen mit Ausnahme des Blau und Violett durchge-
lassen, und es ist hier eben deshalb die Intensität des re-
flectirten Lichtes noch geringer, während in der Gegend
von q da, wo die blauen und violetten Strahlen noch nicht
durchgelassen werden, )euer bläuliche Bogen MN entsteht,
auf den Newton zuerst aufmerksam gemacht, und den er
zuerst erklärt hat ' ). In dem Theile der Basis zwischen
MN und AD, wo alle Farben gebrochen werden können,
ist eben deshalb das reflectirte Licht ein sehr nrattes.
Nachdem ich die Basis DB des Prisma auf den Gipfel
einer sehr flachen Convexlinse gelegt hatte, prefste ich
beide Gläser mit starkem Drucke an einander, und neigte
das Auge so gegen die Basis, dafs ich die Beröhrungsstelle
der Gläser zwischen q und AD erblickte. Es zeigte sich
dann eine ziemlich bedeutende Menge von Ringen, wie
man sie in gleicher Zahl im Tageslichte nur durch zwei
sehr flache Convexlinsen erhält, und der Centralfleck in
tiefer Schwärze vollkommen ausgebildet. Ich neigte hier-
auf das Auge noch mehr, während beide Gläser in unver-
änderter Lage znsammengeprefst blieben, so dafs ich ihfc
Berührungsstelle zwischen q und p erblickte, und es erschien
der Centralfleck nun nicht mehr in jener tiefen Schwärze,
sondern im lebhaftesten Grün. Er zeigte sich hierauf, wenn
1 ) Opt, Hb. /. pars 2. earper. 16.
419
ich das Auge immer tiefer neigte, m lebhaftesten Gelb,
Orange und siuletst röthlich, bis endlich, wenn das Auge
noch mehr gesenkt wurde, so dafs die Berührungsstelie in
die Gegend der totalen Reflexion fiel, jene tiefe Schwärze
▼ollkommen wieder hergestellt wurde.
Der Versuch ist also entscheidend für die Behauptung,
dafs die Färbung des Centralfleckes vom durchgelassenen
Lichte abhängt, und er beseitigt für immer die Möglichkeil
der Annahme, dafs sein Ursprung irgendwie in einer I»-
terferenss gesucht werden könne. Die Farben, die durchge-
lassen werden, sind vollkommen homogene, und es müfste
daher, wenn hier auch im entferntesten nur an eine Inter-
ferenz gedacht werden könnte, der Centralfleck in ung^än-
derter Schwärze erscheinen. So aber ist es nicht. Die
Farben Grün, Gelb, Orange, in denen der Centralfleck
sich zeigt, sind vielmehr so lebhaft und rein, wie man sie
nur durch die besten Flintglasprismen erhalten kann, be-
sonders wenn die Gläser auf ein schwarzes Papier gelegt
werden, und ein Einfallen der Strahlen auf die Linse selbst
▼ermieden ist, wie ich mich hiervon dadurch überzeugt habe,
dafs ich auf den von der Basis des Prisma nicht bedeckten
und dem Lichte zugekehrten Theil der Linse, um alle Strah-
len abzuhalten, die von unten her auf die Basis einfallen
könnten, einen undurchsichtigen Schirm legte. Hat die Linse
eine stärkere Convexität, so sind begreiflicherweise die
Farben des Centralfleckes nicht gesondert genug.
Ungeachtet dieser Versuch jeden anderen Grund für
die Wahrheit meiner Behauptungen überflüssig macht, so
will ich nichtsdestoweniger noch einige andere Versuche
anführen, die mir dieselben Resultate gegeben haben.
2. Auf die dem einfallenden Lichte zugekehrte Seite
des Prisma legte ich ein schwarzes Papier, so dafs die Be-
leuchtung nur durch die Linse von unten her möglich wurde.
Prefste ich dann das Prisma und die Linse stärker an ein-
ander, so erschien die Berührungsstelle wie eine durch beide
Gläser ununterbrochen durchgehende sehr helle Oeffnung,
wenn ich durch die dem Zimmer zugekehrte Seitenfläche des
27»
420
Prisma die sonst nur schwach erleuchtete Basis desselben
betrachtete. Der Versuch berechtigt daher auch zu der
Annahme eines ungehemmten Durchganges der Strahlen an
der Berührnngsstelle, wenn das Licht von oben her durch
die unbedeckte Seitenfläche des Prisma einfällt.
3. Legte ich zwei zusammengeprefste Linsen auf wei-
fses Papier, so erschien die Schwärze des Ceutralfleckes
weniger intensiv, als es geschah, wenn die Unterlage durch
schwarzes oder auch nur dunkles Papier gebildet wurde,
und es zeigte sich in jenem Falle der Centralfleck tiber-
haupt nur in schräge reflectirtem Lichte. Bei kleineren
Einfallswinkeln verschwand er völlig, und erschien, wenn
ich das Auge vertical über der Berührungsstelle beider Glä-
ser hielt, als ein weifser Kreis, während das Ringsystem
auch dann noch sichtbar blieb. Entstände aber, wie maq
bisher angenommen hat, die Schwärze des Centralfleckes
durch Interferenz, durch eine Vernichtung des Lichtes in
sich selbst, so müfste der Fleck auch bei weifser Unter-
lage unter allen Incidenzeu der Strahlen dunkel bleiben,
und es könnte dann die Berührungsstelle durch das von
dem Papiere ausgehende und durchgelassene Licht nicht
weifs erscheinen, wie es in der That geschieht.
4. Nachdem ich die Gipfel zweier Convexlinsen durch
eine sehr dünne Schicht von Kanada -Balsam mit einander
vereinigt hatte, legte ich die Linsen auf eine schwarze oder
auch nur dunkle Fläche, und erblickte dann die Stelle, an
der sich der Balsam befand, bei allen Incideuzen der Strah-
len in derselben tiefen Schwärze, in der sich der Central-
fleck bei der Zusammenpressung der Gläser im Tageslichte
zeigt. Legte ich aber die Linsen auf ein weifses Papier,
so war auch hier, wie bei zusammengedrückten Gläsern,
die Schwärze weniger intensiv, so wie denn auch hier der
Fleck bei kleineren Einfallswinkeln verschwand. Obgleich
die wirkliche Continuität der Gläser doch nur zum Theil
durch den Balsam ersetzt wird, so entschieden nichtsdesto-
weniger auch alle sonstigen Versuche, die mit diesen Lin-
sen angestellt wurden, aufs bestimmteste dafür, dafs man
421
den Urspruug der Dunkelheit des Centralfleckes lediglich
in dem ao der Berührungsstelle der Gläser durchgelasseueu
Lichte zu suchen habe.
5. Bei dem ersten Versuche sieht man in der Gegend
der totalen Reflexion an der Basis des Prisma den schwar-
zen Centralfleck nicht von Ringen umgeben. Ringe kön-
nen nicht entstehen, weil da, wo man sie sehen müfste,
keine Strahlen durchgelassen werden, die nach ihrer Re-
flexion von der Linse mit den von der Basis reflectirten
interferiren könnten. Schwarz aber erscheint der Central-
flecky weil zwischen den Gläsern an ihrer Berührungsstelle
keine Luft vorhanden ist, also auch keine totale Reflexion
stattfinden kann, sondern das Licht hier durchgelassen wird.
Denn wollte man auch an der Berührungsstellc eine Luft-
schicht annehmen, so müfste auch hier das Licht eine totale
Reflexion erleiden, und der Centralfleck eben so silberhell
wie der übrige Hintergrund erscheinen. Da also die An-
wesenheit einer Luftlamelle an der Stelle des Centralfleckes
nicht vorausgesetzt werden darf, so kann auch seine Schwärze
-^ selbst abgesehen davon, dafs aus der Interferenz hete-
rogener Strahlen niemals Schwärze resultiren kann — nicht
durch Interferenz entstehen, weil diese ohne eine Luftla-
melle nicht möglich ist. »
Wenn ich die vorstehenden, von den bisherigen ab-
weichenden Behauptungen, die ich in einer längeren Ab-
handlung ausführlicher aus einander zu setzen gedenke, dem
Urtheile der Sachverständigen hiermit Übergebe, so habe
ich dabei nur die Absicht, alle Lichtwirkungen, von wel-
cher Art sie auch immer sejn mögen, in vollkommene Ueber-
einstimmung mit der Undulationstheorie gebracht zu sehen,
damit die Harmonie unserer Gedanken mit der göttlichen
Ordnung in der Natur wenigstens in der Optik nirgends
▼ermifst werde.
422
Xn. Ueber Sternschnuppenbeobachtungen;
von J. F. J. Schmidt,
GehulfcB an der Kooigl. Sternwarte za Bonn.
JLyas Interesse, welches io neuerer Zeit die Stemschnop-
pen mehrfach erregt haben, veranlafst mich zu einigen Be-
merkungen, welche theils die aus correspondirenden Beob-
achtungen gefolgerten Resultate betreffen, theils sich auf
verschiedene, weniger häufig untersuchte Eigenthfimlichkei-
ten dieser Meteore beziehen. Wenn gleich ich weifs, dab
die folgenden Mittheilungen schon Bekanntes wieder berüh-
ren, oder auf Verhältnisse aufmerksam machen, die ander-
weitig yielleicht schon angedeutet worden sind, so scheint
es mir doch nicht unpassend, jetzt, da ich zu einem vor-
läufigen Abschlufs in der Untersuchung über fast neunjäh-
rige eigene Beobachtungen gelangt bin, wenigstens einige
der Resultate bekannt zu machen, welche aus der Anwen-
dung der Bessel'schen Methode ^) auf die Ermittelung der
Entfernungen und senkrechten Höhen der Meteore hervor-
gegangen sind.
Die erste Veranlassung zur Theilnahme an correspon-
direnden Beobachtungen verdanke ich dem Hrn. Oberlehrer
E. Heis in Aachen, der bereits im Herbste 1847 mich auf-
forderte, an bestimmten Abenden in Bonn nach Meteoren
auszusehen, und in bekannter Weise die Zeiten des Erlö-
schens, so wie die Positionen des scheinbaren Anfangs-
und Endpunktes zu notiren. Hr. Heis beobachtete zum
Theil mit seinen Schülern in einem besonders für diesen
Zweck eingerichteten Observatorium auf dem Aachener Schul-
gebäude. So lange die Einrichtungen in Aachen noch keine
scharfen Zeitbestimmungen gestatteten, begnügte ich mich
damit, hier in Bonn stets nur Bruchtheile der Minute, oder
runde Sekunden für das Moment des Verschwiudens anzu-
geben. Späterhin, als wir auch Längenunterschiede bestim-
1) Astronom. Nachrichten No. 380 und 381.
423
meo wollten, verfuhr ich mit der Genauigkeit , welche in
den meisten Fällen bei diesen Erscheinungen zulässig er*
scheint. Bei der Verzeichnung der Meteorbahnen in die
Sterncharte, welche stets gleich nach der Beobachtung ge-
schah, bediente ich mich der neuen Uranometrie von Ar-
gelander. In Aachen wurden die Bahnen in der Regel
gleich auf eine grofse Himmelskugel von 30 Zoll Durch-
messer aufgetragen ' ). Im Jahre 1848 hat die ungünstige
Witterung im August und November die meisten Beobach-
tungen vereitelt; 1849 waren wir glücklicher; indessen ist
zumal in Folge einer bedeutenden Erweiterung des Beob-
achtungsplanes das Material so angewachsen, dafs sich die
Berechnung bis jetzt nur auf einen Theil desselben hat er-
strecken können. Theils auf mein Ersuchen, theils auf
Veranlassung des Hrn. Heis wurden seit dem August. 1849
in Hamburg, Bremen, Bilk, Eschweiler, Düren, Neukirchen
bei Saarbrücken, Frankfurt a. M. und Bern zahlreiche Beobr.
achtungen angestellt. Was ich hier über Entfernungen und
Höhen der Meteore mittheilen werde, ist allein aus den
correspondireuden Beobachtungen in Bonn und Aachen be-
rechnet worden. Alles Uebrige wird in der Folge erledigt
werden.
Die Berechnung nach BesseTs Methode nimmt, wenn
man sich mit der Anwendung derselben nicht sehr viel be-
schäftigt , immer eine ansehnliche Zeit in Anspruch. Aber
sie hat, was nicht für gering zu achten ist, den Vortheil,
dafs sie Kriterien enthält, welche ein Urtheil über die Si-
cherheit der an entfernten Orten gemachten Beobachtungen
gestatten. Sie lehrt aufserdem mögliche äufserste Gränzen .
finden, zwischen welchen das jedesmal erlangte Resultat
unsicher seyn kann, wenn man den Einflufs eines Beob-
achtungsfehlers € auf das eine oder andere Bestimmungs-
stück der Meteorbahn untersucht. Wenn man nicht übersieht,
wie sehr die Factoren von s von der Lage der Meteorbahn
gegen die Standlinie abhängen, so wird man aus der oft
enormen Gröfse derselben nicht auf grofse JBeobachtungs-
1) £. Heis, Die periodiscliea Sternschauppen u. s. w. Colin 1849.
424
fehler scblieCsen wollen. Diese verratben sich in den Quan-
titäten, welche B es sei mit f bezeichnet , and welche an
die beobachteten Oerter anzubringen sind, damit den Be-
dingungen der Gleichzeitigkeit und somit der Identität Ge-
nfige geleistet werde. Es kann im ungünstigsten Falle die
Bechnung den Einflufs von €==i=cz) angeben, während
sich die Beobachtungen ans der Kleinheit von f als sehr
genau herausstellen, und es leuchtet ein, wie wichtig es
zumal für solche Fälle sej, ein und dasselbe Meteor von
drei Punkten der Erde aus zu beobachten, die genügend
weit von einander entfernt liegen.
In dem folgenden Verzeichnisse werde ich die einzel-
nen Bestimmungsstücke so weit mittheilen, als sie zur nä-
heren Beurtheilung des Resultats erforderlich zu sejn schei-
nen. Die vorangehende Untersuchung über die Identität
je zweier Beobachtungen, die in Rücksicht auf die zutref-
fende Zeitdifferenz so sehr oft nur eine scheinbare ist, hat
Hr. Heis sehr sorgfältig nach seiner Methode über die ge-
meinschaftlichen Durchschnittspunkte, geführt. Ich selbst
habe nur die Beobachtungen der Rechnung unterworfen,
welche Heis ab entschieden identisch nachweisen konnte.
Indem ich überall die von B e s s e 1 eingeführte Bezeichnungen
beibehalte, bemerke ich zunächst, dafs für die gegenseitige
Lage der Bonner Sternwarte und des Observatoriums in
Aachen Folgendes angenommen wurde:
Polhöhe von Bonn . . . (O) = 50° 43' 46"
„ „ . Aachen . . ( O') = 50 46 34
Meridian-Differenz . . O — 0'= 1 1 28
9?= 50« 32' 29" y' = 50^35' 17"
il — iw = 266° 18,4 JD = + 2« 35,7
log Ä = 0,98947 Ä = 9,76 Meilen.
H und E! sind die senkrechten Anfangs- und Endhöhen
der Meteore.
Bei den Beobachtungen in Bonn werde ich jedesmal
die No. meines Verzeichnisses beifügen.
425
I
I
1. 1448. Jali29. No. 2873.
BoDD 11^ O'O" Anf. 273«30'— 3» Ende = 245" SO" +3»
Aach. 10 56 „283 — 4 „ 273 — 5
^=198''59',9 /•=— 0»13' f i= — 2«36'
s = 74° 40',6 p = 93» 49',6 r = 45,70 Meil.
«'=46 51,8 p'=89 41,4 r'= 10,00 „
ff =84 12,0 n=9i 17,3 p = 44,14 „
ff'=74 18,7 n'=95 55,9 (.'= 7,86 „
H = 25"',88 ± 38,88 e. B= 4", 1 9 ± 2,56 e.
Ein sehr grofses prachtvolles Meteor, welches mit strah-
lendem grünem Lichte den Himmel erhellte und lautlos zer-
platzte. Schweiffigur kaum kenntlich. Zeitdauer zwischen
2" und 3".
2. 1849. Juli 28. No. 3291.
Bonn ll' 12' 19" A.=267''30'+28n2' E.=255'>+16«30
Aach. A.=296 +18 E.=284 +14
4=200" 51',4 /'= — 5»22' f= — 2«4'
«=68» 16,0 p=60'>35',0 r= 9,67 Meil.
«'=54» 59,0 p'=71 37',0 r'= 15,26 „
ff =54» 5,0 ;r = 71 44,4 (> =10,90 „
o'=82 43,5 :;i'=76 12,6 p' = 12,54 „
jff=9"',20db2,61 8. ir=10"',00± 1,24 «.
Meteor der ersten Gröfse, geschweift, gelb. Dauer
= 0",5.
3. 1849. Juli 28. No. 3293.
Bonn ll''23'45' A.=237»30'+22° E.=211»+24»30'
Aach. A. = 254 +28 E.=222 +30
il=203»43',6 /■=— 0»4' f=— 2»59'
«=38» 6',0 p=56»38',2 r=28-,97 Meil.
»'=23 0,0 p'=17 7,9 r'=53 ,29 „
ff=54 11,5 ;r=56 51,1 p=22 ,15 „
ff'=32 24,9 ?r'=30 25,4 ()'=44, 50 „
JI=17»,28± 3,43 6. ff'=24",60=i=12,62 6.
Grünes und geschweiftes Meteor der ersten Gröfse.
Dauer =2".
426
4. 1849. Aag. 11. No. 3343.
Bonn 9U0'47" A.=r310»+17' E.=300» — l«
Aachen A.=318 +16 E.=317 —3
4=191' 42',9 /^=+2»44' f = — 0<'43'
« = 116° 58,3 p = 75 » 7',6 r = 60,04 Meil.
»'=108 18,7 p'=90 11,7 1^=27,10 „
0=123 46,4 ;i=68 45,7 (> = 65,05 „
a'=125 21,1 ;i'=91 50,3 (»'=31,56 „
ir=44-,5l ±12,98 «. ff'= 16-,56±2,30 s.
Meteor der zweiten Gröfse , weifs. Dauer :s 0",6.
5. 1819. Aug. 11. No. 3362.
Bonn II' 3' 49" A. 321<' + 70"' E. 302" +64°
Aachen A. 358 + 57 E. 312 + 42
4=212° 31',6 /'=— 0°23' /'' = — 6»29'
s= 93» 46',0 p = 18" 58',3 r =25,65 Meil.
*'= 87 25,5 p'=26 1,6 »^=18,99 „
<r = 114 13,0 ;i=19 47,3 ^=28,04 „
ff'=116 12,5 fl!'=39 45,0 p'=20,96 „
ff=24-,08db2,98 s. H'= I8-,48=*=1,22 «.
Meteor der zweiten Gröfse, geschweift, gelb. Dauer
= tf ',75.
6. 1819. Aug. 20. No. 3421.
Bonn 9>'25'0'' A.=2I5°+52»30' E.226°+40°
Aachen A.=245 +80 E.280 +62
4 = 196°37',6 /■=+2°51' /"=+l»31'
«=52»11',3 p=14° 3,1 r= 19,50 Meil.
»'=45 53,5 p'=31 32,8 r'= 15,31 „
<r=80 48,0 n= 1 33,3 (. = 15,56 „
ff'=84 35,0 i»r'=27 55,9 (»' = 11,86 „
H=z 13",99±0,93 6. 5*= 10-,90±0,60 «.
Dritte Gröfse, weifs und geschweift, mit gekrümmter
Bahn.
7. 1849. Sept. 27. No. 3445.
Bonn 8''48'0" A.=251»+31°30' E. =236° +30« 30*
Aachen A.=270 +44 E.=239 +44
4=224° 48',4 f=+0°9' /"=— 3°31'
427
»=38» 0',5 p=37»41',l r=8,32 Meil.
»'=29 51,0 p'=19 38,9 r'=6,42 „
(T=57 27,7 ;i=37 15,6 (>=6,01 „
c'=51 15,5 Ji'=31 13,4 e— MO „
J?=5-,12±0,14 «. £r'=3»,96dbO,31 «.
Rotbgelbes geschweiftes Meteor der zweiten Gröfse.
8. 1849. October 22. No. 3463.
Bonn IOMO'24". A.=235° + 72» E.=230»30'+64»
Aachen A.=175 +74 E.=187 +65
ii=285°6',l /■=+0°26' f=+l°22'
«=76° 3',0 p =345« 51,7 r = 51,76 Meil.
*'=72 52,7 p'=338 2,6 r'= 36,46 „
<T=92 55,8 ;i=344 58,7 (»=50,31 „
<T,=91 3,4 «'=335 15,7 e'=34,86 „
H= 30»,94 ± 6,43 «. H'=l 7-36 ± 2,28 e.
Meteor der dritten Gröfse, weifs. Dauer ^1".
9. 1849. Nov. 11. No. 3555.
Bonn 7'" 9' 7» A. 345° + 49" E. =310° +30°
Aachen A. 29+34 E.= 0+28
4=246° l',6 /'=+0°5' f= — 0"21'
»= 93°54',0 p =40» 30,4 r =13,02 Meil.
s'= 66 16,6 p'=58 12,7 r' = 13,03 „
ff = 129 28,4 n=iO 18,9 (»=16,80 „
ff'=109 41,3 n'=58 58,3 (»' = 12,76 „
H= 12-,99 ± 1,33 e. if' = 1 1-,27 + 0,83 «.
Schönes grünes Meteor der ersten Gröfse, schweiflos,
wellenförmig geschlängelt.
10. 1849. Nov. 11. No. 3558.
Bonn 7'' 44' 28" A. = 73°+57» E.=101»+62°30'
Aachen A.=71 +31 E.= 86 +44
il=253°13',9 /^=-l°7' f= — 0°25'
» = 120° 24,4 p= 0° 8,8 r= 12,25 Meil.
»' = 111 35,6 p'=346 37,4 1^=54,12 „
428 • •
<y=146 20,3 !T= 3 27,3 (>=19,13 Meil.
ff' =132 1,1 ;r'=347 38,7 (»'=58,29 „
W=8'",86db 1,49 6. fl'=28'",64dbl9™,38«.
Zweiter Gröfse , gelb und geschweift. Dauer := 1".
11. 1849. Nov. 11. No. 3556.
Bonn 7'' 23' 36" A. 274" + 32° E. 263» +26"
Aachen A, 344 +61 E.274 +35
.1=248'' 0,1 [=^+3" 5' /•'=— 0"54'
s =38° 14',3 p =36« 54',9 r = 26,48 Meil.
s'=27 29,1 p'=:30 16,1 r'= 7,64 „
ff =99 37,9 ;i=28 49,7 p =19,76 „
ff'=40 24,3 ;r'=33 38,3 ()'= 4,52 „
ff=l9'",44±26,60 s. JI'=3°',01d=0,30 6.
■ Meteor der vierten Gröfse, weifs. Dauer =rl".
12. 1849. Nov. 12. No. 3596.
Bonn 6'' 52' 24" A. 175° + 49° £.=183° + 45°
Aachen A. 146 +53 E. = 161 +43
A=241°9',9 /•=— 1°3' /^'=+3°44'
« = 72°35',7 p=321» 1,8 r =184,5 Meil.
s'=66 8,0 p'=318 56,0 r'= 44,1 „
ff = 91 1,8 ;i=323 10,1 (>= 181,8 „
ff' = 72 30,0 ?i'=310 55,3 q'= 41,1 „
ir=53'",69±96"',00 s. ff'=7°',84±3,15 «.
Meteor der zweiten Gröfse, gelb.
13. 1849. Nov. 12. No^3600.
Bonn 7"' 24' 44" A.=200° + 50° E.=212°30'+36»
Aachen A. = 183° + 55° E.=210 +32°
4=249° 16,4 /^= — 0"3' /"=+2°14'
«=63° l',l gf =326° 52,1 r = 13,82 Meil.
a'=47 37,3 p'^319 2,3 r'= 8,46 „
ff =74 28,2 «=326 58,7 (» = 12,80 „
ff'=47 9,9 «'=312 56,9 (»'= 7,45 „
H= 3-,80±0,46 6. ff = l-,06 ±0,05 e.
Rothgelb, geschweift. Dauer =1",5. Dasselbe Meteor
wurde auch in Eschweiler beobachtet.
429
Verbindet man die dort erhaltenen Positionen mit der
Bonner Beobachtung, so erhält man:
/•=_0Mr. f=+ri'.
H= 2",57 ± 0,26 «. H' = 0-,83 ± 0,03 «.
14. 1849. Nov. 12. No. 3610.
Bonn 9'' 3' 20" A.= 266« 30' -4- 37 »30' £.=270» 4-30°
Aachen A.=245 +67 E.=267 +47
4=273° 59,5 ^=+0»34' /"= — 0°7'
s =35° 34',6 p =349» 45',5 r =25,61 Meli.
»'=27 39,9 p'=352 32,4 r' = 18,68 „
«y=67 28,6 ;i=348 10,1 ß = 18,57 „
ff'=42 27,7 jt'=352 56,2 p'=ll,01 „
ff = 9",90 ± 3,86 6. H' = 6",06 =b 1 ,38 «.
Meteor der fünften Gröfse; nebelartig.
15. 1849. Nov. 12. No. 3629.
Bonn ll''43'4" A. = 283» + 51°30' E.=267» + 48» 18'
Aachen A.=258 +70 E.=247» + 47
A=314»l',9 /"= — 2°40' /"=+3»20'
s=55»21',8 iJ=337» 2',6 r = 12,44 Meil.
s'=60 53,1 p'=326 8,0 r'= 13,09 „
«r = 76 30,0 JT=.343 2,2 (»=1058 „
ff'=72 36,1 n'=3lS 51,0 (»'=11,93 „
ir=4"',82±0,18€. £r'=3-,39d=0,l5«.
Zweiler Gröfse, rotbgelb, geschweift. Dauer = 1"5.
16. 1849. Nov. 12. No. 3635.
Bonn ll*59'57" A. = 314°+28» E.=316» + 19"
Aachen Ä. = 309 +33 E.=306 +20
il=318°10',9 f=+r 29' /•'=+4°7'~
«=25» 43,0 p =351» 27,8 r =5,13 Meil.
»'=16 32,7 p'=352 43,9 r'=6,ll „
0=31 35,9 jr = 345 12,0 (. = 5,60 „
o'=21 2,4 5i'=326 28,2 (»'=4,27 „
fl=l",49±0,64 6. JEr=l'",l9±0,45«.
Meteor der vierten Gröfse, gelb und geschweift.
430
17. 1849. Nov. 12. No. 3636.
Bonn 12''7'39" A. =290° +53» E. = 297» 30'+46»
Aachen A.=232 +73 E. = 296 +53
^=320° il'.O fz=—l''5& f=— 1"22'.
* =56° 13,8 p=338°39',3 r=2,38 Meil.
«'=47 42,7 p'=338 46,2 r'=2,60 „
ff = 86 41,0 n=342 59,5 (>=8,67 „
^=54 13,0 Ji'=342 18,6 (»'=8,24 „
ir=0-,97±3,14e. JI'=0"',94db3,13 s.
Meteor der dritten Gröfse, vreifs, geschweift.
18. 1849. Nov. 13. No. 3665.
Bonn 9''23'19" A.=257°+64» E.=250°+61°
Aachen A.=179 +78 E.=182 +69
il=279°59',2 /■=+0»22' /"=+2°20'
s =63° 38',8 p =348" 59',3 r =22,37 Meil.
»'=62 40,3 p' = 344 10,4 r'=22,16 „
a—9n 35,8 !T=348 13,3 p =20,04 „
ff'=91 56,2 51=339 12,7 (»'=19,69 „
jff= 12-,97± 1,03 «. £r'=ll'»,45db0,82 e.
Vierter Gröfse, weifs.
19. 1849. Nov. 19. No. 3684.
Bonn 7'' 29' 44" A.=215"+61°42' E.=224°42'+59°
Aachen A.= 112 +61 E. = 130 +63
A=257°25',4 /■=— 1°28' /"= + l°33'
»5= 67° 4,6 p=339°41',0 r =78,19 Meil.
«'= 61 51,2 p'=341 35,8 r'= 58,70 „
ff=lll 3,0 51=342 51,0 ß=74,94 „
<t'=103 36,7 ;r'=338 13,4 (»'=54,77 „
ff=39'»,02 ±29,15 «. ff '=29'»,09± 15,82 e.
Ich gewahrte diese aufserordentlich glanzvolle Erschei-
nung erst, als ich nach einer fast entgegengesetzten Stelle
des Himmels blickend, durch die magisch grüne Erleuch-
tung des Himmels, und des im Süden von der Sternwarte
hinziehenden Gebirgszuges, aufmerksam gemacht wurde. Als
ich das Meteor erblickte, war es gerade am Erlöschen, und
431
liefs dunkelrotbe Fragmente fahren. Aber die leuchtende,
weifse, völlig gerade Schweiflinie , welche erst nach 13"
erlosch, gab genaa den durchlaufenen Weg an. Dieser
Schweif, dessen Glanz anfangs dem der Sterne zweiter
Gröfse glich, hatte an seinem Ende mindestens 5' im schein-
baren Durchmesser, was auf einen wahren von 1950 par.
Fufs führt. Mit mir beobachtete das Meteor Hr. Stud. Thor-
mann aus Bern, der, indem er seine eigene Beobachtung
mit der von H eis in Aachen angestellten verband, folgende
Resultate berechnete.
Beobachtungen von Thormann Nov. 19.
Bonn 1^29' U" A. 216" + 61M2' E. 222"30'+58"
Beobachtungen von Heis Nov. 19.
Aachen A. 112° +61° E. 130° +63"
il=257°25',4 f=z-lU& /" = — 1°44'
«=66° 44,0 p=340° 2*,! r = 130,4 Meil.
s'= 61 48,4 p'=339 26,4 r'= 50,5 „
(T = lll 2,9 7t = 3i2 51,2 e =126,1 „
<y'=103 36,4 ;r'=335 42,0 q= 46,7 „
JI=68'",17± 180,5 e. jy' = 23"',75±22,6 6.
Die Dauer der Erscheinung wurde von uns beiden auf
1",5 höchstens auf 2" geschätzt. Man sieht aus beiden
Rechnungen, wie ungünstig für die Ermittlung der Entfer-
nungen, die Bewegung des Meteors gegen unsere Standlinie
gerichtet war.
Eine nähere Betrachtung der Quantitäten f und f so
wie der Positionswiukel wird darthun, in wie weit Beob-
achtungen, die an zwei, nahe 10 Meilen von einander ent-
fernten Orten angestellt wurden, die Bedingung der Gleich-
zeitigkeit erfüllen.
Es zeigt sich, dafs f vorkommt *): zwisch. 0° u. 1° .... 14 Mal
12 9'
99
»
99
li 99 ^ .... \J „
«j „ 4 .... 4 „
99 ^ » "^ •••• ^ «'
t> „ 7 .... 1 „
1 ) Vergleiche die ZusaimnenstelluDg der f nach den Rechnungen von
Feldt in der Abhnndhmg von Bessel, Astr. Nachr. ^o. 380.
432
Da man die Höhen jedesmal aas 2 Dreieckoi bestiiii-
men kann, so mfissen die H nnd ff^ H^ and H^' am so
besser zusammen stimmen, je kleiner f ist. Eis kommen
Beobachtansen ror, die durch solche Deber»nstimmaiig
hinlSnglicfa beweisen, welcher Genauigkeit diese Bestini-
mangen fiihig sind, wenn sie mit gehöriger Umsicht und
s^r genauer Bekanntschaft mit den X>estimen angestellt
werden. Ich werde darüber die folgenden Beispiele an-
führen ' }.
H^ und f / aus Qjq\ Sifs/.
25-.S8 4-,19
17 /28
4S ,02 16 ,00
24 ,17 IS ,80
13 ,13 11 ,59
30 ^
13 ,07 11 ,^1
12 J8
41 .21 27 ,25
Es ist aiiOallend. sowohl nach diesen Rechnungen ak
nadh denen itoq Brandes. da£$ gerade oft die glänzend-
sten and ^ro&arti^ten Erscheinungen in Höhen stattfinden,
wo man die Atmo;>phäre der Erde ab fast Terschwindenl
ansehen mufs^ während Meteore tqq mattem Glänze, Steraeii
der vierten bis seefasten Grötse ähnlich, sich auf ein bis
zwei Meilen der Erdoberflache nähern. DieCs werden
spätere und zahlreichere Beobachtungen noch besser her-
ausstellen, und dann eriunem kOonen, daC? mözlicherwcise
die Atmosphäre es nicht ser. welche das Leuchten (Globen)
der Meteore bedingt, wie man Torwiegend oft nnd lang^
an^enonuuen hat. Es wäre zewiCs ^oa Interesse, frühere
^Iju die Emxbuhc ^OLwr als «ile \jifan^>^io2i«: f^t. £3 gicnü^l aber,
B«r<>iKfecii.cun^«fiiL«r vua 1* und wea.'^r oa^unciiown . not ila» Sluiftf
«fcer Eaba ia eia ^akea su ««rwanticLn» (Tci^L iie AhlnmilMH «•■
E and B ans r.
r, 5. 3'.
No. -2573 26-^25
4-.65
3293. IT /24
3343. 44 ^1
16 .56
3362. 24 .OS
IS ,4S
3421. 13 i»
10 SO
34d3. 30 jn
3555. 12 M
U .27
36Ö5. 12 Sl
3tiS4. .39 .02
■29 ,09
433
bedentende Erscheinungen, zumal solche, welche mit De-
tonationen begleitet waren, und Stein- oder Eisenmassen
fallen liefsen, jetzt noch einer scharfen Prüfung nach B es-
se i's Methode zu unterwerfen, so weit das etwaige De-
tail solcher Beobachtungen es zulassen sollte. Die Angaben
über Höhen, Geschwindigkeiten und Gröfsen der Meteore
sind bekanntlich sehr oft höchst schwankend, und es ist
wichtig, die ungefähren Gränzen kennen, zu lernen, inner-
halb welcher das Resultat unsicher sejn kann. So habe
ich beiläufig das grofse Meteor von 27. Aug. 1847 berech-
net, welches in Paris und Dieppe beobachtet wurde, und wor-
über Hr. Petit mehrfache Untersuchungen angestellt hat,
bis er zuletzt eine Hjperbel fand. Er berechnete die Stö-
rungen der Erde, und glaubte nun gefunden zu haben, dafs
das Meteor aus der Region der Fixsterne in unser System
gekommen sey. Wenn aber das in dem Comp, Rend. und
in den Astr. Nachr. No. 701 mitgetheilte Detail der Beob-
achtungen wirklich richtig, und nicht Tielleicht zufällig durch
Schreib- und Druckfehler entstellt ist, so zeigt sich, dafs
die /'und f die enorme Gröfse von 18^ und 19^ erreichen.
Man sieht darnach leicht, welcher Spielraum für die weite-
ren Schlüsse übrig bleiben mufs.
Fast bei jeder Beobachtung habe ich mich bemüht, so
genau wie möglich die Zeitdauer der Erscheinung (gewöhn-
lich nach Drittel -Sekunden) zu bestimmen. Jeder, der
hiermit sich beschäftigt hat, wird die ungemeine Schwierig-
keit solcher Schätzungen kennen. Wenn mau den Einflufs
der Aenderungen von r und r', welche durch einen Beob-
achtungsfehler e entstehen können, d. h. den Einflufs von
dr und dr' auf die Bahnlänge untersucht, so wird man in
den meisten Fällen sich überzeugen, wie unsicher, ganz,
abgesehen von dem Fehler in der Schätzung der Zeitdauer,
die allerdings oft mehr als planetarischen Geschwindigkei-
ten sich herausstellen.
Es hat mir stets geschienen, dafs aufser den gemein-
schaftlichen Untersuchungen, welche in Bücksicht auf die
Entfernungen der Meteore an verschiedenen Orten ange-
Poggendorffs Annal. Bd. LXXX. 28
434
stellt werden mfissen, dem Einzelnen, der sieb aus Lieb-
haberei mit astronomischen Arbeiten beschäftigt, noch Vie-
les zu beobachten übrig bleibe. Ich meine die besonderen
Eigenthfimlichkeiten der Meteore, die sich in der Farbe,
in dem Glänze und dessen Modificationen, in der Schweif-
bildung, so wie in der oft anomalen Bewegung kund ge-
ben. Zerstreute Beobachtungen der Art sind hier und da
vorhanden. Wenn man aber dahin strebt, ein grofses Phä-
nomen der Natur, so weit es erreichbar ist, in seinem gan-
zen Umfange zu erkennen, so kann es nicht genügend er-
scheinen, eine gelegentliche Notiz über Farben und Schweif-
erscheinuugen als Stütze zu bedeutenden Schlufsfolgernn-
gen zu benutzen. Will man die Ursachen und nähere
Bedingungen kennen, unter denen das Leuchten oder Ver-
brennen der Meteore vor sich geht, so scheint es nöthig,
nicht ganz allein bei der Betrachtung heruntergefallener Stein-
oder Eisenmassen stehen zu bleiben, oder nur die, in der
Regel wenig sicheren Höhenangaben mit der gegenwärtig
bekannten Ausdehnung der Atmosphäre zu vergleichen. Die
Farben und Lichterscheinungen (Intensitäten), zusammenge-
stellt mit den Entfernungen, die Schweifphänomene vergli-
chen mit dem Glänze und der Farbe der Meteore, kurz,
die möglichst vielseitige Combination so mannigfaltiger Ei-
genthümlichkeiten, wird in der Folge gewifs noch mehr
Mittel darbieten können, das Problem von den Meteoren
in seiner ganzen kosmischen Bedeutsamkeit aufzufassen.
Was ich selbst im Laufe von fast 9 Jahren in ähnlicher
Rücksicht beobachtete, habe ich im Laufe des letzten Win-
ters zusammengestellt, um eine Einsicht in die etwaigen Er-
gebnisse zu erlangen, welche 37CH) sorgfältig angestellte
Beobachtungen zu versprechen schienen. Die Aussicht, in
der Folge weniger Zeit und Gelegenheit für derartige Un-
tersuchungen zu finden, machte es mir wünschenswerth,
Einiges jetzt schon mitzutheilen. Was aufserdem sich über
die Farben und Schweifphänomene, über Convergenzpunkte,
Höhen und Geschwindigkeiten, über Verwendung der Me-
teorbeobachtungen zur Ermittelung von Meridiandifferenzen,
435
Ober iekskopische Sternschnuppen, die ich in grofser Ati-
sahl bei anderen Beobachtungen gesehen habe, ect. heraus-
gestellt hat, hoffe ich bekannt machen zu können, wenn
sich mir für die völlige Durchführung meiner Arbeit Ton
gröfserem Umfange eine günstige Veranlassung darbieten
sollte. —
XIII. Per besserte Darstellungsweise der Fumarsäure ;
pon W. Delffs.
JLIas Verfahren, welches von den meisten chemischen Hand-
büchern vorgeschrieben wird, um die Fumarsäure aus dem
Kraut der Fumaria offidnalis darzustellen, rührt von De-
marcay ') her, und stimmt bis auf einige Vereinfachun-
gen mit dem ursprünglichen Verfahren von Win ekler'),
der bekanntlich diese Säure zuerst aus der Fumaria gewon-
nen hat, überein. Beide Chemiker fällen nämlich den aus-
geprefsten und geklärten Saft des Krautes (Win ekler,
nachdem er unnöthigerweise den mit der Fumarsäure ver-
bundenen Kalk durch oxalsaures Kali entfernt bat), mit
essigsaurem Bleioxjd, zerlegen den ausgewaschenen Nieder-
schlag durch Schwefelwasserstoff, und beschaffen die Reini-
gung der abgeschiedenen Säure durch Thierkohle u. s. w.
Man sieht, dafs diefs Verfahren das gewöhnliche ist,
dessen man sich zur Aufsuchung neuer Säuren zu J)edie-
nen pflegt. Die leichte Ausführbarkeit desselben beruht
indessen auf den beiden Voraussetzungen, dafs das Bleisalz
der darzustellenden Säure unlöslich, und dafs die Säure
selbst löslich in Wasser sey. Vom practischen Gesichts-
punkt aus betrachtet, erfüllt nun die Furmarsäure nur die
erste dieser Bedingungen, denn da dieselbe reichlich 200
1) Ann, de chim. et de phys. LVL 429.
2) Bachner's ReperU XXXIX. 374.
28»
4?^
hJü^m ^^Ji! t^j t XH Am- IjfcvK >iHliif. ^«€rdc maö
rate Uwm F«mr»«r^ ia BlcHalz «nfefihr 13 Pfand
^Vasscr 9(aranr<>Bd«Q kalK«. Die fee^fis dnos erwachsen-
4cB UefccIsliBde: Besratnar $<kr ^ofswoöser Gefalse und
tm hiwieii£€g Abd^rpfacs^e^^lAft . kaben sewifs man-
ckea CbesEÜer <S^ Dij?!^!!^:^^ £e?«T dunA ihre dicmisciien
TerliältDir^e aa5^*x«cLse**si Sinre ^rHesdef. Andi lassen
ädi <fie<e Uebel^ticd? AjA Aü^n^donf ^on betfsem "Was-
ser nidit be^ti£e!:!. kA^* s^ene Unbetpemlidikeiten her-
bciznfcliren. Z^^tr ist dif FuBzrsaiire in Äderndem Wsts-
ser zienlich l^icLt l^tflkk. md e« fieue «ich dardi Anwen-
dan£ de<5elbefi die obice Waesefvense bedeatend Teringern;
allein abfesdies da^on. dau »!^lanw S^ Zerlesuns des Blei-
sähe« darch Schwefelwasserstoff, w^lci^c man sonst unter
freien HiBinel äcb seihet obeiiassen kann, die Anfimcrk-
samkeit de« Laboranten wahrend der eanzen Daaer des
Tcrsochs in Anspmcb nimat. — lafst «ich diese Operation
wesen des starken Aa&to(5eiis der Flnssiskeit nur dann
ausfuhren, wenn man die letztere fortwährend umrührt
UeberdieCs habe ich mich nberzeo£t. daf? es sehr schwer
hält, das fnmarsaure Bleioxjd durch Schwefelwasserstoff
so ToUständii: zu zersetzen, dafs man keinen erbeblichen
Verlust erleidet
Es ist daher ^iel zweckmafsiser, die Anwendung des
Schwefelwasserstofis zor Zersetzung des fnmarsaoren Blei-
oxjdes ^nz zu umgehen, und anstatt dessen die nachfol-
gende 3Ietliode zu benutzen, wobei nicht allein die ange-
fahrten Schwierigkeiten wegfallen, sondern auch der Vorthefl
erreicht wird, daCs die Säure gleich bei der ersten Abschei-
düng reiner, als nach anderen Darstellungsweisen , ausfallt
Es beruht diese Methode auf dem Umstand, dafe die Fn-
marsaure Ton concentrirter Salpetersäure, selbst in der Hitze^
nicht angegriffen wird.
Ulan verfahrt im Anfang, wie Winkler und Demar-
f nj Torschreiben. Das frische Kraut wird unter Zusatz
▼on etwas Wasser zerstolsen und ausgeprefst. Die tröbc,
grfingef^bte FlQssigkeit wird bis zum Sieden erhitzt, wo-
437
bei sich ein Gerinnsel von Eiweifs und Chlorophyll abschei-
det. Nach Entfernung desselben zeigt die Flüssigkeit eine
hellere, mehr in's Gelbliche spielende Färbung, welche
nicht weiter durch Thierkohle, wie Demar^aj vorschreibt,
beseitigt zu werden braucht. Dagegen ist es nicht uuzweck-
mäfsig, die Flüssigkeit ein paar Stunden der Ruhe zu über-
lassen, wobei sich ein gelblicher Bodensatz abscheidet; von
welchem der gröfste Theil der Flüssigkeit durch Abgiefsen,
der Rest durch das Filtrum getrennt werden kann. Mau
schreitet alsdann zur Fällung mit essigsaurem Bleioxyd.
(Um diese Operation in kürzester Zeit vollständig und zu-
gleich unter Vermeidung eines allzu grofsen Ueberschufses
des Fällungsmittels auszuführen, ist es hier, wie in ähn-
lichen Fällen, zweckmäfsig, die zu fällende Flüssigkeit in
zwei oder mehrere Cylinder zu vertheilen und die Lösung
des essigsauren Bleioxyds (oder sonstigen Fällungsmittels)
aus einem mit Filter versehenen und an einem Stativ be-
festigten Trichter nahe am Rande des Cylinders in die Flüs-
sigkeit tropfen zu lassen. Man wird dadurch in den Stand
gesetzt, die Bildung des Niederschlags weit länger mit dem
Auge zu verfolgen, als wenn das Fällungsmittel mit einem-
mal in gröfserer Menge hinzugesetzt wird, wobei sich in
der Regel die ganze Flüssigkeit trübt, und alsdann so lange
mit dem neuen Zusatz gewartet werden mufs, bis sich die
Flüssigkeit wieder geklärt hat. Haben die sich bildenden
Niederschläge keine allzu voluminöse Beschaffenheit, so läfst
sich die Fällung gewöhnlich ohne Unterbrechung beendigen;
im entgegengesetzten Fall hat der erste Cylinder Zeit sich
zu klären, während man den zweiten in Arbeit nimmt u. s. w.)
Das entstandene fumarsaure Bleioxyd ist gelblichgrün gefärbt
und anfangs ziemlich voluminös, sinkt aber später etwas
zusammen. Man thut daher gut, diesen Zeitpunkt abzuwar-
.ten, ehe man sich au's Auswaschen macht. Letzteres kann
abgebrochen werden, wenn die ablaufende Flüssigkeit nur
noch wenig gefärbt ist. Nachdem das auf Fliefspapier aus-
gebreitete fumarsaure Bleioxyd lufttrocken geworden ist,
wird es zerrieben und in einer geräumigen Schale in klei-
438
nen Antheilen mit concentrirter Salpetersäure ^) fibergossen,
bis das mit dem Spatel durchgearbeitete Gemenge in einem
dicken bellstrohgelben Brei verwandelt ist. Eis findet hier-
bei eine ziemlich starke Erhitzung statt, und das Volumen
des Gemenges schwillt ungefähr auf den doppelten Raum,
welchen es nach dem Erkalten einnimmt, an; gleichwohl
entbinden sich wenig salpetersaure Dämpfe. Nach Verlauf
von 24 Stunden rührt man das Gemenge von salpetersau-
rem Bleioxjd und freier Fumarsäure mit so viel Wasser
an, als erforderlich ist, um die fiberschüssige Salpetersäure
abfiltriren zu können, wäscht einigemal mit Wasser aus^
läfst gut abtropfen, und zieht die Fumarsäure mit kochen-
dem Weingeist von gewöhnlicher Stärke, worin sie sich
am besten löst, aus. Der Rückstand von der weingeistigen
Lösung, welchem etwas salpetersaures Bleioxjd beigemengt
ist, wird in Ammoniak gelöst. Letzteres nimmt neben der
Fumarsäure immer Spuren von Bleioxjd, und, wenn man
sich des gewöhnlichen, im Handel vorkommenden Bleizuckers
zur Fällung bedient hatte, auch immer etwas Kupferoxyd
auf, welche, nachdem das überschüssige Ammoniak durch
Erhitzen verjagt ist, durch Schwefelwasserstoff entfernt wer-
den. Die gefällten Schwefelmetalle tragen auffallend zur
Entflirbung der Flüssigkeit bei, so dafs das Filtrat beim
freiwilligen Verdunsten gewönlich schon ziemlich farblose
Krystalle von doppeltfumarsaurem Ammoniak absetzt. Nur
in dem Fall, dafs die Krystalle stärker gefärbt erscheinen,
ist es erforderlich, dieselben durch Auspressen zwischen
Fliefspapier und Umkrystallisiren zu reinigen; gewöhnlich
reicht es hin, die wenig gefärbten Krystalle in heifsem
Wasser zu lösen, und einen geringen Uebersdiufs von
Salpetersäure hinzuzufügen, um den Rest der färbenden
Materie zu zerstören, und beim Ekalten der Flüssigkeit
farblose Krystalle von Fumarsäure zu erhalten. Die voll-,
ständige Abscheidung der Fumarsäure erfordert indessen
1) Ich bediente mich anfangs einer Saure von 1,45 spec. Gew., fand aber
spSier, dafs man mit einer Säure von gewohnlicher Stärke ebenso gut
•einen Zweck erreicht.
439
längere Zeit, als man bei der Schweriöslichkeit derselben
erwarten sollte, und erfordert einen Zeitraum von mehreren
Tagen.
Ungeachtet die mittgetheilte Darstellungsweise der Fu*
marsäure in der Beschreibung weitläufiger, als die im Ein-
gang berührte, aussieht, indem sie eine gröfsere Anzahl
von Operationen einschliefst: so führt dieselbe doch weit
rascher und bequemer zum Ziele, und gewährt, was be-
sonders hervorzuheben ist, eine reichliche Ausbeute. In
dieser letzteren Beziehung läfst sie auch eine später von
Winckler bekannt gemachte Methode ^ ) weit hinter sich
zurück. Wink 1er erhielt nämlich aus 100 Pfund frischem
Kraut gegen 2^ Unzen reiner Fumarsäure. Ich habe da-
gegen höchstens 20 Pfund Kraut in Arbeit genommen, un-
gefähr die Hälfte des gewonnenen fumarsauren Bleioxjds
bei vorläufigen Versuchen verloren, und gleichwohl über
5 Drachmen reiner Fumarsäure gewonnen. Die Ausbeute
nach meinem Verfahren ist also ungefähr 2^ mal gröfser.
Ohne Zweifel erklärt sich die geringere Ausbeute Win ek-
ler's zum Theil aus dem Umstand, dafs derselbe Thier-
kohle zur Entfärbung der Säure anwandte, ein Verfahren,
das man, wegen der dabei statttfindenden Verluste, in neue-
rer Zeit so viel wie möglich zu umgehen sucht.
Schliefslich mögen hier noch ein paar Bemerkungen
über die Krystallform des doppeltfumarsauren Ammoniaks
Raum finden. Ich hegte anfangs die Hoffnung, die geringe
Anzahl genauer Angaben über die Krjstallform organischer
Verbindungen um eine vermehren zu können, weil ich bei
der ersten Darstellung des noch unreinen Ammoniaksalzes
sehr deutlich ausgebildete Krystalle erhielt. Leider zeigte
sich beim Messen mit dem Keflexions- Goniometer, dafs die
Flächen trotz ihres Glanzes nicht eben genug waren, um
eine genaue Bestimmung der Winkel zuzulassen. Beim
Umkrystallisiren trat der auch schon in anderen Fällen
beobachtete Umstand ein, dafs die Deutlichkeit der Form
mit dem Grad der Reinheit der Substanz abnahm. Gleich-
1) Buchner 's ßepert. LX^III, 39.
440
wohl geht Folgendes mit Sicherheit aas meinen Beobach-
tungen hervor. Die Krjstalle des doppeltfumarsauren Am-
moniaks gehören zum zwei- und eingliedrigen oder kliuo-
rhombischen System; sie bestehen aus vierseitigen Prismen
mit Winkeln von ungefähr 70 und 110®, und schief aaf-
gesetzten Endflächen, welche mit den scharfen Seitenkan-
ten Winkel von ungefähr 60 und 120° bilden. Die Krj-
stalle sind sehr deutlich diesen Endflächen parallel spalt-
bar. Bei einigen Krystallen waren die Endflächen durch
zwei, auf die stumpfen Seitenkanten aufgesetzte und in der
Macrodiagonale zusammenstofsende, Flächen verdrängt. In
trockner Luft werden die Krvstalle matt; in verschlösse-
nen Gefilfsen lassen sie sich unverändert aufbewahren.
XIV. Leichte Darstellung des Helenin s;
con FT. Del/fs.
Wenn man die frische, in Scheiben zerschnittene Wur-
zel von Inula Helenium mit Weingeist von 80 Proc. aas-
kocht und die heifsfiltrirte Lösung mit ihrem drei bis vier-
fachen Volumen kalten W^assers vermischt, so eotstcht eine
schwache Trübung, und nach 21 Stunden finden sich in
der Flüssigkeit blendend weifse, mehrere Zoll lange Na-
deln von reinem Helenin. Die ]\Iotterlauge hält so we-
nig Helenin zurück, dafs es kaum der MQhe werth ist,
dieselbe abzudampfen. Der Versuch gelang auch mit der
getrockneten Wurzel, welche ein halbes Jahr lang aufbe-
wahrt worden war; jedoch schien mir die Ausbeute etwas
geringer. Die zu diesen Versuchen benutzte Wurzel war
gegen Ende Octobers gesammelt worden.
441
XV. Analyse €>erschiedener Kohleneisensteine aus
der Steinkohlenablagerung an der Ruhr;
von Dr. C. Schnabel,
Director der Realschule in Siegen.
V or etwa 18 Jahren wurde auf der Steinkohleugrube
„Friederika" in der Nähe der Stadt Bochum ein bisher
dort unbekanntes Fossil , angeblich von schwarzer, an ein-
' zelnen Stellen brauner, ins Rothe fibergehender Farbe ent-
deckt. Die Lagerstätte desselben befand sich zwischen
Kohlensandstein und Schieferthon ; sie bildete ein beiläufig
2 Fufs mächtiges Flötz, ebenso regelmäfsig als die Stein-
kohlenflötze und diesen völlig parallel. Als dieselbe später
noch mehrmals durchfahren wurde, veranlafste die Berg-
behörde eine vorläufige Untersuchung des Minerals, welche
einen nicht unerheblichen Eisengehalt nachwies.
Obgleich nicht sehr weit von dieser Steinkohleuzeche
auf einer Nachbargrube derselbe Eisenstein nochmals und
in nicht unbedeutender Ausdehnung bekannt geworden war,
so stand doch das Vorkommen desselben im Steinkohlen-
gebirge an der Ruhr seither immer noch isolirt und erregte
wenig Aufmerksamkeit, bis im Anfang d. J. auf der Koh-
lenzeche „Schürbank und Charlottenburg", 6 Stunden von
Bochum entfernt, ein Flötz von 24" Mächtigkeit aufgefun-
den wurde, welches dem äufseren Ansehen nach dasselbe
Mineral enthielt. Auf den Wunsch des Hrn. Bergmeisters
Herold in Bochum unternahm ich nun von vier der als
Eisenstein angesprochenen Fossilien eine vollständige che-
mische Analyse, deren Resultate ich nachstehend mit dem
Bemerken zu veröffentlichen mir erlaube, dafs ausführliche
Mittheilungen darüber in der „Zeitschrift des naturhistor.
Vereins für Rheinland und Westphalen" vorkommen sollen.
Die in diesen Annalen Jahrg. 1849 Bd. 76, S. 113 — 119
442
mitfetbdlte Analjse ') wan L. Ch. Hcf« bctrifll okoe Zwei-
fei ein ähnlidic» Vorfconrnnji«.
Bei der qmmMaiirem UntersudMios zctgtca die Tcrschie-
denen Kohlenetsensteinc folgendes Verhalten:
Sie bilden eine scbwacbe, dicksdiieferigeL ziendidi schwer
polTeriftirbare 3Iasse: einijce Stficfce zeigen ScfawefeUJcs in
Krystallen oder in dQnnen Schichten aoftgesondcrt. Bmch
ooeben. Glanz fehlt oder matt. Der Strich ist glänzend,
das Strichpolrer donkelbraan oder fast schwarz. Die Härte
steht bei den eisenreicheren Varietäten zwischen 3 and 4,
bei den ärmeren zwischen 1 and 2. Das specifische Gewicht
▼ariirt zwischen 2fi und 2,2.
Das Palirer entwickelt beim Erhitzen in der an einer
Seite geschlossenen Röhre einen schwachen, an das Oelgas
erinnernden, Geroch and setzt Wassertropfen ab, ohne
dafs sich die Farbe desselben Terändert; es geräth dabei,
wie (ijrps während des Brennens, in eine wallende Bewe-
gung. Beim GIfihen unter Luftzutritt wird dasselbe roth-
braun oder, bei den Manganreicheren Varietäten, violett,
and löst sich dann durch Behandlung mit Chlorwasserstoff-
säure bis auf einen weilsen Kieselruckstand. Wird das
angeglfihte Pulrer mit kaller Chlorwasserstoffsäore ober*
gössen, so tritt eine langsame Entwicklung von Kohlensäure
ein, welche erst nach einigen Tagen aufhört, durch Wärme
aber sehr beschlennigt wird; der ungelöste schwarze Ruck-
stand hinterläfst, beim Erhitzen auf Platinblech, nach dem
Wegbrennen der Kohle eiuen weifsen erdigen Röckstand,
der aus einem Silikat von Thonerde, Kalk, Magnesia and
Eisenoxyd besteht. In der dunkelgelben salzsauren Auf-
1) Dieselbe ist mit folgendeni Fehler behaftet: Auf Seite 116 wird der
GhlhrerlaU bei ofTenem Tiegel als Kohle berechnet, aber der zur Ver-
wandlung des Eisenoxyduls in Oxyd nöthige Sauerstoff ist nicht in Rech-
nung genommen. Die von Uefs gefundenen 43,39 Proc. FeO ▼erlangen
noch 4,82 Proc. O um in Fe^Oa überzugehen; daher mufs die Kohle um
dieses Gewicht vermehrt werden und beträgt demnach 21,27-^-4,82 =
26,09. Hierdurch wachst aber der Procentgehalt des Minerals auf 104,03
mit einem Ueberschufs von 4^03 Proc , über den es an Auskunft fehlt.
S.
443
löSQDg befinden sich: Elisen ab Oxydal und Oxyd, sowie
geringe Mengen von Mangan» Thonerde, Kalk, Magnesia
und Scbwefekäure. Wasser zieht aus dem Erze Spuren
von Schwefelsäure (und Chlor), an Kalk gebunden, aus.
Phosphorsäure und Alkalien liefsen sich nicht nachweisen.
Die quantitative Untersuchung lieferte folgende Resul-
tate:
A. Koh]enei8eo8teine von der Grnbe ^^Friederika^S Mu~
thUDg Schrötter.
Erste Sorte. Spec. Gew. 2,81 ; Härte zwischen 3 und 4.
Eisenoxydul 48,24
Eisenoxyd 1,30
Manganoxydul 0,13
Kalk 0,59
Magnesia 1,20
Thonerde 0,77
Wasser • . . 0,92
Kohlensäure 31,32
Schwefelsäure 0,03
Kohle 14,61
Kieselriickstand 0,93
TÖO,047
Oder: die Basen an die Säuren vertheilt:
Kohlensaures Eisenoxydul 77,72
.Eisenoxyd 1,30
Kohlensaures Manganoxydul 0,21
Kalk 1,02
Magnesia 2,51
Schwefelsaurer Kalk 0,05
Thonerde 0,77
Wasser 0,92
Kohle . 14,61
Kieselrückstand 0,93
Tööjöi.
9»
444
Zweite Sorte, Spec Gew. 2,197. Härte zwisdien 1
oDd 2. Stricbpulver scbwarzbraan, nach dem Yerbrennen
der Kohle von eioer dem Pariserroth ähniidien Farbe.
Eisenoxjdal . . . . i 29,32
Eisenoxyd 7,46
Magnesia 2,10
Kohlensäure 20,22
Wasser 4,14
Kohle 35,34
KieselrQckstand 0,81
Thonerde, Manganoxydul, Kalk u. Schwe-
felsäure Spuren
99,39.
Oder:
Kohlensaures Eisenoxydul 47,24
Eisenoxyd r . . . . 7,46
Kohlensaures Magnesia 4,40
Wasser 4,14
Kohle 35,34
Kieselrückstand 0,81
AI2O3, MnO, CoO und SO3 .... Spuren
99,39.
B. Eohleneisensieine vod der Grube ^^Schurbank and
Charlottenbnrg^^
Erste Sorte. Spec. Gew. 2,94. Härte zwischen 3 und 4.
Das schwarze Pulver brennt sich an der Luft schwärzlich
violett und wird dann theilweise dem Magnete folgsam.
Eisenoxvdul 43,41
Eisenoxyd 7,77
Manganoxydul 0,68
Magnesia 1,75
Kohlensäure 28,80
Wasser 3,01
Kohle 11,71
Kieselrückstand 2,71
Thonerde, Kalk und Schwefelsäure . . Spuren
"99;69r"
445
•der:
Kohlensaures Eisenoxjdal . . . 69^
Eisenosyd 7,77
KobleDsatirCE MaDganoijdnl . . 0,7S
Kohleusaure Magnesia .... 3,67
Wasser 3,01
Kohle 11,76
Kieselerde 1,92
k- G:rt l Tbonerde + Eisenoivd . . . 0,52
SlnnS Magücsia 0,13
AI'O,, CaO, SO, Spuren
»»,69.
Ztceite Sorte. Specifisches Gewicht 2,33. Härte zwi-
Jien 1 und 2.
/ Eisenoxjdul 21,91
•»sf \^'^°"'- '■ ■ ■■:::;: w»
— 48,94.
1 Wasser 5,0
f KohlensSure 14,3!
\ Schnefelsäure 0,3l
Mangan uod Tbonerde .... Spuren
In Salz- [ Ei^«»o*J»' ".»6
läure un-
löslicher
Theil
= 50,96.
\Kalk 0,18
] Magnesia 0,34
] Tbonerde ........ 8,67
/ Kieselerde 20,23
l Koble _?0,07
99,897
»der:
Kohlensaures Eiseuosydul . . . 35,30
Eisenoxid 5,93
Kohlensaurer Kalk 0,41
Magnesia .... 1,57
Kalk 0,64
Wasser 6,09
Kohle 2<^07
Kieselerde 20,23
(Eisenoxyd 1,16
Kalk 0,68
;ebundea. ) Tbonerde 8,67
{ Magnesia 0.35
446
Nachschrift.
Später hatte ich Gelegenheit, noch einige dieser mit
Kohle aufs Innigste gemengten Eisensteine auf ihren Ei-
sengehalt zu prüfen; in je zwei Sorten von der Grube
„Isabelle" bei Bochum fand sich ein Gehalt von 29,52 und
27,68 Proc. Eisen bei einem Kieselrückstand von resp. 7,53
und 7,64. Dagegen sank der Eisengehalt der Kohleneisen-
steine von der Grube „General" bei Dahlhauseu an der
Ruhr auf 9,56 und 10,54 Pi oc, unter gleichzeitiger Zunahme
der erdigen Theile auf resp. 37,96 und 64,14 Proc.
Siegen, den I.Juli 1850.
XVI. Lieber das JBinocularsehen prismatischer Far-
ben und eine neue stereoskopische Methode;
von H, VF. Dove.
(Aus d. Monatsberichten d. Akad. Mai 1850).
Im Jahrgang 1841 der Berichte Seite 251 sind von mir
Versuche veröffentlicht worden, aus, denen hervorgeht, dafs,
wenn im Stereoskop Farben betrachtet werden, welche bei
gleicher Intensität genau complementar sind, diese Farben-
eindrücke einander ebenso zu weifs neutralisiren, als wenn
beide auf der Netzhaut eines und desselben Auges erregt
werden. Diese Versuche sind neuerdings von Hrn. Reg-
uault mit gleichem Erfolge wiederholt worden. Wendet
man hingegen statt der Polarisationsfarben Pigmente oder
die Absorptionsfarben durchsichtiger Gläser an, so wird
man sich leicht nur des Farbeneindruckes des einen Auges
bewufst, besonders wenn die Intensität der gleichzeitig mit
dem rechten und der mit dem linken Auge gesehenen Farbe
verschieden ist. Nun ist aber bekannt, dafs, wenn einem
Auge zwei Farben gleichzeitig dargeboten werden, ihre Mi-
447
schungsfarbe gesehen wird, wie verschieden auch die Inten*
sit&t der Componenten seyn mag. Es würde daraus folgen,
dafs, wenn zwei Wellensysteme gleichzeitig Eine Netzhaut
erschüttern, wir uns des daraus resultirenden Systems stets
bewufst werden ; afficiren hingegen zwei Systeme gesondert
beide Netzhäute, diefs nur stattfindet, wenn die Elongation
der Schwingungen beider nahe gleich oder nicht zu eerschie-
den ist. Im ersten Falle kann man daher nicht das resul-
tirende System in seine Componenten zerlegen, indem man
eine der Componenten absichtlich übersieht. Im letzteren
Falle ist diefs möglich, weil beide Systeme sich factisch
nicht zu einem resultirenden combiniren.
Es giebt einfache stereoskopische Zeichnungen, z. B.
eine gerade abgekürzte oder vollständige Pyramide, ein
gerader abgekürzter oder vollständiger Kegel, von denen
die für das linke Auge eine blofse einfache Umkehrung der
für das rechte Auge ist, d. h. solche, welche, wenn sie für
rechts und links sich unterscheiden, für oben und unten
identisch bleiben oder umgekehrt. Diefs führte darauf, dafs
man auch ein stereoskopisches Relief mit einer einzigen
dieser Zeichnungen erhalten könne, wenn man diese näm-
lich so betrachtet, dafs man vor das eine Auge ein Fern-
rohr hält, welches wie das galiläische oder terrestrische sie
aufrecht zeigt, vor das andere eins, welches, wie das astro-
nomische, sie umkehrt, vorausgesetzt, dafs die Vergröfserung
beider Fernröhre dieselbe ist. Der Versuch bestätigt diefs,
woraus hervorgeht, dafs zwei Bilder gleicher Intensität sich
anf diese Weise ebenso combiniren, wie im Wheatstone'-
sehen Stereoskop. Diese Methode läfst sich daher auch
auf Farben anwenden.
Wirft man die durch Doppelbrechung entstandenen
Spectra eines gleichseitigen Bergkrystallprisma, dessen Kan-
ten der Axe parallel sind, auf eine weifse Wand, so sieht
man da wo das violette Ende des einen Spectrums über
das rothc des andern greift, eine sehr schöne Pupurfarbe
entstehen, welche sich in ihre Componenten zerlegen läfst,
wenn man die unmittelbar mit dem Auge aufgefangenen Spec-
446
ji|ar> ^^^ ^^^ dessen Bre-
^ . /totb als senkrecht auf
^Virtt mau hiugegeu das
^/«/asprisma auf die Waud,
. ■ jarch die beiden Fernröhre,
..> '^^z* Weise einander decken, so
.:^'/a der Weise gegen das Roth,
.r 'jracks des letztern allein bewufst
'< '^den Augen gleich scharf sieht. Der
Später hatte ich
Kohle aufs lonigste
sengehalt zu prüfe*
„Isabelle'' bei Bor
27,68 Proc. Eisen
und 7,64. Dage' ^.
steine von der ^
Ruhr auf 9,56
der erdigen ' ^l '^J^^^ durch Purpur in Violett erscheint
Siegen, «* ,» ".'/<? Sehkraft des einen Auges absichtlich
•• "v- \oo den einander deckenden Bildern das
.. jC rersch\Tindet. Auf diese Weise scheineo
:.^,^:*jiedenen Ergebnisse zu erläutern, >y eiche in
"^ ' der Versuche verschiedener Beobachter sich
XVI >5
r^c ihren Augen gesonderte Farbeneindrücke
/■
I
J^chi man die vor das rechte und linke Auge ge-
ll^fernröhre mit einander, so erhält man dieselbe
/'CaDi d^^ Erscheinung, als im Wheatstone'schen Ste-
K^ durch Vertauschung der beiden Zeichnungen unter
/j0r. Der vorher erhaben gesehene Gegenstand erscheint
vertieft.
^.
Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grunstr. 18.
7'
Y/l'
8.
17.
fö-
'Qi
\h
Anrt.
^f^.
•^3fca,.
^d'r.^j'.
»■J.
448
tra durch ein NicoFsches Prisma analysirt, bei dessen Dre«
hung einmal das Violett, dann das Roth als senkrecht auf
einander polarisirt verschwinden. Wirft man hingegen das
Spectrum eines gleichseitigen Flintglasprisma auf die Wand,
und betrachtet dasselbe so durch die beiden Fernrohr^
dafs die Bilder in umgekehrter Weise einander decken, so
verschwindet das Violett in der Weise gegen das Roth,
dafs man sich des Eindrucks des letztern allein bewufst
wird, wenn man mit beiden Augen gleich scharf sieht Der
Uebergang des Feuerroth durch Purpur in Violett erscheint
erst, wenn man die Sehkraft des einen Auges absichtlich
schärft, so dafs von den einander deckenden Bildern das
eine zuletzt ganz verschwindet. Auf diese Weise scheinen
sich die verschiedenen Ergebnisse zu erläutern, welche in
den Angaben der Versuche verschiedener Beobachter sich
finden, welche ihren Augen gesonderte Farbeneindrücke
darboten.
Vertauscht man die vor das rechte und linke Auge ge-
haltenen Fernröhre mit einander, so erhält man dieselbe
Umkehrung der Erscheinung, als im Wheatstone'schen Ste-
reoskop durch Vertauschuug der beiden Zeichnungen unter
einander. Der vorher erhaben gesehene Gegenstand erscheint
nun vertieft.
Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grunstr. 18.
7afn'.
Arm,, d. Th^. u.CAenL. Bd. <fa<J't.3.
- I
1850. A N N A L E N JTo. 8.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
BAND LXXX.
I. Ueber die Zusammensetzung des Turmalins,
verglichen mit derjenigen des Glimmers und Fdd-
Späths, und über die Ursache der Isomorphie un-
gleichartiger Verbindungen;
i^on Carl Rammeisberg.
Historische Einleitang.
JltfS ist eine ausgemachte Thatsache, dafs ungeachtet der
werthToUsteu Arbeiten in der Mineralogie und Chemie das
Band noch fehlt, welches Form und Zusammensetzung mit
einander verknüpft. Die Erfahrungen haben immermehr
gezeigt, dafs das innere Wesen der Isomorphie nicht noth«
wendig und nicht in allen Fällen auf einer analogen Grup-
piruug der Elemente beruhen kann, neue Vorstellungen
— wie die Atomvolume und die Heteromeiie — sind des«
halb zur Hülfe genommen worden, ohne indessen bis zu
diesem Augenblick eine allgemeine Ueberzeugung hervor-
zurufen.
Unter den Mineralien sind es offenbar die Silicate, und
unter diesen die zusammengesetzteren, welche in jeuer Be-
ziehung grofse Schwierigkeiten darbieten. Wir besitzen
zahlreiche und gewifs genaue Analysen von Feldspatharten,
von Glimmern, von Augiten und Hornblenden, und müs-
sen uns dennoch aufrichtig gestehen, dafs wir weder für
Feldspath, noch für Glimmer, Augit oder Hornblende ei-
nen sicher verbürgten, allgemein passenden Ausdruck der
chemischen Zusammensetzung angeben können. So grofs
die Aehnlichkeit in den physikalischen Merkmalen bei den
einzelnen Gliedern dieser Gattungen ist, und so leidit es
fällt, in dieser Hinsicht das Zusammengehörige zu vereini-
PoggendorfPs Annal. Bd. LXXX. 29
450
gen, 80 grob sind die Abweichungen in der Zusammen-
setzung bei Gliedern der nämliche,n GaUnng. Und diese
Gattungen gehören durch ihre grofse Verbreitung, durch
den Antheil, den sie an der Bildung der Gesteine neh-
men, zu den wichtigsten unter allen Mineralien. Denn
ein und derselbe Tjpus der geometrischen Form, kaum
mehr differirend, als es bei isomorphen Körpern gewöhn-
lich ist, groEse Aehnlichkeit in ihrem ganzen physikalischen
Verhalten vereinigt alle die Substanzen, welche wir im
Allgemeinen Feldspath nennen, und es war fast nur der
Chemiker, der eine Trennung derselben für nothwendig
erachtete, als er fand, dafs die einzelnen Glieder: Ortho-
klas und Albit, Oligoklas, Labrador und Anorthit, nicht
etwa durch Vertretung einzelner Bestandtheile als isomorphe
betrachtet werden dürften, sondern eine stödiiometrisch ver-
schiedene Zusammensetzung haben, insofern zwar die Aeqoi-
valente der stärkeren Basen (der Alkalien und der Kalk-
erde) und der schwächeren (der Thonerde) bei allen un-
veränderlich =s l : 1 sind, die der Kieselsäure aber in dem
Verhältnifs von 4 : 6 : 9 : 12 sich ändern. Noch übler steht
es beim Glimmer^ dessen Varietäten scheinbar regellos zu-
sammengesetzt sind, ja wo optische und chemische Eigen-
schaften sich selbst widersprechen« Können auch viele
Augite und Hornblenden auf einfache Ausdrücke zurückge-
führt werden, so legen die thonerdehaltigen grofse Hinder-
nisse in den Weg, und die zur Beseitigung derselben und
zur Lösung der F«rage, ob beide Mineralien zusammeo&d:*
lea, aufgestellten Ansichten erfreuen sich keinesweges der
allgemeinen Anerkennung.
Es ist ein grofser Iirthum, wenn man glaubt, die che-
mische Keuntnifs der Mineralien sey ein abgeschlossenes,
nur hie und da zu erweiterndes Gebiet, sie zeigt im Ge-
gentheil in nicht geringerem Grade jene Lückenhaftigkeit,
welche allen Theilen der Chemie eigen ist, und die zu
anausgesetzten Forschungen antreibt, um durch Feststellung
der Thatsachen, so wie durch glückliche Combinationen
die vielfachen Rätfasei zu lösen.
451
Von der Absicht geleitet, in diesem Gebiete, wenn auch
vorerst nur in seinem empirischen Theile, brauchbares Ma-
terial zu liefern, habe ich mich einige Jahre unausgesetzt
mit der chemischen Untersuchung eines einzelnen Minerals
beschäftigt, dessen Verhältnisse noch mehr als die der ge-
nannten, unklar waren. Ich wählte den Turmalin, bei
welchem das Mangelhafte in dem bisherigen Stande der
Kenntnifs von seiner Zusammensetzung nicht blofs in den
Variationen derselben , sondern auch in den Schwierigkei-
ten zu suchen ist, welche seine Anaijse darbietet, und die
sich auf die theoretische Deutung der Resultate überträgt.
Denn es giebt Turmaline, welche 13 bis 14 verschiedene
Bestandtheile enthalten, und 10 bis 11 ist die herrschende
und gewöhnliche Zahl. Unter diesen Bestandtbeilen sind
einige, deren Abscheidung und Bestimmung mit den gröfs-
ten Schwierigkeiten verknüpft ist, wie z. B. Fluor, Bor-
säure, die beiden Oxyde des Eisens und Mangans, die
gleichzeitig vorhandenen drei Alkalien. Hier muCs das Be-
wufstseyn genügen, die besten Methoden gewissenhaft be*
nutzt zu haben. Aber schon deshalb schien es gleich An-
fangs erforderlich, nicht blofs einige Repräsentanten zu
untersuchen, die im Aeufseren verschieden sind, sondern
selbst ähnliche Varietäten in gröfserer Anzahl zu analysi-
ren, damit durch Vergrdfserung der Data die Unsicherhei-
ten, welche die analytische Methode mit sich führt, mög-
Jichst beseitigt würden. Ich würde indessen der vorliegen-
den Arbeit doch nicht die ungewöhnliche Ausdehnung ge-
geben, und eine so lange Zeit sehr mühsamen und ermü-
denden Versuchen zugewandt haben, wenn sich nicht sehr
bald ergeben hätte, dafs die Verschiedenheit in der Zu-
sammensetzung der Turmaline sich nicht aus isomorphen
Substitutionen erklären läfst^ sondern dafs hier ähnliche
Verhältnisse wie bei den Feldspäthen, unter einer noch viel
gleichartigeren äufseren Hülle verborgen sind.
Es war mein Plan, alle möglicherweise zu erlangenden
Turmalinabänderungen, deren Beschaffenheit nicht eine be-
gonnene Umwandlung verrietbe, gleichförmig und möglichst
29 ♦
452
geoan zu analjsireDy micl die Resolfate mit den physika-
lischen Eigenschaften za vergleichen. So ist die Zahl der
Varietäten anf dreifsig gestiegen, die Zahl der Analysen
auf mehr als hundert, so daCs auf jede Varietät drei bis
▼ier sich gegenseitig ergänzende Versuchsreihen kommen.
Diese bisjetzt niemals durchgeführte Vervielfältigung irird
sidi, wie ich hoffe, bei der Prüfung des Resultats durch-
aus nidit als unnütz ergeben.
Nur durch die bereitwilligste Mittheilnng des zahlrei-
chen und zum Theil sehr seltenen Materials war es mög-
lich, der Arbeit jenen Umfang zu geben. Ich mub hier
vor Allem erwähnen, dafs das K. Mineralienkabinet der
Berliner Universität aus seinen reichhaltigen Sammlungen
mir Vieles darbot. Hr. Prof. B. Sil lim an inn. in New-
haven, Connecticut, sandte mir eine Reihe nordamerikani-
scher Vorkommnisse; Hr. Bergrath und Prof. Haidinger
in Wien erfreute mich durch zahlreiche Exemplare des
K. K. montanistischen Museums. Hrn. Dr. Tamnau in
Berlin, Hrn. Dr. Bader in Wien und Hrn. Mineralien-
faändler Kranz verdanke ich zum Theil sehr seltene Ab-
änderungen.
Die ersten Analysen des Turmalins rühren von Vau-
quelin und von Klaproth her. ^ Etwas später beschäf-
tigte sich Bucholz mit demselben Gegenstande. Aber erst
im J. 1818 fanden Lampadius und Vogel die Borsäure
im Tnrmalin auf, Arfvedson und Grtiner (1820) das
Litbion, und den gröfsten Fleifs verwandte C. Gmelin
auf dieses Mineral, so dafs seine Analysen (in den Jahren
1815 bis 1827 angestellt) bisjetzt die wichtigsten geblieben
sind. Von Du Menil und Le Play rühren einzelne An-
gaben her.
Alle diese Arbeiten (etwa 17 an der Zahl) waren aber
im höchsten Grade unbefriedigend. In Folge des unvoll-
kommueren Zustandes der analytischen Chemie zeigen selbst
die zuverlässigsten grofse Differenzen und Verluste. So
fehlen inGruner's und Arfvedson 's Analysen 4 Proc;
C. Gmelin verlor beim Turmalin von Bovey Tracy und
453
von Grönland S?, ja bei dem Tom St. Gotthardt selbst mehr
als 9 Proc, ohne diesen Verlust erklären zu können, so
daÜB es hiernach durchaus nicht möglich war, auch nur im
entferntesten eine den chemischen Proportionen gemttfse
Deutung zu versuchen * ).
Erst vor fünf Jahren' publicirte Hermann in Moskau
eine Arbeit über die Zusammensetzung der Turmaline ^ ),
welche den Zustand unserer Kenntnisse von diesem Mine-
ral sehr zu verändern schien. Denn sie lehrte nicht blofs,
dafs beide Oxjde des Eisens in den Turmalinen vorkom-
men, und gab eine Methode an, deren relative Menge zu
bestimmen, sondern ihr Verfasser behauptete zugleich die
Gegenwart von Kohlensäure in fast allen Turmalinen (gleich-
wie im Epidot und Vesuvian), während er die des Fluors
entschieden läugnet. Auf Grund der Analyse von fünf
Varietäten von verschiedener Färbung, (des schwarzen von
Gornoschit bei Katharinenburg, des braunen von Mursinsk,
des grünen von der Totschiina ja Gora, des rothen von
Sarapulsk und des farblosen von Elba) hat Hermann
geglaubt, alle Turmaline in drei durch optische und che-
mische Eigenschaften unterschiedene Gruppen bringen zu
können, die er Schörl, Achroit und Rubellit nannte, und
da die stöchiometriscben Verhältnisse sehr abweichend wa-
ren, so stellte er den Satz auf, dafs Verbindungen von
ungleicher Constitution dieselbe Form haben, durch gegen-
seitige Verbindung zahlreiche Varietäten bei einem Mine-
ral liefern können, und nannte solche Verbindungen hete-
ramere. Gleichzeitig suchte er die Ansicht zu verthcidigen,
dafs Kieselsäure und Borsäure nur 2 At. Sauerstoff enthal-
ten, und dafs die Kohlensäure sie vertreten könne.
So durchaus neue und unerwartete Ansichten müssen
nothwendig zu einer schärferen Prüfung auffordern, und
wenn wir auch alles Theoretische erst bei Zusamm^stellung
unserer Resultate beleuchten wollen, können wir doch nicht
umhin, schon hier darauf aufmerksam zu machen, wie selr
1 ) Vgl. mein Handwörterbuch des chetn. Tli. der Min. II. S. 243.
2) Journ. f. pract. Ghem. Bd. 35, S. 232.
I
454
gefragt es ist, aus der Untenodiinig von nur fbiff Varie-
täten, von denen Tier in einem engen Bezirk ▼orkonmen,
drei verschiedene Formdn fflr ein Mineral abcoleften, md
eine Eintheilong Ar alle Variet&ten desselben darauf m
gründen. AnÜBerdem sey hier im Voraos bemerkt, dab
ich unter meinen dreifsig Tnrmalinen keinen einzigen kohlen-
sfinrefaaltigen gefnnden habe, daCs ich dagegen das FImor,
welches Hermann längnet, direct nachgewiesen, und Fiat*
pharsäure in vielen Fällen aufgefunden habe.
Anch gegen Hermann' s analytische Methoden dfirften
sich Einwände erheben lassen. Die Methode, flQr die Al-
kalibestimmungen das Mineral mittelst Flufsspath und Schwe-
felsäure zu zersetzen, wGrde er gewiCs nicht gewählt habeo,
wenn ihm die leichte Zerlegbarkeit des geglühten Turma-
lins durch reine Fluorwasserstoffsäure bekannt gewesen
wäre. Er fand stets nur Spuren von Kali, ich habe Ton
diesem Alkali immer sehr wohl bestimmbare Mengen erhal-
ten. Endlich bestimmte er das Lithion als phosphorsaures
Natron -Doppelsalz, eine Methode, die nach meinen Erfah-
rungen ' ) ganz unrichtige Resultate geben kann, die wieder
auf die durch Differenz gefundene Menge der Borsäure tod
Einflufs sind.
Mediode der Analyse.
Immer ist es zur Beurtheilung von analytischen Resul-
taten nothwendig, die Art und Weise der Bestimmung der
Bestandtheile zu kennen, besonders wenn diese zahlreich
und schwer zu trennen sind. Freilich wird das Ergebnifs
bei aller Gleichförmigkeit der äufseren Arbeit nicht in glei-
chem Grade richtig ausfallen, da es zum Theil von Zufill-
ligkeiten abhängt, und man bei steter Wiederholung immer
mehr Uebung erlangt, das Spätere mithin das Frühere an
Zuverlässigkeit übertrifft.
Auf die Beschaffenheit des Materials wurde immer die
gröfste Aufmerksamkeit verwendet, und ist sie im Nach-
folgenden für jede Varietät speciell angegeben. Eine sorg-
1) Poggend. Ann. Bd. 66, S.86.
453
ftkige Trennung von der Masse beibreehender Miüeralien
oder des Gesteins ist oft sehr schwierig und mühsam, den-«
noeh unerlsfslidi, wenn die Analyse Werth haben soll, am
80 mehr, als Niemand aufser dem Analytiker selbst darüber
artheilen kann. Hat man schon auf Rechnung unvollkom-
mener Reinheit manche Differenzen bei Miueralanalysen
zu setzen y so ist diefs vielleicht noch öfter wegen des ver-
änderten theilweise umgewandelten Zustandes vieler Mine-
ralien zu tbuUy wie in neuester Zeit von 6. Bischof mit
▼ollem Recht behauptet wurde, und da ist es freilich oft
'sehr schwer, zu unterscheiden, ob der ursprüngliche Zu-
-stand des Minerals noch vorhanden sey. Denn die äufsere
Form, selbst Glanz und Spaltbarkeit können, wie die Er-
fahrung gezeigt hat, bleiben oder doch nur unmerklich sich
Sndern, und es bedarf grofser Aufmerksamkeit auf Härte»
Beschaffenheit der inneren Masse, Wassergehalt u. s. w.,
um bisweilen ein in partieller Umwandlung begriffenes Mi-
neral als solches zu erkennen.
Ich habe mich bemüht, nur solche Turmaline zu nn-^
tovuchen, die frisch und unverändert erscheinen, will aber
natürlich nicht behaupten, dafs sie alle es in gleichem Grade
gewesen seyen. Die jeder Abänderung beigegebene Cha-
rakteristik dürfte zu einem Urthcil hierüber Anlafs' geben
können. Deshalb mufste ich aber auch einige sehr schön
krystallisirte Abänderungen, wie z. B. die von Käringbricka
in Schweden, und vom Hörlberg in Baiern ausschliefsen, de-
ren Masse sichtlich eine Veränderung erlitten hat. Nur der
rothe von Lepidolith begleitete Turmalin von Rozena, der
gleichfalls unzweifelhaft verändert ist, macht den Beschlufs
in der Reihe der aufzuführenden Analysen.
Die Bestimmung des spedßschen Gewichts hatte für die
vorliegende Arbeit grofse Wichtigkeit. Sie geschah, indem
eine unbestimmte Menge des groben Pulvers, von dem das
feine sorgfältig abgesiebt worden, in einem Platiuschälchen
mit Wasser gekocht wurde, worauf alle staubigen Parti-
keln durch mehrfaches Eintauchen des Schälcheus in Was-
ser sich leicht fortschlämmen lassen. An Platindrähten auf-
456
geh&Dgt, wurde bieraof das Ganze in Wasser genogcy,
und zuletzt das absolute Gewicht der Probe dnrdi Ver-
dampfen des Wassers im Schälcfaen und Trodnen des Pul-
vers in gelinder Wärme bestimmt.
Das Lötkrohrverkatten , welches gleidifalls in gewis-
ser Hinsidit f&r die einzelnen Varietäten bezeidinend ist,
wurde durch Erhitzen dfinner Splitter in. der Plantinzangc
ermittelt.
Da sämmtliche Bestandtheile der Tnrmaline nicht in ei-
ner und derselben Probe sich bestimmen lassen; so ist die
▼ollständige Analyse nothwendig das Resultat der Combi-
nation mehrerer Proben, die ich im Folgenden näher ange-
ben will.
1. Bat Glühen mit kohlensaurem Alkali. Das feinge-
puWerte und durch Erhitzen fast bis zum GIfihen getrod-
nete Pulver wurde mit der dreifachen bis vierfadien Menge
▼on kohlensaurem Natron allein oder von einem Gemenge
desselben mit kohlensaurem Kali (beide durch Erhitzen tod
Bicarbonat bereitet) innig gemisdit, und fiber einer grO-
(seren Weingeistlampe mit HQlfe des tou Plattner ein-
geführten Gebläses eine halbe Stunde lebhaft geglüht. Die
Masse war zuweilen geschmolzen, zuweilen stark gesintert,
stets aber vollständig zersetzt. Sehr häufig löste sie sich
in verdfinnter Chlorwasserstoffsäure ohne alle Abscheidung
von Kieselsäure auf. Nach dem Abdampfen in einer Pla-
tinschale, Befeuchten mit etwas Säure, und Zusatz tod
Wasser wurde die Kieselsäure abfiltrirt, geglöht und ge-
wogen, die Flüssigkeit aber mit zweifach kohlensaurem Kali
gefällt, und ans dem Filtrat Kalkerde, (Mangan) und Talk-
erde auf gewöhnliche Art abgeschieden. Den Niederschlag
kochte man zweimal mit reiner Kaliauflösung, föllte die
Thpnerde durch Chlorwasserstoffsäure und kohlensaures
Ammoniak, wusch sie mit heifsem Wasser, und bestimmte
nach dem Trocknen und Glühen ihr Gewicht. Bei dem
Reichlhura der Turraaline an dieser Erde ist es kaum mög-
lich, den voluminösen Niederschlag vollständig auszuwaschen.
Deshalb wurde er nach dem Glühen nochmals mit Wasser
457
«
gewaschen. Diefs reagirte dann oft alkalisch, enthielt koh-
lensaures Kali, und noch etwas Thonerde, die man dadurch
gewann, dafs man es rait Säure sättigte, abdampfte, und
nach dem WiederauflOsen mit Ammoniak fällte. Die Thon-
erde wurde von neuem gewogen, und dann mit gleichen
Theilen Wasser und concentrirter Schwefelsäure in einem
geräumigen Platintiegel erhitzt. Durch Wasser löste sich
dann Aljes bis auf etwas Kieselsäure auf, deren Gewicht
bestimmt wurde ' )
Das in Kali Unlösliche löste man in Chlorwasserstoff-
säure auf, neutralisirte die Auflösung mit Ammoniak, bis
sie gelbroth erschien, setzte essigsaures Natron bis zur dunk-
len Färbung, und dann bernsteinsaures Ammoniak hinzu,
worauf das Ganze im Sandbade erhitzt wurde, bis sich das^
bernsteinsanre Eisenoxyd vollständig abgeschieden hatte,
welches man nach dem Erkalten auf ein Filtrum brachte,
zuerst mit kaltem Wasser, dann mit Ammoniak und hei-
fsem Wasser auswusch. Zuweilen geschah die Neutralisation
durch kohlensaures Natron, und die Fällung des Eisens
durch bernsteinsaures Natron. Zu dem Filtrat wurde dann
Ammoniak gesetzt, hierauf Oxalsäure, um die Kalkerde zu
fällen, die zuweilen Mangan enthielt, weshalb der schwach
geglühte Niederschlag mit kalter sehr verdünnter Salpeter-
säure digerirt wurde. Bei gröfserem Mangaugehalt wurde
zur Abscheidung des letzteren Ammoniumsulfhjdrat und
starke Digerirwärme benutzt. Die Talkerde endlich be>
stimmte man mittelst phosphorsanren Natrons.
Bei den eisenfreien Turmalinen wurde das in Kali Un-
lösliche in CMorwasserstoffsäure gelöst, mit Ammoniak und
Ammoniumsulfhjdrat ausgefällt, und dann auf beide Erden
untersucht.
Zur Bestimmung der Alkalien wendet man sonst mit
grofsem Vortheil reine Fluorwasserstoffsäure an. Aber schon
Hermann bemerkt, dafs dieselbe den Turmalin nur schwie-
1 ) Die Anwendung der Schwefelsäure ist viel bequemer als die der Chlor-
wasserstonsäurc, in der die geglühte Thooerde sehr laogsani auflds-
llch ist.
458
lig angreife* Idi Übe geimJep, ibb tob /imi
In» TormaliopalTer bot 40 Proc zcnefzt wuriau Ab mhi
Bidil wMsen kann, ob das Unzenctzte die Natar cks Mi-
oeralf hat, so kaSB diese Meliiode oitfie 'Weilcrcs bcM
TonndiD Biebt beDotzt werden. Ich wählte daher io der
ersten 2Mt seiner hierher geiiörigett UntemichaDgeB, che
ich wobte, da(s der Tormalin nach starkem GlfiheB sich
wie andere Silicate iarA FhiorwasserstoSisaore zeilegen
bbty kohlensauren Barjt zom Aofschlielsen, nnd Floor-
wasserstofbSore zor nachherigen Entfcmnng der Borsiore.
2. Zerseimmg durch kohlensaurem Ban/l umd FbunwoM-
$er$toff$äure* Das feingeschlammte Pulver wnrde mit der
4 — 6 fachen Menge kohlensauren Barjts stark geglüht, die
Masse wie gewöhnlich behandelt, nnd die Kieselsaare abge-
sdiieden* Da kein Sdunelzen eintritt, so ist man von ihrer
Beinbeit niemals fiberzengt. In der That Idst sie sich in
einer kochenden concentrirten Solution von kofalensaureai
Natron niemals ganz aui, nnd es ist auch nicht richtig, das
Unlösliche, welches oft etwas schwefelsauren Baryt enthSit,
ffir nnzersetztes Mineral zu erklären, da es reicher aa
Kieselsäure ist. Nach Absdheidnng des Baryts durch Schwe-
felsäure wurden Thonerde, Eisen etc. durch Ammoniak ge-
filUt, das Filtrat abgedampft, der Best zu YerflQchtlgung
der Ammoniaksalze erhitzt, und dann mit Fluorwasserstoff-
und Schwefelsäure behandelt, um die Borsäure zu entfer-
nen, worauf die Talkerde von den Alkalien getrennt wurde.
Wie schon bemerkt, wurde diese umständliche Methode
nur im Anfange meiner Untersuchungen benutzt.
3. Zersetsiung des geglühten TurmaUns durch Fbior-
wasserstoffsäure. Nur wenn man das Mineral einer star-
ken Glühhitze (im Ofen bei Coaksfeuer) ausgesetzt hat,
wobei die weiterhin zu beschreibende Entwicklung too
Fluorverbindungen erfolgt, und der Turmalin entweder zu
einer Art Bimsstein schmilzt, oder (wie die eisenfreien
d. h. die rothen Abänderungen) porcellanartig wird, läfst
sich das feine Pulver durch Fluorwasserstoffsäure zersetzen.
Es wurde in einer Platinschale mit Wasser übergössen, und
459
in das Gemenge die gasförmige Säure 5 — 6 Stunden hin-
eingeleitet; nach 12 stQndigem Stehen dampfte 'man im
"Wasserbade fast bis zur Trockne ab, setzte Schwefelsäure
hinzu, und erhitzte später Ober der Lampe bis zum schwa-
chen Glühen der Schale. Durch Erhitzen mit Chlorwas-
serstoffsäure und Wasser löste sich die Masse dann ge-
wöhnlich bis auf einen kleinen Rückstand, der aber niemab
unzersetzter Turmalin war. Beim Glühen verbreitete er
den Geruch von Fluorwasserstoffsäure, und mufste mit
saurem schwefelsaurem Kali geschmolzen werden. In Was-
ser löste sich die Masse nun fast immer klar auf, und
Ammoniak schlug dann Thonerde nieder. Es ist vielleidit
ein basisches Fluoraluminium, welches von Säuren schwer
angegriffen wird.
Aus der Auflösung der Basen des Turmalins fällte man
zuerst durch Ammoniak Thonerde, Eisenoxjd etc. aus,
und setzte zum Filtrat eine abgewogene Menge einer Oxal-
säureauflösung, deren Gehalt bestimmt war. Die Oxalsäure
selbst enthielt etwas Kali, und zwar in Folge besonderer
Versuche so viel, dafs 1 Grm. der Auflösung, welcher 0,0625
der krjstallisirten Säure entsprach, 0,0002375 Kali enthielt,
welches bei der Kalibestimmung abgezogen werden mufste,
Das Filtrat vom Oxalsäuren Kalk dampfte man zur Trockne
ein, erhitzte den Rest zur Verflüchtigung der Ammoniak-
salze, und kochte ihn eine Zeit mit Barytwasser, wodurch
Talk erde (und Mangan) abgeschieden wurde. Nach Ent-
fernung des Barjts durch reines und kohlensaures Ammo-
niak wurde die Auflösung der Alkalien abgedampft, mit
Chlorwasserstoffsäure erhitzt, und die Chloride gewogen.
Dann wurde das Kali durch Platinchlorid bestimmt, das
platinhaltige alkoholische Filtrat mit Salmiak gefällt, filtrirt,
abgedampft und geglüht. Blieb reines Chlornatrium übrig,
so konnte diefs durch Auflösen und Verdampfen der Lö-
sung, Umwandlung in schwefelsaures Salz, Färbung der
Alkoholflamme etc. direct erkannt werden. War es aber
mit Chlorlithium gemengt, in welchem Fall es schnell feucht
wurde, so übergofs man die trocknen Chloride mit einem
460
GemeDge von 1 Yol. absolatem Alkohol und 2 Vd. Aether,
liefs das Ganz« einige Tage unter häofigem Sdifitleln ste-
hen, und filtrirte auf ein gewogenes Filtnun das ungeldst
bleibende ChlornatTium, dessen Gewicht sich ergab, wenn
das Filtram nach den Trocknen und Wägen mit saurem
Wasser gewaschen wurde, wobei etwas Platin darauf blieb.
Die Natronlösung wurde stets auf Thonerde, Kalk- und
Talkerde geglüht, und besonders letztere darin gefunden,
alle aber ihrer Menge nach bestimmt.
4. Besikmmmg der rekUieen Menge van Eisenoxyd und
Oxydul. Ohne den Oxjdations- Zustand des Elisens zu ken-
nen, läfst sich beim Turmalin, wie in so vielen anderen
Fällen, an die Berechnung einer Formel gar nidit denken,
und doch ist eine solche Bestimmung sehr schwer, )a in
aller Strenge fOr )etzt nicht möglich. Die von Forchham-
mer vorgeschlagene Methode, solche durch Säuren unzer-
setzbare Silicate in einer Platinretorte mit einer Mischung
von Fluor- und Chlorwasserstoff- und Schwefelsäure za
kochen, und die Masse in eine Auflösung von Goldchlo-
rid zu schütten, giebt, wie ich mich überzeugt habe, ganz
unrichtige Resultate, da sich bei Einwirkung der Schwe-
felsäure auf Eisenoxjdulsalze in der Hitze immer Eisenoxyd
bildet; auch hätte sie auf den Turmalin keine Anwendung
deshalb finden können, weil derselbe erst nach dem Glo-
ben von Fluorwasserstoffsäure zersetzt wird, dann aber der
Oxjdationszustand des Eisens wohl nicht mehr der ur-
sprüngliche ist.
Chenevix wandte zuerst Boroa; zum Aufschliefsen von
Silicaten an, und Graf Schaffgotsch hat ihn in neuerer
Zeit zur Analyse von kohlensauren, Oxalsäuren und salpe-
tersauren Salzen empfohlen. Auch Hermann bediente sich
seiner bei Untersuchung des Boraxglases, um Eisenoxyd
und Oxydul zu bestimmen, und es ist diefs wirklich noch
die beste Methode. Man mengt das Mineralpulver mit der-
4 — 6 fachen Menge des gepulverten Boraxglases, indem
man einen Theil davon als Decke anwendet, setzt den
Platintiegcl bedeckt in eine Plalinretorle auf eine Unterlage
461
von kohlensaurer Talkerde (Magnesit), fügt ein Gasen t-
wicklangsrohr an, welches ein wenig in Wasser taudit,
und erhitzt über der Lampe mit Gebläse langsam bis zum
starken Glühen, welches man eine halbe Stunde unterhält.
Nach dem Erkalten wird der Tiegel gewogen, ein Theil
des gut geflossenen Glases grob gepulvert, mit ausgekoch-
tem Wasser und Chlorwasserstoffsäure in einem mit Koh-
lensäure gefüllten Kolben aufgelöst, und, mit Goldchlorid
versetzt, einige Tage verschlossen hii>gestellt. Das mit
Kieselsäure gemengte Gold digerirt man nach dem Wägen
mit Königswasser, und bestimmt das Ungelöste. Ein an-
derer Theil des Glases wird auf ähnliche Art aufgelöst, und
nach der Methode von Fuchs mit Kupferblechstreifen ge-
kocht, um das Eisenoxyd zu bestimmen.
Da die Oxydulbestimmung mir genauer zu sejn scheint,
80 wurde diese vorzugsweise in Anwendung gebracht. Die
Kupferprobe giebt oft bei Wiederholungen ziemlich ab-
weichende Resultate, deren Grund man nicht einsieht.
Um die Methode zu prüfen, habe ich ein Silicat ge-
wählt, welches beide Oxyde des Eisens enthält, und das
durch Chlorwasserstoffsäure zersetzbar ist. Der lAevHt
von Elba enthält nach v. Kobell's und meinen Versuchen
31 bis 34 Proc. Eisenoxydul, nach der Formel 33 Proo.
1,098 Grm., auf die erwähnte Art behandelt, gaben 0,2685
Gold, entsprechend 0,29535 Eisenoxydul oder 27 Proc.
E» wurde also weniger erhalten, und diefs macht auf die
ganze Eisenoxydulmenge ^V oder 18 Proc. aus. Wenn
man nun in anderen Fällen der Wahrheit näher kommt,
so glaube ich doch, dafs man auf diese Art immer einen
zu kleinen Gehalt an Eisenoxydul finden wird. Da die
Turmaline aber viel weniger Eisen überhaupt enthalten,
oft nur 4 bis 6, oder 12, seltener 18 Proc. in der Form
von Oxyd, so hat der Fehler keinen sehr grofsen Einflufs,
wenn er auch den Sauerstoff der Basen R vermindert Der
oben mitgetheilte Versuch würde z. B. bei 5 Proc. Eisen-
oxydul ein Minus von ungefähr 1 Proc. =0,22 Sauerstoff
herbeiführen.
462
5« BeMtkmmmg der Pkofphar^ure, Seit STasberg
und Strave im moljbdänsaiiren AannonidL ein ▼ortrcOli-
ches Mittel, kleine Mengen Phosphoisänre za finden , ken-
nen gelehrt haben, ist es nidit schwer, diese SSnre in sehr
▼ielen Mineralien nachzuweisen. Dieb gelingt aodi beia
Turmalin, wenn man die bei der Analjse erhaltene Thon-
erde darauf untersudit. In der Regel sind es tniüA mir
Spuren, zuweilen aber wSgbare Mengen. Idi habe dami
die Auflösung der-Thonerde mit Weinsteinsiure, Ammo-
niak und einem Talkerdesalz versetzt, nnd die QoantitSt
der phosphorsauren Talkerde nach ^em GlQhen bestinunt
6. Prüfung auf einen GehaU an KoUenMämre. Wie
schon bemerkt, will Hermann in den meisten Turmalinea
Kohlensäure gefunden haben, und zwar 1^ bis 24* Proc
Nur mancher rothe Turmalin enthielt sie nicht. Offenbar
könnte die Kohlensäure, da sie sich durch stärkere Säu-
ren nicht austreiben läfst, kein Resultat späterer Umwand-
lung der Tnrmalinmasse seyn. Hermann ffilurt an, dab
Splitter des Minerals in einer Boraxperle beim Erhitzen
eine Gasentwicklung zeigen, die weder von Wasser noch
von Fluorkiesel herrühre. Als er ausgesuchte Krystalle
eines in Granit vorkommenden braunen Turmalins in ei-
nem Porcellanrobr sehr stark glühte, entstand bei der Tem-
peratur, bei welcher das Mineral aufschwillt und schmilzt;
plötzlich eine lebhafte, doch bald vorübergehende. Gas-
entwickluDg; das Gas trübte Kalkwasser; der Niederschlag
löste sich in Säuren mit Brausen auf, und Anunoniak er-
zeugte ihn nicht wieder. Er betrachtet demzufolge Koh-
lensäure als den Grund, weshalb die meisten Turmaliae
in starker Hitze sich so bedeutend aufblähen, und bestimmte
ihre Menge einfach durch den dabei stattfindenden Ge-
wichtsverlust, der demjenigen gleich ist, welcher beim Zu-
sammenschmelzen mit Boraxglas sich zeigt.
Hiernach hat es in der Tbat den Anschein, als sej die
Kohlensäure in den Turmalinen durch entscheidende Ver-
suche nachgewiesen, obwohl schon früher C. Gmelin durch
463
Glüheo von TanDalinpaWer mit Kopferoxjd keine Spür
KohfeDsäure bemerken konnte.
Ich habe mir viele Mühe gegeben» diese Angaben Her.
mann's zu prüfen, kann sie aber durchaas nicht bestäti-
gen. Kein eitviiger der von mir untersuchten Turmaline ent^
hält eine Spur Kohlensäure. Zwar ist es richtig , dads beim
Schmelzen des Turmalins mit Borax, so wie bei heftigen»
Glühen des Minerals für sich ein Verlust durch das Ent-
weichen flüchtiger Stoffe stattfindet, der von 1,8 bis fast
4 Proc variirt. Allein er besteht nicht in Kohlensäure.
Eis wurde grobes Turmalinpulver in einem Porcellßnrohr
bei Coaksfeuer bis zum Schmelzen erhitzt, und weder in
einem angefügten graduirten Rohr über Quecksilber ein
merkliches Gasvolum erhalten, noch in Kalk- oder Baryt-
wasser eine Trübung bemerkt; nur die in dem Apparat
enthaltene Luft trat bei jenem Zeitpunkte lebhafter heraus.
Dagegen habe ich in allen darauf geprüften Turmalineu
Fbior gefunden, welches die früheren Untersucher, gleich
wie Hermann, übersehen haben, wiewohl es nicht schwer
ist, sich von seiner Gegenwart zu überzeugen.
Glüht man nämlich ein Gemenge von Turmalinpulver
ond geschmolzenem Phosphorsalz auf einem in eine offene
Glasröhre halb eingeschobenen Streifen Platinblech vor dem
LiHhrohr auf die bekannte Art, so wird das Glas merklich
trübe und ein feuchtes Fernambukpapier gelb.
Wenn man Turmalin mit kohlensaurem Alkali schmilzt,
die Masse auslaugt, die Flüssigkeit mit kohlensaurem Am-
moniak digerirt, und dann, nach Uebersättigen mit Chlor-
wasserstoffsäure, mit Ammoniak und Chlorcalcium vermischt,
so erhält man allerdings oft keinen Niederschlag. Allein
diefs hat seinen natürlichen Grund theils in der Löslich-
keit des Fluorcalciums in Ammoniaksalzen, theils in dem
Gehalt der Turmaline an Fluorborverbinduugen, welche,
wie es scheint, durch das Schmelzen nicht oder nicht voll-
ständig zerlegt werden. Denn ich habe mehrfach gesehen,
dafs der mit Wasser ausgelaugte Rückstand, nachdem er
464
io gelinder Wärme durch Chlorwasserstoffsäure zerlegt,
und die Kieselsäure abgeschieden war, mit Ammoniak* eine
Thonerdefällung gab, die mit concentrirter Schwefelsäure
deutliche Glasätzung hervorbringt. In manchen Turmali-
nen, z. B. dem rothen von Rozena, ist fibrigens die Menge
des Fluors so bedeutend, dak man durch Fällung mit Chlor-
calcium, wenn man sich der Methode von H.Rose') be-
dient, und Ammoniak ausschliefst , ziemlich viel Fluorcat
*cium erhalten kann.
6. Bestimmung des Fluors durch Glühen des Turmalins.
Wenn die Turmaline Fluor enthalten, so ist es klar, dafs
bei starkem GlQhen Fluorkiesel oder Fluorbor oder beide
entweichen. In der That, wenn man eine gröfsere Menge
(ich wandte den rothen Turmalin von Paris in Maine aa)
in einem Porcellanrohr stark glüht, so verändert er, wenn
man die Hitze nicht auf einen gewissen Punkt steigert, sein
Gewicht fast gar nicht. Dann aber erfolgt jene Abnahme,
und man findet nach dem Erkalten des verschlossenen Rohrs
an beiden Enden etwas von einer durch die Feuchtigkeit
entstandenen stark sauren Flüssigkeit; spült man sie mit-
telst Wasser heraus, so schwimmen schillernde Blättcheo
von Kieselsäure darin. Mit kohlensaurem Natron schwach
übersättigt und mit Chlorcalcium vermischt, giebt sie einen
Niederschlag, der mit Schwefelsäure glasätzmde Dämpfe
liefert; Borsäure läfst sich nicht wahrnehmen. Es ist mit-
bin erwiesen, dafs beim Glühen des Turmtalins Fluorkiesel
entweicht und dafs die Veränderung, welche der Turmalin
dabei erleidet, das Aufschwellen insbesondere bierin sei-
nen Grund hat. Wird aber alles Fluor auf diese Weise
abgeschieden, und besteht der Gewichtsverlust nur aus Fluor-
kiesel? diese Fragen lassen sich nicht beantworten. Jenes
möchte ich glauben, da Forchhammer auf gleiche Weise
in der Hitze, wobei Roheisen schmilzt, das Fluor im To«
pas und Pykuit quantitativ bestimmt hat ^). Schon Klap-
rotb
1) Pogg. Ann. Bd. 79, S. 1J2.
2) Journ. f. pract. Chero. Bd. 30, S. 400.
465
roth fand, dafs der Topas beim Glühen 20Proc. Terliert.
Forchhamnier fand 23 — 23,5 — 24,8 Proc, and wenn
man diesen Verlast als Floorkiesel ansieht, so stimmt der
80 berechnete Gehalt von Fluor mit dem direct bestimmten
fiberein. Der Pyknit verliert nach Klaproth 25 Proc.
(=s 17,91 Flnor), während er nach Berzelias 16,^4, nach
Forchhammer 18,48 Proc. Fluor enthält. Dafs aber die
Temperatur hinreichend hoch sejn müsse, um alles Fluor
aaszatreiben, ergiebt sich aus einem Versuche, wonach iß
Grm. Pyknit, die ich in doppelten Platintiegeln im Wind-
ofen zwischen Coaks glühte, nur 15 Proc, entsprechend
10,75 Proc. Fluor, verloren hatten.
Da der Turmalin nur ein wenig hygroskopische Feuch-
tigkeit enthält, und die zum Glühen bestimmten Proben
vorher über der Lampe schwach geglüht, und dann erst
gewogen wurden, so dürfte wenigstens Wasser nicht mit in
jenem Gewichtsverlust enthalten seyn. Ich habe deshalb
die Annahme gewagt, dafs derselbe die Quantität des im
Tarmalin enthaltenen Fluors liefere, indem 100 Theile, als
Flaorkiesel betrachtet, =71,66 Fluor sind.
Dieser Fluorgebalt ist natürlich die Ursache, dafs man
bei der Analyse des Turmalins etwas zu wenig Kieselsäure
arbält, weil beim Abdampfen der sauren Flüssigkeit Fluor-
kiesel fortgeht. Deshalb tritt auch bei der Bestimmung
der Kieselsäure im geglühten Turmalin der Unterschied in
dem Gehalt wenig oder gar nicht hervor, wie viele der
später mitzutheilenden Analysen darthun, obwohl er, wenn
darchs Glühen eine gewisse Menge Kiesel verflüchtigt ist,
am eine entsprechende Gröfse sich vermindert zeigen sollte.
7. Bestimmung der Borsäure. Es ' wäre von grofsem
Interesse gewesen, für die Analyse der Turmaline eine ge-
naue Bestimmung der Borsäure vornehmet zu können. Ich
habe mehrfache Versuche gemacht, sie durch Basen abzu-
scheiden, obwohl ganz vergeblich, da kein borsaures Salz
anauflüslicb oder anzersetzbar durch Wasser ist. Bei der
Anwesenheit von Fluor v^ird die Abscheidung jder Säure
nooh schwieriger.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 30
Berxeliss Bdim ^^w.
fcUagp obtrilt, m
ridrtigct Rcwlfat «rfcilt. Eä ssicfccs «ifccul der raihe
ToTBalin Too Elba (s^ wcücr — tm) gcgebca la haiicn.
Bei de« rvlhcB Tsnudn tob PSwis kabe kb cioca an-
dercB Weg venacbt, wliürb <be dorcb Aaslangeo des mit
Alkali cccjtebtcn lÜMrab mit Waner erbaltcoe FÜsfligkcit
nach wiederhoiter PigciikMi ait koUeasaiveii 0 ■— imiifc
mr Troduie einfmdaiaptcn, and de» Rest ait starker Schwe-
felsäiire zn zeraetzen. Heiber Alkohol löste daui die Bar-
saure auf, die aüt Awoniik gesattigl wmi ab^nhaipft
wurde. Aber obgkicb ihre QuaDlität sehr gpii der bereck-
aeteo Bfenge eotsprickty so dfirfte diefs Dock nickt iBmer
der Fall seyii, besonders weon Fluor zugegen ist.
Die Bortöure nnfste daher fast in allen Fallen aas den
Verlast berecbnet werden.
In dem Folgendoi sind nun die Resultate der Aoalj-
«en nitgetbeilty nachdem die auÜBere Besckaffenheit jeder
Abänderung, ihr specifisdies Gewicht, Verhalten vor dea
Ldthrohr and im Windofen aogefQhrt ist. Was das leta-
lere betrifft, so wurden die Tormalioe in Focm ganz klei-
ner SlGckchen oder groben Palvers in eioeD Platintiegel
gebracht, dieser in einen gröberen, ond dieser wiederam
auf einer Unterlage ¥on Talkerde in einen bedeckten hes«
fftscheo Tiegel gestellt, den man im WindoCeu eine Stunde
lang zwischen Coaks einer starken Glühhitze aUsseiate«
i>ie apaljfiischen Angaben sind mit Wegldssung der De-
tails sogleich in Procenten berechnet. Um aber bei etsrai-
467
gen spSteren AtomgewichfsSnderaDgen die nötbigeu Cor-
rectiooen anbringeu zu können, stelle ich hier die von
mir gebrauchten Werthe zusainiiien:
Kieselsaure, Si, = 577,31; = 51,96 Proc. Sauerstoff.
Borsäure, B, = 436,2; = 68,78 Proc Sauerstoff.
Fluor, FI, = 233,8.
100 Fluorkiesel = 71,66 Fluor.
Thonerde, AI = 642,33; = 46,7 Proc Sauerstoff.
Eisenoxjd, Fe, =s 1001,05; = 29,97 Proc. Sauerstoff.
Eisenoxjdul, Fe, ss 450,53; aez 22,2 Proc. Sauerstoff.
100 Kupfer s 126,5 Eisenoxyd.
100 Gold s 109,94 Eisenoxjdul.
• • •
Manganoxyd, Hn, = 991,77; r=f 30,25 Proc. Sauerstoff.
Manganoxydai , Mn, 445,89; = 22,43 Proc. Sauerstoff.
100 MnMo = 93,044 Mn
=: 103^48 iin.
Talkerde, Mg s 254,5; =s 39,3 Proc; Sauerstoff.
100 Mg» P = 36,32 Mg.
Kalkerde, Ca, =s 351,5; = 28,45 Proc. Sauerstoff.
100 Ca C = 56,07 Ca.
Natron, Na, = 390,9; == 25,58 Proc Sauerstoff.
100 Na Cl = 53,24 Na.
Kali, k, = 588,85; =r 16,98 Proc. Sauerstoff.
100 KCl+PtCP =s 19,29 k
= 30,54 K CI.
Lithion, Li, = 182,03; =: 54,93 Proc. Sauerstoff.
100 LiCI = 34,65 Li.
30*
468
Resultate der Analysen.
No. 1.
Braiiner Turoialin von Gouverneur, St. Lawrence
Coantj; New-York, in den vereinigten Staaten.
Nach Dana') kömmt dieser Turmalin am genannten
Orte, von Apatit und Skapoiith begleitet , im körnigen
Kalk Tor. Nach Demselben sind die Krjstalle oft sehr
flächenreich, und bilden neunseitige Prismen, begränzt am
einen Ende von dem Hauptrhbmboeder und dem ersten
schärferen, am anderen vom IJauptrhomboeder und dem er-
sten stumpferen. 6. Rose, welcher die KrjstaUform und
das elektrische Verhalten dieser Varietät genauer untersacht
hat ^), fand au ihr fast alle Flächen, die überhaupt beim Tur-
malin vorkommen, nebeu mehreren neuen. Denn aufser-
dem, dafs die Seitenflächen vorherrschend ein dreiseitiges
Prisma, sodann das zweite sechsseitige Prisma, das andere
dreiseitige, das zwölfseitige und den Hälftflächner eines an-
deren livölfseitigen Prismas zeigen, treten von Endflächen
das Hauptrhomboeder, das erste und zweite schärfere und
das erste stumpfere, ein Rhomboeder -^a* :^a^ : anaiCf
so wie vier Skalenoeder auf, von denen ^a: ia:2a:c tind
-^ai^aiaic neu sind.
Die von mir untersuchten Exemplare verdanke ich dem
Hrn. Dr. Tamnau. Der Turmalin bildet an ihnen un-
deutliche Krystalle und kristallinische Massen von einer
rothbraunen Farbe, wie siq mancher Granat zeigt. Er liegt
in grofsblätterigem Straklstein, und von diesem durchwach-
sen, der hier und da von Spuren . gelbgrünen Epidots be«
gleitet ist, und dessen Analyse weiter unten folgt.
Das spedfische Gewicht fand sich =3,049.
Vor dem Löthrohr schmilzt er leicht unter Aufschwellen
zu einem weifsen blasigen Email und färbt die Flamme gelb.
Im Ofen geglüht ^ schmilzt er zu einer theils vollkom-
1 ) Sxsi. of Min. IL EdiL p. 390.
^) Abhandl. der K. Acad. d. Wlss. za Berli'n vom Jahre 1843. lieber
die P)-roelckt#kkät der Mineralien , von P. Riefs und G. Rose. S. 68.
469
men geflossenen, theils blasigen weifsen Masse, tvelche
ein yiel gröfseres Volum einnimmt. Der Gewichtsverlust
betrug 3,19 p. C, entsprechend 2,28 Fluor. 100 Th. des
gegiGhten Minerals sind hiernach =103,3 des ungeglQhten.
a. Analjse mit kohlensaurem Natron und Kali.
' 6. Desgl. des geglühten Minerals * ).
c. Wiederholung von b mit Anwendung von kohlen-
saurem Natron allein.
d. Anaijrse des geglühten Minerals mit Fluorwasser-
stoffsHure.
6', c\ (t, sind die Berechnungen von b, c und d auf
das ungeglöhte Mineral.
a» h, ' c. d, b, c. d!,
Phosphorsäure Spur
Kieselsäure 38^9 40,34 40,18 39,05 38,90
Thonerde 33,41 31,47 31,08 30,47 30,09
Eisenoxyd 1,13 1,28 1,43 1,28 1,39
Talkerde 14,86 15,2115,58 14,72 15,09
Kalkerde 1,65 1,72 1,51 1,67 1,46
Natron 1,32 1,28
Kali 0,27 0,26
Sauerstoff.
26,85
15,00
Zusammenstellung:
Fluor 2,28
Phosphorsänre Spur
a. V. c\ Kieselsäure 38,85 20,18
Borsäure 8,25 5,67
a, c\ a. Thonerde 31,32 14,62
Eisenoxjd 1,27 0,38
Talkerde 14,89 5,85
Kalkerde 1,60 0,45
Natron 1,28 0,33
Kali 0,26 0,04
100.
Der diesen Turmaliu begleitende weifse SirdhUtein hat
ein spec. Gew. =:3,00, und enthält:
1 ) Nor die Kieselsäure bekimnit.
6,67
470
Saaentoir.
Kieselstare 57,40
29,82 1
30,46
Thonerde 1,38
0,64 i
Talkerde 24^9
9,71 j
Kalkerde 13,89
Eisenoxjdul 1,36
3fi5 (
0,30 l
13,96
Wasser 0,40
1
99,12.
Das für die Hornblende geltende SauerstoffTerhaltnib
4 : 9 würde 13,54 : 30,46 sejn.
No. 2.
Braoner Turmalin von WindUch-Kappel in Käratb«!.
Das VorkomineD dieser schönen Abänderung scheint
nicht genaa bekannt zu seyn. Die kurzen und dicken Kry-
stalle werden von dem neunseitigen Prisma, dem Haopt-
und dem ersten schärferen Rhomboeder gebildet. Ich erhielt
Exemplare theils von Hrn. Bergrath Haidinger, theils voa
Hrn. Dr. Tamnau. Es sind Bruchstficke ohne Endflächen,
gelbbraun geförbt, durchsichtig; zuweilen schliefst ein scharf
abschneidender dunklerer Mantel einen helleren Kern ein,
oder Parthieen beider Art durchdringen sich gegenseitig.
In Höhlungen der Oberfläche so wie im Inneren findet
man einzelne silberweifse Glimmerblättchen.
DojT spec. Gew. ist sc 3,035.
Vor dem Löthrohr schmilzt dieser Tqfpälio ziemlich
leicht zu einem weifsen blasigen Glase.
Im Ofen geglüht, schmilzt er unter stark jem Aufschwel-
len zu einer weifsen bimssteinartigen Masse, und verliert
dabei 2,93 Proc. , entsprechend 2,1 Fluor. 100 gegltihter
sind hiernach =: 103«02 ungeglühten Turmaljnß.
a. Mit kohlensaiirem Natron. Die Masse war ge-
sintert.
b. Desgleichen.
c. Geglühter T. mit Fluorwasserstoffsäure.^
c'. Berechnung von c auf ungi^gltthtes Mineral.
471
e.
c'.
Phospborsäure 0,12
Kieselsäure 38,48
37,67
Thoaerde 37,37
34,05
35,40
34,37
Eisenoxyd 1,31
Manganoxyd 0,10
1,81
1,09
1,06
Taikerde 10,34 ' )
11,30
11,47
11,14
Kalkerde 0,71
0,51
0,60
0,60
Natron
2,44
2,37
Kali
0,48
0,47
Zusammenstelli
ing:
1
1
Sauerttoff.
Fluor
2,10
Phosphorsäure
0,12
a. 6. Kieselsäure
38,08
19,78 )
26,23
Borsäure
9,39
6,45 j
6. d. Thonerde
34,21
15,97 j
«. b. c. ^'^^^^J^ ^ \
Manganoxyd )
1,43
0,43 1
16,40
b. c\ Talk erde
11,22
4,41 )
a. h, cf. Kalkerde
0,61
0,17 (
5,26
, Natron
2,37
0,60 (
Kali
0,47
0,08 )
100.
No. 3.
Turmalin vod Klbenstock In Sachsen.
Ganze Massen, aus vielen kleinen conceutrischstrahlig
gruppirten Prismen eusammengesetzt, die im Ganzen dun-
kelgrün erscheinen, aber theils farblos, theiis mit rölhlicher
oder grüner Farbe durchsichtig sind. Sehr zerbrechlich.
Spuren anhängenden verwitterten Feldspaths deuten auf ein
Vorkommen in Granit. Ich erhielt das Mineral durch Hrn.
Bergrath Haidinger.
1 ) £lne kleine Menge ging verloren.
472
A» $pe(ifsAt Gtmida ist =3,l»l.
¥ar dem UfOm^kr biskt »ch dkscr Twilin «if, mid
sckaiizt Icicbt m cnicr wcibcii blasigen Pcrk^
£■ flf^oi fciaiiit er m einer gelblicfcweilsen ao^escbwot
leneo Mafse, ond Terlicrt dabei 3^ Proc:, eatsprecbend
2^51 Proc Fluor. 100 TL des g^hteii Minerals sind
=rI03^ des mgeglfibtcB.
o» Mit koUensanreai Natron -KalL
h. Geglöhter mit kohlensaarem Natron.
e. Desgl. mit Floorwasserstofüsaore.
V ond ^ sind h und e^ aof oogeglöhtes Mino-al be-
redioet
Eine Probe aof Eisenoxydol mittelst Golddilorid in der
Aoflösoog des mit Borax geschmolzenen Pulvers gab rin
negatives Resultat.
m.
h.
»'. e. t\
Kieselsäure 37,83
30,04
37,67
Thonerde
30,78
32,32
31,19 31,72 30,61
Eisenoxjd
4,85
5,03
4,85 nicht bestimmt
TalLerde
12,28
11,88
11,47 11^1 11,11
Ralkerde
0,71
0,77
0,74 1,22 1,18
Natron
2,35 2,27
Kali
0,31 0,30.
Zosammenstelluiig:
SanerstofT.
Fluor
2,51
a.
Kieselsaare 37,83
'S I '-•■'^
Borsäare
8,88
a. &'• c.
Thonerde
30,86
r«!".««
Eisenoxjd
4,85
Talkerde
1 1,62
4,56 )
Kalkerde
0,88
0,58 ^^^
c'.
Natron
2,27
Kali
0,30
0,05 ]
lUO.
473
Der von Klaproth und später Ton C. Ginelin un-
tersuchte Tunnalin von Eibenstock ist eine andere schwarze
VarietHt, die mit Quarz zusammen vorkommt, und bei einem
hohen Eisengehalt nur eine ganz geringe Menge Talkerde
enthält.
No. 4.
Brauner Tarmalin von Orford, New-Hampsbire in den
vereinigten Staaten«
Von Hrn. Prof. Sil lim an jun. erhielt ich Krystalle
von dieser Localität, sechs- und neunseitige Prismen, von
ansehnlicher Gröfse, zum Theil mehre Zoll im Durchmes-
ser haltend, an den Enden verbrochen. Ihre Farbe ist
braunschwarz; dünne Splitter sind mit braungelber Farbe
durchsichtig. Auch sie haben zuweilen einen dunkleren Kern,
dessen Gränze den Prismenflächen parallel geht. Sie liegen
in einem griinlichgrauen Talkschiefer, und es sind ihre Flä-
chen da, wo der letztere sie bedeckt, obwohl glänzend,
doch uneben und mit regelmäfsigen dachziegelarügen Ein-
drücken versehen. Blättchen von Talk oder Glimmer sind
einzeln in der Turmalinmasse zerstreut.
Das spec. Gewicht ist nach zwei Verisuchen =^,051
und 3,085; (Mittel = 3,068).
Vor dem Löthrohr schmilzt er unter Aufschwellen zu
einer weifsen feinblasigen Schlacke.
Im Ofen liefert er eine graue geschmolzene Masse, wo-
bei er 3,49 Proc. verliert, entsprechend 2,5 Fluor. 100 Th.
des geglühten sind =: 103,63 des ungeglühten Minerals.
a. Mit kohlensaurem Natron.
b. Desgleichen.
c. Mit kohlensaurem Baryt und Fluorwasserstoffsäure.
d. Geglühtes Mineral mit Fluorwasserstoffsäure,
cf. Berechnung von d auf ungeglühtes Mineral.
e. Eisenoxydulbestimmung mittelst Goldchlorid.
/; Bestimmung von Kieselsäure, Phosphorsäure und
Borsäure, letztere als Borfluorkalium.
474
«. &. e; rf. if. & /.
Pbofipborsäore 0»24
Borsäure 9,86
Kieselsäure 38,45 38^00 nicht best. 38^
Thonerde 34,16 30,60 32,75 33,72 32,54
Eisenoxyd 3,29 3,63 2,62 3,37 3,25 Fe 0,12
Natron |
Kali \
Ml 1,69 1,63
Zasammenst eilung:
Fluor 2,50
Phosphorsäure 0,24
Smerstoft
a. b. e. f. Kieselsäure
38^3
19,91
Borsäure
9,86
6,78
o. 6. c. (f. Thonerde
33^15
15,48
Eisenoxyd
3,07
0,92
e. f. Eiseooxydul
0,12
0,02
a. b. c. d. Talkerde
10.89
4,28
a. c. Kalkerde
0,77
0.22
j, Natron )
*'• ^' Kali i
1,52
0.39
26,69
16,40
4,91
100,45.
No.5.
■rauaer Tarmalio v^m Mooroe io Coaneeticot in ^en
vereinigten Staaten.
Einzelne und mit einander verwachsene Krystalle von
ansehnlicher Gröfse, das neunseitige Prisma mit dem Haupt-
rhomboeder am einen, dem ersten stumpferen am ande-
ren Ende ^ )• Sie kommen im Glimmer- und Talkschiefer
vor. Ihre Flächen sind glatt und glänzend, nur die des
ersten stumpferen RhomboSders erschienen rauh, und von
den Eindrücken des Schiefers wie zerfressen. Dünne Split-
1) S. Dana System. S. 389.
475
ter sind mit rothbrauner Farbe darcbscbeinend. Auf den
Ablösungsflächen bemerkt man einzelne GlimmerblSttchen.
Die untersuchten Exemplare verdanke ich Hrn. Sil lim an.
Das 9pec, Getoickt ist =3,066.
Vor dem Löthrohr schmilzt dieser Tarmalin ziemlich
leicht zu einer weifsen blasigen Schlacke.
Im Ofen yerwandelt er sidi in eine aufgeschwollene
grauweibe Masse, wobei er 3,32 Proc. verliert, =2,38
Fluor, so dafs 100 Tb. des geglQhten = 103,43 des unge-
glfihten sind.
a. Mit kohlensaurem Kali -Natron. Geschmolzene hell-
grfingelbe Masse, die mit Wasser und Chlorwasserstoffsäure
eine klare Auflösung gab.
a. Geglühter T. mit Fluorwasserstoffsäure.
b\ Berechnung von b auf ungeglQhte Substanz.
c. Eisenoxjdulbestimmung mittelst Goldchlorid.
a, b. b, ' c .
Kieselsäure 39,01
Thonerde 31,71 31,70 30,65
Eisenoxyd 5,13 6,36 6,15 Fe 0,98
Talkerde 9,92 10,22 9,88
Kalkerde 1,81 2,73 2,64
Natron 1,88 1,82
Kali 0,45 0,44.
Zusammenstellung:
Fluor 2^38
Kieselsäure 39,01 20,27
Borsäure 9,04 6,21
a. b\ Thonerde 31,18 14,56
SauerstoflT.
28,48
15,59
Eisenoxjd 3,44 1,03
Eisenoxjdal 0,98. 0,22
Talkerde 9,90 3,89
Kalkerde 1,81 0,51 ) 5,15
Natron 1,82 0,46
KaU 0.44 0,07
100.
476
No. 6.
Schwarzer Tarmalin vom Zilleithal in TyroL
Schwarze neunseitige Prismen, an denen das dreiseitige
vorherrscht, mit verbrochenen Enden, in weifsem hartem
körnigem Talk liegend, hie und da von grfinem Strahlstein
begleitet. Die Flächen sind theiis glatt und glänzend, theils
rauh und drusig. Dünne Bruchstücke sind vollkommen
durchsichtig, und zwar in senkrechter Richtung auf die
Hauptaxe mit nelkenbrauner, ins violette fallender Farbe,
parallel derselben mit grüner Farbe. Ihr Pulver ist grau.
Die untersuchten Exemplare erhielt ich von Hrn. Hai-
dinger.
Ihr spec. Gewicht ist = 3,054.
Vor dem Löthrohr schmilzt dieser Turmalin mit starkem
Glanz und unter Aufblähen ziemlieh leicht zu einem wei-
fsen schaumigen Glase.
Im Ofen gab er eine sehr aufgeschwollene bimssteinar-
tige grauweifse Masse, und hatte 3,54 Proc. verlören, ent-
sprechend 2,5 Fluor, so dafs 100 Th. des geglühten Mine-
rals = 103,67 des ungegifihten sind.
a. Mit kohlensaurem Natron.
b. Geglühter desgl.
b\ Berechnung von b auf das ungeglühte Mineral.
c. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
c\ Berechnung von c auf das ungeglühte Mineral.
d. Bestimmung des Eisenoxjds mit Kupfer, und des
Oxyduls mit Goldcblorid.
a. h. b'. c. ' <^, d.
Phosphorsäjjre 0,24
Kieselsäure 37,94 38,90 37,52
Tbonerde
32.98
37,19
35,87
35,56
34,30
Eisenoxyd
2.91
3,57
3,44
3,36
3,24
2,00
Talkerde
10,44
11,10
10,71
10,61
10,23
Fe 0,37
Kalkerde
1,13
1,06
1,02
0,80
0,79
Natron
2,21
2,13
Kali
1
0,38
0,37
477
Zasaminenstellung:
SaaenlolT.
Fluor
2,50
Phospborsäure
0,24
a. Kieselsäure
37,94
19,71
1 25,61
Borsäure
8.58
5,90
a. d. Thouerde
33,64
15,71
j 16,55
a. b'. d. Eiseooxyd
2,79
0,84
d. Eisenoxjdul
0,37
0,08
\
a. b'. d. Talkerde
10,46
4.11
1
Kalkerde
0,98
0,28
} 5,07
Natron
2,13
0,54
l
Kali
0,37
0,06
/
100.
No. 7.
Schwarzer Tarmalin von Godhaab in Grönland.
Bruchstück eines gröfseren Krystalls, welcher haupt-
sächlich von dem sechsseitigen Prisma gebildet wurde, zu
dem untergeordnet das dreiseitige hinzutrat; die Bhomboe-
derflächen der Enden undeutlich, die Seitenflächen glatt und
glänzend. In Höhlungen gelbliche Glimmerblätlchen. Im
Innern der scheinbar ganz frischen sehr harten. Masse ein-
zelne schwärze Glimmerlamellen und kleine Parthieen eines
weifsen blättrigen Minerals.. Dünne Splitter sind an den
Räudern theils mit grünblauer, theils mit bräunlich violet-
ter Farbe durchscheinend. Das Pulver ist bläulich grau.
Das untersuchte E)xemplar erhielt ich aus dem K. Minera-
lienkabinet zu Berlin.
Spec. Gewicht = 3,072.
Vor dem Löthrohr schmilzt er unter starkem Leuchten
und Aufblähen zu einer weifsen feiublasigcn Schlacke.
Im Ofen gab jer eine goscbmolzeuH: a4i(geblähte poröse
gelbliche Masse, und verlor dabei 3,168 Proc, entsprechend
2,23. Fluor, so dafs 100 Th. des geglühten = 103,21 des
ungeglühtea TuntialinsBiod.
478
a. Mit kohlensattrem Natron -Kali.
6. Desf^leidieo später.
c. Mit kohlensaurem Baryt and FlaorwasserstofEsäore.
d. Geglühter mit kohlensaurem Natron.
<f . Berechnung Ton d auf ungeglQhtes Mineral.
e. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
e\ Berechnung Ton e auf ungeglQhtes Mineral.
* f, Eisenozydulbestimmung mit Goldchlorid.
tf. 0» €• d, a» €. €• f.
Phosphorsäure 0,11
KieseUfture 36,88 38,24 37,97 38,92 37,71
ThoDerde 37,18 ^,92 34,26 ) 35,51 34,40
Eisenoxjrd mit et- > 38,75 37,55 5,21 5,05
WM Masgaa 4,73 4,60 5,25 7 FeO,25
Talkerde 10,05 9,55 9,42 9,74 9,44 9,37 9,08
Kalkerde 1,04 1,43 1,61 1,56 1,02 1,00
Nairoo 1,69 2^7 2,30
KaU 0,48 0,39 0,38.
SanerstofT.
24,65
Zusammenstellung:
Fluor 2,23
Phosphorsäure 0, 1 1
a. fr. c. Kieselsäure 37,70
Borsäure 7,36
6. c. e\ Thonerde 34,53 .w,.« . 17 p;i
n. fr. c. e'. Eisenoxyd 4,63 1,39 \ '
Eisenoxydul 0,25^
a. fr. c. cf. e\ Talkerde 9,51
fr. c. dl. e\ Kalkerde 1,25 0,35 \ 4,72
, Natron 2,00
^•^* Kali 0,43
100.
No. 8.
8ehwaraer Tu^flialR voD Tezas^ Lane^aster Ceaatj is
PeBosylTanieB.
Sehr dfinne «ochsseitige Prismen ohne deutliche End-
flächen, in einem grauweifsen iiafftoi talkartigen Gestein
479
ahlreich eiugewachsen. Ihre Flächen sind sehr glatt und
länzend. Sie sind mit dunkelgrfiner Farbe durchscheinend,
^on Hrn. Dr. Tamnau mitgetheilt.
Spec. Gewicht = 3,043.
Vor dem Löthrohr schmilzt dieser Turmalin' ziemlich
eicht mit starkem Leuchten zu einem blasigen grünlich«
^eifsen Email.
Im Ofen gab er eine geschmolzene sehr aufgeblähte hell
livengrfine Masse. Verlust = 3,3 Proc. = 2,36" Fluor.
00 Th. des geglühten = 103,4 des ungeglühten Minerals.
a. Mit kohlensaurem Kali -Natron.
fr. Desgleichen.
c. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
c\ Berechnung von o auf ungeglühte Substanz.
Von Easenoxydul fanden sich nur Spuren.
«.
h.
e.
e.
Phospborsäure
0,21
0,20
Kieselsäure 37,66
39,24
Thonerde 35,13
34,44
35,26
34,10
Eisenoxjd 3,48
3,14
3,42
3,31
Mangauoxyd 0,09 |
9,62
Talkerde 9,30 j
8,70
8,41
Kalkerde 0,66
0,88
0,60
0.59
Natron
2,06
2,00
Kali
0,76
0,73.
Zusammenstellung:
Fluor
2,36
Saaerstofr.
Phosphorsäure
0,20
a. b. Kieselsäure
38,45
19,98 1
25,81
Borsäure
8,48
5,83 j
a. b. d. Thonerde
34,56
16,14 \
Eisenoxyd
3,31
0,99 (
17.16
a. Manganoxjd
0,09
0,03 \
a. b. d. Talkerde
9,11
3,58 .
Kalkerde
0,71
0,20 \
4,41
1
e'. Natron
2,00
0,51 (
Kali
0,73
0,12 )
100.
480
No. 9.
BrauDSGhwarzer Turmalin vom St. Gotthardt.
Isolirt.e Krjstalle in Form dGnner neunseitiger Prismen
mit fehlenden oder unkenntlichen Endflächen. Sehr glän-
zend, anf dem Bruch flachmuschlig, mit haarbrauncr Farbe
durchsichtig.
Das Material verdanke ich theils Hrn. Bergrath Hai-
dinger, theils Hrn. Dr. Tamnau.
Das spec. Gewicht ist =3,055.
Vor dem Löthrohr schmilzt diese Abänderung unter
starkem Aufblähen zu einem blasigen bräunlichgelbeo Email.
Im Ofen verwandelt sie sich in eine poröse gelbbraune
Masse, ivelche etwa das dreifache Volum des ursprünglichen
zeigt. Verlust in zwei Versuchen =3,19 und 3,31 Proc,
im Mittel also 3,25, entsprechend 2,33 Fluor, so dafs 100 Th.
des geglühten Turmalins = 103,36 ungeglühten sind.
a. Mit kohlensaurem Natron.
b. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
b\ Berechnung von b.
c. Wiederholung von 6.
c'. Berechnung von c.
d. Bestimmung des Eisenoxjduls mit Goldchlorid.
a, bi b'. c. e'. d.
Phosphorsäure 0,24
Kieselsäure 38,00
Thonerde 34,02 31,45 30,44 33,47 3^,38
Eisenoxyd .8,10 8,33 8,06 8,23 7,96 Fe 1,51
Talkerde 7,76 6J»Ö 6,^8 7,61 7,37
Kalkerde 1,18 l,qO, 1,45 1,34 1,30
Natron 1^27 1,23 1,68 J;63
Kali ilidbt best. 0,2» 0,28
Zu
:n)i
481
ZusaiDineDstelluog:
Saaerstoff.
FIpor
2,33
Phoäphorsäure
0,24
a, Kieselsäare
38,00
Borsäure
8,99
a. b'. d. Tbonerde
32,28
Eisenoxjd
6,36
i. Eisenoxydul
1,51
a. V. d. Talkerdc
7,27
., , Kalkerde
Natron
1,31
1,43
c'. Kali
0,28
25,93
16,98
19,74 )
6,19 i
15,07
1,91
0,33
2,86
0,37 ) 3,96
0,35
0,05
100.
No. 10.
Scbwareer Turmalin von Havredal bei Krageroe im
südlichen Norwegen.
Gröfsere und kleinere Krystalle, in Einern Gemenge von
Quarz, Feldspalh (Albit) und Titaneisen; zum Theil sehr
reich an Flächen, unter denen besonders die beiden sechs-
seitigen Prismen (das erste mit abwechselnd gröfsern Flä-
chen), das zwölfseitige Prisma, das Hauptrhombocder, das
erste stumpfere und das erste schärfere. Die Flächen glatt
und glänzend; einzelne Krjstalle etwas mürbe und bräun-
lich; Glimmerblättchen hie und da an der Oberfläche und
auf Ablösungsflächen. DDnne Splitter sind mit röthlich-
brauner Farbe durchscheinend.
Das Material stammt aus dem K. Mineraliencabinet zu
Berlin.
Das spec. Gewicht ist =3,107.
Vor dem Löthrohr leuchtet dieser Turmalin stark, und
schmilzt ziemlich leicht unter Kochen zu einer hellgrauen
blasigen Schlacke.
Im Ofen schmolz er zu einer graugelben porösen Masse
wobei 2,93 Proc. Verlust, = 2,1 Fluor. 100 geglühter
Tonnalin = 103,02 des ungeglfihten.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 31
482
a. Mit koblensaureni Natron.
b. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
. b\ Berechnung von fr.
c. Bestimmung des Eisenoxyds durch Kupfer, des Ei-
senoxyduls durch Goldchlorid.
Phosphorsäure
Kieselsäure
Thonerde
Eisenoxyd
Talkerde
Kalkerde
Natron
Kali
m.
0,08
37,11
31,39
8,49
9,77
h.
»'.
c.
31,96
8,65
9,36
0,82
1,82
0,33
31,02
8,40
9,09
0,80
1,77
0,32
Zusammenstellung:
Flnor 2,10
PbosphorsSare 0,08
a. Kiesels&nre 37,11 19,28
Borsädre 8,78 6,04
a. y. Thonerde 31,26 14,60
a. b'. c Eisenoxyd 7,57 2,27
c. Eisenoxjdul 0,77 0,17
a. b'. Talkerde 9,43 3,70
V. Kalkerde 0,60 0,23
Natron 1,78 0,45
Kali 0,32 0,05
100.
Fe 7,34
Fe 0,77
SaaerstofE
25,32
16,87
4,6
No. Li.
Scbwarzei^ TurmaliD von Ramfossen bei Soaram,
Kirchspiel Modum in Norwegen.
Bruchstöcke gröfserer Krystalle, an denen theils das
sechsseitige, theils das dreiseitige Prisma vorherrscht Von
Endflächen lassen sich das erste schärfere Khomboeder, und
untergeordnet das Hauptrhomboeder erkennen. Die Kry-
483
stalle &iud fast immer glatt und glänzend, sehr zu Abson-
derungen geneigt, und in dünnen Splittern mit brauner Farbe
durchscheinend. Sie liefern ein grünlichgraues Pulver. Im
Innern bemerkt man hie und da ein weiCses blättriges Mi-
neral Die untersuchten Exemplare rühren aus dem K.
Mineraliencabinet zu Berlin her.
D€ts spec. Gewicht ist =3,145.
Vor dem Löthrohr schmilzt dieser T. mit Leuchten und
Aufblähen ziemlich rasch zu einer graubraunen Schlacke.
Im Ofen liefert er eine geschmolzene poröse schwärz-
liche Masse. Verlust =2,39 Proc, =1,71 Fluor, so dafs
100 Th. geglühtes Mineral = 102,5 ungeglühtes sind.
a. Mit kohlensaurem Natron.
6. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
b'. Berechnung von b.
c. Bestimmung des Eisenoxyds durch Kupfer und des
Oxyduls durch Goldchlorid.
a. b. b'. c,
Phosphorsäure 0,11
Kieselsäure. 37,22
Thonerde 29,40 30,72 30,00 FpQ97
Eisenoxyd 11,63 13,53 13,20 *'' '''^^
Talkerde 8,21 7,84 7,66 Fe 0,86
Kalkerde 1,15 0,17 0,16
Natron 1,16 1,13
Kali 0,54 0,53.
Zusammenstellung:
Fluor 1,71
Phosphorsäure 0,11
a. Kieselsäure 37,22 19,34
Borsäure 8,70 5,98
a, b'. Thonerde 29,70 13,87
a, b\ c. Eisenoxyd 11,45 3,43
c. Eisenoxydul 0,86 0,19
o. 6'. Talkerde 7,94 3,12
Sauarstoff.
25,32
17,30
Kalkcrde 0,65 0,18 ; 3,87
., Natron 1,13 0,29
o.
Kali 0,53 0,09
KM).
31*
484
No. 12.
Schwareer TarnaliB ia Qaars von Had4a« is C»BBec-
ticat ia dea Tereinigten Staatea.
An dem durch seinen Mineralreidithum ausgezeichneten
Fundorte kommt der Tormalin unter mehrfachen Verhältnis-
sen Tor. Auf der Ostseite des Connecticut -Rhrer finden
sich Tollständig ausgebildete glatte Krystalle von nvehr als
Zolllänge und Dicke, gebildet aus den beiden sechsseitigen
Prismen, das erste mit abwechselnd gröberen Flächen; be-
gränzt am einen Ende von dem Hauptrhomboeder, am an-
deren von diesem und dem ersten schärferen. An anderen
Punkten findet man ähnliche, an denen jedoch das dreisei-
tige Prisma vorwaltet, und deren Flächen, mit Quarz und
Feldspath bekleidet, rauh und drusig erscheinen. Endlich
kommen gröfsere und kleinere Krystalle daselbst in Quarz
vor und diese letzteren wurden zur Analyse benutzt. Ich
verdanke Hrn. Silliman Proben der verschiedenen Vor-
kommen.
Das spec. Gewicht ist = 3,136.
Vor dem Löthrohr bläht sich dieser Turmalin auf und
schmilzt unter Schäumen zu einer grauen blasigen Schlacke.
Im Ofen liefert er eine aufgeschwollene braune Masse,
und verliert dabei nach 2 Versuchen 2,47 und 2,51 Proc,
im Mittel also 2,49, entsprechend 1,78 Fluor. 100 Th. des
geglühten würden hiernach =102,56 des ungeglühten seyn.
a. Mit kohlensaurem Kali -Natron.
b. Desgl. Geschmolzene gelbe Masse.
c. Mit kohlensaurem Baryt und Fluorwasserstoffsäure.
d. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
d'. Berechnung von d.
e. Eisenoxydulbesjtimmung mit Goldchlorid.
a, h, c. d, if. t,
«Kieselsäure 37,34 37,66 39,84
Thonerde 31,88 30,07 31,67 30,61 29,85
Eisenoxyd 9,74 10.13 11,20 11,18 10,90 Fe 1,06
Talkerde 8,87 8,67 8,38 8,67 8,45
Kalkerde 1,64 1,58 2,37 1,36 1,33
Natron I ^ in J.«"* 1.60
Kali '*'»0 0,74 0,.73
485
Zusammenstellaog:
Fkior 1,78
Sauerstoff.
Phosphorsäure Spuren
a. b. Kieselsäure 37,50 -„,.^ .
Borsäure 7,94 5,46 i ^^'^^
a. b. c. rf. Thonerde 30,87 .-,.> .
Eisenoxyd 8,31 ^ ^" ^ '^
6. Eisenoxydul 1,06
a. b. c. d. Talk erde 8,60
a. b. d'. Kalkerde 1,61 0,46 / 4,60
,, Natron 1,60
Kall 0,73
100.
No. 13.
Schwarzer Turmalin von Haddam ia Connecticot.
Die im Folgenden untersuchte Varietät kommt zu Had-
dam als Begleiter des Chrysoberylls vor, der sich dort in
einem den Gneis durchsetzenden Granitgange findet. Er
ist von körnigem gelbem Quarz begleitet, der, je näher
dem Turmalin, um so dunkler gefärbt ist. Zwischen bei>
den liegt Talk oder Chlorit. Der Turmalin, welcher grofse
Krystalle bildet, erscheint etwas zersetzt, zwar sind seine
Flächen grofsentheils noch glatt und glänzend, allein von
Höhlungen unterbrochen, welche von gelbem Eisenocker,
vorzüglich aber von Glimmerblättc}ien ausgefüllt sind. Letz-
tere finden sich auch im Innern zahlreich, und die Ablö-
sungsflächen sind von Eisenoxyd roth gefärbt.
Das Material wurde gleichfalls von Hrn. Silliman ge-
liefert.
Das spec. Gewicht ist =3,132.
Vor dem Löthrohr verhält er sich wie der vorige.
Im Ofen gab er eine theilweise gechmolzene, theilweise
gesinterte braune Masse, und hatte 2,72 Proc. verloren,
entsprechend 1,95 Fluor. 100 Th. des geglühten sind hier-
nach = 102,79 des ungeglühten.
486
a. Mit kohlensaurem Natron.
b. Desgleichen.
c. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
d. Berechnung von c.
d. Eisenoxydulbestimmung.
a. b. c* c. d,
Kieselsäure 35,06 38,03
Thonerde 31,79 33,14 35^9 34,43
Eisenoxyd 12,12 9,42 11,46 11,15 Fe 0,5
Talkerde 8,32 8,45 9,00 8,75
Kalkerde 1,84 1,76 0,49 0,48
Natron-
Kali
2,33 2,28
Zusammenstellung:
Fluor 1,95
a. b. Kieselsäure 36,55 19,00
Borsäure 4,87 3,35
a. b. Thonerde 32,46 15,16
a. c. Eiseuoxyd 11,08 3,32
d. Eisenoxydul 0,50 0,11
a. b. c. Talkerde 8,51 3,34
SaaerstofiP.
22,35
18,48
a. b. Kalkerde 1,80 0,51 ) 4,54
Natr
Kali
c'. ^l'r \ 2.28 0,58
100.
No. 14.
Schwarzer Turmalin von Unity ia New-Hamsphiro
in den vereinigten Staaten.
Diese Varietät zeichnet sich durch ihre Reinheit uud
ihren frischen Zustand aus. Lange dünne glänzend schwarze
Krystalle, von gebogen dreiseitigem Querschnitt, liegen io
einem fast durchsichtigen weifsen Quarz, von dem sie sich
leicht trennen. Manche sind gekrümmt, aber nicht zer-
brochen.
487
Hrn. Sil lim an verdanke ich auch diesen Turmalin.
Das spec. Gewicht ist =3,192.
Vor dem Löthrohr verhSlt er sich wie die beiden vorigen.
Im Ofen gab er eine theiis blangrane, theils braune, stark
gesinterte oder etwas aufgeschwollene Masse. Der Verlust
betrug in zwei Versuchen 2,20 und 2,25 Proc, im Mittel
2,225 Proc, entsprechend 1,59 Fluor. 100 Th. des geglüh>
ten sind =102,27 des ungeglühten.
a. Mit kohlensaurem Natron.
6. Mit kohlensaurem Kali -Natron. Die Masse gelb-
braun, geschmolzen.
c. Desgleichen; nicht alle Bestandtheile bestimmt.
d. Mit kohlensaurem Baryt und Fluorwasserstoffsäure.
e. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
e'. Berechnung von e,
f. Bestimmung des Eisenoxyduls mit Goldchlorid.
a, b. €, d, «. e*. /.
Kieselsäure 36,86 35,94 36,07 40,64
Thonerde 27,73 30,10 ) .. ^ ,. .^ 31,47 30,78
Eisenoxyd 17,34 14,70 \ ^^'^^ *^'^^ 17,13 16,75 Fe 2,38
Talkerde 4,75 6,23 ) „ ^, 6,25 6,12
Kalkerde 1,11 1,00 ) ' 0,98 0,96
K3I,'''" j 4,50 1,98 1,94
Zusammenstellung:
Fluor 1,59
a. b. c. Kieselsäure 36,29 18,85
Borsäure 6,94 4,77
b. e\ Thonerde 30,44 14,21
Sauerstoff.
23,62
6. e'. Eisenoxjd 13,08 3,92 j '
f. Ei8«noxydul 2,38 0,53
a. b. d. e'. Talkerde 6,32 2,57
a. 6. e'. Kalkerde 1,02 0,29 ) 3,95
e'. IT"" \ 1,94 0,56'
Kali
100.
488
No. 15.
Scbwarxer Turmaliii tob Bovey Tmcy in Devoiishire in
England.
Kurze dicke Krystalle in Granit vorkommend^ gebildet
aas beiden sechsseitigen Prismen, Yon denen die abwech-
selnden Flächen des ersten gröfser sind, dem Haupt- und
ersten schärferen Bhomboeder am einen, jenem und dem
ersten stumpferen am anderen Ende. Fast alle, besonders
die Seitenflächen sind glatt und glänzend; gelbbrauner ver-
witterter Feldspath hängt ihnen an, und zieht sich auf Ab-
sonderungsklüften in das Innere der sonst ^ehr homogenen
und frischen Masse. Nur ganz dQnne Splitter sind mit
röthlichbrauner Farbe durchscheinend.
Das Material der Untersuchung verdanke ich dem K.
Mineraliencabinet zu Berlin.
Das spec. Gewichi ist = 3,205.
Vor dem Löthrohr schmilzt dieser Turmalin etwas schwer
zu einer schwarzen Schlacke.
Im Ofen gab er eine gesinterte schwarze Masse, uod
hatte 2,09 Proc. verloren, entsprechend 1,49 Fluor. 100 Tb.
des geglöhten Minerals sind = 102,15 des uiigeglühten.
a. Mit kohlensaurem Natron.
b. Geglühter desgl,
b'. Berechnung von b.
c. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
c\ Berechnung von c.
d. Bestimmung des Eiseuoxjds durch Kupfer, und des
Oxyduls durch Goldchlorid.
a. 6. h' C- c , d.
Pbosphorsäure 0,12
Kieselsäure 37,00 36,91 36,13
Thonerde 33,58 34,75 34,02 32,34 31,66
Eiseuoxjd 16,46 16,09 15,75 17,79 17,41 Fe 8^90
Talkerde 2,60 2,46 2,41 2,74 '2,68 Fe 6,19
Kalkerde 0,60 1,64 1,60 0,40 0,39
Natron 1,42 1,39
Kali 0,66 0,65
489
ZasamineDstellaDg:
Fluor 1,49
Sauerstoff.
Phosphorsäure 0,12
a. Kieselsäure 37,00 19,22 )
Borsäure 7,66 5,27 j '
a. 6'. d. Thonerde 33,09 15,45 j i^«.
Eisenoxyd 9,33 2,80 \ '^
d. Eisenoxjdul 6,19 1,37
a. V. c. Talkerde 2,58 1,01
a. c\ Kalkerde 0,50 0,14 ) 2,98
, Natron 1,39 0,35
^* Kali 0,65 0,11
100.
No. 16.
Schwarzer Turmalin von Alabaschka bei Murslnsk
am Ural.
Bruchstück eines gröfseren Krjstalls, gebildet aus dem
Torwaltenden dreiseitigen und dem zweiten sechsseitigen
Prisma, und an dem einen auskrystallisirten Ende von dem
Hauptrhoniboeder und dem ersten schärferen. Die Pri-
smeuflächen sind gestreift, alle aber glatt und glänzend.
Vorkommen wie das von Bovey Tracy auf Klüften im
Granit. Eine gelbliche erdige Substanz (verwitterter Feld-
spath) bekleidet die Vertiefungen der Oberfläche, und im
Innern bemerkt man einzelne weifse Glimmerblättchen. Ganz
dünne Splitter sind mit röthlichbrauner oder bläulicher
Farbe durchscheinend.
Ich erhielt das Material aus dem K. Mineraliencabinet
zu Berlin.
Das spec. Gewicht ist nach zwei Versuchen = 3,226
und 3,229.
Vor dem- Löthrohr leuchtet er, und schmilzt an den
Rändern zu einer brauneu Schlacke.
Im Ofen war das grobe Pulver schwach gesintert, roth-
braun wie goglühles Eisenoxyd, und hatte 2,15 Proc. ver-
490
loreuy entsprechend 1,54 Fluor. 100 Th. des geglfihte
sind = 102,2 des angeglübten Tarmalins.
a. Mit kohlensaarem Natron.
b. Geglühter desgl.
V.. Berechnung von 6.
c. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure,
c'. Berechnung von o.
d. Bestimmung des Eisenoxyds durch Kupfer und de
Oxyduls durch Goldchlorid.
a.
h.
V.
c.
e.
d.
Kieselsiure 35,74
35,75
34,98
Thonerde 33,88
36,38
35,60
34,47
33,73
Eisenoxyd 16,64
18,12
17,73
17,48
17,10
i e 6,02
Talkerde 1,90
1,66
1,62
0,84
0,82
Fe 8,60
Kalkerde
1,19
1,16
0,58
0,57
Natron
1,04
1,02
•
Kali
0,48
0,47
Zusammenstellung:
Fluor 1,54
a. Kieselsäure 35,74 18,57
Sauerstoff:
24,07
Borsäure 8,00 5,50
a. 6'. </. Thonerde 34,40 16,06 ) |«^.
a. V. d. Eisenoxyd 7,61 2,28 j '^^
d. Eisenoxydul 8,60 1,01
a. 6'. Talkerde 1,76 0,69
V. c[. Kalkerde 0,86 0,24 ) 3,18
Natron 1,02 0,26
c.
Kali 0,47 0,08
100.
4»1
No. 17.
Schwarzer Tarmalin vom Sonnenberg bei Andreasberg
am Hare.
Diese sehr bekannte Varietät kommt in kleinen scharf
aasgebildeten Krjstallen in einem drusenreichen Granit vor,
dessen Feldspath schon sehr zersetzt ist. Sie werden yon
dem sechsseitigen und untergeordnet dem dreiseitigen Prisma,
von dem ersten schärferen Rhomboeder, als vorherrschen-
dem, dem zweiten schärferen und dem Hauptrhomboeder
am einen Ende, und dem letzteren allein am anderen ge-
bildet. Seltener sind die drei anderen Flächen des ersten
Prismas, ein Drei- und Dreikantner Hai-^ai^aic) am
einen, und das erste stumpfere Rhomboeder am anderen
* Ende ' ). Die Masse dieses Turmalins ist sehr hart und
frisch , und frei von sichtbaren Einmengungen. Selbst sehr
dünne Splitter dieses eisenreichsten aller Turmaline sind
undurchsichtig. Das Pulver ist grau.
Das Material verdanke ich dem K. Mineraliencabinet
in Berlin.
Das spec. Gewicht ist =3,243, das gröfste von allen,
wohl eine Folge des höchsten Eisengehalts.
Vor dem Löthrohr schmilzt er zu einer schwarzen
Schlacke.
Im Ofen sinterte er stark, war oben braun, in der
Mitte und unten schwarz, und hatte in einem Versuch 1,87,
in einem andern 2,31 Proc. verloren. Letztere Zahl ent-
spricht 1,64 Fluor, und 100 Th. des geglühten Turmalins
sind darnach = 102,37 des ungeglühten, nach dem ersten
Versuche aber = 101,9 desselben.
a. Mit kohlensaurem Katron.
b. Geglühter desgl.
b\ Berechnung von b,
c. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
c\ Berechnung von c.
d. Wie c, ohne Bestimmung der Alkalien,
(f. Berechnung von d,
e. Eisenprobe.
1) S. G. Rose lo diesen Anoalen, Bd. 42, S. 580.
492
Kieselsiare
Tboserde
Kiseaozyd
TUfcerie
Kalkerde
NatrvB
Kidi
1M3
0,10
0,80
0,96
30,90
34J90
19;»
0,11
0,6»
1,06
34,25
18,86
0,11)
0^64(
1,04
^.
€,
30,92
18,96
30^ 3i,04 34,23
16.60 ) 2 j^ ^^^
1,00 0,98' ^^^ ^^
' *^ 0,70 0,69
0,21 0,20 0,70 0,69
1,39 1,36
0,59 0,58
F^9J51
Zasammenstellaog.
a.
a* h\ c'. (f.
HL b, tf»
e.
ü, b. J,
a. b', c\ d.
6.
Flaor 1,64
Phospboniure 0,12
fVlCSCloaUrC dO,9J
BonSnre
Thonerde
Eisenoxyd
Eisenoxjdol
Maoganoxjdol
Talkerde
SauerxtoE
Kalkerde
Natron
Kali
7,62
32,92
8,13
9,51
0.11
0,78
0,72
1,36
058
18,97
5,24
15,37
2,44
2,11
0,02
0,30
0,20
0,35
0,10
24,21
17,81
3,08
100.
No. 18.
Schwarser Tar«alin ron der Herrschaft Saar in Mihrea.
Einzelne ziemlich dicke and korze Krystalle oder viel-
mebr Aggregate von Krjstallen von vorherrschend dreisei-
tigem Querschnitt; die Seitenflachen stark gestreift, glatt
und glänzend; die Endflächen undeutlich, nur Spuren des
Hauptrhomboeders sichtbar. In den Vertiefungen liegt eine
röthlicbe thonige Masse und etwas Glimmer. Dfinne Split-
ter sind senkrecht auf die Hanptaxe röthlichbraän durch-
scheinend.
Das Material wurde mir von Hrn. Haidinger mitge-
theilt.
Da» spee. Gewicht ist =3,181.
493
Vor dem Löthrohr schmilzt dieser Turmalin schwer und
mit Aufblähen zu einer braunrothen Schlacke.
Im Ofen geglüht, verwandelte er sich in eine stark ge-
sinterte braunrothe Masse, und verlor 1,82 Proc, entspre-
chend 1,3 Fluor. 100 Th. des geglühten Minerals sind
=: 101,85 des ungeglQhten.
a. Mit kohlensaurem Natron.
b. Geglühter desgl.
b\ Berechnung von 6.
c. Geglühter mit Fluorwasserstoffsäure.
c\ Berechnung von c.
d. Bestimmung des Eisenoxjduls durch Kupfer und des
Eisenoxyduls durch Goldchlorid.
a, b» b . c. c. <f.
Phosphorsäure Spur
Kieselsäure
36,82 36,44 35,78
Thonerde
36,02 36,35 35,70 35,40 34,67 Fe 5,56
Eisenoxyd
14,79
15,91 15,62
15,25 14,90 Fe 6,51
Talkerde
j 1,55
1,58 1,55
1,55 1,52
Kalkerde
0,87 0,86
0,77 0,76
Natron
0,98 0^
Kali
0,09 0,09
Zusammenstellung:
SaaerstoflF.
Fluor
1,30
Phosphorsäure Spur
a.
Kieselsäure
^6,82
'f^ ^'••«
Borsäure
. 8,70
ü. b, c\
Thonerde
Eisenoxyd
35,50
6,57
'\% \ ^^
Eisenoxydul
7,68
1.70 X
a, 6. c.
Talkerde
1,55
0,61 f
Kalkerde
0,81
0,23 l 2,80
rf
Natron
0,98
0,25 (
c.
Kali
0,09
100.
0,01 ]
(Schluff im nSchsten 1
teft.)
494
II. Anziehende FFirkung der Elehtromagnete ;
von Julius Dub.
Di
4e CoDsfruction elektromagDetischer Maschinen benibt
in vielen Fällen auf d\er Wirkung der Elektromagnete in
Entfernung. Es ist aber eine für die Kraftäufaerung solcher
Maschinen nicht günstige Thatsache, dafs die Elektromag-
nete so sehr wenig in Entfernung ivirken, im Verhältnifs
zu den Stahlmagoete sowohl, als im VerhältniCs zu ihrer
grofsen Wirkung in Berührung, Es schien mir daher von
nicht geringem Interesse, Aufschlufs zu erhalten über die
Gröfse der Wirkung auf Entfernung bei Magneten von ver-
schiedenen Verhältnissen.
Andererseits veranlaCsten mich meine früheren Beobach-
tungen, dafs der Einflufs der Berührungsfläche so bedeu-
tend sey, zu diesen Untersuchungen, da ich im Voraus
versichert vrar, dafs diese Wirkung der Berührungsfläche
in Entfernung vrenigstens sich verringern, wo nicht gar
verschwinden möchte. Ich wurde zu dieser Meinung be-
sonders dadurch geführt, dafs ich früher auf mehrere Sätze
stiefs, welche mit den von den HH. Lentz und Jacobj
aufgestellten nicht übereinstimmten. Ich glaubte ich würde
durch die Beobachtung der Wirkung der Elektromagnete
in Entfernung vielleicht zu denselben Resultaten, wie sie
dort ausgesprochen sind, gelangen ; da nämlich die Versuche
jener Gelehrten so angestellt sind, dafs die Wirkung beob-
achtet wird, wenn Magnet und Anker, oder zwei Magnete
sich nicht unmittelbar berühren.
Andere von Lentz und Jacoby aufgestellte Sätze
über die Anziehung sind nicht das Resultat unmittelbarer
Messungen, sondern aus andern Erscheinungen, näm-
lich der Inductionswirkung beim Unterbrechen des Stro-
mes oder Abreifsen des Ankers erschlossen. Es schien mir
daher von nicht geringem Interesse zu untersuchen, ob die
wirkliche Anziehung dieselben Resultate zeige?
495
Wie die früheren Untersttchangen, habe ich aui^ diese
durch directes Abreifsen des Ankers mittelst angehängter
Ge^idite angestellt, und habe dazu denselben Apparat
benutzt wie tr in meiner früheren Abhandlung über die
Anker beschrieben ist ' ).
Mit der grovischen Säule waren wie früher die Kupfer-
Spirale des Magneten, die Tagentenbussole und der Wider-
standsmesser zu einem Kreise verbunden. Die Anziehung
wurde durch den Abreifsapparat gemessen.
Um nun die Wirkung der Elektromagnete auf Entfer-
nungen kennen zu lernen, bedurfte es eines Apparates,
welcher möglich machte, den Anker in beliebiger, 'genau
gemefsner Entfernung vom Magneten zu halten.
Diesen Apparat, wie auch die angewandte Tangenten-
bussole, verfertigte der Mechaniker Hr. Zinke mit em-
pfehlenswerther Grenauigkeit und Sorgfalt. Er besteht in
einer Hübe (a), 3"' stark, von Rothgufs, 5'" hoch und Y
innerem Durchmesser, welche den Anker (ii) umfafst. An
dieser befinden sich 3 hervorstehende Lappen (6), welche
3 senkrechte starke Schrauben (c) von 2" Länge und 2^'"
Dicke tragen. Diese sind unten zugespitzt und haben auf
den Köpfen eine Theilung. Mittelst dieser und dreier em-
porstehender Messingstäbe (d) ist es möglich, genau zu
bestimmen, wie weit die Schrauben gedreht sind. Durch
die Hülse selbst gehen 3 Schrauben (e), welche dieselbe
an dem jedesmal angewandten Anker (il) befestigen.
Die senkrecht herabgehenden Schrauben (c) mit der
Theilung haben den Zweck, durch ihre Drehung den An-
ker, wenn er von dem Magneten angezogen wird, in be-
liebiger Entfernung von demselben zu halten. Diese 3
Schrauben stehen in einem Kreise, dessen Durchmesser
circa 2^' ist, so dafs sie also keinen der von mir benutz-
ten Magneten selbst berühren. Die uutef dem Anker be-
findlichen Magneten tragen daher eine Messinghtiise mit
vorstehendem Rande (/*), dessen äufserer Umfang 3" Durch-
messer hat, und auf dem eine Scheibe von Spiegelglas ge-
1 ) Pofg. Aoo. Bd. 74, S. 3«d - 369.
AuLcr
dca «I JÜeHäke errtrAtm Aakcr
So
Wlestigte idi mm £e Hfibe aättcb der
an idbfli. XacUcai dieli gescfccbc», w«de der SfroB
riiHBil nilcrbrDdbca and non der Anker mit der Hfike m
dem Wagebalkea hängend aeqjoilibrirt. Ich vols Iner nodi
bcBcrien, daCi idi zn des Messen eigene Gewichte hatten
die alle mm so viel leichter waren als der Haken wo^
welcher aof dem Hebdann mit dem angehängten Gewichte
▼erscfaoben worde, damit sein Gewidit, das ^ Loth betrag
ond nicht mit aeqnilibrirt werden konnte, nicht etwa die
Messongeo nogenaa mache
Nachdem aeqailibrirt war, setzte ich den Strom wieder
ein ond nun begannen die Messangen. Zonichst wurde
die Anziehoog in Berfibmng bestimmt, welche ich meisC
schon in ftfibereo Versachsreihen hatte ond die idi also
hierbei prfifte. Einige fand ich fehlerhaft, die meisten Je-
doch stimmten ganz genao« Nach diesen Messangen komist
das schwierigste Geschäft. Ich mafste nämlich nnn die bif-
her etwas zurackgestellten 3 Schraaben (c) so einstelles,
da(s sie, während der Anker vom Magneten angezogen
warde^
497 _
warde, genau gerade die Glasunterlage (9) berührten.
Schraubte ich etwas zu weit, so gab diefs sogleich eine
merkliche Aenderung in dem Resultat. Ich habe daher die-
sen Versuch bei jedem neuen Anker öfter gemacht, wobei
sich dann zeigte, welches das richtige Resultat sej. Des-
senungeachtet ist es immer noch möglich, dafs in einigen
Fällen aus diesem Grunde Fehler in die Resultate gekom-
men sind.
War dieser erste Versuch festgestellt, so drehte ich die
Schrauben einen Quadranten herum und erhielt dadurch die
Entfernung von ^-g-^" der Anker vom Magneten. Darauf
wurde wieder gedreht, ich erhielt die doppelte Entfernung.
Die in den Resultaten vorkommenden Fehler sieht man
leicht bei genauer Beobachtung der Reihen und besonders
bei einem Vergleich derselben unter einander. Man erkennt
aber auch sogleich, dafs sie die Zuverlässigkeit der aufge->
stellten Sätze bei einer so grofsen Menge von Beobachtun-
gen nicht im Geringsten beeinträchtigen.
Wengleich ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, die
Anziehung der Elektromagnete selbst zu messen, so sah
ich mich dessenungeachtet genöthigt, zuvor Messungen mit
verschiedenen Ankern bei demselben Magneten anzustellen,
um beurtheilen zu können, was Einflufs des Ankers oder
des Magneten sey.
Ich untersuchte also zunächst :
Die IVirkun^ der Anker de» Klektromagneteit a,ut
fintfernuni^.
Die Dicke der Anker.
Die ersten Messungen, welche ich anstellte, waren mit
einem Magneten von 1'' Durchmesser und 12'' Länge mit
336 Windungen auf der ganzen Länge des Eisenkernes
vertheilt, wie ich ihn auch bei den früheren Untersuchun-
gen benutzt und beschrieben habe. Diesen Magneten liefs
ich zunächst die 6" langen Anker von den Durchmessern
^"9 i"f 7' und ^*' anziehen. Die Resultate waren folgende:
PoggeodorfiTs Annal. Bd. LXXX. 32
498
1* I« V
< » 1 > t
Aadehng icr 6^ laagea 1*,
r dickea Magaetea M eiMC StiMHtiiks
3^27 Pfd.
1.1
IV
M*
3n
*
I»
BerfihniDj
iUmdr.
1
a
<
1
2
3
4
5
6
7
8
9
0,9
0^71
0,6
0,38
0,27
0,19
0,15
0,11
0,095
0,08
0,07
4.1
1,25
0,9
0,77
0,65
0^
0^
0^16
0^13
0,08
0,063
0,055
Pfd.
4,76
1.4
0^2
0^65
0,48
0,23
0,15
0^11
0,084
0,07
0,062
0,05
0,04
Pfd.
M
1,6
04»
0,65
0;45
0,194
0^11
0,08
0^062
0,05
0,014
0,032
Pfd.
Wenogleidi ich sdioo aas früheren Beobachtungen die
schnelle Abnahme der Wirkung des Elektronugneten in
Entfernungen kannte, so hatte ich in so geringem Abstände
sie dodi nicht so bedeatend erwartet. In einer Elntfemong
Ton -f Umdrdiong der Schranben, d. h. ttt*. beträgt die
Aozidiong bei dem 1" starken Anker nur -y ^on der in Be-
rfihning nnd bei den schwächeren noch weniger. Bei zn-
ndimender Eatfernang wird non die Differenz zwischen
zweien aufeinander folgenden Beobachtungen immer gerin-
ger, wie das natGrIich ist; jedoch ist die Abnahme des-
senungeachtet so bedeutend, dafs sie bei dem 1" starken
Anker bei 2 Umdrehungen fast nur j\f und bei den ande-
ren noch viel weniger beträgt
Vergleichen wir nun die Reihen unter einander, so fin-
den wir, dafs während in BerObrung die Anziehung mit
der Abnahme der Durchmesser der Anker bis zu einer
bestimmten Gränze zunimmt, in einiger Entfernung Tom
Magneten sich gerade die umgekehrten Verhältnisse zeigen.
Die Anziehung der dünneren Anker nimmt in viel sdinel-
lerem Maafse ab, 'als die starken, so dafs in einiger Ent-
fernung sich ein bestimmtes Verhältnifs herausstellt, nacb-
■ 499
dem dann die Abnahme fortgeht In diesen Versachsreihen
ist ziemlich genau das VerhSltnifs der Durchmesser der An-
ker und wenngleich, wie ich später zeigen werde, die Ab-
weichungen nicht den Versuchsfehlem zugerechnet werden
können, so wäre doch möglich, dafs gerade ein Eisenstab
anders beschaffen sejn könnte als der andere, so dafs diese
Abweichungen dadurch herbei jgeführt würden. Um zu se-
hen, ob sich dieser Satz auch bei anderen Versuchsrei-
hen wirklich herausstelle, untersuchte ich zunächst längere
Anker.
II. AoziehoDg des 12'' langen 1" dicken Magneten anf Anker von 9"
und 12'' Länge and 1" und i" Dicke bei der Stromstärke von 20^
Anker 9" lang Anker 12" lang,
rdick 4" dick. fdick J^dick.
Berührung 4,43 Pfd. 6,8 Pfd. 5,69 Pfd. 6,82 Pfd.
» ümdr. 1,6 >> 2,3 >* 2,1 » 2,4
»
1,3 « 1,3 « 1,55 « 1,4
» 1,1 » 0,92 » 1,15 » 0,9 »
»
T
I
8
1 » 0,9 » 0,72 » 0,92 » 0,75
2 » 0,52 » 0,34 » 0,54 » 0,33
3 » 0,36 » 0,18 » 0,35 » 0,19
4 » 0,26 » 0,135 » 0,25 » 0,14
5 » 0,2 » 0,1 » 0,19 » 0,11
6 » 0,155 » 0,08 » 0,15 » 0,09
7 » 0,135 « 0,07 » 0,13 « 0,07
8 » 0,11 » 0,062 » 0,103 » 0,056
9 » 0,096 » 0,05 » 0,09 » 0,04
n
n
»
n
n
»
n
III. Anziehung des 12" langen 1" dicken Magneten auf 6" lange An-
ker von verschiedenem Durchmesser bei einer Stromstärke von 35^
Anker 1" dick
S" dick
J" dick
r dick.
Berfihrung 9 Pfd.
10,5 Pfd.
16,2 Pfd.
14,9 Pfd.
\ Umdr. 4,6 »
4,6 »
6,4 »
6,2 »
1
3
» 3,5 » 3,10 » 3,8 » 3,4 »
» 2,9 « 2,6 » 2,85 « 2,4 «
1 « 2,6 » 2,15 » 2 « 1,7
2 « 1,65 « 1,3 « 0,95 « 0,78
3 » 1,05 « 0,92 « 0,65 » 0,5
5 » 0,60 >» 0,52 « 0,46 >» 0,28
9 « 0,27 » 0,26 » 0,174 >» 0,136
15 » 0,13 » 0,125 » 0,085 » 0,073
32»
»
n
»
»
»
500
Wir sehen, dafs alle diese Reihen dieselbe Erschdonng
zeigen, wie die ersten. Es findet bei den dünneren Ankern
eine schnellere Abnahme der Anziehung statt und dadurch
erreichen sie bald das Yerhältnils der Anziehung wie ihre
Durdimesser.
Ich habe nun noch zwei Reihen mit 9" langen Ankern
angestellt.
IV. Aaziehug des 12" laagea V dicken MagneeeB anf 9" lange An-
kor bei der Stromstirke 35*
Anker 1* <
lick. Anker |" dick.
Berfihmiig
13,8 Pfd. 19,1 Pfd.
i Umdr.
6.4 .
7,6 .
1 -
6,2 .
4,8 .
* •
4,3 .
3,4 .
1 »
3,7 .
2,5 .
2 »
2,35 >
1,17 .
3 »
1.47 .
0,71 .
5 >
0,85 >
0,38 '
9 »
0.4 .
0,18 ■
15 »
0,21 >
0,09 >
Alle diese Venachsreihcn waren angestellt mit dem 1*
starken Magneten. Es fragte sich non, ob auch in dem
Falle, wo der Magnet schwSdier ist ab der Anker, sich
derselbe Unterschied in der Anziehang der Terschieden
starken Anker herausstellen wfirde. Ich wShlte daher ei-
nen i' starken 12" langen Magneten ond liefe ihn ebenfalls
obige Ankor anziehen.
Das Resultat war folgendes:
V. Aaiiekng 4er Aaker TM 6* Uage don* des 12" Uagea 4" A
■bgKtea M der StroasOrke tm 20* Abkalang.
Anker V dick.
r'difk
r di^ r ^A.
Berflhnmg 5,4 Pfd.
4,9 Pfd.
4,4 Pfd. 4,7 Pf
i Umdr. 1,6 >
1,4 .
1,3 - 13 -
i » O^Ni >
0,7 .
0,9 - 0,75 -
i - 0,67 >
0,6 -
0,67 > 0.51 -
1 - 0,54 -
0,44 >
0.48 - 0,4 -
2 • 0,26 -
0,26 .
0,23 » 0,225 >
501
Anker 1" dick. f dick. i'' dick. f dick.
3 Uindr. 0,16 Pfd. 0,16 Pfd. .0,14 Pfd. 0,13 Pfd.
4 » 0,116 '> 0,103 » 0,097 » 0,089 »
5 » 0,088 » 0,081 » 0,072 « 0,062 »
6 ^ » 0,075 » 0,065 » 0,056 » 0,05 »
7 » 0,062 » 0,055 » 0,044 » 0,042 »
8 « » 0,053 » 0,044 » 0,034 » 0,031 »
Diese Reihen liefern uns ganz andere Verhältnisse als
die mit dem 1" dicken Magneten. Hier ist durchaus nicht
▼on Proportionalität mit dem Durchmesser der Anker mehr
die Rede. Alle sind wenig von einander unterschieden.
Es ergiebt sich hieraus, dafs bei solchen Magneten, welche
dünner sind als die Anker, sich andere Verhältnisse heraus-
stellen.
Es fragte sich nun, wie sich die Sache verhalte bei noch
stärkern Magneten als dem von einem Zoll Durchmesser.
Ich nahm daher einen 1|" starken Magneten und erhielt:
VI. Anziehung der 6^ langen Anker durch^ einen If starken 12'' lan-
gen Magneten bei einer Stromstärke von 15*^ Ablenkung.
Anker 1" dick
|"d!
ck
i" dick
r dick.
erührung
1,15 Pfd.
1,65 Pfd.
1,85 Pfd.
2,15 Pfd.
4 ümdr.
0,36 »
0,39
»
0,44 »
0,46 »
4 "
0,3 »
0,27
»
0,25 »
0,24 »
4 »
0,26 »
0,22
u
0,187 »
0,17 »
1 »
0,215 »
0,16
»
0,14 »
0,126 »
2 ■ »
0,14 «
0,09
»
0,064 »
0,056 »
3 »
0,1
0,06
»
0,044 »
0,034 «
4 »
0,08 »
0,05
n
5 »
0,07 ..
0,04
»
6 »
0,056 »
Es zeigt sich bei diesen Versuchsreihen eine langsamere
Abnahme der Anziehung, daher zeigt sich erst bei mehre-
ren Umdrehungen eine Aunährung an das Verhältnifs zu
den Durchmessern« Ich konnte wegen der geringen Anzie-
hung in Berührung die Versuche aicht weit genug fortsetzen
5Q2
und wdibe daher ftr diesdben Anker und Magoet
nen sttflLereB Stroin und eriiidt folgende Resulfaie:
vn.
4cr V tauig« Aaker imck den If
M der StroMlirke 25*.
Aokcr 1"
aick
AaW f aick
Anker j". aVL
BerObmog
2,7 Pfd.
3,9 Md.
4,1 Pfd.
iUmdr.
04»
»
1,2 >
1,3 .
\ •
0,72
»
0.72 »
0,7 .
1 •
0,62
»
0,57 »
0,51 >
• 1 -
0^
»
0,46 »
0^ '
2 »
0,3
»
0,24 >
0,16 '
3 »
0,22
0,15 »
0,11 >
4 »
0,17
n
0,11 >
0,072 >
5 -
0,13
n
0,086 »
0,056 >
6 >'
0,11
»
0,078 »
0,044 >
7 »
0,09
M
0,056 »
0,037 »
8 «
0,072
»
0,048 «
9 »
0,065
»
0,041 »
Auch diese Reihen zeigen dasselbe Verhältnifs wie die
▼origen. In einiger Entfernung stellt sich annähroogsweise
das Verbältnifs wie die Durchmesser heraus.
Alle diese Versuche zeigen uns, da(i unter bestimmteH
Bedingungen in einiger Entfernung r>om Magneten, toenn die-
ser stärker ist als die Anker, <tcA die Aiuieluing (mnäke-
rungsweise wie die Durchmesser derselben verhält.
Von Interesse war es mir endlich noch zu sehen, wie
die Anziehung eines conisch zugespitzten Ankers in Entfer«
nung sich zu dem gleich starken cjlindrischen verhalten
wQrde. Ich nahm daher den 6" langen 1* dicken Anker,
welcher durch die conische Zuspitzung eine Berührungsfläche
von nur 4" Durchmesser hat.
503
Vlll. AoBiehaog des 6'' langen 1'' dicken coiiif chea oad c^IindrischeB
Ankers durch den 12" langen 1" dicken Magneten bei der StromstArke 20*.
coDischer Anker. cjld. Ank. 1" dick. cyld. Ank. l" dick.
Berfihrnng
7 1
Pfd.
3,27 Pfd.
4,76 Pfd.
i Umdr.
2
M
1.1
»
1,4 »
i »
1,35
1»
0,9
»
0,92 ,»
3 „
0,93
»
0,71
U
0,65 »
1 »
0,7
»
0,6
»
0^8 »
2 »
0,3
n
0,38
1»
0,23 »
3 »
0,2
»
0,27
M
0,15 »
4 »
0,13
»
0,19
n
0,11 »
5 »
0,1
»
0,15
M
0,084 »
6 »
0,08
»
0,12
»
0,072 »
7 ».
0,063
u
0,096
»
0,06 »
8 »
0,055
j»
0,08
»
0,05 »
Wir bemerken in diesen Reiben dieselben Erscbeinnn«
gen, wie bei andern Ankern von geringerem Durchmesser.
Er zieht in Berührung mehr als der starke, allein in ge^^
ringer Entfernung schon weniger. Der Unterschied ist so
bedeutend, dafs die Wirkung sich mehr dem halb so star-
ken Anker, welcher mit ihm dieselbe Berührungsfläche hat,
nähert, als dem von derselben Schwere. Ich habe wegen
des Vergleichs auch die Reihe mit dem i" starken Anker
mit hinzugefügt.
Das Resultat ist deshalb wichtig, weil hier so deutlich
die grofse Wirkung der Berührungsfläche hervortritt, da*
gegen die Schwere (Masse) fast ganz verschwindet.
Ich habe denselben Anker noch von dem i" starken
Magneten anziehen lassen, und erhielt folgendes Resultat:
IX. Anziehung des 6" langen l" dicken conischen Ankers durch den
12'' langen i" dicken Magneten bei der Stromstärke von 20^
conischer Anker. cyld. Ank. 1" dick. cyld. Ank. \" dick.
5,4 Pfd. 4,4 Pfd.
1,4 » 1,3 »
0,96 '• 0,9 ' »
0,67 » 0,67 »
Berührung
5,6 Pfd.
4 Umdr.
1,45 »
i "
0,9 »
1 »
0,65 »
504
conischer Anker. cyld. Ank. 1" dick, cjicl. Ank. J'' dick.
1 Umdr. 0,48 Pfd. 0,54 Pfd. 0,48 Pfd.
2 » 0,22 » 0,26 » 0,23 »
3 » 0,12 ^ 0,16 » 0,14 »
4 » 0,1 « 0,116 » 0,097 »
9 « 0,08 « 0,088 » 0,o72 «
6 » 0,06 » 0,075 » 0,056 »
7 >' 0,04 « 0,062 « 0,044 »
In dieser Reihe finden wir wieder eine Analogie zwi-
schen diesem Anker und den cjlindrischen. So wie bei
den cjlindrischen Ankern nur geringer Unterschied zwi-
schen dem 1" starken und dem von i" Durchmesser statt-
findet, ist es auch mit dem conischen. Allein wir sehen
auch aus dieser Reihe, dafs es für Entfernung nicht vor-
theiihaft ist, die Anker zuzuspitzen, damit man das Maxi-
mum der Anziehung erhalte.
Aus diesen Resultaten ergiebt sich also:
1 ) Die Anziehung verhält sich - in einigen Hallen annä-
herungsweise wie die Durchmesser der Anker.
2) Zugespitzte Anker zeigen in Entfernung geringere
Anziehung als cylindrische von demselben Durchmesser.
Ich kann nicht unterlassen in diesem Kapitel noch Ei-
niges über beobachtete Einzelheiten zu bemerken.
1) In allen Versuchsreihen, wo die Berührungsfläche
4 Durchmesser hat, ist immer die Anziehung, welche sich
bei einer Umdrehung der Schrauben, d. h. bei V/ Entfer-
nung zeigt, das Doppelte von der bei 2 Umdrehungen.^
2) Der 12" lange 1" starke Magnet hält den 6'' langen
V' starken Anker mit derselben Kraft in Entfernung, als
der y' starke 12" lange Magnet den 1" starken 6" langen
Anker,
Die Länge der Anker.
In welcher Weise sich die Länge der Anker bei glei-
chem Durchmesser äufsere, ergiebt sich leicht bei einem
Blick auf die früheren Versuchsreihen. Vergleichen wir
z. B. die Reihen I und II. mit einander, und in diesen die
505
Zahlen, welche ans die 6 zölligen and 9 zölligen Anker au-
ter sonst ganz gleichen Umständen liefern, so finden wir,
dafs im Allgemeinen dasselbe Verhältnifs stattfindet für die
Wirkungen in Entfernung als in Berührung. Die Anker^
welche in der Nähe mehr ziehen, ziehen auch in jedeir
Entfernung mehr. Freilich ist das Verhältnifs nicht immer
dasselbe. Der 1" dicke 9" lange Anker übertrifft den 6"
langen in weit höherem Maafse als der 4" dicke den von
demselben Durchmesser übertrifft. Aehnliches zeigt sich,
wenn man die Anker bei der Stromstärke von 35® Ablen-
kung vergleicht.
„Die Anziehung der Anker von gleichem Durchmesser
wächst mit der Länge derselben.'^
Es versteht sich auch hier von selbst, dafs eine Gränze
eintritt, wie sich diefs hier bei den 4-" starken 9- und
12zöllfgen Ankern zeigt. Ich mache darauf aufmerksam, dafs
diese hier beide in Berührung dasselbe ziehen und auch in
jeder beliebigen Entfernung. Diefs beruht auf einem ganz
allgemeinen Satz, auf den ich später zurückkomme. Eis ist
diefs eine Probe, dafs die Versuche fehlerfrei sind; denn
wäre in Berührung eine der Beobachtungen falsch, so wür-
den sie nicht durchweg in Entfernung gleich viel ziehen.
Ich stellte mir drittens nun die Frage, wie es sich mit
Ankern von gleichem Gewicht
verhalte. Ich bediente mich zu diesem Zwecke der Anlier,
welche ich schon früher angewandt habe ^), um die Wir-
kung in Berührung zu prüfen. Sie steigen von V Länge
bis 16'' und nehmen dabei verhältnifsmäfsig an Dicke ab
von V bis auf \" Durchmesser, in der Weise, dafs sie alle
gleich viel wiegen.
Ich benutzte 8 Anker, deren Länge war: 1", 2", 4", 5V',
74.", 8V', 12^ und 16".
Ich mufs im Voraus erwähnen, dafs es einige Schwie-
rigkeit hatte auch die Anker zu prüfen, welche gröfseren
Durchmesser als einen Zoll haben. Einmal ist es über-
1) Po gg. Ann. Bd. 74, S. 471.
506
haupt fidwierig» to kune Anker geoaa abzoreifsen wie
längere, and zweitens pafst die Hülse, welche den Ankar
in Elntfemang halten muCs, nur auf einen 1" starken Ei«
aenstab, so da(s ich sie in diesem Falle am Magneten be-
festigen moCite. Dazu kommt noch, dafe die beiden kfir-
zesten Anker von geschmiedetem Eisen sind, während die
längeren aus gewöhnlichem schlesischen Rundeiseu be8t^
ben, welches, wie idi glaube, viel gleichmäfsigere Coosi-
stenz hat.
Ich habe folgende Resultate erhalten:
X. AosiehnDg der Anker von gleicher Masse durch einen 12" langea
1" diclcen Magneten bei einer Stromstariie von 20®.
Lance der
Anker 1". 2". 3". öj". 7i". 84". 1^'. 16".
Berühr. 0,83 PR 1,15 Pfd. 2,5 Pfd. 3 Pfd. 4 Pfd. 5 Pfd. 6,6 Pfd. 7,8PfiL
|UiDdr.0,6l 0,52 0,82 0,9 1,4 1,7 2,1 2,7
l » 0,5 0,47 0,66 0,75 1 1,3 1,15 1,7
f » 0,4 0,4 0,56 0,6 0,7 0,97 1 1,3
1 » 0,36 0,38 0,48 0,51 0,6 0,73 0,7 0,66
2 » 0,22 0,24 0,3 0,32 0,4 0,4 0,38 0,41
3 » 0,17 0,15 0,19 0,23 0,26 0,26 0,24 0,26
4 » 0,12 0,12 0,16 0,17 0,18 0,18 0,16 0,17
5 » 0,095 0,105 0,12 0,14 0,14 0,14 0,13 0,13
6 » 0,078 0,079 0,09 0,1 0,106 0,106 0,106 0,1
7 » 0,065 0,07 0,06 0,093 0,094 0,087 0,09 0,09
8 n 0,058 0,06 0,07 0,08 0,08 0,07 0,077 0,075
9 » 0,05 0,056 0,063 0,07 0,07 0,06 0,066 0,06
Während in Berührung der erste Anker mit einer Kraft
gehalten wird, die fast nur ^V ^on der ist, mit welcher
der letzte angezogen wird, ist in einer Entfernung von 4
Umdrehungen die Anziehung fast bei allen dieselbe. Die
Anziehung nimnU um so langsamer ab, je kürzer und dicker
der Anker ist.
Es ergiebt sich also aus diesen Versuchen der so wich-
tige Satz:
„Anker von gleicher Masse ziehen eou geringerer Ent-
fernung ab gleich viel".
Um die Wahrheit dieses Satzes zu bestätigen, habe ich
die Anker von 4" Länge ab von demselben Magneten bei
507
einein Strom von 35°, so wie von dem 12" langen \" dicken
Magneten bei der Stromstärke 20° anziehen lassen.
XI. Anziehang der Anker von gleicher Schwere durch den 12'^ lan-
gen V* dicken Magneten bei einer Stromstärke von 35®.
Länge der
Anker 4". 6i". 71". 8{". 12|". 16".
BerObr. 8 Pfd. 10 Pfd. 13,5 PfA. 16,5 Pfd. 27,5 Pfd. 21,5 Pfd.
^Uindr. 3 3,3 5,5 7 10,5 11,5
\ » 2,65 2,95 4,7 5,7 6,8 6,4
3
T
.. 2,3 2,6 3,7 4,05 4,8 4,2
1 » 1,97 2 3 3,2 3,5 3,4
2 » 1,25 1,3 1,7 1,7 1,65 1,55
3 » 0,89 0,98 1,15 1,15 1 0,95
5 » 0,52 0,6 0,65 0,63 0,54 0,51
9 » 0,21 0,27 0,3 0,31 0,27 0,26
15 » 0,106 0,12 0,14 0,15 0,14 0,14
Ich habe ^egen der mangelhaften Genauigkeit, so wie
wegen der Schwierigkeit, mit der die Versuche mit den
kurzen Ankern anzustellen sind, diese weggelassen. Und
gewifs liefern Anker von 4" bis 16" Länge schon hinrei-
chende Bürgschaft für die Wahrheit des Satzes, wenn man
nur einmal auch die Wirkung der kürzesten gesehen und
beobachtet hat, wie langsam deren Abnahme im Verhält-
nifs zu den längeren Ankern ist.
XII. Anziehnog der Anker von gleicher Schwere durch einen 12"
langen 4" dicken Magneten bei einer Stromstärke von 20*.
Länge der
Anker 4". Öj". 7J". 8.J". 12f. 16".
Berühr. 4,4 Pfd. 4,6 Pfd. 4,7 Pfd. 5,4 Pfd. 6,4 Pfd. 6,6 Pfd.
^ümdr. 1,5 1,35 1,45 1,6 1,8 1,8
4 » 0,98 0,88 0,82 1,05 1,15 1
I '. 0,72 0,7 0,7 0,8 0,88 0,78
1 » 0,57 0,52 0,5 0,6 0,68 0,58
2 » 0,28 0,26 0,24 0,3 0,33 0,34
3 » 0,17 0,16 0,16 0,18 0,2 0,19
4 » 0,12 0,12 0,12 0,13 0,13 0,125
5 .. 0,094 0,093 0,094 0,09 0,098 0,094
6 >. 0,075 0,075 0,075 0,07 0,078 0,075
7 » 0,062 0,U54 0,056 0,053 0,058 0,056
8 » 0,05 0,046 0,047 0,044 0,047 0,047
508
Auch diese Reiben liefern dieselben Resultate und zwar
mit nocb gröfserer Genauigkeit als die früheren. Idi
schreibe diefs dem Umstände zu, dafs der Magnet nur 1"
Durchmesser hat und aus dem Grunde die Berührung so
ist, dafs ich mit gröfserer Leichtigkeit die Schrauben rich-
tig einstellen konnte.
Werfen wir nun einen Blick auf die sämmtlicheu Ver-
suchsreihen und deren Resultate zurück,, so ergiebt sich
klar, dafs die Beobachtung der Anziehung in Entfernung
mehr Aufschlufs über die bei Magneten waltenden Gesetze
giebt, als die Anziehung in Berührung; abgesehen von den
Fällen, wo in Berührung sich entgegengesetzte Erscheinun-
gen zeigen. Das Resultat der Anziehung in Berührung ist
zum Theil deshalb kein reines, weil fast nie der Anker
Tom Magneten mit der ganzen Fläche zugleich abreifst, son-
dern immer die eine Seite um ein Weniges sich eher hebt.
Man mufs jedoch erst genau beobachten, um es selbst zu
bemerken, denn wenn es sehr merkbar ist, wird freilich
das Resultat noch anders. Ich habe mich stets bemüht
solche Fehler möglichst zu vermeiden, es gelingt jedoch
am wenigsten, je gröfser die Berührungsfläche ist. Daher
geben denn die Versuche mit dünnem Ankern oder Mag«
neten immer bessere Reihen als die mit starken. Am mei-
sten fallen die Fehler auf bei der Vergleichuug der qua-
dratischen Verhältnisse, auf die ich hier noch besonders
aufmerksam machen will:
Die Stromstärke.
Ich habe mehrere Versuchsreihen bei der Stromstärke
35^ angestellt. Diese ist nahezu die doppelte von der bei
20^, mithin müssen die Anziehungen, welche sich in die-
sem Falle zeigen, das Vierfache von denen sejn, welche
bei 20"^ Stromstärke auftreten. Die Reihen I und III, II
und IV, X und XI liefern uns die Beispiele.
Wir bemerken, dafs in Berührung durchaus zu wenig
sich findet, nur der Anker in No. XI., welcher 12^" lang
ist, zeigt eine specielle Ausnahme, indem er 27,5 Pfd. An-
509
ziehaug hat, w&brend der ihm entsprechende nur 6,C Pfd.
zieht. Jener zieht also sogar 1,1 Pfd. zu viel, was wahr^
scheinlich auf einem Versuchsfehler beruht. Dafs diese Er-
scheinungen der zu geringen Anziehung nicht ganz zufäUig
sind, nicht ganz abhängig von der schlechten Berührung,
glaube ich schon aus den vielen Versuchen in der frühe-
ren Abhandlung genügend nachgewiesen zu haben *). Ebenso
wenig glaube ich aber, dafs bei vollkommener Berührung
sich nicht günstigere Resultate für das Gesetz herausstellen
sollten. — Ganz anders ist es nun mit den Resultaten,
welche sich in Entfernung zeigen. Hier stellt sich fast bei
allen schon bei -4 Umdrehung das richtige Quadrat der
Anziehung ein, ja es ist sogar noch etwas zu grofs, da
35^ nicht gerade die doppelte Tangente von 20" giebt.
Es müfste 36" sejn. Allein ich stehe nicht an, diese Ab-
weichungen auf die Versuchsfehler zu rechnen, und mithin
in diesen Reihen den Beweis zu finden für jenen, von
Lentz und Jacobj ebenfalls durch directe Messungen
gefundenen Satz:
„Die Anziehung verhält sich (wenigstens in Entfernung
genau) wie die Quadrate der magnetisirenden Ströme^'.
Anziehung^ der Klektromaipnete in Kntfermini^,
Magnete von verschiedenem Durchmesser.
Die Beantwortung der Frage über die Wirkung des
Durchmessers der Magnete liefern zum Theil Versuchsrei-
hen, welche ich schon früher hehufs der Wirkung der An-
ker angestellt habe, so wie einige hinzugefügte neue.
Ich halte es nicht für unnütz die vorn schon aufgeführ-
ten Reihen hier zu wiederholen, da sie doch mit den an-
dern zusammengestellt werden müssen.
Ich wandte zunächst 12'' lange Magnete von 1'' und ^"
Durchmesser an und mufs erwähnen, dafs diese mit einer
Spirale umwunden, sind, welche auf 6 Hülsen, je 1^'' lang,
sich befindet. Jede Hülse hat 56 Umwindungen in 2 La-
gen über einander. Die Länge aller 6 Hülsen, d. h. die
1) Pogg. Ann. Bcl.71, S. 484 n. f.
510
LäDge sämmtlidier Spiralwindoogen, ist also 10 V, mithi
steht der Magnet auf jeder Seite 1* aus der Spirale hervor
XIII. Aaziehmig des CT Imges 1" dickes Anken durch Ma^^seCe vo
ITT Uoge DBd 1" osd l' Dicke bei der Stromstirke 20* asd 38*.
Stromstärke 20*.
Stromstärke 35*.
Magnet r
dick.
r dick.
1 " dick.
j" dick.
Berfihniog 3,27 Pfd.
5,4 Pfd.
9 Pfd.
13 Pfd.
i Umdr.
1.1
»
1,4 .
4,6 »
.6 >
i '
0,9
m
0J96 -
3,5 »
3,7 »
1 -
0,71
m
0,67 -
2,9 »
2,7 .
1 »
0.6
»
0,54 >
2.6 .
2,1 »
2 <•
0,38
»
0,26 »
1,65 »
0,92»
3 »
0,27
J»
0,16 »
1,05»
0,57»
4 »
0,19
»
0,116 »
0,8 »
0,4 »
5 »
0,15
»
0,088»
0,6 »
0,3 »
6 >
0,11
»
0,075»
0,46»
0,24»
7 »
0,09
»
0,062»
0,38 .
0*19»
8 »
0,08
n
0,053»
0,33»
0,15»
9 »
0,07
»
0,045 »
0,27»
0,13»
15 »
0,13»
0,06»
Ich habe darauf Versuche mit kürzeren Magneten, näm-
lich von ff' Länge angestellt.
XIV. AnziehoDg des 6" laogen 1'' dicken Ankers dorch 9^ lange
Magnete bei einer Stromstärke von 28*38'.
Mag. 1" dick.
Mag. f dick.
Mag. 4" dick.
Berflbraog
2,6 Pfd.
3,2 Pfd.
4,4 Pfd.
i Umdr.
0,82 »
i
1,35 »
i •
0,67 »
0,77 »
0,85 »
4 »
0,55 »
0,62 »
0,58 »
1 »
0,49 »
0,51 »
0,48 »
2 »
0,3 ..
0,29 »
0,22 »
3 »
0,21 »
0,2 »
0,14 »
4 »
0,15 »
0,14 »
0,098»
5 »
0,12 »
0,11 »
0,072 »
6 »
0,097 »
0,084 »
0,056 »
7 »
0,08 »
0,07 »
0,045»
8 »
0,064 »
0,06 »
9 »
0,054 »
0,047 »
511
Wir sehen hier erst nach fielen Umdrehungen Annäh-
rang an das Yerhälnifs des Durchmessers der Magnete von
1" und 7' Dicke. Bei dem ^" starken tritt es gar nicht
ein. Es scheint also nicht allein der Durchmesser, des An-
kers, sondern auch die Länge der Magnete schon das Yer-
hältnifs zu ändern, welches hier bei den 12" langen Mag-
neten gerade stattfindet. Ist hier eine Analogie mit den An-
kern, so mufs das Verhältnifs ganz verschwinden, wenn
ich den Magneten durch einen dünneren Anker, als der
stärkste Magnet ist, anziehen lasse.
Ich wählte einen 6" langen 1'' starken und ebenso einen
i" starken Magneten und liefs diese den 12'' langen i"
dicken Anker, bei einer Stromstärke 47^ 27', welche durch
112 Windungen ging, anziehen.
XV. Anziehung der 6'' langen 1" und i" starken Magneten auf den
12" langen V' starken Anker. Strom 47® 27'.
Mag. 1" dick.
Mag. \" dick.
Berfihraog
5,1 Pfd.
4,3 Pfd.
\ Umdr.
1,5 »
1,4 »
i »
0,95 »
0,9 »
3 „
0,68 »
0,67 »
1 »
0,54 »
0,5 »
2 »
0,26 »
0,24 »
3 »
0,155 »
0,145 »
4 »
0,115 •
0,093 »
5 »
0,085 »
0,07 »
6 »
0,07 »
0,05 »
7 »
0,056 »
0,04 »
8 »
0,044 -
Diese beiden Reihen beweisen uns klar, dafs ein Ver-
hiiltnifs zwischen den Durchmessern der verschiedenen Mag-
nete, wie es die HH. Lentz und Jacobjr angegeben haben,
nicht angenommen werden kann.
Später von mir gefundene Sätze begründen auch die
Annahme ganz anderer Yerhältnifsmäfsigkeit zwischen den
Magneten von verschfedener Dicke, deren experimentelle
512
Untersucbung ich jedoch bisjetzt noch nicht nnternommen
habe, \¥eil die nöthige gleichzeitige Berücksichtigung der
Durchmesser der Anker, ja vielleicht auch die h^nge der-
selben, die Untersuchung sehr complicirt macht. Diefs halte
ich wenigstens für gewifs, dafs man bei der Untersuchung
der Wirkung des Elisenkerns nicht diesen allein, sondern
immer das System von Magnet und Anker ins Auge fas«
sen mufs.
Was nun die Wirkung auf Entfernung Überhaupt an-
betrifft, so beweisen uns diese Reihen, dafs durchweg der
Satz gilt:
Die Ansbiehung der Eisenstäbe (Magnete oder Anker)
nimmt bei Entfernung in um so gröfserem Verhältnisse
aby als diese dünner werden.
Länge der Magnete.
Der Elektromagnet besteht aus der Spirale und dem
Eisenkerne. Ist nun von der veränderten Anziehung durch
Modification der Längenausdehuuug die Bede, so dürfte
man folgerecht nur eine Verlängerung oder Verkürzung des
Eisenkerns mit der Spirale darunter verstehen. Allein da-
bei drängen sich zugleich die Fragen auf, wie es sich ver-
halte, wenn einer dieser beiden Theile geändert wird.
Bei der Veränderung der Längenausdehnung der Spi-
rale sind wieder die beiden Fälle möglich, dafs entweder
dieselbe Anzahl der Windungen nur auf eine gröfsere Länge
ausgedehnt wird, oder dafs die gröfsere Länge durch eine
hinzugefügte Anzahl neuer Windungen hervorgebracht wird.
Ich beginne mit dem letzten Falle und werde der Reihe
nach folgende Fragen beantworten:
1. Welchen Einflufs hat eine gröfsere Anzahl von Win-
dungen ?
2. Welchen Einflufs hat eine Verlängerung der Spirale
ohne dafs die Anzahl der Windungen vergröfsert wird?
3. Welchen Einflufs hat die Verlängerung des Eisen-
kerns?
4. Welchen Einflufs hat die Verlängerung des ganzen
Magneten, d. h. des Eisenkerns mit der Spirale?
1.
513
1.
Welchen Einflufs hat eine gröfsere Anzahl von Win-
dungen ?
Wenn von der gröfseren Anzahl der Windungen die
Rede ist, so können diese in zweifacher Weise den Eisen-
kern umgeben, entweder die Spirale wird dadurch nicht
länger oder sie wird länger.
Wenn die Spirale durch die gröfsere Anzahl der Win-
dungen nicht länger wird, so müssen mehr Windungen
sich über einander befinden und wir erhalten dann den Fall,
welchen die HH. Lentz und Jacobj in ihrer Abhand-
lung"^) behandelt haben. Das Resultat ist:
„Die Totalwirkung sämmtlicher , einen Eisenkern umge-
bender, Windungen ist gleich der Summe der Wirkung der
einzelnen Windungen.^'
Dieser Satz ist durch die Inductionswirkung des Mag-
netismus, welcher durch Unterbrechen des Stromes hervor-
gerufen wird, gefunden. Dafs sich nun aber die Anziehung
nicht immer in derselben Weise zeigt wie der Inductions-
Strom, haben wir schon früher gesehen, es fragt sich also,
wie sie sich in diesem Falle zeige?
Um diefs zu untersuchen nahm ich eine Spirale von 4"
Länge mit 304 Windungen ungefähr ^'" starken Kupfer-
drahtes, der so gewickelt war, dafs zwei Drähte neben ein-
ander liefen, so dafs ich den Strom durch die halbe und
ganze Anzahl der Windungen gehen lassen konnte und
immer gleiche Entfernung der Windungen, sowohl vom
Eisenkern überhaupt, als auch besonders von der Berüh-
rungsfläche desselben hatte.
Diese Spirale steckte ich über den 12*' langen 1" dicken
Magneten, so dafs dieser gerade 2" aus ihr hervorragte;
dann leitete ich einen Strom, welcher die Nadel auf 14° 34'
ablenkte hindurch. Ich liefs erst den Strom durch den ei-
nen, dann, durch beide Drähte nach einander gehen, so dafs
erst 152, dann 304 Windungen von derselben Stromstärke
durchlaufen wurden. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung,
1) Pogg. Ann. Bd. 47, S. 252. u. f.
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 33
514
dafs ich den Strom immer mittelst des Widerstandmessers
regulirte, und also bei diesem den Widerstand Terringero
oder eine stärkere Säule nehmen mufste, wenn sich der
Widerstand in der Spirale vergröfserte:
Das Resultat war diefs:
XYI. Anziehung des 12'' langen l" dicken Magneten anf den 6" lan-
gen l" dicken Aoker bei verschiedener Anzahl von Drahtwindnngen
und der Stromstärke 14<^34'.
152 Windungen.
Berührung 0,77 Pfd.
i ümdr. 0,21 «
0,18 "
0,14 »
1
7
a
T
1 »> 0,125 »
2 H 0,08 >>
3 >> 0,055 «
4 >> 0,04 «
5 «
6 »
7 V
8 »»
9 »
Wir sehen hier bei der Anziehung in Berührung genau
4 mal so grofse Anziehung bei der doppelten Windungs-
zahl als bei der einfachen. Die . folgenden Anziehungen
sind gröfser als das 4 fache bis bei 2, 3 und 4 Umdrehun-
gen wieder nur die 4 fache Anziehung eintritt;
Hiernach fände ein Verhältuifs statt, wie die Quadrate
der Windungszähl.
Ich wählte darauf einen 12" langen ^" starken Magneten,
welcher dieselben Verhältnisse wie der vorige gab:
304 Wio
3,1 1
dangen.
Pfd.
0,98
M
0,83
0,68
M
1)
0,57
0,34
»
»
0,23
0,16
»
»
0,13
0,11
M
M
0,083
M
0,07
»
0.062
1>
515
XVII. Anziehung des 12'' langen |" starken Magneten anf den 6"
langen l'' dicken Anker bei verscliiedener Windungszahl und gleichem
Strom = 14' 34'.
152 Windungen.
304 W^lndungcn.
Berührung 0,78 Pld.
3,2 Pfd.
\ Umdr. 0,2 »
1
4 »> 0,16 «
0,8 «
i » 0,13 >'
0,65 >»
1 « 0,1 »
0,52 «
2 « 0,06 »
0,3 »
3 » 0,037 n
0,18 »
4 >»
0,13 >
Wir sehen bei diesen Versuchen ebenfalls wieder in
Berührung genau die 4 mal so grofse Anziehung, in den
Entfernungen wieder mehr. Ich konnte wegen der gerin-
gen Anziehung die Reihen nicht weit fortsetzen und wählte
daher noch eine andere Reihe, wo derselbe Magnet durch
zwei solcher Spiralen (also durch 60Ö Windungen und
durch die Hälfte), welche sich unter einander befanden,
magnetisirt wird durch den Strom der die Nadel auf 14" 34'
ablenkte.
XVIII. Anziehung des 6" langen l'' dicken Ankers durch den 12'' lan-
gen I" starken Magneten bei 304 und 608 Windungen bei dem
Strom WSi'.
304 Windungen. 608 Wmdungifn.
Berührung 1,3 Pfd. 6 Pfd.
-^Umdr. 0,65 » 4 h
' 4 » 0,48 « 2,5 «
^ >> . 0,38 » 1,8 »
1 » 0,3 « 1,45 -
2 » 0,177» 0,7 «
3 » 0,11 » 0,42 »
4 » 0,08 >' 0,31 »
5 >» 0,06 « 0,23 -»
6 » 0,048» 0,18 »
7 » 0,029» 0,14 »
8 » 0,12 »
33»
516
Wir findeD aadi hier dieselben Erscheioangen wie bei
den vorigen Versuchen. Vergleichen wir diese quadrati-
schen Verhältnisse 9 besonders die Abweichungen von dem
Quadrat y mit denen bei der Anziehung in Bezug auf die
Quadrate der Ströme y wie sich zeigt in den Reihen I und
III, II und IV, X und XI, so finden wir, dak hier in
Berührung die quadratische Anziehung gröfser ist als dort.
Dort ist die Anziehung in Berührung immer kleiner als das
richtige Quadrat der Ströme, in jeder Entfernung aber
zeigte sich durchschnittlich die Anziehung dem Quadrat der
Ströme genau proportional.
Wenn nun in jenen früheren Fällen das nicht genaue
Quadrat in Berührung seinen Grund in äufsern Uebelstän-
den hat, so müfste hier sich dieselbe Ungenauigkeit zei-
gen wie dort, wenn wirklich ebenfalls quadratische Ver-
hältnisse stattfinden. Zeigen sich hier nicht dieselben Feh-
ler, so ist entweder nicht dasselbe Verhältnifs, oder die
umstände, unter denen hier die Anziehung stattfindet, siod
nicht dieselben wie dort. Es ist aber hier Alles dasselbe
wie dort, aufser der Spirale. Diese Spirale ist nun frei-
lich eine ganz andere. Während die früher immer ange-
wandten Spiralen nur aus 2 Lagen viel dünneren Kupfer-
drahtes, der mit Seide besponnen ist, bestehen, so dafs
sie im Ganzen nur 1^" Durchmesser haben, hat die jetzt
angewandte Spirale 8 Lagen mit Wolle besponuenen Kup-
ferdraht und erreicht dadurch einen Durchmesser von 3|^^.
Hierdurch wird nun die Seitenwirkung gröfser, und diels
könnte wohl auf den nur 2" entfernten Anker so influi-
ren, dafs sich obige Abweichung zeigte. Ist diefs der Fall,
so mufste wieder die Erscheinung wie früher eintreten, wenn
ich die Spirale mehr von der Berührungsfläche entfernte. —
Ich that diefs. Ich schob die Spirale fast an das andere
Ende des Magneten, so dafs dieser um T aus derselben
hervorstand. Jetzt war keine bedeutende Einwirkung auf
den Anker mehr wahrscheinlich, ich hatte jetzt ungefähr das-
selbe Verhältnifs der weiten Spirale zum Magneten in Be-
517
zug auf die Seitenwirkuug als unter deu früheren Verbält-
nissen die enge Spirale.
Ich Uefs nun wieder den 12" langen -|" dicken Magne-
ten den 6" langen 1" dicken Anker bei einer Stromstärke
25^, bei einfacher und doppelter Windungszahl, anziehen
und erhielt folgende Resultate:
XIX. ADziehUDg des 12" langen |" dicken Magneten auf den 6'' lan-
gen 1" dicken Anker durch 152 und 304 Windungen bei der Strom-
stärke von 25^
152 Windungen. 304 Windungen.
Berührung 0,35 Pfd. 1,8 Pfd.
i Umdr. 0,15 .« 0,6 »>
0,43 n
0,32 »*
0,28 »
0,15 «
0,1 «
0,07 «
0,055 >'
0,04 »
Aufserdem stellte ich noch 2 Versuche in demselben
Sinne an. Ich nahm den 12'' langen 1" dicken Magneten
und liefs ihn den 6" langen ^'* dicken Anker anziehen bei
den Stromstärken 19^ und 30^ Ablenkung. Ich habe also
hier aufser der Spirale Alles geändert um zu sehen, ob
auch unter jeder beliebigen Bedingung dasselbe Resultat
sich zeigen werde. Ich erhielt diese Reihen;
XX. Anziehung des 12" langen 1'' dicken Magneten auf den 6" lan-
gen i" dicken Anker durch 152 und 304 Windungen bei den Strom-
stärken 19^" und 30^
1
n
0,11
3
»
0,084
1
}>
0,073
2
M
0,042
3
»
4
M
5
H
6
»
19*»,
t
30».
152 Wind.
304 Wind.
152 Wind. 304 "Wind.
Berührung 0,44 Pfd.
1,5 Pfd.
1,15 Pfd. 3,8 Pfd.
1 Umdr. 0,1 «
0,4 »
0,25 » 1 »
i » 0,06 «
0,25 »
0,17 » 0,7 »
518
152 Wind. 304 Wind. 162 Wind. 304 Wind.
4 Umdr. 0,04 Pfd. 0,18 Pfd. 0,12 Pfd. 0,5 Pfd.
1 »> 0,14 « 0,09 » 0,39 «
2 » 0,051 « 0,044 « 0,16 »»
3 » 0,038» 0,11 »
4 « 0,08 »
5 » 0,058 »
6 » 0,037»
Alle diese Reihen liefern uns meder dieselbe Erschei-
nung vfie die früheren bei den Quadraten der Stromstärke,
und so ist durch diese Versuche aufser Zweifel:
,,Die Anziehung verhält sich wie die Quadrate der An-
zahl der Windungen/^
Wenigstens mufs diefs bestimmt von der Wirkung in nicht
unmittelbarer Berührung behauptet werden. Allein ich glaube
auch hier, dafs vorzugsweise die mangelhafte Berührung der
Grund zu der Abnormität in Berührung ist.
Wenn nun von HH. L'entz und Jacobj gesagt wird,
dafs die Totalwirkung aller Windungen gleich der
Summe der einzelnen ist, so mufs wenigstens hinzugesetzt
werden f,auf die Inductionsspirale^* , denn unter Totalwir-
kung kann auch die Anziehung verstanden werden, was
vielleicht Hr. Jacobj nicht gewollt hat, was aber doch
auch von Physikern dabei gedacht wird. So sagt z. B. das
Lehrbuch von Pouillet u. Müller Bd. 2. S. 209: Um
beliebig starke Magnete zu machen, braucht man nur dickere
Eisensläbe anzuwenden, man braucht nur bei doppeltem,
dreifachem etc. Querschnitt des Drahtes doppelt, dreimal etc.
so viel Drahtwindungen um das Eisen herumzuführen, um
eine doppelte, dreifache etc. Wirkung zu haben. Hier ist
unter „starke Magnete^^ und „ Wirkung ^^ die Anziehung der-
selben verstanden.
Der andere Fall, in welchem eine vermehrte Windnngs-
anzahl auftreten kann, ist, dafs die Windungen neben ein-
ander geordnet werden, und also die Spirale dadurch län-
ger wird, einen längeren Theil des Eisenkerns bedeckt.
Um diefs zu prüfen, hatte ich schon ein Beispiel in die-
519
sen Versuchsreihen XVII und XVIII, wo bei. den letzlern
die doppelte Winduugszahl neben einander liegt. Ist das
Gesetz von den Quadraten richtig, so mufste es hier auch
hervortreten, aber die Quadratzahlen mufsten etwas zu
klein seyn, da die Windungen weiter vom Berührungs-
punkte entfernt sind. Wir sehen, dafs es sich wirklich so
verhält. Die vierte Colonnc ist nahezu das 16 fache von
der ersten.
Ich nahm nun noch meine früheren Spiralen und um-
gab den 12" langen |" dicken Magneten zuerst mit einer,
dann mit zweien etc. bis auf 6 Spiralen (d. h. 336 Win-
dungen) immer so, dafs der Abstand der nächsten Spirale
f von der Endfläche war.
XXI. Anzieliiing des 12" langen ^ starken Magneten durch verscbie*
dene Spiralen magnetisirt bei dem Strom 20°.
1 Spir. 2 Spir. 3 Spir. 4 Spir. 6 Spir.
Berührung 0,25 Pfd. 1,1 Pfd. 1,85 Pfd. 3 Pfd. 3,4 Pfd.
i ümdr. 0,1 0,32 0,67 1 1,3
4 « 0,07 0,22 0,46 0,72 0,97
^ >> 0,05 0,17 0,38 0,58 0,75
1 » 0,044 0,14 0,32 0,45 0,62
2 » 0,08 - 0,17 0,26 0,34
3 » 0,05 0,11 0,17 0,22
4 " 0,08 0,12 0,16
5 " 0,061 0,0.9 0,12
6 " 0,045 0,07 0,093
Wir finden auch hier dasselbe Resultat. Die Zahlen
sind etwas kleiner als der Quadrat der Anzahl der Win-
dungen. Wir bemerken aber ferner, dafs das Verhältuifs
der Anziehung immer enger wird, je mehr die Windungs-
anzahl sich vergröfsert. — Abgesehen von der Anziehung in
Berührung ist die Anziehung einer Spirale zu der von 2
etwas gröfser als 1:3,
ebenso ist die von 2 : 4 Spiralen noch gröfser als 1 : 3,
die von 3 : 6 Spiralen isl genau =1:2,
die von 1 : 3 Spiralen =1:7,
dagegen die von 2 : 6 Spiralen etwas gröfser als =1 : 4,
und endlich die von 4:6 Spiralen =3:4.
520
Was die Anziehang in BerühruDg anbetrifft , 80 sind
auch hier wie bei den früheren Fällen die Resultate fGr
die passenden Verhältnisse zu klein.
Wir finden mithin aus diesen Versuchen:
1) „Wenn die Windungsanzabl vergröfsert wird, doch
so, dafs die Windungen neben einander geordnet wer-
den, so findet nicht das vollkommene Verhältnifs der
Quadrate der Anzahl der Windungen statt/'
Die Zahlen sind etwas kleiner, liegen jedoch den Quadra-
ten nach näher als dem einfachen Verhältnifs, bis diefs erst
bei gröfserer Längenausdehnuug der Spirale eintritt; d.h.
2) „Die yerhältnifsmäfsige Zunahme der Anziehung ist bei
verhältnifsmärsig vermehrter Windungsanzahl um so
geringer, je mehr Windungen schon vorhanden sind."
(Schlufs im nächsten Heft.)
III. Jüeber die Thätigheh der meteorologischen Sta-
tionen in Georgien. j4us einem Berichte an den
Fürsten VForonzocv und aus Briefen an die HH.
L. p. Bucfy und A. q. Humboldt;
ipon Hermann Ahich.
I. Ans dem Bericht an den Fürsten Woronsow.
deit Ende des Jahres 1847 ist an sieben Orten in Geor-
gien ein System regelmäfsiger Beobachtungen des Baro-,
Thermo- und Hygrometers, der Windesrichtuug und der
Menge des gefallenen Regens und Schnees in unausgesetz-
ter Thätigkeit.
Die vergleichende Tafel, welche diesem Berichte ange-
hängt ist, enthält die Mittelwerthe eines jeden Beobacb-
tungs- Elements (mit Ausnahme des Barometerstands) für
521
die 12 Monate des Jahres 1848 zu Baku, Lenkoran; Sehe-
maka, Redut-Kaleh und KtUais ^). Diese Zahlenwerthe,
welche die mittleren Resultate von mehr als 8000 mit sorg-
fältig unter sich verglichenen Instrumenten und zu cor-
respondirenden Stunden angestellten Beobachtungen sind,
setzen uns in den Stand, den aufserordentlichen Einflufs, toeU
chen das asiatische Continent auf die Temperaturcertheilung
in Transkaukasien ausübt, viel positiver als es bisher er-
laubt war zu beurtheilen, indem sie uns zugleich die son-
derbare und neue Thatsache kennen lehren, dafs das Kas-
pische und Schwarze Meer ihre Etesien oder Moussons ha-
ben wie das Mittelländische Meer und der Indische Ocean.
Der continentale Einflufs von Asien, dessen ich eben er-
wähnte, äufsert sich noch deutlicher, wenn man den Gang
der Isothermen in unserem Lande verfolgt. Die Skizze der
klimatologischen Karte auf Taf. VI. wird die Untersuchung
darüber erleichtern. Jedoch ist zu bemerken, dafs die Iso-
thermen-Linien, welche die Punkte gleicher Mittelwärme
vereinen, in Bezug auf das Niveau des Meeres gezogen
sind. Es folgt daraus, dafs die Mitteltemperatur jedes Orts,
welcher über dem Meeresspiegel liegt, reducirt werden mufs
auf die, welche ihr correspoudirt, wenn es sich darum han-
delt, die Verhältnisse des Orts zu irgend einer Isotherme zu
untersuchen. So ist die Mitteltemperatur von Tiflis 9^,81 R.
und die absolute Höhe des Observatoriums fast 1300 par.
Fufs. Nimmt man eine Wärme -Abnahme von einem Grade
für 500 par. Fufs an, so mufs Tiflis, reducirt auf den Mee-
resspiegel, eine mittlere Jahrestemperatur von 9,81 + 2,60
= 12^,41 R. haben. Reducirt man in eben der Weise die
mittlere Temperatur von Kutais auf den Meeresspiegel, so
erhalten wir , da die Höhe dieser Stadt 446 par. Fufs b.e-
trägt, 11,60 -4- 0,98 = 12 V9- ^i» Blick auf die Karte
zeigt uns, dafs die Isotherme von 12^ R. Tiflis und Kutais
1) Darch den Brief von Hm. v. Ifumboldt, den ich, als Obiges dem
Druck übergeben werden sollte, von Hrn. Prof. Dotc mitgetheilt be-
kam, konnte diese Tafel auf das Jahr 1849 und noch auf einige an-
dere ab die genannten Orte ausgedehnt werden. P.
522
in seht genauem YerhSltnifs mit Nizza 12^,5, Florenz 12'',2,
Rom 12'' ,3 und Trebisonde 12^,2 verbindet. Von Rom
bis Tiflis, welche fast unter derselben geographischen Breite
liegen, verläfst die Curve der Isotherme 12° nicht eine
Zone, welche sich zwischen 40 und 42^- Breite hinzieht.
'Westlich von Rom sehen wir die Isotherme 12° sogar bis
zur Breite 45° aufsteigen. Oestlich von Tiflis findet offen-
bar das Gegentheil statt. Statt durch das Kaspische Meer
hin und jenseits desselben ihren Gang in der Zone zwi-
schen 40 und 424° zu verfolgen, biegt die Isotherme von
12° plötzlich herab und nähert sich dem Aequator; sie
scheint das sfidliche Küstenland des Kaspischen Meeres za
treffen oder blofs daran vorbei zu streifen, und entzieht
sich dann, wegen mangelnder Beobachtungen, der weiteren
Untersuchung.
Diese interessante und unerwartete Entdeckung verdankt
man den vergleichenden Beobachtungen von Redut-Kaleh,
KutaiSy Baku und Lenkoran, Orten, die trotz eines Brei-
tenunterschiedes von 4°, fast eine gleiche Jahrestemperatur
geniefsen. Zerfällt man die vier Orte in zwei Gruppen,
so hat man für die westliche, dem schwarzen Meere an-
gränzende, d. h. für Redut und Kutais, eine Mitteltempe-
ratur von 11°,52 R. und für die östliche, dem Kaspischen
Meer benachbarte, d. h. für Baku und Lenkoran, eine
Mitteltemperatur von 11°,27R.
Die allgemeinen Gesetze der Temperatur-Yertheilung
auf unserem Erdkörper beweisen,^ dafs zwischen den ParaL
lelen von 38° und 45° ein Breitengrad einem Unterschied
in der mittleren Jahrestemperatur von fast einem Reaumur*-
schen Grad entspricht. Nimmt man nach diesen theoreti-
schen Betrachtungen, den Breiten -Unterschied von Tiflis,
Baku und Lenkoran in Rechnung, so erhält man für Baku
eine berechnete Mitteltemperatur von 13,09 und für Len-
koran eine von I3°,86. Indefs zeigt die directe Beobach-
tung, dafs die wirklichen Temperaturen 1°,5Q und 2°,€2
geringer sind als sie sejn müfsten. Vermöge dieser Depres-
sion der mittleren Jahrestemperatur zeigen uns die Zahlen
523
Ton Baku und Lenkoran dafs daselbst die Winter zwei
bis drei Mal strenger sind als zu Kutais und Redut.
Der Anblick der kleinen Tafel (am Schlüsse dieses Be-
richts), welche die an einigen Wintertagen in der Zone
zwischen 38 und 44^ Br. und westlich von Tiflis beobach-
teten Temperatur -Minima vergleicht mit den in derselben
Zone östlich von Tiflis beobachteten Minimis, zeigt uns
für Lenkoran —9^1, Baku —4^2, Derbent — 11°,8 und
Bokhara — 18°,6 R.
Die ungleiche Vertheilung einer selben Menge jährlicher
Wärme zwischen den verschiedenen Jahreszeiten äufsert
sich also in «der bestimmtesten Weise in dem Maafse als
man von Tiflis aus gegen Osten vorrückt. Die Unterschiede
zwischen den Winter- und Sommertemperaturen folgen dem-
selben Gesetze. Die aus diesen Thatsachen hervorgehende
Wahrheit ist nicht neu. Allein zu der Zeit, da man sich
über die Anpflanzung des Zuckerrohrs zu Lenkoran stritt,
ahnte man sicherlich nicht, dafs dieser, unter der Breite
von Smyrna und Palermo liegende. Ort nicht die Jahres-
und Sommertemperatur von Montpellier besitzt, sondern
die Wintertemperatur von Trier und Maestricht, und es
war gleichfalls unbekannt, dafs die klimatischen Bedingun-
gen von Imiretien und Mingrelien für dctn Versuch einer
Kultur dieser Art weit günstiger sind. Wie grofs auch die
petrographische und phjsiognomische Aehnlichkeit ist zwi-
schen den Bergen von Lenkoran und denen von Guriel
und Imiretien, so verliert doch der Gesammt - Charakter
der Vegetation, welche die Berge von Talysch und die
sumpfigen Ebenen an deren Fufse bedeckt, das Gepräge
einer weniger günstigen klimatischen Disposition. Die
immergrünen Sträuche, welche z. B. den Wäldern von
Colchis so vielen Reiz verleihen, wie der Lorbeer (Laurus
nobilis), der selbst in den geschützten Thälern der Umge-
gend von Kutais reichlich vorkommt, und der Kirschlorbeer
QL(mru9 cerasus^ meiden gänzlich die nebligen und kalten
Winter der Küsten von Talysch und Lenkoran. Der Buchs-
baum (Buxus sempereirens) gelangt niemals zu jeuer bäum-
524
artigen und fippigen EntwicklaDg wie za Imiretien und Miu-
grelien z. B. im Thale von Ingur. Selbst die Stechpalme
(Hex aquifolium^ zeigt sich nur spärlich and verkrüppelt
in wenig erhobenen, aber den Nordwinden ausgesetzten
Orten. Die Rhododendren und Azalien sind gleidifalis
unbekannt zu Talvsch und Lenkoran. Das Ansehen und
der Charakter der Wälder auf den Bergen von Lenkoran
erinnert, so wie man sich ein Paar hundert Toisen fiber
das Niveau der Ebene erhebt, häufig weit mehr an die
bewaldeten Berge des Nordens, und so wie man sich der
Gränze der Waldregion nähert, bedecken sich die Bäume
mit einer Art von grünlich grauem Moose, welches in lan-
gen und zarten Bündeln von allen Zweigen herabhängt.
Zu Lenkoran hat man keine guten Früchte mehr; sie sind
weder schmackhaft noch süfs, sondern steinig und halb wild;
erst durch eine künstliche Kultur gewinnt man aus den
wilden Reben einen leidlich trinkbaren Wein.
Vermuthlich giebt es in ganz Georgien keinen feuch-
teren Ort als Lenkoran. Wie aus den Beobachtungen
hervorgeht, ist die Atmosphäre daselbst fast beständig mit
Wasserdampf gesättigt. Die aufserordentliche Menge Was-
ser, die daselbst in Gestalt von Schnee und Regen fällt,
trägt offenbar bei zur Erniederung der Jahrestemperatur.
Der Verlust an Wärme, die latent wird durch Verdam-
pfung der Wassermassen, welche während der regnigten
drei Viertel des Jahres auf das sumpfige und bewaldete Lit-
toral herabfallen, mufs eine kältende Ursache seyn, deren
Wirkung nicht aufgewogen wird durch die der Wärme-
Entwicklung bei Bildung der Regen, weil die atmosphäri-
schen Ströme, welche die letzteren erzeugen, zugleich Luft
herbeiführen, deren Temperatur geringer als die des Bo-
dens ist. Die Dämpfe, die sich aus dem Kaspischen Meere
erheben, werden durch die Nordost- und Nord -Nordost-
winde gegen die Region der Südwestküste dieses Meeres
getrieben, um dort, durch die Berge von Taljsch aufgehal-
ten, sich in Wolken anzuhäufen, aus denen das Wasser
gleichsam mechanisch ausgedrückt wird. Aehnliche Yor-
525
gSngd sehen wir zu Kutais, aber alles ist dort umgekehrt.
Die Dünste des schwarzen Meeres werden durch die lauen
Südwest- und Westwinde in diesen entlegenen Winkel
von Colchis getrieben und es fällt daselbst jährlich min-
destens dieselbe Menge Wasser wie zu Lenkoran. Allein
die Temperatur der Luft und des Windes, welche die Re-
gen herbeiführen, ist höher, und aus diesem Grunde ist
die kältende Wirkung der Verdampfung weniger merkbar.
Die mäfsige Regenmenge, welche zu Baku fällt, und sich
zu der zu Lenkoran und Kutais wie 1 : 4,59 und 1 : 5,20
verhält, scheint eine Wirkung der Ursachen zu sejn, welche
die Temperaturen von Baku höher stellen als die von Len-
koran. Diese Erscheinung entspringt offenbar aus der freien
und fast unausgesetzten Bestrahlung der grofsen Ebenen,
welche der Kura durchläuft. Die aufserordentliche Zunahme
der absoluten Luftfeuchtigkeit zu Baku während der hei-
fseren und regen -ärmeren Monate des Jahres scheint auch
darin ihre Erklärung zu finden.
Etesische Winde.
Ein anderes, bisher unbekanntes meteorologisches Phä-
nomen, das uns die Beobachtungen des Jahres 1848 ent-
decken liefsen, betrifft den regelmäfsigen Wechsel von
Winden nach den entgegengesetzten Jahreszeiten, Winter
und Sommer; Winden, welche man im Indischen Oceane
Moussons, und im Mittelländischen Meere Etesien nennt.
Erwägt man die ungleiche Erwärmung des Meeres und
des Bodens, so wie die Verhältnisse der Gestaltung und
relativen Lage der die Meeresküste bildenden Ebenen und
der dieselben umsäumenden Berge, so ist der Grund nicht
schwer zu finden, weshalb zu Lenkoran und Redut ein
Wechsel in der Windesrichtung stattfindet, so dafs im
Winter zu Lenkoran ein Nordwest-Mousson herrscht, wäh-
rend zu Redut der Südost- Mousson weht. Im Sommer
sind die Rollen vertauscht; zu Redut herrscht der NW.
und zu Lenkoran der SO. In Folge dieser regelmäfsigen
Veränderung geniefst Redut den grofsen Vorzug, wenig-
52fr ^
stens im Winter eine trockne und gesunde Luft zu haben.
In dem Maafse aber als die Sommerwärme zurückkehrt,
und die Ebene von Colchis sich stärker erhitzt als das
Meer» beginnen die westlichen Winde wiederum die Land-
winde zu verdrängen und die Luft gelangt bald auf das
Maximum ihrer Feuchtigkeit. * Die Zunahme und die Stärke
der verderblichen Fieber fällt in diese Zeit.
Der Winter -Moussou zu Lenkoran ist ein Landwind,
aber defsungeachtet ist er viel feuchter als der Ost- und
Südostwind, welcher während dieser Jahreszeit zu Redut
webt 9 wie wir eben gesehen.
In diesen etesischen Winden des Schwarzen und Kas-
pischen Meeres erkennen wir ein sehr auffallendes Bei-
spiel der innigen Beziehung, die zwischen dem hjgrome-
trischen Zusland der Atmosphäre und den die Jahreszeiten
bedingenden Epochen vorhanden ist. Diefs ist der Aus-
gangspunkt einer Gattung von Untersuchungen und An-
wendungen klimatologischer Beobachtungen, welche für die
Lösung pathologischer Probleme und landwirthschaftlicher
Fragen, besonders in Betreff des Weinbaues, ohne Zwei-
fel sehr fruchtbar werden müssen. Der Vergleich ist der
Lebensnerv für diese Aufgaben und in demselben Maafse
als die Zahl der meteorologischen Stationen systematisch
vermehrt wird, wächst auch der absolute Werth der Un-
tersuchungen.
II. Aus einem Briefe an Hrn. L. ▼. Bach').
TIBis, d. 24. Jan! 1849 alt St
Die Methode för die Berechnung der Temperaturwerthe
war die folgende. — Von Anfang an bemüht für die Beob-
achtungen die Stunden festzustellen, deren Combioation
für Tiflis arithmetische Mittel liefert, die sich möglichst we-
nig von dem wahren Mittel der Tage entfernen, erhielt ich
überall gute Beobachtungsreihen, aus denen Werthe abzu-
leiten waren, die nur einer kleinen Correctur bedurften.
1) Wir heben aas diesem Briefe nar hervor, was den befolgtem Beob-
acfatangsverfahren xar Erlüatemng dient
527
Diese Correctur wurde auf Grundlage der Tifliser Beob-
achtuDgen uud der aus deuselben abgeleiteten Tabellen
über den stündlichen Gang der Wärme daselbst wie ge-
wöhnlich in Anwendung gebracht, mit Hinzufügung jenes
veränderlichen Coefficienten, der auf die Verschiedenheit
der Wärmeverthcilung von einer Beobachtungsstunde zur
andern zwischen Tiflis und dem jedesmaligen Beobachtungs-
orte Bücksicht nimmt. Häufig konnte auch von der For-
mel 7+2+2x9 Gebrauch gemacht werden, die überall
ein scharfes Besultat giebt, welches, wie bekannt, gar keiner
Correctur bedarf. Die Listen der Beobachtungen sind an
mehreren Stationen reichhaltig genug, um den Werth noch
anderer theoretisch zu suchender Formeln für die Stunden-
gruppen an den beobachteten Werthen selbst prüfen zu
können. Nach meinen Erfahrungen und vielfachen Prüfun-
gen der verschiedenen für die Orte Grusiens tauglichen
Stundengruppen darf ich annehmen, dafs die in der Ta-
belle aufgenommenen Werthe so nahe um die Wahrheit
oscilliren müssen, dafs sie mit derselben als zusammenfal-
lend zu betrachten sind. ludefs bleibt eine Revision die-
ses Gegenstandes aus den Originalheften, so wie der von
mir geführten genau aufgezeichneten Rechnungen einer spä-
teren Zeit vorbehalten.
Ich bemerke hier noch anmerkungsweise Folgendes.
Wenn man die Tabelle der stündlichen Wärmeverthcilung
des vollen Jahres für Tiflis mit den Tabellen von Leith,
Padua und Apenrade vergleicht, so findet sich, dafs die Mo-
mente, an welchen Vor- und Nachmittags die der mittleren
Jahrestemperatur entsprechenden Temperaturen auftreten,
für Tiflis 9^ 32" Morgens und 8^ 19" Abends erfolgen, mithin
IQb ^^m auseinanderliegen. Wenn diese interessanten Mo-
mente nun in Padua ll** 14', in Leith 11^12', in Apen-
rade 11^ 11', in Madras aber nur 10** auseinanderliegen,
so ist es wohl der Beachtung werth, dafs Tiflis beinahe
auf der Mitte der von NO — SO gerichteten Linie liegt,
welche die gerade Entfernung zwischen Leith und Madras
darstellt, auch in Betreff der Entfernung jener beiden Mo-
528
mente von einander ziemlidi annähernd eine mittlere Stel-*
long einnimmt.
Das Princip, wornach aus den Angaben des Psychro-
meters die Dunstspaunung der Luft ffir die 24 stündige Pe-
riode in den gebräuchlichsten Ausdrucksweiseu abgeleitet
worden ist, möchte yielleicht weniger tadelfrei seyn. Zuerst
versuchte ich das 24st(indige Mittel aus den Maximis und
Minimis der angegebenen Bepbachtungen abzuleiten, allein
ich gewann die Ueberzeugung» dafs dieser Weg ein sehr un-
sicherer sey und keineswegs befriedigende Resultate liefere.
Aus Gründen^ die allerdings weniger mit der Schärfe des ma-
thematischen Beweises der Theorie entnommen wurden, sich
vielmehr auf empirische Untersuchungen stützen, für welche
mir die Tifliser Tabellen für die Dunstverhältnisse einen
vergleichenden Anhaltspunkt gewährten, brauchte ich zur
Bestimmung der täglichen und monatlichen Mittel für ab-
solute und relative Feuchtigkeit in den meisten Fällen die-
selben Stundengruppen, nach welchen die Temperaturver-
hältnisse bestimmt wurden, mit Anwendung einer Correctur,
die, nach den Tifliser Tabellen berechnet, sich immer nur
sehr klein zeigte. Während somit die gewonnenen relativen
Dunstspannungen gewifs in richtigen Zahlen ausgedrückt
sind, könnte ihr absoluter Werth vielleicht noch eine kleine
Veränderung erfahren, sobald eine mit noch vermehrten
Reihen vorzunehmende Revision die Anwendung einer an-
deren Methode gestatten wird, bis dahin darf den jetzigen
Werthen ein sehr annähernder Werth von Genauigkeit, mei-
nes Erachtens nach, zugeschrieben werden.
Die Pluviometer -Angaben können als zuverlässig be-
trachtet werden; auch in Bezug auf die Niederschläge in
Form von Schnee. Die von mir gegebenen Instructionen
sind genau befolgt worden, auch waren die auf jeder Sta-
tion befindlichen doppelten Maafsflaschen für jedes Pluvio-
meter von mir selbst besonders für jeden -i-^,^ Zoll caK-
brirt. Ein Fehler von Seiten des Instrumentes ist also
nicht zu fürchten. Das Maafs ist hier der engl. Zoll.
Die Windverhältnisse habe ich, gedrängt von der Zeit,
vor
529
vor der Hand auf die alleinige Angabe ihrer relativen Häu-
figkeit, die Summe alier = 1000 genommen , beschränkt.
Die interessanten Erscheinungen des Windwechsels nach
den Jahreszeiten zeigen sich in dieser Darstellungsweise
schon ganz deutlich. Die Uebersicht des meteorologischen
Verlaufs des Januarmonats 1849 für 12 Orte in Grusien
bedarf wohl kaum eines Commentars; es liegen Thatsachen
darin, welche wohl die ganze Wichtigkeit zeigen^ die noch
fernere vollständig durchgeführte Jahreslisten für die Wis-
senschaft haben werden.
Fünf monatliche vollständige Beobachtungsjournale von
1849 befinden sich bereits in der besten Ordnung ausge-
führt in meinen Händen. So steht die diefsjährige Januar-
temperatur in Lenkoran und Baku in einem unverkennba-
ren Zusammenhange mit der geringeren Quantität der Nie-
derschläge und der ganz entgegengesetzten Richtung des
herrschenden Windes im Vergleich mit dem Januar 1848.
Für Bedut und Kutais blieben, uuerachtet der aufserge-
iTöhnlichen Massen der Schneeniederschläge, die Tempe-
raturverhältnisse nahe constant mit denen von Januar 1848.
Die frappanten Contraste in den Temperaturverhältnissen
des Januar zwischen Schuscha und Alexandropol, Orten,
die nur um 1000 Fufs in absoluter Erhebung differiren,
begründen gleichfalls eine interessante Wahrnehmung. Von
allen 12 Beobachtungspuukteü hatte Schuscha im Januar
jedenfalls die mildeste, und Alexandropol die kälteste Tem-
peratur. Es scheint die hohe Januartemperatur in Schuscha
einer anhaltenden oberen Luftströmung zugeschrieben wer-'
den zu müssen, die vom NW, der am ganzen Kaukasus
herunter herrschte, zur Seite gedrängt worden zu sejn
scheint, weshalb auch das gegenüberliegende Schemaka, un-
geachtet einer um 1400 Fufs geringeren absoluten Erhebung,
bedeutend kälter blieb. Der wahre Herd der excessiven
Kälte von Alexandropol schien, wie immer, in den Schnee^
einöden des vulkanischen Hochgebirgs mit seinen ausge-
dehnten Plateauverhältnissen zu liegen ^ wo sich die Quel-
lengebiete des Kura (Hochland von Ardahan), des Araxes
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 34
530
und des Mnrad befinden. Im Winter 1814» ^o unsere
Beobachtungen in Erivan vom 6. Jan. (alt. Styls) bis zum
15. durch den Greiner'schen Thermoraetrographen fol-
gende Minima anzeigten : — 22; — 17 ; — 22 ; — 24 ; — 25;
— 25,2 ; — 25 ; — 22 — 20^ R., geben die Listen von Alo-
xandropol, durch den Oberst Wittrowsky geleitet , bis
zu 31^ R. Kälte ganz in Uebereinstimmung an.
In diesem Jahre scheint eine aufsergewöhnliche Kilte
am oberen Euphrat- und TigrisfluCBgeliiet geherrscht zu
haben; ja es soll sogar der Tigris in der Breite von Mo-
sul gefroren gewesen sejrn. Wir werden fiber diese Yer-
hAltnisse genaue Nachrichten durch die Beobachtungen der
Missionare erhalten. In genauer wissenschaftlidier Ver-
bindung mit dem Dr. Smith^ einem ihrer Hauptpersonen,
den ich in Erzerum kennen lernte , war es klänge mein
Wunsch, diese Verbindung mit jenen thätigen und vrissen-
schaftlich unermüdet arbeitenden Leuten, durch einen Be-
such in Urmia und Mosul noch enger und nutzbringen-
der zu geßtalten. Es wäre das Alles leicht auszuführen;
es wäre möglich ein geregeltes Sjstefai gleichzeitiger Beob-
achtungen von Astrabad an über Teheran, Mosul , Bei-
rut, Jerusalem, Smjrna, Brussa, Constantinopel und zu-
rück über Trebisonde bis nach Grusien zu erhalten, indem
die Missionare sehr bereitwillig einem gemeinsamen Plane
sich anschliefsen würden. Ich wollte die Ausführung eines
solchen Planes ohne grofse Schwierigkeit und Kosten. ga-
rantiren. —
III. Aus einem nrlefe an Hrn. A. ▼. Hamboldft.
Tiflis, den 28. Febr. 1860 alL St
— Die Beobachtungen von 1848 hatten das unerwartete
und interessante Resultat gegeben, dars der Isothermengfirtd
zwischen 11 und 12^ B., nachdem er den Isthmus zwischen
dem Schwarzen und Kaspischen Meere im Süden des Kau-
kasus quer durchsetzt hat, vom Ufer des Kaspi-See au eine
plötzliche Einbiegung gegen Süden und zwar dergestalt er-
leidet, dafs die mittlere Jahrestemperatur von Rednt mit
531
11,24 <*, in LcDkoran, und die von Kutais, mit 11,57 in Baku
wiedergefunden wird. Das Auffallende dieser Tbatsache
erschien noch dadurch vermehrt, dafs die mittlere Jahres^
temperatur am westlichen Eingänge zum breiten Verbin-
dungsthal zwischen dem Euxinischen- Seebecken und der
Aralokaspischen Depression um 0,25 wärmer gefunden
wurde als die des östlichen Ausganges (durch Baku und
Lenkoran repräsentirt), wo die südlichste, unter dem Pa-
rallel von Palermo gelegene Station Lenkoran unter den
vorgenannten Orten die niedrigste Temperatur besafs.
Die Beobachtungen von 1849 bestätigen nun dieses Re-
sultat nicht allein vollkommen , sondern sie zeigen auch,
dafiB das absolute Wärmequantum des vergangenen Jahres
für die in Rede stehende Region dasjenige des Jahres 1848
um ein Geringes übertroffen hat. Die Gröfse dieses Ue-
berschusses zeigt sich an sämmtlichen Beobachtungspunkten
mit Ausnahme von Kutais auf eine überraschende Weise
nahe constant. Für Tiflis ist sie 0,29, für Redut 0,20, für
Baku 0,34, für Lenkoran 0,36. Die gröfseren Differenzen
▼on 0,34 und 0,36^' bezichen sich im Gegensatze zu den
Verhältnissen des Jahres 1848 auf eine um 0,16° R. grö-
üsere Wärme für den kaspischen Küstenstrich. Dieser Con-
stanz in dem Yerhältnifs der absoluten Temperaturverthei-
lung steht nun eine nicht minder bedeutsame Divergenz in
der relativen Yertheilung der Jahreswärme in den verschie-
denen Jahreszeiten an jenen Orten zur Seite, die mit den
Abänderungen in der Richtung der Winde und der Yer-
theilung der Niederschläge auf das Engste verbunden er-
scheint.
Diese Yerhältnisse sind es, welche die bedeutende kli-
matische Differenz zwischen den beiden Jahren 1848 und
1849 für Transkaukasien bestimmt haben; ein temperirter
sehr regenreicher Sommer auf der Westhälfte und ein trock-
ner Sommer auf der Osthälfte des transkaukasischen Isth-
mus sind ihre Grundzüge. Ohne eine vollständige Bearbei-
tung des barometrischen Beobachtungsmaterials möchte das
Zurückführen dieser Erscheinungen auf ihre wahren Gründe
34*
532
wohl mehrfach ia den Fall führen, die Ursache mit der
Wirkung zu verwechseln. Die nahe Uebereinstimmung der
Differenzen zwischen den absoluten Temperaturen der Jahre
1848 und 1849 läfst erwarten, dafs fortgesetzte Beobach-
tungen den Parallelismus der Curven für diese auf- nai
niederschwaukende Gröfse auch in Grusien überall als Ge-
setz erkennen lassen werden. Demgemäfs stimmt auch die
mittlere Jahrestemperatur von 1849 in Derbent ebenso nahe
mit derjenigen von 1847 überein, wie die mittleren Tempe-
raturen der entsprechenden Jahre unter sich in Tiflis.
Die Wichtigkeit der eigenthümlichen geographischen Stel-
lung von Georgien bestätigt sich, durch Tiflis repräsentirti
auf unzweideutige Weise auch in meteorologischer Bezie«
hung. Man hat den Kaukasus oft die geographische Gränze
zwischen Asien und Europa genannt, aber mit noch grö-
fserem Rechte wird man die klimatologische Gränze zwi-
schen beiden Welttheilen über jene ellipsoidische Urge-
birgsauschwellung führen, welche unter dem Namen des
Mestrischen Zuges in einer Richtung, die mit den Strei-
chungsliuien des Productenkalks auf Armeniens Hochgebieteu
parallel läuft, die Tiefländer* des Isthmus in zwei ungleiche
Hälften sondert. Die westliche Hälfte, das Colchierland,
steht unter dem überwiegenden Einflüsse des maritimen sfid*
europäischen Klimas, die östliche Hälfte mit den Plateau-
stufen des grofseu Kurathals ' ) dagegen unter dem des
continentalen asiatischen Klimas. Karthalinien erhält somit
eine mittlere Stellung und darf unter allen Gebieten von
Transkaukasien als dasjenige bezeichnet werden, wo die so
eben bezeichneten entgegengesetzten Einflüsse sich am Mei-
sten einer gegenseitigen Neutralisirung nähern, die aber
nichts destoweniger, insbesondere für das, von der Höhe
von Suram (3013 engl. F. über dem Pontus) schon be-
1 ) Die oberste Plaleaustufe des Kurathalcs wurde einestheiU die grolse
Thalebene, von Bardjom (2080 engl. F.) an bU Gori (1700 engl. F.), und
anderentbeils die ausgedehnte Ebene der Liachven, zwischen Gori und
Zchinval, umfassen. Den Einflufs dieser bedeutenden Hochebene unter-
sucht die meteorologische Station in Gori.
533
deatend nach Ost vorgerückte Tiflis, darch das Ueberge-
tfvicht des coiitinenlaleii Elements beherrscht und gere-
gelt wird.
Vei^mochten die Einflüsse des vorjährigen nassen und
wohl deshalb kühlereu Sommers der pontischen Seite sich
auch für Tiflis und, wie es scheint, auch für das Südwest«
lieh liegende armenische Hochland geltend zu machen, so
bleibt doth die Differenz zwischen der Winter- und Som-
niertemperatur 1849 in Tiflis in gleichem Verhältnifs Über-
wiegend zu derselben Differenz an den westlichen und öst-
lichen Küstenorten in dem früheren Jahre 1848.
Tiflis Rcdut Kutais Lenkoran Baku Schuscha.
Differenz für 1848 19,57 16,41 15,32 18,91 19,27
Differem für 1849 17,90 12,26 13,29 14,22 15,94 13,63
Von Seiten dieser Differenz findet dagegen für Tiflis
eine entschiedene Annäherung an die continentalen klima-
tischen Verhältnisse des armenischen Hochlandes statt. Ti-
flis 17,90^ Alexandropol 20,30°. Alarich 20,25« R. Mit
unverkennbarer Deutlichkeit tritt überall der wichtige Ein-
flufs hervor, welcher von der nordwestlichen Grundrichtung
des Kaukasus und der parallelen des sogenannten arme-
nischen Gebirges sowie von den lalitudinalen Zügen der
trialetischen und der achalzik-imirethinischen Ketten auf In-
tensität, Yertheilung und Ausgleichung jener entgegenge-
setzten Einflüsse zweier Welttheile, und somit auf die In-^
dividualisirung der partiellen Klimate in Transkaukasien
ausgeübt wird.
Auf eine ähnliche aber entgegengesetzte Weise wie im
Nordwest der grofsen ossetinischen Kesselthäler, vom Con-
gutichoch an, der Urgebirgsthcil des Kaukasus im Norden
von Suanien zu den gröfsten Höhen anschwillt, welche das
mächtige System des Elburuz dominirt, nehmen im Südost
vom Kasbeck die abwechselnden Diorit- und Schieferhöhen
der kaukasischen Kämme allmälig an absoluter Erhebung
ab. In dem Schutze jener hohen suanetischen Gebirgswälle
wird das colchische Tiefland den östlichen Einwirkungen
zwar nicht völlig, aber doch so weit entzogen, dafs hoch-
534
stämmige Apfelsinen- und Citronenbäame, wenige Standen
von Poti entfernt, durch niedrige Hugel vor den nördlichen
Winden, die man dort die suanischen nennt, gesichert, all-
jäbrig reichliche Früchte tragen ' ) und die umfangreichen
Lorbeerwaldgebfische (laurus nobilis) nahe bei Kntais nie-
mals der winterlichen Kälte erliegen. Die siidöstliche Kan-
kasushälfte vermag dagegen dem Herandrängen des cooti-
nentalen central -asiatischen Elements nur einen bei Weitem
weniger wirksamen Damm entgegenzustellen, dessen Ein«
flufs im Osten des Meridians vom Schagdag immer rascher
abnimmt. Die Wirkungsphäre des kaspischen Meer-Klimas
compensirt nun jenen Mangel entschieden wieder und bringt,
im Zusammentreffen mit lokalen Bedingungen für eine po-
tenzirte continentale Sommerwärme, auffallende klimatische
Erscheinungen innerhalb der Osthälfte des transkaukasi-
schen Isthmus hervor. Hierdurch wird die kaspische Re-
gion in einen aufserordentlichen Coutrast mit dem poutischen
Küstengebiet geführt, und der ersteren eine ganz andere
ethnographische und Kulturalentwicklung vorgeschrieben als
dem letzteren.
lu keinem anderen Theile von Transkaukasien erreichen
mittlere Jahres- und Sommertemperaturen, absolute und re-
lative Feuchtigkeit der Atmosphäre eine gleichzeitige grö-
fsere Höhe als innerhalb des grofsen Deltas der Knra-
thal- Mündung, welche bereits so vollständig der kaspischen
Depression angehört, dafs ich schon vok* zwei Jahren am
Yereinigungspunkt des Araxes mit dem Kur das Flufsni-
veau nur 18 pariser Fufs über dem Spiegel des kaspischen
Meeres fand. Aber nirgends ist auch die Quantität der
Niederschläge durchgängig für alle Monate der warmen Jah-
reszeit geringer als in Baku und dem angränzenden süd-
westlichen Flaehlande. Kein Ort in Transkaukasien scheint
dagegen an Fülle und Intensität der Niederschläge von
Kutais übertroffen zu werden, dessen mittlere Jahrestem-
peratur sich zwei Jahre hintereinander sehr derjenigen von
1 ) Die Region dieser Kulturen beginnt zwei Stunden vor dem Gränsort
Tschurucksu auf dem "SVe^ nach Batnm; ich war im Winter 1849 dort
535
Baku genähert hat. Im Jähre 1849 war das Verhältnifs
der Niederschläge das folgeude: Baku = l; Alexandropol
2,28; Derbeut =2,55; Lenkoran 5,11; Redutkaleh =7,36;
Kutais =9,16. Dafs diese eigenthümlicheii physikalischen
Zustände für den menschlichen Organismus keinerlei her-
vortretende Nachtheile bedingen, demselben vielmehr zu^
fraglich scheinen, dafür spricht der vorzugsweise gute Ruf,
den Baku bei Einheimischen und Fremden unter den in
saditätlicher Beziehung mehrfach angefochtenen Städten
Transkaukasiens geniefst.
Die noch nicht vorgenommene Entwicklung der baro-
metrischen Windrosen für Lenkoran Baku und Derbent
wird die eigeuthümlichen Windverhältnisse von Baku wahr-
scheinlich als den frappantesten Ausdruck eines schönen
Drehungsgesetzes herausstellen, welches mit örtlichen Mo-
dificationen seine Anwendung für das ganze Becken des
Caspi-See findet. Alle bisherigen directen Wahrnehmun-
gen an den genannten Küsteuorten treten in einen harmo-
nischen Zusammenhang, wenn man sie unter den Gesichts-
punkt der Existenz einer nördlichen und einer südlichen
Strömung stellt, deren constante Wechselwirkung inner-
halb der Längenaxe des kaspischen Meeres eine bewiesene
Thatsache ist. Welcher Ansicht über den veranlassenden
Grund zu der Bewegung der Luftmassen im entgegenge-
setzten Sinne innerhalb jener Richtung man auch sejn will,
sehe, man Aequatorial- und Polarströme in denselben oder
suche und finde man ihre, der Deklination der Sonne fol-
gende ambulante Wiege in der physikalischen Beschaffen-
heit und der Configuration der die aralokaspische Depres-
sion umringenden Läudermassen überhaupt: das vorhandene
Bestreben der beiden Strömungen, sich gegenseitig zu ver-
drängen, wird ein bestimmtes Drehungsgesetz zur Folge
haben müssen.
Baku, inselartig, aber genau in der verlängerten Axe
des kaukasischen Gebirges gelegen, erhält die nördliche Strö-
mung, die in Derbent z. B. rein als solche erkennbar ist,
durch das Gebirge und die steil abfallenden nordwestlich
536
gelegenen Küsten in eine ivestlicbe abgelenkt, mehr oder
minder gegen den Meridian geneigt. Das Barometer hält
sich hoch, die Temperatur niedrig. Der Zug der Wolken
in der Höhe verkündet die südliche Strömung, die in Len-
koran die gleichzeitige Richtung der Fahne bestimmt. Lei-
ses Fallen des Barometers und Steigen des Thermometers
deuten auf herannahendes Herabsinken des oberen Luft-
stroms. Eine absolute Stagnation der Atmosphäre tritt ein;
das flutharlig in den Baku'schen Golf geprefste Meeresni-
veau sinkt auf den Nullpunkt — und bald beginnt der Süd-
ost mit steigender Lebhaftigkeit zu wehen. — So der in
häufigen Fällen ganz normale Verlauf des Kampfes in Baku.
Die Zwischenwinde sind selten von einiger Dauer und er-
reichen überhaupt in der wärmeren Jahreshälfte ihr Mini-
mum. Ihr relatives Verhalten, so sehr es auch durch com-
plicirte Verhältnisse in den verschiedeneu Jahreszeiten roas-
kirt erscheint, scheint dennoch auf eine Drehung des Win-
des im Sinne der Windrose durch SWNO nach S zu deu-
ten. Durch die in der täglichen Periode für Redutkaleh
mit Schärfe hervortretenden Wechsel zwischen Land- und
Seewind schimmert in der jährlichen Reihe sehr deutlich
der Wechsel eines südwestlichen Stromes mit einem nord-
östlichen und östlichen. Wie der Sommer- Musson in Re-
dut die aus der physikalischen Natur der Umgebung re-
sultirenden ungesunden Einflüsse bis zum Maximum steigert,
so stellt sich der Winter -Musson mit seiner trockenen
continentalen Luft dem ersteren als eine Wohlthat ge-
geniiber.
Doch es ist befriedigender sich aus dem Gebiete der
bis jetzt noch mehr oder weniger problematischen Wind-
verhältnisse der transkaukasischen Tiefländer noch einen
Augenblick zu den positiveren Resultaten von Beobach-
tungen zu wenden, in deren mit Sicherheit zu verbürgen-
den numerischen Werthen die wichtige klimatologische Be-
deutung der Platcauverhältnisse des armenischen Hochlandes
in bestimmten Zügen hervorzutreten beginnt. Der Zufall
hatte es gewollt, dafs ich den ersten Eindruck der reichen
Naturverhältnisse von Armenien und insbesondere der Pro-
537
▼inz Ararat anter dem Einflüsse eines Jahres empfing, in
dem der continentale Charakter des Klimas sich auf eine
lange noch nicht dagewesene überaus excessive Weise aus-
sprach. Die Lösung der Fragen im Auge, welche die ab-
normen Temperatur- und hjgrometrischeu Verhältnisse der
Atmosphäre in der Araratumgebung angehen, hatte ich .da-
für gesorgt, dafs alle meine ambulanten Beobachtungen sich
auf die sichere Correspondenz einer in Erivan eingerichte-
ten meteorologischen Station beziehen konnten, durch de-
ren mehr als einjährige Thätigkeit es mir auch möglich
wurde, mit Zuziehung des isochronischen einjährigen Baro-
metermittels von Tiflis die mittlere Erhebung der Araxes-
Ebene über das Meer auf einen richtigeren Werth zurück-
zuführen als derjenige ist, der ihr durch das Parrot'sche
barometrische Stationsnivellemcut war beigelegt worden ' )•
Die Resultate, welche ich am Schlüsse der einjährigen Rei-
hen (Juni' 1844 bis Juni 1845) für die mittleren Tempe-
raturen der Jahreszeiten in Erivan erhielt, erschienen mir
dergestalt extrem, dafs ich an ihrer Richtigkeit zweifelte,
obschon die Ableitung aus den Maximis und Minimis zu
denselben Werthen führte, wie die Berechnung geeigneter
Stundengruppen der monatlichen Tage.
Juni 17,5, Juli 19,75, Aug. 20,40, Sept. 18,70, Oct. 11,0,
Nov. 4,94, Dec. — 2,82, Jan. — 11,97, Febr. ^ 2,22. ^Som-
mer =19,20) (Maxim, am 4. 6 u. 13. Aug. 30« R.) (^Herbst
11,53), (Minim. am 12. Jan. —25,3'»). (Winter — 4,25),
März = 3,78, April 10,36, Mai 14,95. ^Frühling 9,69).
Nach diesen Daten, welche auf neuen Styl berech-
net sind, ergiebt sich für die 12 Monate vom Juni 1844
bis 1845 eine mittlere Temperatur von 9,00^ R. Für die
isochronischen Monate war die mittlere Temperatur in Ti-
flis 9,62" R. gefunden worden! Der geringe Temperaturun-
terschied von 0,62" zwischen Orten, welche wie Erivan
und Tiflis um 1600 Fufs in verticaler Richtung von einan-
der abstehen, schien mir unmöglich und die durch locale
Umstände unvermeidlich gewesene Placirung der Instrumente,
1) Meine Mcssiuagcn geben die miulere Erhebung im Meridian des gro-
fsen Ararat zu 2400 par. Fufs.
538.
zwar im ▼oUkommeneD Schatten, aber doph in der Fenster-
Öffnung eines nach Mittag (SW) gerichteten Zimmers be-
stimmte mich, die Beobachtnngsreihe Ton Erivan mit dem
Fehler einer zu hohen Sommertemperatnr behaftet zu hal-
ten und dieselben höchstens nur ffir spätere Vergleidie
aufzubewahren. Die vollsfSlndigen Beobachtnngslisten des
Jahres 1849 aus Aralich und Alexandropol, so wie eine,
leider unvollständig gebliebene Reihe desselben Jahres aus
Erivan gestalten nun die Ansichten über die Brauchbarkeit
fener Beobachtungen 18||- entschieden günstiger; der merk-
würdige klimatische Charakter der Plateaulandschaften, die
dem Ararat im Norden und Nordosten yorliegen, kann jetzt
zum ersten Male aus dem Gebiete der unsicheren Schätzung
in das der yergleichenden sicheren numerischen Werthe
geführt werden.
Wenti es überraschend war, nahe dem Parallel von
Smyrna und Palermo, an den Ufern des kaspischen Meeres,
die Isotherme von Barcelona und die Isodiimene von Trier
und Maestricht anzutreffen, so wird man kaum mit geringe-
rem Befremden in der Temperaturvertheilung von Alexan-
dropol, St. Lawrence in Nord -Amerika repräsentirt sehen.
Aber noch bedeutsamer und folgenreicher scheint es mir, am
Fufse des Ararats die Isotherme von Messina, Seringapat-
Dam und Baku sich vereinigen zu sehen, und ebendaselbst
die Isochimene vom St. Bernhard anzutreffen, wo die einst
blühenden uralten Weingärten des unglücklichen Argnri')
nur den Folgen des furchtbaren .Naturereignisses von 1840,
nicht aber winterlichen Extremen zu erliegen vermoditen,
von deren Umfang die Beobachtungen aus dem excessiven
Jahre 1&|4 '^ Erivan eine annähernde Schätzung zu geben
vermögen. Die nirgends unter 10^ R., wohl aber über 11^
gefundenen Temperaturen der vielen Quellen coustanter
Temperatur auf der Araxes- Ebene, die Intensität und Ra-
pidität der vegetiven Entwicklung im ersten Frfihliugsmo-
nat ebendaselbst, der rasche Fortgang jener Entwicklung
und die daran geknfipfte Möglichkeit einer doppelten Fructi-
I) Das verschüttete Arguri hat eine absolute ErheboDg voo 5146, die
Wcmgärten 4013 par. Fufs.
539
ficäticmsperiode für die Cerealien auf den grofsen Cnltor-
deltas der Zuflösse des Araxes, das geringe Maafs der ab--
soluten Feuchtigkeit der Atmosphäre und die Geringfügigkeit
der Niederschläge, deren Mangel durch die Nähe des grofsen
Seebeckens des Goktschai nicht wenig ausgeglichen wird:
alle diese und noch andere für die Oeconomie der arme-
nischen Naturereignisse so überhaupt wichtigen Momente
werden nun als Folge der intensiven Insolation völlig ver-
ständlich, welche jene Hochebene erhält, deren Absorptions-
and Emissionsvermögen nicht wenig von ihrer eigenthüm-
liehen geognostischen Beschaffenheit abzuhängen scheint.
Die aufserordentliche Winterkälte von Alexandropol ist
ein Phänomen, dessen alljährliche, dem Anschein nach durch-
aus constante Wiederkehr auf Ursachen zurückgeführt wer-
den zu müssen scheint, die unabhängig von den etwaigen
Migrationen sogenannter Kältepole in unmittelbarer Nähe
wirken. Ich kann diese Ursachen nur vermuthen in der
eigenthümlichen geographischen Stellung von Alexandropol,
in dem Mittelpunkte einer Hochebene von 4500 Fufs ab-
soluter Erhebung, welche von den mächtigsten vulkanischen
Systemen umringt ist, in denen der Theil des alt -armeni-
schen Hochlandes das Maximum seiner Dimensionen gewinnt,
auf dem die Quellengebiete des Kur und des Arkurean oder
Arpatschai liegen. Die gegen NW von Alexandropol sanft
ansteigende Hochfläche von Schuragel endet auf den Höhen
des Ringswalles, welcher das 116 Quadratwerst einneh-*
mende Wasserbecken des Tchyldir einschliefst, dessen ab-,
solutes Niveau dasjenige des Goktschai übertrifft; in SO
schwillt auf einer Basis von 170 Werst Umfang die flacbo.
Wölbung des Alagcz an; in SW entwickelt die noch fla-
chere Wölbung des Alidja-Sjtems mit einer Basis von 20Q
Werst im Umfang seine systematisch vertheilten Kegelgrup-
pen, eine Wölbung an deren Peripherie die altarmenischen
Königsitze Kars 5200 und Ani 4380 (Fufs absol. Erheb.)
liegen ; in NO endlich beginnt die majestätische Reihe voa
langgedehnleu domartigen Wölbungen des Alagez, Agrikar
und Tschischtäppa , die in den Abulkegeln, ein. weite&
Gebiet von Kraterseen begreifend, an den latitudinalen ZU-
540
gen der trialetbiBchen Ketten absetzt und ihre gewaltigen
Doleritströme über pyroxenföhrende Labrador- und Mandel-
steine und deren sedimentären Trümmerbildungen in die
Tiefe des Thalspaltes von Bardjom hinabsendet. Die mit
preiswürdiger Genauigkeit seit December 1848 ' ) ausge-
führten meteorologischen Beobachtungen in Alexandropol,
deren Resultate die relative Brauchbarkeit mehrjähriger frü-
her daselbst gemachter Beobachtungen beweisen, messen
nun meiner Ansicht gemäfs ganz vorzüglich den in Bezug
auf seine Anfangs- und Endperioden alljährlich oscilliren-
den Einflufs der absoluten Schneebedeckung jenes aufser-
ordentlichen Hochgebiets auf das Klima von Alexandropol.
Die Station von Schuscha, in reichbewaldeter Umge-
bung auf stark gegen NO geneigtem und königsteinartig
isolirt, in die Atmosphäre aufragendem Kalkspathplateaa,
3600 par. Fufs über dem Meere gelegen , bestimmt dage-
gen im schroffen Gegensatze mit Alexandropol den Effect
der Wärmequelle, die von der Oberfläche des Kaspi-Sees
nach näher zu erforschenden Gesetzen in den oberen Re-
gionen der Atmosphäre in der winterlichen Jahreszeit auf
die karabagischen Parallelketlen im Süden des Kaukasus
ausgeht und einen so augenscheinlichen Mitantheil an dem
Reichthum der Naturereignisse jener schönen Gegenden
nimmt.
Die solchergestalt von den maritimen Gebieten des trans-
kaukasischen Isthmus in terassenförmigen Abstufungen bis
zu den armenischen Plateauhöhen hinanführenden Beobach-
tungsstationen scheinen wohl geeignet, zu der baldigen
Lösung solcher Fragen zu führen, die nicht allein „Erwei-
terung der Wissenschaft", das höchste Ziel jeder ächten
Forschung, sondern auch mancherlei Aufklärung verheifsen,
die einer wohlthätigen Nutzanwendung für die Interessen der
Bewohner dieser Länder fähig erscheinen.
1) Unter umsichtiger Leitang des trefflichen Ingenieur -Obersten Gern et,
die m Aralich unter der des ritterlichen Obersten Ghreschatynskj.
(Die subalternen gut unterwiesenen Beobachter bekomnieo, -wie überall,
eine fixe Gage dafür.)
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Herbst
Jahr
549
IV. Veber die quantitative Bestimmung der Oa^al-
. säure und über die IVennung derselben von der
Phosphorsäure; von Heinrich Rose.
JLIle Oj^alsäure vi^ird aus den Auflösuugeu ihrer löslichen
Salze ineistentheils als Oxalsäure Kalkerde gefällt. Da in
dieser jedoch der Wassergehalt bei verschiedenen Tempe-
raturen verschieden ist, so pflegt man sie durchs Glühen
in kohlensaure Kalkerde zu verwandeln, aus deren Gewicht
man das der Oxalsäure bestimmen kann.
Unlösliche Verbindungen der Oxalsäure, wie z. B. die
Oxalsäure Kalkerde, können durch Kochen mit einer Auf-
lösung von kohlensaurem Kali oder Natron zersetzt wer-
den, worauf man aus der von der kohlensauren Kalkerde
getrennten Flüssigkeit die Oxalsäure, nach Sättigung der-
selben mit einer Säure, wiederum als Oxalsäure Kalkerde
fällen kann.
Im Allgemeinen indessen läfst sich die Kalkerde genauer
durch Oxalsäure, als umgekehrt die Oxalsäure durch die
Auflösung eines Kalkerdesalzes niederschlagen und be-
stimmen.
Schon der Umstand, dafs man bei der Fällung der
Oxalsäure vermittelst eines Kalkerdesalzes einen Ueber-
schufs derselben anwendet, und die Flüssigkeit gewöhnlich
mit Ammoniak zu übersättigen pflegt, macht Vorsicht noth-
wendig, damit die gefällte Oxalsäure Kalkerde nicht mit
kohlensaurer Kalkerde verunreinigt werde.
Die Oxalsäure Kalk erde hat aber ferner die Neigung,
sich mit kleinen Mengen des fällenden Kalkerdesalzes zu
verbinden. Schon vor längerer Zeit hat Fritsche ein
Doppelsalz von oxalsaurer Kalkerde und von Chlorcaicium
beschrieben. Es wird zwar durch Wasser zersetzt, aber
eine sehr geringe Menge von Chlorcaicium bleibt nach dem
vollständigen Auswachen noch in der Oxalsäuren Kalkerde,
und löst man dieselbe in verdünnter Salpetersäure auf, so
550
wird die Auflösung durch salpetersaures Silberoxjd, wie-
wohl nur unbedeutend, getrübt.
Wenn man daher oxalsaure Kalkerde durch Kochen
mit einer Auflösung von kohlensaurem Alkali zerlegt, die
von der kohlensauren Kalkerde getrennte Flüssigkeit mit
Chlorwasserstoffsäure übersättigt und nach Vertreibung der
Kohlensäure, Ammoniak im Uebermaafs und Chlorcaicium
hinzufügt, so erhält mau zwar die richtige Menge der koh-
lensauren Kalkerde, die man erhalten sollte, aber einen
kleinen Ueberschufs an oxalsaurer Kalk erde.
Ein weit besseres Resultat erhält man, wenn man die
Auflösung, welche das oxalsaure und überschüssige koh-
lensaure Alkali enthält, durch Essigsäure schwach sauer
macht, und nach Vertreibung der Kohlensäure, sie, ohne
sie mit Ammoniak zu übersättigen, durch Cblorcaicium
fällt.
Als Hr. Weber 1,237 Grm. oxalsaurer Kalkerde auf
diese Weise behandelte, erhielt er 0,850 Grm. kohlensaure
Kalkerde, und eine Quantität von oxalsaurer Kalkerde, die
nach dem Glühen und nach Behandlung des Geglühten mit
kohlensaurem Ammoniak 0,820 Grm. kohlensaurer Kalk-
erde gab. Diese beiden Mengen sind zwar nicht vollkom-
men gleich, aber die oxalsaure Kalkerde ist nicht ganz
vollkommen unlöslich in Essigsäure und in der, freilich
sehr geringen Menge von Chlorwasserstoffsäure des hinzu-
gefügten Chlorcalciums. Als daher die von der Oxalsäu-
ren Kalkerde getrennte Flüssigkeit vermittelst Ammoniak
übersättigt wurde, entstand zwar sogleich keine Trübung,
aber doch nach mehrstündigem Stehen eine sehr geringe,
welche etwas oxalsaure, und sehr viel kohlensaure Kalk-
erde enthielt.
Von der zum Versuch angewandten Oxalsäuren Kalk-
crde gaben 1,386 Grm. nach dem Glühen und der Behand-
lung mit kohlensaurem Ammoniak 0,938 Grm. kohlensaure
Kalkerde. Sie enthielt also 13,42 Proc. Wasser, was et-
was mehr als einem Atom entspricht. Durch die Zersetzung
der Oxalsäuren Kalkerde durch kohlensaures Alkali war
551
ct^as mehr kohlensaure Kalkerde erhalten worden, als die-
ser letzten Bestimmung entspricht.
Sicherer kann man die Oxalsäure in ihren iii Wasser
löslichen und unlöslichen Verbindungen bestimmen, wenn
man durch sie Gold aus einer Goldchloridauflösung reda-
cirt. Zugleich kann sie auf diese Weise ihrer Menge nadi
sehr genau gefunden werden, wenn sie mit ai\.deru Säu-
ren, namentlich mit Phosphorsäure in Verbindungen ent-
halten ist, von der man sie sonst schwer trennen kann.
Beide Säuren kommen aber zusammen im Guano vor. •
Die Reduction des Goldes aus seiner Chloridauflösung
geht leicht und schnell von statten, wenn die Auflösung
,der Oxalsäuren Verbindungen keine oder nur wenig freie
•Chlorwasserstoffsäure enthält. Ist aber viel freie Chlor-
wasserstoffsäure vorhanden, so kann in concentrirten Auf-
lösungen selbst durch langes und anhaltendes Kochen gar
kein Gold aus der Auflösung reducirt werden; es gelingt
diefs erst, wenn das Ganze mit einer grofseu Menge von
Wasser verdünnt worden ist, aber auch dann geschieht die
Reduction des Goldes vollständig erst nach langem Kochen*
Weder Schwefelsäure noch Phosphorsäure äufsern eine ähn-
liche Wirkung wie Chlorwasscrstoffsäure , denn auch bei
Anwesenheit ziemlich bedeutender Mengen jener Säuren
erfolgt eine Reduction des Goldes durch Oxalsäure auch
in concentrirten Lösungen, besonders wenn das Ganze bis
xum Kochen erhitzt wird.
Schon Berzelius hat sich der Goldauflösung bedient,
um die Zusammensetzung der Oxalsäure zu controliren ^),
nachdem zuerst Pelletier auf die Zersetzung der Oxal-*
säure durch eine Gpldauflösung aufmerksam gemacht hatte.
Später hat man sich häufig del* Oxalsäure bedient, um das
Gold quantitativ in Auflösungen zu bestimmen, besonders
wenn dieselben noch andere Metalle enthielten, gegen
welche Oxalsäure keine reducireude Wirkung äufsert. Aber
mit demselben Vortheil kann andrerseits die Goldauflösung
angewandt werden, um die Oxalsäure bei Gegenwart tob
1) Schweigger's Jahrbuch Bd. 3, S. 422.
552
vielen aodem Sänrea mit Genauigkeit ihrer Menge nadi
za bestimmen.
Hr. Weber behandelte eine Aaflösang von 1,830 Grm.
neutralem oxalsanrem Kali und 2,170 krjstallisirtem ^ phos-
phorsaurem Natron (Na^+H+P) mit einer Natrinmgold-
diloridauflösnng im Uebermaafs. Das angewandte neutrale
Oxalsäure .Kali gab durchs Glühen 73,98 Proc. kohlensau-
res Kali; es enthielt also 11,06 Proc. Wasser, was mehr
als einem 'Atom entspricht; das phosphorsaore Salz, das
nicht die gewöhnliche Menge von Wasser enthielt, hinter-
liefs nach dem Glühen 49,40 Proc pjrophosphorsaures
Natron.
Die Reduction des Goldes fing schon nach wenigen
Augenblicken an; das Reducirte wurde aber erst nach 24
Stunden filtrirt. Es betrug 1,320 Grm. Diese entsprechen
0,725 Grm. Oxalsäure; in dem angewandten Salze waren
0,706 Grm. Oxalsäure enthalten. Dieser Unterschied rfihrt
unstreitig daher, dafs in dem Oxalsäuren Kali wohl etwas
mehr Oxalsäure enthalten war, als aus der Menge des dar-
aus erhaltenen kohlensauren Kalis geschlossen wurde.
In der vom reducirten Golde getrennten Flüssigkeit
wurde das noch aufgelöste Gold durch Oxalsäure abge-
schieden, und darauf die Phosphorsaore als phosphorsaure
Ammoniak- Magnesia gefallt. Nach dem GIfihen wurden
0,904 Grm. Mg'' P erhalten, die 0,573 Grm. Phosphorsäure
entsprechen. Das angewandte phosphorsaure Salz enthielt
aber 0,572 Grm. Phosphorsäure.
Bei einem andern Versuche wandte Hr. Weber 1,015
Grm. Oxalsäure Kalkerde und 0,729 Grm. geglQhte phos-
• • • •
phorsaure Kalkerde (Ca^ P) an, welche beide in Chlor-
wasserstoffsäure gelöst wurden. Die oxalsauce Kalkerde
enthielt 0,494 Grm. Oxalsäure, was durchs GIfihen einer
andern Menge derselben ermittelt wurde.
Die Auflösung der Salze in Chlorwasserstoffsäore wurde
mit einem Uebermaafs einer Natriumgoldaudösung lange
Zeit gekocht, ohne die mindeste Reduction von Gold be-
553
wirken zu können. Nachdem das Ganze mit ungefähr dem
5 fachen Volumen von Wasser verdünnt worden war, wurde
das Kochen in einem Kolben fortgesetzt, und 0,897 Grm.
reducirtes Gold erhalten. Diese entsprechen aber 0,492
Grm. Oxalsäure, also sehr nahe der berechneten Menge.
Aus der filtrirten Flüssigkeit wurde das Gold durch
Schwefelwasserstoffgas entfernt, worauf sie concentrirt, und
die Kalkerde durch Schwefelsäure und Alkohol gefällt
wurde. Von der von der schwefelsauren Kalkerde getrenn-
ten Auflösung wurde durch Abdampfen der Alkohol ent-
fernt, und die Phosphorsäure als phosphorsaure Ammoniak-
Magnesia gefällt. Nach dem Glühen wurden 0,660 Grm.
• • • ■
Mg^P erhalten, welche 0,418 Grm. Phosphorsäure entspre-
chen. In der angewandten phosphorsauren Kalkerde wa-
ren 0,408 Grm. Phosphorsäure. Die erhaltene phosphor-
saure Magnesia enthielt eine geringe Menge Kalkerde.
V. Die Oberflächen- und Körperfarben des ^n^
dersonits, einer Verbindung von Jod und Codein;
pon TV. Haidinger.
(Aus dem November -Hefte 1849 der Sitzungsberichte d. K. Acad. d.
W'iss. zu Wien vom Hrn. Verf. mitgetheilt. )
JL^ie Krjstalle, welche ich heute der freundlichen Auf-
merksamkeit der hochverehrten mathematisch -naturwissen-
schaftlichen Classe vorlege, gehören in die Abtheilung der-
jenigen, welche den einfallenden Lichtstrahl von ihrer Ober-
fläche mit farbiger Polarisation zurückwerfen, während der
durch ihre Masse hindurchdringende Antheil einen von der
Farbe des zurückgeworfenen Strahles verschiedenen, und
zwar derselben complementaren Farbenton zeigt. Sie ge-
hören einem einzelnen Beispiele aus einer Reihe von Kör-
554
pem an, die sSmmtliche Vorkommen des Farbenspectrums
in Durchsiclitigkeits- und Zurückstrahlangs - , Körper- und
OberÜächenfarbeu vorstellen, mit welchen ich mich seit ei-
niger Zeit beschäftigte, und die ich sehr bald der hochver-
ehrten Classe im Zusammenhange vorzulegen hoffe. Diese
Kry stalle schienen mir jedoch schon vorher die Vorlage
zu verdienen, da sie selbst Ergebnisse von ganz neuen,
selbst noch nicht abgeschlossenen, chemischen Arbeiten sind,
die mir von dem Unternehmer derselben, Hrn. Dr. An-
derson in Edinburg, durch die freundliche Vennittelung
unseres verehrten Collegen Hm. Professors Schrötter
unmittelbar übersandt wurden.
Die Krystalle sind tafelartig, scheinbar gleichwinklig-
dreieckige Blattchcn, und man wird daher versucht, eine
rhomboedrischc Symmetrie in der Austheilung der schma-
len, an den Rändern vertheilten Begränzungsflächeu zu su-
chen. Bei genauer Betrachtung stellt sich jedoch die Form,
ähnlich der abgebildeten, Taf. IV. Fig. 17, als dem auortbi-
schen Krjstallsjsteme angehörig heraus. Nimmt man die
breite Fläche o als Endfläche oder Basis der Krjstallreihe
an, so lassen sich m und m' als die linke und rechte Fläche
eines rhomboidischen Prismas, der Gränze der Reihe der
Anorthoide, oder als l:xiA\2 und r(X)A\2 betrachten. Von
/x-4\2 erscheint blofs die diefsseitige +, das jenseitige —
fehlt gänzlich. Die Flächen d und d lassen sich als Längs-
hemidome betrachten, und zwar als +rir\2 und IH\2;
die Gegendächen +IH\2, und — rJBr\2 fehlen ebenfalls
in der polarisch unsymmetrischen Entwicklung. An der
Stelle der scharfen Kaute zunächst dem Winkel g sind die
Krjstallblättchen häufig an einander gewachsen, so dafs
dieselbe oft fehlt; die Blättchen divergiren dann fächer-
förmig. Die Gröfse derjenigen, welche ich vor mir hatte,
beträgt etwa drei Linien an der längsten Kante, die Dicke
etwa ein Sechstel von einer Linie.
Ich verdanke dem k. k. Bergpractikanten, Hrn. Franz
Foetterle, die durch das Reflexions -Goniometer unter-
suchten Winkelmaafsc.
555
Neigung von o gegen m = 131° 6'
n »
M }>
M »
j» »
d »» d = 77M2'
o « d = 141« 9'
o' »> rf = l4l« 9'
m » m'=147« 0'
d » w'=128« 0'
woraus er noch folgende ebene Winkel berechnete:
o = 143«58' f= Sö^bS'
b = 125« 57' g= 36« 2'
c = 74« 39' h= 105« 26'
d = 118«51' i= 125« 57'
e = 135« 35' Ä== 61« 9'.
Die Combinationskante od schliefst mit der rechts von
derselben liegenden Combinationskante om! den Winkel k
von €1«9', mit der links von derselben liegenden Combi-
nationskante om einen Winkel von 82« 49' ein; die Basis
o hat also eine rhomboidische Gestalt, wenn eine Linie,
die jenen Combinationskanten parallel ist, die beiden stum-
pfen Winkel verbindet.
Die stumpfen Winkel des Bhomboides sind =143« 58',
die scharfen also =36« 2'; die Diagonalen schneiden sich
unter 104« 24' und 75« 36', sie theilen die stumpfen Win-
kel in zwei von 83« 10' und 61« 3' wie oben, und die
scharfen in zwei Winkel von 21« 35' und 14« -27'.
Die Neigung der zwei Flächen d und dT gegen die an-
liegenden obern und untern Basenflächen erscheinen ganz
gleich.
Sämmtliche Messungen gelangen ziemlich gut, da die
Flächen, wenn auch schmal, doch glatt und glänzend sind,
mit Ausnahme der mit m bezeichneten (+/aDil\2), die
nur gekrümmt vorkommen.
Die dreiseitigen Krystallblättchcn haben eine braune
Farbe, ganz dünn sind sie vollkommen durchsichtig. Sie
besitzen einen schönen Diamantglanz. Die braune Farbe
verändert sich in ein schönes dunkles Orange, wenn man
die Krjstalle zu feinem Pulver zerreibt. Um sie auf den
556
Plcochroismus durch die dichroskopische Lupe zu antersii-
chen, klebt man sie am vortheilhaftesten mit der scharfen
Kante bei g auf Wachs, und hält sie so vor das Auge,
dafs die Kante dd! horizontal wird. Man beobachtet so-
dann Fig. 17. Taf. IV. das ordinäre Bild 0 oben, das ex-
traordinäre Bild E unten. Bei senkrechtem Einfall des
Lichtes erscheint das erstere 0 weit heller, als das letz-
tere E, und zwar wechselt jenes je nach der Dicke der
Blättchen, von einem blassen Gelblichbraun, durch tiefes
Honiggelb bis in Blutroth, während jenes gleichzeitig mit
Blutroth beginnt und bald undurchsichtig wird, also ein
schwarzes Bild giebt. Bringt man den Krjstall, die Kante
dd' immer noch horizontal, durch eine Drehung nach rechts
oder links aus der ursprünglichen Lage heraus, so steigt
oder fällt der Grad der Durchsichtigkeit, und zwar ist der
Krjstall in dem oberen Bilde 0 am durchsichtigsten, wenn
man in der Richtung AA I^ig. 18. Taf. IV., also ziemlich
senkrecht auf die Kante zwischen m und m', oder senk-
recht auf die Axe dieses Prismas hinsieht. Er ist am we-
nigsten durchsichtig in der Richtung dieser Linie BB. Von
deu Elasticitätsaxen für die doppelte Strahlenbrechung liegt
daher nur eine in der Ebene der dreiseitigen Tafeln, and
zwar senkrecht oder nahe so auf die Kante dd!\ die an-
dern beiden senkrecht auf einander schliefsen in der Pro-
jcction Fig. 18, Taf. IV. Winkel mit dem Durchschnitt der
Base ein, und zwar so, dafs der Winkel CMA ungefähr
30°, der CMB 60° beträgt.
Der in der Richtung AA und senkrecht auf BB pola-
risirte Farbenton ist der hellste, der in der Richtung von
BB senkrecht auf il^i polarisirte der mittlere, endlich der-
jenige, welcher senkrecht auf den Durchschnitt der zwei
Ebenen AA und BB polarisirt ist, der dunkelste. AUe
aber haben den nämlichen Grundtou von Dunkel -Orange,
und unterscheiden sich unr durch die Intensität.
Der Diamantglanz der Oberfläche zerlegt sich bei der
Untersuchung der Reflexion vermittelst der dichroskopischen
Lupe dergestalt, dafs ein Theil des zurückgeworfenen Lieh-
557
tes schön lasurblau in der Richtung der Kante dct, oder
wie das E in der Fig. 17. Taf. IV. fest polarisirt wird. In
der Stellung Fig. 19. Taf. IV. geht alles ordinär polarisirte
Licht in das obere Bild, alles extraordinär polarisirte Bild
in das untere Bild, und der Gegensatz ist dann möglichst
vollständig. In der senkrecht auf dieser stehenden Stellung
geht die fest polarisirte blaue Farbe nebst dem weifsen
Oberflächenlichte ganz in das obere Bild. Es erscheint
übrigens nicht unter allen Einfallswinkeln in der Stellung
Fig. 19. Taf. IV. ein gleicher blauer Ton. Sind die Win-
kel gröfser, so geht er in violett über; und bei sehr gro-
fsen Einfallswinkeln erscheint sogar ein unvollkommenes
Speisgelb im untern Bilde als Gegensatz zu dem hellen
Weifs des obern.
Die hier beschriebenen Krystalle bilden eine neue Be-
stätigung des in dem II. Hefte der Sitzungsberichte der
k. Academie der Wissenschaften nachgewiesenen Gesetzes^
dafs der orißntirte Flächenschiller, oder die fest polarisirte
Oberflächenfarbe in der Polarisationsrichtung mit der Po--
larisationsriehtung des mehr absorbirten Strahles doppelt'
brechender Kry stalle übereinstimmt *).
Nach Hrn. Dr. Anderson ist der chemische Bestand
der Krjstalle eine noch nicht vollständig ausgemittelte Ver-
bindung von Jod und Codei'n {Jodine Compound of Co-
deine', Constitution non yet fully determined), das Codei'n
— von Robiquet 1832 in Opium entdeckt — selbst ein
sehr zusammengesetzter Körper C3 5 H^ ^ N^ O5 H- 2 Aq. In
Ermangelung einer systematischen Benennung schlage ich
vor, die in optischer Beziehung so höchst interessanten Krj-
stalle durch den Namen Andersonit zu bezeichnen. Wäre
der Gegenstand ein in der Natur vorkommendes Mineral,
N so wäre diefs nur ein Vorgang, zu dem man hunderte von
Beispielen hat. Hier scheint das Verfahren eine Neuerung
zu seyn, und zwar auf einem Felde, das dem Mineralogen
nach der bisherigen Gepflogenheit ganz entrückt ist. Aber
in der Kenntnifs der unorganischen Individuen müssen wir
1) Ann. Bd. 76. $.99. P.
558
es wohl gestehen, haben wir fiberhaopt noch so vieles zu
leisten vor uns, dafs auch hier das Bedurfiaifs selbststäo-
diger specifischer Namen sich immer mehr als unabweis-
lich herausstellt. Bei der Welt von neuen Körpern wären
gewifs jumfassende Arbeiten in dieser Beziehung eben so
undankbar für den, der sie unternehmen würde, als müh-
selig und im Erfolge wahrscheinlich verunglückt, denn es
läfst sich nur erst vorhersehen, dafs es in späterer Zeit gar
nicht mehr zurückgewiesen werden kann. Einstweilen sorgt
man billig für das Einzelne. Längst habe ich gewünscht,
eben so lange als ich die Studien der Eigenschaften di/e-
ser Körper vornahm, an die wundervollen Erscheipongen
der Krjstalle mit den metallischen OberQächenfarben, durch
specifische Namen die Erinnerung an die Gegenwart ^n
knüpfen, das gelbe Barium- Platin -Cyanür Redtenbacherit
zu nennen, das karmiurothe Magnesium -Platin -Cyanür mit
grüner Oberfläche Quadratit, zugleich jatn die pyramidalen
Formen erinnernd, während das prismatische Magnesium-
Platin - Cyanür von morgenrother Farbe mit blauer Ober-
fläche Aurorit genannt würde. Knop's Kialiuro- Platin -
Cjauür-Cjanid sollte Knopit heifsen, Schqnck's chry-
samminsaures Kali Schunckitf Gregorj's oxalsaures Chrom-
oxjdkali Gregorin, (Der Name Gregorit für das cornische
Titaueisen ist zwar längst nicht mehr im Gebrauche, dürfte
aber doch nicht als ganz frei zu betrachten seju) und hier
würde Andersonit die in chemischer Beziehung noch nicht
vollständig erkannte Verbindung von Jod und Codein be-
zeichnen. Wohl haben diese Männer in der Wissenschaft
viel mehr geleistet, als nur in den einzelnen Fällen, die
ich mit ihren Namen zu bezeichnen wünschte, Namen, welche
die Wissenschaft bewahren wird, so lange sie besteht, aber
es gilt ein Princip für die Befriedigung eines Bedürfnisses
zu befolgen, das je länger, )e fühlbarer werden wird.
559
VI. üeber die Auflösung flüssiger Cylinder in
Tropfen; von G. Hagen,
(Aus d. Monatsbericht d. Acnd. November 1849.)
Xo einer neueren Untersuchung über das Verhalten flüssi-
ger Massen, welche der Einwirkuug der Schwere entzogen
sind (im 23. Bande der Schriften der Brüsseler Academie),.
hat Hr. Plateau die Ursache der Auflösung eines Strahles
in Tropfen nachgewiesen. Verschiedene, in eigenthüwlicher
Art angestellte Beobachtungen zeigten nämlich, dafs flüssige
Cjlinder, die mehr oder weniger der Einwirkung ihrer Um-
gebung entzogen waren, nur in dem Falle dauernd ihre
Form behielten, wenn die Länge des Cylinders ein bestimm«
tes Verhältnifs zum Durchmesser nicht überstieg. Die nä-
here Untersuchung der Kräfte, welche die Formverände-
rung veranlassen, führte mich zu einem Resultate, welches
sich an diejenigen Beobachtungen des Hrn. Plateau be-
friedigend anschliefst, die Vorzugspreise entscheidend sind.
Die Kraft, welche abgesehen von den zufälligen äufsern ^
Einwirkungen die Form der freien Flüssigkeit bestimmt,
ist d^r Druck, den die gespannte Oberfläche in normaler
Richtung ausübt. Sobald in einem Cjliuder an einer Stelle
eine Anschwellung und daneben eine Zusammenziehung ein^
tritt, so werden beide zunehmen, und der Cjliuder wird
sich in einzelne Theile, oder Tropfen auflösen, wenn der
Druck auf die verengte Stelle gröfser ist, als auf die an-
geschwollene. Im umgekehrten Falle wird sich dagegen
die gleichmäfsige cjlindrische Form von selbst wieder her-
stellen. Dabei ist es gleichgültig, ob solche Anschwellun-
gen und Verengungen sich mehrfach wiederholen, wie dieses
bei einem Strahle geschieht, oder ob sie nur einmal vor-
kommen. Die Anschwellung an einer Steile erfolgt allein
dadurch, dafs die Theilchen im Innern des Cylinders von
einer, oder von beiden Seiten her, sich im Knoten -Punkte
ansammeln, und man darf sonach die Untersuchung auf ei^
560
neo Theil des Cjlinders beschränken, der von einem gröfs-
ten und einem nächst liegenden kleinsten Querschnitt be-
gränzt wird.
Die erste Formveränderung des Cjlinders ist von äufsern
Einwirkungeil abhängig, daher ganz zufällig. Indem jedoch
gewaltsame Störungen hier nicht berücksichtigt werden, so
ist anzunehmen, dafs die Spannung der Oberfläche das Ent-
stehen von besonders scharfen Krümmungen und vollends
von wirklichen Kanten nicht gestattet, und sonach die Linie,
welche durch Drehung um die Axe des Cylinders dessen
veränderte Form darstellt, eine sanft gekrümmte Linie ist,
die theils aufserhalb, theils ' innerhalb des Cjlinders liegt,
und bei ihrer Drehung einen Raum umschliefst, der dem
Inhalte des Cjlinders gleich ist. t)ie an beide End- oder
Scheitelpunkte dieser Linien gezogenen Tangenten wer-
den auch zur Axe des Cjlinders parallel sejn. Insofern
hier aber nur die erste, noch sehr kleine Formveräuderung
betrachtet wird, wobei die Wellenlinie vergleichungsweise
zum Radius des Cjlinders sich sehr wenig von der ur-
sprünglichen Oberfläche entfernt, so müssen auf einer durch
die Axe des Cjlinders gelegten Ebene die beiden Flächen,
die von der Wellenlinie, von der Seite des ursprünglichen
Cjlinders und von den Radien des gröfsten und kleinsten
Querschnittes eingeschlossen sind, einander gleich sejn.
Indem ferner kein Grund vorhanden ist, anzunehmen, dafs
die entstandene kleine Anschwellung höher oder in ihrer
Länge ausgedehnter sejn sollte, als die daneben befindliche
Vertiefung, oder umgekehrt, so darf man voraussetzen, dafs
der Theil der Wellenlinie, der aufserhalb des Cjlinders
liegt, congruent ist mit dem innerhalb liegenden Theile.
Jeder derselben bildet aber eine sehr wenig gekrümmte
Linie, und ist sonach als ein sehr kleiner Bogen anzusehen,
dessen Krümmuugs- Halbmesser dem Radius des Kreises
gleich ist, der seinen Scheitel und seine beiden Endpunkte
trifft.
Hiernach läfst sich der Normaldruck bestimmen, den
die gespannte Oberfläche am Umfange eines gröfsten und
eines
561
eines kleinsten Qaerschnittes ausübt. Der allgemeine Aus-
druck dafür ist bekanntlich
(1+^)
m
m bedeutet die Spannung, ausgedrückt durch das Ge-
ifvicht der Baumeinheit der Flüssigkeit ^
Q den Krümmungshalbmesser der erwähnten Wellen«
linie,
q' den Abstand eines Scheitelpunktes derselben von der
Axe des Cjliuders.
Der untersuchte gröfste Querschnitt liege in A^ der
kleinste in B.
l sej der Abstand dieser beiden Querschnitte,
r der Radius des ursprünglichen Cjlinders und
X die Höhe der sehr kleinen Anschwellung oder Ver-
tiefung.
Alsdann ist
1) für die Stelle Ä
J Sx
1 _ 1
Q* r+o:
folglich der Normaldruck, wenn beide vorstehende Werthe
in Reihen aufgelöst worden
2) für die Stelle B
l^ Sx
Q ~ r-t-4x»
j^_ 1
g'—r^x
daher der Normaldruck
-;r-(7r-;:i)^ + 7r + (ir + 7r)^'+;T~...J.
Der Ueberschufs des Druckes auf die angeschwollene
Stelle A über den Druck auf die verengte Stelle B ist
sonach
PoggendorfTs Annal. Bd. LXXX. 36
562
Man bemerkt sogleich aus der ZusamibeQsetzoDg dieser
Reihe, dafs alle Glieder, welche die geraden PoteDfcen TOti
X enthalteu, verschwinden, die übrigen aber abwechselnd
entweder aus positiven und negativen, oder nur aus ne-
gdtived GrAfsen zuddintnengeset^t sind. Die ersteren, näm-
lich die Glieder in den ungeraden Stellen, sind Hur iu dem
Falle positiv, wenn l ein gewisses Vielfaches von r nicht
tiberschreitet. Das erste dieser Glieder ist positiv
wenn l<2tr
das zweite, wenn Z<;2«r
das dritte, wenn Ki2^r
und so fort. Die Sufserste Gräuze, welche den positiven
Werth eines Gliedes M ungerader Stelle bedingt, ist sonach
l<2 1.
Dl6 zwlsehen liegenden Glieder sind aber viel gröfser, da-
her ist die Summe der ganzen Reihe im Allgemeinen nega-
tiv, und ein positiver Werth derselben, der die Wieder-
herstellung der cjlindrischen Form bedingen wGrde, kann
nur stattfinden, wenn x so klein ist, dafs alle höhereu
Potenzen dieser Gröfse vernachläfsigt werden dürfen , und
zugleich
/<2ir
oder /<2,8284r
ist. Dieser Zahlen-Cöefficient bezeichnet zugleich das Gränz
verhältnifs zwischen der ganzen Entfernung zweier Knoten
und dem Durchmesser des Cjlind^lrs, wobei dafi stabile
Gleichgewicht aufhört.
Die zwischen Gläswfinde eingesdilossenen Quecksilber-
Fäden, deren Auflösung in Tropfen Hr. Plateau beob-
achtete, indem er die Wände behutsam entfernte, ergaben
weit gröfsere Abtheilungen. Die Länge derselben mafs das
Sechsfache und zum Theil sogar das Zehnfache der Dicke
der Fäden. Dieses Resultat darf nicht befremdeui da wäh-
rend der Beseitigung der Wände leicht einzelne Theile
der Fäden so weit herausgezogen, oder hineingeschoben
werden mochten, dafs dadurch die Trennung in viel gröbere
Abtheilungen verursacht wurde.
563
Eütscheidender sind diejenigen Beobachtungen, wobei
Oel-Cjlinder in einer Auflösung von Alkohol und Wasser
von gleichem specifischen Gewichte, zwischen zwei kreis-
förmigen Scheiben oder Ringen schwebend dargestellt wur-
den. Dieselben zeigten sich noch stabil, wenn ihre JLänge
3 bis 3,6 mal gröfser war« als ihr Durchmesser.
Auch dieses Resultat scheint dem aus der Rechnung
hergeleiteten zu widersprechen; man tiberzeugt sich aber
leicht, dafs die festen Scheiben oder Ringe die Stabilität
des Cjlinders etwas vergröfsern niufsten. Unmittelbar an
denselben konnte sich nämlich weder ein gröfster noch ein
kleinster Querschnitt bilden, vielmehr mufste bei eintreten-
der Formveränderung jene Wellenlinie an beiden Enden
' die urspröngliche cvlindrische Fläche schneiden. Zur wei-
teren Ausbildung der Anschwellung und Verengung konnte
daher die Flüssigkeit nicht in derselben Art zugezogen oder
zurückgedrängt werden, wie in dem gleichen Theile eines
unbegränzten Cjlinders geschieht. Der zwischen dem klein-
sten Querschnitte und der nächsten Endfläche liegende Theil
des Cyliuders konnte sich nur dadurch noch stärker rer-
engen, dafs eine Strömung nach dem kleinsten Querschnitte
eintrat. Die Flüssigkeit mufste sich also nach der Stelle
hin bewegen, wo der stärkste Druck stattfand. In glei-
cher Art konnte die Anschwellung am andern Ende nur
dadurch zunehmen, dafs die Strömung über den gröfsten
't^uerschnitt hinaus, also über die Stelle, wo der Druck am
kleinsten war, sich fortsetzte. Auf diese Art verhinderte
der Druck der Oberfläche zum Theil die Bildung der Kno-
ten, und die Trennung in Tropfen erfolgte nicht so leicht,
als wenn der Cj linder bei gleicher Länge ganz frei gewe-
sen wäre.
Obwohl hierdurch die Abweichung der Resultate der
Beobachtung hinreichend aufgeklärt seyn dürfte; so drängt
sich hierbei doch die wichtige Frage auf, ob die Spannung
einer Oberfläche, die zwei Flüssigkeiten von einander trennt,
der Summe der Spannungen beider freien Oberflächen gleich
sey, oder ob die Flüssigkeiten, indem sie sich unmittelbar
36*
564
beriihren, schon durch MoleGuIar-Attraction auf einander
einwirken.
Die interessante Beobachtung Plateau' s über die ku-
gelförmigen Endflächen eines flüssigen Cylinders, der zwi-
schen zwei Ringen schwebt, führt tiicht zur Beantwortung
dieser Frage, indem die Constante m, welche die Spannung
der Oberfläche bezeichnet, in der Gleichung, welche die
Form )enes flüssigen Körpers bedingt, gar nicht enthalten ist.
Zwei Beobachtungen, die ich zu diesem Zwecke mit Was-
ser und Rüböl und mit Quecksilber und Wasser anstellte,
ergaben sehr abweichende Resultate, die sich durch die
Verschiedenheit der specifischen Gewichte allein nicht er-
klären lassen, vielmehr eine weit stärkere gegenseitige An-
näherung und Einwirkung zwischen den beiden ersten, als
den beiden letzten Flüssigkeiten zu beweisen scheinen. Nichts
desto weniger stimmten die Beobachtungen doch darin Gbcr-
ein, dafs eine Verminderung der Spannung jedesmal eintrat.
Die Messungen wurden mit dem Apparate ausgeführt,
den ich früher (Abhandlungen der Academie der Wissen-
schaften 1845 S. 71 ')) beschrieben habe. Zunächst mafs ich
die Erhebung oder Senkung der schwereren Flüssigkeit zwi-
schen zwei in einem Glaskästchen parallel und vertical auf-
gestellten Planscheiben von Thonsciuefer, die jedesmal mit
Wasser getränkt waren, also vom Wasser, aber nicht vom
Oel und Quecksilber benetzt wurden. Während die schwe-
rere Flüssigkeit im Kästchen blieb, gofs ich alsdann die
leichtere darüber, so dafs von dieser die Planscheiben voll-
ständig überdeckt wurden, und wiederholte die Messung
an der gemeinschaftlichen Oberfläche.
Bei der ersten Beobachtung, die sich auf Brunnen- Was-
ser und Rüböl bezog, betrug der Abstand beider Scheiben
von einander 0,1003 Rheinländische Zoll. Das Wasser er-
hob sich dazwischen vor der Ueberdeckung mit Oel 0,1275
Zoll, unmittelbar nach dem Zugiefsen des Oeles 0,3803 Zoll.
Es senkte sich indessen sehr schnell, so dafs die Erhebung
nach 10 Minuten nur noch 0,2908 Zoll betrug. Dagegen
beobachtete ich die Erhebung des Oeles zwischen densel-
1) Annal. Bd. 67, S. 1.
565
ben Scheibeu, nachdem sie ToIIstSndig ausgetrocknet und
mit Oel benetzt waren, zu 0,0953 Zoll. Der CubikzoU des
Wassers wog 1,222 Loth, des Oelcs 1,116 Lotb; bei der^
Eintauchung in Oel wog daher der CubikzoU Wasser nur
0,106 Loth.
Hieraus ergiebt sich die Spannung eines 1 Zoll breiten
Streifen der Oberfläche des Wassers gleich 0,00843 Loth,
des Oeles 0,00606 Loth. Die Spannung der gemeinschaft-
lichen Oberfläche beider müfste also, wenn keine gegen-
seitige Einwirkung statt gefunden hätte, gleich 0,01449 Loth
betragen: nach der Messung war sie aber Anfangs nur
0,00209 und später sogar nur 0,00161 Loth. Bei der star- .
ken Adhäsion des Oeles benetzte dasselbe wahrscheinlich
sehr bald in gewissem Grade die Scheiben, an welchen in
der That, als ich sie herauszog, hin und wieder einzelne
Oeltröpfchen hafteten. Die spätere Beobachtung dürfte da-
her weniger zu berücksichtigen sejn. Es ergiebt sich aber
schon aus der ersten, dafs die Spannung unmittelbar nach
dem Hinzugiefsen des Oeles sich ungefähr auf den sieben-
ten Theil ihres ganzen Werlhes reducirte.
Bei der andern Messung, die in allen Theilen mit gro-
fser Schärfe ausgeführt werden konnte, indem eine Aende-
rung nicht bemerkt und die Berührung der Nadelspitze sehr
deutlich wahrgenommen wurde, betrug der Abstand der
Scheiben, bei etwas veränderter Aufstellung derselben, ge«
nau 0,1000 Zoll. Das Quecksilber zeigte bei zehnfacher
Wiederholung der Messung im Mittel' eine Senkung von
0,0589 Zoll, und nach der Ueberdeckung mit Wasser im
Mittel aus eben so vielen Beobachtungen eine Senkung von
0,0690 Zoll. Der CubikzoU Quecksilber wog in der Luft
16,577 Luft und unter Brunnenwasser 15,355 Loth. Hier-
aus ergiebt sich die Spannung eines 1 Zoll breiten Streifen
seiner Oberfläche gleich 0,05648 Loth. Ein gleicher Streik
fen der gemeinschaftlichen Oberfläche von Quecksilber und
Wasser sollte daher eine Spannung von 0,06491 Loth ha-
ben: dieselbe betrug aber nur 0,06015 Loth. Es trat da-
her auch hier ein Verlust ein, der jedoch so geringe war.
566
dafs die gemeinschartliche Oberfläche noch etwas starker
gespannt blieb, als die des Quecksilbers vor dem Zagiefsen
des Wassers war.
VII. lieber die Gränze der Stabilität eines flüssi^
gen Cy linders; fon J. Plateau.
In den Paragraphen 38 und 46 der ztceifen Reihe meiner
experimentellen und theoretischen Untersuchungen über die
Gleichgewichtsfiguren einer flüssigen Masse ohne Schwere ')
weise ich theoretisch nach, dafs der Cjlinder za den Fi-
guren des einer uuschweren flössigen Masse zukommenden
Umdrehungs- Gleichgewichts gehört, und nachdem ich die
Versuche beigebracht, mittelst deren ich diese Gattung von
flüssigen Figuren verwirklichte, zeige ich, von diesen Ver-
suchen ausgehend, dafs der flüssige Cjlinder nur dann sta-
bil ist, wenn das Verhältnifs zwischen seiner Länge und
seinem Durchmesser nicht über eine gewisse Gränze hin-
ausgeht, deren Werth zwischen 3,0 und 3,6 liegt.
In einer der Berliner Academie vorgelegten Notiz ^ )
sucht Hr. Hagen diese Gränze theoretisch zu bestimmen,
und er findet für ihren Werth die GrOfse 2^ = 2,8284 d. h.
einen Werth, der beträchtlich unter dem kleinsten der bei-
den Zahlen liegt, zwischen welchen nach meinen Versu-
chen dieselbe Gränze liegen mufs. Da Hrn. Hag en's Re-
sultat die Zulässigkeit meiner .Folgerung und die Tragweite
der ihr zum Grunde liegenden Versuche zu verringern scheint;
so glaube ich hier zeigen zu müssen, worin sich Hr. Hagen
geirrt, obwohl ich mir die theoretischen Entwicklungen, in
1) mm. de facad, de BruxeiUs, T. ÄXiif, (die mögUdiÄ bald mit-
getheiU werden wird. P.)
2) Siebe des vorbeifebenden A«i£MtK.
567
Betreff der StabilitätsgrSnze des Cyliuders, der dritten Reihe
meiner Arbeit vorbehalteu mufs.
Zuvörderst mufs ich bemerken , dafs Hr. Hagen eins
meiner Resultate nicht richtig anführt ' ). Nach diesem Ge-
lehrten soll ich gesagt haben, dafs meine Cylinder „sieh
noch stabil zeigten, wenn ihre Länge 3 bis 3,6 Mal grö-
fser war als ihr Durchmesser '^ Nun aber zeigen die In
meiner Abhandlung angeführten Versuche, dafs die Stabi-
lität dieser Cylinder noch für das Yerhältnifs S existirt
und für das Yerhältnifs 3,6 nicht niehr existirt, allein sie
zeigen nichts für die dazwischen liegenden Verbältoisse,
und es ergiebt sich daraus blofs der Schlufs, dafs der ge-
naue Werth der Stabilitätsgränze zwischen den Zahlen 3
und 3,6 liegt, d. h. gröfser ist als die erste und kleiner
als die zweite.
Nach Berichtigung dieses ersten Punktes schreite ic^
zu der von Hrn. Hagen angewandten theoretischen Me-
thode. Sobald die Umwandlung des Cylinders beginnt,
hat die geschlängelte Curve, welche die Meridianlinie der
Figur ausmacht, nothwendig höchst schwache Krümmungen.
Davon ausgehend, nimmt Hr. Hagen an, dafs jeder der
eonvexen und concaven Theile dieser Curve als ein sehr
kleiner Bogen anzusehen sey, „dessen Krümmungshalbmes-
ser dem Radius des Kreises gleich ist, der seinen Seheitel -
und seine beiden Endpunkte trifft '^ Den so erhaltenen
Krümmungsradius gebraucht er alsdann, um die Drucke zu
bestimmen, weiche die Flüssigkeit an den respectiven Mit-
ten einer Anschwellung und einer Ei«seh«üfung auf sich
selbst ausübt, und «m zu» Werth der Stabilitätsgränze
durch die Betrachtung zu gelangen, dafs der Unterscjhied
obiger beiden Drucke diesseits dieser kränze positiv und
jenseits negativ seyn mufs. Allein die Voraussetzung des
tirn. Hagen in Betreff des KrümmungsradhM ist keines^
w^s erlaubt, wie ich sogleich zeigen werde.
Mit Recht l»etrachtet Hr. Hagen die abwachsend con-
1) Doch sicher, wie auch fir. Plateau zugeben wird, oiclit mit Ab-
«kht. . - ■ ■ -9, -
568
▼exen und concaven Axeo der Curre als yollkommen sym-
metrisch (coDgrueut). Alleio daraus leuchtet ein, da(s die
Curve eine grofse Analogie mit der Siousoide haben mufs.
Wenn man nun in der Rechnung des Hrn. Hagen den
von ihm angewandten Krümmungsradius ersetzt durch den
des Scheitels von Bögen einer Sinusoide, so findet inap,
als Werth der Stäbiiitätsgränze, die Gröfse n^ d. b. das
Verhält nifs des Umfangs zum Durchmesser, nämlich 3,1416.
Dieser Werth weicht beträchtlich von dem des Hrn. Ha-
gen ab, und mufs a priori ^ nach der Form der Curve,
für genauer gehalten werden.
Nun mufs ich sagen, dafs auch ich mich schon seit lange
mit der theoretischen Untersuchung der Stäbiiitätsgränze
beschäftigt, und mittelst einer strengen Methode wirklich
als genauen Werth dieser Gräuze die Gröfse n gefunden
habe. Dieser Werth liegt aber zwischen 3 und 3,6, und
nimmt also den Platz ein, welchen ihm meine Versuche
bezeichnet hatten. Wie schon oben gesagt, werde ich
meine Methode in der dritten Reihe meiner Arbeit ausein-
andersetzen.
Die Unrichtigkeit der Voraussetzung des Hrn. Hagen
hat folgenden Grund. Sobald die Umwandlung beginnt
und demzufolge die von der Generatrix des ursprünglichen
Cjliuders auf der geschlängelten Curve aufgefangenen Bö-
gen nur noch ungemein schwache Krümmungen besitzen,
wird der osculirende Kreis des Scheitels eines von ihnen
einen äufserst grofsen Radius haben, und folglich der Bo-
gen dieses selben von obiger Generatrix aufgefangenen Krei-
ses einen sehr geringen Theil der gesammteu Circumferenz
ausmachen. Daraus folgt, dafs der erwähnte Bogen lu sei-
ner ganzen Erstreckung sich ungemein wenig von dem der
Curve entfernen wird. Es. scheint also auf dem ersten
Blick, als könne man wie Hr. Hagen diesen Kreis mit Fug
als denjenigen betrachten, der durch den Scheitel und die
beiden Enden des Bogens geht. Allein wenn man erwägt,
dafs der Bogen dieser Curve und der des wahren Oscula-
tionskreises, beide, die Generatrix des Cjlinders unter sehr
569
spitzen Winkeln treffen, so begreift man, dafs, ungeachtet
der grofsen Annäherung dieser Bögen, ihre respectiven au
einer selben Seite des Scheitels liegenden Enden einen sehr
merklichen Abstand von einander haben können. Um die
Sache durch ein analoges, obwohl übertriebenes Beispiel
klarer zu machen, betrachte man zwei Grade, die einan-
der parallel und aufserordentlich nahe sind. Wie grofs
diese Nähe auch sey^ so ist klar, dafs wenn man die bei-
den Geraden durch eine dritte, zu ihnen schiefe, schneidet,
die beiden Durchschnittspunkte sehr weit von einander ab-
stehen können. Man sieht also, dafs bei unserer geschlän-
gelten Curve, die Sehne des wahren Osculationskrcises sehr
von der des Curvenbogens abweichen kann, und dafs folg-
lich, wenn man, wie Hr. Hagen es thut, zum Krümmungs-
radius des Scheitels dieses letzteren Bogens den Radius
des Kreises nimmt, der durch diesen Scheitel und die bei-
den Enden dieses Bogens geht, einem sehr beträchtlichen
Fehler ausgesetzt ist. Mithin könnte Hrn. Hagen's Me-
thode nur zu einem mehr oder weniger angenäherten, aber
nicht zum richtigen Resultate führen.
Es giebt npch einen Punkt, über welchen ich nicht mit
Hrn. Hagen übereinstimmen kann, nämlich die Erklärung,
welche Derselbe in der angeführten Notiz von der gro-
fsen Länge der Stücke liefert, in welche meine Quecksil-
bercylinder zerfallen. Ich werde mich indefs hier nicht
über diesen Gegenstand verbreiten, da sich die Aufgabe
ausführlich in meiner Abhandlung behandelt findet.
570
VIII. Versuche, um zu erfahren, ob das TVasser
beim Maximum seiner Dichte oder nahe bei seinem
Gefrierpunkte eine FFirkung auf polarisirtes
Licht ausübe; pon BioL
( Cümpt. rend. T. XXX. p, 281. )
s
eit die Einwirkung gewisser FlOssigk eilen auf polarisirtes
Licht bekannt ist, habe ich nadizusehen gesucht, ob nicht
das Wasser eine derartige Wirkung teige, wenn es beim
Erkalten den Gang seiner Erkaltung onikehrt oder wenn
es zu Erstarren strebt. Da ich aber unter diesen Umstan-
den keine Wirkung fand, so blieb ich bei dieser negati*
▼en Thatsache stehen, ohne mich mit derselben weiter zu
befassen und ohne deren Erwähnung fQr nöthig zu halten.
Allein im abgewichenen Sommer sagte mir ein sehr aus-
gezeichneter englischer Gelehrter, dafs Londoner Physiker
beim Maximum der Contraction merkliche Polarisations-£f*
fecte wahrgenommen hätten, und diefs veranlafste mich
meine Versuche im letztern Winter wieder vorzunehmen.
Die Frage ist nicht so leicht zu entscheiden, wie man
wohl im ersten Augenblick glauben könnte. Zunächst ist
eine negative Thatsache viel schwerer festzustellen als eine
positive, und tiberdiefs, wenn man fiber die Natur der
Erscheinungen, welche muthmafslich in beiden Fällen auf*
treten, könnte«, nachdenkt, so begreift man, dafs sie sich
unter gewissen sehr zarten Umständen einstellen könnten,
bei deren Abwesenheit aber man sie nicht sähe. In der That
ist es kaum vorauszusetzen, dafs die Wassertheilchen bei
0^ oder 4^ eine individuelle Drehungs- Eigenschaft aus-
üben, wenn sie nicht auch bei jeder andern, etwas höhe-
ren Temperatur davon eine Anzeige gäben. Allein bei dem
sonderbaren Uebergang von Zusammenziehung in Ausdeh-
nung, so wie beim Herannahen der Gestarrung wäre es
nicht aufser Wahrscheinlichkeit, dafs die Theilchen einer
Wassermasse sich nach gewissen polaren Richtungen gegen
571
einander drehten. Wenn nun diese innerliche Bewegung
in der ganzen Masse mit Stetigkeit und Bregeitnöfsigkeit ge-
schähe, so könnte sie wohl fähig werden, nach Art der
rasch abgekühlten oder zusammengeprefsten Gläser auf das
polarisirte Licht einzuwirken. Hiernach wird man nur er-
warten dürfen, sie zu beobachten bei ziemlich beträchtli-
chen Wassermassen, die ihre Temperatur sehr langsam än-
dern und vor aller äufseren Erschütterung, welche die frei-
willige Anordnung ihrer Theilchcn stören könnte, geschützt
würden. Ea wird auch nothwendig sejn, dafs der Polart-
sations-Apparat, welcher die mit Wasser gefüllten Röh«
ren enthält, vollkommen standfest sej während der gan-
zen Dauer des Versuchs; denn die relatiye Verschiebung
der Stücke, welche derselbe enthält, um die Reflexions-
Ebene und den Hauptschnitt des zerlegenden Prisma in die
verschiedenen respectiven Lagen zu versetzen, bewirken iu
dem durchgehenden Lichte Verdoppelungen der Bilder,
welche von der eingeschalteten Wassermasse hervorgebracht
erscheinen könnten, während sie in Wirklichkeit blofs von
den Störungen des Apparats herrührten. Diese letzte Be-
dingung der absoluten Festigkeit würde nicht zu erreichen
sejn bei der gewöhnlichen Construction , wo das reflecti-
rende Glas und das zerlegende Prisma von Metallstiften
getragen werden, die gesondert in einer und derselben
Holztafel stecken. Denn da diese Verknüpfung verschie-
denartiger Substanzen bei Aenderungen der Temperatur
und des Feochtigkeitszustandes der Luft ungleiche Ein-
wirkungen erleidet, so ist man oft genöthigt, das Zusam-
menfallen der Polarisationsebene mit dem Hanptschnitt des
Prisma zu berichtigen, und wenn man diese Vorsicht ver»
nachlässigt, so ist man durch die Verrückung des Null-
punktes des Apparats sehr faeträchllichen Fehlem ausge-
setzt, zuweilen schon von einem Tag zum andern, und um
so mehr bei Versuchen von sehr langer Dauer. Dieser
Uebelstand ist nicht mehr vorhanden bei einem ganz me-
tallenen Apparat, den Hr. Bianchi im vorigen Jahr für
mich verfertigt hat, und ich Jiebeu dem alten in einem Zim-
572
mer des College de France aufgestellt habe. Deun da alle
Theile, welche eioander entsprechen müssen, fest an einem
starken Metallstab augebracht sind, so bleiben ihre relati-
ven Lagen, einmal geregelt, vom Wiuter in den Sommer
und umgekehrt vollkommen unverrtickt, selbst bei anhal-
tender Prüfung mit einer doppeltdreheuden Platte von der
empBndlichsten Construction ' )•
Mit diesem vervollkommneten Apparat habe ich den Ver-
such angestellt, von dem ich jetzt die Academie unterhal-
ten will, und ich glaube nicht, dafs er, mit hinreichender
Sicherheit, anders anzustellen sej. Die übrigen Bedingun-
gen, deren Nothwendigkeit ich bezeichnet habe, waren er-
füllt, wie ich sogleicli angeben werde.
Das Beobachtungsrohr hat 502 Mllm. LSnge und 37 Mllm.
inneren Durchmesser. Es fafst also 536 Cubikcentimeter,
wodurch die dasselbe füllende Wassermenge grofs genug
wird, um von Temperatur- Veränderungen nur laugsam er-
griffen zu werden. Es ist inwendig ganz versilbert, so dafs
das Wasser darin beliebig laug verweilen kann, ohne im
Geringsten von Oxydation beschmutzt zu werden. Die
mittlere Temperatur dieses Wassers wird in jedem Augen-
blick durch ein Thermometer angegeben, dessen cjlindri-
schcr Bebälter gleiche Länge wie die Röhre besitzt, und
dessen herausragender Stiel rechtwinklig gebogen ist, da-
mit der Beobachter die mit Diamaut aufgetragenen Cente-
simalgrade leicht sehen könne. Der in der Röhre steckende
Behälter geht durch ein kreisrundes Loch /(Fig. 11 Taf. IV)
in der metallenen Fassung auf Seite des Auges, und wird
inwendig gehalten durch ein kleines Silberrohr TT von
gleichem oder wenig gröfserem Durchmesser als der seine.
J) Diese Platte, von Hrn. Solei 1 constrairt, ist 3,745 Mllm. dick. DieTs
ist (las erste Glied der Reihe von aeqoidistanten Dicken, vrelcke diesen
Systemen von eotgegengesetEten Drehungen sukomnit, um die Uebcr-
gangsfarbe hervorzubringen, und dieses erste ist weit empfindlicher als
* alle folgenden. Für das weitere Detail sehe man die Analyse ihrer op-
tischen Eigenschaften in dem Compi. rend, de tAcad, (7. XXL p. 452)
und in meiner Abhandlung über die lichtdrehenden EigenschaAen des
Bergkrystalls {M^m. de VAcad. 7*. XX, p. 423).
573
Wenn er eingesteckt ist, verschliefst man das Loch darch
einen zweckinäfsigen Kitt. Dieselbe Fassung hat ein zwei-
tes Loch j, woran auswendig ein kleines Silberrohr it an-
gebracht ist. Darin befindet sich eingekittet ein rechtwink-
lig gebogenes Glasrohr, das sich oben zu einein Gefäfse
VV erweitert und durch einen Stöpsel B verschlossen ist.
Dieses Rohr ist bestimmt, den Uebcrschufs des Wassers
aufzunehmen, wenn es sich ausdehnt, und das Fehlende zu
ergänzen, wenn es sich zusammenzieht. So vorgerichtet
wird die Metallröhre in die gleichfalls metallene Rinne ge-
legt, die in Richtung des durchgehenden Lichtstrahls, im
Polarisationsapparat befestigtest, und eine solche Conve-
xität hat, dafs dieser Strahl längs ihrer Axe selbst durch
die Röhre geht, wenn sie hineingelegt ist. Nur habe ich
zu bemerken, dafs, beim Experimentiren, das Ausflufsgc-
fäfs und der Thermometerstiel nicht in Einer Verticalebene
liegen, wie in der Figur angegeben ist, um sie gesondert
zu zeigen, sondern dafs sie von der Gesichtslinie RO ab-
weichen, das erstere rechts, der andere links vom Beob-
achter, so dafs die Linie li, welche die beiden Durch-
schnittspunkte enthält, horizontal ist, wodurch die Licht-
strahlen ungehindert durch das Centrum der Endgläser GG
gehen. Der Nullpunkt des Polarisationsapparats ist zuvor
geregelt durch eine doppeltdrehende Platte, welche wäh-
rend des ganzen Versuchs in der Bahn des Lichtstrahls be-
festigt bleibt; und wenn man sonach die Beobachtung be-
ginnt bei einer beträchtlich höheren Temperatur als der,
bei welcher man die Effecte speciell studiren will, z. B.
bei 11 oder 12" C, so erkennt man, dafs dabei die ein-
geschaltete Wassermasse die Polarisationsebene der durch«
gelassenen Strahlen nicht wahrnehmbar ablenkt. Kaum habe
ich nöthig zu sagen, dafs der Nullpunkt des Thermome-
ters nicht vor, sondern nach dem es gekrümmt worden, be-
stimmt werden mufs, und dafs, wegen seiner ungewöhnli-
chen Form, diese Bestimmung lange nach seiner Anferti-
gung, oder besser noch, sogleich wie man sich desselben
bedient, vorgenommen werden mufs.
574
Der mit allen 80 eben beschriebeneu Vorsichtsinafsregeln
angestellte Versuch wurde am 16. Oct. 1849 bei 11^5
Tempcralur des Innern Wassers begonnen und bis zum
19 Febr. dieses Jahres forlgesetzt. An jenem ersten Tage
ivurde das mit Wasser gefüllte Bohr an dem in einem
schwarzen Kasten (cabinet noir) stehenden Polarisations-
Apparat befestigt und blieb so die ganze Zeit hindurch un-
verrückt. Der Kasten selbst stand gegen Mittag in einem
kleinen von Niemand betretenen Zimmer, dessen Fenster
Tag und Nacht offen blieb. Ich selbst trat nur ein, um
das Thermometer und den Zustand des durchgelassenen
Lichtes mittelst der doppeltdrehenden Platte zu beobachten.
Diefs geschah au jedem Tage zu bestimmten Stunden, und
auch mehrmals an einem selben Tage, wann die Tempera-
tur des Wassers sich den kritischen Punkten näherte, bei
denen man besonders die Polarisations- Effecte studiren
sollte. Am Schlufse dieser Note werde ich die Zahlen-
werthe aller meiner Beobachtungen geben, hier will ich
nur die Besultate anführen.
Die während dieses ganzen Winters nur beschränkten
und durch die Umstände, unter welchen ich operirte, noch
verminderten Veränderungen der Lufttemperatur bewirkten,
dafs sich der thermometrische Zustand der in der Röhre
enthaltenen Wassermasse nur äufserst langsam änderte und
sich besonders sehr lange innerhalb der Gränzen hielt, wo
ich ein näheres Interesse hatte, denselben zu verfolgen.
So z. B. schwankte die Temperatur dieser Masse vom 23. No-
vember bis zum l. Februar zwischen -|-6",3 und — 2°,2.
Bei dieser letzten Temperatur, die am 23. Jan. eintrat, sah
ich eine fast gleiche Wassermasse, die ich, mit einem Ther-
mometer darin, in einer offenen Eprouvette auf den Tisch
des Apparates gestellt hatte, plötzlich zu einer festen Eis-
masse gestehen, als sie leicht erschüttert wurde. Allein
da ich sehr darauf achtete, weder meiner Bohre noch dem
sie tragenden Apparat die leiseste Bewegung mitzulheiien, so
hielt sich das Wasser bei — 2'',3 flüssig, wodurch eine der
Bedingungen, die ich am meisten zu verwirklichen wünschte,
575
eritillt wurde. Alleio weddr an diesem Tage, noch an ei-*
nem der andern, ^n welchen die Temperatur sich so oift
in der Nähe der beiden krisUschen Punkte +4" and 0®
erhielt, zeigte die doppeltbrechende Platte irgend eine Spar
▼on polarisirender Wirkung auf das durchgehende Licht.
Nach der Länge der Zeit, während welcher ich diese Ef-
fecte verfolgte, so wie nach allen Vorsichtsmafsregeln, die
ich getroffen, um sie, wenn sie entständen, sichtbar zu
machen, glaube ich zu dem Schlüsse berechtigt zu scyn,
dafs das destillirte Wasser weder in der Nähe seines Con-
tractionsmaximums noch bei seinem Erstarrungspunkt irgend
eine wahrnehmbare Wirkung auf das polarisirende Licht
ausübt.
(Wegen dieses negativen Resultats glauben wir auch die
nun vom Hrn. Verf. mitgetheilten Zahlenwerthe fortlassen
zu dürfen). P.
IX. Entgegnung auf die Bemerkung des
Hrn. Miefs; von K. VF. Knochenhauer.
Wenn meine Ansichten über die Elektricität bei ander»
Physikern keine Anerkennung finden, so kann ich das wohl
bedauern, ohne mich jedoch weiter darüber zu beklagen,
wenn aber der abweichenden Ansichten wegen die von mir
angestellten Versuche verdächtigt werden, als wären sie
verwickelt und willkührlich gedeutet, so glaube ich es der
Wahrheit schuldig zu seyn, mich dagegen auszusprechen«
Die Versuche, die Hr. Riefs Bd. 80, S. 351, S. 353
am Ende und S. 357 anführt, sind genau in derselben Zch
sammensetzung des Apparats angestellt worden, wie ich
dergleichen Bd. 7^, S. 354 mitgetbeilt habe. Lasse ich also
aus meinen Fortnein sämmtliche kleine Correctionen fort
und übersehe die Ungleichheit der Flaschen^ so müssen sieb
576
nach ihnen die von Hrn. Riefs S. 257 beobachteten Er-
wärinungcn wie 1:2:3:4 verhalten, sofern der Wider-
stand in der Kette derselbe geblieben ist. Da sich aber
nach den Beobachtungen selbst, verglichen mit S. 353, die
Schlagweitcn von 0,8 bis 5,0 Linien änderten, so stieg der
Widerstand (vergl. Bd. 79, S. 365 mit Bd. 78, S. 52) vou
1,06: 1,16:1,34 = 1,60 und die Erwärmungen können sich
nur wie l : 1,86 : 2,36 : 2,65 verhalten, woför Hr. Riefs 1:
1,7 : 2,0 : 2,9 beobachtet hat. Die Differenzen mögen theils
in der «Ungleichheit der Flaschen liegen, theils in der Be>
Stimmung des Luftwiderstandes, tiber den ich im vorliegen-
den Falle nach Bd. 79, S. 365 noch kein ganz sicheres Ur-
thcil habe, jedenfalls sind sie der Art, dafs ich meine Beob-
achtungen den neuen des Hrn. Riefs ohne Bedenken ge-
genöbersetze.
' Ferner giebt Hr. Riefs S. 353 die Schlagweiten (bis
auf -r*ffl^*"*cn) zu 0,4 — 1,0 — 1,7 — 2,55 Linien an, för
die ich die Spannungs- Differenzen 11,25 bis 13,25 (wogen
der Vn Linie.) — 23,25 bis 25,25 — 37,25 bis 39,25 — 54,25
bis 56,25 X berechne; sie sollen nach meiner Formel im Ver-
hältnifs von 1:2:3:4 stehen, geben mir also wiederum
mit Röcksicht auf die genauere Weise, wie ich meine Ver-
suche angestellt zu haben glaube, keinen hinreichenden
Grund, die von mir aufgestellte Formel zurückzuziehen.
Endlich führt Hr. Riefs folgende zwei Reihen von beob-
achteten Erwärmungen an: 24,9—18,2 — 17,1—16,3 und
24,0 — 18,2 — 16,5 — 15,7, deren gegenseitiges Verhältnifs
nach meiner Formel, wenn die einzelnen Flaschen einander
gleich sind, 2:14^:14:14 oder 24:18:16:15 ist; da hier
der Widerstand der Luft der Reihe nach etwas geringer
wird und demnach die letzten beobachteten Zahlen im Ver-
gleich zu den ersten gröfser ausfallen müssen, so finde ich
abermals keinen Grund, die von mir zur Aufstellung der
Formel benutzten Beobachtungen zu verwerfen. Ich weifs
überhaupt nicht, warum Hr. Riefs nicht'lieber unumwun-
den sagt, dafs ich aus gleichen Beobachtungen vou ihm
abweichende Resultate ziehe, einmal weil ich in der vom
Fun-
577
Funken darchbrochenen Luftschicht einen Widerstand an-
nehme, denn weil ich die Spannungs- Differenzen nicht,
wie er, der Distanz der Kugeln am Funkenmesser propcH*-
tional ansetze? Sollen denn die Beobachtungen bfifsen,
.was die Berechnung verschuldet? ')
X. Veber den Leuchtenbergit;
von August Breithaupt.
xxUe mir bis jetzt zu Gesicht gekommenen Abänderungen
des Leuchtenbergits ^ sind nicht im ursprünglich frischen,
sondern im weniger oder mehr verwitterten Zustande. Diefs
geht besonders aus dem Umstairde hervor, dafs, wenn man
die Lamellen zerbricht, auf dem dichten Bruche nicht der
geringste Glanz mehr wahrzunehmen ist, während solcher
bei allen frischen Mineralien aus der Ordnung der Glim-
mer, welche in den dünnen Lamelle überhaupt nur mehr
zerrissen als zerbrochen werden können, deutlich existirt
Die Stücke der Freiberger Sammlung zeigen unverkennbar
verschiedene Grade des Verwittertsejns, und solche Grade
dürften auch durch die chemischen Analysen bestätigt sejn,
denn indem Hr. Komon^n den Wassergehalt 8,62 Proc.
fand, giebt Hr. Hermann denselben zu 12,5 Proc." an.
Dessenungeachtet bleibt es sehr wahrscheinlich, dafs ein
frischer Leuchtenbergit existire und dafs solcher ein selbst-
ständiges Mineral sej.
Von dem Ripidolith von Schwarzenstein in Tjrol will
ich noch anführen, dafs hier ein Exemplar existirt, welches,
mit Beibehaltung der Kristallisation, in eineil serpeiOim'
ähnlichen Körper umgewandelt ist, während der Pjroxen,
welcher jenem als Unterlage dient, ganz frisch gebliebep.
1) Hr.^ßiefs haft nidit die Richtigkeit der Messungen bestrilten, sondehi
nur ausgesprochen, dafs die Aufgabe, um die es sich handelte, eine an-
bestimmte sey. * P,
Poggendorfi*s AnnaL Bd. hXXX. 37
578
XI. Ueber Höhenhesiimmungen durch den Sied-
punkt des VFassers,
Xlr. Wisse hat in der Provinz Quito über den Sied-
punkt des Wassers in Verschiedenen Höhen, verglichen mit
dem Barometerstände, eine beträchtliche Reihe von Beob-
achtungen gemacht, die in den AnnaL de chim. et de phys.
Ser. IIL T. XXVIII. p. 118 ausführlich milgelheilt werden.
Sie sind mit grofser Sorgfalt augestellt und die dazu ver-
wandten Thermometer waren vorher im Laboratorium des
College de France aufs strengste berichtigt. Es ist also in-
feressant, sagt Hr. Regnault (/6. p. 123) diese Beob-
achtungen zu Tergleichen mit den Zahlen der frGher von
mir gegebenen Tafel, die tius directen Versuchen über die
Spannkraft des Wassers hergeleitet ist ^ ). Ich habe die-
sen Vergleich mit einigen, aufs Gerathewohl aus Hr. Wis-
se's Beobachtungen genommenen Zahlen ausgeführt und
gebe ihn in folgender Tafel. Die Uebereinstimmung ist
so ▼ollkominen als man es nur wünschen kann, zumal HV.
Wisse mit meiner Tafel nicht bekannt ist').
■'■'
Barome-
ter, beob-
achtet von
Hrn.W.
Spann-
Zeil.
*
Ort.
•
Siedpunkt
kraft, be-
rerhnet
nach der
Tafel.
unter-
schied.
0
mm
mm
mm
1817 Fcbr.?8
Gaayaquil
99,70
752,10
751,87
-+-0,23
1845 Apr. 12
Ghorrerita
97,96
706,86
706.24
-+-0,62
1845 Apr: 11
Penita
97,69
698.50
699.36
— 0;86
1847 Aug. 3
Mi'ndo
95,93
656,26
655,85
-+-0,41
1817 Aag. 21
Mindo
98,00
657,10
657.54
— 0,14
1845 März 31
I barra
92,96
587,14
587,53
— 0,39
1848 Apr. 20
Quito
90,95
545,15
544,75
-#-0,40
1849 Mai 26
Quito
90,91
544,18
543,93
-+-0,26
1849 Mai 16
EI. Corral
88,53
496,87
496,72
-#-0.15
1845 Jan. 15
Pichincha
85,16
4^5,81
435,78
-+-0,03
1849 Mai 15
dito Gipfel
84,83
430,29
430,15
-+-0,14
1 ) ^nnal de Mm. et de phjs, Ser, II i. T. Xir. p, 206.
^) Wie es scheint ist indje(s bei diesem Vergleich die Berichtigung wegen
^er Schwere unterlassen, obwohl sie lur einen Breiten - Unterschied wie
der zwisclien Paris und dem Aeqnatoroiicht ganz unbeträchtlich ist. P.
V >:
579
XIL Notizei\ über Höhenmessungen mit dem
Barometer; i^öm Academiker Kupffer.
(Aas dem BulUtin de la C lasse phjrs, math, de Vacad, de Su
Petersb, T, rUL)
JAegnauIt hat durch seine Untersuchungen über den
Druck des Wasserdampfs der Methode, die Höben der Berge
durch den Kochpunkt zu bestimmen, eine solche Sicher-
heit gegeben, dafs wohl bald der transportable Kochpunkt-
apparat das zerbrechliche Barometer auf allen fteisen ver-
drängen wird, wo man nicht anders als zu Pferde fortr
kommen kann. Es wird deshalb gewifs Manchem willkommen
sejrn, hier eine Formel ^n finden, nach welcher solche Beob-
achtungen mit grofser Leichtigkeit berechnet werden können.
Die Höhenunterschiede verhalten sich wie die Unter-
schiede der Logarithmen der Barometerhöhen. Dasselbe
Verhältnifs hat nahezu auch zwischen den Temperatur -Un-
terschieden und den Druckhöhen des Wasserdampfes statt;
die Höhenunterschiede müssen sich aber nahezu wie die
Temperatur- Unterschiede verhalten.
Es sej f die Temperatur, in Centesimalgraden ausgedrückt,
aber nicht von 0^ hinauf, sondern von 100° hinab gezählt,
und z die Höhe des Standpunkts über demjenigen Punkt,
wo der Kochpunkt des Wassers 100^ ist, oder wp die
Barometerhöhe auf 0° reducirt, = 760 Millm. ist, so hat
man ziemlich nahe, wenn die Höhe nicht 150 Meter über-
steigt
i5 = 300 t.
Dabei ist die mittlere Temperatur der Luft zu 9'\3 an«
genommen, die Barometerhöhen aber sind auf 0" reducirt
worden. Folgende Tafel zeigt die Uebereinstimmung der
empirischen Formel mit der genauen:
37*
">
580
#.
Höhe in Metern
nach approp.
Fonwl.
genau be-
redinet.
t.
Höhe in Metern
nach approp.
Formel.
genau be-
rechnet.
1
2
3
300
600
900
295
594
894
4
5
1200
1500
1196
1500
Da, wo der mittlere Barometerstand am Meere 760**
beträgt, sind die berechneten Zahlen die Höhe über der
MeeresflSche; wo das nicht der Fall ist, mufs man zu jeder
berechneten Höhe eine constante Gröfse hinzufügen , un-
geKhr 10 Meter ffir jedes Millimeter, um welches der mitt-
lere Barometerstand gröfser ist als 760 Millm.
Nach der obigen Formel ist es leicht, das Thermome-
ter so zu theilen, dafs es unmittelbar die Höhe des Stand-
punktes über der Meeresfläche angiebt.
Kohleneyllnder nach Bunsen das StÖclc für 5, 7}, 10, 12i
und 15 Sgr. und dazu gehörige Tlionsellen (ur } hn 2 Sgr. werden von
unterzeichneter Handlung fäbrikmaiaig angefertigt und geliefert, eben ao sehr
billig volUtSndige Kohlensankbatterien Sltcrer und neuerer G>nstruction und
überhaupt alle einschlagigen Apparate laut vorhandener Preiscourante. Auch
werden Kohiencjriinder und ThonztUen von ungewöhnlicher Grofse und
Form auf Bestellung angefertigt, und su wissenschaftlichen Arbeiten wie
«um Betrieb galvanischer Telegraphen u. s. w. empfohlen.
Die Handlung mit chemischen, phjailcalischen und
pharmaceutischen Apparaten
von
Eduard Gref«ler su Erfurt.
Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grunstr. 18.
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