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Full text of "Annalen der Physik und Chemie"

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ANNALEN 


DER 


PHYSIK  UND  CHEMIE. 


BAND    LXXX. 


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ANNALBN 


DER 


PHYSIK 


UND 


CHEMIE. 


HERAUSGEGEBEN     ZU     BERLIN 


VON 


J.  C.  POGGENDORFF. 


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ACHTZIGSTER  BAND. 

•        »        -.  »-       .         • 

DER    GAirZBK   FOLGE   HUKOERT-  SECHS    VHD    FÜNFZIGSTER. 


NEBST    SECHS    KÜPFERT AFKLN. 


LEIPZIG,  1850. 

TKBIiAfi    TOH    JOBAKH    AHBR08I08  BABTB. 


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ANNALEN 


DER 


PHYSIK 


UND 


CHEMIE. 


DRITTE   REIHE. 


HERAUSGEGEBEN     ZU     BERLIN 


VON 


J.  C.  POGGENDORFF. 


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ZWANZIG  S  TER-  B-A-N  ü 


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HEBST    SECHS    KUPFEHTAFELH. 


LEIPZIG,  1850. 

TBBLA6    TOR    JOHAHN    AMBSOSIÜS    BABTH. 


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•  <i>  V  • 


Inhalt 

des  Bandes  LXXX  der  Anualen  der  Physik  und  Chemie. 


Erstes  Stfick. 

Seile 
I.  Ueber  die  Bewegong  der  Fluasigkeiten;  von  G.  Magnat.  •  •  •  1 
n.   Ueber  die  Harte  der  MuMnilic!|£liiid'*eyi4ieao9'YeriEkiur6B^  dieselbe 

za  messen;  von  R.  Frans.   .     a.^«.    •••. •     .     •     «      37 

111.   Ueber  die  Ansdebnnng  des  QuedksiriK(f<-di]Xi;b^e->Warme;  ron 

EL  Militser. ^    .^t.." :  «.-f  \  :,*   %•'...•      55 

ly.  Ueber  die  quantitative  BestimmoDg  der  unorganiscben  Bestand- 

theile  in  den  organiscben  Substanzen;  von  H.  Rose 94 

V.  Ueber  das  Vorkommen  der  Bemsteinsaure  im  menscblicben  Kör- 
per; von  W.  Heints 114 

VI.  Ueber  die  Pseudomorpbosen  des  Glimmers  nach  Feldspath  und 
die  regelmSisige  Verwaclisang  des  Feldspaths  mit  Älbit;  von  G. 
Rose. .     121 


/ 


VI 


Vn«   UotcrtocliiiDg  der  spedfiscbco  Eiginiacliafiai  der  beiden  Siarcn, 

tm§  deneo  die  TninbensSiire  besteht;  ron  L.  Pastear*  •    •    •    .     127 

VIIL   Dritte  Notiz  aber  neae,  tondcrbare  Anwendangcn  des  VerwcS- 

leos  der  Eindrfide  auf  die  Netxhanft;  ron  J.  Plateaa 150 

IX.  UotertnchuDg  ober  die  Fortpflanznngsgesd&wuidifkeit  der  Elck- 
tricitfit;  ▼on  H.  Ficeau  and  £.  Goanelle. 158 

X.  Ueber  die  Geschwindigkeit  des  elektrischen  Stroms  in  einer  me- 
lallischeo  Leitung;  von  O.  M.  Mitcbel 161 

XI.  Ueber  thermor  elektrische  Erscheinangen  an  gleichartigen  Meul- 
len;  von  F.  G.  Henrici 167 

Xn.   Ueber  die  thermiMhen  Eigenschaft«  des  Turmalins;  Ton  EL  de 

Senarmont 175 

XIII.  Kr&ftige  Suhloiagaele  to»  W.  M.  Logeman.       .....    I7i  • 

(Oeichlouen  am  12.  Juni  1850.) 


Zweites  Stück« 


I.     Ueber  die  phvsikalisc^D  Eigeasehaften  iea  Eises  und  det«»  Zn* 

•  •  «••  ,•.  •    •    •    •    •••••. 

samnenhajic  W<*^^*v'v<*<^99JHhstdi£;bhänoniencn  der  Gletscher; 

•  •••*•*    •        •    •     ..tt*. 


«     b 


177 


von  H.  SchlaffkQt^eit« ^•^».     ..... 

II.  Ueber  den  eldtfrilab^^lladtknjj^ron  m  einem  dauernd  unter- 
brochencn  Sc<^je*ftwig?bo^CEjrybÄ  R  Ricfs.      .......     214 

III.  Ab&nderung  derVaplace^schedBirometerfonnel;  vonB^binet.    224 

IV.  Berichtigung  der  von  Rudberg  berechneten  Azenwinkel  der  awci- 
axigen  KrysuUe;  von  £•  Wilde. 225 

y«    Ueber  nothwendig    scheinende  Ergänzungen    der  Beobachtungen 

über  die.  Bcidentemperatur  in  Sibirien;  von  Baer,     .     .     ^    .    ..    242 

VI.  üeb<?r  einige  fjgeQ4i;ha£ien  der  Bocsliure  und  die  quantitative  Be- 
stimmung derselben;  von  H.  Rose. 262 


vn 

Seite 


VII.    UmcnwiniC  nmi^nSkmivkm  MiBenli«  (Kcanlk«  Ortkk,  ' 

«chwanes  KuffermyJ);  iroo  C  BanmeUkcr^ 284 

YIIL  Viert»  Noiis  tter  mmm^  — icitwri  ABiiiiiiwif  ^  ¥crv«|. 

kos  der  EindrfidMMf  dSeNcteknü;  voo  J.  PUlca«.  .    ...  287 

IX.  Uebcr  cSb  mim  PolMiAef;  mi  HL  4«  SeaanoBt.  •  .  .  2» 
X.-   BemerbuifeB  fiber  die   Toloaie  nad  &  "Dtthti^jktatem  fliaffer 

und  fMiScr  K6fpcr|  «oa  J.  A.  Gr«skaas. •    •  298 

XL    Ueber  die  Extreme  der  Kalte,  vckW  ia  Jake  1858  »^  dca 

preoiaicbett  Statianfii  beafcaclitct  Wttdca;  «la  HL  W.  D«Te.      •  3fB 

XIL    Ueber  die  Hacdhadag;  i«a  J.  L<w«. 80» 

Xm.    Ueber  deo  TalkapMb;  tob  A.  Breitbaapl. 818 

XIV.  Ueber  d«  A^iria;  mi  Bemselbea. ^.    .  314 

XV.  Der  FardinandibninneB  an  Maneabad. 317 

(«^teftlMM  mm6.JmB  1880.) 

€  - 

Drittes  Stfick. 

I.     Ueber  das  EmdriiigeB  des  Elcktromagnetismas  in  weicbes  Eiseo 

imd  ober  den  Siltifiiogspiiiikt  desselben;  von  O.  ▼.  Feilitssch.  321 
n.    Ueber  8lAitbjl,  eia  acaea  antiBOidttttlset  ürguadRs:  Badical; 

▼on'C  LSwif  and  S.  Scbwaia«r..    ^«  »••   •* 338 

m.  Ueber  die  briadug  der  Ff«AleMieftiB!^a«nc;  «OB  T.  Hiefs.  349 
IV«   Bescbrobnag  des  seil  1848  nr  Safik'&iwt  «i%estclllen  Rccca- 

nnd  WiadaieMert;  eeastnürt  tob  Lcgcler. 364 

y.    Ueber  die  Leitkraft  der  Eide  für  Elektricitit;  tob  A.  BavB- 

gartner« 374 

VL   Wckera  Vanso^  über  dea  elebrischcn  LeManfswiderstand  der' 

Erde;  ram  DeBselben.   ..••.•.. 381 

VIL    Eaarsit,  ein  aeoes  Mineral  a»  der  Ordnnng  der  Gianse;  wi 

A.  Breitbanipt  oBd  G.  F.  Plattner. .    383 


vm 

Seit 
YIII.    Camunspalhy  ein  neiiet  IGneral  am  der  Ordmuif  der  An^ 
niate;  tod  F.  Sandbcrger.       •     .     .     • ^991 

IX.  Uotemidniiif  ctnigcr  Minenlicn  (Dechenit,  Gdbbleicn  md  ar- 
•CDikMiires  Blei  tob  Asulaqnct);  roa  C.  Ber^CBaiiii.       .     •     •     ddi 

X.  Ucbcr  die  Anweodim^  der  KieseUlaarwMMrstofiiare  bei  qvMMi« 
tatWcn  Analysen;  von  H.  Rote.      , •    •    401 

XI.  Uebcr  die  Uahalil»ailceit  der  bisliengcn  Tlieorie  der  Newion'- 
adien  FarbcBrtnge;  Von  E.  Wilde. 401 

Xu.    Ueber  StenüdmappcBbeobaclitnngen;  tob  J.  F.  J.  ScbmidL  42S 

XlII;    VeHbeiMrteDantcUangswciaedcrJ'nmarsSare;  Ton  W.Belfft.  438 

XIV.  Leichte  Dantdlnng  des  Hellenins;'  Ton  Demselben.      •     •     .  44C 

XV.  Analyse  Terscluedener  Kohleneisensteine  ans  der  Sfeinköhlei^b  ■ 
lagemng  an  der  Rnbr;  von  SchnabeL  ••••••Ik.«  441 

XVI.  Ueber  das  Binocnlarsehen  prisaaatisdier  Farben  und  eine  nene 
stereoskopische  Methode  ron  H.  W.  Dore «•  •     .  446 

(Gticklouen  am  27.  Juii  1850. X 


/ 


Viertes  Stfick. 

I.  Ueber  die*2ilMfl3mfcn|etsnB|92^des  XarlkMlinsy  Tcrglicfaen  mit  derjö- 
nigen  des  Glinvarrs  nnd^Cfldspaihs,  nnd  ober  die  Ursache  der 
Isomorphie  nngleidilrti^cVCrlmi^&mgcn;  von  G.  RammeUber^    441 

II.  Ansidiende  VVirkdng*dei;jää6roiidacncle;  roh  J.  Dnk         .     .     49>4 
ni.    Ueber  die  Thatigkcit  der  meteorologiscfaen  Stationen  in  Gcor^iien.. 

Ans  einem  Briefe  an  den  Forsten  Wöronaow  nnd  ins  Briefim 

an  HBL  L.  ▼•  Bach  nnd  A.  v.  Hnmboldt;  von  H.  Abich.    •    52C 

IV.  Ueber  die  quantitative  Bestimiiinng  der  Oxalsäure  nnd  fiber  die 
Trennung  derselben  von  der  Phosphorsaure;  Ton  H.  Rose.     •     .    &4S 

V.  Ueber  die  Oberflfichen-  nnd  Körper&rben  des  AndorsonitSy  einer 

'     Verbindung  Ton  Jod  und  G>dein;  von  W.  Haidinger.    •     .     .    &52 


Seite 
VI.    Ueber   die    Aufldsmig   flussiger    Cylinder   in    Tropfen;    ron  G. 

Hagen 559 

YII.    Ueber   die   Gränze  der  Stabilität  eines  flüssigen  Gjflinders;  von 

J.  Platean. 566 

YIII.    Versuche,   um   zu   erfahren,   ob   das  Wasser  beim  Maximum 

seiner  Dichte  oder  nahe  bei  seinem  Gefrierpunkt  eine  Wirkung  auf 

polarisirtes  Licht  ausübe;  von  Biot 570 

IX.  Entgegnung  auf  die  Bemerkung  des  Hrn.  Riefs;   von  K.  W. 
Knochenhauer. 575 

X.  Ueber  den  Leuchtenbergit ;  von  A.  Breithaupt. 577 

XL    Ueber  Höhenbestimmuogen   durch  den  Siedponkt  des  Wassers; 

von  V.  Regnault 578 

XIL   Notiz  über  Höhenraessnngen  mit  dem  Barometer;   von  Kup  ff  er.     579 

Anzeige 580 

(Getchloaen  am  29.  September  1850.) 


Nachweis  zu  den  Kupfertafeln. 


Taf.  I.  —  Magnus,  Flg.  1  und  2,  S.  3;  FJg  3,  S.  4;  Fig,  4.  S.  6;  Flg.  5, 
S.  7;  Flg.  6  und  7i  S.  8;  Flg.  8,  S.  9;  Fig.  9,  S.  11;  Fig.  10,  S.  14; 
Flg.  II,  S.  20;  Flg.  12,  S.  22;  Fig.  13,  S.  32;  FJg.  14,  S.  34. 

Taf.  IL  —  Franz,  Fig.  1,  S.  38;  Fig.  2,  S.  39;  Fig.  3  und  4,  S.  54; 
Flg.  5,  S.  55.  —  Pasteur,  FJg.  6  und  7,  S.  129;  Fig.  8,  S.  132;  Fig.  9, 
S.  136;  Flg.  10  nnd  11,  S.  143;  Flg.  12  und  13,  S.  144;  Flg.  14  und 
15,  S.  146.  —  Hcnricl,  Flg.  16,  S,  168;  Flg.  17,  S.  169;  Flg.  1«, 
S.  170.  —  Senarmont,  Flg.  19,  S.  293.  ~  Plateau,  Flg.  20,  S.  288, 
Flg.  21,  S.  289. 

Taf.  IIL  —  H.  Schlagintwelty  S.  177^214.  Erläuterungen  auf  der 
Tafel  selbst. 

Taf.  IV.  —  Wilde,  Flg.  1,  S.  226;  Flg.  2,  S.  229;  Fig.  3,  S.  234;  Flg. 4, 
S.  417.  —  Rlefs,  Flg.  5,  S.  351;  Flg.  6  und  7  S.  357;  —  Lfsgeler, 
Flg.  8  und  9,  S.  364;  Flg.  10,  S.  368.  —  Blot,  Flg.  11,  S.  572.  - 
Duhamel,  Flg.  12  —  16  (Zu  einem  im  nächsten  Bande  erscheinenden 
Aufsatz).  —  Haidlnger,  Flg.  17,  S.  554;  Flg.  18,  S.  556;  Flg.  19, 
S.  557. 

Taf.  V.  —  V.  Fellltzsch  Flg.  1,  S.327.  —  Dub,  Fig.  2,  S.  495. 

Taf.  VI.  —  Ab  ich,  S.521. 


Berichtigungen. 


Zum  Aufsatz  von  Henri ci,  Heft  V. 
S.  167  Zelle     9  v.  n.  »und«  soll  helfsen  »um« 
S.  168  Zelle  14  v.  o.  »und«  soll  helfsen  »um« 
S.  169  Zelle     6  v.  u.  »den«  mufs  wegfallen 

S.  170  Zeile  22  v.  o.  »Unregelmäfslgkelt«  s.  h.  »Ungleichmälslgkeit« 
S.  172  Zelle     7  v.  u.  »zerstört«  soll  helfsen  »gestört«. 

Zum  Aufsatz  von  Dub,  Heft  VIII. 
S.  495  ist  der  Hinweis  auf  die  Abblldang  des  Apparats,  Fig.  5.  Taf.  Y. 
vergessen. 


1850.  A  N  N  A  L  E  N  JTo.  5. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

BAND  LXXX. 


I.     Vebcr  die  Bewegung  der  Flüssigkeiten ; 

von  G.  Magnus^). 


1.  Wietvohl  das  Gebiet  der  Physik  durch  die  expe- 
rimentellen Untersuchungen,  welche  von  den  verschiedensten 
Seiten  unternommen  werden,  sich  tHglich  erweitert,  so  ist 
doch  das,  was  wir  bis  jetzt  von  der  Bewegung  der  FlGs- 
sigkeiten  wissen,  noch  sehr  mangelhaft  und  es  fehlt  fast 
ganz  an  Untersuchungen,  die  dazu  dienen  könnten,  unsere 
Kenntnifs  von  diesen  Erscheinungen  zu  erweitem.  Offen- 
bar hat  diefs  seinen  Grund  nicht  darin,  dafs  es  an  Interesse 
für  dieselben  fehlt,  denn  was  kann  interessanter  seyn,  als 
die  Gesetze  der  Bewegung  von  einer  Substanz  kennen  zu 
lernen,  die  wie  das  Wasser  uns  täglich  umgiebt,  sondern 
die  Schwierigkeiten,  welche  bei  diesen  Untersuchungen  tiber- 
wunden werden  müssen,  lassen  kein  günstiges  Resultat  er- 
warten. Diese  Schwierigkeiten  liegen  theils  in  der  Gröfse 
der  erforderlichen  Apparate  und  der  Unannehmlichkeit  mit 
grofsen  Flüssigkeitsmassen  zu  operiren,  vorzüglich  aber  in 
dem  gänzlichen  Mangel  der  Methode  um  dergleichen  Beob- 
achtungen anzustellen  oder  gar  Messungen  auszuführen.  Viel- 
leicht dürften  solche  Rücksichten  den  folgenden  Versuchen 
eine  günstigere  Beurtheilung  verschaffen. 

2.  So  viel  ich  weifs  war  Venturi  der  Erste,  welcher 
behauptet  hat,  dafs  bei  der  Bewegung  von  Flüssigkeiten 
eine  seitliche  Mittheilung  dieser  Bewegung  stattfindet,  we- 
nigstens ist  er  als  derjenige  zu  betrachten,  der  sich  bemühte 
durch  Versuche  diese  Ansicht  zu  begründen,  die  seitdem 
vielfach  Eingang  gefunden  hat.    Zwei  Versuche  sind  es,  die 

1 )  Aus  den  SchriHen  der  k.  Acad.  der  Wissenschaften  für  1848. 
PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX«  JL 


er  gleich  im  Aufauge  seiner  Schrift  ,jRecherches  experimen- 
tales  sur  le  principe  de  la  communication  laterale  du  mou- 
eement  dans  les  fluides'^  als  die  eigentlichen  Stützen  seiner 
Ansicht  anführt.  Er  behauptet  nämlich,  dafs  wenn  man  ei- 
nem, aus  einem  Gefäfse  ausfUefsenden  Wasserstrahlen  einen 
sehr  beweglichen  Körper  nähert,  dieser  von  der  Luft,  welche 
mit  dem  Strahle  fortströmt,  mit  fortgetrieben  werde.  Ich 
habe  diesen  Versuch  unter  verschiedenen  Umständen  wie- 
derholt, bin  aber  zu  andern  Resultaten  als  Venturi  ge- 
langt. 

3.  Bekanntlich  zeigt  sich  ein  Wasserstrahl  von  da,  wo 
er  die  Oeffnung  des  Gefäfses  verläfst,  bis  zum  Maximum  sei- 
ner Coutraction  als  eine  feste  zusammenhängende  Masse, 
sodann  bildet  er  mehrere  auf  einander  folgende  Anschwel- 
lungen, und  darauf  trennt  er  sich  in  einzelne  Massen.  Das 
empfindlichste  Mittel,  was  man  anwenden  kann,  um  zu  sehen, 
ob  die  Luft  von  einem  solchen  Strahle  mit  fortgerissen  werde, 
ist  offenbar  eine  Lichtflamme.  Allein  wie  nahe  ich  auch  die- 
selbe dem  Strahle  bringen  mochte,  so  konnte  ich  bei  dem 
Theile  desselben,  der  noch  vollkommen  durchsichtig  ist, 
keine  Bewegung,  selbst  nicht  ihrer  Spitze  beobachten.  Erst 
bei  der  zweiten  oder  dritten  Anschwellung  begann  dieselbe, 
und  ward  stärker,  wenn  die  Flamme  neben  den  unteren,  sich 
schon  trennenden  Theil  des  Strahls  gebracht  wurde,  wo  sie 
sich  heftig  bewegte,  aber  auch  gewöhnlich  bald  erlosch,  in- 
dem einzelne  Wassertheilchen  auf  den  Docht  geschlendert 
wurden.  Diefs  ist  der  Vorgang,  wenn  der  Strahl  sich  ruhig 
bewegt.  Schwankt  derselbe  aber,  was  häufig  der  Fall  ist, 
dann  ist  die  Flamme  überhaupt  unruhiger,  und  wird  schon 
an  einer  früheren  Stelle  mit  fortbewegt. 

Würde  die  Luft  in  Folge  der  Adhäsion  von  dem  Was- 
ser mit  fortgerissen,  so  müfste  diese  Wirkung  da,  wo  die 
Geschwindigkeit  des  Strahls  am  gröfsten  ist,  auch  am  stärk- 
sten sejn.  Da  diefs  nicht  der  Fall  ist,  da  andererseits  die 
Beugung  der  Flamme  mit  der  schwankenden  Bewegung  des 
Strahls  zunimmt,  so  ist  Grund  zu  vermuthen,  dafs  wenn 
alle  Schwankungen  des  Strahls   fortfallen  (was  indefs  viel- 


leicht  gar  nicht  zu  erreichen  möglidi  ist),  daCs  alsdann  gar 
keine  Beugung  der  Flamme  mehr  statt  hat. 

4.  Der  andere  Versuch,  auf  welchen  Ventnri  seine 
Ansicht  stützt,  ist  folgender:  Eine  cylindrische  Röhre  ÄC 
geht  horizontal  in  einen  Kasten  BEFJ)  Fig.  1.  Tafel  L,  der 
bis  DB  mit  Wasser  angefüllt  ist.  Ihr  gegenüber,  ein  we- 
nig von  ihrem  Ende  C  entfernt,  ist  ein  kleiner  rechtwink- 
liger Kanal  von  Blech  SMBR  angebracht,  dessen  oberer 
Theil  SR  offen  ist,  und  dessen  Boden  MB  auf  dem  Rande 
des  Kastens  B  ruht,  so  dafs  er  also  von  M  nach  B  steigt. 
Läfst  man  nun  Wasser  durch  die  Röhre  AC  in  den  Kasten 
mit  einiger  Geschwindigkeit  einströmen,  so  steigt  der  Was- 
serstrom den  kleinen  Kanal  MB  hinan  und  ergiefst  sich 
aus  dem  Kasten  durch  den  Strahl  V.  Zugleich  entsteht  in 
dem  Wasser  des  Kastens  BDEF  eine  Bewegung,  dasselbe 
tritt  in  den  Kanal  SR,  und  geht  mit  dem  Srahle  AC  fort, 
so  dafs  seine  Oberfläche  in  wenig  Sekunden  bis  nach  MH^ 
dem  unteren  Rande  des  Kanals,  sinkt. 

5.  Vor  einiger  Zeit  hat  der  Prof.  v.  Feilitzsch  eine 
sinnreiche  Abänderung  dieses  Versuchs  veröffentlicht  '  ).  Er 
benutzt  dazu  ein  Blechgefäfs  EDFG  Fig.  2.  Tafel  I.,  das 
in  der  Mitte  seiner  Länge  eine  Scheidewand  HI  hat.  In  der- 
selben ist  möglichst  nahe  dem  Boden  eine  cjlindrische  Röhre 
ABC  aus  Blech  von  2^  Zoll  Durchmesser  und  8  Zoll  Länge 
befestigt,  die  an  beiden  Enden  offen  ist.  Innerhalb  dieser 
Röhre  in  der  Nähe  der  einen  Oeffnuug  BC  mündet  die 
verticale  Ausflufsöffnnng  a  eines  horizontalen,  nach  vorn 
sich  verengenden  Fortsatzes  ab  von  einem  senkrechten, 
6  Fufs  langen  Rohre  {»^welches  oben  mit  einem  Wasser- 
behälter verbunden  ist.  Die  beiden  Abtheilungen  de^  Ge- 
fäfses  stehen  nur  durch  die  Röhre  ABC  mit  einander  in 
Verbindung.  Wurden  sie  bis  zu  dem  bei  K  angebrachten 
Abflufs  mit  Wasser  gefüllt,  so  war  im  Zustande  der  Ruhe 
die  Oberfläche  des  Wassers  in  beiden  in  derselben  Hori- 
zontalebeue.     Flofs  jedoch  durch  die  Oeffnung  a  Wasser 

1 )  Pogg.  Ana.  Bd.  LXill.  &.  216. 


in  das  Gefäfs,  80  begann  das  Niveau  in  der  Ablheilong  F6EI 
zu  sinken. 

6.  Bei  Wiederholung  dieses  Versuchs  bemerkte  ich, 
dafs  das  Wasser  unter  geeigneten  Umständen  bis  zu  der 
communicirenden  Röhre  ABC  sank,  und  dafs  zuweilen  so- 
gar  Luft  mit  dem  Wasser  durch  dieselbe  geführt  wurde. 
Dadurch  kam  ich  auf  den  Gedanken,  dafs  es  möglich  sejn 
müsse,  das  Ausfliefsen  von  Wasser  aus  einem  GefäCse  mit 
ziemlich  weiter  Oeffnung  dadurch  gänzlich  zu  Terhindern, 
daCs  man  einen  Wasserstrahl,  dessen  Durchmesser  viel  ge- 
ringer als  der  der  Oeffnung  des  Gefäfses  ist,  gegen  das 
in  dieser  Oeffnung  befindliche  Wasser  strömen  läfst. 

Dicfs  hat  sich  auch  vollkommen  bestätigt.  Ich  will  zu- 
nächst beschreiben,  wie  ich  den  Versuch  angestellt  habe. 

7.  Aus  einem  Gefäfse,  das  beständig  mit  Wasser  voll 
erhalten  wurde,  ging  eine  7  Fufs  lange  Röhre  sclikrecht 
hinab;  dieselbe  war  an  ihrem  unteren  Ende  rechtwinklich 
gebogen,  so  dafs  sie  einen  horizontalen  Wasserstrahl  lie- 
ferte. Dieser  strömte  in  ein  Geföfs  Aj  Fig.  3,  das  etwa 
8  Zoll  weit  und  10  Zoll  hoch  war,  und  nahe  am  Boden 
eine  seitliche  Oeffnung  hatte,  in  der  eine  Glasröhre  de  ho- 
rizontal befestigt  wurde. 

Die  Röhre  war  selten  kürzer  als  6  Zoll,  und  das  Ge- 
fäfs  A  war  gewöhnlich  so  aufgestellt,  dafs  die  vordere 
Oeffnung  derselben  e  auch  etwa  6  Zoll  von  der  Ausflufs- 
Öffnung  f  entfernt  war. 

Bei  einem  Durchmesser  der  Oeffnung  f  von  3"*,  und 
einem  Durchmesser  der  Röhre  de  von  12""",  also  bei  ei- 
nem Verhältnisse  der  Durchmesser  von  1:4,  stieg  das  Was- 
ser in  A  bis  zur  Höhe  von  250*"*"  oder  etwa  10  Zoll  ohne 
dafs  auch  nur  ein  Tropfen  Wasser  bei  e  ausflofs.  War 
der  Durchmesser  von  de  gröfser,  so  begann  ein  Theil  des 
Wassers  schon  auszufliefsen,  bevor  der  Stand  desselben  in 
dem  Gefäfse  A  jene  Höhe  erreicht  hatte,  und  zwar  um  so 
mehr,  je  weiter  de  war.  Es  versteht  sich  jedoch  von  selbst, 
dafs  die  erwähnten  Zahlen  sich  nur  auf  die  angeführte  Druck- 
höhe beziehen.     Sie  sind  erhalten,  während  der  Strahl  aus 


einer  Oeffnaog  in  einer  dOnnen  Wand  hervorging.  Ist 
diefs  nicht  der  Fall,  so  ändern  sich  die  Verhältnisse. 

Während  des  Versuchs  findet  ein  gewaltiges  Schäumen 
in  der  Röhre  de  statt.  Da  die  Flüssigkeit  in  A  durch  das 
eintretende  Wasser  unvermeidlich  in  Schwankungen  geräth^ 
so  thut  man  gut  diese  Röhre  de  nicht  zu  kurz  zu  wählen. 
Es  ist  dabei  ziemlich  gleichgültig  ob  dieselbe  etwas  mehr 
oder  weniger  von  der  Ausflufsöffnung  f  des  Wasserstrahls 
entfernt  ist. 

Ich  habe  es  mir  nicht  zur  Aufgabe  gestellt  zu  unter- 
suchen, wie  das  Verhältnifs  der  Ausflufsöffnung  und  der 
Röhre  gewählt  werden  mufs,  um  das  Maximum  der  Höhe 
in  Ä  zu  erhalten,  ohne  dafs  Wasser  ausfliefst;  allein  es 
scheint  mir,  daCs  dieses  Verhältnifs  nicht  constant  ist,  und 
dafs  bei  zunehmender  Weite  der  Ausflufsöffnung  der  Durch- 
messer der  Röhre  nicht  in  demselben,  sondern  in  einem 
geringeren  Verhältnisse  zunehmen  mufs.  Wahrscheinlidi 
hat  diefs  seinen  Grund  in  der  heftigeren  Bewegung,  in 
welche  die  Flüssigkeit  in  A  bei  Anwendung  eines  stärke- 
ren Wasserstrahls  geräht. 

8.  Der  Versuch  wurde  so  abgeändert,  dafs  ein  verti« 
caler  Wasserstrahl  von  unten  in  ein  Geföfs  eintrat,  das 
in  seinem  Boden  eine  Oeffuung  hatte,  in  der  sich  eine 
verticale  Röhre  befand.  Wenn  aber  hierbei  kein  Wasser 
abflieCsen  sollte,  so  mufste  das  Verhältnifs  der  Durchmes- 
ser der  Ausflufsöffnung  und  der  Röhre  viel  geringer,  etwa 
das  von  1  zu  2  seju;  ohne  Zweifel  deshalb,  weil  die  Be- 
wegung der  Flüssigkeit  hier  von  einem  noch  störenderen 
Einflufs  ist,  als  bei  den  Versuchen  mit  der  horizontalen 
Röhre. 

9.  Es  schliefsen  sich  diese  Erscheinungen  unmittelbar 
an  diejenigen,  welche  durch  die  vortrefflichen  Untersuchun- 
gen von  Felix  Savart  über  das  Verhalten  eines  Was- 
serstrahls, der  gegen  eine  feste  Ebene  strömt  '),  bekannt 
sind.  Durch  dieselben  kennt  man  auch  den  Vorgang,  wel- 
cher stattfindet,  wenn  zwei  Wasserstrahlen  von  entgegen- 

1)  j4nn.  de  chtm,  et  de  pkjrs,  Ser,  IL  Tom.  Llil,  p,  337. 


6 

gesetzter  Richtung  einander  treffen  ')•  Ich  habe  diese  sdiö- 
nen  Versuche  wiederholt.  Wenn  zwei  Strahlen  von  glei- 
chem Durchmesser  und  von  gleichem  Drucke  einander  so 
treffen,  dafs  sie  eine  gemeinschaftliche  Tangente  haben,  so 
bewegt  sich  das  Wasser  in  einer  Ebene,  welche  senkrecht 
gegen  diese  Tangente  ist,  und  bildet  eine  fast  kreisrunde 
durchsichtige  Scheibe,  Fig.  4.  Taf.  L,  die  von  einem  durch- 
sichtigen Rande  concentrisch  umgeben  ist,  welcher  letztere 
offenbar  dadurch  entsteht,  dafs  das  Wasser  zu  einzelnen- 
getrennten  Massen  sich  zusammenzieht,  die  radial  nach  al- 
len Richtungen  fortgeschleudert  werden. 

Sind  die  Axen  der  beiden  Strahlen,  oder  die  Tangen- 
ten jn  dem  Punkte,  wo  beide  zusammentreffen,  zwar  pa- 
rallel,  fallen  sie  aber  nicht  in  dieselbe  gerade  Linie,  in- 
dem z.  B.  der  eine  Strahl  ein  wenig  höher  als  der  andere 
liegt,  so  bewegt  sich  das  Wasser  unverändert  in  einer 
Ebene,  dieselbe  ist  aber  geneigt  gegen  die  Tangente  der 
Strahlen. 

Bleiben  die  Querschnitte  beider  Strahlen  dieselben,  der 
eine  wird  aber  mit  einer  gröfseren  Kraft  bewegt  als  der 
andere,  so  verwandelt  sich  die  Ebene  in  eine  gekrümmte 
Fläche,  deren  Concavität  nach  der  Seite  des  mit  geringe- 
rer Kraft  bewegten  Strahles  liegt.  Wird  der  Unterschied 
des  Drucks  gröfser,  so  schliefst  sich  diese  gekrümmte  Fläche, 
und  je  gröfser  dieser  Unterschied  wird,  um  so  stärker  ist 
die  Krümmung  derselben  an  der  Stelle,  wo  die  beiden 
Strahlen  zusammenstofsen.  Wenn  die  Querschnitte  der 
Strahlen  verschieden  sind,  so  bildet  sich,  so  lange  der 
Druck  für  beide  gleich  bleibt,  auch  eine  gekrümmte  Fläche, 
deren  Concavität  nach  der  Seite  des  Strahles  von  gerin* 
gerem  Durchmesser  liegt.  Wenn  aber  aufserdem  die  Ge- 
schwindigkeiten, mit  welcher  diese  Strahlen  sich  bewegen, 
oder  die  Drucke,  durch  welche  sie  hervorgebracht  wer«^ 
den,  verschieden  sind,  und  wenn  namentlich  der  des  Strah* 
les  von  geringerem  Durchmesser  gröfser  ist,  so  bildet  sich 
zwar  auch  eine  gekrümmte  Fläche,  deren  Scheitel  jedoch, 

1)  Daselbst  Tom.  LF.  p.  257. 


wie  Savart  angiebt  '),  80  lange  das  VerhaltnifiB  der  Quer- 
schnitte der  Strahlen  nicht  grOfser  als  das  von  1  zu  4  ist, 
dicht  an  der  Ausfkifsöffnong  des  weiteren  Strahles  liegt 
Für  ein  gröfseres  Verhfiltnifs  findet  sich  bei  Savart  keine 
Angabe. 

Ist  aber  der  Unterschied  des  Drackes  hinreichend  grofs, 
so  dringt,  wenn  das  Verhältnifs  der  Durchmesser  1 : 4  oder 
auch  etwas  gröfser  ist,  der  engere  Strahl  ganz  in  das  Ge- 
fllfs  mit  weiter  Oeffnung  ein. 

'  10.  In  dem  oben  §.  7.  beschriebenen  Experimente  findet 
dieser  Fall  statt.  Es  wirken  hier  gleichsam  zwei  Strahlen 
gegen  einander,  indem  das  Wasser  in  der  cjliudrischen 
Röhre  als  ein  weiter  Strahl  von  geringerem  Drucke  be- 
trachtet werden  kann.  Offenbar  würde  sich  in  dieser  Röhre 
ebenfalls  eine  gekrümmte  Fläche  bilden,  welche  in  sich  ge- 
schlossen ist,  wenn  nicht  noch  andere  Umstände  mitwirk- 
ten, durch  welche  statt  derselben  eine  Menge  kleiner,  in 
sich  geschlossener,  Flächen  entstehen.  Diese  bringen  die 
Erscheinung  des  Schäumens  hervor. 

II.  Um  diese  Erscheinung  weiter  zu  verfolgen,  habe 
ich  den  Wasserstrahl  gegen  eine  halbkugelförmige  Vertiefung 
von  Metall  strömen  lassen.  Auch  ^  hierbei  erhält  man ,  bei 
einem  bestimmten  D/ucke  des  Strahls  und  einer  gewissen 
GröCse  des  halbkugelförmigen  Gefäfses,  eine  eiförmig  in 
sich  geschlossene  Wasserfläche  ^ ).  Je  nachdem  man  nun 
die  halbkugelförmige  Vertiefung  dreht,  fällt  die  Axe  dieser 
Fläche,  oder  wenigstens  der  Punkt,  in  welchem  die  Verei- 
nigung des  Wassers  stattfindet,  nach  der  einen  oder  der 
andern  Seite  des  Strahls,  etwa  so  wie  es  in  Fig.  5.  Taf.  L 
dargestellt  ist.  Der  ankommende  Strahl  geht  alsdann  durch 
die  Fläche  hindurch  ohne  die  Bildung  derselben  zu  stören.. 

1)  a.  a.  O.  p.281. 

2)  Za  diesen  Yersucheo  bediente  ich  micb  einer  halbkogelförmigen  Vei^ 
tiefung  yon  24"""  Durchmessscr ,  und  liefs  gegen  dieselbe  einen  Strabl^ 
der  aus  einer  Oeffnung  von  3"*"*  Durchmesser  unter  einem 'Druck  von 
2,3  M^tres  hervortrat,  etwa  in  0,5  Mdtre  Entfernung  von  der  Ausfluls- 
öffnung  wirken. 


8 

Man  kann  indefs  die  Halbkugel  so  drehen,  dafs  das  Was- 
ser sich  an  einer,  in  der  Richtung  des  Strahls  liegenden 
Stelle  zu  vereinigen  sucht,  dann  wird  es  dort  von  den 
ankommenden  Strahle  wieder  getroffen,  und  hierdurch  ent- 
steht ein  eigenthQmliches  Schäumen  und  Umherschleudem 
der  Wassertheile,  das  in  Fig.  6.  Taf.  I.  abzubilden  ver- 
sucht ist. 

Dafs  bei  einem  solchen  Vorgänge,  namentlich  wenn  er 
innerhalb  einer  Röhre  stattfindet,  deren  Durchschnitt  nicht 
gröfser  ist  als  der  der  gekrömmten  eiförmigen  Fläche,  alles 
gegen  den  engen  Strahl  zurückgeworfene  Wasser  von  die^ 
sem  aufgehalten,  und,  indem  sich  eine  neue  Fläche  der  Art 
erzeugt,  mit  demselben  zurückgeführt  werde,  ist  wohl  be- 
greiflich. Dadurch  kann  man  sich  auch  vorstellen  wie  das 
Ausfliefsen  einer  Flüssigkeit  aus  einem  Gefäfse  mit  weiter 
Oeffnung  durch  einen  Strahl  von  viel  geringerem  Durch^ 
messer  aufgehalten  wird;  und  dadurch  ist  auch  erklärlich, 
dafs  es  zu  der  wirklichen  Bildung  einer  einzigen  gröCseren 
Fläche  nicht  kommen  kann,  sondern  dafs  diese,  wie  schon 
gesagt,  durch  das  immer  zurückgeführte  Wasser  sich  in  eine 
Menge  kleiner  in  sich  geschlossener  Flächen  theilt,  welche 
den  Schaum  bilden. 

12.  Um  aber  eine  bestimmtere  Vorstellung  von  die- 
sem Vorgange  zu  erhalten,  habe  ich  den  Versuch  noch  so 
abgeändert,  dafs  das 'Rohr  de  Fig.  7.  Taf.  I.  mit  einem 
rechtwinklig  nach  oben  gebogenen  Ansatz  mn  in  der  Mitte 
versehen  ward,  so  dafs  das  ganze  Rohr  die  Gestalt  eines 
umgekehrten  T  erhielt.  Der  Ansatz  mn  war  so  angebracht, 
dafs  die  Stelle  h  wo  der  eindringende  dünne  Strahl  das 
Wasser  in  der  Röhre  traf,  zwischen  d  und  m,  und  zwar 
sehr  nahe  bei  d  lag.  Wurde  nun  Wasser  durch  den  An- 
satz mn  gegossen,  so  flofs  nichts  bei  e  ab,  sondern  alles 
bei  m  eintretende  Wasser  wurde  sogleich  bis  nach  h  Zu- 
rück gedrückt,  und  diefs  fand  selbst  noch  statt,  wenn  das 
Rohr  de  ziemlich  weit  war. 

Die  Stelle  ft,  bis  zu  welcher  der  ankommende  Strahl 
das  Wasser  in  der  Röhre  zurückdrängt,  ändert  sich  zwar 


je  nachdem  derselbe  genau  in  der  Axe  der  Röhre  oder 
mehr  nach  unten  oder  oben  strömt;  allein  abgesehen  hier- 
von ist  ihre  Lage  bedingt,  sowohl  durch  das  Bewegungs- 
moment des  dünoen  Strahls,  als  auch  durch  das  des  Was* 
serSy  das  aus  dem  Gefäfse  Ä  abzufliefseu  sucht.  Aendert 
sich  daher  der  Druck  in  A^  steigt  z.  B.  das  Wasser  in 
diesem  Gefäfse,  während  der  Druck  des  düuoen  Strahls 
constant  bleibt,  so  rfickt  k  mehr  nach  der  Ausflufsöff- 
uung  6. 

Bleibt  hingegen  das.  Niveau  der  Flüssigkeit  in  Ä  con- 
stant, so  dafs  beide  Drucke  ungeändert  bleiben,  so  kann 
die  Stelle  ft,  wo  die  Wassermassen  einander  treffen,  sich 
noch  dadurch  ändern,  dafs  der  Druck  der  Luft  bei  k  sich 
ändert. 

13.  In  das  Tförroige  Rohr  demn  Fig.  8.  Taf.  L,  das 
in  das  Gefäfs  A  bei  d  eingesetzt  ist,  wurde  die  enge  Röhre 
fg,  aus  welcher  der  dünne  Wasserstrahl  hervorging,  so 
eingeführt,  dafs  der  Ausflufs  f  nahe  bei  m  lag.  Sodann 
wurde  die  Oeffnung  bei  e  luftdicht  an  den  Kork  g  be- 
festigt, und  bei  n  ein  Rohr  augesetzt,  das  mit  einer  ge- 
räumigen, aber  leereu  Flasche  B  in  Verbindung  stand.  Aus 
der  Flasche  ging  ein  gebogenes  Rohr  op  heraus,  das  mit 
seinem  unteren  Ende  p  in  einen  kleinen,  mit  Quecksilber 
oder  einer  gefärbten  Flüssigkeit  gefüllten  Cylinder  Q  tauchte. 
Erhielt  man  nun  den  Wasserstand  bei  A  constant,  so  stiegt 
die  Flüssigkeit  in  der  Röhre  op,  indem  Luft  mit  dem  Was- 
ser bei  k  fortgeführt  wurde.  Aber  in  dem  Maafse,  als 
dies  Steigen  stattfand,  rückte  auch  die  Stelle  ft,  wo  der 
dünne  Strahl  das  Wasser  in  der  Röhre  traf,  mehr  nach 
ffi  hin,  und  sobald  sie  hier  angekommen  war,  füllte  sich 
das  Stück  mf  mit  Wasser,  und  dasselbe  trat  in  mn  hinauf. 
Ks  ist  einleuchtend,  dafs  dann  das  Schäumen  aufhörte. 

Es  braucht  wohl  nicht  erwähnt  zu  werden,  dafs  das 
Resultat  dasselbe  war,  wenn  die  Flasche  B  weggelassen 
und  die  Röhre  von  n  direct  in  das  Quecksilber  geführt 
wurde,  4iur  fand  der  Vorgang  dann  so  rasch  statt,  dafs 
man  ihn  nicht  verfolgen  konnte. 


10 

14.  Läfst  man  auch  das  Gefäfs  mit  Quecksilber  fort, 
so  dafs  auf  das  Wasser  io  der  Röhre  mn  der  Druck  der 
Atmosphäre  wirkt,  und  vertauscht  die  enge  Röhre  fg,  durch 
welche  das  Wasser  einströmt,  mit  «einer  weiteren,  so  kann 
man  diese  so  wählen,  dafs  keine  Luft  bei  m  mehr  eintritt, 
sondern  das  ganze  Rohr  de  mit  Wasser  erfüllt  bleibt«  Bei 
einem  gewissen  Verhältnisse  der  Durchschnitte  der  Röh- 
ren fg  und  ed  steht  alsdann  das  Wasser  in  der  Röhre  mn 
niedriger  als  in  dem  Gefäfs  A.  Es  findet  also  dann  bei 
m  ein  geringerer  Druck  statt  als  bei  d.  Wählt  man  die 
Röhre  fg  noch  weiter,  so  steigt  die  Flüssigkeit  in  mn, 
und  kann  unter  geeigneten  Verhältnissen  darin  viel  Köher 
stehen  als  in  dem  Gefäfse  A. 

Dasselbe  kann  mau  erreichen  wenn  man,  statt  die  Röhre 
fg  zu  ändern,  die  Geschwindigkeit  vermindert,  mit  wel- 
cher das  Wasser  durch  die  unveränderte  Röhre  fg  hin- 
durch geht.  Es  ergiebt  sich  hieraus,  dafs  der  Druck  bei 
fft  abhängig  ist,  sowohl  von  der  Geschwindigkeit  als  auch 
von  dem  Verhältnisse  der  Durchschnitte  der  beiden  Röh- 
ren fg  und  de  ' ). 

Wenn  die  Oeffnung  f  der  engen  Röhre,  durch  welche 
das  Wasser  einströmt,  nicht  bis  zu  der  Stelle  reicht,  wo 
bei  m  die  rechtwinklich  aufwärts  führende  Röhre  mfi  an- 
gebracht ist,  sondern  so  weit  von  dieser  Stelle  entfernt 
ist,  dafs  das  Wasser,  wenn  es  bei  m  ankommt,  sich  sdion 
durch  ein  Stück  der  Röhre  de  bewegt  hat,  ohne  seinen 
Querschnitt  und  also  auch  ohne  seine  Geschwindigkeit  za 
ändern,  so  steigt  das  Wasser  in  der  Röhre  mn,  und  steht 
in  derselben  höher  als  in  dem  Geföfse  A. 


1)  Gans  ähnliche  Erscheioangen  erhalt  man,  wenn  Luft  aus  einer  enge- 
ren in  eine  weitere,  mit  ihr  fest  verbundene  Röhre  strömt,  aus  der  sie 
am  entgegengesetzten  £nde  wieder  entweichen  kann.  Sind  die  Röhren 
nämlich  horizontal  und  fährt  aus  der  weiteren,  da  wo  die  engere  ift 
sie  einmündet,  eine  Röhre  rechtwinklich  in  ein  Gcfafs  mit  Wasser  oder 
Quecksilber  hinab,  so  steigt  diese  Flüssigkeit  in  die  Höhe,  sobald  die 
Luft  mit  hinreichender  Geschwindigkeit  aus  der  engeren  in  die  weitere 
Röhre  geblasen  wird. 


15.  So  lange  da8  Schäumen  in  der  Röhre  de  noch 
stattfindet,  sieht  man  auch  Luftblasen  in  das  Gefäfs  Ä  ein- 
treten.  Indem  nämlich  die  ganze  Wassermasse  der  Röhre 
sich  in  diefs  Gefäfs  hineinbewegt,  wird  die,  durch  das 
Schäumen  eingeschlossene  Luft  mit  hineingeführt.  In  wel- 
chem Maafse  diefs  letztere  stattfindet,  kann  mau  deutlich 
beobachten,  wenn  man  die  Röhre  de  Fig.  9.  Taf.  I.  Ton  Glas 
und  von  ziemlicher  Länge,  etwa  2  Fufs  lang  wählt.  Man  sieht 
alsdann  die  Flüssigkeit  in  dem  vorderen  Theile  bei  k  schäu- 
men, Ton  da  aber  fliefst  sie,  oder  wird  sie  nach  d  hiube^ 
wegt,  währeord  oben  auf  derselben  kleine  Luftbläschen  mit 
fortgeführt  werden.  Diefs  findet *sogar  statt,  wenn  die  Röhre 
de  eine  solche  Neigung  hat,  dafs  der  Schaum  sich  abwärts 
bewegen  mufs,  indem  das  Ende  d,  mit  welchem  sie  in  dem 
Gefäfse  A  befestigt  ist,  tiefer  als  die  Oeffuung  bei  e  liegt.  , 

Das  Eintreten  solcher  Luftblasen  mit  dem  Wasser  hat 
schon  Savart  beobachtet,  ohne  jedoch  dieser  Erscheinung 
weitere  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Ich  glaube  indefs, 
daCs  sie  nicht  ganz  unwichtig  ist.  Wer  hat  nicht  schon 
bei  dem  Eingiefsen  von  Wasser  in  ein  Glas  die  Luftbla- 
sen beobachtet,  die  dabei  entstehen,  und  doch  ist  diese, 
seit  Menschengedenken  beobachtete  Thatsache  noch  nicht 
erklärt,  oder  mindestens  sind  die  vorhandenen  Erklärun- 
gen nicht  genügend. 

16.  Venturi  ist,  wie  schon  in  §.2.  erwähnt  worden, 
der  Ansicht,  dafs  der  Wasserstrahl  die  Luft  mit  sich  fort-^ 
reifse.  Hiernach  würde  sie  gleichsam  in  Folge  einer  Rei- 
bung in  das  Wasser  mit  hinabgeführt  werden.  Allein  wenn 
man  ein  Mal  diese  Erscheinung  mit  einiger  Aufmerksam- 
keit betrachtet  hat,  so  kann  man  eine  solche  Erklärung 
unmöglich  zugeben,  denn  es  ist  gar  nicht  denkbar,  dafs 
die  Luft  mit  solcher  Kraft  an  dem  Strahle  hafte,  dafs  sie 
von  diesem  bis  weit  unter  die  Oberfläche  des  Wassers 
hinabgerissen  werde. 

17.  Um  aber  diese  Ansieht  vollständig  zu  widerlegen, 
liefs  ich  aus  einem  Gefäfse  mittelst  einer  Röhre  einen  Strahl 
senkrecht  ausfliefsen,  und  brachte  die  Oberfläche  derFlüs- 


12 

sigkeit,  welche  er  treffeu  sollte,  ^o  an,  dafs  sie  vop  die- 
ser Rohre  fast  berührt  wurde.  Auch  hierbei  entstaDden 
Luftblasen  im  Innern  der  Flüssigkeit.  Auf  dein  kurzen 
Wege  von  etwa  1"^,  den  der  Strahl  in  diesem  Versuche 
durch  die  Luft  zurücklegte,  konnte  der  letzteren  unmög- 
lich durch  Reibung  eine  so  starke  Bewegung  mitgethdlt 
seyn,  dafs  sie  bis  tief  unter  die  Oberfläche  des  Wassers 
hinabzudringen  vermochte. 

18.  Savart  hat  die  Behauptung  aufgestellt,  dafs  der 
Strahl  einer  Flüssigkeit  zwar  bis  zum  Maximum  seiner 
Coutraction  eine  zusammenhängende  Masse  bilde,  aber  von 
da  ab  aus  einzelnen  getrendten  Massen  bestehe,  welche,  in« 
dem  sie  ihre  Gestalt  periodisch  ändern,  die  abwechselnden 
Anschwellungen  des  Strahls  hervorbringen.  Man  könnte 
glauben  dafs  die  Luftblasen,  welche  beim  Eandringen  ei- 
nes Strahls  in  eine  Flüssigkeitsmasse  entstehen,  von  Luft 
herrühren,  welche  zwischen  diesen  einzelnen  getrennten 
Massen  des  Strahls  enthalten  ist.  Allein  wenn  man  einen 
Wasserstrahl,  der  mit  einigem  Drucke  ausfliefst,  die  Ober- 
fläche von  Wasser  treffen  läfst,  noch  bevor  er  das  Maxi- 
mum seiner  Contraction  erfahren  hat,  so  bilden  sich  die 
Blasen  gleichfalls,  und  hierdurch  wird  diese  Ansicht,  abge- 
sehen von  anderen  Einwendungen,  vollkommen  widerlegt. 

19.  Es  scheint  diefs  Phänomen  davon  herzurühren, 
dafs  der  Flüssigkeitsstrahl  da,  wo  er  die  Oberfläche  der 
ruhenden  Flüssigkeit  trifft,  eine  Vertiefung  bildet.  Diese 
schliefst  sich,  sobald  die  Oberfläche  der  Flüssigkeit  in  die 
geringste  Schwankung  geräth,  und  enthält  dann  Luft  im 
Innern,  die  von  dem  sich  bewegenden  Wasser  in  die  Tiefe 
mit  hinabgeführt  wird. 

-  20.  Bewegt  sich  ein  Strahl  continuirlich  gegen  die  Ober- 
fläche einer  Flüssigkeit,  so  kann  man  die  Vertiefung,  welche 
rund  um  den  Strahl  sich  bildet,  deutlich  sehen.  Allein  sie 
schliefst  sich  gewöhnlich  so  schnell,  und  es  tritt  so  schnell 
eine  neue  an  ihre  Stelle,  dafe  man  die  Art,  wie  die  Luft 
eingeschlossen  wird,  nicht  weiter  verfolgen  kann. 

2L    Ich  -habe  indefs  Gelegenheit  gehabt  zu  beobacb- 


13 

ten^  dafs  wenn  ein  Strahl  in  einiger  Entfernung  von  sei- 
ner Aasflufsöffnung  und  bevor  er  das  Maximum  der  Con- 
traction  erreicht  hat,  eine  Wasserfläche  trifft,  die  vollkom- 
men ruhig  ist,  sich  bisweilen  eine  ziemlich  bedeutende 
Vertiefung  rund  um  den  Strahl  bildet,  ohne  dafs  Luft  in 
das  Wasser  eindringt.  Sobald  aber  alsdann  die  geringste 
Bewegung  auf  der  Oberfläche  entsteht,  so  wird  sogleich 
Luft  mit  hinabgeführt.  Setzt  man  z.  B.  die  Oberfläche  da- 
durch in  Bewegung,  dafs  man  in  einiger  Entfernung  von 
dem  Strahl  einzelne  Tropfen  aus  einer  Höhe  von  weni- 
gen Zollen  auf  das  Wasser  fallen  läfst,  die  für  sich  allein 
keine  Luft  unter  die  Oberfläche  der  Flüssigkeit  führen  wür- 
den, so  tritt,  sobald  der  Tropfen  auffällt,  jedesmal  ein  zi- 
schendes Geräusch  da  ein,  wo  der  Strahl  die  Oberfläche 
trifft,  und  zugleich  sieht  man  kleine  Luftblasen  mit  dem 
Strahle  in  die  Flüssigkeit  hiuabdringen. 

22.  Dasselbe  geschieht,  wenn  die  Contiiiuität  des  Strahls 
unterbrochen  wird,  etwa  indem  man  einen  festen  Körper 
durch  denselben  hindurch  bewegt.  Ja  selbst  wenn  nur  ein 
kleines  Bläschen  von  Luft  in  dem  Strahle  enthalten  ist,  so 
stellt  sich  dies  Geräusch  ein,  und  zugleich  wird  eine  grö- 
fsere  Menge  von  Luft  durch  den  Strahl  hinabgerissen.  Eben 
dasselbe  findet  statt,  wenn  die  Oberfläche  der  Flüssigkeit 
in  nnregelmäfsige  Bewegung  geräth,  und  dann  zeigt  sich 
bisweilen  ein  aufserordentlich  heftiges  Eindringen  von  Luft. 
Es  hat  dabei  das  Ansehen,  als  ob  sich  ein  trichterförmiger 
Strudel  um  den  Strahl  bildet,  durch  welchen  die  Luft  in 
drehender  Bewegung  hinabgeführt  wird.  In  dieser  Art  beob- 
achtet man  die  Erscheinungen  nämlich,  wenn  der  Strahl  mit 
dem  Drucke  einer  Wassersäule  von  lOFufs  ausströmt  und 
die  Oberfläche  des  Wassers  in  einem  2  Fufs  weiten  Ge- 
ikfse  trifft.  Hiernach  scheint  mir  die  in  §.  19.  gegebene  Er- 
klärung von  dem  Eindringen  der  Luftblasen  in  eine  Flüs- 
sigkeit keinem  Zweifel  zu  unterliegen. 

23.  Bei  Betrachtung  der  Bewegung,  welche  stattfindet, 
wenn  eine  Flüssigkeit  in  die  gleichartige  Substanz  durch 
eine  Oeffnung  einströmt,  welche  sich  in  einiger  Tiefe  un- 


14 

t0r  der  Oberfläche  der  letzteren  befindet,  schien  es  mir 
zunächst  wönschenswerth  durch  Versuche  zu  ermitteln,  ob 
die  Wirkung,  welche  das  einströmende  Wasser  gegen  ei- 
nen Widerstand  leistenden  Körper  ausübt,  mit  der  Ent- 
fernung von  der  Einströmungsöffnung  sich  ändere  oder  nicht. 
Ich  habe  diese  Versuche  auf  die-  Weise  ausgeführt,  dafs  eine 
Platte  unter  Wasser  senkrecht  gegen  die  Richtung  des  auf 
die  eben  erwähnte  Weise  entstehenden  Strahls  (wenn  man 
sich  dieses  Ausdrucks  bedienen  darf)  angebracht  und  dfe 
Kraft  gemessen  wurde,  mit  welcher  das  Wasser  dieselbe 
zu  bewegen  suchte. 

Um  zu  ermitteln,  in  wie  weit  es  nöthig  ist,  dafs  die 
Platten,  welche  benutzt  werden  sollten,  vollkommen  eben 
sind,  wurden  zunächst  Verbuche  in  der  Luft  angestellt,^  und 
um  dabei  das  Resultat  unabhängig  von  der  Schwere  des 
Wassers  zu  erhalten  ein  horizontaler  Strahl  benutzt.  Die 
Einrichtung  des  Versuches  war  folgende: 

24.  An  den  Balken  einer  Waage  FG  Fig.  Ip.  Taf.  I. 
war  in  der  Mitte  ein  vcrlicalcr  Stab  ah  von  Metall  ge- 
. schraubt,  und  an  diesem  die  Platte  cd  so  befestigt,  dafs 
dieselbe  gleichfalls  vertical  und  senkrecht  gegen  die  Rich- 
tung des  Strahls  war.  Wenn  alsdann  der  Waagebalken 
horizontal  war  und  es  wurde  gegen  die  Mitte  der  Platte 
der  Strahl  gerichtet,  so  drängte  dieser  dieselbe  zuröclL. 
Allein  durch  Auflegen  von  Gewichten  konnte  man  die 
Waage  in  ihre  Gleichgewichtslage  zurückführen,  und  so 
die  Kraft  bestimmen ,  mit  welcher  die  Platte  der  Bewegung 
des  Strahls  Widerstand  leistete. 

Hierauf  wurden  2  vollkommen  ebene  Platten,  die  eine 
von  9**""  und  die  andere  von  24*"""  Durchmesser,  nach  ein- 
ander bei  h  befestigt,  und  während  dieselben  sich  in  der 
Luft  befanden,  wurde  ein  horizontaler  Wasserstrahl  senk- 
recht gegen  ihre  Mitte  gerichtet.  Sodann  wurden  diese 
ebenen  Platten  mit  concaven  Halbkugeln  vertauscht,  deren 
Durchmesser  genau  gleich  war  dem  Durchmesser  der  Plat- 
ten, und, der  jedesmal  stattfindende  Druck. gemessen.  Der- 
selbe ergab  sich  bei   einer  Druckhöhe  von  2  Meter  in  ei- 


15 

nem  Abstände  von  lOO^*"  von  der  Ausflufsöffnung  /;  welche 
in  einer  dünneu  Wand  aus  Blech  angebracht  war  und  3"" 
im  Durchmesser  hatte,  fOr 

die  Platte  die  Halbkugel 

von  9"^  Durchmesser  zu  22  Grammes         42  Grammes. 
„  24»'»  „  „    23        „  38 

25.  Dieser  gröfsere  Druck  bei  den  Halbkugcln  beruht 
offenbar  darauf,  dafs  das  Wasser  des  StrahU,  der  diesel- 
ben in  der  Mitte  trifft,  sich  zur  Seite  bewegt,  und  dadurch 
gegen  die  halbkugelförmige  Wand  noch  einen  Druck  aus- 
übt. Dafs  diefs  wirklich  so  ist,  ergiebt  sich  schon  aus  der 
Art,  wie  das  Wasser  von  den  Halbkugeln  von  verschie- 
denem Durchmesser  zurückgeworfen  wird.  Während  das- 
selbe nämlich  von  der  von  9'"'"  fast  parallel  mit  dem  an- 
kommenden Strahl  zurückkommt,  bildet  es,  zurückgewor- 
fen von  der  von  24""",  eine  gekrümmte  Oberfläche,  von 
ähnlicher  Gestalt  wie  die  in  Fig.  5.  Taf.  [.,  deren  gröfster 
Durchmesser  etwas  gröfser  als  der  der  Halbkugel  ist. 

Hieraus  erklärt  sich  auch,  weshalb  bei  der  gröfseren 
Halbkugel  die  bewegende  Kraft  geringer  ist,  als  bei  der 
kleinen,  während  doch  die  Fläche,  gegen  welche  der  Druck 
ausgeübt  wird,  gröfser  ist.  Es  zerlegt  sich  nämlich  der 
seitliche  Druck  bei  dem  gröfseren  Krümmungshalbmesser 
BOy  daCs  ein  geringerer  Theil  desselben  in  der  Richtung 
des  ursprünglichen  Strahls  wirkt,  als  bei  dem  kleineren 
Halbmesser.  Nur  bei  ganz  ebenen  Platten  erhält  man  den 
Antheil  der  Bewegung  allein,  welcher  in  der  Richtung  des 
Strahls  stattfindet.  Deshalb  wurden  zur  Ermittelung  der 
Quantität  der  Bewegung  nur  solche  Platten  benutzt. 

26.  Die  übrige  Einrichtung  war  folgende:  Aus  einem 
Gefäfse,  in  welchem  der  Wasserstand  dadurch  unverän- 
derlich erhalten  wurde,  dafs  aus  einem  darüber  befindli- 
chen Behälter  mehr  Wasser  zu,  als  unten  abflofs,  führte 
ein  verticales  Rohr  MN  Fig.  10.  Taf.  L,  das  bei  M  recht- 
winklig gebogen  war.  Dasselbe  hatte  im  Innern  einen  Durch- 
messer von  1  Zoll,  und  trug  an  seinem  horizontalen  Thcile 
bei  O  eine  Hülse  von  Metall,  in  deren  IVlitte  sich  die  Aus- 


16 

flufsöfTnimg  befand,  welche  bei  allen  diesen  Verendien 
kreisrund  war,  und  bei  den  meisten  einen  Darchmesser 
von  3""  hatte.  Das  Stück  MO  dieses  Rohrs  befand^  sich 
mit  der  Platte  cd  in  einem  grofsen  Gefäfse  AB  CD,  drs 
4  Fafs  lang,  3  Fnfs  breit  und  16  Zoll  hoch  war;  das- 
selbe war  ganz  mit  "Wasser  gefOllt,  und  durch  einen  in 
einer  bestimmten  Höhe  angebrachten  Abflnfs  gh  wurde  der 
Stand  des  Wassers  unverSnderlich  erhalten.  Die  Waage 
mit  ihrer  Platte  war  zwischen  zwei  Leisten  HI  so  ver« 
schiebbar,  dafs  sie  sich  immer  parallel  mit  sich  selbst  be- 
wegte. An  diesen  Leisten  war  eine  Theiinng  angebracht, 
um  den  Abstand  der  Platte  cd  von  der  Ausflursöffnung  f 
messen  zu  können.  Bevor  das  Gefäfs  AB  CD  mit  W^asser 
gefüllt  wurde,  überzeugte  man  sich,  daCs  der  durch  die 
Lufl  gehende  Strahl  die  Platte  in  ihrem  Mittelpunkte  traf. 
Für  die  geringen  Entfernimgen,  welche  hier  in  Betracht 
konnnen ,  glaubte  ich  die  Richtung  des  Strahls  unter  Was- 
Mor  als  unverändert  ansehen  zo  dürfen,  besonders  da  der- 
nelbe  sich  in  dem  gleichartigen  Medium  bewegte. 

*27,  Wendel  man  bei  diesem  Versuche  Platten  von 
verschiedenem  Durchmesser  an,  so  nimmt  die  Kraft,  welche 
ntMhwendig  Ist,  um  bei  unveränderter  Entfernung  von  der 
Ausilufsöffnung  die  Waage  im  Gleichgewicht  zu  erhalten, 
mit  der  («röfse  der  Platten  zu,  jedo<ch  nur  bis  zu  einer 
bestimmten  Grttnze;  über  diese  hinaus  bleibt  sie  unverSn- 
dorl.  Wurden  daher  ziemlich  grofse  Platten  benutzt,  so 
war  man  sicher  die  ganze  Gröfse  der  Wirkung  zu  erhal- 
ten. Die' kleinste  Platte,  welche  ich  angewendet  habe,  hatte 
lOÜ'""  Durchmesser.  Die  folgende  Tabelle  enthält  einige 
von  den  Bestimmungen,  welche  mit  Platten  von  verschie- 
dener Gröfse  erhalten  worden  sind. 

Ho- 


17 


HorixoBtaler  Strahl*). 

Dorchm. 

der 
Pbtte. 

Ahstand 

Gewicht  in  Grammes, 

OcflnoDg. 

Druck- 
höhe. 

der  Platte 
von  der 

nm  die 
Platte  m  ihre  Lage  eo- 

Oeffiaong. 

ruckanfuhren. 

.  k 

No.L         No.IL     No.in. 

■  ■■     «!<■  ■**!*■> 

6'10"Rhl. 

100— 

20— 

20,0          20,0        20,0 

Au  uuimcr 

=  2,145 

50 

21,0          21,0        20,75 

Mötres 

100 

21,5          21,5        21,5 

150 

21,5          21,5        21,5 

V        • 

200 

21,0          20,5        20,5 

No.IV.      No.V.    No.VL») 

WhiI. 

Desgl. 

150«- 

20— 
50 
100 

20,0          20,0        18,0 
21,0          21,0        19,0 
22,0          22,5        20,0 

150 
200 
250 

23,0          23,5        20,0 
23,0          23,5        21,0 
23,0          23,0        21,0 

^ 

300 

22,5          22,5        20,5 

N0.VIL    No.vm. 

In 

rirRM. 

200~ 

20»» 

16,0          16,2 

MessiDg  von 

=  2,229 

50 

16.7          16,7 

1—  Dicke. 

Meters. 

100 

18,0          18,0 

DorchiD.  3"". 

150 
200 
250 

18,0          18,0 
18,0          18,0 
17,5          17,7 

No.  IX. 

Glas- 

Desgl. 

150— 

20»" 

21 

rofarcfaen  von 

50 

21,6 

10""LäDgc. 

100 

23,2 

Durchmesser 

150 

23,3 

nahe  3"". 

200 
250 

23,3 
23,9 

Glas- 

No. X. 

röhrchen  Ton 

Desgl. 

20«» 

14,3 

20>«  Lange. 

50 

14,9 

DorchiDCSser 

100 

15,2 

etwas  weniger 

- 

150 

15,4 

als  3"». 

200 

15,2 

1 )  Die  Temperatur  des  Wassers  schwankte  bei  diesen  Versuchen  sehr  we- 
nig, sie  war  sehr  nahe  14°  G. 

2)  Bei  dieser  Beobachtoogsreihe  war  die  Richtung   der  Hülse  etwas  ver- 
ändert, und  die  Aze  des  Strahls  nicht  ganz  senkrecht  gegen  die  Platte. 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  2 


18 

28.  Es  geht  aus  diesen  Versuchen  hervor,  dafs  die 
Wirkung  gegen  die  Platte  mit  der  Entfernung  derselben 
Ton  der  Ansflufsöffnung  zunimmt,  und  zwar  bis  zu  einem 
Abstände  von  150  Millimetres.  Bei  allen  Versuchen  wurde 
ein  ähnliches  Resultat  erhalten.  Kein  einziger,  und  ich 
habe  deren  viele,  aufser  den  hier  mitgetheilten ,  angestellt, 
zeigte  innerhalb  des  Abstandes  von  100  Millim.  eine  Ab- 
nahme. Allein  die  Zunahme  war  nicht  immer  gleich,  und 
ich  überzeugte  mich,  dafs  die  Schwankungen  davon  her- 
rührten, dafs  es  nidit  möglich  war  die  Hülse,  in  der  die 
Ansflufsöffnung  sich  befindet,  immer  so  anzubringen,  dafs 
die  Richtung  des  Strahls,  selbst  innerhalb  dieser  geringen 
Entfernung  genau  dieselbe  blieb. 

29.  Um  diese  Unsicherheit  zu  vermeiden,  wurde  der 
Versuch  so  abgeändert,  dafs  der  Strahl  vertical  war  und 
gegen  eine  horizontale  Platte  sich  bewegte.  Zu  dem  Ende 
wurde  diese  mittelst  drei  feinen  Drähten  von  3  Fufs  Länge 
an  dem  einen  Ende  des  Waagebalkens  befestigt.  Die  Waage 
selbst  aber  befand  sich  an  einem  Gestellie,  durch  welches 
sie  auf  und  nieder  bewegt  werden  konnte,  wobei  jedoch 
der  Mittelpunkt  der  Platte  stets  senkrecht  unter  der  Oeff- 
nung  blieb,  durch  welche  das  Wasser  ausflofs. 

Die  Platte  hing  im  Wasser  in  einem  Gefäfse,  das  3  Fufs 
Durchmesser  und  2  Fufs  Höhe  hatte,  und  in  welchem  der 
Stand  des  Wassers  unverändert  blieb.  Die  Oeffnung,  aus 
welcher  der  Strahl  hervorging,  befand  sich  4  Zoll  unter  der 
Oberfläche. 

Auch  bei  diesen  Versuchen  zeigten  sich  ähnliche  Zu- 
nahmen der  Wirkung  gegen  die  Platte  und  zwar  sowohl 
wenn  der  Strahl  vollkommen  vertical  niederging,  bevor  das 
Wasser  in  das  Gefäfs  gebracht  war,  als  auch  wenn  der- 
selbe unter  einem  Winkel  von  10  Grad  das  Centrum  der 
horizontalen  Platte  traf;  wie  diefs  aus  No.  XIII.  der  fol- 
genden Tabelle  hervorgeht. 


19 


OelTnang. 

Verlicaler  Strahl. 

n»*«.k.»      Abstand        Gewicht  m  Grammes, 
Druck-       "°J^™-    der  Platte                     um  die 
höhe.          PUiie         ^^^  ^^         Platte  m  ihre  Lage  eu- 

Oeflnung.                 ruckzufuhren. 

In  dunner 

Wand. 

Durchmesser 

8'10"Rhl. 

=  2,772 

M^tres. 

200"" 

50mm 

100 
150 
200 

No.  XI.     No.  XII. 
29,5            29,0 
30,5           30,5 
31,0           31,0 
30,5           30,5 

DesgL 

Der  Strahl 

machte  emen 

Winkel  von 

10®  mi't  der 

Verticalen. 

Desgl. 

Desgl. 

50"" 
100 
150 
200 

No.  xin. 

29,0 
30,7 
31,0 
30,5 

Glas- 
rohr 10"""» 
lang,  nahe 
3mm  Durch- 
messer. 

Desgl. 

Desgl. 

20"" 

30 

50 
100 
150 
200 

No.  XIV. 
26,0 
26,5 
27,5 
28,5 
29,0 
28,5 

Glasrohr 
65,"™  lang, 
6««  Durch- 
messer, unten 
susammenge- 
sdimolzen  bis 
Rufnähe  3*"™. 

Desgl. 

Desgl. 

20™™ 

50 
100 
150 
200 

No.  XV. 
23,5 
25,5 
26,5 
26,5 
26,0 

Glasrohr 
65™"  lang, 
aber  überall 
von  demsel- 
ben Durchm. 
von  3,3™". 

• 

Desgl. 

Desgl. 

20™™ 

50 
100 
150 
200 

No.  XVl. 
28,5 
29,5 
30,8 
31,3 
30,9 

30.  Später  §.  41 .  werde  ich  auf  die  Erklärung  dieser  Er- 
scheinuDg,  dafs  die  Wirkung  des  gegen  eine  Platte  sich 
bewegenden  Wassers  mit  der  Entfernung  zunimmt,  zurück- 
kommen. Zunächst-  schien  es  mir  von  Interesse  die  Art 
und  Weise  wie  das  einströmende  Wasser  sich  mit  dem 
schon  Torhandenen  mischt,  genauer  zu  verfolgen. 

Ich  liefs  deshalb  das  Wasser  durch  eine  Oeffnung  von 
2  bis  3  Millim.  im  Durchmesser  und  unter  dem  Drucke 

2* 


20 

einer  Wassersäule  tod  7  Fois,  horizontal  in  ein  Gefafs 
einströmen,  Ton  dem  zwd  Seitenwände  ans  Glas  ond  nur 
0,5  Zoll  Ton  einander  entfernt  waren.  Indem  der  Strahl 
anf  der  sdimalen  Seite  desselben  in  der  Mitte  der  Höhe 
eintrat,  konnte  er  sidi  nur  nadi  unten  ond  oben  ausbrei- 
ten, nnd  es  war  bei  der  geringen  Dicke  der  Wasserschicht 
zn  hoffen,  dais  man  im  Stande  sejn  wQrde,  dm  Vorgang 
innerhalb  derselben  näher  zn  beobachten. 

Das  Geßlls  mnCste  in  einiger  Entfernung  von  der  Ein- 
strömungs-Oeffnnng,  bei  Ä  Fig.  11.  Taf.  I.,  beträchtlidi  brei- 
ter gemacht  werden,  weil  sonst  der  Widerstand  durch  die 
Reibung  längs  der  Seitenwände  zu  grofs  war.  Auch  hatte 
dasselbe  an  der,  der  Einströmungs-Oefifhung  gegenOberlie- 
genden  Seite,  )[>ei  B,  einen  Ausschnitt  zum  Abflufs  des  Was- 
sers, so  dafs  das  Niveau  desselben  unverändert  blieb.  Um 
den  Strahl  besser  beobachten  zu  können  brachte  idi  ver- 
schiedene undurchsichtige  Körper,  Semen  Lycopodii  und 
statt  dessen  auch  Milch  in  das  Wasser,  aber  die  Bewegung 
war  stets  so  unruhig  nnd  heftig,  dafs  sich  keine  scharfe 
Beobachtung  anstellen  liefs.  Indefs  zeigte  dieser  Versudi 
eine  andere  Erscheinung  die,  wiewohl  sie  eine  unmittelbare 
Folge  aus  den  froher  mitgetheilten  Versuchen  ist,  doch  nicht 
ohne  Interesse  seyn  möchte.  Die  Oeffnung  durch  welche 
das  Wasser  in  das  Gefafs  einströmte,  lag  etwa  2  Zoll  un- 
ter der  Oberfläche  des  darin  befindlichen  Wassers,  nnd  3,5 
Zoll  tiber  dem  Boden  des  Geräfses.  Sobald  das  Einströ- 
men begann,  sank  die  Oberfläche  in  dem  schmalen  Theile 
des  Gefäfses  und  zwar  nahm  dieselbe  verschiedene  Vertie- 
fungen an,  je  nachdem  das  Wasser  mit  gröfscrer  oder  ge- 
ringerer Gewalt  einströmte.  Oft  sank  sie  zunächst  der  Ein- 
strömungs- Oeffnung  bis  unter  diese  hinab.  Wenn  diefs 
geschah,  so  entstand  ein  heftiges  Schäumen*  und  dabei  blieb, 
so  lange  noch  Wasser  mit  hinreichender  Gewalt  einströmte, 
die  Oberfläche  an  dieser  Stelle  niedriger  als  die  Einströ- 
mungs- Oeffnung.  Vermied  man  aber  ein  so  bedeutendes 
Sinken  der  Oberfläche,  und  blieb  die  Oeffnung  f  unter  der- 
selben, so  zeigten  sich  mehrere  Vertiefungen,  wie  sie  in 


21 

Fig.  11.  Taf.  I.  angedeutet  sind.  Vermehrte  maD  akdanu 
durch  vollständiges  Oeffnen  des  Hahns  C  die  zuströmende 
Wassermasse,  so  wurde  die  Vertiefung  bei  d  geringer,  da- 
gegen blieb  die  bei  e>  die  etwa  iu  einer  Entfernung  von 
5  Zoll  von  der  Oeffnung  f  lag,  fast  unverändert.  In  allen  die- 
sen Fällen  bewegte  sich  das  Wasser  unten  und  oben  aus  dem 
weiteren  Theile  AB  des  Geföfses  in  den  engereji  AD  zurück, 
also  der  Richtung  des  durch  f  einströmenden  entgegen. 
Uiefs  giebt  einen  neuen  Beweis  dafür,  dafs  ein  nicht  un- 
bedeutender Theil  des  ruhenden  Wassers  von  dem  ein- 
strömenden beständig  mit  fortbewegt  wird.  Dadurch  ent- 
stehen neben  der  einströmenden  Masse  wirbelnde  Bewegun- 
gen des  Wassers,  die  hier  bei  g  deutlich  zu  sehen  waren. 
Eine  nähere  Beobachtung  des  Vorgangs  im  Innern  war  aber 
bei  der  Unruhe,  welche  durch  die  rückgängige  Bewegung 
des  Wassers  in  der  oberen  Schicht  eintrat,  unmöglich.  Um 
daher  diesen  Vorgang  im  Inneren  des  einströmenden  Was- 
sers näher  kennen  zu  lernen,  habe  ich  eine  andere,  wenn 
auch  etwas  mühsamere  Methode  gewählt. 

31,  Wasser  das  frei  von  Kochsalz  und  Chlorwasser- 
sloffsäure  war,  strömte  in  ein  grofses  weites  Gefäfs  in  dem 
sich  Wasser  befand,  das  etwa  1  Proc.  Kochsalz  enthielt. 
Um  die  Quantität  dieses  Salzes  in  der  Auflösung  genau 
zu  bestimmen,  wurde  ein  abgemessenes  Volumen  derselben, 
gewöhnlich  10  Cub.  Cent.,  mittelst  einer  Pipette  in  eine 
Flasche  gebracht,  und  dann  so  lange  mit  einer  normalen 
Auflösung  von  salpetersaurem  Silber  versetzt,  bis  kein  Nie- 
derschlag mehr  entstand.  Aus  dem  Volumen  der  normalen 
Auflösung  von  salpetersaurem  Silber,  das  zur  Fällung  nö- 
thig  gewesen  war,  ergab  sich  die  Quantität  des  Kochsalzes. 
Es  ist  diefs  die  umgekehrte  Methode  von  der,  welche  Ga  j- 
Lussac'für  die  Bestimmung  des  Silbers  eingeführt  hat. 
Bei  einigpr  Uebung  kann  man  den  Gehalt  an  Chlornatrium 
bis  auf  0,01  Proc.  sicher  bestimmen.  Liefs  man  nun  Was- 
ser das,  wie  schon  erwähnt,  frei  von  Kochsalz  und  Chlor- 
wasserstoffsäure sejn  mufste,  in  diese  Salzlösung  einströ- 
men, und  fing  man  in  dem  so  entstehenden  Strahle  an  ir- 


22 

gend  einer  Stelle  eine  Quantität  der  Flüssigkeit  mit  der 
Vorsicht  auf,  dafs  sich  dadurch  die  Bewegung  in  dem  Strahle 
nicht  änderte,  so  ging  aus  der  Menge  des  Kochsalzes  in 
dieser  Flüssigkeit  hervor,  in  welchem  Verhältnifs  sich  das 
einströmende  Wasser  mit  der  im  Gefäfs  Yorhandenen  Salz- 
lösung an  dieser  Stelle  gemischt  hatte. 

32.  Um  die  Flüssigkeit  an  irgend  einer  Stelle  des  Strahls 
aufzufangen,  Dediente  ich  mich  einer  Glasröhre  abc  Fig.  12. 
Taf.  I.,  die  in  eine  feine  Spitze  bei  a  ausgezogen  war.  Der 
zugespitzte  Theil  war  horizontal  und  wurde  in  die  Rich- 
tung des  horizontal  einströmenden  Wassers  gebracht,  hin- 
ter dieser  Zuspitzung  bog  sich  die  Röhre  nach  oben  und 
ragte  über  die  Oberfläche  des  Wassers  hervor.  Hier  war 
mittelst  Kautschuk  eine  andere  Röhre  cd  angesetzt  die  ab- 
wärts geneigt  werden  konnte.  Die  Röhre  abc  war  an  d- 
nem  starken  Brette  gh  gut  befestigt,  das  auf  einem  ande- 
ren, quer  über  das  Gefäfs  AB  CD  fest  angebrachten  Brette, 
sicher  vor  und  rückwärts  sowie  auch  seitwärts  bewegt  wer- 
den konnte.  Die  Spitze  der  Glasröhre  hatte  eine  Oeffnung 
von  l'^  innerem  und  1,5™"  äufserem  Durchmesser,  und 
verjüngte  sich  allmälig,  so  dafs  der  Widerstand,  weldien 
sie  für  die  Bewegung  des  Wassers  darbot,  zu  gering  war 
um  diese  wesentlich  zu  ändern.  Wurde  diese  Spitze  in 
nicht  zu  grofser  Entfernung  von  der  Oeffnung  f  angebracht, 
durch  welche  das  Wasser  einströmte,  so  war  die  Bewegung 
hinreichend,  um  das  Wasser  in  dieselbe  hinein  und  in  def 
Röhre  abc  so  hoch  hinauf  zu  treiben,  dafs  es  durch  cd 
abfliefsen,  und  in  einem  untergehaltenen  Glase  aufgefangen 
werden  konnte.  Die  ersten  Portionen  die  hierbei  ausflös- 
sen enthielten  noch  die  Salzlösung,  welche  in  der  Röhre 
vor  dem  Beginn  des  Versuches  enthalten  war,  und  erst 
die  späteren  hatten  die  Zusammensetzung,  welche  der  Flüs- 
sigkeit an  dem  Punkte  a  in  dem  Strahle  entspricht.  Es 
wurde  deshalb  die  ausfliefsende  Flüssigkeit  in  3  Portio- 
nen aufgefangen,  deren  beide  letzte  dieselbe  Zusammen- 
setzung zeigen  mufsten,  wenn  das  Resultat  als  richtig  be- 
trachtet werden  sollte.   Später  hatte  übrigens  die  Erfahrung 


23 

sehoD  gelehrt,  wie  viel  aosfliefseD  mufste,  um  eidier  zu 
seja,  dafs  die  früher  im  Bohre  befiDdlicbe  Flüssigkeit  gauz 
ealfernt  sej. 

Durch  das  in  die  Salzlösung  ciDstrÖmende  "Wasser  8a- 
dert  sich  zvrar  die  CoDceotratioa  derselben,  allein  diese 
Aenderung  war  während  der  kurzen  Daner  eines  Versaches 
immer  nur  sehr  unbedeutend.  Vor  jedem  neuen  Versuch 
wurde  die  QnaDlitat  des  Salzes  in  der  in  dem  Get&lse  AB 
befindlichen  Lösung  von  neuem  bestimmt. 

33.  Vorzüglich  war  es  interessant  zn  erfahren  ob  die 
Salzlösung  bis  in  die  Mitte  des  eiDstrOmenden  Wasserstrah- 
les gelauge.  Es  wurden  deshalb  zunäcfasl  Versuche  ange- 
stellt, bei  welchen  sich  die  Spitze  stets  in  der  Mitte  die- 
ses Strahles,  aber  in  verschiedenen  Entfernungen  von  der 
OcfTuung  ff  durch  welche  das  Wasser  einströmte,  befand. 
Um  die  Mitte  des  in  der  Salzlösung  entstehenden  Strahls 
sicher  ermitteln  zu  können,  wurde  die  Salzlösung  aus  dem 
Getä&e  AB  abgelassen,  and  die  Spitze  iu  die  Mitte  des 
in  das  leere  Gefäfs  etuströmenden  Wassers  gebracht.  Dana 
wurde  die  Salzlösung  wieder  eingefQlit  and  die  Bestinunong 
iu  der  erwähnten  Art  vorgeuommen. 

Die  Resultate,  welche  so  erhalten  worden,  sind  in  der 
folgenden  Tabelle  zusaminengeBtelll,  in  den  vier  ersten  Co- 
Inmnen'  siud  die  uumillelbar  beobachteten  Zahlen  enthal- 
ten, die  fünfte  ergiebt  sich  aus  der  dritten  und  vierten. 

Die  SpilEC  In  der  Mitte  dea  Strahls. 


Wurde  die  Sfülze  so  weit  genabelt,  dab  sie  ücb  dicht  - 
Tor  der  3"   wdleo  Oefboiig  befuid,  dardi  wdcbe  das 
'Wmsw  in  AB  einstrOmte,  so  drang  nor  reines  Wasser 
ehat  eine  Spar  der  Salzlösung  in  dieselbe  ein. 

34.  Die  Versdiiedenheiten,  ivelcbe  skh  fBr  die  Ver- 
aodie  «geben,  bei  denen  die  Spitxe  in  derselben  Enlfei^ 
nang  angebracht  war,  haben  ihren  Grand  darin,  da(s  die 
geringste  Abweicbong  von  der  Mitte  des  Strahls  «ne  grofse 
VersdiiedMilieit  in  der  Misdtoog  der  FlOssigkeit  bedingL  Um 
za  erfahren,  wie  bedeotend  diese  VersdiiedeDheit  is^  wur- 
den einige  Versncfae  angestellt,  bei  weiden  die  Spitxe  aas 
der  Mitte  des  durch  die  Oednaog  von  5^  einstrttanenden 
Strahls  gerflckt  war,  theils  bis  an  den  Sulseren  Band  des 
in  die  Lnft  aasstrOmendai  Wassers,  wobei  die  Mitte  der 
Spitze  um  l,75~~  tos  der  Mitte  des  Strahls  entfernt  war, 
tbeils  anch  noch  mehr  seitlich,  bo  dals  die  Mitte  der  Spitze 
um  2.5  bis  3,0™  von  der  Mitte  des  Strahls  abstand,  wo- 
bei sich  das  Wasser,  wenn  es  in  die  SalzlOeong  einstrOmlc^ 
noch  mit  hinreichender  Kraft  in  die  Spitze  hinein  bewegte, 
am  dnrch  die  Röhre  cd  wieder  abzaflielsen. 

Die  Resultate  dieser  Versuche  sind  in  der  folgenden 
Tabelle  zusammengeslellL 


25 


No.d. 
Ver- 
suchs. 

Entfer- 
nung d. 
Spitze 
von  der 
Oeff. 
nung'). 

Die  Spitze  be- 
fand sich 

Salzgehalt 
in  AB  vor 
dem  Ver- 
suche. 

Salzgelialt  d. 
durch  die 
Spitze  er- 
haltenen 
Flüssigkeit. 

Die  durdi  die  Spitze 

erhaltene  Flüssigkeit 

bestand  ans: 

Salzlo-      Wasser. 
sung. 

13. 

IQoua 

in  der  Mitte 

0,89  Proc. 

0,03  Proc. 

3,4  Proc. 

96,6  Proc 

» 

» 

1,75««  seitl. 

1,08     » 

0,23     » 

21,3     » 

78,7     >» 

» 

M 

3,00«"  seitl. 

0,94     » 

0,42    ^ 

44.7     » 

55,3    » 

6. 

20« 

in  der  Mitte 

0,98    » 

0,16     » 

16,4    » 

83,6    » 

» 

» 

1,75««  seitl. 

1,06    » 

0,40     » 

37,7     » 

62,3    » 

» 

)» 

2,50««  seitl. 

0,99    » 

0,45     )• 

45,5     » 

54,5    » 

11. 

30«« 

in  der  Mitte 

0,99    » 

0,22     » 

22,0     » 

78,0    » 

» 

» 

1,75««  seitl. 

0,97     » 

0,46    » 

47,4    ). 

52,6    » 

» 

» 

2,50««  seitl. 

0,96    » 

0,56    » 

58,3    » 

41,7     p 

Es  geht  hieraus  hervor,  dafs  die  Quantität  der  Salz- 
lösung bedeutend  zunimmt,  wenn  man  die  Spitze  von  der 
Mitte  entfernt,  und  dafs  ein  wirkliches  Eindringen  der  schon 
vorhandenen  in  die  einströmende  Flüssigkeit  stattfindet. 

35.  Ich  wende  mich  nun  zu  der  Erklärung  dieser  Er- 
sdieinnngen.  Nach  dem  gegenwärtigen  Zustande  der  Wis- 
senschaft ist  eine  streng  mathematische  Herleitung  derselben 
leider  nicht  möglich,  die  folgende  Betrachtung  kann  aber, 
wie  ich  glaube,  dazu  dienen  dieselben  vollständig  zu  er- 
klären. 

Denkt  man  sich  eine  Flüssigkeit,  welche  in  die  gleich- 
artige Substanz,  die  in  einem  Gefäfse  enthalten  ist,  das  als 
unbegränzt  betrachtet  werden  kann,  durch  eine  Oeffnung 
einströmt,  welche  hinreichend  tief  unter  der  Oberfläche 
liegt,  so  breitet  sich  der  auf  diese  Weise  in  der  Flüssig- 
keit entstehende  Strahl  continuirlich  aus,  d.  h.  seine  auf 
der  Axe  senkrechten  Querschnitte  werden  continuirlich  grö- 
fser.  Zugleich  nimmt  die  Geschwindigkeit  in  demselben 
mit  der  Entfernung  von  der  Einströmungsöffnung  ab,  was 
man  beides  leicht  beobachten  kann. 

Ginge  hierbei  durch  jeden  gegen  die  Axe  des  Strahls 
senkrechten  Querschnitt  dieselbe  Menge  von  Flüssigkeit  in 
derselben  Zeit  hindurch,  so  würde  die  nachkommende  Masse 

1 )  Der  Durchmesser  der  Ocflnung,  durch  welche  das  Wasser  in  die  Salz- 
lösung einströmte,  betrog  5°>*". 


26 

hinreichend  seyu,  um  den  Raum  auszufüllen,  welchen  die 
vorhergehende  inne  halte. 

Wir  wollen  nun  untersuchen,  unter  welchen  Bedingun- 
gen diefs  möglich  Ist.  Betrachtet  man  zu  dem  Ende  eine 
bestimmte  Masse  der  einströmenden  Flüssigkeit,  z.  B.  die, 
welche  in  einer  Zeiteinheit  durch  die  Einströmungs-Oeff- 
nung  hindurchgeht,  so  wird,  wenn  dieselbe  sich  ausbreitet, 
ihre  Dicke  oder  Ausdehnung  in  der  Richtung  der  Axe  des 
Strahls  in  demselben  Verhältnisse  geringer,  als  ihr  Quer- 
schnitt oder  ihre  Ausdehnung  in  den  beiden  gegen  die  Axe 
senkrechten  Richtung  gröfser  wird.  Wenn  dabei  ihre  Ge- 
schwindigkeit zugleich  auch  in  diesem  Verhältnisse  abnähme, 
so  dab  beide,  sowohl  die  Geschwindigkeit  als  auch  die 
Dicke,  sich  umgekehrt  wie  die  Querschnitte  verhielten, 
dann  würde  diese  Masse  durch  jede  Ebene,  welche  senk- 
recht gegen  die  Axe  des  Strahls  ist,  in  derselben  Zeit  hin- 
durchgehen. Allein  wenn  diese  Bedingungen  erfüllt  würden, 
so  würde  die  Kraft,  mit  welcher  diese  Masse  sich  bewegt, 
in  demselben  Verhältnisse  geringer  werden  wie  ihre  Ge- 
schwindigkeit. 

Es  läfst  sich  aber  einsehen,  dafs  diefs  nicht  der  Fall 
sejn  kann.  Denn  wenn  man  von  dem  Verluste  an  bewe- 
gender Kraft  absieht,  welcher  durch  die  Reibung  der  Flüs- 
sigkeitstheilchen  entsteht,  und  wenn,  wie  oben  schon  vor- 
ausgesetzt worden,  die  Bewegung  in  einem  Gefäfse  stattfindet, 
welches  so  grofs  ist,  dafs  seine  Wände  keinen  Widerstand 
für  die  Bewegung  darbieten,  so  ist,  wenn  die  Oberfläche 
während  der  Bewegung  horizontal  bleibt  und  man  zunächst 
davon  ausgeht,  dafs  die  Druckverhältnisse  für  alle  Theile 
der  Flüssigkeit  während  ihrer  Bewegung  dieselben  wie  im 
Zustande  der  Ruhe  sind,  keine  Kraft,  vorhanden,  welche 
der  Bewegung  entgegenwirkte.  Es  wird  deshalb  kein  Theil 
von  dieser  bewegenden  Kraft  vernichtet  werden. 

Zwar  breitet  der  Strahl  sich  dadurch  aus,  dafs  die  an- 
kommende Masse  einen  Widerstand  in  der  ihr  vorherge- 
henden findet,  allein  da  dieser  Widerstand  von  vollkom- 
men beweglichen  Theilen  geleistet  wird  d.  h.  nur  auf  Trag- 


27 

heit  beruht,  so  bleibt  doch  die  bewegende  Kraft ,  welche 
in  der  Richtung  der  Axe  stattfindet,  unverändert,  und  des- 
halb ist,  sobald  die  Bewegung  permanent  geworden,  dieselbe 
bewegende  Kraft  während  der  Zeiteinheit  in  jeder  gegen 
die  Axe  des  Strahls  senkrechten  Ebene  wirksam. 

Bestände  das  Breiterwerden  des  Strahls  nur  darin,  dafs 
dieselbe  Masse  bei  ihrem  Fortschreiten  ihre  Form  ändert, 
und  einen  gröfseren  Querschnitt  annimmt,  so  könnte  sich 
ihre  Geschwindigkeit  nicht  ändern ;  dann  aber  würde  diese 
Masse  in  einer  um  so  kürzeren  Zeit  durch  die  verschiede- 
nen Querschnitte  des  Strahls  hindurchgehen,  jemehr  sie  sich 
ausgebreitet  hat.  Dadurch  würden  die  einzelnen  Schichten 
des  Strahls  sich  entweder  von  einander  trennen,  oder  es 
müfste  eine  Verdünnung  eintreten.  In  solchen  Fällen,  in 
denen  dafür  gesorgt  ist,  dafs  keine  andere  Masse  zutritt, 
wo  also  nur  diesselbe  Masse  sich  ausbreitet,  kann  man 
bei  tropfbar  flüssigen  Körpern,  wo  eine  Verdünnung 
nicht  möglich  ist,  wenigstens  eine  Druckabnahme,  und 
bei  luftförmigen  eine  wirkliche  Verdünnung  experimentell 
nachweisen,  wie  diefs  in  §.  14.  geschehen  ist.  Auch  ist 
diese  Abnahme  des  Drucks  schon  theoretisch  nachgewiesen 
(D.  BernouUi,  Hydrodynamica  Sectio  XII.  §•  9.  p.  262. 
Poisson,  TraiU  de  m^canique  2^'^  Edit  IL  pag.  730.). 
In  dem  Falle  aber,  wo  wie  hier  der  Strahl  in  der  gleich- 
artigen Substanz  sich  bewegt,  verursacht  die  Druckabnahme 
in  ihrem  Entstehen  sogleich  ein  seitliches  Zuströmen,  wo- 
durch sich  die  Masse  in  dem  Strahle  vermehrt. 

Mit  dieser  Vermehrung  der  Masse  nimmt  die  Geschwin- 
digkeit ab.  Da  aber  die  bewegende  Kraft  sich  nicht  än- 
dert, so  wird  durch  einen  entfernteren  Querschnitt  stets 
mehr  Flüssigkeit  in  derselben  Zeit  hindurchgehen,  als  durch 
einen  der  der  Einströmungs-Oeffnung  näher  ist. 

Da  der  Druck,  den  die  Flüssigkeit  in  ihrer  Bewegung 
ausübt,  geringer  ist  als  der  der  ruhenden,  so  könnte  man 
glauben,  dafs  die  Voraussetzung,  von  welcher  die  obige 
Betrachtung  ausgegangen  ist,  dafs  nämlich  kein  Theil  der 
bewegenden  Kraft  in  dem  Strahle  vernichtet  werde,  nicht 


28 

richtig  sej,  weil  eiu  Theil  dieser  Kraft  nöthig  zu  sejü 
scheint,  um  die  Flüssigkeit,  welche  im  Anfange  unter  ei- 
nem geringereu  Drucke  sich  befindet,  allmälig  unter  den 
gröfseren  Druck  zu  versetzen,  oder  um,  wenn  statt  der 
tropfbaren  eine  luftförmige  Masse  vorhanden  ist,  diese  zu 
verdichten. 

Allein  diefs  ist  deshalb  nicht  der  Fall,  weil  die  Ver- 
minderung dieses  Drucks  gerade  dadurch  entstanden  ist, 
dafs  die  vorangehende  Flüssigkeit  schneller  durch  einen 
Querschnitt  des  Strahls  hindurchgeht  als  die  nachfolgende. 
Wenn  daher  durch  die  Druckverschiedeuheit  die.  Geschwin- 
digkeit der  ursprünglich  sich  bewegenden  Masse  vermindert 
wird,  so  wird  auch  gerade  durch  sie  die  seillich  vorhan- 
dene, vorher  ruhende  Masse  mit  in  Bewegung  gesetzt,  und 
dadurch  der  Verlust  an  bewegender  Kraft  wieder  ausge- 
glichen. 

Es  ergiebt  sich  hieraus: 

1)  dafs  in  einem  Strahle,  welcher  entsteht,  webn  eine 
Flüssigkeit  in  eine  gleichartige  Masse  einströmt,  durch  je- 
den Querschnitt,  welcher  weiter  von  der  Einströmungs- 
Oeffnung  entfernt  liegt,  in  derselben  Zeit  mehr  Flüssigkeit 
hindurchgeht,  als  durch  einen  näher  liegenden,  und 

2)  dafs  in  Folge  hiervon  der  Druck  der  Flüssigkeit  wäh- 
rend der  Bewegung  in  dem  Strahle  geringer  ist  als  im  Zu- 
stande der  Ruhe. 

36.  Mit  Hülfe  dieser  beiden  Sätze  erklären  sich  die 
oben  beschriebenen  Erscheinungen  sehr  einfach.  Bei  dem 
in  §.  4.  erwähnten  Versuche  von  Venturi,  bewegt  sich 
durch  den  Querschnitt  SM  des  Kanals  SMVR  Fig.  1.  Taf.I. 
mehr  Wasser,  als  in  derselben  Zeit  durch  die  Röhre  CA 
zufliefst,  es  mufs  folglich  von  dem  in  dem  Gefäfse  enthal- 
tenen Wasser  mit  fortgeführt  werden. 

Ebenso  bewegt  sich  in  dem  in  §.  5.  beschriebenen  Ver- 
suche durch  die  weite  Röhre  ABC  Fig.  2.  Taf.  I.  in  der- 
selben Zeit  mehr  Flüssigkeit,  als  durch  die  enge  Röhre 
bei  a  zufliefst,  und  da  hier  kein  Zuströmen  von  der  Seite 
stattfinden  kann,  so  dringt,  in  Folge  der  Verminderung  des 


29 

Drucks  y  darch  die  Oeffoung  BC  die  Flfissigkeit  aus  der 
Ablheilang  HF  des  Geföfses  EDGF.  Dadurch  sinkt  die 
Flüssigkeit  in  dieser  Abtheilung.        ^ 

37.  Sinkt  aber  die  Oberfläche  der  Flüssigkeit  in  der 
Abtheiinng  HF  irährend  dieselbe  in  der  Abiheilung  HE 
unverändert  bleibt,  so  wirkt  der  Druck,  welcher  durch  den 
Unterschied  der  Niveaus  entsteht,  der  Bewegung  entge* 
gen,  und  es  nimmt  dadurch  die  bewegende  Kraft  ab,  so 
dafs  dieselbe  in  dem  Querschnitte  der  Röhre  AB  bei  A 
geringer  ist  als  die,  welche  während  derselben  Zeit  itt  der 
engen  Röhre  bei  a  wirksam  ist.  Mit  dieser  Abnahme  wird 
aber  auch  die  Quantität  der  Flüssigkeit  geringer,  welche 
in  der  Zeiteinheit  durch  den  Querschnitt  hindurchgeht.  Es 
wird  daher  die  Oberfläche  in  der  Abtheilung  HF  so  lange 
sinken  bis  die  Masse  der  Flüssigkeit,  welche  in  der  Zeit- 
einheit durch  einen  Querschnitt  der  weiten  Röhre  bei  A 
hindurchgeht,  ebenso  grofs  ist  als  die,  welche  in  derselben 
Zeit  durch  a  sich  bewegt.  —  Der  Unterschied  der  Niveaus 
giebt  die  oben  §.  35.  erwähnte  Verminderung  des  Drucks 
der  einströmenden  Flüssigkeit  zu  erkennen. 

38.  Wenn  die  Verhältnisse  bei  diesem  Versuche  so 
sindy  dafs  nachdem  die  Flüssigkeit  in  der  Abtheilung  HF 
bis  an  den  untern  Rand  der  Röhre  bei  C  gesunken  ist, 

-der  Unterschied  in  dem  Stande  der  Flüssigkeit  in  beiden 
Abtheilungen  noch  nicht  hinreicht,  um  die  bewegende  Kraft, 
welche  in  der  Richtung  des  Strahls  wirksam  ist,  so  weit 
zu  vermindern,  dafs  in  Folge  dieser  Verminderung  durch 
die  weite  Röhre  in  derselben  Zeit  ebenso  viel  hindurch- 
geht als  durch  die  OeffuuDg  bei  a  eintritt;  so  erfährt  das 
Wasser  während  der  Bewegung  in  dieser  Röhre  von  A 
her  einen  geringeren  Druck  als  von  £,  wiewohl  der  sta« 
tische  Druck  d.  i.  der,  welcher  wirksam  wäre,  wenn  die 
Flüssigkeit  sich  nicht  bewogte,  von  B  her  nur  der  Druck 
der  Atmosphäre,  von  A  aber  der  der  Atmosphäre  und  noch 
der  durch  den  Unterschied  der  Niveaus  hervorgebrachte 
ist.'  In  Folge  dieses  stärkeren  Drucks  bei  B  tritt  die  Luft 


30 

durch  diese  Röhre  in  das  Wasser  hiDein,  wie  diefs  in  dem 
in  §.  6.  beschriebenen  Yersnche  sich  gezeigt  hat. 

39.  Aus  demselben  Grunde  tritt  auch  bei  dem  in  §.  7* 
erwähnten  Versuche,  wo  durch  einen  dönnen  Strahl  das 
Ausflieüsen  aus  einer  weiten  Röhre  gehemmt  wird,  die  Luft 
durch  diese  Röhre  in  das  Wasser  hinein,  und  «zwar  so 
lange  bis  die  Flüssigkeit  in  dem  Gefäfse  A  Fig.  3.  Taf.  I. 
eine  solche  Höhe  erreicht  hat,  dafs  innerhalb  der  Röhre 
der  Druck  von  beiden  Seiten  derselbe  geworden  ist.  Wird 
von  der  innern  Seite  des  Gefäfses  der  Druck  noch  gröfser, 
so  beginnt  das  Wasser  abzufliefsen. 

40.  Nimmt  während  das  Wasser  durch  die  Röhre  de 
Fig.  8.  Taf.  I.  fliefsty  auch  der  Druck  ab,  welchen  die  Luft 
ausübt,  die  sich  in  dieser  Röhre  befindet,  wie  in  dem  Ver- 
suche §.  13.;  so  wird  nur  so  lange  die  Luft  in  das  Was- 
ser eindringen  und  mit  diesem  fortbewegt  werden,  bis  in 
der  Röhre  die  Gleichheit  des  Drucks  von  beiden  Seiten 
sich  hergestellt  hat. 

41.  Die  Zunahme  der  Wirkung  des  gegen  eine  Platte 
strömenden  Wassers,  welche  sich  in  den  in  §.  27  bis  §.  29. 
beschriebenen  Versuchen  herausgestellt  hat,  findet,  wie  ich 
glaube,  auch  ihre  Erklärung  darin,  dafs  der  Druck  der  sich 
bewegenden  Flüssigkeit  geringer  ist  als  der  der  ruhenden. 
Es  bewegt  sich  nämlich  die  Flüssigkeit,  welche  eine  ebene 
Platte  trifft,  wenn  diese  grofs  genug  ist,  längs  derselben 
hin,  und  auch  bei  dieser  Bewegung,  parallel  der  Platte^ 
wird  der  Druck,  welchen  die  Flüssigkeit  während  ihrer 
Bewegung  ausübt  geringer  sejn,  als  er  im  Znstande  der 
Ruhe  wäre.  Es  wird  deshalb  der  Druck,  welcher  gegen  die 
Platte  von  der  Seite,  wo  die  Flüssigkeit  sich  bewegt,  ausgeübt 
wird,  geringer  seyn  als  von  der  hinteren  Seite,  wo  die  ru- 
hende Flüssigkeit  gegen  die  Platte  drückt,  und  zwar  wird 
der  Unterschied  des  Drucks  um  so  gröfser  sejn,  je  gröfser 
die  Geschwindigkeit  ist,  mit  welcher  die  Flüssigkeit  längs 
der  Platte  hinströmt  und  je  gröfser  das  Stück  der  Platte 
ist  mit  dem  sie  sich  parallel  bewegt.  Die  Geschwindigkeit 
aber  ist   offenbar   gröfser   wenn    die   Platte   der  Einströ- 


31 

mungs-Oeffnung  näher  ist,  als  wenn  sie  weiter  von  ihr 
absteht  und  ebenso  ist  bei  dieser  näher  befindlichen  Platte, 
bei  weldier  der  Strahl  sich  noch  weniger  ausgebreitet  hat, 
das  StQck  gröfser,  neben  welchem  sich  die  Flüssigkeit  pa- 
rallel bewegt.  Je  näher  daher  die  Platte  der  Einströmnugs- 
OefTnnng  ist,  um  so  gröfser  ist  die  Differenz  des  Dmcks 
den  sie  von  beiden  Seiten  erfährt,  und  deshalb  ist  die  Kraft, 
welche  erfordert  wird,  um  die  Platte  im  Gleichgewicht  zu 
erhalten,  geringer,  wenn  sie  der  Einströmungs-Oeffnung 
näher  ist,  als  wenn  sie  weiter  von  ihr  absteht,  bis  bei 
zunehmender  Entfernung  jene  Differenz  des  Drucks  ver- 
schwindet. 

42.  Auf  eine  ähnliche  Weise  ist  leicht  zu  erklären 
weshalb,  wenn  zwei  Platten  unter  Wasser  in  geringer  Ent- 
fernung parallel  einander  gegenfiberstehen,  und  ein  Was- 
serstrahl durch  die  Mitte  der  einen  mit  einiger  Gewalt 
eintritt,  sie  sich,  wie  Hachette  gezeigt  hat,  zu  einander 
bewegen,  und  ebenso  auch  weshalb  solche  in  der  Luft 
befindliche  Platten  sich  zu  einander  bewegen,  wenn  durch 
die  Mitte  der  einen  die  Luft  mit  einiger  Geschwindigkeit 
gegen  die  andere  strömt. 

43.  Aus  dem  seitlichen  Zuströmen,  welches  stattfindet, 
wenn  eine  Flüssigkeit  in  die  gleichartige  Substanz  einströmt, 
(§.31  bis  §.34.)  ergiebt  sich  als  eine  nothwendige  Folge,  dafs 
wenn  diefs  Einströmen  mit  hinreichender  Geschwindigkeit 
geschieht,  eigen thümliche  wirbelnde  Bewegungen  entstehen 
müssen,  wie  diefs  auch  der  in  §.  30  beschriebene  und  auf 
Fig.  11.  Taf.  L  abgebildete  Versuch  deutlich  zeigte.  Wenn 
die  Oeffnung  nicht  zu  klein,  und  namentlich  in  verticaler 
Richtung  ziemlich  ausgedehnt  ist,  so  können  bei  hinrei- 
chender^ Geschwindigkeit  des  Wassers  trichterförmige  Ver- 
tiefungen entstehen,  weil  das  Wasser  im  Innern  einer  sol- 
chen wirbelnden  Bewegung  dem  am  Rande  derselben  sich 
bewegenden  fortwährend  zuströmt,  wodurch  der  Druck  in 
der  Mitte  vermindert  wird. 

44.  Ein  ganz  ähnlicher  Vorgang  findet  auch  bei  luft- 
förmigen  Körpern  statt.    Es  wird  genügen  an   die  eigen- 


32 

thilmlichen  Bewegungen  des  aufsteigenden  Raudies.za  er« 
Innern.  Aber  auch  die  spiralförmige  Fortpflanzung ,  die 
man  bei  heftigen  Winden  und  Stürmen  beobachtet  hat, 
beruhen,  wenn  ich  nicht  irre,  auf  einem  solchen  Zuströmen 
der  Luft  nach  der  in  Bewegung  befindlichen.  Selbst  das 
merkwürdige  Phänomen  der  sogenannten  Wasserhosen  läfst 
sich  leicht  hierdurch  erklären,  denn  wenn  ein  Wind  mit 
hinreichender  Geschwindigkeit  sich  wirbeiförmig  in  einiger 
Höhe  über  dem  Wasser  bewegt,  so  wird  die  Luft  im  In- 
nern dieser  Wirbel  zu  der  am  Rande  sich  bewegenden 
hinströmen,  es  wird  dadurch  der  Luftdruck  im  Innern  die- 
ser Wirbel  vermindert  und  in  Folge  dessen  hebt  sich  das 
Wasser  und  nimmt  an  jener  wirbelnden  Bewegung  mit  An- 
theil.  Aehnliche  Erscheinungen,  die  auf  dem  seitlichen  Zu- 
strömen einer  Flüssigkeit  beruhen,  liefsen  sich  noch  manche 
anführen,  doch  mögen  diese  genfigen. 

Zusatz  über  das  Wassertrommel-GeblSse. 

Zum  Schlufs  kann  ich  nicht  unterlassen  noch  eine  Vor- 
richtung anzuführen,  die  auf  den  vorher  §.  15  bis  §.  22  er- 
wähnten Erscheinungen  des  Eindringens  von  Luft  in  eine 
Flüssigkeit  beruht.  Es  ist  diefs  das  sogenannte  Wasser- 
trommel-Gebläse, das  nach  Grignon^)  etwa  ums  Jahr 
1640  in  Italien  erfunden  seyn  soll.  •  Ein  solches  ist  in 
Fig.  13.  Taf.  I.  nach  der  Beschreibung  abgebildet,  welche 
Richard  in  seinen  „Etudes  sur  Part  d'extraire  immidia' 
tement  le  fer  de  ses  minirais  p.  169^^  giebt. 

B  ist  ein  Behälter  der  durch  den  Kanal  Z  stets  voll 
Wasser  gehalten  wird. 

A  und  A  sind  zwei  Röhren  oder  ausgehöhlte  Bäume 
etwa  13  Fufs  hoch,  von  denen  hier  die  eine  im  Durch- 
schnitt dargestellt  ist. 

C.  C  ist  ein  luftdicht  schliefsender  Kasten  von  Holz 
oder  auch  ein  Fafs. 

Die 

1)  Memoires  de  Physique  p.  196. 


33 

I 

Die  Röhr^i  ÄÄ  werden  nach  oben  etwas  weiter.  An 
dieser  Stelle  sind  2  gegen  einander  geneigte  Bretter  pp  in 
eine  jede  eingesetzt,  welche  eine  trichterförmige  Veren« 
gong  bilden  und  durch  die  Hölzer  tt  von  einander  entfernt 
gehalten  werden. 

Unter  dem  unteren  Rande  dieser  Bretter  sind  in  den 
Röhren  mehrere  Oeffnungen  ee  angebracht,  durch  welche 
Luft  eindringen  kann.  Aehnliche  Oeffnungen  befinden  sich, 
nach  Richard's  Angabe,  auch  etwa  in  der  halben  Höbe 
dieser  Röhren  bei  e'e\  doch  fliefst  durch  diese,  wie  er  an- 
führt, zuweilen  Wasser  aus,  weshalb  es  wohl  zweckmäfsiger 
seyn  würde  sie  fortzulassen. 

Werden  die  konischen  Verschlusse  k  der  trichterförmi- 
gen Oeffnungen  pp  in  die  Höhe  gezogen,  so  fällt  das  Was- 
ser durch  die  Röhren  hinab,  und  es  wird  zugleich  Luft 
durch  die  Oeffnungen  ee  eingesaugt').  Indem  diese  von 
dem  Wasser  in  den  Kasten  CC  hinabgeführt  wird,  ver- 
mehrt sich  die  Luft  in  demselben,  und  strömt  durch  das 
Rohr  H  und  die  Oeffnung  bei  b  aus. 

In  dem  unteren  Theile  des  Kastens  CC  ist  bei  q  eine 
Oeffnung  angebracht,  durch  welche  das  herabfallende  Was- 
ser abflieCsen  kann.  Die  Gröfse  derselben  ist  so  abgegli- 
chen, dafs  die  Oberfläche  des  Wassers  in  dem  Kasten  CC 
niemals  bis  zu  dieser  Oeffnung  sinkt.  Um  dieCs  zu  errei- 
chen ist  gewöhnlich  vor  derselben  noch  ein  Kasten  ange« 
bracht,  in  dem  das  Wasser  erst  in  die  Höhe  steigen  mufs, 
um  über  seinen  oberen  Rand  fortzufliefsen. 

Soviel  auch  über  diese  Art  der  Gebläse^),   die  in  ei- 

1)  Statt  die  Luft  durch  die  Oeflnangcn  ee  einsaugen  su  lassen  hat  man 
anch  die  Einrichtung,  dafs  sUtt  der  Bretter  pp  in  jede  Rohre  zwei 
li5lKerD6  Trichter  eingesetzt  werden,  die  so  hoch  sind,  dafs  sie  über  die 
Oberflache  des  Wassers  hervorragen.  Das  Wasser  flieCit  dann  durch 
den  Zwischenranm  zwischen  diesen  Trichtern  in  die  Röhre  A  hinab, 
dadurch  sinkt  das  Wasser  in  den  Trichtern  selbst  und  es  tritt  durch 
dieselben  Luft  in  die  Röhre  hinein. 

2)  Dieselben  werden  hauptsächlich  bei  der  unmittelbaren  Gewinnung  des 
Schmiedeeisens  aus  den  Erzen  {Forces  catalanes)  benutzt,   und   nach 

PoggendoHTs  Annal.  Bd.  LXXX  3 


34 

nigen  Departements  des  sfldlichen  Frankreichs  sehr  viel  in 
Anwendung  sind,  geschrieben  worden,  und  so  ausführUdi 
und  genau  die  Beschreibung  ist,  welche  Richard  in  dem 
oben  erwähnten,  i.  J.  1838  zu  Paris  erschienenen,  "Werke 
davon  giebt,  so  ist  doch  der  eigentliche  physikalische  Grund, 
auf  welchem  das  Hinabdringen  der  Luft  beruht,  noch  ganz 
unbekannt. 

Richard  ist  auf  denselben  gar  nicht  eingegangen*  Von 
filteren  Schriftstellern  behauptete  im  vorigen  Jahrhunderte 
Justi  ^),  dafs  das  Wasser  sich  bei  heftiger  Bewegung  in 
Luft  verwandle,  und  Venturi^)  erklärte  im  Jahre  1800 
die  Wirkung  dieser  Gebläse  durch  die  seitliche  Mittheilung 
der  Bewegung  des -Wassers.  Eine  solche  würde  voraus- 
setzen ,  dafs  eine  so  starke  anziehende  Kraft  zwischen  Luft 
und  Wasser  vorhanden  -sej,  dafs  die  Luftblasen  bis  tief 
unter  die  Oberfläche  hinabgeführt  werden,  was,  wie  idi 
schon  früher  in  §.  16.  erwähnt  habe,  nicht  gut  denkbar  ist 
Aufserdem  habe  ich  dort  einen  Versuch  angeführt,  der,  wie 
ich  glaube,  diese  Ansicht  vollständig  widerlegt. 

Um  indefs  den  Vorgang  bei  dem  Wassertrommel -Ge- 
bläse näher  kennen  zu  lernen,  habe  ich  dasselbe  im  Klei- 
nen aus  Glas  nachgebildet,  in  der  Art  wie  es  in  Fig.  14. 
Taf.  I.  dargestellt  ist. 

JV  bezeichnet  den  Wasserbehälter,  an  welchem  die  6  Zoll 
lange  Röhre  ab  mittelst  eines  Korks  befestigt  ist  Das  un- 
tere Ende  derselben  ragt  in  das  obere  Ende  der  Röhre  cd. 
Diese  ist  6,5  Fufs  lang  und  hat  einen  Innern  Durchmesser 
von  1  Zoll.  Bei  d  geht  sie  durch  den  Kork ,  welcher  die 
Flasche  AB  verschliefst  und  endet  bei  g,  etwa  zwei  Zoll 
über  dem  Boden  der  Flasche.  Durch  den  Kork  d  geben 
noch  zwei  Röhren,  nämlich  de,  die  mittelst  des  Hahnes  e 
verschlossen  werden  kann,  und  hik,  die  als  Manometer 
dient  und  von  i  bis  k  mit  Quecksilber  gefüllt  ist. 

Richa.rd's  Angabe  bedienten  sich  im  Departement  de  l'Ari^ge  im  Jähre 
1838  alle  Schmieden,  bis  auf  eine  oder  swei,  nur  dieses  GreblSses. 

1 )  Schauplatz  der  Künste  und  Handwerke  Bd.  IL  S.  97.  Anmerk. 

2)  Gilberts  Annalen  UI,  129. 


35 

Wenn  die  R(riire  ab  an  ihrem  unteren  Ende  bei  b  eine 
Oeffuung  von  0,4  Zoll  im  Durehmesser  hatte  und  das  Was- 
ser durch  dieselbe  hinab  flofs,  so  wurde  eine  nicht  unbe« 
deutende  Menge  von  Luft  in  die  Flasche  AB  mit  hinab 
gerissen.  Es  verinehrte  sich  der  Druck ,  und  indem  das 
Manometer  bei  k  stieg,  hob  sich  zugleich  das  Wasser  in 
der  Röhre  cdg.  Durch  Oeffnen  des  Hahnes  e  wurde  das 
Ausströmen  der  Luft,  und  durch  den  Hahn  D  das  Abflie- 
fiseo  des  Wassers  aus  der  Flasche  so  geregelt,  dafs  der 
SCand'des  Wassers  in  cdg  auf  einer  constanten  Höhe  blieb. 
Lag  diese  etwa  3  Fufs  über  der  Oberfläche  AB  des  Was- 
sers in  der  Flasche ,  und  hatte  die  Oeffnung  b  wie  schon 
erwähnt  0,4  Zoll  im  Durdunesser,  so  sah  man  eine  Menge 
kleiner  Luftblasen,  die  sich  in  der  ganzen  Breite  des  Rohrs 
gleichförmig  mit  d^n  Wasser  hinab  bewegten.  War  der 
Durchmesser  bei  b  gröfser^  so  fand  die  Bewegung  schneller 
9tatt,  und  man  konnte  die  Blasen  nidit  mehr  gehörig  ver« 
folgen.  War  die  Oeffnung  b  hingegen  enger,  hatte  sie 
z.  B«  nur  0,3  Zoll  im  Durchmesser,  so  entstanden  bei.  f  zwar 
Blasen  von  Luft,  allein  dieselben  gelangten  nicht  bis  an 
den  unteren  Theil  der  Röhre,  sondern  nachdem  sie  bis  zu 
einiger  Tiefe  hinabgekommen  waren,  stiegen  sie  in  Folge 
ihres  geringeren  spedfischen  Gewichts  wieder  in  die  Höhe. 
Nur  einzelne  ganz  kleine  Blasen  wurden  bis  zur  Tiefe  von 
etwa  24  Zoll  hinabgeführt. 

Offenbar  bilden  die  Luftblasen  sich  da,  wo  der  herab« 
fallende  Strahl  die  Oberflädie  f  des  Wassers  in  der  Röhre 
trifft,  und  hier  werden  sie  von  dem  Wasser  ganz  umschlos« 
sau,  und  von  diesem  mit  fortbewegt.  Ist  nun  die  Kraft 
mit  welcher  diese  Bewegung  stattfindet  so  grofs,  dafs  die 
Blasen  schneller  hinab  bewegt  werden,  als  sie  in  Folge 
ihres  specifischen  Gewichts  steigen  würden,  so  werden  sie 
in  die  Flasche  AB  gelangen.  Diefs  wird  aber  nur  eintre- 
ten,  wenn  erstens  die  Fallhöhe  des  Wassers  bis  zur  Ober- 
fläche Y  hinreichend  ist,  damit  dasselbe  tief  genug  unter 
diese  hinabdringt,  und  wenn  zweitens  die  Oeffnung  b  eini- 
nigermafsen  beträchtlich  ist  im  Yerhältnifs  zu  dem  Durch- 

3* 


36 

messer  der  Röhre  cdg,  denn  nur  akdatui  wird  die  ganze 
Wassermasse  in  dieser  Röhre  sich  mit  hinreichender  Ge« 
schwindigkeit  abwSrts  bewegen.  Ist  hingegen  die  Oeffnung 
6  nur  klein  im  Verhältnifs  zu  dem  Durchschnitt  vx)n  cdg, 
so  ist  die  Bewegung  des  Wassers  in  dieser  Röhre  auch 
nur  gering,  und  die  Luft  wird  sich  in  Folge  hiervon  schnei« 
1er  auf  als  abwärts  bewegen. 

Ist  die  Oeffnung  b  nicht  viel  kleiner  als  der  Durdi- 
schnitt  der  Röhre  cdg,  so  verschliefst  das  herabfallende 
Wasser  diese  Röhre,  selbst  wenn  dieselbe,  statt  bis  g  her- 
abzugehen, schon  unmittelbar  unter  dem  Korke  d  endet 
Es  nimmt  auch  dann  das  Wasser,  wie  in  dem  ebenerwähn- 
ten Versuche,  eine  dem  Drucke  der  Luft  in  der  Flasche 
entsprechende  Höhe  in  der  Röhre  an,  und  überhaupt  fin* 
det  die  Erscheinung  ganz  auf  dieselbe  Weise  statt,  wie  wenn 
die  Röhre  cd  bis  unter  die  Oberfläche  AB  des  Wassert 
in  der  Flasche  hinabgeht.  Es  ist  deshalb  auch  bei  dem 
Wassertrommel -Gebläse  nicht  nöthig,  daCs  die  Röhren  AA 
Fig.  13.  Taf.  I.  bis  unter  die  Oberfläche  des  Wassers  in  der 
Trommel  CC  hinabgehen.  v 

Diese  Versuche  zeigen,  dafe  hier  derselbe  Vorgang  stalt- 
findet, den  man  so  häufig  Gelegenheit  hat  zu  beobachten, 
wenn  man  eine  Flüssigkeit  in  ein  Glas  eingieCst,  wobei 
gleichfalls  Luftblasen  mit  hinabgeführt  werden.  Ich  glaube 
diesen  Vorgang  früher  §.  18  bis  §.20.  hinreichend  auseinander 
gesetzt  zu  haben,  und  führe  die  Versuche  in  Betreff  des 
Wassertrommel- Gebläses  hier  nur  an,  tun  zu  zeigen,  da(s 
die  Art  wie  die  Luft  bei  demselben  fortgeführt  wird,  sldi 
vollkommen  jenen  früher  beschriebenen  Vorgängen  an-> 
schliefst. 


37 


II.     Ueber  die  Härte  der  Mineralien  und  ein  neues 

Verfahren  dieselbe  zu  messen  i 
i^on  Rudolph  Franz. 


JLIa  mir  das  Verfahren ,  das  wir  nach  Hafij's  Vorgänge 
bis  jetzt  zur  Bestimmang  der  Httrte  der  Mineralien  ange- 
wandt haben  y  von  jeher  als  ein  höchst  ungenaues  und  be- 
sonders zur  Vergleichung  der  Härte  desselben  Krystalles 
nach  verschiedenen  Richtungen  völlig  unbrauchbar  erschie- 
nen ist,  so  richtete  ich  schon  längt  alle  Aufmerksamkeit 
auf  die  Auffindung  eines  andern  Verfahrens;  und  nicht  um- 
sonst. Ehe  ich  jedoch  darauf  eingehe,  dasselbe  darzulegen, 
mufs  ich  zuvor  noch  mit  einigen  Worten  mich  darüber  er- 
klären, welchen  Sinn'  ich  mit  dem  Ausdruck  „Härte  eines 
Minerals  *'  verbinde.  Mir  scheint  nämlich  die  Härte  eines 
Minerals  diejenige  Kraft  desselben  zu  sejn;  welche  seine 
Theilchen  zusammenhaltend,  dem  Körper,  der  diese  zusam- 
menhangenden Theilchen  trennen  will,  Widerstand  leistet. 
Sie  ist  also  diejenige  Kraft  des  Minerals,  welche  das  Ein- 
dringen eines  Körpers  in  das  Mineral  verhindert,  und  zu- 
gleidi  der  Fortbewegung  einer  in  die  Oberfläche  einge- 
drückten Spitze  sich  entgegenstellt.  Das  MaaCs  dieser  Wi- 
derstandskraft ist  nun  aber  offenbar  der  Druck,  welcher 
angewandt  werden  mufs,  um  den  Körper  zum  Eindringen 
in  das  Mineral  zu  bringen.  Schon  Frankenheim  hat  in 
seiner  Abhandlung  über  die  Härte  der  Krjstalle ' )  diese 
in  demselben  Krystall  nach  verschiedenen  Richtungen  ver- 
schiedene Widerstandskraft  zu  vergleichen  versucht.  Ich 
bin  von  dem  Verfahren,  das  Frankenheim  in  Anwen- 
dung gebracht  hat,  der,  wie  er  sagt,  die  Kraft  die  erfor- 
derlich war,  um  den  Stein  zu  ritzen,  allein  mit  der  Hand 
gemessen  hat,  abgewichen,  und  es  ist  nun  der  Zweck  die- 
ser Zeilen,  mein  Verfahren  als  ein  geeignetes  auseinander 
zu  setzen. 

1)  S&eitsdirift  liir  Physik  uod  Mathematik  Bd.  9.     Wien  1831. 


38 

Zuerst  beschreibe  ich  das  Instrumenti  das  ich  mir,  nach 
meiner  Angabe  durch  den  Berliner  Mecfaanikus  Rfi he  habe 
verfertigen  lassen.  Taf.  II.<  Fig.  1.  Es  besteht  aus  drd 
Haupttheilen: 

1.  Aus  einer  Tafel,  auf  welche  die  Mineralien  gelegt 
werden.  Das  Mineral  wird  nämlich  auf  einen  hölzemeii 
Würfel,  der  tbittelst.  Schrauben  auf  der  Tafel  «  festgehal- 
ten wird  mit  Wachs  aufgeklebt,  oder  mittelst  Gyps  in  eine 
eiserne  Form,  die  nun  an  die  Stelle  des  Würfels  tritt,  ein- 
gelassen, so  dafs  die  zu  untersuchende  Oberfläche  horizontal 
liegt,  welche  Lage  hervorzubringen  ich  mich  bei  grolsen 
Flächen  einer  Libelle  bediente;  die  kleineren  stellte  idi 
nach  dem  Augenmaafse  ein. 

2.  Aus  einem  einen  Fufs  langen  eisernen  Balken  ab, 
der  mittelst  zweier  Schrauben  k  in  der  Schwebe  gehalten 
wird.  An  dem  Ende  desselben,  welches  über  der  Tafel  (1.) 
schwebt,  ist  ein  Täfelchen  b  zum  Auflegen  von  Gewichten 
befestigt;  an  dem  andern  Ende  ist  ein  verrflckbares  Ge- 
wicht a  angebracht,  durch  welches  vor  dem  Versach  das 
Gleichgewicht  des  Balkens  hergestellt  wird.  Zwei  Schrau- 
ben m  und  n  sind  an  dem  Unterstützangsgestell,  auf  wel- 
diem  der  Balken  hängt,  so  angebracht,  daCs  durch  sie  der 
Balken  hoch  oder  niedrig  geschraubt  und  dann  in  dieser 
Lage  festgehalten  werden  kann,  je  nachdem  es  die  Hohe 
des  zu  untersuchenden  Minerals  verlangt.  EUne  excen- 
irische  Scheibe,  durch  g  drehbar,  dient  dazu,  bei  Brachwe- 
rung  des  Täfeichens  mit  Gewichten,  den  Balkep  festzuhal- 
ten. Wird  die  Scheibe  gedreht,  so  berührt  die  unterhalb 
des  Täfeichens  angebrachte  Spitze  h  das  Mineral. 

'  3.  Der  dritte  Bestandtheil  des  Instruments  sind  nämlich 
zwei  Spitzen,  welche  in  den  unter  dem  Gewichtstäfelchen  b 
befestigten  Cylinder  eingelassen  werden,  die  eine  ein  istäb- 
lewier  Kegel  von  54°  Oeffnung,  13«'-  schwer,  die  andere 
ein  in  Blei  gefafster  Diamantkrjstall,  der  mit  der  Hülse  ein 
Gewicht  hat  von  2,5^\ 

Das  Verfahren  ist  nun  folgendes: 
Zuerst  wird  eine  Glasscheibe  auf  die  Oberfläche  des 
Minerals  gelegt  und  der  Balken  so  weit  hinuntergelassen, 


39 

bis  die  Spitze  das  Glas  berührt;  dann  wird  das  Glas  wie- 
der hinweggenommeDy  die  excentrische  Scheibe  gedreht,  uud 
nun  drücken  die  aaf  das  Täfelchen  gelegten  Gewichte  die 
Spitze  h  in  das  Mineral  ein.  Die  dazwischen  gelegte  Glas- 
scheibe bewirkte,  dafs  die  Spitze  immer  ganz  senkrecht 
die  Oberfläche  des  Minerals  berührt.  Darauf  mufs  nun 
das  Mineral  selbst  langsam  fortbewegt  werden,  was  mittekt 
einer  weiteren  Schraube  fc  geschieht,  wekhe  die  Platte  s, 
auf  der  der  hölzerne  Unterlagswürfel  ruht,  fortbewegen 
kann.  Endlich  wird  das  Gewicht  festgestellt,  welches  auf 
das  Gewichtstäfelchen  gelegt  werden  muCs,  damit  ein  Strich 
von  der  Spitze  auf  der  Oberfläche  des  Minerals  bemerk* 
dar  werde.  Da  nun  bei  mehreren  Mineralien,  der  Unter- 
schied der  Gewichte,  die  uöthig  waren  um  mit  dem  Dia- 
mant zu  ritzen,  ein  sehr  geringer  war,  bediente  ich  mich 
zur  Bestimmung  der  Härte  dieser  weichereu  Mineralien  der 
Stählspitze.  Die  Platte  s,  auf  welcher  der  hölzerne  Würfel 
steht,  kann  gedreht  werden  und  ist  mit  einer  Kreistheilung 
▼ersdien.  Ifnn  ist  aber  selbst  die  Stahlspitze  unzureichend, 
mit  ihr  einen  sehr  kleinen  Unterschied  im  Widerstände 
nach  verschiedenen  Richtungen  derselben  Fläche  zu  messen; 
und  so  bin  ich  genöthigt  gewesen  noch  ein  zweites  von 
dem^  Mechanikus  Etter  in  Bonn  verfertigtes  Instrument 
anzuwenden,  Taf.  II.  Fig.  2.,  das  folgendermafsen  zusam- 
mengesetzt ist: 

An  den  Seiten  der  unter  1.  beschriebenen  Platte  sind 
auf  dem  Gestell,  welches  das  ganze  Instrument  trägt,  zwei 
stählerne  Schienen  aß  angebracht,  auf  denen  sich  zwei 
Rädchen  e  mit  grofser  Leichtigkeit  bewegen  können.  Auf 
den  Axen  dieser  Rädchen  senkrecht  stehen  zwei  Metall- 
stäbe, die  oben  durch  einen  Querbalken  verbunden  sind, 
von  dessen  Mitte  wieder  ein  horizontaler  Arm  ^&  ausgebt, 
der  an  seinem  Endpunkte  die  Spitze  hält.  Dieser  Arm 
kann,  je  nachdem  die  GröEse  des  Minerals  es  fordert,  geho- 
ben und  gesenkt  werden.  Ein  an  dem  Cjlinder  der  Spitze 
&  befestigter  Faden  ist  über  ein  Rad  tj  gezogen  und  trägt 
eine  Waagschale  x.  Die  Spitze  selbst  kann  beliebig  be- 
schwert werden.    Diefs  Instrument,  wird  nun  so  mit  dem 


40 

vorigen  Gestell  ▼erbunden,  dals  das  Rad  ^  über  wddiCB 
der  die  Waagsdiale  tragende  Faden  geht,  anf  dem  Gcstdl, 
das  den  onter  2.  bescbridkenen' Balken  trSgt,  nadf  dessen 
EulfemuDg  befestigt  wird:  dabei  bleibt  die  in  Grade  ge- 
fbeilte  Unterlage  s  in  Anwendung. 

Das  Gefricbt,  weldies  anf  die  Waagsdiale  k  gelegt  wer- 
den mnCs,  damit  die  Spitze  fortbewegt  werde,  ist  das  Maab 
des  Widerstandies  der  KOpertheilchen.  Dieser  Widerstand 
ist  ohne  Zweifel  um  so  grOfisery  je  tiefer  die  Spitze  in  das 
Mineral  eindringt.  Vergleichen  wir  daher  die  Wirkung 
dieses  und  des  vorigen  Instruments,  so  entspricht  dem  anf 
der  Waagschale  x  zur  Fortbewegung  der  Spitze  nothwen- 
digen  gröCseren  Gewidit  das  kleinere  auf  die  Gewichtsta- 
fel b  des  vorigen  aufzulegende. 

An  Stelle  der  Gewidite  schottete  ich  Sand  auf  die  Waag- 
schale, den  ich  dann  später  abwog. 

Nachdem  ich  so  die  Instrumente,  deren  ich  mich  bei 
meinen  Versuchen  bediente,  zu  beschreiben  versucht  habe, 
kann  ich  nun  zu  diesen  selbst  fibergehen.  Zuerst  suche 
ich  durch  dieselben  die  Härte  }e  ein  und  desselben  Mine- 
rals nach  verschiedenen  Richtungen  festzustellen,  dann  aber 
zweitens  will  ich  versuchen  die  Härte  derjenigen  Mineralien 
aus  denen  Mohs  seine  Härtescala  zusammen  gesetzt  hat, 
zu  vergleichen,  mich  jedoch  beide  Male  auf  die  von  ihm 
genannten  Steine  beschränkend  mit  Hinzufügung  nur  weni- 
ger Andern. 

I.     Von   den   Gesetzen^    welche    die  Härteanterscliiede  is 

denselben  Mineralien  befolgen. 

1.  Tallr. 
Am  Talk  habe  ich  keine  Härteunterschiede  nach  ver- 
schiedenen Richtungen  gefunden,  obgleich  er  zum  rhom- 
bischen System  gehört.  Die  Ursache  davon  suche  ich  da- 
rin, dafs  ich  trotz  aller  angewandten  Mühe  kein  Exempbr 
auftreiben  konnte,  welches  eine  regelmäfsige  Spaltungsfläche 
dargeboten  hätte.  Zur  Fortbewegung  der  völUg  unbeschwer- 
ten Spitze  waren  49,10«''  erforderlich,  wobei  also  der  Cj- 


41 

linder  (in  dem  die  Spitze  befestigt  war)  nebst  der  Tafel 
mit  einem  Gewicht  von  48^*  und  die  Stahlspitze  selbst 
mit  einelb  Gewicht  von  13^*  drückten. 

2.    Gyps. 

Auch  am  Gjps  war  bei  Anwendung  der  ersten  Ver- 
fahrungsart  kein  Unterschied  nach  den  verschiedenen  Rich- 
tungen zu  bemerken;  deshalb  ging  ich  zur  zweiten  über. 
Ich  klebte  also  den  Gjps  an  den  Würfel  mit  Waclfs  an, 
so  dafs  die  Stahlspitze  in  der  Ebene  der  vollkommensten 
Spaltbarkeit  der  kürzereu  Diagonale  folgte,  und  so  bei  0^ 
(s.  die  folgende  Tabelle)  den  stumpfen  Winkel  des  Rhom- 
bus theilte.  Die  bei  den  verschiedenen  Richtungen  zur 
Fortbewegung  der  Spitze  pöthigen  Gewichte  sind  folgende: 

bei    O^»  sind  nöthig  21,71«^- ' ) 


-     5»     - 

- 

20,90  - 

-    10»     - 

- 

18,46  - 

-   15«     - 

- 

18,00- 

-    20»     - 

- 

17,75  - 

-    25»     - 

- 

20,57  - 

-    30»     - 

- 

22,84  - 

-    35»     - 

- 

23,55  - 

-    40»      - 

- 

24,27  - 

-    45»     - 

- 

24,80- 

-    50»      - 

- 

24,30  - 

-    55»     - 

- 

25,65  - 

-    60»      - 

- 

26,42  - 

Icr  Gewichte  sind  die  arithmetischen  M 

ie  Gewichte  der  einzelnen  acht  Ezperimei 

O'»               5° 

10*» 

15» 

17,5            18,3 

22,0 

20,0 

16,5            18,2 

21,7 

23,7 

16,6            17,1 

18,3 

20,3 

18,7           18,4 

20,4 

19,8 

19,6           21,0 

24,6 

25,7 

17,7            17,7 

20,0 

23,0 

20,8            20,5 

21,7 

22,5 

16,7           16,5 

18,5 

19,8. 

48 

bd  es«»  sind  nöthig  26,85^ 

-  70«  -  -  28,22- 

-  75«  -  -  28,92. 

-  80°  -  -  30,12- 

-  85«  -  -  30,00- 

-  90»  -  30,80- 

-  95«  -  34,05- 

-  100«  -  -       35,00  - 

-  105«  -  37,10  - 

-  110»  -  40,35- 
-115«  -  -       36,85- 

o.  8.  w.  abnehmend. 

Daraus  ergiebl  sidi,  dafs  die  grOfste  Härte  des  Gjps 
in  der  Linie  ist,  welche  Ton  der  kfineren  Diagonale  ud- 
gefilhr  um  20«  abweicht  und  sich  der  zweiten  Spaltnngs- 
rtchluug  nShert.  Die  Richtung  in  welcher  sich  die  geringsfe 
Hirle  zeigt  stdht  senkrecht  aof  der  der  gröbten,  ungefähr 
140  gegen  die  dritte  Spaltangsrichtong  geneigt. 

Der  untersuchte  Gjrps  war  Tom  Mont  Martre  bei  Paris. 
Bei  einem  andern  Gjps  aus  der  Gegend  von  Gotha  war 
d«>$  VerhSitnifs  der  Gewichte  in  den  ▼erschiedenen  Rich- 
tungen dasselbe,  obgleich  wegen  der  geringeren  Härte  die- 
ses Minerals  gröfsere  Gewichte  angewandt  werden  mufsten. 

Bei  dem  gothaischen  Gjps  läfst  sich  in  der  Ebene  der 
vollkommensten  Spaltbarkeit  (bei  Anwendung  des  ersten 
Verfahrens)  schon  unter  dem  Druck  eines  Gewichts  von 
|),7'^%  an  dem  vom  Mont  Martre  aber  in  derselben  Ebene 
erst  bei  einem  Gewicht  von  1,5«''  ein  Ritz  entdecken.  In 
der  zweiten  Spaltungsebene  des  weicheren  Gypses,  die  ich 
halte  anschleifen  lassen,  nahm  ich  die  erste  Wirkung  der 
Stahlspitze  bei  einem  Gewichte  von  Ijö«'*  mit  dem  Auge 
wahr.  Der  härtere  Gyps  liefs  sich  nicht  so  schleifen,  dafs 
er  eine  andere  als  die  Fläche  der  besten  Spaltbarkeit  dar- 
geboten hätte,  weil  er  unter  dem  Schleifen  immer  in  kleine 
Stücke  zerbröckelte. 

Da  die  Stahlspitze  durch  härtere  Mineralien  leicht  an- 
gegriffen wurde,  so  schärfte  ich  sie  täglich,   ehe  idi  Ver- 


43 

suche  anstellte,  an  einem  Schleifstein,  bis  sie  den  gothai- 
schen Gjps  bei  einem  Grewichte  von  0,7^*  ritzte,  und  so 
glaube  ich  annehmen  zu  dürfen  bei  allen  Versuchen  stets 
eine  gleiche  Schftrfe  der  Spitze  gehabt  zu  haben. 

3.    Kalkspatb. 

Ich  stellte  die  Versuche'  mit  Kalkspath  auf  den  Bhom- 
boederflächen  an,  die  ich  leicht  durch  Spaltung  erneuen 
konnte,  sobald  sie  durch  Versuche  rauh  geworden  waren. 
In  diesen  Flächen  war  der  Unterschied  des  Widerstandes 
so  groCs,  dafe  sich  das  zweite  Instrument  zur  Beobachtung 
untauglich  zeigte.  Denn  ehe  ich  die  Spitze  in  der  Rich- 
tung des  grOfsten  Widerstandes  fortbewegen  konnte,  schlug 
der  ganze  Apparat  um,  so  dafs  ich  zu  dem  ersteren  Ver- 
fahren zurückkehrte.  Mittelst  dieses  fand  ich  nun  die  gröfste 
Härte  in  der  kürzeren  Diagonale,  wenn  ich  die  Stahlspitze 
von  der  stumpfen  Ecke  des  Rhomboeders  nach  der  spitzen 
bewegte  (0^ )  die  geringste  in  derselben  Linie  aber  in  ent- 
gegengesetzter Richtung.  In  der  gröfseren  Diagonale  geben 
beide  Bewegungen  dasselbe  Resultat. 

Die  zum  Ritzen  nöthigen  Gewichte  sind  folgende: 
Bei    0°  sind  erforderlich:  12,87»'-  *) 

-  15  -  -  12,25.. 
.    30      -              -  11,12- 

-  45      -  -  9,87- 

-  60      -  -  9,17- 

-  75      -  -  8,87- 

-  90  -  -  •  7,50- 
-105  .  -  6,75- 
-120  -  -  6,80- 
-135  -  -  6,10- 
-150  -  -  5,20- 
.  165      -              -               3,90  - 

180      -  -  3,50  - 

1)  Das  Maximum  und  Bliniroum  der  gefandeben  Gewichte  war: 

bei    0<>  Max.  14,5  Min.     9 

-  15  -      14  -       9 

-  30  -     13  -       8,5 

-  45  -     11,5  -       7,5  u.  s.  w. 


44 

Der  Kalkfipatb,  dessen  ich  mich  zu  diesen  Versachen 
bediente,  war  aus  Island.  An  anderen  KaÜLsputhen  Cand  idi 
die  geringste  und  gröfste  Härte  in  denselben  Richtungen, 
Mreil  sie  aber  härter  waren,  waren  auch  gröfsere  Gewichte 
sie  zu  ritzen  erforderlich.  Z.  B.  beim  Kalkspath  aus  der 
Gegend  von  Brilon  in  Westphalen  ist  das  Verhältnifs  der 
Gewichte  folgendes: 
die  gröfste  Härte  wird  überwunden  durch  13,5^-  (0®) 
die  geringste   -       .  -  -  .        5,5  -  (180'') 

in  der  gröfseren  Diagonale  sind  erforderlich   8,0  -  (90^) 

Kalkspath  aus  Island  von  besonderer  Härte  gab  fol- 
gende Gewichtszahlen: 

bei    0^  mulsten  aufgelegt  werden  15,2^- 
.    90**        .  -  -       10,5- 

.180^        .  -  -         7,0- 

Diese  durchaus  sichren  Elrgebnisse  stimmen  jedoch  nicht 
mit  dem  was  Frankenheim  in  seiner  Abhandlung  an- 
führt, welcher  die  grOfste  Härte  in  den  der  grOCseren  Dia- 
gonale parallelen  Linien  gefunden  haben  will,  die  geringste 
in  derselben  wie  ich ' ).  DaCs  Frankenheim  aber  darin  im 
Irrthum  ist,  läfet  sich  am  besten  durch  folgenden  von  mir 
ungestellten  Versuch  zeigen: 

Ich  befestigte  den  Kalkspath  auf  den  Wfirfel,  und  drehte 
nun  die  Platte  mit  dem  Krjstall  so,  dafs  die  Spitze  auf 
dein  Krystall  einen  Kreis  beschrieb.  Nachdem  ich  nun  ein 
gehöriges  Gewicht  aufgelegt,  fand  ich  die  tieCste  Furche  in 
der  Kreisperipherie  in  der  Richtung  der  kürzeren  Diago- 
nale nach  der  stumpfen  Ecke  zu,  gar  keine  auf  der  ge- 
genüberliegenden Seite  der  Peripherie,  eine  ganz  schwache 
Furche  aber  in  den  beiden  der  längeren  Diagonale  paral- 
lelen Richtungen.  Drehte  ich  den  Krystali  in  entgegen- 
gesetzter Hichtung,  so  war  auch  das  Resultat  das  entge- 
gengesetzte. 

Da  dieser  Versuch  so  deutlich  und  handgreiflich  die 
grofse  Verschiedenheit  der  Härte  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen darthut,  so  ist  es  zu  bedauern,  dafs  die  Flächen 

1)  Seite  337  des  oben  aogefuhrteo  Buches.  ' 


45 

an  den  Krjstallen,  welche  grofse  HSrteoDterscbiede  zeigen, 
za  klein  sind,  ab  dafs  sich  derselbe  ao  ihnen  anstellen 
lieCse. 

4.    Fluftspalh. 

Die  geringsten  Harteunterschiede  scheinen  in  den  Octa- 
ederflächen  des  Flufsspalhs  zu  sejn.  In  den  Würfclflä- 
chen  aber  fand  ich  (nach  dem  zweiten  Verfahren)  den  gröfs- 
fen  Widerstand  in  den  Diagonalen,  den  geringsten  aber  in 
den  den  Wfirfelkanten  parallelen  Richtungen.  Um  jedoch 
den  Unterschied  zu  vergrOfsern,  stellte  ich  die  Versuche 
an 9  nachdem  ich  die  Spitze  mit  150^'-  beschwert  hatte; 
dann  waren  die  Zahlen  der  zur  Fortbewegung  der  Spitze 
nOthigen  Gewichte  folgende: 
bei  0°  (welches  die  Richtung  der  Diagonale  ist)  33fi^' 
-  45«  24,3«' 

So  ergiebt  sich  die  geringste  Härte  in  der  Richtung  der 
Diagonalen y  die  grOfste  aber  in  den  den  WOrfelkanten  pa- 
rallelen Linien. 

Die  angewandten  Krjstalle  waren  aus  der  Grafschaft 
Devonshire. 

5.    Apaiitspath  (Moroxit). 

Ich  habe  bis  jetzt  noch  keinen  Apatit  erlangen  können, 
der  sich  in  der  Tollkommensten  Spaltungsebene  (senkrecht 
zur  Axe  des  Krystalls)  hätte  schleifen  lassen.  Die  Flä- 
chen der  sechsseitigen  Säule  selbst  waren  sehr  glatt,  die 
durch  die  Spaltungsrichtung  hervorgebrachten  Risse  hinder- 
ten aber,  dafs  die  Zahlen  der  zur  Fortbewegung  der  Spitze 
auf  dieser  Fläche  nöthigen  Gewichte  ganz  sicher  waren. 
Doch  zeigte  sich  der  Krystall  (auf  der  Seitenfläche  der 
Säole)  weicher  in  der  Richtung  der  Axe  des  Krjstalls, 
welche  senkrecht  auf  der  Ebene  der  besten  Spaltungsrich- 
tung steht,  härter  dagegen  in  der  Richtung  der  Spaltung 
selbst. 

6.    Feldspatk. 
Die  Feldspathkrjstalle,  deren  ich  mich  bediente,  waren 
so  rauh  and  zerbrechlich,  dafs  ich  sie  weder  so  anwenden 


46 

konnte,  trie  ich  äe  fand,  noch  dnch  Srfcliiftn  geeignet 
■ncken,  die  Barte  an  ihnen  in  TcncUedcncn  Ebenen  and 
nadi  Tmcbiedoien  Ricfatongen  hin  zn  Mssen.  Deshalb 
nofite  ich  mich  dichter  Steine  bedienen,  an  denen  sich  na- 
tiirlidi  keine  Unterschiede  dieser  Art  finden  lassen  konnten. 


!• 


Ton  diesem  3Iineral  an  mnls  die  Stahlspitie  mit  dem 
Diamant  rerf anseht  werden,  mit  dem  aber  die  Versuche 
▼iel  schwerer  anznstellen  sind.  Es  ist  namentlich  nölhig,  daCs 
die  Spitze  des  Diamants  vollkommen  senkrecht  auf  die  Kry* 
stallfläcbe  drücke,  somit  die  Fläche  selber  vollkommen  ho- 
rizontal liege,  da  die  geringste  Abweichong  einen  bedeu- 
tenden Gewichtsunterschied  bedingt  Deshalb  richtete  ich 
die  Krjstallfläche  des  Quarzes  und  der  härteren  Mineralien 
dadorch  horizontal,  dafs  ich  auf  dieselbe  eine  grölsere  Glas- 
tafel legte,  und  auf  diese  ^eine  Libelle  stellte.  Nach  solcher 
sorgfältigen  Einstellung  nahm  ich  nun  wahr,  dafs  der  Krj- 
stall  die  geringste  Härte  in  der  Richtung  der  Axe  hat,  denn 
der  gröfstc  Widerstand  wurde  überwunden  (bei  Anwen- 
dung der  zweiten  Yerfahruogsweise)  in  der  Richtung  der 
Aie  des  Krystalls  (die  Spitze  selbst  war  mit  200^*  be- 
schwert): 

bei    0®  durch  ein  Gewicht  von  33,5  ^' 

d.  geringste    -    90*>      -        -  -  -    17,45-. 

In  der  Fläche  des  primären  Rhomboeders  fand  ich  kei- 
nen Unterschied  in  der  Härte  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen. 

Die  Krystalle  waren  aus  Schlesien  und  von  verschiede- 
nen Bergen  der  Schweiz. 

Ein  anderes  Ergebnifs  ist  noch  nicht  hinlänglidi  ge- 
prüft, als  dafs  ich  es  jetzt  schon  für  ganz  zuverlässig  aos- 
gcben  könnte.  Die  Härte  schien  mir  nämlich  eine  andere 
zu  seyn  in  der  Richtung  der  Säulenfläche,  die  zu  einer 
oberen  Rhomboedcrfläche  gehörte,  von  oben  nach  unten, 
als  von  dem  unteren  Ende  zur  Rhomboedcrfläche  bin,  wel- 
cher Unterschied  in  der  folgenden  Säulenfläche  der  omge- 


47 

kdirte  SU  seyn  sdüen.  Diesen  Umstand  will  idi  jedoch  in 
einer,  andern  Abhandlong  noch  schärfer,  ins  Auge  fassen 
and  tiefer  zn  ergründen  versuchen. 

8.    Topas. 

Da  ich  nur  kleine  Topaskrystalle  erhalten  konnte,  war 
es  höchst  schwierig  die  zu  prüfende  Fläche  horizontal  zu 
stellen;  jedoch  erhellt  aus  den  Versuchen,  dafs  die  Ebene 
der  Sänlenfläche  weicher  ist  in  der  Richtung  der  Axe  der 
Säule,  als  in  der  auf  ihr  senkrechten  Richtung  und  ferner 
daCs  die  Elbene,  welche  die  beste  Spalt ungsrichtuug  dar- 
bietet und  auf  der  Krystallaxe  senkrecht  steht,  weicher 
ist  als  die  Seitenfläche  der  Säule. 

Die  Zahlen  d^r  zum  Ritzen  eines  brasilianischen  Topases 
nöthigen  Gewichte  sind  folgende: 

In  der  Hauptspaltungsfläche  42,5^* 

In  der  Seitenfläche  der  Säule  (mittel)  45^- 

9.    Sapphir. 

An  den  ausgezeichnetsten  Sapphirkrystalleu  konnte  ich 
keine  Härtennterschiede  entdecken,  weder  in  verschiedenen 
Flächen  noch  nach  verschiedenen  Richtungen,  obwohl  die 
Form  der  Krjstalle  dem  hexagonalen  System  angehört. 

10.    DlamaDt. 
Den  Diamant  konnte  ich  nicht  ritzen. 


Disthen  (Cyanit). 

Es  sey  mir  gestattet  noch  einen  Krystall  hinzuzufügen, 
dessen  Härteunterschiede  auf  verschiedenen  Flächen  schon 
Haüy  aufgefunden  hat'),  und  die  sich  sehr  leicht  bemer- 
ken lassen;  jedoch  sind  auch  nach  verschiedenen  Richtuo- 
gen  derselben  Fläche  grofse  Unterschiede  leicht  bemerkbar. 
Diese  untersuchte  ich  zuerst  in  der  Ebene  der  vollkom- 
mensten Spaltbarkeft,  welche  zugleich  die  gröfsere  Seiten- 
fläche der  von  mir  untersuchten  Krystalle  war.    Ich  fand 

1)  Haaj's  Mineralogie.     ParU  und  Leipzig  1806.  Bd.  3,  S.  276. 


48 

aittdst  des  ersten  Instmmentes  folgeode  üntendiiede^  wenn 
0^  die  der  Axe  der  SSuIe  parallele  Richtung  ist: 
Mit  der  Diamantspitze  ritzte  ich 

bei  0°  dorch  ein  Gewicht  von    6,87^' ' ) 

-  15<>       -       -  -  -      8,16 - 

-  30«       -       -  -  .      9,33. 

-  45«       -       -  -  .    10,02- 

-  60°       -       -  -  .    11,17  - 

-  75«       -       -  -  -    12,02- 

-  90*       .       -  -  -    13,10- 

Das  Masumnm  and  Minimom  des  Widerstandes  wnrde 
bei  dem  zweiten  Instrument,  wenn  die  Spitze  mit  30^*  be- 
schwert war,  überwunden: 

bei  0«  durch  ein  Gewidbt  von  42,2«*- 
-90^       .        -  -         -    20,3- 

Die  Unterschiede  nadi  entgegengesetzten  Riditungen  sind 
so  $eriQ^.  dals  sie  die  GrSnzen  der  Beobachtungsfehler 
nicht  überschreiten.  Bei  den  kleineren  Flächen  meiner  Säa- 
leu.  die  HaüT  LateraUUdien  nennt,  sind  die  zum  Ritzen 
nOthi^en  Gewichte  folgende: 

bei    0'  war  ein  Gewicht  nOthig  von  12,13s'-«) 


-    15*     -      - 

-     14,33- 

-    30'     -       - 

-     16,14- 

-     45^     -       - 

-     19,35- 

ÄV     -       - 

-     22,20- 

.     TJ^     -       - 

-     24,17- 

90' 

-     26,30- 

Die 

\  ^  tV  >Uvd<wtt  «*i  Mm 

iBMttm  fo  GewiditsuUen  m  den elbca  Rkh- 

,I.I<|f    M.U     VJ4p.1Mfc» 

w;  «* 

Uu.  7«Ssr*        Mm.  6,0B'- 

1» 

.      M              -     7,0 

.  w 

-    10,0              -     9,0 

4» 

-    10^              -     9,0 

M 

-    I2fi              -    10,0 

r» 

-    14,0              -.10,5 

.  w» 

-    15,0              -   12,0. 

*^  '^~'  *'w«t««lkMa  «i«r  ZMtn  anf  dieter  Flicbe  üt  nicht  grSiMr  ab  ki 

kM  wir  4«r  Mid«rn  FlSebe. 

49 

Die  Disthenkrystalle  y  deren  ich  mich  bediente  waren 
vom  St.  Gotthard. 


Aus  allen  diesen  Versachen  lassen  sich  nun  folgende 
Gesetze  ableiten: 

Die  Ursachen  der  gröfseren  oder  geringeren  Härte  in 
ein  und  derselben  Krystallfläche  sind  die  Spaltungsrichtun- 
gen. Die  Richtung,  welche  auf  der  Spaltungsrichtung  senk- 
recht  steht  in  der  Fläche^  welche  die  Spaltungsebenen  durch- 
schneiden, ist  die  weichste;  die  härteste  Richtung  im  Ery  stall 
ist  diejenige,  welche  den  Spaltungsebenen  parallel  ist.  Wenn 
der  Krjstall  von  zwei  Spaltuugsrichtungen  in  einer  Fläche 
durchschnitten  wird,  so  nähert  sich  auf  dieser  Fläche  die 
gröfsere  Härte  der  besseren  Spaltungsrichtung.  Je  geringer 
die  Leichtigkeit  ist,  mit  welcher  sich  ein  Krystall  spalten 
läfsty  desto  mehr  verschwinden  im  Allgemeinen  diese  Härte- 
nnterschiede.  Am  Flufsspath  und  am  Quarz  sind  sie,  ob- 
gleich sehr  gering,  noch  wahrnehmbar;  am  Topas  konnte 
ich  gewisse  Unterschiede  in  derselben  Fläche  nicht  ent- 
decken. Es  leuchtet  nämlich  ein,  dafs  bei  Krjstallen  von 
grofser  Härte,  bei  denen  die  Gränzen  der  Beobachtungs- 
feliler  zu  weit  auseinandergehen,  diese  kleinen  Unterschiede, 
die  ja  natürlich  geringer  sind,  als  die  an  den  ersten  Krj- 
stallen  der  Reihe  beobachteten  Unterschiede,  schwerer  auf- 
zufinden sind. 

Alle  oben  angeführten  Krjstalle  folgen  diesem  Gesetze. 
Beim  Gyps  nähert  sich  die  gröfstc  Härte  der  Richtung 
der  besseren  Spaltbarkeit.  Der  Apatitspath  folgt  deipsel- 
ben  Gesetze.  Beim  Quarz  sind  die  Spaltungsrichtungen 
parallel  den  Flächen  der  Kernform,  und  deshalb  habe  ich 
die  grOfste  Härte  in  den  Seitenflächen  der  Säule  in  der 
Richtung  der  Spaltbarkeit  gefunden.  Beim  Disthen  endlich 
ist  die  Ebene  der  besten  Spaltbarkeit  parallel  der  grofsen 
Säulenfläche,  die  Lateralfläcbe  bietet  also  ein  weiteres  Bei- 
spiel für  unser  Gesetz  dar.  Die  beiden  anderen  Spaltungs- 
richtungen des  Disthen  schienen  mir  gleich  unvollkommen; 
nimmt  man  aber  an,  dafs  die  Spaltungsrichtung  parallel  der 

Poggendor£Ps  AnnaL  Bd.  LXXX.  4 


50 

Lateralfläche  die  anvollkommenste  ist,  so  befolgt  andk  die 
gröfsere  Seitenfläche  das  oben  angeführte  Gesetz. 

Von  verschiedenen  Flächen  desselben  Krystalls  ist  die- 
jenige die  härteste  y  ioelche  eon  der  Ebene  der  vollkommen- 
sten Spaltbarkeit  durchschnitten  wird.  Wenn,  aber  die  mehr- 
fache Spaltbarkeit  von  ganz  gleicher  Vollkommenfaeit  ist  und 
die  verschiedenen  Richtungen  derselben  dieselbe  Stellung  ge- 
gen alle  Krjstailflächen  haben,  so  kann  in  den  Terschiedenen 
Flächen  kein  Unterschied  wahrgeuommen  werden,  sondern 
die  Richtung  der  gröfsten  und  geringsten  Härte  folgt  in 
jeder  Ebene  demselben  Gesetz»  wie  es  durch  die  verschie- 
dene  Stellung  der  Spaltungsrichtungen  bedingt  ist. 

Beim  Gyps  kann  die  Fläehe  der  besten  Spaltbarkeit 
sehr  leicht  gefunden  werden;  in  dieser  fand  ich  den  Gjps 
weicher  als  in  einer  andern  Fläche,  die  einer  weniger  voll* 
kommenen  Spaltungsrichtung  entsprach.  Der  Disthen  giebt 
ein  Beispiel  für  dasselbe  Gesetz,  denn  er  spaltet  sich  am 
besten  in  der  der  weicheren  Fläche  parallelen  Richtung,  und 
ist  also  weicher  in  der  von  Hau  j  so  genannten  Lateralfläche. 
Eine  andere  minder  vollkommene  Spaltungsrichtung  ist  die- 
ser Lateralfläche  parallel,  woraus  erhält,  dafs  die  andere 
Säulenfläche,  welche  von  dieser  unvoUkommneren  Spaltungs- 
richtuug  geschnitten  wird,  die  weichere  seyn  mufs.  Weder 
beim  Flufsspath  noch  beim  Kalkspath  fand  ich  Härteunter- 
schiede in  den  verschiedenen  Krjstailflächen,  weil  sie  in 
allen  Richtungen  ihrer  Spaltbarkeit  gleich  leicht  spalt- 
bar sind. 

Noch  ein  Unterschied  ist  zu  erwähnen,  der  am  Kalk- 
spath sehr  leicht  aufzufinden  ist:  der  Unterschied  in  der  ent- 
gegengesetzten Richtung  desselben  Weges.  Wenn  nämlich 
die  Richtung  einer  vorzuglichen  Spaltbarkeit  nicht  senkrecht 
auf  der  Uutersuchuugsfläche  steht,  so  ist  stets  der  Winkel, 
welchen  die  Spaltungsrichtung  mit  der  Untersuchungsfläcbe 
bildet,  von  grofser  Bedeutung.  Wenn  wir  den  Krystall 
aus  ihm  selbst  ähnlichen  Theilchen  uns  zusammengesetzt 
denken,  so  setzen  sich  entweder  die  Schichtungen  des  Kry- 
stalls der  Spitze  entgegen,  oder  die  Spitze  überspringt  sie, 


51 

wenn  sich  ihr  der  spitze  Winkel  der  SdicbtaDgen  darbie- 
tet Von  dieser  Erseheinong  giebt  derKalkspath  das  treff- 
lichste Beispiel;  denn  bei  ihm  setzt  diese  Schichtung  der 
Theilchen  der  Spitze  den  gröfsten  Widerstand  in  der  Rich- 
tung der  kürzeren  Diagonale  von  der  spitzen  Ecke  aus 
nach  der  stumpfen  entgegen,  den  geringsten  in  der  entge- 
gengesetzten Richtung.  In  der  längeren  Diagonale  ist  kein 
Untersdiied  der  Härte  nach  den  entgegengesetzten  Rich- 
tungen, weil  dieselbe'  gegen  die  eine  Spaltungsrichtung  un- 
ter einem  spitzen,  gegen  die  andere  unter  einem  stumpfen 
Winkel  geneigt  ist,  woraus  folgt,  dafs  das  Resultat  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  dasselbe  sejn  mufs;  in  der  kürzeren 
Diagonale  dagegen  werden  beide  Spaltungsrichtungen  das 
eine  Mal  unter  einem  spitzen,  das  andere  Mal  unter  einem 
stumpfen  Winkel  geschnitten.  In  allen  anderen  Linien  lei- 
stet der  Krjstall  den  grOfseren  Widerstand  in  der  Richtung 
Ton  der  spitzen  Kante  aus  zur  stumpfen,  in  welcher  Rich- 
tung er  also  weicher  ist  (denn  die  Spitze  ritzt  ihn  schon 
bei  einem  geringeren  aufgelegten  Gewicht),  den  geringsten 
Widerstand  leistet  er  in  entgegengesetzter  Richtung. 

Bei  anderen  Krystallen  des  rhombischen,  klinorhombi- 
schen  und  hexagonalen  Systems,  die  ich  untersucht  habe, 
ist  die  Richtung  der  Spaltungsebenen  zwar  eine  ähnliche, 
jedoch  sind  bei  ihnen  nicht  so  grofse  Unterschiede  wie  beim 
Kalkspath  bemerkbar,  wegen  der  gröfseren  Härte  der  Kry- 
stalle.  Beim  Quarz  habe  ich  die  Unterschiede  angedeutet, 
beim  Talk  wegen  der  oben  angeführten  Gründe  nicht  ge- 
funden. 

II.    Directe  Yergleichung  der  HSrte  der  Mineralien. 

Ich  gehe  jetzt  zu  den  Versuchen  über,  durch  die  ich 
auf  den  ersten  Theil  dieser  Abhandlung  geführt  wurde. 
Die  Aufgabe,  die  ich  mir  gestellt  hatte,  war:  die  Härte  der 
Mineralien  so  zu  messen,  dafs  Zahlen  das  Verhältnifs  der 
Härten  der  einzelnen  Mineralien  zu  einander  erkennen  las- 
sen. Die  folgende  Tabelle  enthält  diese  Verhältnisse.  Sie 
§iebt  die  mittleren  Zahlenwerthe,  das  Maximum  und  Mini- 

4* 


52 


iDum  ist,  da  es  im  ersten  Theile  genögsam  behandelt  ist, 
hier  weggelassen.  Eis  wurden  so  lange  Gewichte  auf  die 
Gewichtstafel  gelegt,  bis  durch  eine  Lnpe  ein  Ritz  auf  der 
FISche  des  Minerals  sichtbar  wurde.  Wenn  die  natfirliche 
Fläche  des  Minerals  nicht  glatt  genug  war,  so  liefs  ich  sie 
anschleifen.  So  oft  diefs  geschehen,  ist  es  in  beigesetzten 
Klammern  bemerkt.  Aufserdem  wandte  ich  noch  die  Vor- 
sicht an,  dafs  ich  die  Versuche  immer  bei  heiterem  Him- 
mel anstellte,  damit  nicht  der  Wechsel  der  Helligkeit  einen 
Irrthum  veranlasse. 

Mil  der  Stalilspitze. 
^von  W'emigerode 
Gjps  <aas  der  Gegend  von  Gotha  J      "'"^        ^       l^hS'- 

(vom  Mont  Martre 


Mit  dem  Diamant. 


Svon  Island 
- 
von  Brilon 
Flufsspath  aus  Devonsliire 

(gesdiliflen) 
Apatitspath  (von  New -York) 

^  ,.       ,     (aus  Schlesien 
r  eldspath 


2«'.») 
lO.l«'- 


226S'' 


9.0«'- 

163«'- 
260^* 


S.5 


8 


«  s. 


2(N^- 


Quarz 


lopas 


34S'* 


43»». 


aus  Labrador 

(geschliffen) 

ans  Schlesien  d3^* 

aus  der  Schweiz  dbS'* 

(  geschliffen  ) 

aus  Brasilien  44^') 

aus  Sachsen  42S'*j 

(geschliffen) 

Saus  Thilet  \ 

aus  China  V  5||T. 

von  Ceylon  J 

(  geschliffen  ). 

Die  Stahlspifze  selbst  wurde  bei  einem  Gewicht  Ton 
23«'-  von  dem  Diamanten  geritzt. 

1)  Ich  habe  ein  gröfseres  Gewicht  hier  angegeben,  als  ich  in  der  nii*er- 
suchlen  FUche  gefunden  habe,  denn  es  ist  kein  Grund  vorbanden  za 
der  Annahme,  dafs  in  dem  Gyps  7om  Mont  Martre  die  HfiHe  ra  der 
Ebene,  die  ich  der  Zerbrechlichkeit  des  Minerals  wegen  nicht  crhaltca 
konnte,  nicht  grofser  scy  als  in  einer  Fläche  der  besten.  Snaltbarkeit, 
da  ja  alle  andern  Härteverhaltnisse  för  den  Gjps  aus  Gotha  und  vom 
Mont  Maitre  dieselben  sind. 


53 

leb  füge  einige  Beispiele  anderer  Mineralien  hinzo,  aus 
denen  sich  abnehmen  läfst,  wie  genaa  diese  Verfahrnngs- 
art  ist. 


Nach  Moll 5. 

Alaun  (Ungarn) 

0,9^'  (Stahlspitze)  2,0 

Honigstein  (Artern) 

7,5«'-          -              2,0  —  2,5 

Dioptas  (Kirgisensteppe) 

1158'-             -              5,0 

Diopsid 

205«'-            -              5,0  -  6,0 

Pistazit 

24«'-    (Diamant)      6,0—7,0 

Zirkon  (Ural) 

38,5«'-         -              7,5 

Turmälin  (Brasilien) 

39,5«'          -              7,0  —  7,5 

Berjll  (Nertschinsk) 

43«'-            -              7,5  —  8,0. 

Erst  nachdem  ich  mit  meinen  Versuchen  fast  zu  Ende 
gelangt,  fiel  mir  die  Dissertation  von  Seebeck  im  Pro- 
gramm des  berlinischen  Realgymnasium  vom  Jahre  1833 
in  die  Hand.  Ich  fand  hierin  mein  erstes  Verfahren  ange- 
wandt; allein  die  Einrichtung  des  Seebeck'schen  Instruments 
scheint  mir  nicht  so  zweckmäfsig  als  die  des  meiuigen,  was 
sehr  .deutlich  daraus  erhellt,  dafs  am  Kalkspath  Seebeck 
die  geringste  Härte  nicht  in  derselben  Richtung  wie  ich, 
beobachtet  hat;  die  Richtigkeit  meiner  Beobachtung  mir  aber 
durch  den  oben  beschriebenen  Versuch  mit  dem  Kreise  auf 
das  unwidersprcchlichste  dargethan  7U  sejn  scheint. 

Seebeck's  Angaben  sind  folgende; 

In  der  Richtung  von    0^  erscheint  der  erste  Strich  bei  39«'*'^ 

-  -          -  -  20« 34  - 

.     .          .  -  39° 26  . 

.     .          -  -  51«  -          .     -         -       -  23  - 

-  -          -  -  70« 22  - 

.     .          .  -  90« 14  - 

-  .          ^  -  110« 17  - 

...  ^  129«  .          -     .         .       -  17  - 

.     -          .  -  141«  -          .     -         .       -  23  - 

-  -          .  -  160« 28  - 

-  -  -  -   180«         -  -     -         .        -   31  . 
0«  entspricht  bei  dieser  Tabelle  meinem  früheren  0« 


54 

Aach  mit  Frankeuheim's  Angaben  streitra  die  See- 
beck'schen;  denn  Frankenheim  will  die  gröCste  Hftrte 
in  der  Richtung  der  gröfseren  Diagonale  gefunden  haben, 
die  geringste  in  derselben  wie  ich.  In  der  Richtung  aber 
in  der  ich  die  gröfste  Härte  gefunden  habe,  soll,  nach 
Frankenheim,  eine  Härte  sejn,  die  fast  der  nach  den 
längeren  Diagonalen  gleich  ist.  Die  gröbte  Härte  findet 
sich  abo  nach  Seebeck  in  derselben  Richtung,  in  der  idi 
sie  gefunden  habe;  in  der  Richtung,  in  welcher  Franken- 
heim die  gröfste  Härte  gefunden  hat,  hat  Seebeck  die 
geringste,  ich  die  mittlere  gefunden;  wo  endlich,  wie  ich 
gezeigt  habe,  die  geringste  Härte  ist,  hat  Seebeck  die 
mittlere  gefunden,  während  Frankenheim  mit  mir  Über- 
einstimmt. 

Seebeck  hat  an  keinen  Krjstallen  als  nur  am  Kalk- 
spath  und  Gyps  Versuche  angestellt.  Am  Gjps  fand  er  bei 
seinem  Verfahren  keine  Unterschiede^  wie  auch  ich  nicht 

So  viel  glaube  ich  dargethan  zu  haben,  dafs  durch  das 
von  mir  angestellte  Verfahren  die  Härte  der  Mineralien 
▼iel  genauer,  wenn  auch  mehr  Mühe  erforderlich  ist,  be- 
stimmt werden  kann,  als  durch  das  Verfahren  von  Mohs, 
das  wir  bis  jetzt  zur  Messung  der  Härte  angewandt  haben. 


Die  auf  der  Kupfertafel  H.  vorhandenen  Zeichnungen 
Fig.  1  und  2.  zeigen  die  angewandten  Instrumente. 

Fig.  3.  macht  die  Kreise  anschaulich,  die  durch  das 
Drehen  des  Kalkspaths  nach  entgegengesetzter  Richtung  auf 
dem  Krystall  bemerklich  werden. 

Fig.  4.  Wenn  man  die  Härte  den  Gewichten,  die 
zum  Ritzen  des  Minerals  nöthig  sind,  proportional  setzt, 
so  kann  man  das  Verhältnifs  der  Härte  durch  eine  Curve 
darstellen,  deren  Radii  vectores  den  Gewichten  entspre- 
chen. Diese  Curve  ist  für  den  Kalkspath  in  Fig.  IV,  dar- 
gestellt: ab,  wenn  S  die  stumpfe,  S  die  spitze  Rhomboe- 
derecke  ist.  Construirt  man  auf  dieselbe  Weise  nadi 
Seebeck 's  Zahlen  die  Härtecurve  des  Kalkspath,  so  ist 
dieselbe  ac,  wobei  der  Pol  p  und  der  Radius  vedar  der 


55 

grOCBten  Härte  pa  dieselben  gdilieben  sind.  Fraüken- 
heini's  Resultate  lassen  die  Constrnction  einer  Curve  nicht 
za,  da  sie  der  Zahlenwerthe  entbehren. 

Fig.  5.  ab  stellt  dieselbe  Curve  für  Disthen  dar  auf 
der  weicheren  Säulenfläche  bei  Vernachlässigung  der  klei- 
nen beim  Disthen  oben  erwähnten  Unterschiede  nach  ent- 
gegengesetzten Richtungen.  Vernachläfsigt  man  diese  Un* 
terschiede  nicht,  so  entsteht  cd. 


III.    Ueber  die  Ausdehnung  des  Quecksilbers  durch 
die  FF  arme;  von  Hermann  Militzer,  Dr.  phiL 

in  München. 


In  den  Erfahrungswissenschaften  treten  uns  aufser  den  all- 
gemeinen Systemen  und  Hypothesen,  unter  deren  Herr- 
schaft wir.  eine  ganze  Reihe  von  Erscheinungen  zusammen- 
drängen, auch  noch  eine  gewisse  Anzahl  constanter  Gröfsen 
entgegen,  die  in  Beziehung  auf  jene  eine  doppelte  Bestim- 
mung zu  erfüllen  haben.  Einerseits  nämlich  dienen  sie  je- 
nen Theorien  gewissermafsen  als  Basen,  die  man  überall 
bei  ihrem  Auftreten  als  bekannte  Gröfsen  behandelt,  und 
auf  die  gestützt,  man  sich  einem  vorgesteckten  Ziele  zu 
nähern  sucht;. andererseits  sind  sie  selbst  als  Bausteine  zu 
betrachten,  die  in  hinreichender  Menge  gesammelt  und  nach 
ihrem  inneren  Zusammenhange  geordnet,  die  Erschaffung 
einer  neuen  Theorie  möglich  machen.  In  letzterer  Bezie- 
hung gehören  sie  in  der  Regel  nur  einem  einzelnen,  mehr 
oder  weniger  speciellen.  Zweige  der  Wissenschaft  an,  wäh- 
rend ihre  erstere  Eigenschaft  in  manchen  Fällen  sie  uns 
in  den  heterogensten  Doctrinen  vor  die  Augen  bringt. 

Der  Coefficient  der  Ausdehnung  des  Quecksilbers  durch 
die  Wärme  nimmt  als  solcher  für  sich  betrachtet  durchaus 


56 

keinen  hervorragenden  Rang  ein  unter  den  analogen  Zah- 
len, die  man  sich  von  den  verschiedenartigsten  Kdrpem 
der  Aufsenwelt  zu  verschaffen  vrafste,  theils  um  ihrer  selbst 
willen,  theils  in  der  Hoffnung  durch  ihre  Vermittelnng  ei- 
nen etwaigen  Aufschlufs  über  das  Wesen  der  Wärme  und 
ihr  Verhältnifs  zur  Materie  zu  erhalten.  Bei  weitem  mdi- 
tiger  wird  derselbe  durch  die  ungemein  häufigen  Anwen- 
dungen, welche  das  Quecksilber  in  allen  Zweigen' der  mes*- 
senden  Physik  —  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  —  fin- 
det, und  bei  denen  man  diese  Zahl  immer  als  bekannt 
vorauszusetzen  genölhigt  ist.  Man  findet  deshalb  audi  in 
den  Jahrbüchern  der  Wissenschaft  eine  grofse  Anzahl  von 
Bemühungen,  sich  die  Kenntnifs  dieser  Zahl  zu  verschaf-' 
fen,  die  auf  verschiedenen  Wegen  versucht,  auch  verschie- 
dene Annäherungen  an  die  Wahrheit  zur  Folge  hatten,  und 
deren  Resultate  deshalb  unter  sich  auch  nicht  unbeträcht« 
liehe  Abweichungen  zeigen.  Wir  werden  weiter  unten  Ge- 
legenheit haben,  auf  dieselben  etwas  näher  einzugehen. 

Die  Annäherung  an  die  Wahrheit  geschieht  in  den  Er- 
fahrungswissenschaften sprungweise.  Eine  Gröfse  gilt  so 
lange  für  richtig,  ab  die  übrigen  Elemente,  mit  denen  üt 
zu  concurriren  hat  oder  ihre  Anwendungen  bei  anderen  Un* 
tersuchungen  eine  gröfsere  Genauigkeit  noch  nicht  fordern 
als  die  ist,  welche  man  sich  von  der,  zur  Bestimmung  die^ 
ser  Gröfse,  angewendeten  Methode  versprechen  kann.  Ist 
diese  Gräuze  einmal  erreicht,  und  beabsichtigt  man  den- 
noch, die  Genauigkeit  einer  Bestimmung  noch  weiter  zu 
treiben,  so  bleibt  nichts  Anderes  übrig,  als  vor  Beginn  der 
eigentlich  beabsichtigten  Untersuchung  erst  eine  neue  Be- 
stimmung aller  vorkommenden  Hülfsgröfsen  vorzunehmen. 

Vorliegende  Untersuchung  hat  zunächst  den  Grund  ih- 
res Entstehens  in  einer  solchen  mathematischen  Nothwen- 
digkeit  zu  suchen. 

Der  jetzige  k.  k.  Ministerialrath  etc.  Hr.  Dr.  v.  Stein- 
heil  beschäftigte  sich  seit  längerer  Zeit  mit  der  Herstel- 
lung eines  Normal- Gewichtes  und  -Maafses  für  das  Kö- 
nigreich Baiern.    Er  liefs  zu  dem  Ende  in  seiner  mechaoi- 


57 

sehen  WcrkstSUe  namentlich  eine  Waage  anfertigen ,  deren 
aurserordentlich  vollkommene  Constmction  ihm  erlaubt,  in 
allen  ihren  Anwendangen  eine  ganze  Ordnung  in  der  Ge- 
nauigkeit weiter  zu  gehen,  als  seither  möglich  war.  Es 
drängte  sich  deshalb  die  Nothwendigkeit  auf,  auch  alle 
Hülfsgröfsen,  unter  denen  sich  auch  die  Ausdehnung  des 
Quecksilbers  durch  die  Wärme  —  namentlich  innerhalb 
der  bei  den  Wftgungen  stattfindenden  Temperaturen  zwi- 
adien  0^  und  20®  des  hunderttheiligen  Thermometer  —  be- 
findet, mit  gröfserer  Sorgfalt  zu  bestimmen.  Hr.  etc.  Dr. 
T.  Steinheil  veraulafste  mich  nun  zur  Durchführung  die- 
ser speciellen  Untersuchung,  wozu  er  mir  mit  der  zuvor* 
kommendsten  Liberalität  die  Benutzung  eines  Apparats  ge- 
stattete, den  er  eigends  zu  diesem  Zwecke  construirt  hatte; 
es  möge  mir  deshalb  erlaubt  sejn.  Demselben  hier  meinen 
Dank  öffentlich  auszusprechen. 

Wir  wenden  uns  nun  zum  Gegenstande  dieser  Uuter- 
sudiong  selbst. 

§.  1. 
Die  zur  Bestimmung  des  Ausdehnungscoefficienten  des 
Quecksilbers  bisher  angewandten  Methoden  zerfallen  in  zwei 
Categorien,  je  nachdem  sie  nämlich  dem  Beobachter  die 
Kenntnifs  der  relativen  oder  absoluten  Ausdehnung  ver- 
schaffen. Die  Bestimmungsarten  der  ersten  Gattung  beste- 
hen sämmtlich  darin,  dafs  man  entweder  die  Aenderung 
des  Volumens  einer  constanten  Menge  Quecksilbers  bei  ei- 
ner Aenderung  der  Temperatur  mifst,  oder  dafs  man  das 
Gewicht  des  Volumen  Quecksilbers  bestimmt,  welches  ein 
Gefäfs  bei  einer  bestimmten  Temperatur  zu  fassen  vermag. 
Man  sieht  augenblicklich,  dafs  diese  beiden  Verfahruugs- 
arten  die  Kenntnifs  der  Ausdehnung  des  Körpers  voraus- 
setzen, aus  dem  die  angewandten  Gefäfse  bestehen,  und 
dafs  die  erstere  auch  noch  eine  genaue  Calibrirung  des  Ge- 
fkfses  fordert.  Alle,  mir  bekannten,  auf  diesem  Wege  er- 
halteneu Beobachtungen  sind  in  thermometerähnlichen  Ge- 
fäfisen  von  Gla's  vorgenommen  worden.'  Einzelne  Beobach- 


58 

ter,  wie  z.  B.  Lalande  und  Delisle,  beriidLsiditif^eii  die 
gleichzeitige  Ausdehoang  des  letzteren  gar  nicht;  ihre  Re- 
sultate sind  also  nor  Bestimmungen  des  relativen  Aosdeh- 
nungscoeffidenten.  Andere  nahmen  allerdings  die  Aosdeb* 
nnng  des  Glases  in  Rechnung;  Regnault  zeigte  aber  neuw- 
dings  durch  directen  Versuch,  da(s  dieselbe  nicht  nur  von 
der  Glassorte  abhängig  ist,  sondern  selbst  mit  der  Gestalt 
des  Glasgeftfses  sich  ändern,  so  dafe  die  auf  diesem  Wege 
gefundenen  Zahlen  zu  sehr  den  Charakter  des  speddlen 
Yo^uches  an  sich  tragen,  ab  daCs  man  ihnen  unbedingt  all- 
gemeine GQltigkeit  beilegen  könnte.  Auberdem  stehen  sie 
den  durch  die  unten  folgenden  Methoden  gefundenen  sdion 
aus  dem  Grunde  nach,  weil  sie  sich  auf  dne  grOÜBere  An- 
zahl von  HOlfsgröben  stützen.  Indessen  hsbea  sorgfilltige 
Experimentatoren  doch  auf  diesem  Wege  sdir  branchbare 
Resultate  abgeleitet,  wie  dieCs  z.  B.  der  Ton  Hillström 
gefundene  Ausddinungscoeffident  beweist. 

Die  sonst  zur  Bestimmung  der  absoluten  Ausdehnung 
tropfbarer  Flüssigkeiten  häufig  angewendete  Methode,  dab 
mau  einen  bekannten  Körper  bei  verschiedenen  Tempera- 
turen in  der  Flussigkdt  selbst  abwägt  und  seinen  jedes- 
maligen Gewichtsverlust  bestimmt,  setzt  ebenfalls  die  Kennt- 
niCs  des  specifischen  Gewichtes  und  des  Ausdehnungscoef- 
fidenten  des  eingetauchten  Körpers  voraus.  Es  ist  deshalb 
auch  ihr  in  Hinsidit  der  gröfseren  Einfadiheit  und  Selbst- 
ständigkdt  der  erhaltenen  Resultate  das  nun  folgende  Ver- 
fahren vorzuziehen,  welches  sich  auf  die  Wahrnehmung 
stfitzt,  daCs  die  Höhe  der  Quecksilbersäule  im  Barometer 
blos  Function  des  Luftdruckes  und  der  Temperatur,  dage- 
gen -^  abgesehen  von  der  Reibung  des  Quecksilbers  ge- 
gen die  Geßlfswände  und  der  etwaigen  Aenderung  des  Ein- 
flusses der  Adhäsion,  Capillardepression  u.  s.  w.  bd  einer 
Variation  der  Temperatur  —  durchaus  unabhängig  von  der 
Form  des  Gefäfses  und  ihren  Aenderungen  bei  wechseln- 
den Temperaturen  ist.  Man  benutzte  diese  Bemerkung  so- 
gleich in  der  Art,  dafs  man  die  Barometerhöhe  zuerst  in 
schmelzendem  Schnee  und  dann  in  siedendem  Wasser  be- 


59 

Stimmte,  und  die  Differenz  der  beiden  Höhen  als  Wirkung 
der  Wärme  betrachtete.  Zuerst  dürfte  dieses  Verfahren 
von  de  Luc  angewendet  worden  sejn.  Man  kann  aber  ge- 
gcfn  das  von  ihm  gefundene  Resultat  einwenden ,  dafs  sich 
während  der  Dauer  der  Beobachtung  der  Luftdruck  geän- 
dert haben  kann,  worauf  er  keine  Rücksicht  genommen  zu 
haben  scheint,  und  zweitens  ist  dasselbe  noch  von  der  In- 
dividualität des  gebrauchten  Barometers  nicht  befreit.  Um 
der  ersteren  Entgegnung  auszuweichen  nahm  Roy  zwei  Ba- 
rometer, deren  Höhen  er  gleichzeitig  mafs,  während  das 
eine  in  schmelzenden  Schnee,  das  andere  in  siedendes  Was- 
ser getaucht  war;  natürlich  gewinnt  aber  der  zweite  der 
obigen  Einwürfe  gegen  dieses  Verfahren  um  so  mehr  an 
Kraft. 

Dulong  und  Petit,  für  welche  eine  genaue  Kennt- 
nib  dieses  Ausdehnnngscoefficienten  bei  ihrer  grofsen  Un- 
tersuchung über  das  Erkalten  der  Körper  von  besonderer 
Widitigkeit  war,  fühlten  diese  Mängel  und  erhielten  auf 
einem  ihnen  eigenthümlichen  Wege  eine  Bestimmung,  welche 
sich  allgemeinen  Eingang  verschafft  hat  und  seither  als  die 
fundamentale  betrachtet  wurde.  Ihr  Verfahren  stützt  sich 
auf  den  hydrostatischen  Satz,  dafs,  wenn  zwei  Flüssigkeits- 
säulen  durch  eine  Röhre  mit  einander  communjciren,  die 
Höhen  dieser  Säulen  im  umgekehrten  Verhältnisse  ihrer 
Dichtigkeiten  stehen.  Ist  man  daher  im  Stande,  beide  Säu- 
lenlängen  genau  zu  messen,  während  die  eine  von  beiden 
in  schmelzendem  Schnee,  die  andere  in  einer  andern  be- 
kannten Temperatur  sich  befindet,  so  kann  man  leicht  die 
gesuchte  absolute  Ausdehnung  aus  dieser  Beobachtung  ab- 
leiten*. Beide  oben  genannte  Gelehrte  construirten  deshalb 
einen  Apparat,  der  zuerst  von  Bojle  vorgeschlagen  wurde^ 
und  dessen  Hauptbestandtheil  zwei  verticale,  mit  Queck- 
silber gefüllte  Glasröhren  bildeten,  die  durch  eine  hori- 
zontale von  viel  engerem  Durchmesser  verbunden  waren« 
Der  eine  der  beiden  verticalen  Schenkel  wurde  beständig 
durch  schmelzendes  Eis  auf  einer  sehr  niederen  Tempera-« 
tnr  erhalten ,  während  der  andere  in  einem  Oelbade  stand^ 


60 

dem  man  durch  einen  mantelförmigen  Ofen  jeden  beliebi- 
gen Wärmegrad  bis  zur  Siedhitze  des  Oeles  ertheiieu  konnte. 
Die  Röhren  waren  nur  so  weit  mit  Quecksilber  gefollt, 
dafs  ihr  oberes  Niveau  zur  Ablesung  eben  'noch  über  die 
umgebende  Flüssigkeit  hervorragte,  was  bei  dem  erwärmten 
Schenkel  dadurch  erzielt  wurde,  dafs  man  mittelst  einer 
Pipette  demselben  Quecksilber  entnahm  oder  noch  zogob. 
Die  Messung  der  Säulenlängen  geschah  mit  Hülfe  eines 
Fernrohres,  das  an  einer  verticalen  Säule  in  azimutalem 
und  verticalem  Sinne  bewegt  werden  konnte.  Neben  dan 
in  Eis  getauchten  Schenkel  stand  ein  Metallstab,  der  in 
bekannter  Höhe  eine  Marke  trug,  von  der  an  dann  an  der 
verticalen  Säule  abwärts  der  Ueberschnfs  ihrer  Höhe  über 
der  der  beiden  Quecksiiberspiegel  mittelst  eines  Yerniers 
gemessen  wurde.  Die  Bestimmung  der  Temperaturen  ge- 
schah durch  Quecksilber-  und  Luftthermometer.  Im  Eisbade 
wurden  blos  Quecksilberthermometer  benutzt,  zur  Angabe 
der  Temperatur  des  erwärmten  Oeles  aber  Instrumente  bei- 
derlei Art.  Die  Glasröhre  nebst  dem  Träger  der  Marke 
waren  auf  einer  Eisenplatte  befestigt,  welche  durch  Libel- 
len horizontal  gestellt  wurde.  Der  Comparator  war  auf 
einem  gemauerten  Pfeiler  aufgestellt. 

So  sehr  auch  dieser  Apparat  den  vorerwähnten  vorzu- 
ziehen ist,  so  lassen  sich  doch  auch  gegen  ihn  und  das 
mittelst  desselben  erhaltene  Resultat  mehrere  Einwendun- 
gen erheben.  Fürs  Erste  könnte  letzteres  nicht  ganz  frei 
von  dem  Einflüsse  der  Capillarität  und  Adhäsion  des  Qneck* 
Silbers  am  Glase  sejn.  Du  long  und  Petit  liefsen  zwar 
die  verticalen  Schenkel  sich  oben  erweitern,  um  diesem 
Fehler  zu  entgehen,  geben  aber  keine  Dimensionen  an,  so 
dafs  man  nicht  mit  Sicherheit  behaupten  kann,  er  sej  gänz- 
lich vermieden.  Eine  gleichmäfsige  Vertheilung  der  Tem- 
peraturen in  jedem  Schenkel  dürfte  nach  dem  angewandten 
Verfahren  ebenfalls  nicht  vorhanden  gewesen  sejn.  Jeder 
der  beiden  Schenkel  hatte  eine  Länge  von  0™,54.  Der  kalt 
erhaltene  war  mit  geflossenem  Eise  umgeben  und  seine 
Temperatur  wurde  als  Null  betrachtet.    Jede  Thermome* 


61 

tervergleidiaog  in  geflossenem  Eise  giebt  aber  zu  der  Wahr- 
Debmung  Gelegenheit ,  dafs  in  dem  Gemische  bedeutende 
und  unregelmäfsige  WSrmeschwanknngen  eintreten,  ^cnn 
ein  Theil  des  Eises  schon  zu  Wasser  geworden  ist,  was 
hier,  wegen  der  grofsen  Nähe  des  bis  zu  300°  erhitzten 
Ofens,  gewjfs  bald  eintreten  mubte.  (Mit  einer  Abflufs- 
öffnung  für  das  geschmolzene  Eis  war  der  Behälter  nicht 
versehen. )  Bei  dem  erwärmten  Schenkel  giebt  die  Opera- 
tion des  Zugiefsens  von  neuem  Quecksilber  „  einige  Au« 
genblicke  vor  der  Ablesung''  Anlafs  zu  einem  ähnlichen 
Bedenken.  Der  Durchmesser  des  oberen  Endes  der  verti- 
calen  Röhre  fibertraf  bedeutend  den  des  übrigen  Theiles, 
so  dafs  das  zugegossene  Volumen  Quecksilber  im  Verhält« 
nifis  zur  ganzen,  den  Schenkel  ausfüllenden,  Menge  wohl 
nicht  ganz  unbedeutend  war,  und  daher  in  der  ihm  gege- 
benen kurzen  Zeit  kaum  die  Temperatur  des  übrigen  Queck- 
silbers angenommen  haben  wird.  Viel  wesentlicher  mufs 
aber  die  Wirkung  der  allmäligen  Mischung  sejn,  welche 
nothwendig  zwischen  dem  kalten  Quecksilber  des  einen 
und  dem  erhitzten  des  anderen  Schenkels  durch  die  hori- 
zontale Verbindungsröhre  stattfinden  mufs.  Diese  letztere 
war  so  weit,  dafs  „die  Reibung  des  Quecksilbers  gegen 
die  Wände  nicht  hinderte,  dafs  sich  das  Niveau  nach  ge- 
störtem Gleichgewichte  wiederherstellte''.  Sie  wird  folg- 
lich auch  der  eben  erwähnten  langsamen  Mischung  kein 
Hindernifs  in'  den  Weg  gelegt  haben,  und  daher  die  Tem- 
peratur der  beiden  Quecksilbersäuleu  nicht  uubeträdhtlich 
von  der  des  umgebenden  Mediums ,  welche  allein  betrach- 
tet wurde,  verschieden  gewesen  sejn. 

Die  Messiung  der  Säulenlängen  selbst  war  ebenfalls  nicht 
mit  der  erforderlichen  Genauigkeit  möglich.  Dulong  und 
Petit  geben  die  Höhe  der  beiden  Quecksilberspiegel  über 
der  Axe  der  horizontalen  Röhre  an.  Diese  Axe  darf  aber 
offenbar  nur  als  Nullpunkt  der  Zählung  betrachtet  werden 
bei  zwei  in  hydrostatischem  Gleichgewichte  befindlichen 
Flfissigkeitssäulen ,  einci  Bedingung,  die  nach  dem  Vorher- 
gehenden gewifs  nicht  erfüllt  war,  so  dafs  die  Annahme 


62 

des  Anfangspunktes  der  Z&hlung  etwas  Willkührliches  ent- 
hftlt,  da  man  nicht  im  Stande  ist  anzugeben,  von  welchem 
Punkte  an  in  )edem  Augenblicke  die  eine  Säule  gemessen 
werden  müsse  ^  um  mit  der  andern  im  Gleichgewicht  zu 
sejn.  Ein  kleiner  Fehler  könnte  sich  auch  durch  die  Art 
der  Messung  von  der  Marke  abwärts  bis  zu  jedem  Niveau 
eingeschlichen  haben,  indem  sowohl  der  Träger  derselben, 
als  auch  die  Eisenplatte,  auf  der  letzterer  nebst  der  Glas- 
röhre befestigt  war,  der  Wirkung  der  Ofenwärme,  die  zum 
Erhitzen  des  Oeles  diente,  ausgesetzt  waren. 

Bei  weitem  der  wesentlichste  Einwand  aber,  der  gegen 
die  Gültigkfeit  des  Dulong'schen  Ausdehnungsco^fficienten- 
erhoben  wurde,  rtihrt  von  Poggendorff  her,  und  findet 
sich  in  seinen  Annalen  für  Physik  und  Chemie,  (Bd.  XXXXL, 
S.  467).     Die  betreffende  Stelle  heifst: 

„ —  Dulong  und  Petit  machten  ihre  Bestimmung  der 
wahren  Ausdehnung  des  Quecksilbers  abhängig  von  Gay- 
Lussac's  Angabe  Ober  die  Ausdehnung  der  Luft.  Sie  lei- 
teten nämlich  aus  den  Angaben  des  Luftthermometers  die 
Temperaturen  mittelst  des  Coefficenten  0,00375  ab,  von 
dem  wir  jetzt  durch  Rudberg's  sorgfältige  Versuche  wis- 
sen, dafs  er  für  trockene  Luft  (oder  richtiger  für  Luft  in 
einem  wohl  getrockneten  Gefäfse)  fehlerhaft  ist.  Ihre  Tem- 
peraturen, und  mithin  auch  ihre  Angaben  über  die  wahre 
Ausdehnung  des  Quecksilbers,  sind  folglich  nicht  ganz  rich- 
tig, sobald  sie,  was  zu  vermuthen  ist,  ihr  Luftthermometer 
und  die  Luft  darin  wohl  getrocknet  hatten.  Leider  giebt 
ihre  Abhandlung  über  diesen  letzten  Punkt  keine  Gewib« 
heit,  ja  es  ist  selbst  zweifelhaft,  ob  man  unter  den  Tcio- 
peraturen  wahre  oder  scheinbare  Volume  der  Luft  zu  ver- 
stehen habe.  Sind  die  Temperaturen  durch  die  vrahren 
Volume  einer  wohl  getrockneten  Luftmasse  gemessen,  so 
würde  ihr  Grad  100  etwa  dem  Grade  102,7  nach  rich- 
tiger Scale  entsprechen,  und  die  wahre  Ausdehnung  des 

Quecksilbers  für  den  richtigen  Grad  100  würde  statt  r^ 
ungefähr  —  seyn  ". 


63 

Da  nun  unglficklicherweise  diese  beiden  Gelehrten  ihre 
OrigiBälbeobadhtungen  nirgends  mitgetheilt  haben,  so  ist 
es  unmöglich,  an  ihrem  Ausdehnungscoefficienten  die  durch 
die  neue  Bestimmung  der  Ausdehnung  der  Luft  nölhig  gewor« 
dene  Aenderung  vorzunehmen.  Es  dürfte  daher  die  Wich« 
tigkeit  des  Gegenstandes  der  Mittheiiung  folgender  neuen 
Bestimmungen  zur  genügenden  Entschuldigung  dienen. 

§2. 

E^  bestehen  diese  Beobachtungen  in  den  gleichzeitigen 
Ablesungen  zweier,,  in  verschiedene  Temperaturen  gebrach- 
ten Barometer,  durch  deren  zweckmäfsige  Combination  sich 
alle  von  der  Individualität  des  gebrauchten  Apparates  her- 
rührenden Einflüsse  eliminiren,  und  folglich  der  gesuchte 
Ausdchnungscoefficient  ganz  streng  bestimmen  läfst  (Es 
versteht  sieb,  dafs  unter  der  Elimination  fremdartiger  Ein- 
flüsse nur  die  Berücksichtigung  derjenigen  physikalischen 
Ursachen  gemeint  sejn  kann,  deren  Wirkung  die  vorge- 
setzten Fehlergränzen  an  Gröfse  nicht  übertrifft). 

Die  Hauptbestandtheile  des  angewandten  Apparates  bil- 
deten zwei  sorgfaltig  ausgekochte,  mit  chemisch  reinem 
Quecksilber  gefüllte,  Barometer  und  ein  Längencomparator. 
Jeder  dieser  drei  Theile  ist  von  den  beiden  andern  und 
dem  Fu&boden  unabhängig  aufgestellt.  Es  waren  nfimlich 
durch  eiserne  Klammern  drei  starke  hölzerne  TrSger  au 
eine  2  Fufs  dicke  Mauer  befestigt,  von  denen  der  mittlere 
für  den  Comparator  gehörte;  die  beiden  übrigen,  links  und 
rechts  in  gleicher  Entfernung  —  etwa  20  par.  Zoll  —  von 
ihm  befindlichen,  trugen  zwei  ungefähr  3  Fufs  lange,  3,5 
Zoll  weite  Röhren  von  Weifsblech,  welche  in  ihren  Trä< 
gern  durch  Correctionsschrauben  senkrecht  gestellt  und  in 
genau  gleiche  Entfernungen  vom  Comparator  gebracht  wer- 
den konnten.  Sie  wurden  mit  einer  dicken  Lage  von  Baum- 
wollenwatte und  über  dieser  noch  mit  Wachstuch  umhüllt, 
um  das  in  ihnen  befindliche  Wasser  auf  möglichst  constan- 
ter  Temperatur  zu  erhalten.  Beide  Röhren  waren  zu  dem 
Ende  audi  noch  unten  mit  Hähnen  versehen,  während  über 


64 

ihnen  zwei  Beh&lter  —  ffir  warmes  und  kaltes  Wasser  — 
angebracht  waren,  aus  denen  ihr  Wasser  beständig  erneuert 
werden  konnte.  Das  Reservoir  für  das  Eiswasser  war  zur 
Erhaltung  der  Temperatur  ebenfalls  mit  einer  sehr  dicken 
Lage  von  Baumwollenwatte  und  Wachstuch  auf  allen  Sei- 
ten eingehüllt. 

Die  gebrauchten  Barometer  waren  Heberbarometer,  nur 
mit  der  veränderten  Einrichtung,  dafs  der  kürzere  Schen- 
kel vom  unteren  Niveau  an  geradlinig  fortgesetzt  war,  und 
den  andern  noch  6  Zoll  an  Länge  übertraf.  Diese  Abän- 
derung war  nöthig,  weil  die  Barometer  bei  der  Beobadi- 
tung  ganz  in  die  eben  beschriebenen,  mit  Wasser  gefüll- 
ten, Röhren  eingesetzt  werden  mufsten.  Das  innere  Caliber 
betrug  in  der  Gegend  der  beiden  Quecksilberkuppen  4,5 
par.  Lin.  bei  0,25  Lin.  Glasdicke.  Die  Verbindungsröhre 
war  zur  Verminderung  der  Quecksilbermenge  beträchtlich 
enger  und  hatte  nur  einen  Durchmesser  von  1,6  Lin.  and 
0,7  Lin.  starke  Wände.  Vom  unteren  Niveau  an  blieb 
bis  zum  Ende  der  Röhre  das  Caliber  ungeändert  4,5  Lin. 
Der  offene  Schenkel  war  mittest  seiner  Verlängerung  sorg- 
ftlltig  in  einer  hölzerneu  Zwinge  befestigt,  welche  bei  der 
Beobachtung  diametral  über  einen  starken,  das  obere  Ende 
der  Blechröhre  umgebenden,  Messingring  gelegt  wurde;  et 
war  dann  in  dieser  Lage  das  Barometer  ganz  in  das  Was- 
ser getaucht.  In  derjenigen  Gegend  der  Röhren,  in  der 
sich  das  obere  und  untere  Niveau  des  Barometers  befand, 
waren  einander  gegenüber  viereckige  Oeffnungen  zur  Able- 
sung angebracht,  welche  wasserdicht  durch  Platten  von  4  Lio. 
starkem,  geschliffenen  Spiegelglase  verschlossen  waren. 

Der  Längencomparator  bestand  aus  einem  3  FuCs  lan- 
gen, 14  Lin.  starken,  an  den  Enden  conisch  auslaufenden 
Stahlcjlinder,  dessen  unteres  Ende  auf  einem  Messingwflr- 
fei  ruhte,  der  in  einer  starken  Eichenplatte  befestigt  war, 
während  das  obere  in  der  Axe  einer  Schraube  lag,  welche 
durch  einen  starken  Träger  von  Eichenholz  ging.  Die 
Schraube  konnte  in  horizontalem  Sinne  nach  alleä  Sdt» 
etwas  verschoben,  dadurch  die  Stahlsäule  genau  vertiail 

8«- 


65 

gestellt^  and  durch  Anziehen  oder  Nachlassen  der  Schraube 
der  Drehung  der  Säule  um  ihre  Axe  der  rechte  Grad  von 
Leichtigkeit  gegeben  werden.  War  beides  erreicht,  so  wurde 
die  Schraube  mittelst  einer  Mutter,  welche  eine,  die  Schraa-^ 
benspindel  eng  umsdiliefsende^  Platte  gegen  den  hölzernen 
Träger  drückte,  festgestellt.  In  azimutalem  Sinne  konnte 
die  Stahlsäule  durch  eine,  an  ihrem  oberen  Ende  befind-» 
liche,  Klemmschraube  von  gewöhnlicher  Einrichtung  festge- 
halten werden.  An  dieser  Säule  nun  konnte  ein  hülsen- 
förmiges  Metallstück  auf  und  nieder  bewegt  werden,  jedoch 
ohne  Drehung  um  die  Axe  der  Säule,  welches  als  Träger 
eines  Niveaus,  eines  astronomischen  Fernrohres  und  eines 
Mikroskops  diente,  und  dessen  unteres  Ende  aus  einer  ge- 
nauen, etwa  30  Umgänge  zählenden  Mikrometerschraube 
von  Stahl  bestand.  Diese  letztere  war,  wie  der  Metall- 
schlitten, dessen  untere  Hälfte  sie  bildete,  selbst  centrisch 
durchbohrt,  so  dafs  ihre  Axe  mit  der  des  Stahlcylinders 
zusammenfiel,  und  ihre  Mutter  endigte  nach  unten  auch 
wieder  in  eine  schwach  conische  Schraubenspindel,  welche, 
auf  gleiche  Weise  durchbohrt,  die  Stahlsäule  ebenfalls  hül- 
senförmig  umgab  und  ab  Klemme  für  den  ganzen  Schlitten 
diente.  Sie  war  zu  dem  Ende  von  unten  nach  oben  bis 
zur  Hälfte  ihrer  Länge  viermal  aufgeschnitten,  so  dafs  ihre 
federnden  Quadranten  durch  einen  als  Schraubenmutter 
dienenden  Klemmring  fest  gegen  die  stählerne  Säule  ge- 
drückt, und  so  das  ganze  Metallstück  an  jeder  beliebigen 
Stelle  festgehalten  werden  konnte.  Es  wurden  in  Folge 
dieser  Einrichtung  die  gröfseren  Bewegungen  des  eben  er- 
wähnten Schlittens  durch  blofse  Verschiebung  aus  freier 
Hand  vorgenommen,  während  die  feineren  mit  Hülfe  der 
eben  beschriebenen  Klemmvorrichtung  und  der  Mikrome- 
terschraube vollzogen  und  gemessen  wurden.  Die  Stahl- 
säule selbst  war  in  ihrer  ganzen  Länge  von  oben  nach  unten 
in  willkührliche,  jedoch  gleiche  Theile  getheilt.  Nach  einer 
sechs  Mal  wiederholten  Vergleichung  mit  der  Scale  eines 
Barometers  war  der  mittlere  Werth  eines  solchen  Theiles 
=:  0,279  par.  Lin. 

PoggendoHTi  Annal.  Bd.  LXXX.  5 


66 

Das  oben  erwähnte  mit  den  gewöhnlichen  Correetion»« 
schrauben  rersehene  Niveau  diente  in  der  bekannten  Weise- 
zum  Yerticaktelien  der  Sfiule.  Einer  seiner  Theile  ent- 
sprach einem  Winkel  Ton  3",4.  Das  Mikroskop  und  Ab- 
lesnngsrohr  waren  jedes  mit  einem  Horizontaifaden  Ter- 
sehen.  Elrsteres  gab  eine  neunmalige  Vergröfserung  und 
diente  zum  Einstellen  des  ganzen  beweglichen  Metallstiickes. 
auf  einen  Theilstrich  der  SSule,  während  das  Fernrohr»  das 
funizehnmalige  Yergröfeerung  besafs,  in  Verbindung  mit 
der  Mikrometerschraube  in  weiter  unten  näher  anzugd)en« 
der  Weise  zur  Messung  kleinerer  Stflcke  der  Säule,  als 
einer  ihrer  Theile,  diente.  Die  30  Lin.  im  Durchmesser 
haltende  Peripherie  dieser  Mikrometerschraube  war  in  100 
Theile  getheilt,  welche,  durch  zwei  diametral  zu  einander 
stehende  Vemiers,  noch  in  Zehntel  gelheilt  wurden;  bei 
einiger  Uebung  liefsen  sich  auch  100  Theile  noch  schätzen. 
Diese  letzte  Gränze  der  Genauigkeit  im  Ablesen  brachte 
ich  jedoch  nicht  in  Anwendung,  sowie  ich  auch  immer  nur 
einen  Nonius  ablas,  da  ich  mich  durch  vorläufige  Versudie 
überzeugt  hatte,  dafs  der  aus  der  Elxceutricität  der  Schraube 
entspringende  Fehler  die  Gröfse  von  0,001  Theil  der  senk- 
rechten Schraube  in  keinem  Falle  überstieg,  der  mittlere 
Einstellungsfehler  aber,  wie  eine  andere  Reihe  von  Ver- 
suchen zeigte,  nicht  ganz  0^02  solcher  Theile  betrug. 

Man  hätte  die  Anwendung  dieser  Mikrometerschraube 
auch  ganz  umgehen  können,  da  an  dem  Fernrohre  noch  ein 
Octtlarmikrometer  angebracht  war.  Es  wäre  allerdings  durch 
dasselbe  eine  noch  etwas  grüfsere  Schärfe  zu  erzielen  ge- 
wesen; es  zeigte  sich  indessen,  dafs  bei  der  geringen  Ent- 
fernung des  Objectes  eine  sehr  kleine  Aendernng  dieser 
Entfernung  schon  von  nicht  mehr  zu  vernachlässigendaä 
Einflüsse  auf  den  Werth  eines  Mikrometertheiles  war.  Da 
nun,  wie  aus  dem  Vorhergehenden  ersichtlich,  das  Schrau« 
benmikrometer  der  Säule  eine  mehr  als  hinreichende  Ge- 
nauigkeit zuliefB,  so  wurde  von  dem  Ocularmikrometer  gar 
kein  Gebrauch  gemacht. 

Es  bleibt  nun  nur  noch  die  Messung  der  Temperata- 


67 

ren  zu  erwähnen.  Da»  in  jeier  Blecbrdhre  befindliche  Was- 
ser konnte,  auch  wenn  die  Barometer  eingesenkt  waren, 
nrittekt  eines  kreisförmigen^  in  der  Mitte  für  den  Barome- 
ter mit  einem  Loche  versehenen,  Brettdiens  dorch  Auf-  and 
Niederbewegen  dieses  letzteren  ungerührt  werden.  Die 
beiden  Thermoter  waren' an  diese  Brettchen  befestigt,  and 
kamen  also  bei  jedem  Umrühren  mit  der  ganzen  Wasser- 
menge  in  Berührung,  so  dafs  die  von  ihnen  angegebene  Tcfkn« 
peratur  wohl  sicher  als  die  mittlere  der  ganzen  Flüssigkeits* 
Säule  'angesehen  werden  konnte.  In  das  Geflifs  mit  dem 
wärmeren  Wasser  war  aofserdem  noch  ein  zweites  Ther- 
mometer eingetaucht,  das  ebenfalls  bei  jeder  Beobachtung 
abgelesen  wurde.  Dieses  letztere  war  ein  anter  Berück- 
sichtigung aller  Correctionen  nach  der  BessePscben  Methode 
genau  calibrirtes  Instrument,  dessen  Angaben  als  die  nor- 
malen angesehen  wurden  f  die  Ablesungen  der  beiden  übri- 
gen wurden  durch  Yerg^eicbungen  in  Wasser,  deren  Re« 
sttltate  weiter  unten  folgen,  auf  die  des  ersteren  reducirt* 
Das  Normalthermometer  hatte  eine  messingene  Scale,  wäh- 
rend die  Theilung  der  beiden  andern  auf  der  Röhre  selbst 
befindlidi  war.  Alle  drei  hatten  willkührliche,  jedoch  so 
feine  Theikingen,  dafs  ein  Hnnderttheil  eines  wahren  Cen^ 
tesimalgrades  mit  ziemlicher  Sicherheit  noch  geschätzt  wer- 
den konnte. 

§•3. 

Die  Beobachtungen  wurden  an  diesem  Apparate  in  (oU 
der  Weise  angestellt: 

Nachdem  mittelst  des  Niveaus  die  Stahlsäule  vertical  ge- 
stellt war,  wurden  die  beiden  Blechr^tfiren  in  gleiche  Entfer- 
mmgen  von  derselben  und  dadurch  ebenfalls  in  eine  lothrechte 
Lage  gebracht.  In  aller  Schärfe  war  der  Vollzug  dieser  Ope- 
ration nicht  nothwendig,  weil^  auch  wenn  die  Comparator- 
sänle  oder  die  Barometer  nicht  rertical  gestellt  gewesen 
wären,  doch  nur  dann  ein  Fehler  in  der  Messung  der  ab* 
soluten  Barometerhöhe  begangen  worden  wäre,  wem  die 
Gestalt  der  Quecksilberkuppe  am  oberen  und  unteraii  Ni- 
▼eau  nicht  krumme  Oberflächen  derselben  Art  wänm,  odeir 

5* 


68 

I 

bei  einer  geuefgten  Lage  der  Barometer  diese  Kappe  an 
beiden  Niveaus  nicht  gleichmSfsig  ihre  Gestalt  Sfnderte. 
(Durch  eine  Abweichung  der  Comparatorsäule  von  der 
Terticalen  wäre  aufserdem  wegen  der  dann  stattfindenden 
angleichen  Entfernung  der  beiden  Quecksilberspiegel  der 
Deutlichkeit  des  Bildes  im  Femrfthre  Eintrag  geschehen.) 
Weil  sich  wegen  etwa  vorhandener  ungleicher  AdhSsion 
des  Quecksilbers  an  verschiedenen  Stellen  der  Glasröhre 
diese  Voraussetzung  nicht  mit  Bestimmtheit  machen  liefs» 
so  wurde  die  Stellung  der  Comparatorsäule  immer  bmch- 
tigt,'  sobald  sie  mehr  als  eine  Minute  von  der  Vertiacalen 
abwich;  die  lothrechte  Lage  der  Barometer  wurde  dordi 
die  schon  berichtigte  ihrer  Blechhüben  controlirt,  da  die 
Durchsichten  der  letzteren  so  eng  waren,  dafs  man  beide 
Niveaus  des  Barometer  nicht  zugleich  beobachten  konnte^ 
wenn  die  Barometer  selbst  nicht  senkrecht  hingen.  Als 
zweite  Controle  diente  das  Fernrohr ,  indem  das  obere 
und  untere  Niveau  in  vollkommen  gleicher  Schorfe  ersdiei- 
neu  mufsten.  Uebrigens  zeigte  ein  Probeversuch ,  dafs  der 
durch  ein  absichtlich  sehr  bedeutendes  SchiefhSngen  .der 
Barometer  entstehende  Fehler  die  Gröfse  des  auf  S.  66  er- 
wähnten Einstellungsfehlers  nicht  fiberstieg.  Dafs  die  op- 
tische Axe  des  Fernrohres  auf  der  Säulenaxe  des  Compa- 
rator  senkrecht  stehe,  ist  eine  Forderung,  der  der  Mecha- 
niker zu  genügen  hat;  das  Vorhandensejn  dieses  Fehlers 
konnte  aus  dem  oben  beschriebenen  Apparate  für  sich  nicht 
nachgewiesen  werden.  Es  ist  klar,  dafs  derselbe  mit  dan 
aus  einer  nicht  verticalen  Stellung  der  Säule  entspringen- 
den zusammenfallt,  indem  auch  bei  ihm,  da  die  optische 
Axe  sich  selbst  immer  parallel  bleibt,  nur  die  Gestaltver- 
schiedenheit der  beiden  Quecksilberkuppen  in  Betracht 
kommt.  Die  Übrigen  Fehler,  welche  vom  Fernrohre  her- 
rühren können,  nämlich  Parallaxe  und  Nichthorizontalitit 
der  Brennpunktfäden  wurden  ebenfalls  vor  Beginn  der 
Beobachtungen  möglichst  sorgfaltig  berichtigt. 

Die  Messungen  selbst   wurden    folgendermafsen   ange- 
stellt: Aus  den  beiden  Reservoirs  wurden  die  Blechröhren 


69 

mit  Wasser  gefüllt:   das   rechts   befindliche  mit  Wasser, 
das  durch  längeres  Stehen  die  Zimmertemperatur  angenom- 
men hatte,  während  in  das  Reservoir,  welches  die  Röhre 
links  speiste,  eine  beträchtliche  Quantität  Eis  gegeben  wurde, 
von    dem    das   darübergegossene   Wasser    erkältet   ablief. 
(Das  Schmelzen   des  Eises  allein  ohne  Zugabe  von  Was- 
ser hätte  allerdings  noch  etwas  niedrigere  Temperaturen» 
aber  nicht  eine  hinreichende  Menge  Wasser  gegeben.)    In 
dieser  letzteren  Röhre  wurde  vor  Beginn  jeder  Beobach- 
tungsreihe das  Wasser  erst  mehrmals  gewechselt,  um  die 
Temperatur  der  Hüllen  hinreichend  zu  erniedrigen.     War 
dieses  geschehen ,  so  wurden  sämmtliche  Hähne  geöffnet, 
und  so  in  beiden  Blechröhren  durch  den  ununterbrochenen, 
gleichmäfsigen  Zu-  und  Abflufs  das  Wasser  in  beständiger 
Bewegung  erhalten,  um  zu  vermeiden,  dafs  sich  das  kältere 
nach  unten  senke.    Dieser  Wechsel  fand  so  schnell  statt, 
dafs  in  Zeit  einer  Viertelstunde  etwa  ein  Kubikfufs  Was- 
ser aus  dem  unteren  Hahne  abflofs.   Es  wurden  nun  beide 
Barometer  senkrecht  in  das  Wasser  gehängt,  worauf  nach 
Verlauf  von  20  Minuten  die  Beobachtung  damit  begann, 
dafs  mittelst  der  obenerwähnten  Holzstöckchen  in  beiden 
Röhren  das  Wasser  ein  paar  Male  umgeröhrt  und  die  drei 
Thermometer  abgelesen  wurden.    Hierauf  wurde  am  Com- 
parator  der  Horizontalfaden  des  Mikroskopes  auf  den  Theil- 
strich  der  Säule  eingestellt,  der  zunächst  Ober  dem  obe- 
ren Niveau  eines  der  beiden  Barometer  lag,  und  von  dem- 
selben an  mittelst  der  Mikrometerschraube  noch  so  weit 
herabgemessen,  bis  der  Horizontalfaden  des  Fernrohres  die 
Quecksilberkuppe  berührte;   es  wurde  dann  der  Compara- 
tor  um  180^  gedreht,  und  ebenso  am  oberen  l^ivieiay  des 
zweiten  Barometer  verfahren.    Auf  dieselbe  Weise  wurde 
der  Stand  der  beiden  unteren  Niveau's  aufgezeichnet,  und 
sodann  nochmals  der  der  beiden  oberen.    Es  wurde  dabei 
vermieden,  den  Comparator  mit  der  blofsen  Hand  zu  be- 
rühren, um  nicht  die  Temperatur  desselben  während  der 
Dauer  einer  Beobachtung  zu  ändern;  zweitens  wurden  die 
Ablesungen  in  möglichst  gleichen  Zeitintervallen  gemacht. 


70 


UniBillelbar  nath  der  %rreii6n  Ableiang  der  oberen  Mtveaus 
wurde  das  Wasser  beider  Blechrdhren  Dochmals  umgerührt, 
und  die.  Thermometer  abermals  aufgezeichnet,  womit  eine 
Beobachtung  vollendet  war.  Sie  erforderte  immer  15  Mi- 
nuten Zeit.  Es  wurden  sodann  die  Barometer  in  den  Biech- 
röhren  vertauscht,  wobei  darauf  gesehen  wurde,  beide  Ba- 
rometer immer  so  zu  h&ngen,  dafs  sie  in  jeder  ihrer  beiden 
Lagen  dem  Ob)ective  des  Fernrohres  dieselbe  Seite  ihrer 
Röhrenwände  darboten ,  und  nach  20  Minuten  eine  neue 
Beobachtung  genau  auf  dieselbe  Art  begonnen,  nach  deren 
Vollendung  die  beiden  Barometer  von  neuem  ihre  Plätze 
wechselten  u.  s.  w.  (Die  Zeit  von  20  Minuten,  welche 
dem  Barometer  gelassen  wurde,  um  die  Temperatur  des 
Wassers  anzunehmen,  ist  hierzu  gewifs  mehr  als  hinreichend. 
Denn  die  Versuche  von  Boeckmann  (Gehler  X.  474) 
beweisen,  dafs  eine  mit  Quecksilber  gefüllte  Glaskugel  von 
1  Zoll  Durchmesser  und  0,2  Lin.  Wanddicke,  die  in  ein 
Wasserbad  von  +  15^,7  R.  getaucht  wurde,  nur  23  Sekim- 
den  nölhig  hatte,  um  ihre  Temperatur  von  +60^  auf  +30^ 
zu  erniedrigen).  Zugleich  wurde  Sorge  getragen,  die  Beob- 
achtungen nur  an  solchen  Tagen  anzustellen,  an  denen  die 
Aenderungeu  des  atmosphärischen  Druckes  möglichst  gering 
und  regelmäfsig  waren. 

§.  4. 
Auf  diese  Weise  wurden  folgende  vier  Reihen  von  Beob- 
achtungen erhalten:  , 

1849,  August  27,  Vorm. 


Barom. 

Rahre 
rechts. 

JS[.  Th. 
No.  1. 

Th. 
No.  % 

Barom. 

Röhre 
lioks. 

Th. 
No.  3. 

I. 

M,724 

1017,958 

68,741 

350,10 

• 

349,75 

H- 20,15 
20,22 

".  . 

62,712 

1019,330 

62,762 

—  12,42 
12,20 

II. 

59,680 

1018,813 

59,740 

350,05 
349,92 

20,15 
20,21 

I. 

60,754 

lAl6,926 

60,730 

13,17 
12,05 

I. 

58,561 
1017,442 

58,583 

349,50 
349,20 

20,24 
20,36 

II. 

63,089 

1019,191 

63,072 

12,99 

12,78 

71 


Barom. 

Rühre 
rechu. 

N.  Th. 
No.  1. 

Th. 
No.  2. 

Barom. 

Röhre 
link«. 

Th. 
No.  3. 

11. 

59,844 

1019,048 ') 

59,964 

348,75 
348.50 

-h20,45 
20,50 

1. 

61,518 

1017.530 

61,545 

-ii,»r 

12,76 

I. 

58,487 

1016,963 

58,495 

348,40 
348.20 

20.53 
20,63 

II. 

63.164 

1018.929 

63,138 

12,72 
12,59 

11. 

59,726 

1018,091 

59,731 

348.10 
347.50 

20,63 
20,75 

I. 

• 

61.SF12 

1017,120 

61,533 

12,40 
12.28 

I. 


II. 


I. 


u. 


I. 


II. 


I. 


II. 


I. 


1849  August  30,  Vorm. 


60,610 

1016,353 

60,565 

61.230 

1016.989 

61,210 

60,737 

1016.558 

60.728 

61.216 

1016.663 

61,252 

60,971 

1016.460 

60.929 

61.147 

1016.518 

61.163 

60,971 

1016,386 

60.980 

61.099 

1016,^7 

61.115 


57.421 

1019.065 

57,374 


345.55 
345.45 

-h21,23 
21,26 

11. 

345.50 

21,25 

I. 

345.30 

21,27 

345.38 
344,92 

21,26 
21,34 

II. 

344,80 

21,43 

I. 

344.60 

21.48 

344.70 
344.35 

21,45 
21,53 

• 

II. 

344,15 

21.58 

I. 

344.02 

21,64 

343.45 
343,40 

21.69 
21.74 

II. 

343,28 

21,79 

I. 

342.65 

21.94 

1849  September  4 ,  Vorm. 


342.90 

-h  21,91 

n. 

342.70 

21,93 

64,265 

10^7,001 

64,301 

- 14.12 
14,19 

63,930 

1016,625 

63,952 

14,20 
14,58 

64,371 

1017,057 

64,393 

14,15 
14,39 

64,084 

1016,469 

64.122 

14,56 
14,61 

64,514 

1016.922 

64,597 

14,08 
15,01 

64,534 

1016,732 

64.502 

14,01 
13.64 

64,634 

1016,87& 

64.634 

14,32 
14,02 

64,S42 

1016,638 

64.522 

13,86 
13,46 

• 

59,722 

1018.188 

69,721 

- 12,76 
13,06 

1)  Hier  wurde  h5chn  wahrscheinlich  eia  falscher  Nonius  ri>gelesen. 


72 


Barom. 


Röhre 

rechts. 


N.  Th. 
No.  1. 


Th. 
No.  2. 


Barom. 


Röhre 
link«. 


Th. 
l^o.  3. 


—  13,16 
14,22 
14,16 
14,11 
13,59 
13,38 
13^59 
13,68 
13,58 
13,78 
13,60 
13^79 

-13,09 
14,74 
13,98 
14,17 
14,01 
13,98 
13,59 
13,38 
13,79 
13,81 
13,37 
13,68 
13^41 
13,78 


II. 


I. 


II. 


I. 


n. 


I. 


I. 


n. 


I. 


n. 


I. 


n. 


58,046 

1019,788 

58,066 

57,236 

1018,997 

57,283 

57,756 

1019,437 

57,727 

57,476 

1018,992 

57,461 

57,626 

1018,959 

57,667 

57,735 

1019,085 

57,800 


342,55 
342,45 
342,35 
342,10 
341,65 
341,35 
341,12 
340,07 
340,65 
340,25 
339,95 
339,45 


+21,98 
22,00 
22,01 
22,06 
22,16 
22,21 
22,27 
22,40 
22,47 
22,50 
22,56 
22,67 


I. 


II. 


I. 


IL 


I. 


IL 


61,220 

1019,679 

61,198 

61,557 

1020,056 

61,579 

61,174 

1019,704 

61,185 

61,596 

1020,015 

61,632 

61,500 

1019,595 

61,554 

61,782 

1019,811 

61,853 


I. 


58,174 

1017,919 

58,189 

57,502 

1017,380 

57,533 

58,442 

1018,282 

58,430 

58<695 

1018,529 

58,754 

58,294 

1018,019 

58,300 

58,631 

1018,327 

58,634 

58,420 

1018,264 

58,476 


1849  September  5,  yorm. 


339,55 
339,25 

+22,62 
22,73 

IL 

339,08 

22,76 

I. 

338,60 

22,90 

338,45 
338,18 

22,95 
23,02 

IL 

337,40 

23,16 

I. 

337,05 

23,26 

336,60 
336,45 

23,35 
23,37 

IL 

336,15 

23,50 

i 

335,75 

23,54 

I. 

335,55 
335,25 

23,60 
23,70 

IL 

62,135 
1018,475 
62,150 

62,050 

1018,522 

62,135 

62,488 

1018,825 

62,510 

62,275 

1018,778 

62,327 

62,689 

1018,896 

62,678 

62,391 

1018,824 

62,422 

62,522 

1018,820 

62,574 


N.  Tl.. 
No.  1. 

Tl.. 

N<,.a. 

Barom. 

tUSbn 
linb. 

N.  Th. 

68,191 

II.         1017,821 

68,210 

335,06 

3w,eo 

+23.75 

23,85 

I. 

d3,7&0 

1018,987 

62,760 

13,52 

13,54 

§.  5. 
Zur  Redaction  dieser  BeobachfuDgen  dieDea  die  hier 
foIgendeD  Tabellen.  Durch  die  drei  ersten  werden  die 
Ablesungen  der  Thennometer  auf  nabre  Grade  der  hun- 
dertlheiligen  Scale  gebracht,  wobei,  wie  schon  erwähnt 
wurde,  das  mit  N.  Tb.  No.  i.  bezeichnete  Thermometer  ein 
onmiltelbar  durch  Rechnnng  corrigirtes  ist,  wShreud  die  bei- 
den andern  durch  Vergleichnngeo  in  Wasser  aaf  dasselbe 
redudrt  wurden.  Um  nicht  eine  zu  grobe  Menge  von  Zah- 
len auf  einander  zuhSufen,  folgen  hier  unmittelbar  die  Re- 
sultate dieser  Vergleichungen. 


Able-    TempcraJ 
MU^.       tar  C.    I 


Able«  Tempera-  Able-    Tempera-I 


Norm.-TbermoDi.  No.  1. 

I-KM'.OÖ 
23,01 
23,95 


ThertDom.  No.  a 


360  |-|-19°,24| 
346  20 ,18 
342  I     21 ,12 1 


TberoKHii.  No.  2. 


20,0 

+  19*,04 

4-22,0 

+2I',03 

«1,1 

22;s 

21,52 

21.« 

20,04 

23,< 

22,02 

21,5 

20  ,U 

23,l> 

22,52 

22,0 

21,03 

24,0 

23,02 

-15.00[-M' 

14,75  1 

14,50  1 

14,25  2 

14,00  2 
13,75 
13,60 


im 


Die  nun  folgende  Tabelle  enthält  die  Uotersucbung  der 
Comparatortheiluog  und  Beduction  derselben  auf  die  Um- 
gänge des  Schraubenmikrometers.  Es  war  nSmlich  die  SSnIe 
nicht  mittelst  dieser  Mikrometerechraube  selbst,  sondern 
auf  einer  geradlinigen  Theilmascbine  getheilt  worden,  wes- 
halb auch  der  Werth  eines  Umganges  dieser  Schraube  und 
eines  Tbeiles  der  Säule  nicht  identisch  sind.  Da  für  die 
Untersuchung  der  Schraube  selbst  an  dem  Apparate  keine 
Vorrichtung  angebracht  war,  so  wurde  dieselbe  als  richtig 


74 

angenommen  I  and  die  ganze  Länge  der  Säule  in  Unterab- 
theilongen  von  je  20  Theilen  mit  derselben  verglichen.  Da 
die  Mikrometerschraube  30  Umgänge  zählte,  so  konnte  Jede 
einzelne  Vergleicbung  bei  einem  anderen  Schranbengange 
als  die  vorhergehende  begonnen  und  dadurch  wenigstens 
ein  Theil  etwa  vorhandener  kleiner  Fehler  der  Schraube 
hinausgebracht  werden.  In  derjenigen  Gegend  der  Säule, 
in  welcher  die  Niveaus  beider  Barometer  lagen ^  wurde 
jeder  einzelne  Theil  für  sich  untersucht.  Da  diese  Theile 
für  die  Beobachtung  von  bei  weitem  gröfserer  Wichtigkeit 
sindy  so  wurde  hier  auch  die  Vergleicbung  mit  gröCserer 
Sorgfalt  angestellt,  und  für  jeden  Theil  sechs  Mal  wieder- 
holt, während  die  Bestimmung  der  Theile  der  Säule,  welche 
bei  den  Barometerhöhen  immer  gemeinschaftlich  waren,  auf 
mindestens  drei  Yergleichungen  beruht.  Es  ergaben  sich 
folgende  Zahlenwerthe: 


Thcil- 
strich. 

Werth  iD  SchraubeD- 
uiDgSngen. 

Theü- 
strich. 

Werth  in  Schrauben- 
nrogangen. 

56 
57 
58 
59 
60 
61 
62 
63 
64 
65 
66 

1  -  0,0024 

0,0052 

+  0,0017 

0,0010 

0,0057 
0,0014 

0,0013 

0,0043 

0,0009 
0,0015 

1014 
1015 
1016 
1017 
1018 
1019 
1020 
1021 
1022 
1023 
1024 

1                       +  0,0144 
-0,0037 

0,0012 
0,0006 
0,0088 

0,0203 
0,e027 
0,0077 

0,0012 

0,0063 

66 
100 
200 
300 
400 
500 
600 

34    +0,0559 
100                     —  0,0286 

0,0584 

0.0347 

0,0810 

0,1780 

600 
700 
800 
900 
1000 
1014 

100  +0,1528 

0,1780 

0,1526 

0,1223 

14                     —  0,0390 

aus  denen  man  den  Werth  der  Säulenlänge 

(66,1014)  =  948,946 

Schraubenumgängen  findet.   Der  mittlere  Fehler  für  die  Mes- 
sung eines  Stückes  von  20  Theilen  ist  hierbei  s  ±0^0027, 


75 

also   der   mittlere  Fehler   des    ganzen  Stückes    66,1014= 
±0,019,  eine  Sicherheit,  die  mehr  als  ausreichend  ist. 

§•6. 

Die  doppelte  Ablesung  des  oberen  Niveaus  beider  Ba- 
rometer geschah,  um  die  Aenderungen  des  Barometerstan- 
des, welche  während  der  Dauer  einer  Beobachtung  durch 
Aenderung  der  Temperatur  und  des  Luftdruckes  eintreten 
konnten,  und  die  als  lineare  Function  der  Zeit  betrachtet 
werden,  zu  eliminiren.  Denn  bezeichnet  mau  die  am  An- 
fange der  Beobachtung  gemachte  Ablesung  des  oberen  Ni- 
veaus mit  a+S,  wo  S  diese  Aenderung  vorstellt,  die  zweite 
mit  a  —  S,  so  würde  eine  in  der  Mitte  zwischen  beiden 
liegende  Ablesung  den  Werth  a  ergeben;  statt  dieser  wurde 
aber  der  Stand  6  des  unteren  Niveaus  aufgezeichnet.  Man 
findet  also  hieraus  uod  aus  der  ersten  Beobachtung  des 
oberen  Niveaus  die  ganze  Barometerhöhe  =  a — b+ö,  wäh- 
rend die  Ablesung  des  unteren,  verbunden  mit  der  zweiten 
des  oberen  Niveau,  diese  Höhe  =a — b  —  S  ergiebt.  Das 
arithmetische  Mittel  aus  beiden  ist  =a — b  und  unabhängig 
von  d;  es  entspricht  der  Barometerhöhe,  welche  in  der 
Mitte  der  Beobachtung  stattfand.  Ebenso  wurde  aus  den 
beiden  Thermometerablesungen  am  Anfange  und  Ende  je- 
der Beobachtung  das  arithmetische  Mittel  genommen,  und 
auf  diese  Weise  mit  Hülfe  der  im  vorigen  §.  angegebenen 
Täfelchen  folgende  vier  Reihen  gebildet: 


76 


§ 


I 

JQ 

H 


e    «^    •* 


•IC« 


s 


CO 

CO 


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lA 


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CO  i>- 


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0 


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CO  in 

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CO 

CO  lA 


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SS 

COiA 
0)0) 


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CO  CO 

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SS 


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©CO 
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CO  00 

CO 


CO 


0>  CO 
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CO  CO 


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CO  in 

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CO  CO 

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CO  CO 

©  © 
in  «n 
©© 


CO  CO 

ö  *^ 
CO  in 

©© 

in  in 

©  © 


77 

Es  bedeuCeh  hier  in  der  Versuchsreihe  eines  jeden  Tages 
die  Zahlen  der  ersten  Colnmne  Umgänge  der  Mikrometer- 
schraube y  während  die  zweite  wahre  Grade  der  hundert- 
theiligen  Scale  enthält  In  zwei  zusammengeschriebenen 
Horizontalreihen  sind  die  Resulate  der  gleichzeitigen  Able- 
sungen beider  Barometer  und  bilden  mit  einander  eine 
Beobachtung. 

§.  7, 
Jede  solche  Messung  einer  Barometerhöhe  wird  durch 
die  Gleichung  repräsentirt: 

Lo=L(il+qT)+Q-E,-^D,(il  +  aT). 

Es  bezeichnet  hierbei: 

Lq  die  unmittelbar  gemessene  Barometerhöhe , 

L  dieselbe  absolute  Höhe  auf  die  Temperatur  0°  re- 
ducirt  und  befreit  von  allen  dem  Instrumente  anhaftenden 
Fehlern,  die  man  als  unabhängig  von  Temperatur  und  Luft- 
druck ansehen  kann,  wie  z.  B.  Adhäsion  und  Reibung 
des  Quecksilbers  am  Glase,  Gapillardepression,  Refraction 
der  Lichtstrahlen  in  der  dem  Fernrohre  zugewendeten  Seite 
der  Baromeferröhre  etc., 

Q  die  algebraische  Summe  der  Refractionsconstanten  der 
beiden  Plangläser,  welche  an  der  dem  Fernrohre  zugekehrten 
Seite  der  Blechröhre  die  beiden  Durchsichten  derselben 
Terschliefaen, 

q  den  Ausdehnungscoefficienten  des  Quecksilbers  für  1®  C«, 
.  7  die  beobachtete  Temperatur  in  Centigraden  und 

Ev  die  bei  dieser  Temperatur  stattfindende  Eiasticität 
der  in  der  Torricellischen  Leere  gebildeten  Quecksilber- 
dämpfe. 

Das  zweite  subtractive  Glied  auf  der  rechten  Seite  des 
Gleichheitszeichens  rührt  von  dem  Daseyn  einer  ganz  klei- 
nen Luftblase  her,  die  sich  am  oberen  Ende  eines  je- 
den der  beiden  Barometer  bei  horizontaler  Lage  derselben 
bemerklich  machte,  und  im  Laufe  der  Beobachtungen  aus 
dem  Quecksilber  frei  geworden  zu  sejm  iscliien.    Es  be- 


78 

deatet  in  diesem  Gliede,  das  offenbar  die  Spannkraft  der 
eingeschlossenen  Laft  ausdrückt. 

Fq  das  Volamen  der  eingeschlossenen  Luft  bei  0^  Temp. 
und  in  horizontaler  Lage  des  Barometer ,  oder  unter  dem 
Drucke  einer  Atmosphäre, 

V  das  Volumen  derselben  Luft  in  verticaler  Lage  des 
Barometer  oder  den  Bauminhalt  der  Torricelliscben  Leere, 
D  den  Druck  einer  ganzen  Atmosphäre, 
a  den  Ausdehuungscoefficienten  der  Luft  fQr  1°  C 

Durch  unmittelbare  Messung  wurde  Dun  gefunden  Vq 
=0,014,  F=6790,  wobei  vorsätzlich  die  Dimensionen  des 
Luftblächeus  wohl  um  das  Doppelte  zu  groEs  und  der  Kürze 
wegen  in  beiden  Barometern  gleich  genommen  wurden.  Fer- 
ner ist  a=0,00366  und  in  runder  Zahl  Z>=1000,  wobei 
Vq,  V  und  D  in  Einheiten  der  Mikrometerschraube  aus- 
gedrückt sind.  Für  die  beiden  mittleren  Temperaturen  der 
Messungen  +20^  und  +3^  erhält  man  hiernach  die  zu- 
gahöfigen  Spannkräfte  =0,0022  und  0,0020,  Gröfsen,  welche 
man,  da  bei  der  Bestimmung  von  q  noch  dazu  nur  ihre 
Differenz  in  Betracht  kommen  würde,  ganz  vernachläs- 
sigen darf. 

Dasselbe  gilt  von  der  Spannkraft  E%  der  Quecksilber* 
dämpfe.  Nach  einer  von  Avogadro  aus  Versuchen  ab- 
geleiteten Formel  (Poggendorff  XXVIL  60)  ist  nämlidi 

log  Et = ~  0,64637 .  T+  0,075»56 .  T^  —  0,18452 . JT* 
wo   als  Einheit   der  Elasticität   der  atmosphärische  Druck 
0'",76,  als  Wärmeeinheit  das  Temperaturintervall  100®  gplt, 
und  T  für  Temperaturen  unter  100^  positiv  zu  nehmen  ist. 
Es  findet  sich  nach  dieser  Formel: 

für  r=20o  £=0,00000  20360  Millhn. 
und  für  T=  0«  E=0,00000  00852  Millim. 
beides  Gröfscn,  deren  Berücksichtigung  wohl  keines  unse- 
rer Messungsmittel  gestatten  dürfte. 

Bezeichnet  man  nun  speciell  bei  einem  bestimmten  Luft* 
drucke  mit 

L  und  ^  die  corrigirten  und  auf  0^  reducirten  Län* 
gen  der  Quecksilbersäulen  in  den  Barometern  I  u.  II. 


R  und  r  die  oben  mit  q  bezeichnete  Grobe  resp.  f&r 
die  Röhre  rechts  mit  dem  wärmeren  and  die  Röhre  links 
mit  dem  kälteren  Wasser,  so  ist  also  die  erste  Beobach- 
tung einer  d^  oben  mitgetheilten  Versuchsreihen  dargestellt 
durch  die  einfache  Gleichung 

L^=z^  (l  +  qt^y+r 
(Es  liegt  dieser  Formel  die  Annahme  zu  Grunde^  dafs  das 
Quecksilber  innerhalb  des  beobachteten  Temperaturinter- 
valles  ein  lineares  Ausdehnungsgesetz  befolge:  eine  Hj- 
pothese,  die  auch  alle  früheren  Beobaditer  machten  und 
die  för  unsere  engen  Temperaturgräuzen  durch  Dalong's 
und  Petit's  Beobachtungen  auch  hinlänglich  gerechtfertigt 
erscheint.)  Vertauscht  man  die  beiden  Barometer  in  den 
BlechgefäCsen,  so  hat  man  noch 

L,=(^  +  A)(l  +  qT,)  +  R 

wo  A  die  auf  0^  reducirte  Aenderuug  der  Barometerhöhe 
in  der  zwischen  zwei  auf  einander  folgenden  Beobachtun- 
gen verflossenen  Zeit  bedeutet.  Eine  neue  Vertauschung 
giebt  unter  der  Annahme,  dafs  für  kurze  Zeitintervalle  der 
Gang  des  Barometer  eine  lineare  Function  der  Zeit  sey, 
ebenso 

i,  =  (L+2A)(l  +  ?r,)  +  Ä 

aus  welchen  sechs  Gleichungen  nun  die  sechs  Unbekann- 
ten L,  Ay  A9  <l9  A  und  r  zu  bestimmen  sind.  Versucht 
man  diese  Bestimmung  auf  dem  gewöhnlichen  Wege,  so 
stöfst  man,  abgesehen  von  dem  Umstände,  dafs  die  End- 
formeln für  die  Zahlenrechnung  zu  unbequem  würden,  auf 
manche  Schwierigkeiten,  die  in  der  Natur  der  Sache  be- 
gründet sind  und  namentlich  dann  auftreten,  wenn  man 
versucht  A  und  r  zu  bestimmen,  deren  Functionalwerthe 
als  Differenz  zweier  sehr  grofseu,  nahe  gleichen  Gröfsen 
auftreten,  während  ihre  Zahlenwerthe  selbst  natürlich  nur 
sehr  klein  sind.  Es  war  deshalb  ein  indirectes  Verfahren 
vorzuziehen^  zu  dem  noch  die  Kenntnife  der  Differenz  'Bl-^t 


80 

wOoscbeDSwerth  erschien.  Man  kann  zu  derselben  leicht 
durch  unmittelbare  Versuche  gelangen.  Beobachtet  und  ver* 
tauscht  man  nSmlich  die  beiden  Barometer  in  den  Blech- 
röhren, während  dieselben  mit  Wasser  von  gleidien  Tempe- 
raturen (Zimmerwärme)  gefüllt  sind,  so  hat  man  in  den 
ersten  vier  der  vorstehenden  Gleichungen  nur  alle  T  und  t 
einander  gleich  zu  setzen,  um  sie  fQr  diesen  Fall  einzu- 
richten. Zieht  man  dann  die  vierte  von  der  ersten  und 
die  zweite  von  der  dritten  ab,  und  addirt  diese  Differen- 
zen, so  erhält  man 

Es  wurde  auf  diesem  Wege  diese  Constante  wirklich  be- 
stimmt, und  es  fand  sich  aus  achtzehn  Beobachtungen 

Ä— r=-h0,120±0,009. 

Setzt  man  nun  in  den  für  die  eigentlichen  Beobachtungen 
geltenden  Relationen 

Ä=4(«.t.ti),  r=i(«  — ti) 

und  redudrt  die  Barometerhöhen  auf  den  während  der  mitt- 
leren Beobachtung  stattfindenden  Luftdruck  i  so  gehen  un- 
sere sechs  Gleichungen  über  in 

L,=l(l+?r,).i-i(*  +  w)-A(l  +  5fTi) 

=  (^  +  |)(l  +  gr3)  +  iw 
L4==I(l-i-gr^J+4(«  — u) 

=  Ci+l)Cl  +  ?^)-i« 

=  (L.f.4)(i+?T,).*-4w+A(i+?r,) 

Le=(^l+?«s)  +  K«-w)  +  A(l  +  «*6) 

=(^+|)(l-i-g#,)_4tt+A(H-g<e) 

wo  also  4  «=+0,060  zunehmen,  und  nun  jL-|-4,  -rf+|, 
A  und  q  als  die  neuen  Unbekannten  anzusehen  sind.  Die 
zweite  Transformation  der  rechten  Seite  dieser  Gleicbun- 
gen  ist  allerdings  nicht  ganz  strenge,  indem  durch  dieselbe 

noch 


81 

noch  das  Product  ^sqt  addiit  wurde.  Es  ist  dieser  Feh- 
ler jedoch  so  geringe  dafs  man  sich  denselben  fQglich  noch 
gestatten  kann.  Denn  nimmt  man  ^=20,  q^zj-^^^j^  und 
macht  für  die  geschliffenen  Gläser  gewifs  eine  höchst  un- 
wahrscheinKche  Anuabmejß-H*oder«  =  l,  so  wird  isqtzzz-^^ 
Umgang  der  Mikrometerschraube,  während  der  mittlere  Ein- 
stellungsfehler  nach  S.  66  ungefähr  =  ^V  ist« 

Uebrigens  hätte  sich  diese  Willkühr  durch  directe  Be^ 
Stimmung  von  R  und  r  auch  umgehen  lassen.  Man  hätte 
nämlich  z.  B.  den  Werth  einer  bekannten  Anzahl  von  Um- 
gängen der  Mikrometerschraube  an  einer  getheilten  Scale 
ablesen  können,  die  hinter  den  Glasplatten  angebracht  wor* 
den  wäre.  .  Man  hätte  dann  die  letzteren  weggenommen, 
und  dieselbe  Anzahl  von  Theilen  des  Schraubeumikromelers 
von  neuem  durch  die  getheilte  Scale  bestimmt,  wodurch 
sich  die  -  Prismacität  jeder  Glasplatte  unmittelbar  erge- 
ben hätte. 

Da  jedoch  die  Glasplatten  nicht  zum  Abnehmen  einge- 
richtet waren,  nnd  der  so  begangene  Fehler  so  unbedeu- 
tend ist,  so  wurden,  um  die  einfache  Idee  des  Apparates 
durch  das  Hineinbringen  fremder  Elemente  nicht  zu  com- 
pliciren,  diese  Bestimmungen  ganz  unterlassen. 

§.  8. 
Aus  den  Gleidiungen  des  vorigen  §.  ergiebt  sich  nun 
unmittelbar: 

welche  Relationen  zur  Bestimmung  der  vier  Unbekannten 
in  der  Art  benutzt  wurden,  dafs  man  zuerst  mit  einem  ge- 
näherten Werthe  von  q  —  etwa  dem  von  Dulong  und 

Pog^eDdor^Ts  Aimal.  Bd.  LXXX.  6 


82 

Petit  gelandcn  —  diese  Tier  Fomdln  dkirdiredin^e,  mit 
dem  so  erhalteoen  neuen  q  die  Redinong  wiederholte  n.  s.  w^ 
bis  sich  für  9  keine  Aendemng  mekr  ergab.  Gewöhnlich 
war  dieCs  schon  bei  der  dritten  Wiederholong  der  Recfannog 
der  FaU. 

Da  nur  Tier  Unbekannte  za  bestimmen  sind,  so  sind 
eigentlich  zwei  der  gebrauchten  sechs  Relationen  Qberzihli^ 
Ich  zog  es  jedoch  tot,  sSmmtUche  sechs  Gleichungen  za 
der  Bestimmung  auzuwend^i,  da.  wie  wir  sogleich  sdien 
werden,  einerseils  durch  diese  fiberzählig  beigezogenen  Glei- 
chungen keine  Bestimmung  Terloren  geht,  und  andererseiti 
durch  dieselben  eine  etwas  schnellere  Approximation  und 
schon  bei  der  Berechnung  jedes  Versuches  selbst  eine  Art 
von  Ausgleichung  der  unTeimeidlichen  Beobachtungsfehler 
möglich  wird« 

Da  nimlichy  wie  die  auf  S.  76  gemachte  Zusammenstel- 
lung zeigt«  sich  die  Temperatur  des  wSrmeren  Wassers  nor 
sehr  lan^m  und  regelmSlsig  andntc^  so  redudrte  ich,  ehe 
ich  mit  der  Berechnun;?  der  einzdnen  im  Laufe  eines  Vor- 
mittags  angesteUtea  Versuche  begann,  erst  alle  im  wSrme- 
ren  Wasser  gemeä^^enen  Barometerhöhen  durch'  ein  vorlfio- 
figes  q.  dessen  Werth  hiebei  ziemlich  gleichgültig  ist,  anf 
eine  und  dieselbe  mittlere  Temperatur,  und  bestimmte  so 
den  Gang  eines  jeden  der  beiden  Barometer  und  aus  })ei- 
deo  durch  Interpolation  die  mittlere  Aenderung  des  Luft- 
druckes während  der  ganzen  Beobachtungszeit.  Zeigte  sich 
nun  bei  der  Berechnung  eines  jeden  eizelnen  Versuches 
eine  Abweichung  in  den  V^'erthen  tou  £,  uf  oder  A  ▼on 
den  nüttlcron,  durch  Interpolation  gefunden,  so  benutzte 
ich  die  zwei  Bestimmungen,  weldie  mir  das  angewandte 
Svi^tom  von  sechs  Gleichungen  noch  gestattete,  in  der  Art, 
dafs  ich  diejenigen  der  obigen  drei  GrOfsen,  welche  den 
grOlVlen  Beobachtungsfehler  vermuthen  liefscn,  noch  einmal 
AUS  den  noch  nicht  benutzten  Gleichungen  berechnete,  wozn 
»\v\\  den  oben  angegebenen  analoge  Relationen  ergeben; 
dn8  nrilhmctische  Mittel  aus  diesem  neuen  und  dem  zuerst 
(gefundenen  Werthc  galt  dann  für  die  Fortsetzung  der  Rech- 


nang  als  der  wahre  Werth  der  fraglichen  GrObe.  Bei  zwei 
Versachen  am  4.  und  5.  September  kam  es  vor,  dafs  wäh- 
rend der  Dauer  des  Versuchs  die  Aenderung  des  Lnftdruckes 
eine  Maximumstelle  erreichte,  d.  h.  vom  Wachsen  ins  Ab- 
nehmen überging.  Da  unsere  Formel,  ihrer  Construction 
nach,  diesen  Fall  ausscblieCsen,  so  konnte  die  Unbekannte  A 
aus  denselben  gar  nicht  berechnet  werden,  und  es  wurde 
zur  Reduction  dieser  beiden  Versuche  blofs  der  durdi  In- 
terpolation gefundene  Werth  benutzt. 

"War  auf  diese  Weise  die  Berechnung  eines  Versuches 
beendigt,  so  wurde  das  für  den  nächstfolgenden  dienende 
Sjstem  von  Gleichungen  dadurch  gebildet,  dafs  von  eben 
gebrauchten  die  beiden  ersten  Gleichungen  weggelassen  und 
statt  derselben  die  zwei  nächstfolgenden  unten  angereiht 
wurden,  worauf  wieder  aus  den  beiden  mittleren  der  Werth 
von  q  berechnet  wurde.  Aus  dem  ersten  und  letzten  Sy« 
Sterne  der  Versudisreihe  eines  jeden  Tages  wurden  immer 
zwei  Werthe  von  q  bestimmt,  um  keine  Beobachtung  un- 
benutzt verloren  gehen  zu  lassen.  Man  hat  dazu  die  beiden 
Formeln 


und 


^  — (L+i-J)(T,-#a)-#,lU-l-|)-(L-l-|)] 
^  — (L+H-^)(T5-f.)-f6[(^-M)-(I'-f-|)] 


wo  die  erste  für  den  Anfang,  die  zweite  für  das  Ende  je- 
der Versuchsreihe  zu  benutzen  ist. 

Es  dürfte  kaum  nöthig  seyn,  zu  bemerken,  dafs  alle 
diese  Formeln  nur  für  den  Fall  gelten,  in  dem  das  Wech- 
seln der  Barometer  in  den  Blechröhren  in  der  bei  Herlei- 
tung der  Formeln  angenommenen  Reihenfolge  vorgenommen 
wurde,  nämlich  für  den  Fall,,  in  welchem  bei  der  ersten 
Beobachtung  das  Barometer  I.  sich  in  der  Röhre  mit  wär- 
meren Wasser  befand.  Für  den  folgenden  Versuch,  bei 
dem  das  Barometer  II.  zuerst  in  dem  Gefilfse  abgelesen 
wurde,  werden  die  Formeln  gültig,  wenn  man  in  dem^elböü 
fiberall  L  mit  ji  vertauscht. 

6* 


84 


§.9. 
Nach   diesen  Formelo   wurden  nun  aus  den  auf  S.  76 
mitgetheillcn  Versuchsreihen  folgende  Werlhe  von  q  be- 
rechnet: 


Aug.  27. 


Aug..  30. 


I. 

0,00017720 

17738 

II. 

17245 

III. 

— 

IV. 

16786 

17483 

I. 

17023 

16665 

II. 

18200 

III. 

17715 

IV. 

16763 

V. 

16497 

VL 

17350 

16499 

—        Sept.  4. 


Sept.  5. 


I. 

0,00017832 

18333 

IL 

17748 

lU. 

17335 

IV. 

17050 

V. 

17006 

17729 

i. 

18206 

17370 

II. 

17460 

III. 

18010 

IV. 

16756 

V. 

17694 

VI. 

17880 

17248 

wobei  die  römischen  Zahlen  die  fortlaufende  Nummer  iet 
einzelnen  Versuche  an  jedem  Vormittage  vorstellen.  Der 
dritte  Versuch  am  27.  August  wurde  wegen  der  auf  S.  71 
als  zweifelhaft  bezeichneten  Beobachtung  ganz  weggelassen. 
Nimmt  man  nun  die  vorstehenden  28  Werthe  von  q  zu- 
sammen,  so  ergiebt  sich 

q  =  0,00017405  =!=  0,00000082 
oder 

'~574MV*  ""  212)' 
Nach  Dulong  und  Petit  wäre 


9  = 


1 


5550 


=  0,00018028 


so  dafs  also  ihr  Werth  sich  um  mehr  als  das  Siebenfache 
des  mittleren  Fehlers  von  vorstehender  Bestimmung  entfernt 
Unser  neu  gefundener  Werth  stimmt  fast  vollkommen  mit 
dem  überein,  den  Poggendorff  vorläuBg  (vergl.  S.  62) 
wegen  einer  an  Dulong's  und  Petit's  Beobachtungen 
nöthigen  Correction  als  den  wahrscheinlichen  angab,  so  dals 


85 

die  BestimmuDg  der  beiden  franztfsischai  Physiker  der  ohhn- 
stehenden  selbst  als  Bestätigung  dient. 

§.  10. 

Die  aus  den  einzelnen  Versuchen  berechneten  Werthe 
von  q  zeigen  allerdings  nicht  ganz  unbeträchtliche  Abwei^ 
diungen  vom  Mittel,  jedoch  in  der  Art,  dafs  sich  ein  con-> 
stanter  Fehler  in  denselben  nicht  vermuthen  läfsh  Als  Grund 
dieser  Abweichungen  lassen  sich  hauptsächlich  drei  Umstände 
hervorheben. 

Die  erste  Fehlerquelle  dQrfte  in  einer  Unsicherheit  über 
die  jedesmalige  Temperatur  der  Barometer  im  Gefäfse  links 
zu  suchen  seyn.  Die  oben  angegebenen  Beobachtungen 
zeigen,  dafs  in  demselben  das  Wässer,  trotz  aller  angewand- 
ten Sorgfalt,  beständigen  Wänneänderungen  ausgesetzt  war, 
die  während  der  Dauer  einer  Beobachtung  in  einzelnen 
Fällen  fast  die  Gröfse  eines  Grades  erreichten.  Konnte 
nun  auch  mittelst  des  eingetauchten  Thermometers  die  mo- 
mentane Temperatur  der  Wassersäule  sehr  sicher  gemessen 
werden,  so  läCst  sich  doch  nicht  mit  gleicher  Sicherheit  be- 
haupten, dafs  dieselbe  gleichzeitig  auch  für  das  Quecksil- 
ber im  eingetauchten  Barometer  gelte,  da  letzteres  immer 
eine  gewisse,  wenn  auch  nur  sehr  kleine,  Zeit  brauchte, 
um  die  Temperatur  des  umgebenden  Mediums  anzunehmen. 
Der  Einflufs  dieses  Fehlers  auf  die  absolute  Hohe  der  Queck- 
silbersäule wird  durch  das  Product  Lq.^t  dargestellt,  wo 
L  die  gemessene  Barometerhöhe,  ^t  die  Differenz  der  wirk- 
lichen Temperatur  des  Quecksilbers  und  der  abgelesenen 
Wassertemperatur  bezeichnet.  Macht  man  die  gewiCs  über- 
triebene Annahme  A^=Ö%1,X  =  10(M),  so  ist  Lq.^tz=z^^, 

also  ungefähr  dem  mittleren  Einstellungsfebler  gleich. 

(Man  könnte  gegen  unsere  zur  Bestimmung  von  q  an- 
gewandte Methode  einwenden,  dafs  dieselbe  doch  auch  von 
der  Ausdehnung  des  Glases  abhänge,  da  die  Temperaturen 
durch  Glasthermometer  gemessen  wurden,  deren  Gefaise 
sich  gleichzeitig  mit  dem  Quecksilber  ausdehnen.    Dieser 


86 

Einwtnd  ist  allerdiDga  richtig,  aber  von  durchaiis  keinem 
Einflufse  auf  uuser  Resultat,  wie  das  eb»  angegebene  Pro- 
duct  Lq.^i  zeigt.  Die  Correction,  welche  wegen  der  Aus- 
dehnung des  Glases  an  den  Thermometern  anzubringen  und 
bei  den  zu  den  Beobachtungen  gebrauchten  auch  sorgfilltig 
berflcksicht  ist,  betrSgt  nSmlich  für  die  höchste  Torkom* 
raende  Temperatur  4-25"*  nur  0.05  Centesimalgrade.  H&tte 
man  dieselbe  nun  auch  ganz  vernarhUisirigt»  so  wire  die  ab- 
solute L&nge  der  Quecksilbersiule  doch  nur  um  0,009  Um- 
gang der  Mikrometerschraube  zu  grofs  bestimmt  worden: 
eine  GrOCse,  die  vom  mittlerca  Abicsongsfehler  noch  weit 
übertroiTen  wird\ 

Die  zweite  Uncenauickeit,  welche  in  der  bei  der  Be- 
rechnuug  der  Verbuche  gemachten  Annahm^  U^gt,  dab  der 
atmosphärische  Druck  während  der  Dauer  eines  Yersudies 
sich  nach  einem  linearen  Gesetz  ändere,  hoffe  ich  durch 
die  weiter  oben  beschriebene  Rechnnngsmethode  mOglicfast 
uuschSdlich  gemacht  zu  haben. 

Von  grö&erem  Einflute  könnte  ein  anderer  umstand 
si^vu,  der  mir  auch  Ton  etwas  alLecseinerem  Interesse 
£u  sevn  scheint  Der  gebrauchte  Apparat  war  zuerst  mit 
zwei  audem  Barometern  Tersehen,  derai  Einriditnng  von 
der  auf  S.  64  beschriebenen  nur  darin  abwich,  dab  das  Ca- 
liber  der  Röhren  in  der  Gegend  der  beiden  Qnecksilber- 
Spiegel  etwa  am  eine  par.  Lin.  geringer  war,  und  vom  un- 
teren NiTcau.an  die  Verlängerung  des  offoen  Sdienkels  sidi 
wieder  bis  auf  anderthalb  Linien  Terengte,  oben  noch  recht- 
winkelig gebogen  war  und  aUo  in  einer  horizontalen  Röhre 
Ton  ungefähr  sechs  Zoll  Länge  endigte.  Ich  hatte  mit  die- 
sen Barometern  schon  eine  beträchtliche  Anzahl  sorgfältiger 
Versuche  gemacht,  als  sich  bei  ihrer  später  begonnenoi 
Berechnung  zeigte,  dafs  sie  in  gar  keine  Uebereinstimmnng 
miteinander  zu  bringen  waren.  Ein  näheres  Eingdien  aof 
die  Sache  liefs  bald  den  Grund  dieser  Widerspilldie  er- 
kennen, der  durch  folgende,  zu  diesem  Behufe  angestellte, 
Versuchsreihe  klar  in  die  Augen  fallen  wird: 


GefS(s  recLu. 

87 
GefÜfs  links. 

1  Norm.  Bar. 

m  d.  Luft. 

Bar.  IL 

N.Th.No.l 

Bar.  I. 

Th.  No.  4.          Bar. 

Th.  a.  B. 

1008,229 

62^73 

1008,171 

367,60 
367,45 
367,33 

1008,229 

62,633 

1008,171 

+5,68 
5,67 
5,67 

316,35 
316,05 

R. 
+  13,9 

13,9 

Bar.  If.  wurde  nun  aus  MtnetD  Gcfalse  genommen,  horizontal  gelegt  und  lu 
dasselbe  Gefafs  turuckgehangt.     Bar.  I.  nicht  berührU 


1008,086 

62,238 

1008,059 


367,20 

1008.086 

5,68 

315,77 

367,15 

62,678 

5,68 

367,10 

1008,059 

5,69 

315,73 

14,0 
14,1 


1008,008 

366,95 

1008,008 

5,68 

315,72 

62,321 

367,00 

63,409 

5,68 

1006,091 

UM  CM 

1008,091 

5,67 

315,76 

Nun    ebenso    mit  Bar.  L   verfibren,    wShrcnd  Bar.  IL   unberührt   gelassen 
wurde. 

IJ, 
14,4 

Man  sieht  also,  dafs  keiner  der  beiden  Barometer  auf  sei- 
nen vorigen  Stand  zurückkam,  wenn  man  ihn  einer  Lagen- 
Veränderung  unterworfen  hatte.  Die  dadurch  entstehenden 
Unterschiede  der  absoluten  Höhen  lyurden  manchmal  gröfser 
^  TXT  P^r.  Lin.  gefunden. 

Ueber  den  Grund  dieser  auffallenden  Erscheinung,  die 
meines  Wissens  noch  nicht  näher  bertihrt  wurde,  könnte 
man  etwa  die  Vermuthung  aufstellen,  dafs  bei  der  beträcht- 
lichen Verlängerung  des  offenen  Schenkels  die  Reibung  der 
Luft  gegen  die  Wände  der  Röhre  in  einem  solchen  Grade 
zunähme,  dafs  durch  das  Spiel  der  Quecksilbersäule  die 
im  offenen  Schenkel  enthaltene  Luft  mit  der  äufseren  nicht 
mehr  im  Gleichgewicht  bliebe,  welcher  Zustand  sich  dann 
nothwendig  in  der  Höhe  des  Barometerstandes  äufsem  mfifste« 
Es  wäre  aber  auch  recht  leicht  denkbar,  dafs  durch  die 
Oxydschicht,  welche  sich' bei  jedem  Heberbarometer  nach 
kurzer  Zeit  des  Gebrauches  an  den  Röhrenwänden  in  der 
Gegend  des  unteren  Niveaus  ansetzt,  die  Reibung  und  Ad- 
häsion des  Quecksilbers  hier  so  vermehrt  werde,  dafs  sie 
kleinen  Aenderungen  des  Luftdruckes  das  Gleichgewicht  zu 
halten  vermögen.  Möglich  auch,  dafs  dieser  und  der  vOr- 
hererwähnte  Umstand  zusammen  auf  die  Barometerhöhe  ei- 


88 

nen  Einfluts  aasüben.  Es  scheint  wenigstens  aus  der  vor- 
stehenden Beobachtungsreihe  klar  herTorzugehen ,  dafs  för 
genaue  Messungen  des  Luftdruckes  die  Gefä^barometer  den 
heberförmigen  voranstehen  dürften. 

Die  beiden,  auf  die  hier  initgetheilte  Wahrnehmung  hin, 
für  unseren  Beobachtungsapparat  neu  angefertigten  Barome- 
ter wurden  zwar  vor  Beginn  der  Messung  erst  mehrere  Tage 
hindurch  einer  sorgfältigen  Prüfung  unterworfen,  und  liefsen 
in  dieser  Beziehung  mit  Bestimmtheit  keinen  Fehler  erken- 
nen; es  läfst  sich  indessen  auch  nicht  mit  Zuverlässigkeit 
behaupten,  dafs  derselbe  gar  nicht  vorhanden  gewesen  wSre, 
und  nicht  wenigstens  von  einem  Theile  der  Abweichungen 
der  Einzelnwerthe  unseres  q  die  Schuld  trüge« 

§.  11. 

Da  der  neue  Wertb  von  q  von  dem  seither  als  richtig 
angenommenen  so  bedeutend  abweicht,  so  schien  es  nicht 
unzweckmäfsig,  mittelst  desselben  eine  neue  Reductionsta- 
fei  für  das  Barometer  zu  berechnen,  welche  hier  noch  im 
Anhange  folgt.  Sie  gilt  für  ein  Barometer  mit  der  Mes- 
singscaie,  die  nach  par.  Linien  getheilt  ist,  und  ist  nach 
dem  bekannten  Ausdraoke 

|(g— m)<+|.13w  . 

berechnet,  in  welchem 

h  die  abgelesene  Barometerhöhe  > 
t  die  Temperatur  in  Reaumur'schen  Graden 
q  =0,00017405  den  Ausdehnungsco^fficienten  des  Queck- 
silbers für  1<>  C.  und 
m  =0,00018785   den  AusdehnnngscoSfficicnten  des  Mes- 
sings  für  l'^  C. 
bedeutet.   Es  wird  dann  die  abgelesene  Barometerhöhe  auf 
die  Temperatur  0'^  reducirt,  wenn  man  vorstehenden  Aus- 
druck mit  seinem  Vorzeichen  nach  Einsetzung  der  Zahleii- 
werlhe  zu  derselben  addirt. 

Die  Tafel  ist  natürlich  auch  für  metrische  und  nach 
englischem  Maafse  getheilte  Barometer  mit  Centesimal-  oder 
Fahrenheit'sche  Thermometer  gültig,  wenn  man  nur  vor- 
her die  Temperaturen  in  Beaumur'schen  Graden  und  die 
Barometerhöbeu  in  par.  Liu.  ausdrückt.  Die  zu  dieser  Um- 
wandlung nöthigen  Tafeln  finden  sich  in  Schumacjier's 
astronom.  Jahrb.  1844.    S.  78  ff. 


89 


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94 


iV.     Veber  die  quanlUatice  Bestimmung  der  unor- 

gamschen  Besiandiheile  in  den  organischen  Sub- 

stanzen;  con  Heinrich  Rose. 


ilachdem  man,  besonders  durch  den  Einflafs  von  Liebig's 
Bemühungen,  die  unorganischen  Bestandtheile  in  den  organi- 
schen Körpern  mit  gröfserer  Sorgfalt  als  früher  zu  bestim- 
men suchte,  überzeugte  man  sich  Ton  der  Schwierigkeit  die- 
ser Unlersndiungen.  Die  Zerstörung  einer  anberordentlich 
grofsen  Menge  von  organisdier  Substanz  gelingt,  wenn  die- 
selbe nur  sehr  geringe  Mengen  unorganischer  Bestandtheile 
enthält,  und  wenn  sie  durch  die  erste  Elinwirkung  der  Hitze 
schmilzt,  oft  nur  bei  einer  sehr  hohen  Temperatur,  durch 
welche  gewisse  unorganische  Bestandtheile  theils  TerflOch- 
ti£t,  theils  wesentlich  in  ihrer  Zusammensetzung  verändert 
werden.  Deshalb  weichen  die  Asdienanaljsen  von  densel- 
ben organischen  Körpern,  welche  von  verschiedenen  ganz 
zuverlässigen  Chemikern  angestellt  worden  sind,  oft  ganz 
aufserordentlicb  von  einander  ab,  und  diesi»'  Mangel  an 
Uebereinstimmung  rührt  weniger  von  einem  Mangel  an  Ge- 
nauigkeit und  an  Umsicht  her,  als  von  der  Anwendung  ver- 
schiedener 3Ielhoden. 

ich  habe  vor  einiger  Zeit  eine  Methode  der  Untersudinng 
der  unorganischen  Bestandtheile  in  den  organischen  Sub- 
stanzen veröffentlicht,  die  mir  die  wesentlichsten  Mängel 
der  gebräuchlichen  SIethoden  nicht  zu  haben  sdiien.  Sie 
^rundete  sich  darauf,  dafs  die  organische  Substanz  bei  ge- 
ringer Hitze  verkohlt,  die  verkohlte  Masse  erst  mit  Was- 
ser, und  dann  mit  Chlorwasserstofkäure  ausgekodit,  und 
dafs  endlich  die  durch  Auflösungsmittel  erschöpfte  Kohle, 
mit  Platiuchlorid  befeuchtet,  beim  Zutritt  der  Luft  ver- 
braunt wird,  was  in  den  meisten  Fällen  bei  nicht  sehr  ho- 
her Temperatur  sich  ausfuhren  läCst.  Ich  zeigte,  da(s  die 
verschiedenen  organischen  Subztanzen  hierbei  ein  wesent- 
lich verschiedenes  Verhalten  zeigen,  daCs  nämlich  aus  dnigen 


95 

die  unorganischen  Bestandtheile  fast  vollständig  durch  die 
Auflösungsmittel  ausgezogen  werden  können,  ii?ährend  dafs 
man  bei  andern  diefs  nur  in  einem  geringen  MaaCse  be- 
werkstelligen kann. 

Die  vorgeschlagene  Methode  erfüllt  ihren  Zweck  bis  zu 
einem  gewissen  Grade.  Sorgfältig  angestellte  Versuche  ha- 
ben gezeigt;  dafs  die  Endresultate  der  Untersuchung  nach 
dieser  Methode,  von  verschiedenen  Chemikern  ausgeführt, 
sehr  genau  übereinstimmen  können.  Allein  dennoch  hat 
auch  diese  Methode  ihre  Mängel,  welche  im  Laufe  dieser 
Abhandlung,  in  welcher  ich  eine  Modification  derselben  aus- 
führlich beschreiben  werde,  berührt  werden  sollen. 

Nach  dieser  veränderten  Methode  werden  die  organi- 
schen Substanzen,  wie  bei  der  altern,  auch  erst  bei  gelin« 
der  Hitze  verkohlt.  Diefs  geschieht,  wie  es  früher  beschrie- 
ben ist,  in  einem  Thontiegel  oder,  wenn  sie  nur  ein  ge- 
ringes Volumen  einnehmen,  in  einem  etwas  grofsen  Platintie- 
gel« Kommt  es  besonders  darauf  an,  in  der  Kohle  einen 
Gehalt  an  Kieselsäure  nachzuweisen,  so  darf  man  sich  zur 
Verkohlung  nur  eines  Platiutiegels  bedienen;  denn  bei  An- 
wendung eines  hessischen  Tiegels  oder  eines  andern  Thon- 
tiegels  kann  leicht  von  der  Masse  des  Tiegels  etwas  abge- 
rieben werden,  und  sich  mit  der  verkohlten  Substanz  men- 
gen, besonders  wenn  man  animalische  Substanzen,  die  bei 
höherer  Temperatur  schmelzen,  verkohlt. 

Flüssige  animalische  Substanzen,  wie  Milch,  Galle,  Blut 
u.  8.  w.  müssen  zuerst  in  einer  Porcellanschale  zur  Trocknifs 
abgedampft  werden.  Um  den  Wassergehalt  dieser  Substan- 
zen zu  erfahren,  dampft  man  eine  gewogene  Quantität  der- 
selben, im  Wasserbade  zur  TrockniCs  ab,  und  erhitzt  sie 
so  lange  bei  100^  C.  bis  sie  nichts  mehr  an  Gewicht  ver- 
liert. Die  getrockneten  Rückstände  einiger  Substanzen  (na- 
mentlich der  sogenannten  Proteinkörper)  nehmen  dabei  eine 
knorpelartige  Beschaffenheit  an,  wie  z.  B.  das  Eiweifs  und 
das  Blutserum.  Es  ist  bei  diesen  schwer  alles  Wasser  aus- 
zutreiben. Man  mufs  daher  beim  Eindampfen  die  Masse 
so  viel  wie  möglich  zu  zerkleinem  suchen ;  denn  die  spröde 


96 

Masse  im  Mörser  zu  zerreiben,  ist  oft  nicht  ohne  Verlust 
möglidi. 

Bei  der  Verkohlung  einiger  thierischen  Substanzen  fin- 
det oft  die  grofse  Unannehmlichkeit  statt,  dafs  die  Masse 
stark  schäumt  und  leicht  aus  dem  Tiegel  steigt.  In  diesem 
Falle  darf  man  nur  kleine  Mengen  der  Substanz  in  den 
Tiegel  tragen  und  verkohlen.  Bequemer  ist  es  dann,  die 
Substanzen,  welche  bei  erhöhter  Tmnperatur  schmelzen, 
zuerst  in  einer  Platinschale  unter  beständigen  Umröhren 
so  lange  zu  erhitzen,  bis  sie  ihren  flüssigen  Zustand  ganz 
verloren  haben,  und  die  organische  Materie  zum  gröbten 
Theil  schon  zerstört  ist.  Der  verkohlte  Rückstand  wird 
dann  in  einen  Platintiegel  oder  auch  jetzt  ohne  Nachtheil  in 
einen  Thontiegel  gebracht,  und  mit  gut  aufgelegtem  Deckel, 
im  ersten  Falle  über  der  Spirituslampe  mit  doppeltem  Luft- 
zuge, im  letzten  Falle  zwischen  Kohlenfeuer  bis  zur  dun- 
kelsten Rothgluht  erhitzt« 

Bei  der  Verkohlung  der  meisten  Pflanzensubstanzeo, 
namentlich  der  Saamen  und  der  Stroharten  sind  diese  Vor- 
sichtsmafsregeln  nicht  nöthig,  da  diese  bei  der  VerkohloDg 
nicht  schmelzen,  und  meistentheils  ihre  Structur  bebalten. 

Auch  die  Pflanzensubstanzen  werden  einer  Temperatur 
von  100°  C.  ausgesetzt,  um  den  Wassergehalt  in  ihnen  zu 
bestimmen.  Es  versteht  sich,  dafs  man  eigentlich  nur  nO« 
thig  hat,  einen  Theil  dazu  zu  verwenden.  Sie  können  dann 
ohne  Nachtheil  in  einem  Thontiegel  verkohlt,  und  nadi  der 
Verkohlung  mit  Leichtigkeit  aus  dem  Tiegel  geschüttet  wer- 
den, ohne  dafs  etwas  von  der  Substanz  an  den  Wänden 
des  Tiegels  haften  bleibt,  und  abgerieben  werden  muls. 

Vor  der  Verkohlung  von  Pflanzensubstanzen ,  nament- 
lich von  kleinen  Saamenkömern,  mub  man  dieselben  aufs 
sorgfältigste  von  dem  beigemengten  Sande  zu  reinigen  su- 
chen, da  dieser  bei  der  Einäscherung  auf  die  BestandtheOe 
der  Asche  zersetzend  einwirken,  und  zu  ungenauen  Resul- 
taten Veranlassung  geben  kann. 

Dieses  Reinigen  der  Saamenkörner  ist  bisweilen  mit 
grofsen  Schwierigkeiten  verknüpft,  da  die  äufsere  Hfille  oft 

mit 


97 

mit  einem  ganz  feinen  Sande,  oder  mit  Thon  so  impräg- 
nirt  ist,  dafs  sie  nur  schwer  davon  zu  befreien  sind.  Es 
ist  diefs  namentlich  beim  Rapssaamen  und  anderen  sehr  klei-* 
neu  Saamenkörnern  der  Fall.  Am  besten  gelingt  diese  Rei- 
nigung vom  Sande  oder  vom  Thon,  wenn  man  die  Saamen- 
körner  in  einem  Becherglase  mit  einer  nicht  zu  grofseu  Menge 
destillirten  Wassers  übergicfst,  einige  Augenblicke  mit  ei- 
nen Glasstab  gut  umrührt  und  dann  auf  ein  etwas  weit- 
löcheriges  Sieb  bringt,  das  den  feinen  Sand  durchlaufen 
läfst,  die  Saamenkörner  aber  zurückbehält.  Man  mufs  diese 
Operation  noch  einige  Male  wiederholen,  aber  nie  dabei 
die  Kömer  lange  Zeit  mit  dem  Wasser  in  Berührung  las- 
sen, weil  sonst  aus  ihnen  auflösliche  Salze  könnten  ausge- 
zogen werden«  Man  bringt  dann  den  Saamen  auf  ein  lei- 
nenes Tuch  und  reibt  ihn  zwischen  demselben,  wodurch 
noch  feiner  an  den  Körnern  haftender  Sand  fortgenommen 
wird.  Der  so  gereinigte  Saamen  ist  jetzt  fast  vollständig 
rein  von  fremden  Beimengungen.  Nach  dem  Trocknen  wird 
er  verkohlt. 

Bei  der  beschriebenen  Operation  wird  man  sich  tiber- 
zeugen, mit  was  für  einer  aufserordentlich  grofseu  Menge 
von  Sand  und  Thoü,  die  sich  oft  als  eine  dicke  Schicht 
in  dem  Wasser  absetzt,  die  Saamenkörner  verunreinigt  sind. 
Unterläfst  man  diese  Reinigung,  so  findet  man  bei  der 
Unter3uchung  der  Asche  oft  so  grofse  Quantitäten  von  Kie- 
selsäure und  bisweilen  auch  Thonerde,  dafs  die  erhalteneu 
Resultate  dadurch  ganz  werthlos  werden.  Die  grofse  Ver- 
schiedenheit hinsichtlich  des  Kieselsäuregehalts  der  Asche 
einiger  organischer  Substanzen,  die  von  verschiedenen  Che- 
mikern untersucht  worden  sind,  mag  wenigstens  zum  Thcil 
diesem  Umstände  zugeschrieben  werden.  Auch  wenn  von 
einigen  Chemikern  Thonerde  in  der  Asche  von  Pflanzen 
angegeben  wird,  so  ist  wahrscheinlich  eine  Verunreinigung 
derselben  mit  Thon  die  Ursache  davon. 

Bei  der  Untersuchung  der  Asche  eines  Rapssaameus, 
der  nicht  auf  die  so  eben  angeführte  Weise  gewaschen, 
sondern   auf  andere  Weise  sorgfältig  vom  Sand  getrennt 

PoggendorCTs  Annal.  Bd.  LXXX.  « 


98 

worden  war,  und  der  für  hinreichend  rein  gehalten  wurde, 
da  er  in  einem  Beutel  durch  Schlagen  desselben  abgestäubt, 
darauf  gesiebt,  und  dann  noch  von  gröfsercn  Sandkömero 
und  andern  fremdartigen  Beimengungen  sorgfältig  ausgesucht 
worden  war,  gab  die  erhaltene  Asche  bei  Anwendung  von 
300  Grm.  Saamenkörncrn  23,689  Grm.  eines  ganz  feinen  San- 
des. Unter  den  Bestandtheilen  der  Asche  wurden  4,36  Prot. 
Eisenoxjrd,  4,32  Proc.  Thonerde  und  5,55  Proc.  Kieselsäure 
gefunden.  Nachdem  aber  bei  einer  Wiederholung  der  Ana- 
lyse der  Saamen  durch  Waschen  auf  die  oben  angeführte 
Weise  gereinigt  worden  war,  gab  die  Asche  0,63  Proc.  Elisen- 
oxjrd  und  0,91  Proc.  Kieselsäure  und  gar  keine  Thonerde. 

Erhält  man  beim  Auflösen  einer  Asche  in  Säuren  einen 
bedeutenden  Rückstand  von  Sand,  so  kann  man  mit  Sicher- 
heit annehmen,  dafs  die  erhaltenen  Resultate  kein  grofses 
Vertrauen  verdienen. 

Zur  Untersuchung  der  Asche  von  Pflanzensubstanzen, 
reicht  in  den  meisten  Fällen  eine  Menge  von  100  Grm.  hin, 
und  auch  diese  Quantität  ist  bisweilen  schon  überflüssig 
grofs:  Nur  in  manchen  Fällen  ist  es  bequem,  grödBere 
Mengen  von  Asche  zur  Verfügung  zu  haben,  um  einzelne 
Bestandlheile  aus  verschiedenen  Mengen  von  Asche  bestim- 
men  zu  können. 

Bei  der  Untersuchung  animalischer  Substanzen  mufs  man 
jedoch  in  fast  allen  Fällen  eine  weit  gröfsere  Menge  der- 
selben anwenden,  um  (da  ihr  Wassergehalt  häufig  zwi- 
schen 60  und  90  Proc.  beträgt)  eine  hinreichende  Menge  von 
Asche  zur  Untersuchung  zu  erhalten. 

Man  hat  schon  von  verschiedenen  Seiten  darauf  auf- 
merksam gemacht,  welche  Ungcnauigkeiten  in  den  Resul- 
taten der  Analyse  entstehen,  wenn  man  die  verkohlte  Sub- 
stanz beim  Zutritt  der  Luft  einäschert.  Wenn  diefs  in  ei- 
ner Muffel  bei  möglichst  niedriger  Temperatur  gesdiieht, 
so  ist  diefs  wenigstens  sehr  langwierig.  Und  wenn  bei 
einer  solchen  möglichst  niedrigen  Temperatur  die  Verflüch- 
tigung oder  Zersetzung  einzelner  Bestandtheile  bei  grofser 
Vorsicht  vermindert  werden  könnte,  so  können  doch  durch 


99 

I 

die  lange  Daaer,  mit  irelcher  die  Einäscherung  verknüpft 
ist,  Veränderungen  in  der  Asche  hervorgebracht  werden. 

Bei  meiner  früheren  Methode  wurde,  wie  schon  oben 
bemerkt,  die  verkohlte  Masse  zuerst  fein  gepulvert,  darauf 
mit  W^asser,  dann  mit  Chlorwasserstoffsäure  ausgezogen,  und 
endlich  die  durch  Auflösungsmittel  erschöpfte  Kohle  ver- 
mittelst Platinchlorids  verbrannt.  Die  bei  diesen  drei  Ope- 
rationen erhaltenen  Theile  wurden  jeder  für  sich  untersucht, 
und  endlich  die  in  allen  drei  Theilen  gefundenen  Bestand- 
theile  vereinigt,  und  aus  ihnen  die  Zusammensetzung  der 
Asche  berechnet. 

Diese  Methode  w[ar  nicht  blofs  langwierig  und  umständ- 
lich, sondern  sie  war  auch  mit  einigen  Ungenauigkeiten 
verknüpft.  Denn  neuere  Versuche  haben  gezeigt,  dafs  na- 
mentlich aus  der  verkohlten  Masse,  durch  Wasser  nicht  die 
ganze  Menge  der  alkalischen  Chlormetalle  ausgezogen  wer- 
den kann.  Man  konnte  also,  wenn  man  auch  durch  die 
nachherige  Behandlung  mit  Chlorwasserstoffsäure  und  Pla- 
tinchlorid die  richtige  Menge  der  Alkalien  erhielt,  doch  ei- 
nen Verlust  an  Chlor  nicht  vermeiden. 

Wenn  man  nun  keinen  Werth  darauf  legt,  zu  erfahren, 
in  welchem  Zustand  die  unorganischen  Bestandtheile  in  den 
organischen  Substanzen  enthalten  sind,  und  nicht  zu  wissen 
beabsichtigt,  ob  sie  durch  Auflösungsmittel  ganz  oder  nur  . 
zum  Theil  ausgezogen  werden  können,  so  kann  man  in  der 
verkohlten  Masse  die  Kohle  vollständige  oxjdircn,  um  die 
organischen  Bestandtheile  sogleich  zu  erhalten. 

Das  Verbrennen  der  Kohle  geht  vermittelst  Platinchlo- 
rids in  den  meisten  Fällen  zwar  recht  gut  von  statten,  aber 
die  Methode  hat  schon  den  grofsen  Nachtheil,  dafs  man 
auf  die  genaue  Bestimmung  des  Chlors  Verzicht  leisten  mufs. 
Da  nun  das  Platinchlorid  die  Oxydation  der  Kohle  bei 
möglichst  niedriger  Temperatur  nicht  durch  das  entweichende  - 
Chlor,  sondern  durch  das  entstandene  fein  zertheilte  Pla- 
tin bewirkt,  so  lag  es  nahe,  statt  des  Platinchlorids  Pla- 
tinschwamm anzuwenden. 

Die  Erfahrung  hat  gezeigt,  dafs  man  bei  Anwendung 

7» 


100 

des  Platinschwamms  sehr  gute  Resultate  erhahen  kann.  Hr. 
Weber  hat  durch  Versuche,  deren  Resultate  weiter  unten 
mitgetheilt  werden,  erwiesen,  dafs  wenn  man  gewogene 
Quantitäten  von  unorganischen  Salzen  mit  bedeutenden  Men- 
gen von  organischer  Substanz  (Zucker)  mengt,  das  Ge- 
menge  verkohlt,  und  die  verkohlte  Masse  nach  Mengung 
mit  Platinschwamm  verbrennt,  man  die  ganze  Menge  der 
angewandten  unorganischen-  Salze,  wenn  sie  löslich  sind, 
schon  durch  Wasser  ohne  Verlust  ausziehen  kann.  —  Es 
^.  ist  tibrigens  schon  eine  lauge  bekannte  Erfahrung,  dafs  wenn 
Kaliumplatinchlorid  vorsichtig  geglüht  wird,  man  durch  Aus- 
waschen mit  Wasser  die  ganze  Menge  des  in  ihm  enthal- 
tenen Chlorkaliums  erhalten  kann. 

Die  Wirkung  des  fein  zertheilten  Platins  ist  hierbei 
eine  zweifache.  Durch  die  Einmengung  des  unschmelzbaren 
Platins  wird  verhindert,  dafs  namentlich  die  leicht  schmelz* 
baren  Salze  die  Kohle  umgeben,  und  sie  gegen  die  Ver- 
brennung schützen  können,  was  die  hauptsächliche  Ur- 
sach der  schweren  Oxydation  der  Kohle  bei  möglichst 
niedriger  Temperatur  ist.  Dann  aber  besitzt  bekanntlich 
das  fein  zertheilte  Platin  in  einem  hohen  Grade  die  Ei< 
genschaft,  Gasarten  zwischen  seinen  Poren  zu  verdichten, 
wodurch  die  Verbrennung  der  Kohle  erleichtert  und  be- 
schleunigt wird. 

Was  die  erste  Eigenschaft  des  Platins  betrifft,  so  hat 
schon  vor  längerer  Zeit  Wackenroder  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dafs  es  die  leicht  schmelzbaren  unorganischen  al- 
kalischen Salze  in  manchen  organischen  Substanzen  sind, 
welche  die  Verbrennung  derselben  ungemein  erschweren, 
und  er  halte  deshalb  auch  vorgeschlagen,  die  an  Erdarten 
armen  verkohlten  organischen  Körper  mit  kohlensaurer  Ba- 
rjterdc  zu  mengen,  um  die  Verbrennung  der  Kohle  zu 
erleichtern.  Diese  Erleichterung  wird  auch  dadurch  bewirkt, 
aber  obgleich  man  die  angewandte  Barjterde  in  manchen 
Fällen  leicht  durch  Schwefelsäure  fortschaffen  kann,  so  ist 
das  doch,  besonders  bei  Anwesenheit  von  Kalkerde,  mit 
nicht  geringen  Unbequemlichkeiten  verknüpft. 


101 

Das  Verfahren  bei  AuwenduDg  des  Plaliuschwamins  ist 
folgendes:  Die  verkohlte  organische  Substanz  wird  in  ei- 
nem Porcelianniörser  vorsichtig  fein  zerrieben,  und  mit  20 
bis  30  6nn;  Platinschwamm  auf  das  innigste  gemengt.  Diese 
Menge  ist  mehr  als  hinreichend,  und  in  Ermangelung  so  gro- 
fser  Mengen  von  Platin  i^ann  man  auch  bedeutend  weniger 
anwenden;  doch  geht  die  Verbrennung  der  verkohlten  Masse 
weit  leichter  und  schneller  von  statten,  wenn  sie,  mit  sehr 
vielem  Platin  gemengt  ist.  Das  Gemenge  bringt  man  hier- 
auf in  eine  kleine  dünne  Platinschale  oder  besser  auf  ei- 
nen grofsen  concaven  Platindeckel  von  2  bis  2^  Zoll  im 
Durchmesser  und  erhitzt  das  Ganze  über  der  Spirituslampe 
mit  doppeltem  Luftzuge.  Nach  kurzer  Zeit,  ehe  noch  das 
Gemenge  ins  Glühen  gekommen  ist,  fängt  jedes  Kohlen- 
theilchen  an  zu  verglimmen,  und  die  Oberfläche  des  schwar- 
zen Gemenges  überzieht  sich  mit  einer  grauen  Schicht.  Durch 
flcifsiges  vorsichtiges  Umrühren  mit  einem  kleinen  Platinspa- 
tel erneuert  man  die  Oberfläche  und  befördert  die  Ver- 
brennung. So  lange  noch  unverbranntc  Kohle  in  der  Masse 
enthalten  ist,  findet  ein  Verglimmen  statt,  sobald  sie  aber 
vollständig  verbrannt  ist,  hört  jedes  sichtbare  Erglühen  auf, 
auch  wenn  man  dieselbe  stärker  erhitzt.  Da  die  Verbren- 
nung des  ganzen  Gemenges  nicht  auf  einmal  stattfinden 
kann,  so  bringt  man  neue,  nicht  zu  grofse,  Quantitäten 
auf  den  Platindeckel  oder  in  die  Schale. 

Die  erhaltene  graue  platinhaltige  Masse  wird  in  einen 
Platintiegel  gebracht  und  im  Luftbade  bei  einer  Tempera- 
tur von  120°  C.  so  lange  erhitzt,  bis  sich  das  Gewicht  der- 
selben nicht  mehr  verändert.  Man  kocht  sie  darauf  mit 
Wasser  aus  und  wäscht  das  Ungelöste  mit  heifsem  Was- 
ser aus;  das  Auswaschen  ist  in  kurzer  Zeit  beendet.  In 
der  fillrirten  Flüssigkeit  sind  alle  im  Wasser  löslichen  Be- 
standtheile  der  Asche  enthalten,  nebst  geringen  Mengen 
phosphorsaurer  Erden,  welche  vom  Wasser  in  sehr  gerin- 
ger Quantität  mit  aufgelöst  werden.  Der  ungelöste  Rück- 
stand enthält  die  phosphorsauren  Erden,  und  auch  Alkalien. 
Die  Gegenwart  letzterer  rührt  davon  her,  dafs  beim  Er- 


102 

hitzen  die  pjro-  uud  metaphosphorsauren  Erden  aus  den  ent- 
standenen kohlensauren  Alkalien  Kohlensäure  ausgetrieben 
und  im  Wasser  unlösliche  Doppelsalze  von  ^  phosphorsäu- 
ren Erden  und  Alkalien  gebildet  haben.  In  einigen  Fällen, 
besonders  bei  der  Untersuchung  von  Stroharten,  enthält  die 
wässrige  Auflösung  aufser  Kalkerde  und  Magnesia  noch 
eine  mehr  oder  minder  grofse  Menge  von  Kieselsäure.  Er- 
stere  sind  zum  Theil  im  reinen  Zustande  bei  der  Auflösung 
enthalten,  wenn  sie  ihre  Kohlensäure  durch  eine  zu  starke 
Hitze  verloren  haben. 

Die  kohlensauren  Alkalien  in  der  verkohlten  Masse  kön- 
nen zum  Thcil  durch  Einwirkung  der  Kohle,  zum  Theil 
auch  durch  die  der  pyro>  und  metaphosphorsauren  Salze, 
einen  Theil  ihrer  Kohlensäure  verloren  haben.  Die  Be- 
stimmung der  Kohlensäure  in  der  Asche  hat  daher  keinen 
grofsen  Werth,  da  eine  gröfsere  oder  geringere  Menge  von 
gefundener  Kohlensäure  von  manigfaltigen  Umständen  ab- 
hängen kann.  Hat  man  in  einer  Asche  keine  Kohlensäure 
gefunden,  findet  man  aber  bei  der  Zusammenstellung  der 
Resultate  die  Phosphorsäure  mit  den  Basen  als  dreibasische 
phosphorsaure  Salze  verbunden,  so  kann  man  mit  Sicherheit 
annehmen,  dafs  Kohlensäure  wenigstens  in  der  schwach  ver- 
kohlten Masse  enthalten  war,  da  die  dreibasischen  phos- 
phorsauren Alkalien,  und  besonders  auch  die  dreibasische 
phosphorsaure  Magnesia  eine  sehr  geringe  Beständigkeit 
besitzen,  und  nicht  gut  in  einer  organischen  Substanz  exi- 
stiren  können,  da  sie  sich  mit  so  grofser  Leichtigkeit  in 
wasserhaltige  phosphorsaure  und  in  kohlensaure  Salze  ver- 
wandeln. 

Es  wäre  wtinschenswerth,  gemeinschaftlich  übereinzukom- 
men, ob  man  bei  Aschenanaljsen  die  gefundene  Kohlen- 
säure mit  anführen  soll  oder  nicht,  um  die  Resultate  der 
Analysen  besser  mit  einander  vergleichbar  zu  machen. 

Der  erhaltene  wäfsrige  Auszug  wird  bis  zur  Trocknifs 
abgedampft,  die  trockne  Masse  schwach  geglüht,  und  ihr 
Gewicht  bestimmt.  Will  man  die  Kohlensäure  in  ihr  be- 
stimmen ,   so   ist   es  nöthig,   erst  Kohlensäuregas   vor  dem 


103 

Abdampfen  durch  die  Lösung  zu  leiten,  um  die  Kohlen* 
säure  zu  ersetzen ,  die  in  den  kohlensauren  Alkalien  durch 
den  Einflufs  der  Kohle  in  Kohlenoxjd  verwandelt  wor- 
den ist. 

Beträgt  das  Gewicht  des  trocknen  Bückstandes  einige 
Gramme,  so  kann  man  zur  Bestimmung  einzelner  Bestand- 
Iheile  verschiedene  Mengen  desselben  benutzen  und  um 
eine  Controle  ftlr  die  Bichtigkeit  der  Untersuchung  zu  er- 
halten, auch  in  jedem  Falle  die  Kohlensäure  bestimmen. 
Ist  aber  das  Gewicht  des  trocknen  Bückstandes  gering,  so 
bestimmt  man  alle  Bestandtheile  in  einer  und  derselben 
Menge  4lesselben. 

Der  Gang  der  Untersuchung  ist  dann  folgender:  Die 
in  Wasser  gelöste  Masse  wird  durch  verdünnte  Salpeter- 
säure übersättigt,  (was,  wenn  die  Kohlensäure  quantitativ 
bestimmt  werden  soll,  in  einem  dazu  geeigneten  Apparate 
geschehen  mufs).  Scheidet  sich  bei  der  Ucbersättigung  Kie- 
selsäure aus,  so  wird  diese  abfiltrirt,  und  in  der  filtrirten 
Lösung  durch  salpetersaures  Silberoxjd  das  Chlor  abge- 
schieden. Man  entfernt  darauf  das  überschüssige  Silberoxjd 
durch  Chlorwasserstoffsäure  und  dampft  in  einer  Porcellan- 
schale  die  Flüssigkeit  bei  sehr  geringer  Hitze  bis  zur  Trock- 
nifs  im  Wasserbade  ab.  Der  trockne  Bückstand  wird  mit 
Chlorwasserstoffsänrc  befeuchtet,  Wasser  hinzugefügt  und 
die  abgeschiedene  Kieselsäure  abBltrirt.  Ihr  Gewicht  wird 
gemeinschaftlich  mit  der  bestimmt,  welche  etwa  bei  der 
Sättigung  der  trocknen  Masse  durch  Salpetersäure  ausge- 
schieden worden  war. 

Die  von  der  Kieselsäure  abfiltrirte  Flüssigkeit  wird  durch 
Ammoniak  übersättigt.  Es  wird  hierdurch  in  den  meisten 
Fällen  ein  nicht  sehr  bedeutender  Niederschlag  von  phos- 
phorsauren Erden  entstehen,  die  abfiltrirt,  und  nicht  zu  lange 
ausgewaschen  werden,  da  sie  sich  sonst  zum  Theil  wieder 
im  Wasser  lösen.  Man  glüht  diese  Fällung,  zieht,  ihr  Ge- 
wicht von  dem  des  zur  Trocknifs  abgedampften  wässrigen 
Auszugs  ab,  und  bewahrt  sie  auf,  um  sie  dem  salpetcrsau- 


104 

reu  Aaszuge  des  in  Wasser  unlöslichen  RQckstandes  hin- 
zuzufügen. 

Die  Flüssigkeit,  welche  von  dem  durch  Ammoniak  ent- 
standenen Niederschlage  abfiltrirt  worden  ist,  wird  mit  et- 
was Oxalsäure  versetzt,  wodurch  nur  in  wenigen  Fällen 
eine  geringe  Trübung  von  oxalsaurer  Kalkerde  entstdit, 
welche  von  der  im  wässrigen  Auszuge  aufgelösten  schwe- 
felsauren Kalkerde  herrührte.  Nur  bei  der  Analyse  der 
Stroharten  findet  sich  dieselbe  im  wäfsrigen  Auszuge;  bei 
der  Untersuchung  der  Saamen  und  der  animalischen  Sub- 
stanzen entsteht  in  dem  wäfsrigen  Auszuge  keine  Trfibung 
durch  Oxalsäure. 

Die  von  der  Oxalsäuren  Kalkerde  abfihrirte  Auflösung 
wird  mit  Chlorbar jum  versetzt,  wodurch  schwefelsaure, 
phosphorsaure  und  auch  wohl  etwas  Oxalsäure  Baryterde 
gefällt  wird.  Der  Niederschlag  wird  nach  dem  Filtriren 
ausgewaschen.  Enthält  er  Oxalsäure  Baryterde,  so  ist  ein 
vollständiges  Auswaschen  nicht  möglich,  da  dieselbe  auf- 
löslich ist.  Man  behandelt  die  Fällung  darauf  mit  verdünn- 
ter Chlorwasserstoffsäure,  wobei  die  schwefelsaure  Baryt- 
erde ungelöst  bleibt,  die  ihrem  Gewicht  nach  bestimmt  wird, 
woraus  man  das  der  Schwefelsäure  berechnet.  In  der  fil- 
trirten  Flüssigkeit  entfernt  man  die  Baryterde  durch  ver- 
dünnte Schwefelsäure,  übersättigt  dann  mit  Ammoniak. und 
fällt  die  Phosphorsäure  als  phosphorsaure  Ammoniak- 
Magnesia. 

Die  Flüssigkeit,  aus  welcher  die  Schwefelsäure  und  die 
Phosphorsäure  durch  Chlorbaryum  geschieden  worden  sind, 
wird  mit  kohlensaurem  Ammoniak  mit  einem  kleinen  Zu- 
satz von  freiem  Ammoniak  versetzt,  um  die  Baryterde  des 
überschüssigen  Cblorbaryums  abzuscheiden.  Man  dampft 
das  Filtrat  bis  zur  TrockniCs  ab,  und  verjagt  die  ammoniaka- 
lischen  Salze  durch  Glühen;  der  geglühte  Bückstand  ent- 
hält die  Alkalien  als  Chlormetalle.  Man  bestimmt  ihr  Ge- 
wicht, und  trennt  Kali  und  Natron  nach  bekannten  Methoden 
von  einander. 


105 

Dieser  Gang  der  Uotersachang  des  wäfsrigen  Aaszogs 
der  verkohlten  Masse  ist  im  Wesentlichen  ganz  derselbe, 
wie  ich  ihn  früher  vorgeschlagen  habe ' ). 

Das  mit  Wasser  aasgezogene  Platin  wird  nun  mit  ver- 
dünnter Salpetersäure  behandelt.  Es  wird  einige  Male  da- 
mit erhitzt,  abfillrirt  und  mit  heifsem  Wasser,  zu  welchem 
einige  Tropfen  Salpetersäure  gesetzt  worden  sind,  ausge- 
waschen. Die  Lösung  enthält  Verbindungen  von  Phosphor- 
säure mit  Kalkerde,  Magnesia  und  Eisenoxjd,  in  dem  sehr 
häufig  Spuren  von  Mangan  sich  finden,  salpetersaures  Kali 
und  Natron,  (von  den  alkalihaltigen  phosphorsauren  Erd- 
salzen herrührend)  und  salpetersaure  Kalkerde  und  Mag- 
nesia. Letztere  finden  sich  besonders  in  der  Untersuchung 
der  Stroharten,  und  sind  in  der  Asche  als  kohlensaure  (oder 
bei  stärkerem  Glühen  zum  Theil  als  reine)  Erden  enthalten. 
Die  Auflösung  enthält  nie  Schwefelsäure  und  Chlor. 

Sie  wird  bis  zu  einem  geringen  Volumen  abgedampft, 
doch  so,  dafs  noch  ein  Ueberschufs  von  Salpetersäure  vor- 
handen bleibt,  und  dann  mit  metallischem  Quecksilber  be- 
handelt, um  auf  die  von  mir  beschriebene  Weise  die  Phos- 
phorsäure von  den  Basen  zu  trennen  ^ ). 

In  manchen  Fällen  kann  man  auch  aus  der  salpetersau- ' 
ren  Lösung'  die  phosphorsauren  Erden  durch  Ammoniak 
fällen,  den  Niederschlag  in  Salpetersäure  lösen,  und  mit 
metallischem  Quecksilber  zerlegen.  Bei  den  Analysen  der 
Aschen  von  Stroh  ist  diefs  sogar  bequemer,  da  in  diesen  die 
Menge  der  phosphorsauren  Erden  nur  gering,  und  in  der  Lö- 
sung die  Basen  vorzüglich  als  salpetersaure  enthalten  sind. 

Wenn  man  das  mit  Wasser  erschöpfte  Platin  statt  mit 
Salpetersäure  mit  Chlorwasserstoffsäure  behandelt,  so  hat 
die  Anwendung  dieser  Säure  einige  Unbequemlichkeiten, 
da  bei  der  Trennung  der  Phosphorsäure  von  den  Basen 
vermittelst  metallischen  Quecksilbers,  Salpetersäure  hinzu- 
gefügt werden  mufs,  und  dann  die  Gegenwart  der  Chlor- 
wasserstoffsäure störend  einwirkt,   weil  eine  grofse  Menge 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  76,  S.  325. 

2)  Pogg.  Aonal.  Bd.  76,  S.  252. 


106 

von  QaeduilberchlorOr  sich  bildet,  wddies  das  metalUsche 
Quecksilber  bedeckt,  und  die  Zersetzung  sehr  erschwert. 

Das  mit  Wasser  und  Salpetersäure  ersdiOpfte  Platin 
enthält  nur  noch  Kieselsäure.  Man  erhitzt  es  in  einer 
Platinschale  mit  einer  Auflösung  tob  Kalihjdrat,.  filtrirt  und 
wäscht  mit  heifsem  Wasser  aus.  Aus  der  alkalischen  Auf- 
lösung wird  die  Kieselsäure  auf  die  bekannte  Weise  er- 
halten. 

Das  durch  Wasser,  Salpetersäure  und  Kalilösung  er- 
schöpfte Platin  wird  bei  120"  C.  getrocknet,  bis  es  nicht  mehr 
an  Gewicht  abnimmt.  Was  es  jetzt  weniger  wiegt  als  nach 
der  Verbrennung  der  Kohle  ist  das  Gewicht  der  Asche, 
weniger  der  Quantität  von  Kohlensäure,  die  sich,  wie  schon 
oben  erwähnt  wurde,  nicht  mit  Genauigkeit  bestimmen  lä&t 

Hat  man  die  organischen  Substanzen,  besonders  die 
▼egelabilischen  zuvor  sorgfältig  gereinigt  so  ist  auch  nach 
der  Untersuchung  das  Platin  rein;  sonst  enthält  es  Sand 
und  Tbon.  Die  mechanische  Reinigung  der  organis«dien 
Substanzen  von  diesen  Einmengungen  ist  auch  schon  des- 
halb wohl  zu  berücksichtigen,  um  das  Platin  rein  zu  erhal- 
ten, und  um  nicht  gezwungen  zu  seyn,  das  Platin  aufzulösen, 
was  bei  so  bedeutenden  Mengen  etwas  unangenehm  ist. 

Dasselbe  Platin  ist  bisjetzt  zwölfmal  angewandt  wor- 
den. Es  hat  zwar  allmälig  bedeutend  au  Volumen  abge- 
nommen, doch  besitzt  es  fast  noch  dieselbe  Fähigkeit,  die 
Verbrennung  zu  beschleunigen  wie  zuvor.  Es  kann  gewiCs 
noch  oft  zu  demselben  Zwecke  angewandt  werden;  endlich 
aber  wird  es  wohl  so  dicht  werden,  dafs  es  bei  der  fer- 
neren Anwendung  die  Verbrennung  der  Kohle  nidit  mehr 
begünstigt.  Dann  mufs  es  aufgelöst  werden.  Aus  der  Lö- 
sung wird  es  durch  Chlorammonium  gefällt,  und  auf  die 
bekannte  Weise  wieder  in  Platinschwamm  verwandelt. 

Die  Verbrennung  einer  verkohlten  organischen  Substanz 
mit  Hülfe  von  Platiuschwamm  dauert,  wenn  man  ungefilhr 
100  Grm.  der  Substanz  angewandt  hat,  2  bis*  3  Stunden, 
während  die  Verbrennung  der  Kohle  nach  jeder  andern 
Methode  bei  weitem  mehr  Zeit  in  Anspruch  nimmt,  und 


.     .  107 

mit  weit  gröfseren  Unannehmlichkeiten  yerknfipft  ist.  Die 
von  mir  jezt  vorgeschlagene  Methode  erfordert  zwar  eine 
bedeatende  Menge  von  Platin,  da  aber  von  demselben  nichts 
verloren  geht,  so  ist  kein  pecaniärer  Nachtheil  dabei*. 

Man  kann  zwar  bei  dem  Gange  der  Untersuchung  manche 
Veränderung  anbringen,  doch  mQsseu  dieselben  wohl  er- 
wogen werden. 

Man  könnte  z.  B.  nach  der  Oxydation  der  Kohle,  wenn 
man  die  Kohlensäure  nicht  bestimmen  will,  das  Platin  un- 
mittelbar durch  Salpetersäure  ausziehen,  wodurch  die  Un- 
tersuchung sehr  vereinfacht  würde.  Diefs  kann  aber  nur 
geschehen,  wenn  in  der  Asche  keine  Chlormetalle  enthal- 
ten sind,  was  nur  höchst  selten  der  Fall  ist.  Bei  Anwe- 
senheit der  Chlormetalle  wird  durch  die  Salpetersäure  et- 
was Platin  aufgelöst,  dessen  Entfernung  mit  grofsen  Unan- 
nehmlichkeiten verknüpft  ist. 

Man  könnte  den  wäfsrigen  und  den  salpetersauren  Aus- 
zug des  Platins  mit  einander  vereinigen,  wodurch  ebenfalls 
die  Untersuchung  vereinfacht  würde.  Aber  auch  diese  Ver- 
änderung i^t  nicht  zu  empfehlen.  In  dem  vereinigten  Aus- 
zuge mufs  dann  zuerst,  wenn  sich  Kieselsäure  ausgeschie- 
den hat,  diese  filtrirt  werden,  darauf  wird  durch  salpetersau- 
res Silberoxjd  das  Chlor,  und  durch  Chlorwasserstoffsäure 
das  überschüssige  Silberoxyd  abgeschieden.  Dann  mufs  man 
durch  Chlorbaryum  die  Schwefelsäure  fällen  und  durch 
Schwefelsäure  die  überschüssige  Baryterde  entfernen.  Wenn 
man  nun  die  phosphorsauren  Erden  durch  Ammoniak  fällt, 
so  enthält  die  filtrirte  Flüssigkeit  bei  der  Analyse  der 
verschiedenen  organischen  Substanzen  verschiedene  Be- 
standtheile.  Bei  der  Untersuchung  der  Stroharten  ist  in 
derselben  noch  Kalkerde,  Magnesia,  Kali,  Natron,  Kiesel- 
säure und  aufserdem  noch  Chlorammonium,  salpetersaures 
und  schwefelsaures  Ammoniak.  Bei  der  Untersuchung  an- 
derer organischer  Substanzen  findet  man  in  jener  Flüssig- 
keit keine  Kalkerde  und  keine  Magnesia,  aber  aufser  jenen 
Substanzen  noch  phosphorsaure  Alkalien.  Man  müfste  nun 
bei  Gegenwart  von  Kalkerde  dieselbe  durch  Oxalsäure  fäl- 


108 

« 

leii,  dann  aber  müfste  inaa  die  Flüssigkeit  zur  Trocknifs 
abdampfen  und  die  aminoniakaliscben  Salze  verjagen.  Diefs 
aber  darf  wegen  der  Anwesenbeit  des  Chlorammoniums 
und  des  salpetersauren  Ammoniaks  nur  in  einer  Porcel- 
lanscbalc  gesebeben,  (da  eine  Platinscbale  stark  angegrif- 
fen wird  und  sebr  leiden  würde)  und  da  aucb  die  Ver- 
flücbtigung  des  schwefelsauren  Ammoniaks  sebr  unangenehm 
ist,  so  ist  diese  Modification  der  Methode,  obgleich  sie  ein- 
facher ist,  nicht  zu  empfehlen. 

Aus  diesen  Gründen  wäre  es  aucb  nicht  vortheilhaft,  eine 
Asche,  welche  man  ohne  Hülfe  des  Platinscbwamms  erhal- 
ten hat,  sogleich  mit  Salpetersäure  und  nicht  zuvor  erst 
mit  Wasser  zu  behandeln. 

Zur  Prüfung  der  Methode  bat  Hr.  Weber  mehrere 
Versuche  mit  Salzen  angestellt,  welche  mit  grofsen  Meur 
gen  von  organischer  Substanz  gemengt  wurden,  worauf 
er  das  Gemenge  verkohlte,  mit  Platinschwamm  verbrannte, 
und  aus  der  erhaltenen  Masse  die  Salze  wiederum  zu  er- 
halten suchte. 

I.     Es  wurden  angewandt: 

0,869  Grm.  Chlornatrium 

0,466     -      schwefelsaures  Natron 

2,060     -      kohlensaures  Natron 


3,395. 
Die  Salze  wurden  in  Wasser  gelöst,  und  mit  einer  Auf- 
lösung von  Zucker,  die  6  Loth  Zucker  enthielt,  gemengt, 
das  Ganze  darauf  abgedampft  und  verkohlt.  Die  erhaltene 
Kohle  wurde  mit  Sorgfalt  in  einem  Porcellanmörser  fein 
gerieben,  mit  Platinschwamm  gemengt  und  nach  der  oben  be- 
schriebenen Methode  verbrannt.  Der  Rückstand  wurde  mit 
hcifsem  Wasser  ausgezogen  und  ausgewaschen.  Als  der 
wäfsrige  Auszug  mit  Salpetersäure  übersättigt  wurde,  ent- 
stand nur  eine  sehr  geringe  Kohlensäureentwicklungy  die 
lauge  nicht  der  Menge  des  angewandten  kohlensauren  Na- 
trons entsprach.  Die  Kohlensäure  war  also  bei  der  Yer- 
kohlung  und  bei  der  Einäscherung  zum  gröfsten  Theil  durch 
die   Wirkung  der  Kohle  als  Kohlenoxjdgas  ausgetrieben 


109 

wordeOy  da  in  den  angewandten  Salzen  keines  war,  das  die 
Vcrflfichtignng  der  Kohlensäure  hätte  veranlassen  können. 

In  der  FIfissigkeit  wurde  das  Chlor  durch  salpetersau- 
res Silberoxyd,  die  Schwefelsäure  nach  Entfernung  des  Sil- 
beroxjds  durch  Chlorbarjum  bestimmt,  und  nach  Entfernung 
der  Barjterde  das  Natron  als  schwefelsaures  Natron  er- 
halten. 

Es  wurden  erhalten 

^079  Gnn.  Chlorsilber  =15,11  Proc.  Chlor 

0,825      -      schwefeis.  Baryterde  =  8,34      -       Schwefels. 
4,268      -      schwefeis.  Natron      =55,02      -       Natron 

Im  angewandten  Salzgemenge  sind  enthalten 

Chlor  15,46  Proc. 

Schwefelsäure     7,71 
Natron  55,17      - 

Dieser  Versuch  zeigt,  dafs  die  unorganischen  Bestand- 
theile  in  einer  Terkohlten  Masse  durch  Oxydation  vermittelst 
des  Platinschwamms  mit  Genauigkeit  wiedergefunden  wer- 
den können.  Ich  lasse  es  unausgemacht,  was  die  Ursache 
der  gröfseren  Menge  der  erhaltenen  Schwefelsäure  war. 

II.  Nicht  nur  uro  das  Verhalten  der  phosphorsauren 
Salze,  sondern,  besonders  um  die  Einwirkung  derselben  auf 
alkalische  Chlormetalle  kennen  zu  lernen,  wurden  zu  dem 
zweiten  Versuche  ein  Salzgemenge  von 

•  •  •  • 

1,875  Grm.  phosphorsauren  Natron  (Na^P) 

1,222      -      Chlornatrium 

3,097. 

angewandt.  Es  wurde  nach  der  Lösung  wie  das  frühere 
Salzgemenge  mit  einer  Auflösung  von  6  Loth  Zucker  ge- 
mengt, und  mit  dem  Ganzen  wie  zuvor  verfahren.  Der  ver- 
brannte Rückstand  wurde  mit  Wasser  ausgezogen,  darauf 
nach  Ansäurung  der  Lösung  mit  Salpetersäure  das  Chlor 
durch  Silberoxydlösuug  gefällt,  nach  Abscheidung  des  Silber- 
oxyds wurde  die  filtrirte  Flüssigkeit  zu  einem  kleinen  Volu- 
men abgedampft,  und  mit  Salpetersäure  und  metallischem 
Qaecksilber  im  Wasserbade  zur  Trocknifs  abgedampft.  Nach 


HO 

Behandlung  der  trocknen  Masse  mit  Wasser  wurden  in  dem 
Ungelösten  nach  schon  beschriebenen  Methoden  die  Phos- 
phorsäure an  Natron  gebunden,  und  als  phosphorsaure  Am- 
moniak-Magnesia gefällt.  In  dem  Aufgelösten  wurde  das  ge- 
löste Quecksilber  durch  Ammoniak  niedergeschlagen,  die  fil- 
trirte  Flüssigkeit  zur  Trocknifs  abgedampft,  und  die  trockene 
Masse,  um  das  Natron  in  derselben  als  Chlornatrium  zu 
erhalten,  mit  Chlorammonium  gemengt  und  geglQht  Wenn 
man  eine  bedeutende  Menge  von  diesem  Salze  anwendet, 
so  kann  das  Glühen  in  einem  Platiutiegel  geschehen,  ohne 
dafs  derselbe  leidet,  was  der  Fall  ist,  wenn  salpetersaores 
Ammoniak  gegen  Chlorammonium  vorwaltend  ist. 
Es  wurden  erhalten: 
2,577  Grm.  Chlorsilber     =20,15  Proc.  Chlor 

1,568      -      Mg'P  =32,06     -      Phosphorsäure 

2,854      -      Chlornatrium  =  49,15     -      Natron 

Im  angewandten  Salzgcmenge  sind  enthalten: 

23,79  Proc.  Chlor 

32,25     -      Phosphorsäure 

49,27     -      Natron. 

Man  sieht  hieraus,  dafs  die  Mengen  der  Phosphorsäure 
und  des  Natrons  sehr  genau  wiedererhalten  wurden,  nicht 
aber  die  des  Chlors,  von  dem  ein  Theil  durch  das  phos- 
phorsaure Natron  ausgetrieben  wurde. 

III.  Es  wurde  ein  dritter  Versuch  angestellt,  um  za 
sehen,  ob  die  Einwirkung  der  phosphorsauren  Salze  auf 
alkalische  Chlormetalle  nicht  durch  Einmeugung  von  koh- 
lensauren Alkalien  aufgehoben  werden  kann.  Eis  wurde 
daher  folgendes  Salzgemenge  angewandt: 

1,086  Grm.  Chlornatrium 

1,410      -      phosphorsaures  Natron  (Na^  P) 

1,418      -      kohlensaures  Natron. 

3,914. 

Die  Lösung  des  Salzgemenges  wurde  wiederum  mit  der 
Lösung  von  6  Loth  Zucker  abgedampft,  das  Ganze  verkohlt 
und  wie  zuvor  mit  Platinschwamm  verbrannt.    Bei  der  An- 


111 

sSarang  des  ^äEsrigeo  Auszugs  mit  Salpetersäure  ymrde  Dur 
eine  sehr  schwache  Entwicklung  von  Kohlensäure  bemerkt. 
Es  wurden  erb  alten: 

2,553  Grm.  Chlorsilber  =16,09  Proc.  Chlor 

■  • 

1,253     -      Mg^P  =20,08     -      Phosphorsäurc 

3,996     -       Chlornatrium      =54,24     -      Natron 

In  dem  angewandten  Salzgemenge  sind  enthalten: 

16,73  Proc.  Chlor 

19,21     -       Phosphorsäure 

52,81     -      Natron. 

Durch  einen  unbekannten  Umstand  ist  bei  diesem  Ver- 
suche eine  gröfsere  Menge  von  Phosphorsäure  und  von 
Natron  erhalten  worden,  aber  die  Menge  des  Chlors  stimmt 
ziemlich  gut  mit  der  im  angewandten  Chlornatrium,  so  dafs 
man  annehmen  kann,  dafs  bei  einer  hinreichenden  Menge 
von  kohlensauren  Alkalien  bei  der  Verkohlung  und  bei  der 
Einäscherung  kein  Chlor  aus  den  alkalischen  Chlormetallen 
durch  phosphorsaure  Alkalien  ausgetrieben  wird. 

Bei  der  Einäscherung  von  organischen  Substanzen  wird 
man  daher  durch  die  Analyse  die  richtige  Menge  des  Chlors 
erhalten,  wenn  zugleich  dabei  eine  gehörige  Menge  von 
kohlensauren  Alkalien  sich  bildet.  Die  Bestimmung  wird 
aber  ungenau,  wenn  neben  den  alkalischen  Chlormetallen 
pyrophosphorsaure  Alkalien  in  gröfserer  Menge  zugegen 
sind,  und  das  Chlor  kann  gänzlich  bei  der  Verkohlung 
ausgeschieden  i^erden,  wenn  die  organische  Substanz  meta- 
phosphorsaure  Salze  enthält,  wie  diefs  namentlich  bei  einer 
von  Hrn.  Weber  angestellten  Untersuchung  des  Eigelbs 
der  Fall  gewesen  ist  ^ ).  In  diesen  Fällen  wäre  es  rath- 
sam,  die  organische  Materie  vor  der  Verkohluug  mit  der 
Lösung  einer  gewogenen  Menge  von  kohlensaurem  Natron 
zu  behandeln,  damit  einzutrocknen,  und  von  dem  durch 
die  Analyse  gefundenen  Natrongehalt  den  des  augewand- 
ten' Salzes  abzuziehen.  Das  Eintrocknen  und  das  Ver- 
1)  Pogg.  Add.  Bd.  79,  S.  408. 


112 

kohlen  der  organischen  Substanz  darf  dann  nur  in  einem 
Piatintiegel  stattfinden. 


Nachdem  diese  Abhandlung  schon  ausgearbeitet  worden 
war,  erschien  eine  ähnlichen  luhalts  von  Hrn.  Strecker '). 
Bei  der  Bestimmung  der  unorganischen  Bestandtheile  in 
den  organischen  Substanzen  verwirft  er  die  früher  von  mir 
vorgeschlagene  Methode  der  Verkohlung  und  empfiehlt  die 
Einäscherung  in  einer  Muffel,  aber  bei  einer  bei  Tage  nicht 
sichtbaren  Rothglühhitze.  Die  Resultate  der  Versuche, 
die  er  angestellt  hat,  um  sich  zu  Überzeugen,  dafs  bei 
dieser  Temperatur  kein  Chlornatrium  sich  verflüchtigt, 
und  die  Methode  genau  sey,  sind  sehr  günstig  ausgefalleu. 
Um  dem  Verlust  an  Chlor  bei  Gegenwart  von  phosphor- 
sauren Salzen  zuvor  zukommen,  mengte  er  die  organische 
Substanz  mit  Baryterdehjdrat.  Er  macht  darauf  aufmerk- 
sam, dafs  durch  die  Anwendung  derselben  auch  die  ganze 
Menge  des  Schwefels  und  des  Phosphors,  wenn  diese  als 
solche  in  der  organischen  Substanz  enthalten  waren,  als 
Schwefelsäure  und  Phosphorsäure  in  der  Asche  gefunden 
werden. 

Der  gröfste  Vortheil  der  Methode  der  voUkommnen  Ein- 
äscherung liegt  unstreitig  darin,  dafs  man  die  ganze  Menge 
der  Asche  unmittelbar  ihrem  Gewichte  nach  bestimmen  kann. 
Hat  man  ferner  eine  bedeutende  Menge  davon  erbalten,  so 
hat  man  nicht  nöthig  dieselbe  Quantität  der  Asche  zur  Be- 
stimmung aller  Bestandtheile  anzuwenden,  sondern  kann 
verschiedene  Mengen  dazu  verwenden,  um  nur  einzelne 
Bestandtheile  ihrer  Menge  nach  aufzufinden,  wodurch  die 
Analyse  oft  vereinfacht  wird,  und  bisweilen  mit  grdCserer 
Genauigkeit  ausgeführt  werden  kann.  Ist  femer  ein  Fehler 
bei  der  Untersuchung  vorgefallen,  so  hat  man  nicht  nöthig, 
die  Einäscherung  noch  einmal  vorzunehmen,  wenn  man  sidi 
einen  Vorrath  von  Asche  verschafft  hat. 

Andererseits  hat  aber  auch  die  Anwendung  des  Platin- 

schwamms 

1)  Ann.  d.  Cl»cm.  u.  Pharm.  Bd.  73,  S.  339. 


113 

sdiwamms  sehr  bedeutende  yortheile.  Die  Einäscherung  mit 
demselben  ist  in  sehr  kurzer  Zeit  voilendety  während  die 
Einäscherung  ohne  denselben  in  der  Muffel  sehr  lange  Zeit 
erfordert.  Dasselbe  findet  auch- statt ,  ireun  man  die  ver- 
kohlte organische  Substanz  in  einer  Glasröhre  einäschert, 
während  maa  einen  sehr  langsamen  Strom  von  Sauerstoff- 
gas darüber  leitet,  und  die  etwa  entweichenden  flüchtigen 
Bestandtheile  in  Wasser  leitet.  Die  Temperatur  ist  bei 
der  Verbrennung  mit  Platinschwamm  auf  einem  Platindeckel 
so  gering,  dafs  sie  kaum  die  dunkelste  Rothgluth  erreicht. 
DaCs  dabei,  ungeachtet  einer  aufserordentlich  bedeutenden 
Menge  von  Kohle  kein  Chlornatrium  sich  verflüchtigt,  ha- 
ben Versuche  dargethan. 

Die  Versuche,  welche  Hr.  Strecker  angestellt  hat,  um 
zu  beweisen,  dafs  bei  der  Einäscherung  in  der  Muffel  kein 
Chlornatrium  sich  verflüchtigt,  sind  nicht  ganz  überzeugend, 
da  bei  diesen  das  Chlornatrium  fnit  einer  zu  geringen  Menge 
von  Zucker  gemengt  worden  war.  Es  wurden  auf  5,2  und 
2,67  Grm.  Cblornatrium  nur  8  und  10  Grm.  Zucker  ange- 
wandt. Diese  geringen  Mengen  geben  aber  bei  der  Verkoh- 
lung nur  sehr  geringe  Quantitäten  von  Kohle,  so  dafs  das 
Chlornatrium  die  gemengte  Kohle  bei  weitem  an  Gewicht 
übertraf.  10  Grm.  Zucker  beim  Ausschlufs  der  Luft  verkohlt, 
hinterliefsen  bei  einem  Versuche  nur  1,23  Grm.  Kohle.  Hr. 
Weber  wandte  bei  seinen  Versuchen  ungefähr  die  dreifsig- 
fache  Menge  von  Zucker  an  gegen  geringe  Mengen  von 
anorganischen  Salzen.  Er  suchte  diese  mit  ungefähr  so  vie- 
ler kohlehaltiger  Materie  zu  mengen,  dafs  ein  ähnliches 
Yerhältnifs  dadurch  erhalten  wurde,  wie  nach  der  Verkoh- 
lung  in  vielen  organischen  Substanzen  zwischen  den  unor- 
ganischen und  organischen  Bestandtheilen  stattfindet.  Es 
fragt  sich  nun,  ob  wirklich  kein  Chlornatrium  sich  in  der 
Muffel  verflüchtigt,  wenn  dasselbe  mit  sehr  vieler  organi^ 
scher  Materie  gemengt  eine  lange  Zeit  hindurch  der  Roth- 
gluth, wenn  auch  nur  der  dunkelsten,  ausgesetzt  wird. 

Die  Anwendung  von  Baryterdehydrat  hat  gewifs  viele 
Vortheile.   Aber  die  Wegschaffung!  der  schwefelsauren  Ba- 

PoggcndorfiPs  Annal.  Bd.  LXXX.  8 


114 

ryterde  bei  Gegenwart  von  Kalkerci^salzen  ist  mit  so  be- 
deutenden Unannehmlichkeiten  verknüpft,  dafs  vielleicht  die 
Anwendung  einer  gewogenen  Menge  von  kohlensaurem  Na- 
tron vorzuziehen  ist. 

Die  gänzliche  Einäschernng  sowohl  in  der  Muffel  als 
besonders  in  einer  weiten  Glasröhre  durch  einen  sehr  lang- 
samen Strom  von  Sauerstoffgas  ist  noch  mit  einer  andern 
Unannehmlichkeit  begleitet.  Ein  Theil  der  Asche  sintert 
manchmal  an  dem  Thone  oder  dem  Glase,  besonders  wenn 
leicht  schmelzbare  Salze  darin  enthalten  sind,  fest  an,  und 
läfst  sich  auch  bei  Anwendung  von  Aufiösungsmitteln  nicht 
gut  von  der  Unterlage  trennen.  Diefs  ist  bei  Anwendung 
von  Platinschwamm  nie  der  Fall,  und  auch  zu  vermei- 
den, wenn  bei  der  Einäscherung  in  der  Muffel  die  orga- 
nische Substanz  in  eine  Platinschale  gelegt  wird. 


V.     Ueber  das  T^orkommen  der  Bernsteinsäure  im 
menschlichen  Körper  fon  W*  Heintz. 


dchon  im  vorigen  Jahre  habe  ich  in  den  Jenaischen  An- 
nalen  für  Physiologie  und  Medicin  (Bd.  I.  S.  180)  eine 
Arbeit  unter  dem  Titel:  Untersuchung  des  flüssigen  Inhalts 
der  Echinococcenbälge  (Hjdatidenbälge)  einer  Frau,  be- 
kannt gemacht,  in  welcher  ich  zeigte,  dafs  die  klare  oder 
kaum  getrübte  Flüssigkeit,  welche  den  Inhalt  dieser  häutigen 
Bälge  ausmacht,  die  sich  am  häufigsten  in  der  Leber,  aber 
auch  in  allen  anderen  Theilen  des  Körpers,  namentlich  in 
der  Bauchhöhle  und  selbst  in  den  Muskeln  nicht  bloüs  beim 
Menschen,  sondern  auch  bei  Thieren  vorfinden,  und  welche 
sich  dadurch  auszeichnet,  dafs  sich  aus  ihr  gewöhnlich  schnell 
ein  Bodensatz  absetzt,  welcher  aus  den  bekannten  Echino- 
coccen  besteht,  bernsteinsaures  Natron  enthält.  Ich  glaube 
schon  damals  genügend  die  Identität  der  von  mir  daraus 


115 

dargestellten  Säure  mit  der .  Bernsteinsänre  nachgewiesen 
zu  haben,  obgleich  die  Menge  derselben,  welche  ich  ge- 
wonnen hatte,  nicht  hinreichte,  um  eine  Eiementaranaijse 
anzustellen.  Jetzt  ist  es  mir  durch  die  Güte  des  Hrn.  Prof. 
Dr.  Langenbeck,  welcher  mir  vor  Kurzem  -|  Quart  ei- 
ner solchen  Flüssigkeit  zugesendet  hat,  möglich  geworden, 
auch  diese  auszuführen.  Ich  kann  mich  aber  nicht  damit 
begnügen,  das  Resultat  der  Analyse  einfach  anzuführen, 
sondern  ich  werde  einen  kurzen  Auszug  meines  früheren 
Aufsatzes  vorausschicken,  weil  ich  annehmen  darf,  dafs  den 
Chemikern  die  Jenaischen  Annalen,  worin  er  abgedruckt 
ist,  nicht  leicht  zur  Hand  sind,  und  die  blofse  Analyse 
vielleicht  nicht  als  genügend  zu  dem  Beweise  erachtet  wer- 
den möchte,  dafs  diese  Säure  wirklich  Bernsteinsäure  sey. 

Die  Echinococcenflüssigkeit,  welche  ich  im  vorigen  Jahre 
untersuchte,  war  den  Echinococcenbälgen  entnommen,  welche 
sich  in  der  Leber  einer  Frau  in  grofser  Menge  und  von  an- 
sehnlicher Gröfse  gebildet  hatten.  Sie  war  farblos,  ziem- 
lich klar,  beim  Umschütteln  nur  von  schnell  sich  zu  Bo« 
den  senkenden  Flocken,  die  aus  Echinococcen  und  kleine* 
ren  Echinococcenbälgen  bestanden,  getrübt,  reagirte  schwach 
alkalisch,  besafs  ein  spec.  Gewicht  von  1,0076  und  ent- 
hielt nur  Spuren  von  Eiweifs ,  denn  in  der  Kochhitze,  wie 
beim  Zusatz  von  Salpetersäure  wurde  sie  nur  unbedeu- 
tend getrübt.  Die  alkalische  Reaction  derselben  rührte 
nicht  yon  kohlensaurem  Ammoniak,  sondern  von  kohlen* 
saurem  Natron  her,  denn  ein  ihr  genäherter  mit  Salzsäure 
befeuchteter  Glasstab  erzeugte  keine  Nebel  von  ^Salmiak. 
Aufserdem  fand  ich  darin  weder  Schwefelsäure  noch  wäg- 
bare Mengen  von  Phosphorsäure,  dagegen  Chlor  in  gro- 
fser Menge,  etwas  Kalk,  Kali  und  Talkerde  und  viel 
Natron. 

•Zur  Ausmittelung  der  Natur  der  organischen  Bestand- 
theile  dieser  Flüssigkeit  dampfte  ich  eine  bedeutende  Quan- 
tität derselben  anfangs  über  freiem  Feuer,  zuletzt  im  Was- 
serbade ein.  Hierbei  trübte  sich  die  Flüssigkeit  und  bil- 
dete auf  der  Oberfläche  eine  Haut,  die  sich  allmälig  wie- 

8» 


116 

der  erzeugte,  wenn  sie  entfernt  wurde.  Ans  der  abge- 
dampften Masse  krjstallisirte  viel  Kochsalz  heraus.  Sie 
wurde  mit  Alkohol  vermischt,  wodurch  ein  sehr  viel  Koch- 
salz enthaltender  Sjrup  gefällt  wurde,  aus  dem  wohl  cha- 
rakterisirte  organische  Substanzen  darzustellen  mir  nicht 
gelungen  ist.  In  dem  alkoholischen  Auszuge  konnte  durch 
eine  alkoholische  Chlorzinklösung  kein  Kreatin  gefällt  wer- 
den, und  auch  nachdem  ein  Theil  der  Hjrdatidenflössig- 
keit  selbst  mit  etwas  Salzsäure  zur  Trockne  gebradit  wor- 
den war,  brachte  Chlorzinklösung  in  dem  alkoholischen 
Auszuge  dieses  Rückstandes  keinen  Niederschlag  hervor. 
Es  war  also  auch  kein  Kreatin  vorhanden.  Ebenso  wenig 
konnte  ich  Harnstoff  oder  Harnsäure  darin  entdecken. 

Aus  dem  nach  dem  Verdunsten  der  alkoholischen  Lö- 
sung bleibenden  Extracte  schieden  sich  neben  wenigen  Koch- 
salzkrjstallen  nach  langer  Zeit  büschelförmig  gruppirte  lange 
Nadeln  ab,  die  durch  Abpressen  und  theils  durch  Umkrj- 
stallisiren,  theils  durch  Auflösen  in  wenig  Wasser  und  Fäl- 
len mittelst  starkem  Alkohol,  worin  sie  sich  nur  schwer 
lösten,  gereinigt  wurden.  Die  Auflösung  der  möglichst  ge- 
reinigten Krjstalle  in  wenig  Wasser  setzte  beim  Znsatz 
von  Salzsäure  kleine  Krjstalle  einer  schwer  löslichen  Sftore 
ab,  welche  durch  Eindunsten  der  Flüssigkeit  und  Auszie- 
hen mit  Aether  von  einem  darin  unlöslichen  Salze  gesdiie- 
den  werden  konnte,  welches  aus  reinem  Chlornatrium  be- 
stand. 

Durch  Verdunsten  der  ätherischen  Lösung  wurde  eine 
stark  sauer  reagirende,  in  der  Wärme  unter  Bräunung 
schmelzende,  bei  stärkerer  Hitze  ein  weifses  krystallinisches 
Sublimat  liefernde  krjstallinische  Masse  erhalten ,  welche 
ich  nach  diesen  Erscheinungen  anfangs  für  Hippursäure  oder 
noch  etwas  verunreinigte  Benzoesäure  hielt.  Bei  genauerer 
Untersuchung  beobachtete  ich  jedoch  so  entscheidende  Un- 
terschiede zwischen  diesen  Säuren  und  der  aus  der  Hyda- 
tidenflüssigkeit  gewonnenen,  dafs  ich  von  dieser  Ansidit 
zurückkommen  mufste. 

Ich  fand  nämlich  1 )  dafs  diese  Säure  bei  der  Soblima- 


117 

tion  stets  vollkommen  scharf  ausgebildete  Krystalle  lieferte, 
VFfthrend  die  Benzoesäure,  mag  sie  als  solche  selbst  mit  der 
gröEsten  Vorsicht  sublimirt  werden,  oder  bei  der  Zersetzung 
der  Hippursäure  durch  Hitze  entstehen,  stets  abgerundete 
Blättchen  bildet,  an  denen  keine  scharfen  Kanten  oder 
Ecken  beobachtet  werden  können; 

2)  dafs  sie  bei  ISO"»  C.  bis  160''  C.  anfängt  langsam 
zu  sublimiren,  aber  erst  bei  180^  bis  190^  C.  schmilzt 
imd  nun  etwas  schneller  sublimirt,  während  die  Benzoe- 
säure schon  bei  120^  C.  schmilzt,  und  die  Hippursäure 
selbst  bei  180^  bis  190^  C.  nur  eine  anfangende  Schmel- 
zung erleidet,  und  noch'  kaum  eine  Spur  eines  Sublimats 
liefert; 

3)  dafs  das  Natronsalz  derselben  durch  Alkohol  gefällt 
wird,  während  das  hippursäure  Natron  durch  Alkohol  nach 
Schwarz')  nicht  fällbar  ist,  welche  Angabe  ich  zu  be- 
stätigen Gelegenheit  hatte; 

4)  dafs  sie  keinen  Stickstoff  enthält,  dessen  Abwesen« 
heit  idk  sowohl  nach  der  La ssaingne' sehen  Methode  mit- 
telst Natrium,  als  auch  nach  der  älteren  Methode  durch 
Glühen  mit  Kalikalk  nachgewiesen  habe. 

Dafs  die  Säure  nicht  Oxalsäure  war,  ging  schon  dar- 
aus hervor,  dafs  in  einer  alkalischen  Flüssigkeit  nicht  zu- 
gleich Oxalsäure  und  Kalkerde  gelöst  enthalten  seyn  kön- 
nen, wie  diefs  in  der  Hydatidenflüssigkeit  der  Fall  war. 

Es  blieb  daher  nur  noch  übrig,  sie  mit  der  Berstein- 
säure zu  vergleichen;  entweder  mufste  sie  diese  Säure,  oder 
eine  neue  noch  nicht  bekannte  Säure  seyn.  Die  Unter- 
suchung hat  ergeben,  dafs  sie  in  allen  Stücken  mit  der 
Bernsteinsäure  übereinkommt. 

Beide  Säuren  sind  in  Aether,  wenn  auch  nicht  sehr  leicht, 
löslich,  lösen  sich  auch  schwer  im  Wasser,  reagiren  stark 
sauer,  enthalten  keinen  Stickstoff,  bilden  ein  in  Wasser 
lösliches  Kalksalz,  sublimiren  schon  bei  150°  — 160°  C. 
sehr  langsam,  fangen  bei  175°  C.  an  zu  schmelzen,  sind 
aber  erst  etwa  bei  185°  C.  vollständig  geschmolzen,  und 

1)  AoD.  d.  Chem.  und  Pharm.  Bd.  54  ^  S.  36.  * 


118 

blimireu  mm  schneller  in  yoUst&ndig  ausgebildeten  KrysUl- 
len.   Zwar  scheint  es,  als  wenn  ein  Umstand  gegen  die  Iden- 
tität beider  Säuren  spricht,  nämlich  der,  dafs  das  Matronsalz 
der  aus  der  Hjr da tiden- Flüssigkeit  erhaltenen  durch  Alkohol 
gefällt  wird,  während  nachDoepping  ')  das  bernsteinsanre 
Natron  in  wäfsrigem  Weingeist  leicht  löslich  ist.     Allein 
ein  directer  Versuch  überzeugte  mich,  dafs  auch  das  bern- 
steinsanre Natron  durch  starken  Alkohol  aus  seiner  con- 
centrirten  wäfsrigen  Lösung  gefällt  wird,  und  zwar  ganz 
in  derselben  Form,  wie  das  entsprechende  Salz  jener  Säure. 
Aber  alle  oben  angegebenen  Eigenschaften  genügen  nidit, 
um  die  Identität  der  in  der  Echinococcenflüssigkeit  gefunde- 
nen Säure  und  der  Bernsteinsäure  zu  beweisen.     Da  ich 
wegen  Maugels  an  Material  keine  Elementaranaljse  anstel- 
len konnte,  so  kam  ich  auf  den  Gedanken,  die  Krjstalle 
derselben  mittelst  des  Mikroskops  zu  untersuchen,  welche 
beim  Erhitzen  bis  180^  C.  sublimirten.   Es  fand  sich,  dafs 
die  Säure  aus  der  Hydatiden -Flüssigkeit  schiefe  rhombische 
Prismen  bildete.   Ob  diese  aber  dem  ein-  und  eingliedrigen 
oder  zwei-  und  eingliedrigen  Systeme  angehören,  konnte 
ich  nicht  entscheiden,  obgleich  es  mir  in  einem  Falle,  wo 
es  mir  gelang,  den  Krystall  auf  die  nur  SuCserst  kleine  Ab- 
stumpf ungsÜäche  einer  der  Kanten  zu  wälzen,  auf  welche 
die  schiefen  Endflächen  aufgesetzt  waren,  schien,  als  wenn 
der  Ton  diesen  Kanten  und  der  dorcfa  die  beiden  schiefen 
Endflächen  gebildeten  Kante  erzeugte  Winkel  ein  sdiiefer 
sey,  wonach  dann  die  Krystalle  dem  ein-  ond  eingliedrigen 
Systeme  angehören  mufsten.   Dagegen  lieCsen  sich  die  Win- 
kel, welche  die  schiefen  Endflächen  ond  die  FlSchen  des 
rhombisdien  Prismas  auf  der  Längsfläche  des  KrystaUs  bil- 
den,  sehr   genau   mittelst   des   MikrogonioBCIcrs  messen. 
Sie  betrugen  im  Mittel  too  drei  nur  am  wenige  Minoten 
differirenden  Messungen  110^  Itf  und  ISG""  45'. 

Die  Krystalle,  welche  idi  anf  gleiche  Weise  ans  Bem- 
steinsäure  erhielt,  die  aus  Bernstein  dargestellt  worden  war, 
T erhielten  sich  durchaus  ebenso,  wie  jene.    Die  cntspre- 


119 

chenden  Winkel  an  denselben  wurden  im  Miltel  von  sechs 
an  yerschiedenen  Krjrstallen  ausgeführten ,  untel*  einander 
nur  um  wenige  Minuten  abweichenden  Messungen  gleich 
110<'20'  und  136'>40'  gefunden. 

Dieses-  Resultat  meiner  Versuche  war  es  namentlich, 
welches  die  Ueberzeugung  in  mir  befestigte,  dafs  die  aus 
der  Hjrdatldcnflüssigkeit  erhaltene  Säure  mit  der  Bernstein^ 
säure  wirklich  identisch  sej.  Dennoch  war  es  wünschens- 
werth  diesen  Schlufs  aus  meinen  Versudien  noch  durch 
die  Elementaranalyse  zu  bestätigen. 

Ehe  ich  aber  zu  derselben  übergehe,  will  ich  die  Re- 
sultate der  quantitativen  Untersuchung  der  JHjdatidenflüs- 
sigkeit,  in  welcher  ich  die  Bernsteinsäure  zuerst  aufgefun- 
den hatte,  so  weit  sie  sich  nach  den  bei  der  qualitativen 
Untersuchung  gefundenen  Daten  ausführen  liefs,  wieder- 
geben.   Sie  bestand  aus 

Wasser  986,76 

Feste  Bestandtheile      13,24 


\ 

•1000. 

Chlorcalcium 

0,46 

Chlormagnesiüm 

0,20 

Chlorkalium 

0,24 

Chlornatrium 

3,85 

Bernsteinsaures  Natron 

3,41 

Extractive  Stoffe 

6,08 

Albumin 

Spuren 

13,24. 

Ich  mufs  jedoch  bemerken,  dafs  die  Menge  des  bern- 
steinstauren  Natrons,  da  man  noch  keine  genaue  quantitative 
Bestimmungsmethode  der  Bernsteinsäure  kennt,  nur  aus  der 
gefundenen  Menge  des  kohlensauren  Natrons  berechnet  ist, 
dafs  also  die  angegebene  Quantität  desselben,  abgesehen 
von  der  geringen  Menge  schon  in  der  Hjdatiden- Flüssig- 
keit präexistirenden  kohlensauren  Natrons,  nur  dann  der 
Wahrheit  nahe  kommt,  wenn  wirklich  keine  andere  orga- 
nische Säure  als  Bernsteinsäure  darin  enthalten  war. 

Schon  in  meinem  früheren  Aufsatze  erwähnte  ich,  dafs 


120         ^ 

man,,  nachdem  man  weifs,  da£s  die  in  der  Hydatiden -Flüs- 
sigkeit enthaltene,  an  Natron  gebundene  Säure  Bernstein« 
säure  ist,  sie  am  vortheilhaftesten  gewinnen  kann,  wenn 
man  die  bis  zur  starken  Sjrupsconsistenz  eingedampfte  Flfis- 
sigkeit  mit  Salzsäure  versetzt  und  mit  Aether  wiederholent- 
lieh  schüttelt.  Beim  Verdunsten  der  ätherischen  Lösungen 
erhält  man  die  Säure,  die  aber  noch  gereinigt  werden  mu(s. 

Dieser  Methode  habe  ich  mich  später  bedient,  um  aus 
einer  anderen  Pottion  Echinococcenflüssigkeit  die  Bernstein- 
säure darzustellen  und  habe  sie  darin  auch  wirklich  gefun- 
den, jedoch,  da  die  Menge  der  Flüssigkeit,  die  mir  zu  Ge- 
bote stand  nur  gering  war,  nur  in  geringer  Menge. 

Endlich  ist  es  mir  mittelst  derselben  Methode  der  Dar- 
sellung  gelungen,  sie  aus  der  mir  neuerdings  von  Hrn.  Prof. 
Dr.  Langenbeck  zugesendeten  Hjdatiden- Flüssigkeit  hin- 
reichend rein  und  in  zur  Elemcntaranaljse  einigermafsen  ge- 
nügender Menge  zu  gewinnen,  und  sie  scheint  daher  nach 
diesen  Versuchen  ein  constanter,  nie  fehlender  Bestandtheil 
dieser  Flüssigkeiten  zu  sejn. 

Zur  Reinigung  der  beim  Verdunsten  der  ätherischen  Lö- 
sung zurückbleibenden  Säure  löste  ich  sie  zunächst  in  Was- 
ser, filtrirte  von  dem  Ungelösten  ab,  dampfte  die^  Lösung 
ein,  wusch  den  Rückstand  mit  kaltem  Alkohol,  worin  die 
Bernsteinsäure  bekanntlich  sehr  wenig  löslich  ist,  und  kry- 
stallisirte  sie  endlich  mehrmals  aus  der  alkoholischen  Lö- 
sung um.  So  erhielt  ich  etwas  mehr  als  0,130  Grm.  ziem- 
lich reiner,  nur  an  einzelnen  Stellen  noch  etwas  gelblich 
oder  bräunlich  gefärbter  Bernsteinsäure,  welche  noch  femer 
umzukrystallisiren,  ich  nicht  wagte,  da  ich  fürchten  mu&te, 
eine  nicht  zur  Analyse  genügende  Menge  übrig  zu  behalten. 
Diese  hat  folgende  Zahlen  ergeben: 

0,1298  Grm.  lieferten  0,1967  Grm.  Kohlensäure  und 
0,062  Grm.  VTasser.  Diefs  entspricht  0,0536  Grm.  Kohlen- 
stoff und  0,0069  Grm.  Wasserstoff,  oder  41,29  Proc.  Koh- 
lenstoff und  5,32  Proc.  Wasserstoff. 


121 


Gefunden: 

Beredinet: 

Kohlenstoff  41,29 

40,68 

4C 

Wasserstoff    5,32 

5,08 

3H 

Saaerstoff     53,39 

54,24 

40 

100.  100. 

Allerdings  hat  die  Analyse  -^j^  Proc.  Kohlenstoff  mehr 
ergeben,  als  die  Formel  verlangt.  Da  sie  indessen  mit  ei« 
Der  so  geringen  Menge  Substanz  hat  ausgeführt  werden 
mfissen,  und  dieselbe  augenscheinlich  noch  nicht  ganz  rein 
war,  so  läfst  sich  diese  geringe  Abweichung  von  der  nach 
der  Rechnung  in  der  Bernsteinsäure  enthaltenen  Menge 
Kohlenstoff  eben  dadurch  leicht  erklären ,  und  ich  halte 
daher  das  Vorkommen  der  ^Bernsteinsäure  in  der  Hjdati- 
den- Flüssigkeit  durch  diese  Analyse  für  vollkommen  er- 
wiesen. 


VL     Ueber   die   Pseudomorphosen    des    Glimmers 

nach  Feldspaih,  und  die  regelmäfsige  Verwachsung 

des  Feldspaihs  mit  Albit;  fon  Gustaf?  Rose. 


JL  seudomorphosen  des  Glimmers  nach  Feldspath  sind  nicht 
neuy  sie  wurden  schon  von  Haidinger')  und  Blum^) 
beschrieben.  Erstcrer  beobachtete  sie  in  dem  Porphyr  von 
St.  Agnes  in  Cornwall,  Letzterer  in  dem  von  St.  Just,  so- 
wie in  dem  Granit  von  Warmsteinach  im  Fichtelgebirge. 
Die  veränderten  Feldspathkrystalie  waren  in  beiden  Fäl- 
len eingewachsene  Krystalle,  die  von  St.  Agnes  und  Warm- 
steinach waren  in  kleinkörnigen  grünlichgrauen  Lcpidolith- 
ähnlichen  Glimmer  verändert,  die  von  St.  Just  in  ein  höchst 
feinkörniges  Gemenge  von   weifsem  Glimmer  und  Quarz 

1)  Abhandl.  der  l.  bölimischen  Gesellsch.  der  Wissenscli.  von  1841. 

2 )  Pseadomorphosen  S.  275  und  Nachtrag  zu  den  Pseudomorphosen  S.  26. 


122 

mit  eingesprengten  Zinnerz -Körnchen.  Der  Feldspath  von 
Warmsteinach  war  aber  mehr  oder  weniger  zersetzt,  er 
hatte  im  Allgemeinen  nicht  die  gewöhnlidie  Frische ,  und 
war  licht 'fleischrofh,  wenig  glänzend,  bröcklig,  und  fast 
überall  mit  grünlichweifsen  GlimmerschOppchcn  gemengt, 
die  aber  an  vielen  Stellen  so  gehäuft  waren,  dafs  der  frü- 
here Feldspath  an  solchen  ganz  verschwunden  und  nur  die 
Form  von  ihm  geblieben  war. 

Neuerdings  haben  sich  dergleichen  Pseudomorphosen 
nun  auch  bei  aufgewachsenen  Krjstallen  in  den  Drusenrän- 
men  des  Granits  von  Hirschberg  in  Schlesien  gefunden^). 
Sie  wurden  daselbst  von  Hrn.  Brücke  beobachtet,  in  gro- 
fser  Vollständigkeit  gesammelt,  und  von  dem  Besitzer  mir 
freundlichst  zur  Untersuchung  mitgetheilt.  Die  Feldspath- 
krjstalle  sind  auch  hier  mehr  oder  weniger  vollständig  in 
einen  lichte  grünlich -weifscn,  fein-  und  kleinschuppigen  Le- 
pidolith- ähnlichen  Glimmer  verwandelt.  Sie  sind  der  Form 
n^ch  theils  einfache,  theils  Zwillingskrjstalle  nach  Art  der 
Bavenoer,  wie  sie  in  den  Drusenräumen  des  Granits  ge- 
wöhnlich vorkommen.  Die  Oberfläche  ist  bei  allen  rauh 
und  zerfressen,  und  mit  Glimmerblättchen  mehr  oder  weni- 
ger dick  bedeckt,  und  von  diesen  zieht  sich  die  Glimmer- 
masse in  das  Innere  hinein,  bei  manchen  nur  mehrere  Li- 
nien tief,  bei  anderen  tiefer  und  dann  gewöhnlich  kleinen 
Rissen  und  Sprüngen  folgend,  und  noch  andere  sind  ganz 
und  gar  mit  Glimmer  erfüllt,  der  nun  in  der  Mitte  fein- 
schuppiger als  an  den  Rändern  erscheint.  Wo  der  Glim- 
mer nur  an  den  Rändern  zu  sehen  ist,  hat  der  angrSnzende 
Feldspath  Farbe  und  Glanz  und  etwas  von  seiner  Härte 
verloren,  er  ist  weifs  und  matt  geworden,  und  läfst  sidi 
mit  dem  Messer  ritzen,  während  er  weiter  entfernt  seine 
ursprüngliche  fleischrothe  Farbe  und  Härte  hat;  wo  dtf 
Glimmer  das  Innere  erfüllt,  ist  auch  mit  der  Lupe  keine 
Spur  von  Feldspath  zu  entdecken. 

1)  Der  eigentliche  Fundort  ist  der  FeldspatLbracb  am  grünen  Busch  zwi- 
schen Hi'rsclibcrg  and  Lomnitz. 


123 

X 

Diese  letzteren  Krjstalle  mderlegen  also  auf  tias  Be« 
stimmteste  alle  andern  Meinungen,  die  man  sich  sonst  über 
die  Bildqng  derselben  machen  könnte;  denn  wenn  man  beim 
Anblick  der  ersteren  auch  noch  die  Meinung  haben  könnte, 
ab  wären  Glimmer  und  Feldspath  gleichzeitige  Bildungen, 
bei  welchen  nur  der  Glimmer  ganz  an  die  Aufsenseite  ge- 
drängt wäre,  so  kann  man  diefs  nicht  annehmen  bei  Krj- 
stalieu,  die  keine  Spur  mehr  von  Feldspath  enthalten.  Doch 
auch  selbst  die  Krjstalie,  bei  welchen  sich  der  Glimmer 
nur  an  der  Oberfläche  findet,  kann  man  nicht  für  gleich- 
zeitige Bildungen  halten,  da  in  diesem  Falle  die  veränderte 
Beschaffenheit  des  Feldspaths  in  der  Nähe  des  Glimmers 
nicht  zu  erklären  wäre.  Bei  den  Gemengen  des  Adulars 
mit  feinschuppigen  Cblorit  vom  Gotthardt,  die  offenbar 
gleichzeitige  Bildungen  sind,  haben  beide  Substanzen  ein 
ganz  frisches  Ansehen,  und  der  Adular  behält  auch  in  der 
unmittelbaren  Nähe  des  Chlorits  seine  Durchsiditigkeit  und 
seinen  Glanz. 

Wenn  demnach  die  beschriebenen  Krjstalle  wohl  un- 
zweifelhaft für  Pseudomorphosen  zu  halten  sind,  so  möchte 
auch  hier  wohl  die  Bildung  des  Glimmers  nicht  anders  als 
wie  Bischof  gezeigt  hat,  durch  Zersetzung  auf  nassem  Wege 
erfolgt  seyn.  Indessen  ist  bei  den  Pseudomorphosen  von 
Hirschberg  noch  eine  andere  Erscheinung  bemerkenswerth. 
Die  Feldspathkrystalle,  welche  in  den  Drusenräumen  des 
Granits  vom  Biesengebirge  vorkommen,  sind  gewöhnlich 
mit  kleinen,  durchsichtigen,  fast  wasserhellen  Krystallen 
von  Albit  besetzt,  die  mit  ihnen  auf  die  bekannte  Weise 
verwachsen  sind.  Sie  sitzen  vorzugsweise  auf  gewissen  Flä- 
chen, während  andere  davon  ganz  oder  doch  meistentheils 
befreit  sind.  Zu  den  ersteren  gehören  die  Flächen  des 
verticalen  rhombischen  Prisma  T  und  /,  zu  den  letzteren 
besonders  die  schiefen  Endflächen.  Bei  den  mehr  oder  we- 
niger in  Glimmer  verwandelten  Feldspathkrystallen  von 
Lomnitz  finden  sich  aber  diese  Albitkrystalle  ebenfalls;  sie 
sitzen  auf  der  ganz  rauhen  und  zerfressenen  Oberfläche  in 


124 

derselben  Webe  wie  bei  den  frischen  KrystalleD,  und  sind 
ziemlich  ebenso  klar  und  durchsichtig  wie  bei  diesen.  Es 
fragt  sich  nun,  sind  diese  Albitkrystalle  nrsprfingUdie  Bil- 
dungen, die  mit  dem  Feldspatbe  gleidizeitiger  Entstehoog 
sind,  oder  sind  sie  ebenfalls  wie  der  Glimmer  Zersetznngs- 
producte.  Die  erste  Annahme  möchte  auf  den  ersten  Au- 
genblick die  naturlichste  ersdieinen;  es  giebt  so  viele  regeU 
mäfsige  Verwachsungen  Ton  verschiedenen  Mineralien  die 
man  fQr  gleichzeitige  Bildungen  halten  mufs,  wie  von  Stan- 
rolith  und  Cyanit,  von  Eisenglanz  und  Rutil  u.  s.  w.,  und 
von  diesen  scheinen  die  Verwachsungen  von  Albit  und 
Feldspath  nicht  verschieden;  femer  finden  sich  die  in  Gra- 
nit, Porphyr  und  Gneifs  eingewachsenen  Feldspathkrystalle 
auf  gleiche  VTeise  nicht  sowohl  von  Albit  als  von  Oligo- 
klas  bedeckt,  nur  daCs  der  letztere  hier  eine  zusammen- 
hängende Hülle  bildet,  und  diefs  findet  sich  in  dem  ganz 
frischen  Gestein,  so  daCs  man  die  Hfille  nicht  als  Zersetznngs- 
product  ansehen  kann;  es  könnte  daher  wohl  wahrschein- 
lidi  seyn,  daCs  auch  der  Albit  auf  den  aufgewadisenen 
Krjstallen  des  Feldspaths  eine  ursprüngliche  Bildung,  und 
bei  den  zersetzten  ^Krjstallen  derselbe  nur  frisch  geblieben 
und  von  der  Zersetzung  nicht  angegriffen  sey.  Untersucht 
man  indessen  die  Sache  näher,  so  erheben  sich  dodi  al- 
lerhand Zweifel  dagegen.  Die  Feldspathkrystalle  des  Hirsch- 
berger  Thaies  sind  häufig  stellenweise  mit  ganz  unregelmS- 
fisigen  Flächen  begränzt,  die  wie  die  Flächen  von  Sprüngen 
und  Rissen  aussehen,  welche  die  Krystalle  durchsetzt  ha- 
ben. Auch  auf  diesen  Flächen  ist  der  Feldspath  mit  den 
kleinen  Albitkrystallen  besetzt,  die  ungeachtet  der  unebe- 
nen Flächen  doch  in  regelmäfsiger  Stellung  zu  dem  Feld- 
spath sich  befinden.  Offenbar  müssen  die  Krystalle  erst 
gebildet,  und  dann  geborsten  seyn,  ehe  sich  die  Albitkry- 
stalle  absetzen  konnten.  Ferner  sind  die  Feldspathkrystalle 
sehr  häufig  ganz  oder  stellenweise  mit  einem  dünnen  Ueber- 
zuge  von  erdigem  rothen  Eisenoxyde  bedeckt,  der  oft  dicker 
wird,  und  in  diesem  Fall  gewöhnlich  als  feinschuppiger  me- 


125 

tallisch  glänzender  Eisenglanz  erscheint').  Bischof^)  er- 
wähnt auch  dieses  Ueberzuges  der  Schlesischen  Feldspath- 
krjstalle,  und  hält  ihn  für  ein  Product  der  Zersetzung  des 
Feldspaths,  deren  ersten  Grad  er  bezeichnet;  indem  er  in 
nichts  anderem,  als  in  einer  höheren  Oxydation  des  in 
dem  Feldspath  enthaltenen  Eisens  bestehe  und  die  Art  der 
Verbreitung  des  Eisenoxjdes  auf  der  Oberfläche  der  Feld- 
spathkrjstalle  möchte  diese  Art  der  Entstehung  wohl  wahr- 
scheinlich machen^). 

Auf  diesem  Ueberzuge  Ton  Eisenoxjd  kommen  nun  aber 
die  Albitkrjstalle  nicht  selten  aufgewachsen  vor.  Wenn 
derselbe. einen  Feldspathkrjstall  ungleichmäfsig  bedeckt,  so 
sind  die  Albitkrystalle  allerdings  weit  gröfser  und  häufiger, 
wo  der  Ueberzug  nicht  ist,  aber  sie  finden  sich  bestimmt 
auch  da,  wo  er  ist,  und  in  derselben  Lage,  so  dafs  der 
Ueberzug  die  Anziehung  des  Feldspaths  zu  dem  sich  bilden- 
den Albit  nicht  aufgehoben  hat.  Namentlich  sieht  man 
die  Albitkrystalle  auf  dem  Eisenoxyde  da,  wo  der  Feldspath 
mit  jenen  unregelmäfsigen  Kluftflächen  begränzt  ist,  und 
hier  ist  oft  der  bedeutende  Albit  noch  mit  dem  Eisenoxyd 

1 )  Dieser  Ueberzug  kommt  mehr  oder  weniger  auf  allen  Feldspathkrystallen 
des  Hlrschberger  Thaies  vor,  findet  sich  aber  ganz  besonders  häufig  bei 
dem  Feldspath  m  dem  unter .  den  Namen  des  Krötenloches  bekannten 
Steinbraclie  bei  Schwarzbach,  eine  Stunde  südh'ch  von  Hirscbberg,  der 
sonst  noch  durch  die  Gröfse  und  Vollkommenheit  der  hier  vorkommen- 
den Feldspathkrystalle  ausgezeichnet  ist.  Die  Masse  des  bedeckenden  und 
in  die  Bisse  und  Spalten  des  Feldspaths  eindringenden  Eisenoxyds  ist^ 
hier  so  grofs,  dafs  dieser  Feldspath  für  die  Benutzung  zum  Porcellan 
für  unbrauchbar  gehalten,  und  der  Bruch  daher,  ungeachtet  der  Menge 
von  Feldspath,  die  er  noch  immer  enthält,  verlassen  wurde. 

2)  Lehrbuch  der  ehem.  und  phjsik.  Geologie  Th.  2,  S.  295. 

3)  Die  Krystalle  enthalten  aufserdcm  durch  die  ganze  Masse  Eisenoxyd  ein- 
gemengt. Legt  man  frische  Bruchstucke  von  dem  Feldspath  von  Schwarz- 
bach, die  von  der  mit  Eisenoxyd  bedeckten  Oberfläche  durchaus  nichts 
enthalten,  in  Ghlorwasserstoflsäure,  so  wird  dieselbe  sehr  bald  gelb,  und 
in  sehr  kurzer  Zeit,  zumal  wenn  man  das  Ganze  an  einen  warmen  Ort 
gestellt  hat,  Eisenoxyd  in  nicht  unbeträchtlicher  Menge  ausgezogen.  Die 
sehr  lichte  röthlichbraune  Farbe  des  Feldspaths  wird  dadurch  in  eine 
schneeweifse  verwandelt. 


126 

gemengt  und  dadurch  roth  gefärbt;  legt  man  dergleichen 
Stücke  in  Salzsäure,  so  wird  das  Eisenoxyd  unter  dem  Al- 
bit  fortgenommen  ^).  Da  aber  das  Eisenoxjd  sich  zwischen 
dem  Feldspath  und  Albit  befindet,  so  beweist  dieser  Um- 
stand, dafs  beide  letztere  Substanzen  keine  Bildungen  sind, 
die  unmittelbar  auf  einander  stattgefunden  haben,  und  es 
folgt  auch  weiter  daraus,  dafs,  wenn  das  Eisenoxyd  ein 
Zersetzungsprodukt  und  eine  Bildung  auf  nassem  Wege 
sey  ^),  ein  Gleiches  auch  von  dem  Albite  anzunnehmen  sey, 
so  dafs  man  glauben  möchte,  der  Feldspath  sey  ursprüng- 
lich ein  inniges  Gemenge  von  reinem  Feldspatb  mit  Albit 
gewesen,  letzterer  aber  allmälig  von  den  Gewässern  aasge- 
zogen, und  auf  der  Oberfläche  wieder  abgesetzt.  Dafs  dieÜB 
noch  nicht  vollständig  geschehen  sey,  beweist  die  Analyse 
des  Feldspaths  von  Schwarzbach  von  Awdeeff,  wonach  der- 
selbe noch  eine  gröfsere  Menge  Natron  enthielt,  als  der  gla- 
sige Feldspath  nämlich  5,06  Proc.  ^),  und  dafs  durch  solche 
Ausziehung  von  Albit  keine  bedeutende  Veränderung  in  der 
Spaltbarkeit  einzutreten  braucht,  beweisen  die  grüneQ  Di- 
opside  von  Sahla,  die  wie  aus  den  Untersuchungen  meines 
Bruders  hervorgeht  *),  Kalkerde  verloren  und  Talkerde  und 
Wasser  aufgenommen  haben,  sich  mit  dem  Messer  mit  Leich- 
tigkeit ritzen  lassen,  aber  doch  nicht  ihre  Spaltbarkeit  gänz- 
lich eingebüfst  haben.  Uebrigens  enthält  auch  der  Feldspath 
zuweilen  kleine  Albitkrystalle  in  sichtbarer  Gröfse  und  nicht 
unbeträchtlicher  Menge  eingemengt,  wie  z.  B.  zuweilen  der 

1^  Bei  einem  solchen  Versuche  blieb  unter  den  gröfseren  AlbitkrystaUen 
in  der  Mitte  noch  etwas  Eisenoxjd  zurück,  aber  auch  diefs  wurde  ge- 
wifs  ausgezogen  sejn,  hätten  die  Stücke  längere  ZeJ^  in  Ghlorwasserstoff- 
säure  gelegen. 

2)  Dafs  Eisenglanz  eine  Bildung  auf  nassem  Wege  seyn  kann,  beweisen 
auf  das  Bestimmteste  die  in  Eisenglanz  veränderten  Muscheln  von  Semur 
im  Dep.  G6te  d*or.    Yergl.  Blum 's  Pseudomorphosen,  Nachtrag  $.202. 

3)  Vergl.  Poggendorff's  Annalen  Bd.  62,  S.  468.  Dafs  in  dem  ana- 
Ijsirten  Feldspath  kein  Albit  sichtbar  eingemengt  war,  kann  ich  bezeu- 
gen, da  ich  Hrn.  Awdeeff  das  Mineral  zur  Analyse  selbst  mitgetheilt  hatte. 

4)  Vergl.  Schweigger*s  Journ.  Bd.  35,  S.  100  and  auch  Bischof  dieoi. 
und  physik.  Geologie  Bd.  2,  S.  516. 


127 

grüne,  Amazooeustein  genannte,  Feldspath  vom  Ilmengebirge 
im  Ural ' ). 


VII.     Untersuchung  der  specißschen  Eigenschaften 

der  beiden  Säuren,  aus  denen  die  Traubensäure 

besteht;  fon  Hrn.  L.  Pasteur. 

{^Ann,  de  chim.  et  de  phy%,   T,  XXV Ilh  p,  56  frei  und  abgekürzt.) 


JLlie  gegenwärtige  Arbeit  bezweckt  zu  zeigen,  was  eine 
frühere  nur  unvollständig  that^),  dafs  die  Traubensäure 
eine  Verbindung  ist  von  zwei  Säuren,  welche  die  Polari- 
sationsebene des  Lichtes  gleich  stark  drehen,  aber  die  eine 
rechts  und  die  andere  links,  welche  in  ihrer,  sonst  gleichen 
Krjrstallform  einen  ähnlichen  Unterschied  darbieten,  und 
diese  Eigenschaften  auch  auf  ihre  Salze  übertragen.  Von 
diesen  Säuren,  die  durch  die  Namen  Rechts-  und  Linkstrau- 
bensäure  {Acide  dextrorac^ique  et  acide  livoracemiqtie^ 
unterschieden  wurden,  ist  die  Rechtstraubensäure  identisch 
mit  der  Weinsäure. 

Das  Material  zu  dieser  Untersuchung  lieferte  Hr.  K est- 
ner zu  Thann  (Elsafs),  der  Entdecker  der  Traubensäure, 
was  um  so  dankenswerther  ist,  als  diese  Säure  seitdem 
nidit  wieder  vorgekommen  ist.  Vergebens  hat  Hr.  K est- 
ner manigfaltige  Versuche  zu  deren  Darstellung  unternom- 
men und  ohne  Zweifel  verdankt  sie  ihre  Entstehung  nur 
einem  besondern  Umstand  in  der  Fabrikation^  oder  einer 
Krankheit  des  Weinsteins  in  -den  Trauben. 

Traubensaures  Natron-Ammoniak. 
Es  war  dieses  Doppelsalz,    durch  welches   zuerst  die 
Trennung  der  beiden  Säuren  gelang. 

1)  Tergl.  G.  Rose  Reise  nach  dem  Ural  etc.  Bd.  2,  S.  79. 

2)  Ann,  de  chim.  ei  de  phys,  T,  XXIF,  p,  442. 


128 

Sättigt  man  gleiche  Theile 'TraubeusXure  durch  Natron 
und  durch  Ammoniak  und  mischt  die  beiden  Flüssigkeiten 
mit  einander,  so  setzt  sich  beim  Erkalten,  oder  freiwilligen 
Abdampfen  ein  Doppelsalz  in  schönen  Krjstallen  ab,  die 
nach  drei  oder  vier  Tagen  eine  Länge  und  Dicke  von  meh- 
reren Centimetern  erreichen.  Untersucht  man  diese  Kry- 
stalle  einzeln,  so  erkennt  man,  dafs  sie  zweierlei  Art  sind; 
die  einen  sind  rechts,  die  andern  links  hemiedrisch,  und 
die  Gewichtsmengen  beider  sind  zu  jeder  Zeit  der  Krjstal- 
lisation  gleich.  Die  Lösung  der  rechts -hemiedrischen  Kry- 
stalle  dreht  die  Polarisationsebene  des  Lichts  nach  der  Redh- 
ten,  die  der  links -hemiedrischen  nach  der  Linken,  und  zwar 
um  dieselbe  Gröfse;  bis  auf  die  Anordnung  der.  hemiedri- 
schen Flächen  sind  beide  Arten  von  Krystallen  Tollkoiii- 
men  identisch. 

Diese  beiden  Salze  lassen  sich  nur  dadurch  trennen, 
dafs  mau  ihre  Krystalle  nach  deren  hemiedrischen  Charak- 
ter aussucht,  was  natürlich  bei  den  verwachsenen  nur  sdir 
unvollständig  geschehen  kann.  Soviel  wie  möglich  mub 
man  nur  isolirte  gut  ausgebildete  Krystalle  auslesen.  Fügt 
man  zu  einer  kalt  gesättigten  Lösung,  z.  B.  zur  Mutterlange 
einer  Krystallisation,  eine  gewifse  Menge  gemischter  Kry- 
stalle und  löst  sie  durch  Erwärmen  der  Flüssigkeif,  so  er- 
hält man  nach  drei  oder  vier  Tagen  sehr  schöne,  isolirte 
und  leicht  auszulesende  Krystalle.  Die  hinzugefügte  Safat- 
menge  mufs  eine  solche  seyn,  dafs  sich  in  den  ersten  24 
Stunden  nur  einige  Krystalle  aussondern.  Die  Lösung  die- 
ses Salzes  verliert  Ammoniak  beim  Verdampfen  und  dadordi 
erfolgt  eine  Ablagerung  von  saurem  Salz  in  sehr  kleinen 
Krystallen.  Um  die  Bildung  dieses  sauren  Salzes  zu  yer- 
hüten,  fügt  man  der  Lösung.,  wenn  man  sie  zum  Krystal- 
lisireu  hinsetzt,  einige  Tropfen  Ammoniak  hinw« 

Will  man  sich  durch  eine  chemische  Reaction  überzeu- 
gen, dafs  die  sonach  getrennten  Krystalle  von  zweierid 
Art  sind,  deren  keine,  einzeln  genommen,  TraubensSnre 
enthält,  so  braucht  man  sie  nur  aufzulösen  und  mit  der 
Lösung  eines  Kalksalzes  zu  behandeln.   Sind  die  Lösungen 

etwas 


129 

etwas  verdünnt,  so  sieht  man  keinen  Niederschlag  entste- 
hen, vielmehr  setzen  sich  nach  einiger  Zeit  isolirte  glän- 
zende Krystalle  ab,  bestehend  aus  geraden  Prismen  mit 
rhombischer  Basis,  die  an  den  Enden  in  ein  Octacder  über- 
gehen. Endlich  schlägt  sich  das  Kalksalz  mit  allen  Kennt- 
zeichen  des  Weinsauren  Kalkes  nieder.  Die  Lösungen  bei- 
der Arten  von  Krystallen  verhalten  sich  ganz  gleich  für 
das  Auge.  Löst  man  aber  beide  Krjstallarten ,  die  rechts- 
und  die  links -hemiedrischeu,  gemeinschaftlich  auf,  so  bildet 
das  Kalksalz,  selbst  in  einer  sehr  verdünnten  Lösung,  so- 
gleich oder  nach  einigen  Sekunden  einen  Niederschlag  in 
Gestalt  eines  amorphen  Pulvers  oder  kleiner  dünner  Lamel- 
len, die,  je  nach  der  mehr  oder  weniger  grofsen  Langsam- 
keit der  Fällung,  isolirt  oder  sternförmig  gruppirl  sind, 
und  alle  Kennzeichen  des  traubensauren  Kalks  besitzen. 

Kryatnllforni  des  recbts-  und  des  links-tranbensaaren 

Natron- Ammoniaks. 

Die  Krystallform  des  rechts -traubensauren  Natron -Am- 
moniaks ist  in  Fig.  6,  Taf.  IL  abgebildet,  die  des  links - 
traubensauren  in  Fig.  7.  Es  ist  ein  gerades  Prisma  mit 
rechteckiger  Basis  P,  M,  T,  abgestumpft  an  den  Seiten- 
kanten durch  die  Flächen  V.  Die  Kante  der  Flächen  b' 
mit  T  ist  abgestumpft  durch  eine  Fläche  A.  Wäre  keine 
Hemiedrie  vorhanden,  würde  jedes  Ende  vier  Flächen  h 
haben,  die  durch  ihre  Verlängerung  ein  gerades  Octaeder 
mit  rhombischer  Basis  gäben.  Allein  es  sind  an  jedem  Ende 
nur  zwei  Flächen  h  vorhanden  und  diese  beiden  Paare 
stehen  so  über  Kreuz,  dafs  sie  durch  ihre  Verlängerung  ein 
regelmäfsiges  Tetraeder  bilden.  Hält  man  die  Fläche  P 
vor  sich,  mit  der  Fläche  T  horizontal,  so  hat  man  rechts 
oben  am  Krystall  eine  Fläche  h.  Der  ganze  Unterschied  zwi- 
schen dem  rechts-  und  dem  links -traubensauren  Salz  besteht 
darin,  dafs,  bei  dem  letzteren,  bei  gleicher  Stellung  des 
Krystalls,  die  Fläche  h  zur  Linken  des  Beobachters  liegt. 
Uebrigens  sind  die  Winkel  ganz  dieselben  an  beiden  Salzen. 

In  Wirklichkeit  ist  die  Krystallform  dieser  Salze  com- 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX  " 


130 

plicirter  als  es  die  Figuren  6  und  7  darstellen.  So  unter 
andern  kommen  noch  auf  der  Kante  zwischen  P  und  T 
zwei  Flöchcn  vor,  die  bemerkenswerth  sind,  weil  sie  die 
Flüche  P  ohne  Wiukelmessung  erkennen  lassen  und  da- 
durch das  Auslesen  der  rechts-  und  der  links -hemiedri- 
schen  Krystalle  sehr  erleichtern. 

Zuweilen  geschieht  es,  dafs  die  Flächen  h  an  einem 
und  demselben  Krystall  sowohl  zur  rechten  als  zur  linken 
Seile  vorkommen;  aber  dieser  Fall,  der  z.  B.  beim  Brech- 
weinstein häufig  ist,  in  dem  das  unregelmäfsige  Tetraeder 
desselben  sich  zu  einem  Octaeder  vervollständigt,  stellt  sich 
glücklicher^veise  bei  dem  in  Rede  stehenden  Salze  nur  sehr 
selten  ein,  und  ist  oft  nur  scheinbar. 

Eine  Frage,  die  sich  natürlich  darbietet,  ist  die:  ob  nicht 
die  Traubensäure  ein  Gemenge  gleicher  Theile  beider  (rechts- 
und  links -modiiicirten)  Säuren  sey,  und  daraus  die  beiden 
untersuchten  Doppelsalze  entstehen.  Allein  die  oben  er- 
wähnte Reaclion  gegen  Kalksalze  spricht  dagegen.  Denn 
die  Lösung  eines  Krystalls  von  Traubensäure,  wie  klein 
er  auch  sey,  giebt  mit  einem  Kalksalz  traubensauren  Kalk. 
Uoberdiefs  wird  man  weiterhin  sehen,  dafs  die  Rechts-  und 
die  Links- Traubensäure  nicht  zusammen  existiren  können, 
ohne  nicht  durch  ihre  Verbindung  sogleich  Traubensäure 
zu  geben,  leicht  erkennbar  an  der  Gestalt  und  Löslichkeit. 

Es  ist  also  nur  die  Krystallisation,  bei  welcher  das 
Ooppelsalz  von  Natron  und  Ammoniak,  aus  einer  noch  un- 
bekannten Ursache,  ein  Zerfallen  der  Traubensäure  bewirkt 
und  die  beiden  Salze  entstehen  läfst. 

Diese  Eigenschaft  besitzt  aufser  dem  genannten  Dop- 
pelsalz nur  noch  das  traubensaure  Kali -Natron,  welches 
leicht  zu  erhalten  ist,  zuwider  den  Angaben  einiger  Che- 
miker, die  da  behaupten,  ein  Gemeng  von  neutralem  tran- 
bensaurcm  Kali  und  neutralem  tranbensaurem  Natron  gebe 
nur  neutrales  traubensaures  Kali  und  nicht  das  Doppelsah. 

Die  fibrigen  traubensauren  Salze  enthalten  Traubensänre 
als  solche.  Dergleichen  Krystalle  sind  die  neutralen  Salze 
von  Kali,  von  Natron,  von  Ammoniak  und  das  Kalkialz. 


131 

Ninamt  man  nSoiUch  eioen  einzelnen  Krjrstall  von  diesen 
Salzen  und  föUt  seine  Lösung  durch  ein  lösliches  Kalksalz^ 
ao  fällt  traubensaurer  Kalk  nieder.  Ueberdiefs  sind  die 
Krystalle  dieser  Salze,  namentlich  die  sehr  regelmäfsigeu 
des  traubensauren  Kalis  und  des  traubensauren  Natronsy 
nicht  hemiedrisch. 

DarstellUDg  der  Recbts-  und  dar  Liokstraubensäure. 

Um  diese  Säuren  zu  erhalten  mufs  man  sich  zuvörderst 
eine  ziemlich  grofse  Menge  der  Krystalle  verschaffen,  die 
sich  beim  Versuche  zur  Darstellung  des  traubensauren  Na- 
tron-Ammoniaks ablagern.  Man  nimmt  gleiche  Gewichts- 
theile  Traubeusäure,  sättigt  den  einen  durch  reines  kohlen- 
saures Natron,  den  andern  durch  Ammoniak,  und  vermischt 
beide  Flüssigkeiten.  Man  dampft  sie  ein,  läfst  krystallisi- 
ren  und  befolgt  die  früher  gegebenen  Vorschriften.  Eine 
bei  11^  C.  gesättigte  Lösung  dieses  Doppelsalzes  zeigt  23^ 
am  Banm^'schen  Aräometer  an,  dagegen  28°,  wenn  sie  bei 
der  Temperatur  21°  C.  gesättigt  ist. 

Rechtstraabensäore. 

Dieselbe  erhält  man,  wenn  das  rechtstraubensaure  Na- 
tron-Ammoniak mit  salpetersaui^em  Bleioxyd  oder  einem 
Barytsalz  behandelt  wird.  Das  Bleisalz  eignet  sich  dazu 
am  besten,  weil  das  rechtstraubensaure  Bleioxyd  fast  un- 
löslich ist,  und  obwohl  anfangs  gelatinös  niederfallend,  bald, 
besonders  in  der  Wärme,  einen  krystallinischen  Nieder- 
schlag bildet,  der  sich  leicht  abfiltriren  oder  decantiren  läfst. 
Eis  ist  jedoch  möglich,  dafs  es  etwas  salpetersaures  Blei 
enthalte,  welches  nicht  durch  Waschen  zu  entfernen  ist. 

Die  Krystalle  des  rechtstraubensauren  Bleioxyds  erwei- 
sen sich  unter  der  Lupe  oder  dem  Mikroskope  als  gerade 
rhombische  Prismen  mit  octaedrischer  Abstumpfung  der 
Enden. 

Das  Salz  ist  wasserfrei  und  bat  die  Zusammensetzung 
C^H^Oj.PbO,  denn  1,603  desselben,  in  einer  Porcellan- 
kapsel  geglüht,  hinterliefsen  0,972,  worin  durch  Behandlung 

9» 


i32 

Ulli  Essigsäure  0,479  mclallisches  Blei  nachgewiesen  wur- 
den, wonach  es  62,9  Proc.  Bleioxyd  enthält. 

Dafs  es  fast  gauz  unlöslich  ist,  geht  aus  folgendem  Ver- 
such hervor.  100  Grin.  rechtstraubensaures  Natron -Am- 
moniak wurden  mit  130  6rm.  salpetersaurem  Bleioxjd  ge- 
fällt, und  dadurch  135  Grm.  trockues  rechtstraubensaures 
Bleioxyd  erhalten.  Diefs  entspricht  50  Grm.  trockner  Säure; 
nach  der  obigen  Zusammensetzung  hätten  es  50,5  Gnn.  sejn 
müssen. 

Das  rechtstraubensaufe  Blei  wird  darauf  bei  gelinder 
Temperatur  mit  Schwefelsäure  behandelt,  am  besten  mit 
einem  kleinen  Ueberschufs  derselben,  wenn  man  die  Säure 
krjstallisirt  haben  will;  sonst  ist  dieser  nicht  nOthig.  Audi 
kann  man  (wie  zur  Darstellung  der  Linkstraubensäore) 
das  Bleisalz  durch  Schwefelwasserstoff  zersetzen ;  doch  bat 
diefs  keinen  Yortheil. 

Aus  concentrirten  Flüssigkeiten,  besonders  bei  Gegen- 
wart einer  kleinen  Menge  Schwefelsäure,  schiefst  die  Rechts- 
traubensäure an,  bei  langsamer  Verdampfung  in  klaren,  to- 
luminösen  Krjslallen  von  grofser  Schönheit. 

Die  Rechtstraubensäure  ist,  wie  sogleich  bewiesen  wer- 
den soll,  in  allen  ihren  physischen  und  chemischen  Eigen- 
schaften identisch  mit  der  Säure  im  gewöhnlichen  Wein- 
stein und  nur  um  an  ihren  Ursprung  zu  erinnern,  wird  sie 
hier  noch  durch  den  Namen  von  derselben  unterschieden. 

Identität  der  Rechtstraubensäure  mit  der  Weinsäure.  -^ 
Die  Krjstallform  der  Rechtstraubensäure  ist  Fig.  8.  Taf.  IL 
abgebildet;  sie  ist,  wie  die  der  Weinsäure,  ein  schiefes 
Prisma  mit  reclangulärer  Basis.  Parallel  der  Fläche  M  ist 
die  Spaltbarkeit  sehr  glänzend.  Die  Winkel,  die  mit  den 
von  Hrn.  de  la  Provostaye  bei  der  Weinsäure  gefun- 
denen sehr  gut  übereinstimmen,  sind: 

P  :  6  =  145° 32'         P  :c=i  134*^ 30' 
P:M  =  100^32'         M  :  d=  128^32' 
M:b  =  135^00'        d  :d  =  102°54'. 
M:k  =122°  30' 


133 

In  der  Regel  ist  der  Krystall  hemiedriscfa ,  denn  die 
Flächen  c  finden  sich  entweder  nur  an  seiner  Rechten,  wie 
es  eben  die  Figur  zeigt,  oder,  wenn  sie  auch  an  der  Lin- 
ken vorkommen,  so  sind  sie  doch  meistens  daselbst  viel 
weniger  ausgebildet.  Nur  in  einigen  sehr  seltenen  Fällen 
haben  die  Flächen  c  zur  Rechten  und  Linken  eine  gleiche 
Ausdehnung,  ein  neuer  Beweis,  dafs  die  Ursache,  welche 
die  Hemiedrie  erzeugt,  nicht  immer  eine  Unsymmetrie  der 
Gestalt  herbeiführt. 

PyrO'Elektriöität  der  Weinsäure  und  der  Rechtstrau- 
b^nsäure,  —  Beide  Säuren  sind  pjro- elektrisch.  Die  grob- ^ 
sten  Prüfm|ttel  auf  Elektricität  reichen  hin  zu  zeigen,  dafs 
ein  Krjstall  von  der  einen  oder  andern  Säure  sich  beim 
Erwärmen  oder  Erkalten  mit  beiden  Elektricitäten  ladet. 
Ist  das  Elektroskop  sehr  empfindlich,  so  kann  man  sehen, 
dafs  schon  die  Handwärme  Pole  hervorruft.  Beim  Erkal- 
ten ladet  sich  die  rechte  Seite  des  Krjstalls  Fig.  8.  Taf.  II. 
mit  positiver  Elektricität,  die  linke  mit  negativer.  Beim 
Erwärmen  verhält  es  sich  umgekehrt. 

Spedfisches  Gewicht.  —  Durch  Wägungen  in  Terpen- 
thinöl,  worin  die  Rechtstraubensäure  ganz  unlöslich  ist, 
wurde  ihr  specifisches  Gewicht  =  1,750^  Das  der  Wein- 
säure Wird  in  den  Lehrbüchern  der  Chemie  zu  1,75  an- 
gegeben. 

Chemische  Zusammensetzung.  —  0,5  Grm.  krjstallisirter 
Rechtstraubensäure  gaben  0,583  Kohlensäure  und  0,181 
Wasser,  woraus  sich  ergicbt  die  Formel  C^QsOg.HO 
und  die  Zusammensetzung 

RechtslraubcDsaare.        Während  die  der  WeiD.s<iure: 

Kohle  31,9  32,0 

Wasserstoff      4,0  4,0 

Sauerstoff        61,1  64,0 

100,0.  100,0. 

Drehungseermögen  der  beiden  Säuren.  —  Folgende  Ver- 
suche werden  zeigen,  dafs  das  Vermögen  zur  Drehung  der 
Polarisationsebene  des  Lichts   bei   der   Rechtstraubensäure 


134 

eben  80  stark  ist  wie  bei  der  Weinsäure ,  bei  wdcber  es 
von  Hm.  Biot  so  specieli  untersucht  wurde  ^)« 

31,428  Grm.  BechtstraubensSure  wurden  in  68,571  Gnu« 
Wasser  gelöst.  Die  scheinbare  Dichtigkeit  der '  Lösung 
war  1,1560,  die  Temperatur  21^  C,  die  Länge  der  Beob- 
ächtungsröhre  500  Millimeter.  Die  Concentration  der  Lö- 
sung war  ganz  wie  bei  Hrn.  Biot,  nur  betrug  bei  diesem 
die  Temperatur  25^,5  C.  und  die  Böhrenlänge  519,5  MUm. 

Die  Farben  der  ordentlichen  und  der  aufeerordentli- 
chen  Bilder  für  verschiedene  Azimute  giebt  Hr.  Biot  fol- 
gendermafsen  an: 


A. 

P- 

£. 

00,00 

Beinahe  weifs 

Blangrun  oder  blaCi  grönblau 

20,00 

do. 

Sehr  sichtbar  blau 

21,00 

do. 

Verschwindend  blaa,  kein  Roth- 
violett. 

23,00 

do. 

Yiolettrotk 

27,00 

Milchweifs 

Orangeroth  oder  rothorange 

40,33 

Beinahe  weifs 

Orangegelb 

48,50 

Blafs  blaugrun 

Höthlichweirs 

90,00 

Blaugrün  oder  grünblau 

Beinahe  weifs 

Dieselben  Farben  wurden  bei  denselben  Azimuten  an 
der  Lösung  der  Bechtstraubensäure  beobachtet.  Nur  fand 
sich  das  Uebergangsazimut  statt  bei  21  ^^  genau  bei  20^ 
offenbar  weil  die  Röhre  im  Yerhältnifs  50  zu  52  kürzer 
war  und  die  Temperatur  statt  25°,5,  nur  21°  betrug,  denn 
bekanntlich  wächst  das  Drehungsvermögen  der  Weinsäure 
mit  der  Temperatur.  Bothes  Glas,  welches  bei  Hrn.  Biot 
eine  Drehung  von  18 ",8  veranlafste,  bewirkte  nur  eine 
von  17^5. 

Hr.  Biot  hat  aus  zahlreichen  Versuchen  eine  Formel 
abgeleitet,  mittelst  deren  man  das  Drehungsvermögen  einer 
Lösung  von  Weinsäure  ableiten  kann,  wenn  man  nur  ihren 
Gehalt  an  dieser  Säure  kennt.     Diese  Formel  ist 

,[a]r  ist  das  moleculare  Drehungsvermögen  für  den  ro- 
then  Strahl;  A  eine  für  alle  Lösungen  constante,  nur  mit 
der   Temperatur  veränderliche   Gröfse;  B  eine  Constante 

1)  M^m.  de  V Inst,  1837.  (Ann.  XXXVIII.  179.) 


135 

=7 14f  ,31  und  c  der  Wassergehalt  3er  Lösung  in  Gewichts- 
theilen. 

£ür  21^'C.  Temperatur,  ist  ils— 0,17132,  mithin  hat 
man  für  die  Lösung  der  Rechtstraubensäure: 

[«]r  =  — 0,17132  +  14^31. 0,68571=9S64. 

Berechnet  man  andrerseits  das  Drehvermögen  mittelst 
der  Formel 

-    ^     «  .     (a=17°,5  /  =  500 

[«]r,-,  wenn  j^  ^^3^^28^=1,153, 
so  findet  man 

[a]r=9^681 
eine  vollkommene  Uebereiustimmung  für  dergleichen  Ver- 
suche. 

Vergleicht  mau  die  Farben,  welche  eine  die  Polarisa- 
tionsebene drehende  Substanz,  wie  Quarz,  Zucker  u.  s.  w. 
in  ihrem  ordentlichen  und  aufserordeutlichen  Bilde  dar- 
bietet, mit  denen  der  vorstehenden  Tafel,  so  sieht  man 
deutlich  einen  Unterschied  für  gleiche  Ablenkung.  Ueber- 
diefs  steht  bei  allen  Substanzen,  die  dem  allgemeiuen  Dre- 
hungsgesetze einfacher  Strahlen  folgen,  das  mittlere  Azimut 
des  rothen  Glases  zu  dem  Uebergangsazimut,  bei  gleicher 
Dicke,  in  dem  constanten  Verhältjfs  4a*  ^^  ^^^^  ^^^  ^^^ 
Ablenkung  20,  die  oben  bei  der  Uebergangsfarbe  beob- 
achtet ward,  zu  der  Ablenkung  17^,5  .des  rotheu  Strahles 

überzugehen,  mufs  mau  sie  multipliciren  mit  -~  oder  nach 

26  89 
Hrn.  Biot's  vorhin  angeführten  Versuch,  mit  -«jp-  Diefs 

beweifst,  dafs  die  rechtstraubeusauren  Lösungen  die  Polari- 
sationsebeneu  der  einfachen  Strahlen  nicht  so  zerstreuen  wie 
der  Quarz. 

Alles  dieses  hebt  jeden  Zweifel  an  der  Einerleiheit  der 
Weinsäure  und  Rechtstraubensänre,  die  weiterhin  durch 
die  Untersuchung  ihrer  Salze  noch  bestätigt  werden  wird. 

Links  traubensäure. 
Die  Darstellung  derselben  geschieht  genau  wie  die  der 
Rechtstraubensäure.    Liukstraubeusaures  Natron  -  Ammoniak 


136 

wird  mit  salpetersaurem  Bleioxyd  behandelt  und  der  Nieder- 
schlag durch  verdünnte  Schwefelsäure  zersetzt 

Diese  Säure  krjstallisirt,  besonders  wenn  sie  mit  etwas 
Schwefelsäure  vermischt  ist,  bei  langsamer  Yerdampfimg 
leicht,  in  sehr  schönen  klaren  und  grofsen  Krjstallen.  Nichts 
ist  sonderbarer  und  zugleich  aufserordentlicher  beim  ge- 
genwärtigen Zustand  der  Wissenschaft  als  der  Vergleich 
der  Weinsäure  oder  Rcchtsfraubensäure  mit  der  Linkstrau- 
beusäure,  die  man  auch  Linksweinsäure  nennen  könnte. 
Zwischen  beiden  Säuren  ist  kein  anderer  Unterschied  an- 
gebbar als  der  in  der  Hemiedrie  und  der  im  Sinne  der  Ab- 
lenkung der  Polarisationsebene  des  Lichts.  Winkel  der 
Flächen,  physikalisches  Ansehen,  Löslichkeit,  speeißsches 
Gewicht,  chemische  Eigenschaften,  Zusammensetzung,  alles 
ist  gleich  bei  beiden  Säuren,  aber  die  Krjstallform  der 
einen  ist  das  Gegenstück  der  anderen.  Ein  WeinsSare- 
Krjstall,  vor  einem  Spiegel  gehalten,  giebt  ein  Bild  genaa 
von  der  Form  der  Linkstraubensäure.  Andererseits  lenkt 
die  Linkstraubeiisäure  die  Polarisationsebene  des  Lichts  nach 
der  Linken  ab,  während  die  Weinsäure  sie  nach  der  Rechten 
dreht  und  zwar  um  dieselbe  absolute  Gröfse  ^  )• 

Krystallform.  —  Die  Krystallform  der  LinkstraubensSure 
ist  in  Fig.  9,  Taf.  IL  abgebildet;  verglichen  mit  der  Rechts- 
traubensäure in  Fig  8  ersieht  man,  dafs  beide  Formen  in 
allen  Stücken  identisch,  jedoch  nicht  fiberdeckbare  Polyeder 
sind.  Sie  decken  einander  nicht,  weil  di^  Fläche  b  nicht 
identisch  mit  der  Fläche  k  ist,  kurz  weil  das  Prisma  ein 
schiefes  ist.  Die  Winkel  sind  fibrigens  dieselben  wie  bei 
der  Rechtstraubensäure. 

Auch  hier  wie  bei  der  Rechtstraubensäure  verschwinden 
die  Flächen  c  zuweilen  vollständig  an  der  rechten  Seite, 
wie  es  die  Figur  angiebt;  häufig  sind  sie  sowohl  rechts 
als  links  vorhanden,  aber,  mit  Ausnahme  einiger  sehr  sel- 
tenen Fälle,  sind  sie  an  der  linken  Seite  immer  entwickel- 

I)  "Weshalb    di*nn    aurli   durch   die  Traubeiisaurc   und   deren  Salze  keine 
Drehung  der  PoUrisationsebene  bewirkt  wird  P. 


137 

ter  als  an  der  recbteh.  *-  Eine  leichte  ond  sehr  gIXuzende 
Spaltbarkeit  findet  parallel  der  Fläche  M  statt. 

Pyro^ElekiricitäL  —  Die  Linkstraubensäure  ist  stark 
pyro- elektrisch,  ebenso  stark  ak  die  Rechtstraubensäure. 
Nur  ist  es,  wenn  der  Krjstall  erkaltet,  die  linke  Seite 
Fig.  9,  welche  sich  positiv  ladet,  während  die  rechte  Seite 
negative  Elektricität  annimmt.  Bei  der  Rechtstraubensäure 
oder  Weinsäure  verhält  es  sich  umgekehrt. 

Speeifisches  Gewichi.  —  Bestimmt  in  Terpenthinöl,  worin 
die  Säure  ganz  unlöslich  ist,  fand  es  sich  =  1,7496,  identisch 
mit  dem  der  Weinsäure. 

Chemiiche  Zusammet^setzung.  —  0,5  Grm.  krjstallisirter 
Linkssäure  gab  0,583  Kohlensäure  und  0,182  Wasser;  dem- 
nach ist  ihre  Formel  C4H3O5.HO  und  ihre  Zusammen- 
setzung: 

Linkstraubensaare:  Weinsäure: 

Kohlenstoff  31,9  32,00 

Wasserstoff    4,02  4,00 

Sauerstoff      64,08  64,00 

100,00.  100,00. 

LösKchkeiL  —  Man  füllte  eine  Röhre  mit  Krjstallen 
von  Linkstraubensäure,  eine  andere  mit  Krjstallen  von 
Rechtstraubensäure,  gofs  Wasser  auf  beide  und  liefs  sie 
über  Nacht  stehen.  Am  anderen  Morgen  wog  man  von 
der  rcchtslraubcusauren  Lösung  1,226  Grm.  und  von  der 
linkstraubensauren,  0,996  Grm.  ab,  und  dampfte  beide  auf 
einem  Ofen  bei  100'*  ein,  bis  der  Rückstand  sein  Gewicht 
nicht  mehr  änderte.  Die  rechtstraubensäure  Lösung  hatte 
verloren  0,699,  die  linkstraubensäure  0,567,  wonach  also 
die  erste  57,01  Proc.  und  die  letztere  56,92  enthielt.  Die- 
ser Versuch,  bei  welchem  die  Temperatur  19  oder  20°  C. 
betrug,  beweifst,  dafs  die  Löslichkeit  beider  Säuren  gleich  ist. 

Drehungst>ermögen.  —  Das  Vermögen  zur  Drehung  der 
Polaristniionscbene  des  Lichts  ist,  seiner  Gröfse  nach,  bei 
der  Linkstraubensäure  genau  gleich  dem  bei  der  Rechtstrau- 
bensäure.   Auch  die  zuerst  von  Hrn.  Biot  bei  der  Wein- 


138 

sSare  nachgewiesene  and  bisher  nodi  bei  keiner  anderen 
Substanz  wahrgenommene  ganz  specieile  Dispersion  der  Po- 
larisationsebenen findet  sich  unverändert  bei  der  Linkstran- 
bensäure  wieder.  Ebenso  ist  der  EinflaCs  der  Temperatur 
und  der  der  Concentration  der  Lösung  genau  derselbe.  Aber 
während  die  Drehung  bei  der  Weinsäure  nach  der  Rech- 
ten geht,  erfolgt  sie  bei  der  Linkstraubensäure  nadi  dar 
Linken.  Die  folgenden  Versuche  lassen  darüber  keinen 
Zweifel  und  noch  strenger  spricht  dafür  die  Neutralität  der 
Traubensäure. 

Eine  Lösung  von  Linkstraubensäure,  deren  scheinbares 
spec.  Gew.  1,21699  und  deren  wahres  also  1,2147  war, 
wurde  bei  20^  G.  in  einer  50  Centim.  langen  Röhre  beob- 
achtet. Nach  dem  Mittel  mehrer  Beobachtungen  betrug  die 
Abhandlung  für  den  rothen  Strahl  18^90L^),  für  die 
Uebergangsfarbe  war  sie  21^,28jL.  Berechnet  man  nach 
der  von  Hrn.  Bio  t  für  die  Weinsäure -Lösungen  den  Säure- 
gehalt der  Lösung  aus  dem  scheinbaren  specifischen  Ge- 
wicht, so  findet  man,  dafs  sie  0,42  Proc.  Säure  enthielt 
Die  Formel 

[a]r=il+JBe 
giebt  dann 

[a]r  =  — 0,27840+14,31. 0,58=8^02. 

Nach  der  allgemeinen  Formel 

[a]r=^  hat  man  [a]r=7^4l  «). 

1 )  Wir  bezeichnen  hier  und  in  der  Folge  mit  den  Buchstaben  L  und  R 
die  Ablenkung  der  Polarisationsebenen  nach  der  Ldnken  oder  Rechttn. 
Das  Original  gebraucht  dazu  Pfeile.  P. 

2)  Da  die  Abweichung  des  aus  dem  Versuch  abgeleiteten  Drehungs%'ernio- 
gen,  7^,41,  von  dem  nach  der  Formel  [a]r  =  il  +  ff«  berechneten, 
8*,02,  gröfser  :war  als  bei  allen  übrigen  Versuchen,  so  entstanden  Zwei- 
fel an  der  Richtigkeit  der  Beobachtung,  Der  Fehler  entspricht  2  bis  3 
Graden  in  der  dircct  gemessenen  Ablenkung,  was  die  Grän&en  der  mog^ 
liehen  Fehler  bedeutend  übcrlriflt.  Sehr  wahrscheinlich  war  der  NoU- 
punkt  vor  der  Beobachtung  nicht  verificirt  und  derselbe  durch  eine 
Veränderung  in  der  Atmosphäre  oder  durch  eine  andere  zufallige  Ursache 
verschoben  worden. 


139 

Wie  schon  erwähnt,  ist  bei  allen  Substanzen ,  welche 
die  Polarisationsebenen  nach  der  Art  des  Quarzes  disper- 
giren,  das  Yerhftltnifs  der  Ablenkung  des  rothen  Strahls 
zu  der  der  Uebergangsfarbe  gleich  ^^,  Diefs  VerhältniCs 
nähert  sich  bei  der  Weinsäure  weitmehr  der  Einheit,  ob- 
gleich  es  för  jede  Lösung  dieser  Säure  ein  anderes  ist. 
Sucht  man  durch  welches  Dreifsigstel  man  21,28  multipli- 
dren  müsse,  um  18,90  zu  erhalten,  so  findet  man  ^[p. 

Entscheidender  ist  folgender  Versuch,  weil  er  mit  ei- 
nem unter  wenig  anderen  Umständen  von  Hrn.  Biot  an- 
gestellten verglidien  werden  kann. 

35,7  Grm.  Linkstraubensäure  wurden  in  6i,3  Grm.  Was- 
ser gelöst  und  die  Lösung,  bei  17**,  in  einer  50  Centm. 
langen  Röhre  beobachtet.  Ihr  scheinbares  spec.  Gewicht 
war  1,1806,  ihr  wahres  1,182. 

Diese  Lösung  kommt  der  von  Hrn.  Biot  beobachte- 
ten (s.  Mim.  von  1836  p.  142)  sehr  nahe,  denn  dieselbe 
enthielt  34,27  Säure  und  65,73  Wasser,  hatte  ein  schein- 
bares spec.  Gew.  =1,1725  und  ein  wahres  1,16919,  und 
wurde  bei  26^  G.  in  einer  518  MUm.  langen  Röhre  beob- 
achtet.    Für  die  Farben  ihrer  Bilder  fand  Hr.  B.: 

Der  Verfasser  übergab  dieselbe  Losung  Hrn.  Biot.  Dieser  beobach- 
tete sie  gemeinschaftlich  mit  einer  Weinsaure -Losung  von  gleichem  spe- 
cifischen  Gewicht  bei  20^5  C.  in  einer  Röhre  von  520  Millim.  Für 
die  traubensaure  Lösung  fand  er 

ar=— 21^925;  aj=  — 24«,8  also  ar:ai  =26,52:30 

und  berechnet  nach   der   von  Hrn.  Biot  aus  seinen  Versuchen  mit  der 
Weinsäure  hergeleiteteten  Formel  [c»]r  =5^1 +  ^e 

[a]r  =  8^078. 

Mittelst  der  allgemeinen  Formel 

r «!»•=*■; — i  findet  man  fair  =  8^246. 

Die  Weinsäure -Lösung  von  gleichem  specifischen  Gewicht  gab: 
ar=-i- 22^15;  aj=H-24%5  also  ar  raj  =27,12: 30 
und  [a]f =8^,33  berechnet  nach  der  Formel: 

r    1    —  **•* 


140 


A, 

o. 

£. 

0,00 

Beinahe  weiCt 

Blau  blaugrun 

19,00 

do. 

Gutes  blaugrun 

21,16 

do. 

Blaugrun,  noch  merlclidi,  aber 
sehr  schwach 

22,50 

do. 

Null  oder  fast  Null 

23,00 

do. 

Purpur  Tiolettrolh 

28,00 

do. 

Oraogeroth 

32,50 

do. 

Rothgelb 

59,00 

Weifs,  kaam  grünlich 

Weib,  kaum  röthlicb 

90,00 

Grunweilj 
grün 

oder 

bUfs   blan- 

Fast  weifs 

Die  Lösung  der  LiukstraubensSure  gab  Hrn.  Pasteur 
Farben,  die  sich  von  denen  der  obigen  Tafel  in  gleichen 
Azimuten  nicht  unterscheiden  liefsen.  Nur  war  die  Ablen- 
kung der  Uebergangsfarbe  20^,5  L  statt  22^,5  Ry  und  die 
des  rothen  Strahls  17 ",8  L  statt  der  von  Hrn.  Biot  ge- 
fundenen 20'',1  IL 

Berechnet  man  [cejr  mittelst  der  Formel  fQr  die  Wein- 
säure-Lösungen [a]r  =  ii  +  B6  fQr  die  Temperatur  17^, 
so  findet  man: 

[a]r  =  —  0,62116  +  14,31 . 0,64  =  8^53 
fQr  das  Drehungsvermögen  unserer  linkstraubensauren  Lö- 
sung. 

Berechnet  man  dasselbe  andererseits  nach  der  allgemei- 
nen Formel 

und  den  Daten  des  obigen  Versuchs: 

a=17°,8;  /=50;  6=35,7;  ^=1,182, 
so  findet  man 

[a]r=8°,43. 
Die  Uebereinstimmung  kann  nicht  genQgender  sejn. 
Hier  noch  eine  andere  Bestätigung.  Das  Drehungsver- 
mögen der  Biot'schen  Lösung  bei  26'',6  C.  ist  9<',55.  Be- 
rechnet man  nach  der  Formel  [a]r  =  il+£e,  was  das 
Drehungsvermögen  der  linkstraubensauren  Lösung  bei  26^ 
sejn  würde,  so  findet  man 

[a]r  =  9",47. 


141 

Sndit  man  endlich',  in  Dreifsigsteln  aasgedrfickt,  das 
VerhSltnifs  der  Ablenkang  der  rothen  Farbe  zu  der  der 
Uebergaugsfarbe,  so  findet  man  es  bei  der  Linkstrauben- 
saure  =  '^^^y  nährend  Hr.  Biot  es  bei  der  WeinsSure 
=  ^^\^  gefunden  hat. 

Alle  diese  Bestätigungen  beweisen  übereinstimmend,  dafs 
zwischen  dem  DrehungsvermOgen  der  Weinsäure  und  dem 
der  Liukstraubensäure  kein  anderer  Unterschied  als  der 
seiner  Richtung  vorhanden  ist. 

Merkwürdig  in  mehrfacher  Beziehung  ist  das  Verhalten 
der  Salzsäuren  Lösung  des  Kalksalzes  beider  Säuren.  Links-* 
tranbensaurer  Kalk,  in  Chlorwasserstoffsäure  gelöst,  giebt 
eine  Flüssigkeit,  die  ein  sehr  merklich  recAfxgehendes  Dre- 
hungsvermögen besitzt.  Die  Lösung  der  Weinsäure  oder 
itecM^traubensäure  in  derselben  Säure  lenkt  dagegen  links 
ab.  Nachstehendes  ist  das  Detail  eines  mit  linkstrauben- 
saurem  Kalk  angestellten  Versuchs. 

20  Grm.  des  krystallisirten  Salzes  wurden  in  63  Cub. 
Centm.  eiiier  Chlorwasserstoffsäure  gelöst,  von  denen  100 
CC,  bei  2P,  11,25  Grm.  trocknes  CIH  enthielten.  Das 
spec.  Gew.  dieser  Säure  von  1,08157  bei  21^,5.  In  einer 
39,8  Centm.  langen  Röhre  betrug  die  Drehung  für  die 
Uebergangsfarbe  6*^^1  R,  Das  spec.  Gew.  der  Lösung  be- 
trug 1,18595. 

Mit  vieler  Sorgfalt  überzeugte  sich  Hr.  P.,  dafs  die  Lö- 
sung des  linkstraubensauren  Kalks  in  Chlorwasserstoffsäure 
keine  Spur  von  Weinsäure,  noch  von  Traubensäure  ent- 
hielt. Es  ist  also  eine  ganz  eigenthümliche  Wirkung  der 
Chlorwassers(offsäure  auf  den  linkstraubensauren  Kalk,  wo« 
durch,  ohne  Bildung  von  fiechtstraubensäure,  die  Drehung 
in  die  rechtsgehende  umgewandelt  wird. 

Traiibensfture. 

Aus  vorstehenden  Thatsachcn  erhellt,  dafs  die  Trauben- 
säure aus  zwei  besonderen  Säuren,  der  Weinsäure  oder 
Rechtstraubensäure  und  der  Linkstraubensäure  besteht.  Um 
den  Beweis  davon  zu  vollenden,  braucht  man  nur  concen- 


142 

irische  Lösungen  beider  SSnren  mit  einander  xa  mischen; 
angenbliGklich  gesteht  das  Ganze,  unter  fbhibarer  WSrme* 
Entwicklung,  zu  einer  krystaliinischen  Masse,  die  alle  phy« 
sischen  und  chemischen  Eigenschaften  der  Traubenstture  be- 
sitzt. Durch  Wiederauflösen  und  Umkrystallisiren  eriiält 
man  die  Tranbensäure  in  schönen  Krystallen,  die  in  Hirer 
Krystallform  und  Zusammensetzung  ganz  identisch  sind  mit 
der  Säure  von  Thann. 

0,5  Grm.  dieser  Säure  gaben  0,519  KohlensSnre  und 
0,215  Wasser,  entsprechend  der  Formel  CfHsO^.HO 
oder 

Die  SSare  von  Thann  cnthik: 

Kohlenstoff    28,32  28,57 

Wasserstoff     4,96  4,76. 

Obwohl  sich  nun  also  die  Traubensäure  ans  ihren  Be- 
standtheilen  zusammensetzen  läfst,  so  ist  es  doch  bisher 
weder  Hrn.  Kestner  noch  Hrn.  Pasteur  geglückt,  die 
Weinsäure  in  dieselbe  umzuwandeln.  Letzterer,,  geleitet 
durch  Biot's  Beobachtung,  dafs  das  Drehungs vermögen 
der  Weinsäure -Lösung  sowohl  bei  Temperatur -Erniedri* 
gung  als  bei  Zusatz  von  Schwefelsäure  abnimmt,  setzte 
eine  solche  Lösung,  thcils  für  sich,  theils  vermischt  mit 
Schwefelsäure,  der  Kälte  aus,  allein  im  ersteren  Fall  ge- 
fror sie,  und  im  letzteren,  obwohl  die  Temperatur  —  19^  C. 
betrug,  zeigte  die  Flüssigkeit  noch  Drehungs  vermögen,  hatte 
sie  sich  also  nicht  in  Traubensäure  umgewandelt. 

Uebrigens  ist  zu  bemerken,  dafs  so  wie  das  (Rechts)- 
Drehuugsvermögen  der  Weinsäure  mit  sinkender  Tempe- 
ratur abnimmt,  das  nach  der  Linken  drehende  Vermögen 
der  Linkstraubensäure  sich  Unter  gleichen  Umständen  eben- 
falls verringert. 

Recbts-  und  linkstraubensaure  Salee. 

Alle  Beziehungen,  die  in  der  Gestalt,  dem  Drehnngs- 
vermögen  und  den  chemischen  Eigenschaften  zwischen  der 
Rechts-  und  Liukstraubensäure  statt6nden,  wiederholen  sich 
genau  bei  den  Salzen  beider  Säuren.    Jedem  weinsauren 


143 

Salz  entspricht  ein  linkstraubensaures,  dafs  sich  nur  darch 
die  Lage  seiner  hemiedrischen  Flächen  and  durch  sein  Dre- 
hmigsvermögen  von  ihm  unterscheidet. 

Linkstraubensaures  Ammoniak. 

Sättigt  man  Linkstraubensäure  durch  Ammoniak  und 
fiberläfst  die  Flüssigkeit  dem  freiwilligen  Verdampfen  (ei* 
Her  heifsen  Lösung  mufs  mau  Ammoniak  in  Ueberscbufs 
hinzusetzen,  weil  sie  Ammoniak  verliert  und  beim  Krystal- 
lisiren  in  neutrales  und  saures  Salz  zerfällt),  so  erhält  man 
klare  sehr  schöne  und  wenig  efflorescirende  Krystalle  von 
der  Gestalt  Fig.  10.  Taf.  II.  Verglichen  mit  der  in  Fig.  11 
abgebildeten  Gestalt  des  weinsauren  oder  rechtstrauben- 
sauren  Salzes  ersieht  man,  dafs  sie  von  dieser  nur  durch 
die  Lage  der  hemiedrischen  Flächen  h  abweicht.  Die  Win- 
kel sind  gleich ,  nämlich^  beim 


linkstraubensaurcn  Salz 

weioiauren  Salz  ' ) 

P  '.M=   88"  2* 

=    88»  9' 

P  :5  =127  25 

=  127  40 

P  :  (f  =  124  47 

= 124  55 

A  :Jir  =  125     0 

=  125    0 

d  :d  =110  55 

=  110    0 

A, :  ür  =  126  20 

=  126  20. 

Beide  Salze,  das  links-  und  das  rechtstraubensaure,  sind 
parallel  P  deutlich  und  leicht  spaltbar. 

Chemische  Zusammensetzung,  —  0,5  Grm.  des  krystalli« 
sirten  linkstraubeusauren  Ammoniaks  gaben  0,482  Kohlen 
und  0,297  Wasser,  wornach  es,  entsprechend  der  Formel 
C4H2O5.NH4O,  enthält: 

wogegen  d.  weinsaure  Sali: 

Kohlenstoff    26,3  26,0 

Wasserstoff     6,6  6,5 

Drehungsvermögen.  —  8,9585  Grm.  linkstraubensaures 
Ammoniak  wurden  in  64,728  Grm.  Wasser  gelöst.    Die  Lö- 

1)  Diese  W^inkel  sind  von  Hrn.  De  la  Provoslaye  cnllchnt,  bis  auf 
die  h:M  und  Ai :  üf ,  welche  derselbe  tu  145®  14'  und  143®  50'  an- 
giebt. 


144 

« 

8UDg  hatte  bei  18^,2  C.  das  spec.  Gew.  1,057.  In  einer 
50  Centm.langen  Röhre  bei  17^  C.  beobachtet,  ergab  sich 
für  die  Uebergangsfarbe  die  Ablenkung  24*^50  £.  Dieselbe 
Lösung,  im  SoleiTschen  Compensationsapparat  beobachtet, 
gab  10,2  Part,  entsprechend  24 '',48  L. 

Hiernach .  findet  man   mittelst  der  allgemeinen  Formel 

[a]  =  ^  das  moleculare  Drehuugsvermögen  [^»3  =  38°  195 

für  die  Uebergangsfarbe,  und,  wenn  man  dasselbe  mit  i% 
multiplicirt,  für  das  entsprechende  Vermögen  der  rothen 
Farbe  [a]r  =  29^,29  L,  übereinstimmend  mit  Hrn.  Biot, 
der  das  Drehungsvermögen  des  neutralen  weinsaurea  Am- 
moniaks [a]r=29'',004  fand. 

In  einem  Falle  bildeten  sich  bei  Hm.  P.  unregelmäCsige 
Tetraeder,  die,  aus  der  Flüssigkeit  genommen ,  von  Innen 
aus  opak  wurden,  und,  obwohl  sie  deshalb  nicht  genau 
gemessen  werden  konnten,  eine  andere  Form  als  die  ge- 
wöhnliche des  linkstraubensauren  Ammoniaks  erkennen  lie- 
fsen.  Vermuthlich  war  diefs  ein  dimorpher  Zustand  des- 
selben. 

Li oksCraubeo saurer  Brechweiostein. 

Saures  linkstraubensaures  Kali  wurde  mit  Antimonoxyd 
gesftttigt  und  zum  Krjstallisiren  hingestellt.  Es  biMeten 
sich  klare  sehr  schöne  Krjrstalle  Fig.  13.  Taf.  II.,  ganz  ihn« 
lieh,  bis  auf  die  Lage  der  Flächen  6,  denen  des  gewöhn- 
lichen Kali -Brech Weinstein  Fig.  12. 

Bei  den  ersteren  liegen  die  Flächen  i,  wenn  man  t 
horizontal  legt  und  g  gegen  sich  wendet,  an  der  linken 
Hand.  Zuweilen  sind  die  Krjstallc  homoedrisch,  alle  acht 
octaedrischeu  Flächen  h  gleichmäfsig  ausgebildet.  Dann  kann 
mau  sie  nur  durch  das  Drehungs- Phänomen  ihrer  Lösung 
▼on  denen  der  Weinsäure  unterscheiden. 

Specißsches  Gewicht  —  Dasselbe  ergab  sich  beim  wem- 
saureu  Brechweiustein  zu  2,5569,  beim  linkstraubensauren 
zu  2,4768,  beides  bestimmt  in  Terpenthinöl,  worin  diese 
Salze  unlöslich  sind. 

Che- 


145 

Chemische  Zusammensetzung.  —  Sie  entspricht  genau  der 
von  Dumas  und  Piria  für  den  gewöhnlichen  Brechwein- 
stein gegebenen  Formel  C4  H,  O5 .  Sb^  O3  +  C^  H^  O^  .KO 
+  HO.     Denn  diese  Chemiker  fanden  im 

wahrend  das  Iinkstraubensaore 
weiosaaren  Salz:  Salx: 

Kohlenstoff     14,3     14,0    14,44    14,42        14,45 
W^asserstoff       1,5       1,5      1,49      1,52  1,47 

indem  Hr.  P.  aus  2  Grm.  linkstraubensauren  Brechwein- 
stein 0,265  Wasser  und  1,060  Kohlensäure  erhielt,  was 
zu  den  letzteren  Zahlen  führt: 

Drehvermögen.  — -  Eine  bei  17°,5  gesättigte  Lösung  des 
linkstraubensauren  Brechweinsteins  gab  in  einer  50  Centim. 
langen  Röhre  für  die  Uebergangs färbe  die  Ablenkung  61^  L. 
Eine  bei  17^,2  gesättigte  Lösung  des  gewöhnlichen  Brech- 
weinsteins dagegen  60"  R. 

5  Grm.  linkstraubensaurer  Brechweinstein  in  68,509  Grm. 
Wasser  gelöst,  bei  19°  in  einer  50  Centim.  langen  Röhre 
beobachtet,  gaben  für  die  Uebergangsfarbe  55°  30'  L,  Ge- 
wöhnlicher Brechweinstein,  unter  TÖllig  gleichen  Umstan- 
den, gab  55°  30'  R.  Das  specifische  Gewicht  dieser  beider 
Lösungen  war  1,0447. 

Die  allgemeine  Formel  [a]  =  r^  giebt  für  den 

linkstraubensauren  Brechweinstein  [a]y=156°,2L 
weinsauren  Brechweinstein  [a3y=156°,2  jB. 

Links traubonsaur es  Antimonoxyd- Ammoniak. 

Saures  liukstraubensaures  Ammoniak  in  Wasser  gelöst 
und  mit  Antimonoxyd  gesättigt,  giebt  ein  Doppelsalz,  das 
mit  dem  tetraedrischen  linkstraubensauren  Kali -Brechwein- 
stein vollkommen  isomorph  ist. 

Wenn  man  nach  Krystallisation  des  tetraedrischen  Brech- 
weiusteins  die  Krystalle  aus  der  Mutterlauge  nimmt,  so 
liefert  dieselbe  Krystalle  von  anderer  Form  und  chemischer 
Zusammensetzung.  iDasselbe  findet  bei  der  Lösung  des  wein- 
sauren Antimonoxyd -Ammoniaks  statt. 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX  1(P 


146 

Eiu  Grm.  dieses  neuen  krystallisirteo  Brechweinsleios 
lieferte  0^314  Wasser  und  0,515  Kohlensäure,  entspre- 
chend in  100 

Kohlenstoff     14,05     ' 

Wasserstoff      3,49. 

Die  Formel  C^H,Os(Sb,03+NH^O)  +  4HO  er- 
fordert. 

Kohlenstoff     13,82 
Wasserstoff      3,45. 

Die  Krystallform  dieses  Brechweinsteins,  der  sehr  leicht 
efflorescirt,  ist  in  Fig.  14.  Taf.  IL  abgebildet.  Fig.  15  ist 
die  desselben  weinsanren  Doppebalzes.  Die  Winkel  bei- 
der sind  gleich. 

Linkstraubensaarer  Kalk. 

Versetzt  man  die  Lösung  eines  linkstraubensauren  Salzes 
mit  einem  Kalksalz,  so  lagern  sich,  bei  grofser  Verdönnung 
der  Flüssigkeit,  kleine  glänzende  harte  sehr  nette  Krystalle 
ab,  als  gerade  rhombische  Prismen  mit  abgestumpften  Enden, 
zuweilen  mit  vollständig  ausgebildeten  Octaedern.  In  Form, 
Löslichkeit  und  übrigen  Eigenschaften  unterscheiden  sie  sich 
durchaus  nicht  vom  weiusauren  Kalk,  da  die  Krystalle  im- 
mer hemiedrich  sind.  Dennoch  ist  gewifs,  dafs  der  links- 
traubensaure  Kalk  sehr  vom  recfatstraubensanren  verschie- 
den ist,  denn  mit  diesem  gemischt,  bildet  sich  sogleich  trau- 
bensaurer  Kalk,  der  sich  von  beiden  leicht  und  wohl  unter- 
scheiden läfst. 

Die  sonderbare  Eigenschaft  dieser  Salze,  in  Cblorwas- 
serstoffsäure  gelöst,  ein  umgekehrtes  Drehungsvermögen  wie 
in  wäfsriger  Lösung  zu  zeigen,  wurde  schon  vorhin  S«  141 
angeführt. 

Beide  Salze  sind  auch  dimorph;  denn  zuweilen  schieben 
sie  anfangs  in  zarten,  seidenartigen,  divergirend  verwach- 
senen Nadeln  an,  die  am  anderen  Morgen  in  isolirte  Oc- 
taeder  übergegangen  sind,  und,  nach  einer  Analyse,  dte 
Zusammensetzung   C4H3  0^.Ca04-4HO  besitzen,  aber 


147 

selbst   unter   dem   Mikroskop    ihre  Form   nicht    crkcifaeD 
lieben. 

ZusammenseUung.  —  1  6rm.  linkstraubensaarer  Kalk 
lieferte  0,4215  Wasser  und  0,544  Kohlensaure.  Hiernach 
enthält  dieses  Salz  (A)  und  nach  einer  andern  Analyse 
das  in  NadeUGruppen  krjrstallisirende  Salz  (B)  in  100: 

A.  B. 

Kohlenstoff     14,8  15,7 

Wasserstoff      4,69  4,7. 

Dagegen  fand  Dumas  für  den  weinsauren  Kalk,  ver- 
glichen mit  der  Formel  C4H2O5  .CaO  +  4HO: 

Geronden:  Formel* 

Kohlenstoff     14,6  13,8 

Wasserstoff      4,7  4,6. 

Liokstraabensanres  Natron- Ammoniak. 

Die  Krjrstallform  dieses  Salzes  ist  schon  zu  Anfange  die- 
ser Abhandlung  studirt  worden.  Dmrch  Umkrjstallisation 
gereinigt,  hat  es  ein  Drehnngsvermögen,  welches,  an  Gröfse, 
dem  des  entsprechenden  weinsauren  Salzes  ganz  gleich  ist. 

Eine  Lösung  von  30,135  Grm.  Salz  in  60,270  Grm.  Was- 
ser, die  bei  15^,5  das  spec.  Gew.  1,1499  besafs,  gab,  bei 
16^  5  in  einer  50  Centim.  langen  Röhre  beobachtet,  die 
Ablenkung  iür  die  Uebergangsfarbe  =  49^,8  £• 

Die  allgemeine  Formel  [a]=j^,  worin  a  =  49°,8, 

{=die  Röbrenlänge,   s  der  procentische  Salzgehalt  und 
S  die  wahre  Dichtigkeit  der  Lösung  ist»  giebt 

[a]>=26^0i. 

Specifisehes  Gewicht.  —  Dasselbe  fand  sich  dem  des 
reditstraubensauren  Natron -Ammoniaks  nahe  gleich,  nänt- 
lidi  im  Mittel  gleich  1,576. 

LöslichheU.  —  Gro&eKrystalle  von  beiden  «Salzen,  dem 
Itnks-  und  dem  rechlstraubensaurea  Natron- Ammoniak,  wur- 
den in  zwei  Röhren  in  Eis  gestellt,  und  mit  kaltem  Was- 
ser übergössen  und  dann  nach  anderthalb  Stunden  die  LO- 
suBgen  rascb  i»  zwei  tarirle  Schdea  gehiacbt,  uncl  im  siedeiiw 

10* 


148 

den  Wasserbade  abgedampft  und  eingetrocknet,  bis  die 
Bückstände  nichts  mehr  verloren,  wozu  mehr  als  20  Stun- 
den erforderlich  waren  und  wobei  viel  Ammoniak  entwich. 
Dadurch  fand  sich,  dafs  die  bei  0^  gesättigte  Lösung  des 
rechtstraubensauren  Doppelsalzes  15,17  Proc.  und  die  des 
linkstraubensauren  15,13  Proc.  enthielt,  beide  Rückstände 
getrocknet  bei  100°. 

4,093  des  rechtstraubensauren  Salzes  bei  100°  getrock- 
net, verloren  1,070,  und  4,032  des  linkstraubensauren  1,138, 
was  28,61  und  28,22  Proc.  ausmacht.  An  krystallisirtem 
Salz  enthielt  also  die  bei  0°  gesättigte  Lösung  des  rechts- 
traubensauren 21,25  Proc.  und  die  des  linkstraubensau- 
ren 21,09. 

Linkstraub ensaur es  Natron-Kali. 

Sättigt  man  von  gleichen  Theilen  Traubensäure  den  ei- 
nen mit  Natron,  und  den  andern  mit  Kali,  und  läfst  die 
Flüssigkeit  krjstallisiren,  so  setzen  sich  zu  gleichen  Ge- 
wichtstheilen  beide  Salzarten  ab,  das  links-  und  das  redits- 
traubensaure  Doppelsalz  dieser  beiden  Basen.  Um  sich  da- 
von zu  überzeugen,  braucht  man  nur  einen  einzelnen  Krj- 
stall  aufzulösen  und  durch  ein  Kalksalz  zu  fällen.  Es  bil- 
det sich  kein  traubensaurer  Kalk,  sondern  linkstraubensau- 
rcr  oder  rcchtstraubcnsaurer. 

Die  Krystalle  sind  isomorph  mit  dem  vorhin  studirteo 
Natron -Ammoniak -Doppelsalz  (Fig.  6.  und  7  Taf.  II.) 

Mit  isolirter  Linkstraubensäure  wurde  das  Natron -Kali- 
Doppelsalz  bereitet  und  es  entstanden  linkshemiedrische 
Krystalle,  die  identisch  waren  mit  denen,  welche  sich  abla- 
gern, wenn  man,  wie  eben  angegeben,  traubensaures  Na- 
tron-Kali zu  bilden  versucht.  Das  linkstraubensaure  Dop- 
pelsalz ist  in  Gestalt,  Eigenschaft  und,  was  Gröfse  betrifft, 
im  Drehungsvermögen  ganz  dem  S eignet tesalz  gleich,  nur 
ist  es  linkshemiedrisch,  und  linksdrehend. 

Die  Krjstalle  des  links-  und  des  rechtstraubensauren 
Natron-Kalis,  die  man  beim  Versuche  zur  Bildung  des 
traubensauren  Doppelsalzes  dieser  Basen  erhält,  weichen 


149 

von  denen,  die  man  mit  isolirter  Linksfraubeusäure  und 
Weinsäure  bekommt,  darin  ab,  dafs  sie  immer  mit  den 
hemiedrischeu  Flächen  versehen  sind,  während  diese  bei 
leztereu,  z.  B.  beim  gewöhnlichen  Seignettesalz,  oft  fehlen. 
Beim  Versuche,  das  traubensaure  Natron -Kali  zu  bil- 
den, sind  die  erhaltenen  Krjstalle  oft  scheinbar  homoedrisch, 
weil  die  hemiedrischeu  Flächen  sich  sowohl  an  der  linken 
als  an  der  rechten  Seite  entwickeln.  Zuweilen  ist  auch 
die  Homoedrie  eine  wahrhafte,  denn  einzelne  homoedrische 
Krystalle  geben  mit  Kalk  traubensauren  Kalk;  allein  im 
Allgemeinen  ist  die  Homoedrie  nur  eine  scheinbare,  wie 
man  diefs  mittelst  Kalksalz  oder  durch  eine  sorgfältige  Un- 
tersuchung der  Krjstallform  erkennt. 

Traubensaure  Salse. 

Ans  ^Uem  diesem  folgt,  dafs  die  traubensauren  Salze 
d.  b.  die  Salze,  die  man  als  eine  Verbindung  von  links- 
und  rechtstraubensauren  betrachten  kann,  niemals  hcmie- 
drisch  vorkommen  und  die  Polarisationsebene  des  Lichts 
ablenken  können.  Und  so  ist  es  auch  wirklich,  nament- 
lich beim  traubensauren  Kali,  traubensauren  Natron  und 
traubensauren  Antimonoxyd -Kali,  die  in  dieser  Beziehung 
genauer  untersucht  wurden.  Die  Krystalle  dieser  drei  Salze 
sind  vollkommen  homoedrisch,  und  dafs  ihre  Homoedrie 
keine  versteckte  ist,  geht  daraus  hervor,  dafs  der  kleinste 
Krystall  von  ihnen,  aufgelöst  und  mit  einem  Kalksalz  ge- 
fällt, traubensauren  Kalk  erzeugt. 


150 


VIII.     Dritte  Notiz  über  neue  sonderbare  jintven- 

ihingen  des  Fera^eHens  der  Eindrücke  auf  tue 

Netzhaut;  con  J.  Plateau. 

(MhfCtlMält  Tom  Hrn.  Terf.  aas  T.  Xn  3«  Buäet,  de  tacad,  de  Br»- 
jtelUs.  —  Die  «weile  Notk  findci  wli  io  4.  An.  Bd.  79,  S.  M9.) 


in  mittelst  des  TamiaMkopt  oder  Vha/audMiUwpt  deo  gc- 


i 

gezeichneten  Figoren  das  Ansehen  Ton  Leben  nnd  Beire- 
£uiu  zu  sehen,  mnfs  man  bekanntlich  die  rotirende  Sdidbe 
dicht  vor  dem  einen  Auge  hallen,  das  andere  schlieCseo, 
und,  durch  die  Zone  der  Oefliiungen  hin,  das  Bild  der 
Scheibe  in  einem  Spiegel  betrachten.  PieCs  Verfahren  ist 
aber  unbequem  und  öberdieCs  zeigt  es  die  ganze  Reihe  der 
auf  der  Oberfläche  der  Schöbe  STmmetrisch  geordneten 
Figuren  auf  einmal  nnd  folglich  unter  Terscfaiedftien  Nei- 
gungen. Ich  will  daher  eine  Abänderung  des  Apparats  be- 
schreiben, mittelst  deren  die  Er&cfaeinnng  direcft,  mit  beir 
den  Augen,  nnd  folglich  Ton  mehr  als  einer  Person  m- 
gleich  beobachtet  werden  kann.  Diese  Abänderoog,  die 
nulserdem  nur  die,  eine  angemessene  Stellung  finnriimeadcn 
Figuren  sehen  lalst  und  auch  die  TSosdiong  sdir  crhOht, 
beruht  auf  einer  Combination  der  VeriahningsweiBcn  des 
Auorthoskops  and  des  Phaenakistikops. 

Gehen  wir  zum  ersten  dieser  Instromente  zorfick  (Man 
sehe  die  zweite  Notiz ^  und  denken  ans  die  Geschwindig- 
keiten beider  Scheiben  als  einander  entgegengesetzt  Be- 
zeichnet man  dann,  wie  wir  in  jener  Xote  gezeigt  haben, 
mit  Vi  die  Geschwindigkeit  der  Scheibe,  welche  die  Zerr- 
bÜder  enthält ,  und  mit  F.  die  der  schwarzen  Scheibe^  so 
if :  das  Verhältnifs  zwischen  den  Winkeldimensionen  in  der 

verzerrten  und    der   regelmilsigen  Figor,    glcidi   •=-  +  L 


Nun  haben  wir  gezeigt,  da(s,  wenn  das  Verhältnis  -^- 


r. 

ganze  Zahl  ist,   das   bei  einem  Umlaufe  einer  der  Spalten 
erzengte  Bild  nicht  das  Bild  deckt,   welches  bei  des  vor- 


151 

V 

hergehenden  Umlaufe  dieser  nSmlichen  Spalte  entstanden 
war.  Allein  diese  Nichtdeckung,  welche  man  beim  Anor- 
thoskop  nothweudig  vermeiden  mufs,  macht  dagegen  eins  der 
Principe  der  Täuschung  aus,  um  die  es  hier  sich  handelt. 

Nehmen  wir  Fii  =  I  und  F»  =  4  oder,  anders  gesagt, 
denken  wir  uns,  die  schwarze  Scheibe  drehe  sich  vier  Mal 
schneller  als  die  durchscheinende^  Das  Verhältnifs  der 
Winkeldimensionen  wird  dann  gleich  ^  +  1  oder  -f  seyn, 
folglich  die  gesammte  Winkelbreite  der  entstellten  Figur 
sich  zu  der  der  regelmäfsigen  verhalten  wie  5  zu  4.  Zeich- 
nen wir  die  regelmäfsige  Figur  in  einem  Winke],  der  V? 
des  Umfangs  bespannt,  was,  nach  dem  obigen  Verhältnifs 
zwischen  den  Winkeldimensionen,  -/^  als  Maafs  des  von 
der  verzerrten  Figur  eingenommenen  Winkels  giebt.  Diefs 
gesetzt,  ziehen  wir  nun  auf  Papier  einen  Kreis  von  glei- 
chem Durchmesser  wie  die  durchscheinende  Scheibe  und 
theileif  denselben  in  20  gleiche  Winkel;  zeichnen  wir  als- 
dann eine  regelmülsige  Figur  in  einem  dieser  Winkel,  eine 
zweite  in  dem  folgenden,  und  sofort  bis  zur  sechszehnten, 
und  richten  diese  16  Figuren  nach  dem  Princip  des  Phae- 
nakistikops  ein,  d«  h.  solchergestalt,  dafs  man,  von  der 
ersten  zur  letzten,  stufenweise  zu  allen  Abänderungen  in 
Gestalt  und  Stellung  tibergeht,  welche  die  Bewegung  zusam- 
mensetzen, deren  Anschein  man  hervorbringen  will.  Thei- 
len  wir  hierauf  die  durchscheinende  Scheibe  in  16  gleiche 
Winkel,  versetzen  in  jeden  derselben  eine  der  obigen  Fi- 
guren, verzerren  sie  winkelförmig  in  dem  Verhältnifs  4  zu  5 
und  bringen  diese  verzerrten  Figuren  in  dieselbe  Ordnung 
wie  die  regelmäfsigen,  denen  sie  entsprechen.  Endlich  schnei- 
den wir  in  der  schwarzen  Scheibe  vier  Spalten  aus. 

Die  beiden  also  construirten  Scheiben  befestige  man 
auf  ihren  Axen  und  stelle  sie  dergestalt,  dafs  der  Radius, 
welche  einen  der  mit  den  Zerrbildern  versehenen  Winkel 
halbiren  würde,  von  der  Mitte  der  Scheibe  aus  nach  oben 
gekehrt  sey  und  eine  der  Spalten  sich  vor  demselben  be- 
finde. Hierauf  beleuchte  man  die  durchscheinende  Scheibe 
von  der  Rückseite  stark,  stelle  sie,  wie  beim  Anorthos- 


152 

kop,  hinter  der  schwarzen  Scheibe  auf  und  setze  den  Appa- 
rat in  Bewegung.  Sobald  die  Spalte,  von  der  ihr  gegebenen 
Lage  aus,  ^  Umlauf  zurückgelegt  hat,  wird  die  durchsdiei- 
nende  Scheibe  xV Umlauf  in  entgegengesetzter  Richtung  voll- 
endet haben,  und  folglich  der  Radius,  welcher  den  Win- 
kel, der  dicht  am  eben  betrachteten  liegt,  halbiren  würde, 
in  der  verticalen  Stellung^  angelangt  seyn.  Allein  alsdann 
wird  auch  die  folgende  Spalte  in  dieser  verticalen  Stellung 
befindlich  seyn  und  man*  sieht,  dafs  dasselbe  statthaben 
wird  bei  allen  Radien,  die  respective  die  Mitten  der  16 
mit  Zerrbildern  versehenen  Winkel  einnehmen:  im  Mo- 
ment, wo  einer  dieser  Radien  durch  die  vom  Centrum  der 
Scheibe  nach  oben  gezogene  Yerticale  geht,  trifft  er  mit 
einer  der  Spalten  zusammen.  Jeder  der  16  Winkel  mit 
seinem  Zerrbilde  wird  also  seinerseits  durch  eine  der  Spal- 
ten dergestalt  vertrieben  seyn,  dafs  die  Mitte  seines  Bil- 
des, vom  Centrum  aus,  nach  oben  gerichtet  ist,  und  folg** 
lieh  werden  sich  alle  diese  Bilder  successive  an  dem  näm- 
lichen Orte  zeigen.  Aber  diese  Bilder  werden  im  Yerhfilt- 
nifs  5:4  zusammengezogen  seyn,  so  dafs  jede  verzerrte 
Figur  ein  regelmäfsiges  Bild  in  aufrechter  Stellung  geben 
wird.  Die  rasche  Folge  aller  dieser  Bilder  an  einem  und 
demselben  Ort  erzeugt  also,  wie  beim  gewöhnlichen  Phae- 
nakistikop,  den  unausgesetzten  Anschein  einer  Figur,  welche 
die  beabsichtigte  Bewegung  ausführt. 

Aufser  diesem  aufrechten  Bilde,  das  aus  dem  Zusam- 
menlreffen  der  Zerrbilder  und  Spalten  im  oberen  Theile 
ihrer  Umläufe  hervorgeht,  entsteht  offenbar,  wie  beim 
gewöhnlichen  Phaenakistikop,  auch  eine  Reihe  anderer  re- 
gelmäfsiger  Bilder,  die  in  Bezug  auf  das  Centrum  der  Scheibe 
symmetrisch  geordnet  sind.  Allein  beim  vorliegenden  Instru-; 
meut  läfst  es  sich  leicht  so  einrichten,  dafs  das  aufrechte 
Bild,  d.  h.  dasjenige,  auf  welches  die  Aufmerksamkeit  gerich- 
tet seyn  soll,  sich  alleinig  zeige;  denn  dazu  braucht  man 
nur  mittelst  eines  Schirms  das  Licht  der  Lampe  bis  auf 
den  vom  aufrechten  Bilde  eingenommenen  Raum  aufzufan- 
gen.   Man  stellt  diesen  Schii^m  hinter  der  durchscheinenden 


153 

Sdieibe  au(^  ihr  möglichst  nahe,  und  parallel  ihrer  Ebene; 
endlich  bringt  man  die  Lampe  so  an,  dafs  die  Flamme  sich 
der  zum  Durchlafs  des  Lichts  bestimmten  Oeffuung  gegen- 
über befinde,  und  von  derselben  6  bis  7  Centi&eter  ent- 
fernt sey.  Die  Oeffnung  mufs  die  Form  eines  Trapezes 
haben,  seitwärts  durch  zwei  Radien  der  Scheibe  und  oben 
wie  unten  durch  eine  horizontale  Gerade  begrSnzt  sejn. 
Leicht  findet  man,  welche  Winkelbreite  und  Höhe  man 
diesem  Ausschnitt  zu  geben  habe.  Der  Schirm  kann  von 
geschwärzter  Pappe  seyn. 

Die  Anwendung  des  Schirmes  setzt  aber  voraus,  dafs 
das  aufrechte  Bild  immer  genau  an  derselben  Stelle  bleibe, 
was  erfordert,  dafs  das  Verhältnifs  der  beiden  Geschwin- 
digkeiten strenge  richtig  und  durchaus  unveränderlich  scj. 
Nun  ist  es  aber  fast  unmöglich,  diese  Bedingung  durch  ein 
System  von  Bollen  und  Schnüren  zu  erfüllen ' ).  Man 
mufs  also  ein  System  von  gezahnten  Bädern  anwenden; 
ich  habe  das  folgende  angewandt. 

•  Die  horizontal  und  in  gegenseitiger  Verlängerung  lie- 
genden Axen,  auf  welchen  die  durchscheinende  und  die 
schwarze  Scheibe  mittelst  Mütter  befestigt  sind,  lassen  zwi- 
schen ihren,  einander  zugewandten  Enden,  einen  gewissen 
Abstand.  Jedes  dieser  beiden  Enden  trägt  ein  Bad  mit 
Zähnen  senkrecht  auf  seiner  Ebene  und  dem  Zwischenräume 
beider  Bäder  zugewandt;  diese  beiden  Räder  sind  vertical, 
parallel  und  um  eine  selbe  Gerade  drehbar.  Dasjenige, 
dessen  Axe  die  durchscheinende  Scheibe  aufnimmt,  hat  ei- 
nen Durchmesser  von  6  Centimcteru;  dagegen  ist  bei  dem 
andern,  welches  die  schwarze  Scheibe  aufnimmt,  der  Durch- 
messer sowie  die  Anzahl  der  Zähne  viermal  geringer.  In 
dem  Baume  zwischen  den  beiden  Bädern  steht  ein  um  sich 
selbst  drehbarer  Stablstift,  versehen  mit  einem  Getriebe, 
das  mit  seinem  oberen  Theil  in  den  oberen  Theil  des  gro- 
fseu  Bades  und  mit  seinen  unteren  Theil  in  den  oberen 
Theil  des  kleinen  Bades  eingreift.  Versetzt  man  nun  den 
Stahlstift  in  Drehung,  so   drehen   sich  begreiflich  die  bei- 

1)  Man  sehe  die  kvrtlle  Notis. 


154 

deu  RSder  und  folglich  auch  die  beiden  Scheiben  in  ent- 
gegengesetzter Richtung,  nur  ist  die  Geschwindigkeit  der 
schwarzen  Scheibe  die  vierfache  von  der  der  darcbscfaeinen- 
den.  Die  beiden  Scheiben  sind  18  Millimeter  von  einander 
entfernt.  Der  Stahlstift  geht  bis  zum  Fufs  des  Instruments 
hinab  und  ist  am  unteren  Ende  mit  einem  zweiten  Getriebe 
versehen,  welches  in  ein  anderes  verticales  Rad  gr^ft,  und 
dieses  hat  eine  kleine  Handhabe,  mittelst  welcher  man  das 
ganze  System  in  Bewegung  setzt. 

Der  Glascylinder  der  Lampe  mnfs  umgd)en  sejm  von 
einem  im  Durchmesser  doppelt  so  grofsen  Blechcylinder 
mit  einem  Loch  von  7  bis  8  Centim.  Höhe  und  2,5  Centim. 
Breite,  in  der  Höhe  der  Flamme,  auf  Seite  des  Apparats. 
Dieser  Blechschornstein  mufs  oben  eine  Rauchkappe  (fum^ 
rore)  haben,  damit  die  Decke  des  Zimmers  nicht  beleuch- 
tet werde;  auch  darf  in  diesem  Zimmer  keine  andere  Lampe 
oder  Kerze  angezündet  seyn. 

Bei  meinem  Instrumente  halten  die  dursdieinendeo  Sehei- 
ben 27  Centim.  im  Durdimesser.  Die  Figuren  nehmen  eine 
Zone  ein,  die  mwischen  zwei  Kreisen  von  respective  5^  und 
12  Centim.  Durchmesser  eingeschlossen  ist,  so  dafs  die  Zone 
eine  Breite  von  5,5  Centim.  besitzt  Da  das  Papier,  ud 
die  gehörige  Durchsichtigkeit  zu  haben,  dfinn  seyn  muCs 
und  andererseits  die  Scheiben  einen  ziemlich  grofsen  Durch« 
messer  besitzen,  so  habe  ich,  am  ihnen  mehr  Steifigkeit  la 
geben,  den  Raum  zwischen  der  inneren  GrSnze  der  Zone 
und  dem  Centrum  mit  einer  Scheibe  Bristol -Papier  be* 
klebt  und  auch  jenseits  der  Sufseren  GrSnze  der  Zone  ei- 
nen ringförmigen  Streifen  desselben  Papiers  angebracht. 
Die  Figuren  sind  in  Aquarell  ansgeflDhrt,  allein  in  den  dunk- 
len Partien  wurde  die  Farbe  auf  beide  Seitm  des  Papiers 
aufgetragen,  um  die  Kraft  derselben  zu  verstärken;  ans  dem- 
selben Grunde  wurden  die  Stellen,  die  mehr  Glanz  haben 
sollten,  mit  Fimifs  Oberzogen.  Um  das  Detail  Qber  mei- 
nen Apparat  zu  vervollständigen,  Rige  ich  noch  hinzn;  1) 
dafs  die  Schlitze  in  der  schwarzen  Schabe  an  dem  vom 
Centrum  entferntesten  Ende  2  l^Iillin.  breit  sind  und  vou 


I 


155 

da  gegen  das  CeDtmm  schmBler  werden,  2)  dafs  die  Oeff. 
nung  in  dem  Schirm  65  Millim.  hoch  ist,  oben  eine  Breite 
▼on  33  Millim.  und  nuten  eine  von  15  Millim.  besitzt,  und 
3)  endlich,  daCs  dieser  Schirm  etwa  7  Millim.  entfernt  von 
der  durchscheinenden  Scheibe  aufgestellt  wird. 

Wenn  alles  beschriebener  Maafsen  vorgerichtet,  und 
der  Apparat  in  Bewegung  gesetzt  ist,  sieht  man,  wie  zu 
Anfange  dieser  Note  gesagt,  den  Effect  direct  und  mit 
beiden  Augen,  und  obwohl  es  am  zweckmäfsigsten  für  den 
Beobachter  ist,  sich  gerade  vor  dem  Bilde  aufzustellen,  so 
begreift  man,  dafs  die  Erscheinung  sich  auch  noch  hinläng- 
lich unter  einer  kleinen  Schiefe  zeigt,  so  dafs  zwei  oder 
drei  Personen  gleichzeitig  beobachten  können.  Ueberdiefs 
sieht  man  bloCs  ein  einziges  Bild,  nämlich  dasjenige,  wel- 
ches die  aufrechte  Stellung  einnimmt.  Und  da  nur  dieses 
Bild  allein  im  ganzen  Zimmer  erleuchtet  ist,  so  hat  es  eine 
bedeutende  Helligkeit  und  man  kann  somit  Licht-Effecte 
hervorbringen,  die  man  mit  dem  gewöhnlichen  Phaenakisti- 
kop  uomöglich  erlangen  kann. 

Als  Beispiel  will  ich  erwShneni  was  einer  meiner  Ap- 
parate leistet.  Das  Bild  stellt  einen  Teufelskopf  vor,  wel- 
cher sich  vorüber  neigt,  um  ein  Kohlenfeuer  anzublasen, 
dann  sich  zurfickbiegt,  um  Athem  zu  holen,  hierauf  sich 
abermals  zum  Anblasen  neigt,  und  so  fort.  Man  sieht  die- 
sen Kopf  von  vorne;  er  ist  ungefähr  4  Centim.  hoch,  und 
befindet  sich,  wie  das  Feuer,  auf  einem  dunklen  Hintergrund. 
Wenn  er  bläfst,  schwellen  seine  Baken  an,  seine  Lippen 
treten  hervor,  und,  die  Stirne  runzelnd,  richten  sich  die 
Augen  aaf  das  Feuer;  zugleich  facht  dieses  sich  an,  sprüht 
und  verbreitet  ein  lebhaftes  Licht,  welches  den  Kopf  von 
unten  her  stark  beleuchtet  und  dagegen  die  hinteren  Theile 
desselben,  welche  im  Schatten  bleiben,  sehr  verdunkelt. 
Wenn  dann  der  Kopf  sich  aufrichtet  und  Athem  schöpft» 
sinken  seine  Baken  zusammen,  er  öffnet  den  Mund,  ent- 
runzelt die  Stirn  und  richtet  die  Augen  auf  den  Zuschauer; 
allein  nun  läfst  auch  das  Feuer  nach,  und  verliert  an  Glanz, 


156 

wobei  der  Kopf,  welcher  fiberdie&  weniger  nahe  ist,  im 
Halbdankel  erscheint. 

Einer  unserer  grofsen  Künstler,  Hr.  Madoa,  war  auf 
meine  Bitte  so  gut,  das  Modell  des  Kopfes  für  den  Moment 
zn  zeichnen,  wo  er  mit  der  gröCsten  Heftigkeit  bläCsL  Ich 
übertrug  hierauf  diese  Zeichnung  in  eine  der  Abtheilon- 
gen  der  durchscheinenden  Scheibe,  TergröCserte  die  Win- 
keldimensionen  in  allen  ihren  Theilen,  im  YerhäUnib 
4 :  5  darauf  veränderte  ich  sie  gdidrig  in  den  übrigen  Ab- 
theilnngen,  und  verwandte  die  gröCate  Sorgfalt  auf  die  Ans- 
führoDg  dieser  Figuren.  Das  gewöhnliche  Phaenakistikop 
giebt  nur  eine  sehr  unvollkommene  Idee  von  den  Effecten, 
welche  man  durch  Anwendung  des  ihm  zu  Grunde  liegen- 
den Princips  hervorbringen  kann,  welche  aber  vollkommen 
erreichbar  sind  mittelst  des  neuen  Apparats,  der  Gegenstand 
dieser  Note  ist.  Auch  hat  mein  kleiner  KohlenbUs«'  bei 
Allen,  die  ihn  in  Thätigkeit  sahen,  eine  wahrhafte  Bewun- 
derung erregt 

Allein  man  kann  noch  weiter  gdien,  wenn  man  eine 
Idee  benutzt,  die  mir  Hr.  Wheatstone  mitgetheilt  hat, 
und  darin  besteht,  das  Princip  des  Stereoskops  mit  dem 
des  Phaenakistikops  zu  vereinigen.  Mittelst  des  von  jenem 
Physiker  erfundenen  Stereoskops  scheinen  Gegenstände,  die 
auf  ebenen  Flächen  mit  blofsen  Strichen  perspeclivisch  ge- 
zeichnet sind,  bekanntlich  drei  Dimensionen  zu  haben,  in 
solcher  Täuschung,  daCs  man  sich  unmöglich  derselben  er- 
wehren kann.  Gesetzt  nun,  es  gelänge  durch  Combination 
beider  Instrumente,  diesen  Effect  dem  des  Phaenakistikops 
hinzuzufügen ;  alsdann  werden  Figuren,  die  einfach  auf  Pa- 
pier gezeichnet  sind,  unwiderstehlich  erhoben  (en  ronie 
boise)  und  sich  bewegend  erscheinen,  und  somit  das  voll- 
ständige Ansehen  von  Leben  erhalten.  Diefs  heifst  die 
Täuschung  der  Kunst  auf  die  höchste  Stufe  tragen. 

Nun   ist  die  in   dieser  Note  beschriebene  Abänderung 
des  Phaenakistikops  ungemein  geeignet,  die  besagte  Com-- 
bination  zu  verwirklichen.    Bekanntlich  erfordert  die  Dar- 
stellung eines  Gegenstandes  im  Stereoskop  zwei  Zeichnun- 


157 

gen,  die  eine  gewisse  Relation  zu  einander  haben  und  seit* 
wärts  im  Apparate  aufgestellt  werden.  Es  genügt  also  zwei 
durchscheinende  Scheiben  zu  construiren,  deren  Figuren 
die  vom  Stereoskop  verlangte  Relation  zu  einander  haben, 
dann  diese  Scheiben  auf  zwei  ähnlichen  Apparaten  wie 
dem  beschriebenen  zu  befestigen,  sie  an  beiden  Seiten  des 
'Wbeatstone'schen  Apparats  gehörig  anzubringen,  und  end- 
lich dafür  zu  sorgen,  dafs  beide  Systeme  genau  einerlei  Be* 
wegung  erhalten.  Diese  letztere  Bedingung  ist  leicht  zu  er- 
füllen, wenn  man  die  beiden  gezahnten  Räder,  welche  zum 
Drehen  der  unteren  Trillinge  der  beiden  Stahlstifte  bestimmt 
sind,  auf  einer  gemeinschaftlichen  mit  einer  Handhabe  ver- 
sehenen Axe  befestigt. 

Nur  giebt  es  eine,  aber  bedeutende  Schwierigkeit,  die 
nämlich,  die  Figuren  so  zu  zeichnen,  dafs  sie  genau  die 
vom  Stereoskop  verlaugte  Relation  besitzen.  Indefs  könnte 
man  sie  überwinden,  wenn  man  ein,  auch  von  Hrn.  Wheat- 
stone  erfundenes  Erfahren  anwendete.  Um  ein  Paar  von 
Zeichnungen  zu  erhalten,  welches  im  Stereoskop  die  Vor- 
stellung nicht  von  einer  blofsen  Perspective  in  Strichen, 
sondern  von  einem  Gegenstande  mit  gewölbten  Formen, 
wie  eine  Bildsäule,  zu  geben  vermag  und  zwar  mit  Schat- 
ten und  Lichtem,  hat  Hr.  Wheatstone  den  Gedanken 
gehabt,  mittelst  der  Photographie  auf  Papier  zwei  Bilder 
des  Objects  hervorzubringen,  während  dabei  successiv  das 
Daguerreotjp  in  zwei  so  verschiedene  Stellungen  gebracht 
ist,  dafs  die  beiden  Bilder  die  erforderliche  Relation  zu  ein- 
ander besitzen.  Man  könnte  z.  B.  die  16  Abänderungen 
der  regelmäfsigen  Figur,  deren  Bild  man  in  dem  uns  be- 
schäftigenden combinirten  Apparat  erzeugen  will,  in  Gjps 
modelliren,  dann  mit  dem  Daguerreotjp  von  jedem  dieser 
16  Modelle  ein  Paar  Zeichnungen  aufnehmen,  und  endlich 
diese  Zeichnungen  unter  erforderlicher  Verzerrung  auf  zwei 
Scheiben  übertragen.  Ohne  Zweifel  wäre  diefs  eine  etwas 
lange,  und  die  höchste  Sorgfalt  erfordernde  Arbeit;  aber  man 
würde  durch  die  Bewunderungswürdigkeit  der  Resultate 
reichlich  entschädigt  seyn. 


158 

IX.    Untersuchung  über  die  Fortpflanzungsgeschivm- 
digkeü  der  ElehtricHät;  t^on  HH.  H.  Fizeau  und 

E.  Gounelle. 


(Compt.  rend.  T,  XXX,  p,  437.) 


Bi 


^is  in  die  neaesten  Zeiten  sind  alle  Versuche  zur  Erken- 
nung der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  die  Elektricität  sich 
fortpflanzt,  yergeblich  gewesen.  Im  Jahre  1834  beschrieb 
Hr.  Wheatstone  eine  Methode,  durch  welche  er,  mittekt 
eines  sehr  rasch  rotirenden  Spiegels,  diese  Geschwindigkeit 
veranschaulichen  und  schätzen  konnte  ^).  Nach  Hrn.  W  h  e  a  t* 
stone  pflanzt  sich  die  Elektricität  in  einem  Knpferdraht 
mit  der  Geschwindigkeit  von  460  000  Kilometer  in  der  Se- 
kunde fort,  eine  Geschwindigkeit  anderthalb  Mal  so  groÜB 
als  die  des  Lichts.  Im  Jahre  1849  machte  Hr.  Walker 
in  Amerika  neue  Versuche  über  diesen  Gegenstand.^  Die 
Versuche  wurden  unternommen,  um  die  elektrischen  Tele- 
graphen zur  Bestimmung  geographischer  Längen-Unterschiede 
zu  benutzen;  sie  ergaben  eine  weit  geringere  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit als  Hr.  Wheatstone  gefunden  hatte,  nim- 
lich  nur  18700  engl.  Meil.  oder  30  000  Kilometer,  also  eine 
15  Mal  kleinere  Zahl  als  die  vorhergenannte.  Wiewohl 
Hr.  Walker's  Methode  mehrfachen  Einwürfen  ausgesetzt 
ist,  so  läfst  sich  doch  nicht  unschwer  erkennen,  daCs  seine 
Versuche  eine  ganz  andere  Geschwindigkeit  ergaben  als  die 
von  Hrn.  Wheatstone. 

Die  Untersuchungen,  die  den  Gegenstand  dieser  Abhand- 
lung bilden,  beruhen  auf  einer  anderen  Methode  als  die  bei- 
den vorhergehenden.  Ihr  Princip  besteht  darin,  dafs  man  ei- 
nen Strom  gleichzeitig  und  in  sehr  kleinen  Zwischenzeiten  an 
zwei  sehr  entfernten  Punkten  des  Leiters  unterbricht  und 
die  in  einem  Galvanometer  erzeugten  Ablenkungen  be(4>- 
achtet;  letztere  verändern  sich  mit  der  Zahl  der  Unterbre- 
chungen,  werden  für  eine  gewisse  Zahl  ein  Maximum  und 
für  eine  andere  ein  Minimum. 

1)  Aon.  Bd.  34,  S.  464. 


159 

Diese  Vereacbe  wurden  an  deo  OrShten  der  elektrischen 
Telegraphen  von  Paris  nach  Ronen ,  und  Ton  Paris  nach 
Amiens  angestellt*  Die  beiden  DrShte  jeder  dieser  Linien 
konnten  zu  Ronen  und  zu  Amiens  vereinigt  werden,  und 
bildeten  sodann  Leiter  von  aufserordentlicher  Länge,  deren 
Enden  in  einem  und  demselben  Saale  des  Ministeriums  des 
Innern  ausliefen.  Für  die  Linie  nach  Amiens  betrug  die 
Länge  314  Kilometer,  för  die  nach  Rouen  288.  Die  er- 
stere  war  aus  Eisendrähten  coustruirt,  die  zweite  zu  eiiiem 
Drittel  etwa  aus  Eisendraht  nnd  zu  zwei  Dritteln  aus  Kup« 
ferdraht.  Diefs  war  für  unsere  Untersuchungen  ein  sehr 
glücklicher  Umstand,  indem  er  uns  zu  erkennen  erlaubte, 
dafs  die  Geschwindigkeit  nicht  gleich  ist  in  verschiedenen 
Leitern. 

Die  Unterbrechungen  wurden  auf  folgende  Weise  her^ 
vorgebracht.  Ein  hölzernes  Rad  von  50  Millimetern  hatte 
auf  seinem  Umfang  36  gleiche  Abtheilungen,  abwechselnd 
18  von  Platin  und  18  von  Holz;  es  safs  auf  der  Axe  ei- 
ner Froment'schen  Rotatiousmaschine,  deren  Geschwindig« 
keil  ein  Zähler  zu  messien  erlaubte.  Platinplatten,  die  paar- 
weise und  isolirt  von  einander  angebracht  waren,  legten 
sich  gegen  die  Abtheilungen,  so  dafs  jedes  Paar  einen  Unter- 
brecher für  sich  bildete.  Die  einen  und  die  anderen  konn« 
teft  so  geregelt  werden,  dafs  die  Unterbrechungen  zusam^p 
menstimmten  oder  abwechselten.  Der  Versuch  wurde  auf 
mehrere  Weisen  eingerichtet.  Die  beste  bestand  darin  ein 
Differential-  oder  Bifilar- Galvanometer  und  drei  Unterbre^ 
eher  Ä,  B,  C,  anzuwenden.  Diese  letzteren  sind  so  ein- 
gerichtet, dafs  A  mit  B  abwechselt  und  mit  C  überein- 
stimmt. 

Eis  sey  nun  eine  Batterie  verbunden  an  dem  einen  Pole 
mit  der  Erde^  und  an  dem  anderen  mit  A  und  darauf  mit 
dem  Telegraphendraht  Da  die  Drähte  an  dem  anderen 
Ende  der  Leitung  mit  einander  verknüpft  sind,  so  kommt 
der  Strom  in  dem  anderen  Draht  zurück ;  letzterer  steht  m 
VeH^ittdung  mit  B  und  C,  jedes  von  diesen  mit  einem  der 
Galvanometerdrähte  und  endlich  jeder  dieser  Drähte  mit 


160 

der  Erde.  Der  Strom  kann  sich  also  auf  zwei  verschiedenen 
Wegen,  die  abwechselnd  offen  and  verschlossen  sind,  znr 
Erde  begeben  und,  je  nachdem  der  Durchgang  durch  den 
einen  oder  andern  geschieht,  wird  die  Magnetnadel  in  ent- 
gegengesetztem Sinne  abgelenkt.  Während  der  Rotation 
des  Rades  gehen  nur  discontinuirliche  Ströme  durch  das  Gal- 
vanometer; allein  aus  den  Versuchen  des  Hrn.  Pouillet 
ist  bekannt,  dafs  wenn  die  Unterbrechungen  rasch  auf  ein- 
ander folgen,  die  Nadel  in  derselben  Weise  wie  durch 
einen  stetigen  Strom  abgelenkt  wird.  Bei  dieser  Einrich- 
tung wird  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  angezeigt  durch 
periodische,  den  mehr  oder  weniger  grofsen  Rotalionsge- 
schwindigkeiten  entsprechende,  Veränderungen  in  den  Ab- 
lenkungen. Allein  die  Perioden  sind  nicht  ganz  ähnlich, 
die  zweite  ist  weniger  markirt  als  die  erste,  die  dritte  ist 
kaum  bemerkbar.  Für  die  Linie  nach  Amiens  erfolgte  die 
erste  Periode  bei  einer  Geschwindigkeit  von  9  Umläufen 
in  der  Sekunde,  für  die  Linie  nach  Ronen  bei  einer  von 
13,58  Umläufen. 

Die  nach  dieser  Methode  gemachten  Versuche  führten 
zu  folgenden  Schlüssen. 

1.  In  einem  Eisendraht  von  4  Millimeter  Durchmesser 
pflanzt  sich  die  Elektricität  mit  einer  Geschwindigkeit  von 
101  710  oder  rund  100  000  Kilometer  pro  Sekunde  fort 

2.  In  einem  Kupferdraht  von  2,5  Millimeter  Dardi- 
messer  beträgt  diese  Geschwindigkeit  177  722  Kilometer  odo' 
rund  180  000. 

3.  Die  beiden  Elektricitäten  pflanzen  sich  mit  gleicher 
Geschwindigkeit  fort. 

4.  Die  Anzahl  und  die  Natur  der  Elemente,  aas  de- 
nen die  Batterie  besteht,  folglich  die  Spannung  der  Elek- 
tricität und  die  Intensität  des  Stroms,  haben  keinen  Ein- 
flufs  auf  die  Geschwindigkeit  der  Fortpflanzung. 

5.  In  Leitern  von  verschiedener  Natur  ist  die  Geschwin- 
digkeit nicht  proportional  dem  Leitungsvermögen. 

6.  Wenn  discontinuirliche  Ströme  sich  fortpflanzen  in 
einem  Leiter,  so  erleiden  sie  eine  Diffusion,  vermöge  welcher 

sie 


161 

sie  am  Orte  der  Ankunft  einen  gröCseren  Raom  einnehmen 
als  an  dem  des  Ausgangs. 

7.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  scheint  sich  nicht 
mit  dem  Querschnitt  der  Leiter  zu  verändern ;  unsere  Ver- 
suche lassen  jons  diesen  Satz  für  sehr  wahrscheinlich  halten. 

8.  Wenn  dieser  Satz  riditig  ist,  so  verändert  sich  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  nur  mit  der  Natur  der  Lei- 
ter, und  die  Zahlen,  welche  wir  gegeben  haben,  stellen  die 
absoluten  Geschwindigkeiten  in  Eisen  und  Kupfer  dar. 


X.  lieber  die  Geschwindigkeit  des  elektrischen  Stroms 
in  einer  metallischen  Leitung;  von  O.  M.  Mitchel, 

Director  der  Sternwarte  zu  Gincinnati ' ). 


in  Cincinnati  zur  Verwandlung  von  Zeit  in  Raum  benutzt 
wird,  liefert  durch  Aufzeichnung  der  kleinsten  Zeittheile 
die  Mittel  zur  Ausführung  der  feinsten  Versuche.  Die  Stern- 
uhr ist  so  eingerichtet,  dafs  sie  ihre  Pendelschläge  auf  eine 
Metallpiatte  überträgt,  die  unter  einer  aufzeichnenden  Stahl- 
feder von  fester  Stellung  rotirt.  Die  Scheibe,  welche  die 
Metallplatte  trägt,  rotirt  mit  gleichförmiger  Geschwindigkeit 
und  empfängt,  ohne  in  ihrer  Bewegung  gestört  zu  werden, 
die  Stöfse  der  aufzeichnenden  Feder.  Eine  zweite  Feder, 
direct  der  ersten  gegenüber  angebracht,  steht  unter  der 
Controle  des  Beobachters  am  Mittagsrohr  oder  anderen 
Instrumente,  und  giebt  ihm  die  Mittel,  jede  beobachtete 
Erscheinung  mit  all  der  Genauigkeit  aufzuzeichnen,  mit  wel- 

1)  Aus:  The  astrononiical  Journal^  Ab.  2,  einer  neuen  von  Hm.  B. 
A.  Gould  zu  Cambridge,  in  Massachusets,  herausgegebenen  ZeiUcKrift.  — 
Bis  auf  den  aufserwesentlichen  Schiurs  ist  dieser  Aufsat»  hier  vollstSn- 
dig  und  möglichst  sinngetreu  wiedergegeben;  etwaige  Unversländlichkeitcn 
fallen  Anr  dem  Original  snr  Last.  P* 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  1^  ■• 


162 

eher  das  Aage  den  Moment  des  Eintretens  derselben  er- 
fassen kann. 

Vor  einigen  Monaten,  nach  VoUendang  dieser  Maschi- 
nerie, richtete  sich  meine  Aufmerksamkeit  auf  die  Geschwin- 
digkeit elektrischer  Ströme  in  Telegraphendrähten  und  im 
Erdboden,  da  dieselbe  mit  in  die  Bestimmung  Ton  Län- 
gen-Unterschieden  durch  telegraphische  Signale  eingeschlos- 
sen ist. 

Am  Abend  des  12.  NoTcmbers  (1849)  wurde  auf  der 
Sternwarte  eine  Reihe  von  Versuchen  gemacht,  um  die  Ge- 
schwindigkeit der  Fortpflanzung  einer  elektrischen  Welle 
in  TelegraphendrShten  zu  bestimmen. 

Die  zu  diesen  Versuchen  dienende  Leitung  war  folgende. 
Von  der  Hauptbatterie  in  O'Rielly's  Telegraphenstation 
in  Cincinnati  ging  ein  Draht  zu  der  eine  engl.  Meile  ent- 
fernten Sternwarte  und  von  hier  nach  Pittsburg;  von  dort 
kehrte  ein  zweiter  Draht  in  die  Sternwarte  zurück,  ging 
zu  einem  Elektromagnet  (receiving  magnef)  und  endete  im 
Elrdboden,  mit  dem  auch  die  Hauptbatterie  in  Cincinnati 
verbunden  war. 

Die  Anstellung  der  Versuche  geschah  folgendermaCsen. 
Die  Sternuhr  war  so  eingerichtet,  dafs  ihr  Pendel  eine  in 
der  Sternwarte  befindliche  Kette  (loccU  circuif)  schlofs,  welche 
auf  die  Zeitfeder  (time  pen)  wirkte  und  somit  die  abwech- 
selnden Pendelschläge  oder  Sekunden  auf  eine  Metallplatte 
aufzeichnete,  die  auf  der  schon  beschriebenen  Sdieibe  lag. 
Diese  Vorrichtung  blieb  im  ganzen  Laufe  der  Versuche  un- 
verändert, weshalb  jene  Feder  von  nun  an  Normalfeder 
(^Standard  pen)  heifsen  mag. 

Ein  Elektromagnet  (receiving  magnet)  dient  zum  Schlie- 
fsen  einer  andern  örtlichen  Kette  (an  Kraft  und  Länge  der 
ersteren  gleich),  die  auf  die  Beobachtungsfeder  (obserwOkm 
pen)  wirkte,  und  veranlafste,  dafs  sie  mit  ihrer  Spitze  in 
die  Metallplatte  stiefs. 

Auf  diesen  Elektromagnet  wirkte,  nach  Belieben  des 
Beobachters,  entweder  eine  örtliche  Kette,  welche  darcb 
einen    metallischen   Ansatz    der   Normalfeder    geachlotseo 


163 

worde^  oder  die  grofse^nach  Pittsburg  führende  Keüe  von 
sechshundert  und  sieben  engl.  Meilen  Drahtlänge. 

Bei  diesen  Verbindungen  wurden,  wie  zu  ersehen,  die 
Pendelschläge  direct  durch  die  Nonnalfeder  aufgezeichnet. 
Sie  wurden  aber  auch  aufgezeichnet  durch  die  veränderli- 
che Feder  (wie  ich  kurz  die  zweite  nennen  will),  bewegt 
von  der  Normalfeder,  die  entweder  eine  kurze  örtliche  Kette 
durch  den  Elektromagnet,  oder  die  lange  Pittsburg -Kette 
durch  denselben  Elektromagnet  schlofs,  indem  dieser  Elek- 
tromagnet, wie  zuvor  angegeben,  die  auf  die  veränderliche 
Feder  wirkende  örtliche  Kette  schlofs. 

Wenn  die  veränderliche  Feder  durch  die  kurze  örtliche 
Kette  angetrieben  wurde,  so  folgte  dem  Aufzeichnen  der 
Nonnalfeder  das  der  veränderlichen  Feder  innerhalb  ei- 
nes Zeit -Intervalls,  welches  gleich  war  der  Armatur -Zeit 
Qarmature  time)  der  Normalfeder,  vermehrt  um  die  Ar- 
matur-Zeit des  Elektromagnets  und  die  Fortpflanzungszeit 
der  Elektricität  (trat^e  time  of  the  fluid)  durch  die  kurze 
Kette  und  den  Elektromagnet,  welche  Zeit  natürlich  un- 
merklich war. 

Wirkte  dagegen  die  lange  Kette  auf  den  Elektromag- 
net und  durch  diesen  auf  die  veränderliche  Feder,  so  folgte 
die  letztere  der  Normalfeder  innerhalb  eines  Zeitraums,  der 
gleich  war  dem  vorhergehenden,  vergröfsert  um  die  Zeit, 
welche  der  elektrische  Strom  zum  Durchlaufen  des  sechs- 
hundert und  sielien  engl.  Meilen  langen  Drahts  gebrauchte. 

Dieses  ist  jedoch  nur  richtig  1.  wenn  die  Intensität  der 
örtlichen  und  der  langen  Kette  gleich  ist,  und  2.  wenn  die 
Ajustining  des  Elektromagnets  constant,  und  sein  Gang  (jpass) 
auf  ein  Minimum  reducirt  ist. 

Diese  beiden  Bedingungen  sind  erfüllt,  sobald  die  bei- 
den Federn  in  ihrer  Lage  zu  einander  so  ajustirt  sind,  dafs 
zwei  von  ihnen  auf  der  Scheibe  gemachte  entsprechende 
Tüpfel,  bei  Ruhe  der  Scheibe,  auf  einem  und  demselben 
Radius  liegen.  Dann  wird  der  Winkelabstand  (intervall) 
zwischen  den  Tüpfeln  {records)  der  beiden,  durch  eine 
kurze  und  eine  lange  Kette  angetriebenen  Federn,  verrin- 

11* 


164 

gert  um  den  Absfand  zwischen  den  Tfipfelnj  wann  die  rer- 
anderliche  Feder  dnrch  die  karze  Kette  angetrieben  wird, 
die  Zeit  vorstellen,  welche  die  elektrische  Welle  zum  Durch- 
laufen der  sechshundert  und  sieben  engl«  Meilen  Draht  ge- 
braucht. 

Ich  will  nun  zeigen,  wie  wichtig  die  strenge  ErfQlIung 
der  drei  Bedingungen  sej: 

1.  die  Intensität  der  langen  und  kurzen  Kette,  welche 
durch  den  Elektromagnet  auf  die  veränderliche  Feder  wir- 
ken, gleich  zu  machen; 

2.  den  Gang  (pass)  des  Elektroroagnets  auf  das  Mi- 
nimum zurückzuführen  und  ihn  unverändert  zu  halten; 

3.  die  beiden  Federn  so  zu  stellen,  dafs  ihre  Tüpfel 
bei  ruhender  Scheibe  genau  auf  einem  Radius  liegen. 

Um  den  Einflufs  der  Intensität  und  des  Ganges  zu  er- 
mitteln, wurden  folgende  Versuche  angestellt.  Nachdem 
die  Verknüpfungen  in  der  zuvor  beschriebenen  Weise  voll- 
zogen worden,  wurden  von  den  beiden  Federn  vier  Kreise 
von  Sekunden -Tüpfeln  (second-dots)  unter  folgenden  Um- 
ständen gemacht: 

1.  ganze  Kraft  der  Batterie,  Gang  des  Elektromagnets 
ein  Minimum; 

2.  ganze  Kraft  der  Batterie,  Gang  des  Elektromagnets 
ein  Maximum; 

3.  halbe  Kraft,  Gang  ein  Maximum; 

4.  halbe  Kraft,  Gang  ein  Minimum. 

Die  Zeit  zwischen  dem  Niederstofsen  der  Normalfeder  und 
dem  späteren  der  veränderlichen  Feder  betrug 

im  ersten  Fall        0",091 ' ) 

-  zweiten  -  0  ,2628 

-  dritten    -  0,310 

-  vierten    -  0  ,104. 

Aus  diesen  Versuchen  geht  hervor,  dafs  die  AjustirnDg 
des  Elektromagnets  Veränderungen  in  den  Angaben  erzeugt, 

1)  Es  ist  der  Miitelwerth  von  10  Yersuclieo,  die  einzeln  folgende  Resol- 
taie  ergaben:  0",091;  0,092;  0,090;  0,090;  0,091 ;  0,091;  0,090;  0,092; 
0,092;  0,091. 


165 

die  weit  gröfiser  sind  als  die  Fortpflauzungszät  in  der  längst 
möglichen  Kette.  Und  ebenso  erhellt ,  dafs  der  Einflufs 
der  verschiedenen  Intensitäten  einen  Fehler  von  solcher 
Gröfse  Teranlafst,  dafs  alle  Versuche  nutzlos  würden,  von 
welchen  dieser  Einflufs  nicht  strenge  ausgeschlossen  wäre. 

Es  waren  nun  zwei  Schwierigkeiten  zu  überwinden. 
Man  mufste  die  Batterien  auf  Gleichheit  reduciren  und  einen 
Beweis  haben,  dafs  diese  Gleichheit  erreicht  sej.  Um  diefs 
zu  erlangen,  wurde  folgendermaafsen  verfahren.  Die  Hen- 
kel (handks)  der  Federn  waren  elastisch  und  vibrirten  bei 
jedem  Niederstofs  derselben.  Die  Hälfte  der  Dauer  dieser 
Vibration  ist,  wie  man  später  sehen  wird,  die  Armatur« 
Zeit.  Nun  fand  sich  die  Armatur -Zeit  als  abhängig  von 
der  Intensität  der  Ströme,  die  auf  den  Elektromagnet  wirk- 
ten. DiCs  Kraft  der  örtlichen  Batterie  wurde  daher  ver- 
stärkt oder  geschwächt,  bis  die  Armatur-Zeit,  wie  es  die 
beiden  Ketten  aufzeichneten,  von  gleichem  Werthe  war. 
Die  Feder  war  so  ajustirt,  dafs  dem  ersten  Tüpfel  immer 
der  zweite  oder  Vibrations- Tüpfel  folgte,  welcher  bei  je- 
der Aufzeichnung  deutlich  von  der  Feder  augegeben  wurde. 

Nach  Ueberv^indung  dieser  Schwierigkeit  wurden  die 
Federn  so  ajustirt,  dafs  sie,  auf  der  ruhenden  Scheibe,  ra- 
dial liegende  Tüpfel  machten.  Es  ergab  sich  hiernach,  dafs 
diese  Ajustirung  in  dem  gröfsten  der  aufgezeichneten  Kreise 
bis  auf  0",011  unsicher  war.  Der  absolute  Raum,  auf  alle 
übrigen  Kreise  übertragen  und  genau  gemessen,  gab  die  er- 
forderliche Berichtigung. 

Als  alle  Vorrichtnngen  vollendet  waren,  wurden  die 
örtlichen  Verknüpfungen  Hrn.  Henry  Twitchell  über- 
geben, während  Hr.  S tager,  von  O'Riellys  Telegraphen- 
statiou  in  Cincinnati,  die  entfernten  Verknüpfungen  be- 
sorgte. 

Der  Abend  war  heiter  und  windstill,  warm  für  die  Jah- 
reszeit. Hr.  Stager  berichtete,  die  Linie  sey  in  vortreffli- 
chem Stande.  Der  Gang  des  Elektromagnets  war  auf  sein 
Minimum  gebracht,  und  die  Stärke  der  langen  und  kurzen 


16& 

Batterie  war  gleich,  wie  es  die  Gleichheit  der  -aufgezeicllneteD 
Annatar- Zeiten  ergab. 

Dm  9*58'  stiefsen  die  Federn  zugleidi  auf  die  Metall- 
platte, wfthrend  die  lange  Kette  auf  die  verSnderliche  Fe- 
der wirkte.  Ich  untersuchte  die  Platte,  um  zu  sehen,  ob 
die  Aufzeichnungen  gerathen  seyen,  und  fand  die  Ttipfel 
in  der  schönsten,  zartesten  Weise  in  das  Metall  eingeschla- 
gen. Am  Schlüsse  des  ersten  Kreises  von  Tüpfeln,  welcher 
genau  60  Sekunden  einnahm,  wurde  das  Zeichen  zum 
Wechseln  gegeben,  und,  aufs  Wort,  die  lange  Kette  aus- 
gehoben und  dafür  die  kurze  örtliche  Kette  eingeschaltet. 
Dieser  Austausch  wurde  Ton  Hrn.  S tager  mit  solcher  Ge- 
schicklichkeit ausgeführt,  dafs  nicht  eine  Sekunde  verloren 

ging- 

Auf  diese  Weise  wurden  fünf  Kreise  aufgezeichnet,  drei 

mit  der  langen  und  zwei  mit  der  kurzen  Kette.  Das  Ohr 
konnte  zuweilen  den  Uebergang  von  der  langen  zur  kurzen 
Kette  mit  Schwierigkeit  erkennen,  allein  nach  vielen  Ver- 
suchen fand  sich,  dafs  diefs  Organ  nicht  zuverlässig  sej. 
Die  Verwandlung  von  Zeit  in  Raum  auf  der  Scheibe  gab 
uns  jedoch  Gelegenheit,  die  Ablesung  der  zartesten  Zeichen 
zu  einer  hohen  Vollkommenheit  zu  bringen. 

Hr.  Twitchell  hat  alle  Messungen  mit  dem  von  mir 
zum  Messen  kleiner  Winkelräume  erfundenen  Instrumente 
ausgeführt.  Dasselbe  Isfst  noch  0,001  Zeitsekunde  ablesen. 
Die  Scheibe  arbeitet  während  des  ganzen  Versuchs  in  der 
bewundernswürdigsten  Weise;  die  Zeichen  lagen  tadial 
vom  Centrum  aus  und  bewiesen  scAnit  die  Gleichförmig- 
keit ihrer  Bewegung. 

Die  Messungen  ergaben  als  Mittel  der  Zeitintervalle  fol- 
gende Werthe,  nebst  ihren  Berichtigungen  (B)  wegen  nicht- 
radialer Stellung  der  Federn: 

B:  Berichtigt: 

No.  1  lange  Kette  *  )=:0",0568  —  0",01 10=0^,0458 
No.  2  kurze       -         =0  ,0399  — 0  ,0145=0  ,0254 

-  1)  Für  die  beiden  ersten  Mittel  giebt  auch  Hr.  M.  die  Resnluie  der  ein- 
Keinen  Messungen,  30  an  der  Zahl,  deren  extreme  Werthe:  0^,050 
und  0^61  für  No.  1  und  0",041  und  0^,036  fär  No.  2  betragen. 


167 

B:  Berichligt: 

No.  3  lange  Keüe      =  0^0633— 0^0165 =0^0468 
No.  4  karze      -         =0  ,0444—0  ,0195=:0  ,0249 
No.  5  lange       -         s  0  ,0682  —  0  ,0215 = 0  ,0467 
Aus  dem  Vergleich  dieser  Werthe  ergiebt  sich  die  Fort- 
pflanzungszeit im  sechshundert  und  sieben  engl.  Meilen  lan- 
gen Draht: 

Abweichung  vom  Mittel: 

No.  1  — No.  2  =0 ',0204  0  ",00088 

No.  1  —  No.  4  =  0  ,0209  0  ,00038 

No.  3  — No.  2  =0  ,0214  0  ,00014 

No.  5  —  No.  4  =  0  ,02 19  0  ,00064 

No.  5  —  No.  2  =  0  ,02 13  0  ,00002 

No.  5— No.  4  =0  ,0218  0,00052 

Mittel    0",02128.  0",00U43. 

Das  Mittel  giebt  eine  Geschwindigkeit  von  28524  engl. 

Meilen  in  der  Sekunde  '). 


IX      Ueber  thermo- elektrische  Erscheinungen  an 
gleichartigen  Metallen;  von  F.  C.  Henri ci. 


JLyie  Erfahrungen  über  die  thermo- elektrischen  Erschei- 
nungen an  gleichartigen  Metallen,  welche  ich  im  Folgenden 
mitzutheilen  mir  erlaube,  sind  die  Frucht  einer  langen  Be- 
schäftigung mit  diesem  Gegenstande.  Gleich  im  Beginn  der- 
selben habe  ich  die  Nothwendigkeit  erkannt,  bei  allen  Ver- 
suchen über  diese  Erscheinungen  sehr  mäfsige  Erwärmungen 
anzuwenden,  und  nicht  nur  chemische  Veränderungen  der 
Oberfläche,  sondern  auch  Veränderungen  im  inneren  Ge- 
füge der  Metalle  zu  verhüten,  welche  beide  nach  meinen 
Erfahrungen  den  gröfsten  Einflufs  auf  die  zu  untersuchende 
Erscheinung  haben  und  schon  bei  Temperaturen  eintreten. 

1)  Also  auch  sehr  verschieden  von  den  Angaben  Wheatstone  s,  Fi- 
£eaa*s  und  Walker's,  'Welcher  Letzterer  übrigens  einen  Eisendraht 
benatite  (Stein heil,  Astron.  Nachr.  No.  679),  wahrend  Hr.  Mit- 
chel  das  Material  seines  Drahts  nicht  angiebt.  P. 


168 

können,  die  keinesviregs  sehr  hoch  zu  nennen  sind«  Des- 
halb ist  es  auch  nothwendig,  die  unmittelbare  Berfihrung 
der  zu  erwärmenden  Metallstücke  mit  der  Wärmequelle 
zu  vermeiden.  Durch  folgende  einfache  Einrichtung  glaube 
ich  zu  einer  reinen  Darstellung  der  Erscheinung  gelangt 
zu  sejn. 

Auf  einem  mit  Leinölfirniis  überzogenen  Holzstfick  A 
Fig.  16  Taf.  II.  werden  die  Metalle,  welche  ich  am  liebsten 
in  Form  von  Drähten  von  nicht  Über  2  Millimeter  Dicke 
oder  von  schmalen  zugespitzten  Streifen  anwende,  vermit- 
telst eines  aufzuschraubenden  dünnen  Holzplättchens  n  be- 
festigt. Die  Drähte  oder  Streifen,  welche  bei  a  mit  dem 
Galvanometer  in  Verbindung  gebracht  werden,  sind  bei  h 
wiuklich  gebogen,  und  ihre  Endflächen  c,  welche  ich  ge- 
wöhnlich auf  einer  matten  Glasplatte  abgeschliffen,  auch 
wohl  mit  frischen  Bruchflächen  angewendet  habe,  unter 
leichter  Federung  mit  einander  in  Berührung  zu  bringen 
und  das  Ende  eines  dünnen  Messingstreifens  o  aufzulegen, 
durch  welchen  die  Erwärmung  einer  beliebigen  Stelle  des 
einen  Drahts  etc.  vermittelt  wird,  indem  unter  denselben, 
auch  wieder  an  einer  beliebigen  Stelle  o,  ein  kleines  Oel- 
lämpchen  mit  kurzer  wohlbegränzter  Flamme  (deren  Spitze 
den  Streifen  nicht  berührt)  geschoben  wird.  Eine  solche 
Flamme  ist  sehr  einfach  mit  den  kleinen  Nürnberger  Doch- 
ten in  Holzscheibchen,  welche  zu  Nachtlichtern  gebraucht 
werden,  darzustellen.  Hat  man  nun  den  völligen  Ruhe- 
stand der  Galvanometernadel,  abgewartet,  so  sieht  man  die- 
selbe mehr  oder  weniger  bald  nach  dem  Unterschieben  des 
Lämpchens  in  eine  bequem  zu  beobachtende  langsame  Be- 
wegung gerathen  und  zuletzt  bei  einer  bleibenden  Ablen- 
kung zur  Ruhe  kommen.  Bei  dieser  Einrichtung  bedarf 
man  keiner  besonders  langen  Drähte  etc.;  man  kann  die 
erfolgende  Wirkung  vom  ersten  Augenblicke  an  genau  beob- 
achten und  auch  nach  Belieben  stärkere  und  schwächere 
Erwärmungen  anwenden.  Für  die  gehörige  Reinigung  der 
Drähte  etc*  ist  immer  gesorgt  worden;  es  scheint  jedoch 
wesentlich  nur  auf  die  Reinheit  der  Berührungsflächen  an- 


169 


zukommen.  Die  Ergebnisse  meiner  Versuche  sind  in  fol- 
gender Tafel  zusammengestellt,  worin  ein  von  dem  erwärm- 
ten Ende  unmittelbar  zum  kalten  fibergehender  Strom  po* 
siiw  genannt  ist. 

Answeicliung 
d.  GalvaDometer- 


Metalle. 

.  1.    Kupfer,  in  Drähten 

2.  Messing,      do. 

3.  Silber,  in  Drähten  (von  gewöhnl. 
Thalern,  kupferhaltig) 

Dieselben  Drähte,  beide  geglüht 

4.  Silber,  in  Drähten  (von  den  fein- 
sten hanöverschen  Thalern,  sehr 
rein) 

Dieselben  Drähte,  beide  geglüht 

5.  Zinn,  in  Drähten 

6.  Kadmium,  do. 

7.  Platin,        dö. 
Dasselbe,       do.  geglüht 

8.  Gold,         do. 

9.  Neusilber,  do. 

10.  Nickel,  in  Streifen 

11.  Zink,  do. 

12.  Zink,  in  Drähten 

13.  Eisen,      do. 

14.  Antimon,  in  dünnen  Stangen 

15.  Wismulh,  do. 

16.  Blei,  in  Drähten 


Stromrichtung. 

positiv 
do. 


nadel. 


positiv 
do. 


3", 
3^ 

4^ 


4^ 
4« 


3i° 


negativ 

do. 
positiv 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 

do. 
negativ 

do. 

do. 

do. 

do. 


2°,  3« 

l^  1° 

3^^  2" 

2^  ly 
5%  4^ 
7S  6° 

6°,  7« 

l3^  14^ 
ll^  12° 

14%  16« 
15°,  16° 
20°,  20° 
40°,  50° 

0° 

0° 


17.    Quecksilber 

Zu  den  beiden  letzten  Angaben  bemerke  ich  Folgen- 
des.  Das  Blei  wurde  in  den  Drähten  von  verschiedener 
Dicke  versucht  und  es  wurden  glänzende  Berührungsflächen 
durch  Abschneiden  mit  einem  scharfen  Messer  dargestellt; 
ich  konnte  keine  sichere  Spur  einer  Wirkung  erkennen. 
Das  Quecksilber  befand  sich  in  einer  Rinne  abc  Fig.  17 
Taf.  II.  in  Holz,  deren  halbe  Länge  bc  28  Centimeter  be- 


170 

trug.  WKbrend  bei  a  und  b  die  Galvauometerdrahtenden 
eingesenkt  waren,  wurde  neben  c  (einer  kleinen  Korkschei- 
dewand)  eine  beliebig  zu  steigernde  Erwärmung  des  Qaeck- 
Silbers  durch  einen  mit  einem  Ende  eintauchenden  winklich 
gebogenen  und  durch  eine  Weingeistflamme  erhitzten  Strei- 
fen von  Eisenblech  bewirkt.  Bei  der  Entfernung  des  Kork- 
stücks c  habe  ich  nie  eine  Spur  von  Bewegung  der  Galva- 
nometernadel bemerkt.  Ob  in  dem  Versuche  von  Vors- 
selman  de  Heer  (Ann.  Bd.  49,  S.  121.),  welcher  das 
Gegeuthcil  ergab,  alle  Fehlerquellen  vermieden  worden 
sind,  vermag  ich  nicht  zu  beurtheilen.  Die  Schwierigkeit 
liegt  übrigens  ohne  Zweifel  nur  in  der  Herstellung  von  Be- 
rührungsflächen, bei  welchen  auch  nur  auf  sehr  kurze  Zeit 
die  Continuität  der  Masse  wirksam  unterbrochen  wäre.  Eine 
gleiche  Schwierigkeit  scheint  auch  das  Blei  darzubieten. 

Um  die  etwaige  Wirkung  einer  beträchtlichen  Ungleich- 
mäfsigkeit  in  der  Fortleitung  der  Wärme  innerhalb  eines 
Melallstücks  zu  untersuchen,  habe  ich  Kupfer-  und  Eisen- 
drähte durch  die  Seiteuwand  eines  mit  Schnee  gefüllten 
Gefäfses  (Fig.  18  Taf.  II.)  geführt  und  unmittelbar  neben 
dem  Austritt  bei  o  erhitzt,  aber  nicht  die  geringste  \^r- 
kung  wahrgenommen.  Eine  blofse  Unregelmäfsigkeit  in  der 
Fortpflanzung  der  Wärme  innerhalb  der  Körper  kann  also 
nicht  die  Ursache  der  in  Rede  stehenden  thermo- elektri- 
schen Erscheinungen  seyn. 

Für  die  thermo  -  elektrischen  Erscheinungen  bei  ungleich- 
artigen Metallen  scheint  man  die  Ansicht  Becquerers, 
dafe  sie  von  einem  ungleichen  Wärmeausstrahl ungsvennö- 
gen  derselben  herrühren,  allgemein  angenommen  zu  haben. 
Da  es  nun  kaum  wahrscheinlich  ist,  dafs  die  Ursache  der 
thermo  -  elektrischen  Erregung  bei  gleichartigen  Metallen  eine 
andere  als  bei  ungleichartigen  sejn  sollte,  so  fragt  sich,  was 
sich  zu  Gunsten  dieser  Ansicht  im  vorliegenden  Falle  sagen 
lasse?   Jch  bemerke  zunächst  Folgendes. 

Melloni  hat  nachgewiesen  *),   durch  welche  geringen 
Unterschiede  in  der  physischen  Beschaffenheit  der  Metalle 

1 )  Add.  Bd.  45,  S.  57;  Bd.  53,  S.  268. 


•171 

(Härte,  Gef&ge  etc.)  AenderuDgen  ihres  Strahlungsvermd* 
gens  Terursacht  werden.  Entsprediende  Aenderungen  er- 
folgen durch  solche  Unterschiede  auch, in  der  thermo- elek- 
trischen Erregung,  was  die  folgenden  Erfahrungen  deutlich 
zeigen. 

Die  beiden  MessingsdrShte  No.  2  der  obigen  Tafel  ga- 
ben bei  abwechselnder  Erwärmung  ihrer  Enden  positive 
Ströme  mit  Ablenkungen  von  4^  und  5^ ;  nachdem  sie  in 
einer  Weingeistflamme  stark  ausgeglüht  und  darauf  mit  Bims- 
stein ect.  sorgfältig  gereinigt  worden,  erfolgten  bei  abwecb- 
selnder  Erwärmung  negative  Ströme  mit  Ablenkungen  von 
14  und  3^  ').  Hierauf  wurden  die  Enden  der  Drähte  flach 
gehämmert  und  wieder  gereinigt;  bei  der  Erwärmung  des 
einen  Endes  erfolgte  ein  positiver  Strom  von  3",  bei  der 
Erwärmung  des  anderen  Endes  ein  negativer  Strom  tou 
57  °.  Als  hierauf  beide  Drahtenden  aufs  Neue  gegltiht  und 
gereinigt  worden,  erfolgten  bei  abwechselnder  Erwärmung 
derselben  zuerst  positive  Ablenkungen  von  ^  "  und  4  °  und 
darauf  (bei  zunehmender  Erwärmung)  Umsetzung  in  negch 
Hve  Ablenkungen  von  4°  und  5^. 

Von  den  Kupferdrähten  No.  1  wurde  das  eine  Ende  (a) 
geglQht,  das  andere  (b)  nicht.  Bei  der  Erwärmung  von  a 
erfolgte  eine  positive  Ablenkung  von  4^,  bei  der  Erwär- 
mung von  b  eine  negative  von  1^,  dann  umsetzend. 

Von  den  Silberdrähten  No.  4  wurde  ebenfalls  das  eine 
Drahtende  (a)  geglüht,  das  andere  (6)  nicht.  Erwärmung 
von  a  gab  eine  positive  Ablenkung  von  3"  bis  4°,  Erwär- 
mung von  b  eine  negative  von  3^. 

Ferner  ist  es  kaum  möglich  zwei  Drahtenden  so  homo- 
gen zu  finden,  dafs  bei  Erwärmung  ihrer  Berührungsstelle 
nicht  eine  thermo- elektrische  Wirkung  zu  erkennen  wäre. 
Sogar  als  die  frischen  Bruchflächen  eines  durchbrochenen 
Kupferdrahts  mit  einander  in  Berührung  gesetzt  wurden, 
brachte  die  Erwärmung  der  Berührungsstelle  durch  die  äu- 

1)  Geglüht  während  fortgesetzter  Berührung  erFolgten,  nach  eingetretener 
Erkaltung  nnd  ohne  Reinigung,  bei  abwechselnder  Erwärmung  negative 
Ströme  von  20**  bis  30*  Ablenkung. 


172 

fserste  Spitze  des  scharf  zugespitzten  Messingstreifeiui  eiDO 
zwar  kleine  aber  deutliche  Ablenkung  der  Galvanometer- 
nadel  (von  ungefähr  4")  hervor.  So  ist  es  auch  leicht, 
durch  mechanische  Mittel  (z.  B.  durch  einen  Schlag  mit 
der  Schärfe  eines  Hammers,  durch  einen  Zangendruck,  Feil- 
strich etc.)  eine  Drahtstelle  so  zu  verändern,  dafs  eine  Er- 
wärmung neben  derselben  elektrische  Ströme  hervorruft 

Endlich  habe  ich  Drähte  von  Kupfer,  Messing,  Platin,  Zink, 
Neusilber,  Eisen,  Kadmium  an  beliebigen  Stellen  erwärmt 
und  fast  ohne  Ausnahme  Ablenkungen  der  Galvanometer- 
nadel, oft  von  mehren  Graden,  bald  nach  der  einen,  bald 
nach  der  andern  Seite  erhalten,  so  dafs  ich  mit  der  Spitze 
des  Messingstreifens  die  wirksamen  Stellen  der  Drähte^  an 
welchen  ohne  Zweifel  kleine  Verschiedenheiten  im  inneren 
GefOge  vorhanden  waren,  sehr  genau  ausmitteln  konnte. 
An  dünnen  Stangen  von  Antimon  und  Wismuth  sind  diese 
Wirkungen  noch  viel  gröfser.  Wird  an  einem  Eisendraht 
eine  kleine  Stelle  geglüht,  so  verhält  sich  diese  wie  ein 
anderes  Metall. 

Die  grofse  Bedeutung  der  inneren  Structur  der  Metalle 
macht  sich  auffallend  geltend  in  der  Stärke  und  Richtaag 
der  auftretenden  thermo- elektrischen  Ströme,  alle  unter- 
suchten Metalle  von  ausgebildeterer  Structur  gaben  negatife 
Ströme  und  gröfsere  Ablenkungen  als  die  andern  positive 
Ströme  gebenden  Metalle. 

Melloni  bestreitet  zwar  bekanntlich  eine  innere  Wä^ 
mestrahluug  der  Metalle ');  aber  seine  Erfahrungen  könnee 
auf  die  in  Rede  stehenden  Erscheinungen  wohl  keine  An- 
wendung finden.  Man  mufs  es  vielmehr  für  äufserst  wahr- 
scheinlich halten,  dafs  im  Innern  der  Körper  wenigstens 
da,  wo  die  Continuität  der  Masse  irgendwie  zerstört  ist 
(wie  bei  Aenderungen  im  Gefüge),  auch  eine  Störung  in 
der  Bewegung  der  Wärme,  d.  h.  ein  Uebergang  durch  Strah- 
lung, stattfinde.  Versucht  man  nun  aber,  die  Erscheiniin- 
gen  speciell  aus  dem  fraglichen  Princip  zu  erklären,  so  zeigt 
sich  sofort  die  Schwierigkeit  der  Erklärung  der  negativen 

1)  Ann.  Bd.  65,  S.  112. 


173 

Ströme.  Es  dfirfte  in  der  That  kaum  möglich  seyn,  bei 
dem  jetzigen  Zustande  unserer  Kenntnisse. über  die  Bewe* 
gung  der  Wärme  im  Innern  der  Körper  diesen  Gegenstand 
befriedigend  zu  erörtern  und  namentlich  zu  der  Einsicht 
zu  gelangen,  wie  aus  einer  Aenderung  in  der  Bewegung 
der  Wärme  eineElektricitätsentwickelung  entspringen  könne. 
Ich  dachte  einen  Augenblick,  dafs  die  Annahme  einer  bei 
jeder  Ausstrahlung  zugleich  stattfindenden  Rückstrahlung  ins 
Innere  durch  Reflexion  an  der  Fläche,  von  welcher  die 
Ausstrahlung  erfolgt,  verbunden  mit  der  Annahme,  dafs  die 
Richtung  der  zum  Vorschein  kommenden  elektrischen  Ströme 
von  dem  Intensifätsverhältnifs  beider  Strahlungen  abhängig 
und  der  Richtung  der  überwiegenden  entgegengesetzt  sej, 
zum  Ziele  fuhren  könne;  und  in  der  That  hätte  man  da- 
bei den  Metallen,  welche  negative  Ströme  geben,  um  diese 
zu  erklären,  nur  eine  gegen  die  Rückstrahlung  überwiegende 
Ausstrahlung  zuzuschreiben.  Aber  aus  dieser  Annahme  ist 
die  positive  Stromrichtung,  welche  z.  B.  alle  Combinatio- 
nen  von  Wismuth  mit  andern  negativen  Metallen  bei  Er- 
wärmung der  Berührungsstelle  geben,  nicht  zu  erklären. 

Für  das  Princip  im  Allgemeinen  scheinen  übrigens  auch 
die  sonderbaren  Wechsel  in  der  Richtung  der  elektrischen 
Ströme  zu  sprechen,  welche  man  nicht  selten  bei  steigen- 
der E)rwärmung  beobachtet  und  von  welchen  vorhin  einige 
Beispiele  angeführt  wurden.  Die  auffallendste  Erscheinung 
dieser  Art  habe  ich  an  zwei  Kadmiumdrähten  beobachtet. 
Beide  Drahtenden  gaben,  bei  allmälig  steigender  Erwärmung, 
anfangs  positive  Ablenkungen  von  I4  ^  und  2^,  dann  um- 
setzend negative  Ablenkungen  von  4"  und  4°,  dann  wieder 
umsetzend  positive  Ablenkungen  von  3°,  und  beim  Abneh- 
men fanden  sich  beide  Berührungsflächen  völlig  glänzend 
und  anscheinend  ganz  frei  von  Oxyd. 

Schliefslich  erlaube  ich  mir  noch,  auf  die  constante 
Wirkung  aufmerksam  zu  machen,  welche  auf  alle  von  mir 
untersuchten  Metalle  das  Ausglühen  derselben  äufsert;  sie 
besteht  darin,  dafs  die  Metalle  durch  Ausglühen  in  der  all- 
gemeinen thermo- elektrischen  Reihe  dem  Wismuth  näher 


174 

gerückt  werden.  Dieses  ergiebt  sich  eigeDllidi  schon  aas 
den  bereits  angeführten  Beispielen,  unzweideutiger  aber 
noch  aus  anderen  besonders  angestellten  Versuchen ,  bei 
welchen  je  zwei  gleichartige  Drähte,  von  denen  der  eine 
zuvor  stark  ausgeglüht  worden,  mit  einander  combinirt  und 
an  der  Berührungsstelle  erwärmt  wurden.  In  allen  Fällen 
war  die  Stromrichtung  vom  geglühten  zum  nngeglQhten 
Drahtende  und  die  Ausweichungen  der  Galvanometernadel 
betrugen  bei  Drähten  von 

Kupfer    S''  Neusilber  6""  Eisen     6"* 

Silber      3""  Gold  S*"  Zink    14''  '). 

Messing  4"^  Platin         S"" 

Dieses  Ergebnifs  ist  in  sofern  auffallend,  als  man  im 
Sinne  der  besprochenen  Hjpothese  nach  Melloni'a  Aus- 
strahlungsversuchen  das  Gegentheil  hätte  vermuthen  sollen, 
da  man  diesen  zufolge  von  einer  Dichtigkeitsvemiinderungi 
wie  sie  durch  das  Glühen  eines  durch  den  Drahtzug  ver- 
dichteten Metalls  bewirkt  wird,  eine  VergröCserung  seines 
Ausstrahlungs Vermögens  zu  erwarten  hat,  die  Richtung  der 
thermo- elektrischen  Ströme  bei  ungleichartigen  Metallen 
aber  der  Richtung  der  überwiegenden  Wärmeausstrahlmig 
entgegengesetzt  ist. 

Sehr  beachtenswerth  bleibt  für  jede  Theorie  die  That- 
Sache,  dafs  die  Eigenschaft  der  Metalle,  bei  der  Combioa* 
tion  mit  gleichartigen  positive  oder  negative  Ströme  zu  ge- 
ben, von  ihrer  Stelle  in  der  allgemeinen  thermo  -  elektri- 
schen Reihe  völlig  unabhängig  ist,  und  dafs  also  aus  dem 
thermo-elektrischeu  Verhalten  der  Metalle  für  sich  ihr  Ver- 
halten in  der  Combiuation  mit  anderen  Metallen  nicht  ge- 
folgert werden  kann;  so  giebt  z.  B.  Wismuth  -  Kupfer  ei- 
nen vom  Wismnth  zum  Kupfer  gehenden  Strom  bei  Er- 
wärmung der  Berührungsstelle,  während  beide  Metalle,  jedes 
für  sich,  Ströme  von  entgegengesetzter  Richtung  geben. 

1)  Das  ungegluhte  Drahtende  war  gehämmert,  um  etwa  seine  DichtiglMk 
dadurch  ku  vergröüsern  im  Gegensatz  zum  Glühen.  Die  obigen  Ablen- 
kungen wurden  bei  Erwärmung  der  Beruhrungsstelle  durch  den  Mes- 
singstreifen  erhalten.  Unmittelbare  Unterstellung  des  Lampchens  (oAxf 
Berührung  der  Drähte  mit  der  Flamme)  gab  viel  gröfscre  Ablenkongen. 


175 

XII.     üeber  die  thermischen  Eigenschaften  des 
Turmalins;  von' Hrn.  H.  de  Senarmont. 

{Ann,  de  Mm,  et  de  phy%,   T.  XXV HL  p,  279) 


JLIer  Turmalin  befindet  sich  nicht  anter  den  Krjstalleu 
des  rhomboedrischen  Systems,  welche  ich  in  meiner  Ab- 
handlang über  die  Wärme -Leitungsfähigkeit  krjstallisirter. 
Körper  untersucht  habe^).  Ich  konnte  mir 'davon  keine 
hinlänglich  homogjßne  Platte  verschaffen.  Der  Querschnitt 
etwas  grofser  Krjstalle  zeigt  nämlich  immer  zum  wenigsten 
drei  Individuen,  die  durch  dicke  Nähte  in  Form  eines  drei- 
strahligen  Sterns  vereinigt  sind. 

Seit  jener  Zeit  experimentirte  ich  mit  einer  schönen  Tur- 
malinplatte  von  hellem,  ins  Grüne  fallendem  Meer- Algen- 
Blau,  die,  rechteckig,  32  auf  28  Millimeter  hält  und  1,75 
Millimeter  dick  ist.  Sie  ist  vollkommen  durchsichtig,  kaum 
absorbirend,  und  wenn  man  sie  in  polarisirtem  Licht  unter- 
sucht, indem  man  sie  auf  eine  parallel  der  Axe  geschnittene 
Quarzplatte  (^Quariz  parallele)  von  angemessener  Dicke 
legt,  so  erweist  sie  sich  vollkommen  homogen,  bis  auf  die 
äufsersten  Ränder,  wo  man  überdiefs  kleine  Flecke  (jglaces) 
bemerkt. 

Bei  der  durch  Schmelzung  von  Wachs  auf  dieser  Platte 
hervorgebrachten  Ellipse  ist  das  Verhältnifs  zwischen  gröfs- 
tem  und  klein3tem  Durchmesser  gleich  1,27  und  der  letztere 
ist  parallel  der  krjstallographischen  Axe. 

Der  Turmalin,  ein  repulsiver  Krystall,  kommt  also 
durch  seine  thermischen  Eigenschaften  neben  den  gleich- 
falls repulsiven  Krystallen,  Idokras,  Korund  und  Eisen- 
glanz zu  stehen. 


XIII.     Kräftige  Stahlmagnete; 
von  TV.  M.  Logeman. 


H, 


.r.  Mechanikus  Logeman  in  Haarlem  hat  mir  kürzlich, 
als  Probe  seiner  Leistungen,  einen  von  ihm  nach  Hrn.  Elias's 
Angabe  verfertigten  Hufeisenmagnet  verehrt,  der  sich  durch 

1)  Ann,  de  chim,  ei  de  phj-s,   Ser,  HL  T.  XXIL  p,  179  (Ann.  Bd.  75, 
S.  50). 


176 

etoe  im  Yerf^ciA  mr  Stahlmane  fmf/auim  groCsc  S 
aiuzeichDet  Dersdbe,  aus  einer  «nzigen  Laumelie  I 
bend,  wie^  nämlich  nar  1,09  Pfand  preols.  (0,5125! 
gramro)  und  besitzt  eine  conatante  Tragkraft  Ton  31,5 1 
preofs.  (14,75  Kilogramm),  eine  Kraft,  die  mehr  ab 
pdf  so  groEs   ist,   wie   sie  von  der  Haecker'scfaen  F( 

isl0,33j/p^  gefordert  wird  '). 

Zogleicb  meldete  mir  Hr.  L.,  dals  er  im  Stande 
weit  grötsere  Magnete  von  ähnlicber  Starke  anznferl 
Idi  wurde  dadurch  TeranlaCst,  Hm.  L.  om  Eünsendonf 
nes  Preiscoarantes  za  ersadien,  und  da  er  diesen  Wi 
Tor  einigen  Tagen  erföUte,  so  erlaobe  idi  mir  den« 
hier  .zar  Kenntnib  der  Physiker  zn  bringen. 

^Prdse  4er  HofeteDiuigBeie,  aaeh  Hra.  Blias's«Aa|;abe  w 
Üg^umd  tu  hMbem  bei  W.  H.  Lo^eMaa  ia  Haarlem^ 


No. 

Tragkraft. 

Preis. 

No. 

Tragkraft. 

Fk« 

1 

25 

10 

5 

150 

i 

•        2 

40 

17 

6 

200 

12 

3 

80 

42 

7 

300 

17 

4 

120 

78 

8 

400 

21 

»»■ 


,Die  Tragkräfte  sind  in  Prenfs.  Pfunden  angegebea 
Preise  in  Holland.  Golden,  mit  Verpackang*'. 

„Gerade  Stäbe  aller  Art  für  magnetisclie  Obserratc 
▼on  der  nämlichen  relativen  Stärke  wie  die  Hufeiseq 
nete,  werden  zu  sehr  billigen  Preisen  Terfertigt''. 

Wie  Hr.  L.  bemerkt,  bestehen  die  beiden  ersten  Num 
aus  Einer  Lamelle,  No.  3,  4  und  5  aus  drei,  und  die 
letzteQ  aus  fünf  Lamellen.  Die  angegebenen  Tragk 
sind  constant,  erhalten  sich  also  nodi  nach  wiederhc 
Abreifsen  der  Anker.  Poggendor 

1 )  Ann.  Bd.  57 ,  S.  335.  Bei  Ankunft  in  Berlin  besafs  der  Ma^nel 
ganz  die  angegebene  Tragkraft^  ▼ernoothlich  aber  nor,  'weil  er  bein 
packen  durch  einen  unglücklichen  Fall  eine  Erschütterung  erlitten 
Ein  Paar  Striche  mit  einem  kleinen  Elektromagnet  ersetzten  den  \ 
indefs  YolUtandig. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  Grunstr.  18. 


3 


-»■         ! 


/ 


1850.  A  N  N  A  L  £  N  JTo.  6. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

BAND  LXXX. 

I.    lieber  die  physikalischen  Eigenschqflen  des  Eises 
und  deren  Zusammenhang  mit  den  (vorzüglichsten 

Phänomenen  der  Gletscher; 
fon  Hermann  Schlaginttveit. 

(Mitgetlieilt  vom  Hiti.  Verf.  aus  dem  nächstens   bei  J.  A.  Barth  in  Leip- 
zig erscheinenden  W^erke:  Untersuchungen  über  die  phyiikalische  Geogra- 
phie der  Alpen^  von  Hermann  und  Adolph  Schlagintweit.) 


JLyic  Untersuchungen  von  Saussure  und  besonders  die 
grofsen  Reiben  ausgedehnter  Beobachtungen,  welche  in 
neuerer  Zeit  angestellt  wurden,  haben  uns  an  den  Glet- 
schern mit  einem  unerwarteten  Reichthum  mannigfaltiger 
Erscheinungen  bekannt  gemacht.  Wir  dürfen  dem  Studium 
derselben  wohl  ein  ganz  allgemeines  Interesse  beilegen; 
es  kann  als  ein  Beitrag  zur  Monographie  des  Eises  betrach- 
tet  werden,  indem  es  uns  die  Eigenschaften  dieses  verbrei- 
teten Körpers  in  grofsen  und  kleinen  Massen  und  unter 
den  verschiedensten  äufsercn  Umständen  erkennen  läfst '). 

1 )  Ich  theile  hier  die  gröfsei*en  Arbeilen  in  ehronologischer  Ordnung  mit. 
S  im  ml  er,  F'alesiae  et  Alpiuni  descriptio,  LugJ.  Bat.  1632.  — 
Scheuchzer,  Ilinera  afpina.  Lugd.  Bat,  —  Grüner,  die  Eisge- 
birge des  Schweizerlandes.  Bern  1760.  3  Bde.  8**.  (Diese  drei  sind  al- 
tere topographische  Werke)  —  Saussure,  Voyages  dans  ies  Alpes. 
Neufchdtei  1779—1796.  4  Bde.  4^  —  Hugi,  naturhistorische  Al- 
penreisen. 1830.  8".  —  Agassiz,  Etudes  sur  ies  glaciers.  Neuf- 
chdtei 1840.  8^  Uebersetzt  unter  dem  Titel:  Untersuchungen  aber 
die  Gletscher.  —  Martins,  Ohservations  sur  Ies  glaciers  du  Spitz- 
berg compares  ä  ceux  de  la  Suisse  et  de  la  Non^^ge.  Bibl.  unii\ 
de  Genki^e  1840,  Tome  28^  p.  139.  Bullet,  de  la  Soc.  giol.  de  la 
Fr,  XL  p,  282.  —  Gharpentier,  Essai  sur  Ies  glaciers  et  le  ter- 
rain  errat ique  de  la  vallee  du  Rhdne  1841.  8®.  —  Hugi,  über  das 
"Wesen  der  Gletscher  und  Winterreise  in  das  Eismeer  1842.  8*.  — 
Forbes,  Trapeh  through  the  Alps  of  Sapoy  and  other  parts  of 
the  pennine  chain  with  obsercations  on  the  phenomena  of  glaciers* 
Edinb.    1843.    8^    Uebersetzt   Ton    G.   Leonhard.    Seeond   edition 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  12 


178 

In  der  vorliegCDdeii  Abhandlnng  werde  ich  von  den 
ErscheinuDgeD  an  Gl«tschem  vorzfiglich  jene  berühren, 
w^ohe  mit  den  phjsikaliGchen  £igenficbftft«n  das  £i»es  in 
ünmitlelbarem  Zusammenhange  stehen. 

Die  Formen  dei  EerralleDden  Elsei. 

An  allen  der  Atmosph&re  aasgesetzten  Theilen  zerßUt 
das  Gletschereis  in  einzdne  KOrner.  TreaneB  nir  ein  grd- 
fseres  Stück  Eis  aus  dem  Gletscher  nahe  der  Oberfläche, 
so  wird  es  uns  leicht,  dasselbe  in  einzelne  Theile  zu  zer- 
legen, die  sich  sogleich  an  ihren  abgerundeten  Flächen  als 
Individuen,  sehr  verschieden  von  Bruchstücken,  erkennen 

laSECD. 

Die  Körner  hängen  ohne  alles  Bindemittel  lose  zusam- 
men, sie  sind  durch  kleine  Zwischenräume  gelrennt,  die 
bald  mit  Luft,  bald  mit  Wasser  erfüllt  sind,  wobei  ihre 
Unebenheiten  geleukartig  in  einander  eingreifen.  Sie  zei- 
gen daher  immer  eine  gewisse  Verschiebbarkeit.  Die  Spitze 
eines  Stockes  in  die  Oberfläche  eingedrückt,  läfst  sich  dort 
leicht  bewegen;  zugleich  ist  dabei  ein  eigenthGmIiches  Knar- 
ren des  Eises  hörbar.  Ihre  GrilTse  ist  sehr  wechselnd.  In 
den  oberen  Gletscbertheilen ,  in  der  Nähe  der  Firumeere, 
sind  sie  am  kleinsten ;  ihr  Volumen  betragt  dort  selten  mehr 
als  einen  Cubikceutimeler.  Ein  Beispiel  dafür  ist  a  der 
Fig.  1 ;   die  KOrner  sind  von  jener  Stelle,  wo  die  Pasterze 


GlelicberbömEr;  o.  Fastene;  b  und  c.  Venngt.     J  au.  GrOfi^ 
\S4S  und  viele  AbbRndlange»  in  Jimes,  Edwb.  Jouni.  ••—  A|aiiti, 
Gajot  el  Deior,  Sjrtlimt  glaciaJre  ou  recherchn  nir  iem  gladert, 
Uur  wUcanUme,   leur  armenac  txttmion  sd  U  r^  fu'Ot  ant  fout 
datu  fhittoire  de  ta  terre.    VpartU:    Noupdk*  Umätt.tl  tmpi- 


179 

al8  Gletscher  zuerst  Tom  Firne  sich  unterecheiden  l&fst. 
Je  weiier  wir  aber  dem  Ende  des  Gletschers  uns  ntthern, 
desto  grMser  werden  sie.  Die  bedeutendsten,  die  uns  war* 
kamen,  beobachteten  wir  am  See  der  Pasterze  und  an  yo^ 
nen  losgerissenen  EUsblöckea,  welche  der  Ausbruch  eines 
Gletschersees  im  Oetzthale  mehr  als  eine  halbe  Meile  Ton 
ihrem  früheren  Standorte  entfernt  hatte.  Auf  diese  beiden 
Punkte  beziehen  sich  die  Körner  b  und  c  der  Torherge« 
henden  Figur.  Der  körperliche  Inhalt  dieser  war  im  Ma* 
ximum  6  bis  8  Cubikcenttmeter  '  )• 

Diese  Körnerstructur  ist  zwar  nirgends  deutlicher  aU 
au  Gletschern,  dort  wurde  sie  auch  zuerst  erkannt;  allein 
ich  glaube  ganz  sicher  gefunden  zu  haben,  dafs  sie  auch 
an  jedem  anderen  Eise  unter  günstigen  Umständen  auftriti* 
Ich  weifs  wohl,  daCs  diese  Ansicht  mit  jener  ton  anderen 
Beobachtern  nicht  übereinstimmt,  welche  eine  absolute  Ver- 
schiedenheit zwischen  Gletscher-  und  Wassereis  ann^h- 
men^)»  Allein  schon  1829  haben  Alexander  van  Hum- 
boldt und  Gustav  Rose  auf  ihrer  Reise  nach  Ruüsland 
ähnliche  Formen  bemerkt^).  Auch  Schmidt,  in  Jena^) 
beobachtete  die  Absonderung  des  Eises  in  stänglichen  Frag^ 
meoten,  während  Alexander  Petzhold  ^)  nach  eigenen 
Versuchen  in  Gittersee  bei  Dresden  auf  die  Analogie  der 
Formen  des  Gletscher-  und  Wassereises  zuerst  hingewie- 
sen hat. 


riences  sur  les  giaciers  nctuels  et  Uur  aciion  physique  sur  le  iol 
pur  Louis  Agassiz,  Paris  J847.  8°.  —  Em  ausföhrlicheres  Ver- 
zeichoifs  aller  eiozelnen  Abhandlungen  findet  sich  Agassis  Syst.  pag. 
XIII -^  XXXI. 

1 )  Diese  Gröfsen  wurden  dadurch  bestimint,  dafs  die  unmittelbaren  Gyps- 
modelle  derselben  (siehe  Seite  180)  in  wassergcfiHhe  calibrirte  Bohren 
gebracht  worden,  und  so  das  verdrängte  VVasser  unmittelbar  abgclescA 
werden  konnte 

2)  Yergl.  Agassiz,  Syst  S.  150  Anmerk.  • 

3)  G.  Rose  mineralogisch  geognostische  Reise  nach  Rufsland  etc.  Bd.  I. 
Seite  13: 

4.)  Poggendorff's  Ann.  1342,  Bd.  5$,  S.  472  t- 473. 
5)  Beitrage  sur  Geognosie  von  Tyrol.     Leipzig  1343* 

12* 


180 

Ffir  OD8  war  vor  allem  ein  aasfOhrlkhes  Vergleichen 
nothwendig.  Wir  benutzten  zum  Studium  dieser  Formen 
zwei  stehende  Gewässer  in  der  Nähe  von  Mönchen:  die 
Kanäle  in  Njmphenburg  und  den  künstlich  angelegten  See 
des  englischen  Gartens.  Wir  mufsten  sogleich  die  grofsen 
Schwierigkeiten  kennen  lernen,  welche  sich  uns  entgegen- 
stellten, wenn  wir  die  Formen  und  Structurverhältnisse  des 
Gletscher-  und  Wassereises  vergleichen  wollten.  Die  blofse 
Anschauung  kann  nicht  genügen,  besonders  wenn  sie  ab- 
hängig von  den  einzelnen  Jahreszeiten  durch  so  lange  Zwi- 
schenräume getrennt  ist;  überdiefs  ist  das  Eis  durch  seine 
Durchsichtigkeit  fOr  das  Erkennen  feinerer  Einzelheiten  und 
durch  sein  stetes  Schmelzen  för  eine  andauernde  Untersu- 
chung und  ausgeführte  Zeichnung  sehr  ungeeignet. 

Es  mufste  daher  sehr  wichtig  sejn,  naturgetreue  und 
bleibende  Copien  solcher  Formen  zu  erhalten,  was  ich  durch 
folgende  Methode  zu  erreichen  suchte.  Aus  Wachs  und 
Terpenthin  wurde  eine  sehr  weiche,  für  die  geringsten  Ein- 
drücke empfängliche  Mischung  zusammengesetzt,  durch  welche 
ich  mir  Abdrücke  vom  Eise  verschaffte.  Um  durch  die  etwa 
höhere  Temperatur  des  Gerätes  nichts  von  den  feineren 
Formen  zu  zerstören,  gebrauchte  ich  die  Vorsicht,  dasselbe 
vorher  durch  Umgeben  mit  Schnee  und  Eis  auf  beinahe 
0°  abzukühlen.  Von  den  so  erhaltenen  negativen  Bildern 
wurde  an  Ort  und  Stelle  ein  Abgufs  aus  feinem  Gjpse  ge- 
macht (Königsgyps)  ^),  dessen  Feinkörnigkeit  für  die  Schärfe 
der  Copien  nichts  zu  wünschen  Übrig  läfsf. 

Für  Gletscherkörner  und  ähnliche  Formen  des  Wasser- 
eises,  bei  denen  mehr  als  eine  Oberfläche  zu  erhalten  war, 
unterstützte  die  Schmelzbarkeit  des  Originals  die  Genauig- 
keit des  Abdruckes  ungemein.  Ich  hüllte  ein  solches  Stück 
rasch  in  das  abgekühlte  Wachs,  welches  fest  ängeprefst  wurde, 
und  liefs  es  nun  liegen  bis  sein  Inhalt  in  Wasser  verwan- 
delt war.    "Durch  dieselbe  kleine  Oeffnung,  durch  welche 

1)  Diese  feine  Sorte  ist  leider  nar  in  gröfseren  Städten  %n  finden;  wir 
waren  daher  gezwungen,  jedesmal  davon  in  die  Alpen  einco  kleinen 
Yorrtth  mitzunehmen. 


181 

das  Wasser  entleert  Trorde,  gofs  ich  den  Gjps  ein  und 
▼ermied  so  das  unangenehme  Aufschneiden  der  Patrone, 

« 

was  so  leicht  eine  Verzerrung  des  Bildes  zur  Folge  bat'). 
Ich  erhielt  nach  und  nach  eine  Reihe  von  76  verschiedenen 
Eisformen,  thells  Gletscher-,  theils  Wassereis,  die  nun  un- 
mittelbar neben  einander  gehalten,  die  Beurtheilung  ihrer 
charakteristischen  Einzelheiten  ungemein  erleichterten.  Ich 
wählte  aus  denselben  jene  Formen,  welche  ich  ffir  die  am 
meisten  charakteristischen  hielt ,  und  habe  sie  auf  der  Ta* 
fei  I.  vereinigt.  Dieselben  wurden  absichtlich  nach  diesen 
Gjpsen  und  nicht  nach  der  Natur  entworfen,  weil  sich  so 
eine  weit  gröfsere  Genauigkeit  und  Sorgfalt  der  Ausführung 
erreichen  liefs. 

Die  ersten  Spaltenanlagen  sehen  wir  dort  an  den  ver- 
schiedenen Gegenständen  dargestellt.  No.  1  ist  die  Ober- 
fläche eines  Eisblockes  der  im  Februar  1847  unter  Schnee 
und  kleiiverem  Eise  gelegen  hatte;  No.  2  der  Abdruck  der 
Wand  einer  Gletscherspalte,  nahe  dem  Firnmeere  und  No.  3 
ist  wieder  Wassereis.  Das  letztere  bildete  einen  leicht 
convexen  Ueberzug  von  l.j  Centimeter  Dicke  über  einen 
Stein  in  der  Höhle  des  Marcellgletschers.  Es  war  durch 
die  öftere  Bespülung  des  Gletscherbaches  entstanden.  .Ueber- 
all  erstreckten  sich  feine  Risse  von  dem  Netze  der  Ober- 
fläche auch  in  die  Tiefe;  No.  3  das  dünnste  Stück  zerfiel 
bei  der  Berühnung  in  einzelne  prismatische  Fragmente.  Diese 
Risse  sind  es,  welche  am  Gletscher  als  Haarspalten  bekannt 
sind;  sie  finden  sich  jedoch  am  Wassereise  ebenso  gut,  die 
von  ihnen  eingeschlossenen  Theile  sind  aber  noch  nicht 
das,  was  wir  am  Gletschereise  Körner  nennen  wollen;  die 
Haarspalten  unterscheiden  sich  durch  ihre  geringe  Weite 
sehr  wesentlich  von  den  Räumen,  welche  gewöhnlich  die 
Gletscherkörner  trennen.  Da  sie  jedoch ,  wie  wir  sehen 
werden,  den  letzteren  vorhergehen  und  sie  bedingen,  so 
müssen  wir  schon  jetzt  ihre  Entstehung  betrachten. 

1 )  Zur  biesseren  Erhaltung  wurden  die  Modelle  mit  lieifscra  Stearin  über- 
zogen, und  so  lange  erwärmt,  bis  dieser  Ueberzug  eingedrungen  war. 
Sie  wurden  dadurch  fester  und  erlaubten  audi  das  Eintauchen  in  Wasser. 


182 

Beßndet  sich  Eis  in  einer  Temperatur  Tön  0^^  oodl  folgt 
darauf  eine  bedeutende  Erniedrigongy  so  zieht  es  sich  zn^ 
sammen  ^);  und  es  ist  für  die  folgenden  Betrachtangen  nicht 
unwichtig,  dafs  diese  YoInmenTeränderung  grOfser  ist,  ah 
sie  bei  irgend  einem  anderen  festen  Körper  beobafchtct 
wurde. 

Die  lineare  Ausdehnung  beträgt  ffir  I^"  C.  =0,0000375 

Bei  einem  langsamen  Erkalten  bleibt  die  Zusammeuzie- 
hung  allerdings  gleichmäfsig;  allein  ist  der  Temperatunii^ech- 
sel  ein  schnellerer,  so  wird  das  Eis  bei  einiger  Dicke  sich 
an  allen  Oberflächen  rascher  zusammenziehen  als  im  Innerren 
und  daher  Risse  erhallen,  welche  sich  an  der  Oberfläche 
zu  einem  unregelmäfslgen  Netze  vereinen. 

Als  Unterstützung  für  die  Annahme,  dafs  die  Haarspal- 
ten durch  Temperaturdifferenzen  entstehen^  darf  auch  die 
Richtung  derselben  angeführt  werden.  Sie  gehen  nämlich 
jedesmal  von  jener  Oberfläche,  welche  der  Kälte  aus- 
gesetzt ist,  rechtwinklich  gegen  das  Innere,  und  zwar  so 
regelmäfsig,  dafs  sie,  wenn  die  des  Eises  ein  Cjlinder  ist, 
radienförmig  gegen  die  Axe  desselben  convergiren,  und  den- 
selben in  keilförmige  Stücke  zerfallen  machen.  Um  mich  zu 
überzeugen,   dafs   die   Richtung  der  Spalten  von   der  ur- 

1)  C.  Brunner  in  PoggcndorfPs  Ann.  1845.  Bd.  64.  S.  115.  An- 
naUs  de  chirnie  et  de  physique  t,  XI F.  S.  378  und  Slruve,  Butt, 
Acad,  St.  Peiersb.  1845.  /.  iF.  S.  170.  PoggcndorfPs  Ann.  1845. 
Bd.  66,  S.  298. 

Struve  fand  die  Ausdehnung  des  Eises  noch  gröfser,  namli'ch  0,000052 
für  1°  C. 

2)  Zur  Yergleichnng  mögen  folgende  Ausdehnuogscoeflicienten  dienen: 
Zink  gehämmert  =  0,00003 1 1  =  j^igö  8  m  c  a  t  o  n. 
Blei                                            =  0,0000288  =  s^Jöö  E  "  i  c  o  t. 
Kalkspath  (nach  der  Ha« jita i e)  ==  0,0000286  =  5 Jgg  Mitscherlicli. 
Zinn                                               » 0,0000248« ,9455  SmeotoD. 
Silber                                               =  0,0000208  =  jsJw  Troughioo. 
Messing  (gegosscu)                       =  0,0000188  =  55 Jgj  Lavoisier. 
Eisen                                                =0,0000119  =  55450  Berthollet. 

G  lasslab  =  0,0000081  =  nsW  Roy. 

(Nach  Baumgartncrs  Supplemeniband  Seite  919—^22.) 


183 

SprQDglidtat)  Lag«,  in  welchäf  das  Eis  uch  bildete,  ganz 
Fig.  %  unabhüngig   iet,    brachte   ich 

eine  Eisplatte  in  eine  solche 
Stellung,  dats  ein  Theil  der- 
selben a  der  Fig.  2.,  frei  war, 
irfibrend  ihr  zweites  Ende  vom 
anderen  Eise  uH>gebcn  wurde. 
Obgleich  die  Kaufile  im  freieo 

StelluDC  der  Kanäle  id   IjorlzonialcD    ~,     .,  i     .r  • 

Plauta.  Theile  ganz  regelmKIsig  ver- 

liefen, zeigten  sie  gegen  c  bedeutende  VerkrfimmuDgeD,  da- 
darch  bedingt,  dafs  die  KBltc  von  den  Platten  d  und  e 
nicht  so  gut  zugeführt  wurde  als  von  der  AtmospbHre.  Auch 
an  den  Ecken,  wie  bei  der  Platte  d,  sehen  wir  nicht  sel- 
ten UnregelmafsigVeiten,  in  diesem  Falle  von  dem  Ein- 
flüsse der  Flache  f  herrObrend. 

Bei  grofscr  Kälte  dürfen  wir  nach  diesen  Voraussetzun- 
gen erwarten,  dafs  die  Spalten  bSufiger  eiiid,  sich  nSber 
sieben,  also  an  der  Oberfläche  ein  engeres  Nelz  bilden. 
Diefs  ist  in  der  Tbat  der  Fall,  und  dehnt  sich  so  weit  ans, 
dafs  unter  solchen  Umständen  das  Eis  in  kleinere  Stocke 
zerföllt,  als  bei  geringeren  Extremen  der  Temperatur. 

Man    könnte   vielleicht    die   Anlage    des  Spaltennetzes 
wenigstens  an  der  Oberfläche  nicht  der  Kalte,  sondern  ge- 
rade dem  entgegengesetzten  Umstände,  dem  Schmelzen  In 
der  Wärme  zuschreiben,   wenn  man  bedenkt,  dafe  das  zu 
f'S-  3.  untersuchende  Eis  nicht  ein  einziges 

Kr^stallindividuum  ist,  sondern  aus 
vielen  einzelnen  besteht,  wobei  die 
grOfeereu  vielleicht  langsamerschmel- 
zen als  die  kleineren.  Es  wBre  dann 
diese  Erscheinung  jener  nicht  unähn- 
lich, dafs  die  Oberflächen  von  Mc- 
tallplatten  von  SSuren  nicht  gleich- 
mäfsig  angegriffen  werden,  Bondern  ' 
mannigfache  Vertiefungen  und  Erhö- 
Er>i«Aoiagc  i.  Spaii™nei«>  """»g«»  erhalten.  Allein  dieser  An- 
dureh  4!«  Loupe  gcKbeo.    eicbt    widerspricht    die   Forlscizung 


184 

rechtwinkliger  Risse  in  die  Tiefe,  die  daraus  nicht  erklSrt 
werden  können,  und  die  völlige  Ordnungslosigkeit  der  Netze 
an  der  Oberfläche.  Das  letztere  läfst  sich  am  besten  an  den 
ersten  Anfängen  beurtheilcn ;  ich  theile  daher^  das  kleinste 
Spaltennetz  mit,  welches  ich  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte. 
Es  ist  unter  achtmaliger  linearer  Yergröfsernng  gesehen, 
und  war  an  einem  dicken  Blocke  von  Wassereis  entstan- 
den. An  demselben  waren  vor  dem  Versuche  alle  Ober- 
flächen dadurch  erneuert  worden,  dafs  wir  ihn  in  einem 
Zimmer  von  + 16^  C.  bedeutend  abschmelzen  liefsen;  er 
wurde  dann  während  einer*  Nacht  ins  Freie  gebracht,  bei 
welcher  die  Temperatur  auf  —  11^  C.  sank;  ich  glaube 
nicht,  dafs  sich  in  diesen  Linien  irgend  eine  Regelmäfsig- 
keit  erkennen  läfst,  die  auf  Zusammenhang  mit  Krjstall- 
formen  hindeutete.  (Die  runden,  dunkel  eingefafsten  Kör- 
per waren  eingeschlossene  Luftblasen). 

Bei  einer  Abhängigkeit  von  den  letzteren  liefse  sich  auch 
erwarten,  dafs  Eis  unter  dem  Mikroskope  langsam  schmel- 
zend den  Umrifs  seiner  Bänder  ungleich  veränderte,  und 
einzelne  Ecken  oder  Kanten  sich  bildeten ;  allein  diefs  6n- 
det  nicht  statt,  sondern  das  Abschmelzen  ist  auch  bei  star- 
ker Yergröfsernng  ein  ganz  gleichmäfsiges. 

Wir  betrachteten  bisher  das  Eis  als  eine  ganz  gleich- 
artige Masse,  welche  sich  unter  dem  Einflüsse  der  Kälte 
spaltete;  allein  dicfs  können  wir  nur,  so  lange  wir  ihre 
Anlage  nahe  den  Oberflächen  betrachten.  Bei  dem  weite- 
ren Eindringen  erleiden  diese  Spalten  dadurch  wesentliche 
Veränderungen,  dafs  der  Zusammenhang  des  Eises  an  vie- 
len Stellen  durch  Luftblasen  unterbrochen  ist.  Bei  dem 
Uebergange  aus  dem  flüssigen  in  den  festen  Zustand  wird 
die  vom  Wasser  absorbirte  Luft  frei;  die  Trennung  ist  so 
vollkommen,  dafs  selbst  Eis  aus  vorsichtig  und  lange  aus- 
gekochtem Wasser  noch  immer  einige  Luftbläschen'  zeigt. 
Schon  im  gewöhnlichen  Wassereisc  .sind  sie  daher  sehr 
zahlreich,  noch  mehr  in  jenem  des  Gletschers,  welches  aus 
Firnkörnern  und  infiltrirtem  Wasser  entstanden  ist. 

Diese  Luftblasen  wirken  auf  die  Spalten  in  doppelter 


185 

Beziefaang  modificireud  ein.  Sie  bestimmen  den  Ort  ihrer 
Eutstehung  und  theilweise  auch  ihre  Richtung,  indem  ge- 
rade au  jenen  Stellen  die  Zerklüftung  am  leichtesten  ein« 
tritt,  wo  der  gleichartige  Zusammenhang  der  Massen  un- 
terbrochen ist.  Analoge  Fälle  finden  sich  aufser  dem  Eise 
an  allen  Körpern,  z.  B.  an  gegossenen  Metallen,  die  Luft- 
blasen eingeschlossen  haben,  an  Glas,  Porcellan  u.  s.  w. 
Es  werden  demnach  bei  fortgesetzter  Zerklüftung  vor  al- 
lem die  Blasen  nach  verschiedenen  Richtungen  unter  sich 
verbunden,  und  diesem  Umstände  ist  es  vorzüglich  zuzu- 
schreiben, dafs  das  Eis  des  Gletschers  sich  nicht  nur  in 
längliche,  sondern  auch  fast  cubische  Stücke  trennt. 

Ein  zweiter  Einflufs  der  Luftblasen  auf  die  Haarspal- 
len  besteht  in  der  Veränderung  ihrer  Form.     Sobald  eine 
Haarspalte,  in   eine  Luftblase  mündet,   trifft  sie  au  dieser 
Stelle  eine  bedeutende  Erweiterung.  Eindringendes  Schmelz- 
wasser und  die  gegenseitige  Communication  mehrerer  Luft- 
blasen durch  Haarspalten  machen,  dafs  bald  kleine  „Kanäle'' 
entstehen,   die  in  ihrer  Form  von  den  Haarspalten  abwei- 
chen; sie  nehmen  vielmehr  die  Gestalt  von  vielen  Kugeln 
an,  die  durch  einen  hohlen  Cjlinder  zu  einem  gemeinschaft- 
lichen, nicht  vollkommen  gleichartigen  Ganzen  verbunden 
sind.    Am  deutlichsten  sieht  man  diefs  an  !No.  4.  der  Taf.  L 
Es  ist  das  vorliegende  Stück    der  Durchschnitt    einer 
Reihe  solcher  Kanäle,   wie  wir  sie  am  Wassereise  an  ei- 
ner Stelle  bemerkten,  wo  gerade  viele  derselben  in  einer 
Ebene  lagen.    Die  letztere  stand  senkrecht  auf  der  hori- 
zontalen Oberfläche   der  Eisdecke.     Wenn   solche  Kanäle 
durch  Aussaugen  des  Wassers  an  einem  ausgehaueuen  Stücke 
mit  Luft  erfüllt  werden,   so   erscheinen   sie  besonders  bei 
)ener  Stellung  des  Eises  sehr  deutlich,  in  welcher  eine  to- 
tale Reflexion    des   Lichtes    stattfindet.      Gewöhnlich    ver- 
schwinden  sie  unter  der  Einwirkung  zu   grofser  W^ärroe 
beinahe  unmittelbar  nach  ihrem  Entstehen,  und  machen  sich 
nur   durch   ihren  Einflufs   auf  die  Bildung  der  Kanäle  be- 
merkbar. 

Wenn  solche  Kanäle  in   geringer  Entfernung  sich  bc- 


186 

finden,  so  rersdundzen  sie  seitlich,  and  isoliren  nach  und 
nach  ehixelne  Stficke  Eises.  Dieses  tritt  rat  allem  am 
Gletscher  ein,  der  so  reich  an  Luftblasen  ist,  daher  auch 
dort  die  Gletscherkörner  so  besonders  deutlich  entwickelt 
sind.  Uebrigens  liefert  auch  Wassereis  ganz  analoge  For- 
men, wie  uns  die  Vergleichung  von  No.  5  und  6  Taf.  I. 
zeigt.  Die  KanSle  stehen  dabd  in  einzelnen  dichteren 
Gruppen  gesondert,  anfangs  bilden  sie  unregelmäfsig  cjüd* 
drischc  Röhren,  deren  trennende  Wände  aber  immer  mehr 
verschmelzen  und  zuletzt  nur  noch  dfinne  Kanten  und  Eckeo 
übrig  lassen,  welche  den  Kömern  eine  rauhe  Oberfläche 
ähnlich  einer  Feile  geben.  No.  6  Taf.  L  ist  von  Wasser- 
ds:  die  feilenartige  Rauheit  der  Oberflädie  sdien  wir  be- 
sonders schön  an  No.  7. 

Die  Bildung  von  Rissen  geht  der  Anlage  von  Kanälen 
stets  voraus  und  bedingt  sie;  allein  das  schöne,  feine  Spal- 
tennelz  der  Oberfläche,  wie  wir  es  in  den  Abdrücken  1—3 
Taf.  I.  kennen  lernten,  wird  nicht  immer  so  deutlich  sicht- 
bar; die  gröfste  Anhäufiing  der  Spalten  beschränkt  sich 
zunächst  auf  die  Oberfläche;  wird  diese  Schicht  durch 
Schmelzen  entfernt,  so  bleiben  zuletzt  nur  Kanäle  fibrig, 
aus  einzelnen  in  die  Tiefe  sich  fortsetzenden  Rissen  ent- 
standen. Dieis  ist  die  Ursache  davon,  daCs  wir  in  den  ein« 
zelnen  deutlich  isolirenden  Gletscherkömern  nur  selten 
Haarspalten  bemerken;  an  Eise,  welches  vor  Schmelzen 
weniger  geschützt  ist,  treten  nur  die  Kanäle  auf;  ein  Bei- 
foid  dafür  sehen  wir  au  No.  6  Taf.  1  ' ). 

])a  gröfserc  Kanäle  den  Eintritt  der  Luft  und  die  Er- 
^InDUUg  des  Wassers  etwas  über  0°  sehr  erleichtern,  so 
g^chiebt  es,  dafs  sie  jetzt  selbst  theilweise  zerstörend  ein- 
wirken. Daher  werden  die  Theile,  die  zwischen  den  MQn- 
dungeu  der  Kanäle  liegen,  stets  ein  wenig  convez.  An 
manchen  Stellen  des  Gletschers  verbindet  sich  mit  der  Kälte 
auch  der  Zug   der  Masse   thalabwärts,  um   die  Spaltenbil- 

1)  Das  Original  wurde  iin  Mai-s  1847  im  Freien  beobachtet;  die  Eis- 
ina$6cn,  die  wahrend  des  Sommers  in  Kellern  aufbewahrt  werden,  cfi- 
gon  ganz  dasselbe. 


187 

doDg  an  einzeloen  Theilen  besonders  häufig  zu  machen; 
auch  diese  Grappen  von  Spalten  setzen  sich  mit  Luftbla- 
sen in  Verbindung  und  werden  so  zu  Kanälen,  die  das  Eis 
in  grofsen  Massen  und  in  sehr  bestimmten  Riehtungen  durch- 
ziehen. Dabei  ist  die  ursprünglich  eingeschlossene  Luft 
durch  Wasser  ersetzt;  das  Eis  erhält  dadurch  an  diesen 
Stellen  eine  weit  gröfsere  Durchsichtigkeit  und  erscheint 
blau  gegenüber  dem  blasenreieheren,  weifsen  ^). 

Die  Gröfse  der  Fragmente ,  in  welche  das  Wassereis 
zerfällt,  ist  an  diesem  wie  am  Gletscher  sehr  wechselnd. 
An  Platten,  welche  dick  genug  sind,  die  ganze  Reihen- 
folge der  Erscheinungen  zu  zeigen,  bemerken  wir,  dafs  die 
ersten  prismatischen  Körper,  in  die  es  zunächst  der  Ober- 
fläche zerfällt,  kleiner  sind  als  die  später  entstehenden; 
ein  Vorgang,  der  )enem  sehr  ähnlich  ist,  dafs  die  Glet- 
scherkörner an  den  oberen  Parthien  kleiner  sind  als  nahe 
dem  Gletscherende. 

Ffir  den  Gletscher  hat  man  die  Erklärung  der  wech- 
selnden Gröfse  auf  verschiedene  Weise  versucht.  Zuerst 
ging  man  von  den  Formen  des  Firnes  aus,  denn  auch  bei 
diesem  bemerkt  man,  dafs  die  Gröfse  seiner  Körner  mit 
dem  Alter  zunimmt.  Dort  wird  die  Vergröfserung  dadurch 
herbeigeführt,  dafs  durch  die  Befeuchtung  des  einzelnen 
Kornes  mit  dem  Schmelzwasser  concentriscbe  Schichten  um 
dasselbe  sich  ablagern.  Man  kann  sich  davon  sehr  deut- 
lich an  den  Schneemassen  überzeugen,  die  auch  in  den 
Ebenen  an  beschatteten  Stellen  sehr  lauge  sich  erhalten. 
Am  schönsten  fanden  wir  eine  solche  Bildung  in  einem 
grofsen  Gefäfse  voll  Schnee,  den  wir  in  München  im  Freien, 
aber  an  der  Nordseite  eines  Hauses  vor  directer  Beson- 
nung geschützt,  im  Jahre  1847  vom  Januar  bis  Mitte  März 
aufbewahren  konnten:  es  wurde  dabei  nur  die  Vorsicht 
gebraucht,  den   Boden   des  Gefäfses   an   mehreren   Stellen 

1  )  Diese  blauen  Bänder  sind  für  die  Sliuctur  des  Gletschers  durch  Ihre 
VerlheiluDg  und  ihre  Neigunj;  sehr  charakteristisch;  der  Gegenstand  dieser 
Abhandtang  erlaubt  nicht,  sie  in  ihrem  Zusammenhange  mit  dco  allge- 
meineren  Erscheinungen  des  Gletschers  näher  ku  untersuchen. 


188 

ZU  durchlöchern;  wir  verschafften  aof  diese  Weise  dem 
zu  reichlichen  Schmelzwasser  einen  beständigen  AbflaÜB. 
Da  noch  häufige  Nachfröste  eintraten,  erlangten  die  Schnee- 
körner eine  Dicke  von  i  —  1  Millimeter. 

Es  war  sehr  natürlich,  dafs  diese  Vorgänge,  welche 
man  in  der  Natur  vielfach  beobachten  kann,  anfangs  auch 
auf  die  Bildung  der  Gletscherkörner  angewendet  worden. 
Allein  schon  eine  theoretische  Betrachtung  aller  Nebennm- 
stände  läfst  die  Unwahrscheinlichkeit  dieses  Vorganges  er- 
kennen. Denn  würden  sich  diese  concentrischen  Eisschich- 
ten bilden,  so  müfsten  die  Kanäle  in  jeder  Nacht  sich 
schliefseu,  in  welcher  die  Temperatur  bedeutend  unter  0' 
sinkt,  was  in  diesen  Höhen  nicht  selten  ist.  Allein  gegen 
das  Schliefseu  derselben,  selbst  in  der  Nähe  der  Oberfläche, 
sprechen  die  lufiltrationsversuche,  welche  wir  später  aus- 
führlicher behandeln  werden  ^ ). 

Ich  glaube,  dafs  die  Ursache  des  Gröfserwerdens  der 
Gletscherkörner  dieselbe  ist,  welche  auch  das  Wassereis 
nach  und  nach  in  gröfsere  Fragmente  zerfallen  macht.  We- 
sentlich ist  dabei  der  Grad  der  Kälte  und  ihr  Eindringen 
in  das  Innere.  Am  Wassereise  sind  deshalb  die  kleinsten 
Fragmente  in  der  Nähe  der  Oberfläche  und  bei  noch  nicht 
starker  Kälte  bemerkbar;  ins  Innere  setzen  sich  die  Risse 
weit  weniger  zahlreich  fort,  daher  treten  auch  dort  die 
Kanäle  mehr  vereinzelt  auf,  die  Stücke  werden  gröber, 
wenn  die  erste  Schicht  entfernt  ist.  Am  Gletscher  ist  die 
gröfste  Kälte  au  den  höchsten  Theilen,  in  der  Nähe  der 
Firnmeere,  daher  dort  auch  das  kleinkörnigste  Zerfallen. 
Das  Eis  bewegt  sich  zwar  nach  abwärts,  und  ein  Stück, 
welches  wir  jetzt  am  Gletscherende  in  grofse  Körner  zer- 
fallend beobachten,  hat  vor  einer  langen  Periode  eben- 
falls unter  der  Firnlinie  sich  befunden;  allein  der  Tempe- 
ratur dieser  Höhen  war  es  damals  nicht  ausgesetzt,  da  es 
wegen  des  grofsen  jährlichen  Abschmelzens  früher  sich  tief 
unter  der  Oberfläche  befunden   haben  mufste.     Am  Ende 

1)  llugi  schreibt  die  Vergröfscrung  der  Körner  der  Absorption   toq  Ga- 
sen aus  der  Atmosphäre  zu.     Wesen  der  Gletscher.     S.  9. 


189 

jedes  Winters  liefse  sich  demnach  eine  stärkere  Zerklüf- 
tung in  der  Nahe  der  Oberfläche  an  jedem  Theile  des 
Gletschers  erwarten;  allein  diese  Schicht  verschwindet  bald; 
und  was  wir  im  Sommer  beobachten,  ist  davon  abhängig, 
wie  tief  die  Intensität  der  Kälte  ins  Innere  eingedrungen, 
wie  dicht  gedrängt  die  Bisse  sich  noch  einige  Meter ' )  un- 
ter der  Oberfläche  während  des  Winters  verbreiteten.  Es 
läfst  sich  erwarten,  dafs  diefs  am  Gletscher  um  so  weni- 
ger der  Fall  war,  je  mehr  wir  uns  seinen  tiefer  gelegenen 
Theilen,  seinem  Ende  nähern;  das  Zerfallen  in  alimälig 
gröfsere  Körner  spricht  ebenfalls  entschieden  dafür. 

In  günstigen  Fällen  haben  wir  sogar  einen  Beweis,  der 
noch  directer  unsere  Voraussetzung  unterstützt.  Es  geschieht 
nicht  selten,  dafs  von  secundären  Gletschern,  die  nahe  ei- 
nem Felsenabhange  sich  befinden,  Stücke  abbrechen  und 
auf  einen  tiefer  gelegenen  primären  Gletscher  hinabfallen. 
Es  werden  dabei  die  innersten,  ganz  compacten  Eismassen 
hinabgerissen;  tritt  diefs  noch  vor  dem  Ende  des  Winters 
ein,  in  der  Zeit  also,  in  welcher  dieses  Stück  dieselben 
Einwirkungen  der  Kälte  erfährt,  wie  jene  Stelle  des  Glet- 
sdiers,  auf  welche  es  fällt:  so  trennt  es  sich  in  Fragmente 
von  derselben  Gröfse  wie  seine  Unterlage,  während  es  in 
der  früheren  Lage  in  weit  kleinere  Stücke  zerfallen  wäre. 
Und  doch  haben  diese  Massen  in  wenigen  Sekunden  eine 
verticale  Höhe  zurücklegt,  zu  der  sie  als  Theile  eines  re- 
gelmäfsigen  Gletschers  eben  so  viele  Decennien  gebraucht 
haben  würden.  Auch  Wassereis  müfste  nach  dieser  Ansicht, 
auf  den  Gletscher  gebracht,  genau  in  dieselben  Massen  zer- 
fallen wie  dieser.  Es  findet  sich  solches  auf  jedem  Glet- 
scher von  selbst,  und  bietet  ungemein  belehrende  Formen. 
Wenn  eine  Spalte  mit  Wasser  erfüllt  ist,  so  setzen  sich 
an  die  Wände  derselben  Schichten  von  Wassereis  an  und 
schliefsen  sie  alimälig  mit  einem  soliden  Pfropfe  von  Eis. 
Auch  dieses  zerfällt  in  Körner,  die  sich  einzeln  von  jenen 
der  Umgebung  in  nichts  unterscheiden  lassen;   nur  die  ge- 

1 )  Ueber  die  genaaen  Angaben  dts  sommerlichen  Abschmelzens  des  Glet- 
schers siehe  Gap.  VII. 


190 

riogere  Menge  tod  Luftblasen  macht,  dafa  sidi  eine  solche 
Stelle  sehr  deutlich  durch  eine  mehr  lichtblaue  Farbe  aus- 
zeichnet. In  Folge  der  schalenförmigen  Ablagerung  des  Ei- 
ses bei  seinem  Entstehen  sind  auch  die  Körner  im  Groben 
ähnlich  gelagert,  ohne  deswegen  in  ihren  individuellen  For- 
men im  Mindesten  beeinträchtigt  zu  seyn.  Es  wird  Jeder- 
mann zugestehen,  dafs  das  in  diesen  wassererfQllten  Spalten 
gebildete  Eis  mit  dem  Gletschereise  nicht  mehr  zusammen- 
hängt als  jenes,  welches  gefrorenes  Wasser  in  einem  Gefäfse 
liefert. 

Schmilzt  Eis  in  gröfseren  Massen,  so  bleibt  seine  Ober- 
fläche nicht  glatt  oder  gleichförmig,  sondern  erleidet  be- 
deutende Veränderungen,  die  sich  in  zwei  Gruppen  brin- 
gen lassen.  Die  eine  derselben  sind  die  muldenförmigen 
Flächen  an  verticalen  Eiswänden  und  an  den  Decken  der 
Höhlen,  die  andere  die  kleineren  Unebenheiten  des  Eises. 

Die  ersten  bemerkt  mau  besonder^  schön  an  Spalten- 
wänden,  und  an  solchen  Stellen  in  der  Nähe  der  Ufer,  wo 
Stöcke  des  Gletschers  abbrachen  und  freie  verticale  Wände 
zuröckliefsen.  Auch  an  Spalten  im  Firne,  und  an  jähen 
Aufscuseiten  angehäufter  Schneemassen  sind  sie  sehr  deut- 
lich. Sie  lassen  sich  ihrer  Form  nach  mit  nichts  besser 
vergleichen  als  mit  einer  Fläche,  die  man  an  einem  weichen 
Körper  dadurch  erhält,  dafs  man  denselben  mit  einem  Löf- 
fel durch  Abtragen  zu  ebnen  sucht,  wodurch  eine  Reihe 
concaver  Einschnitte  entsprechend  der  Conveiität  des  Löf- 
fels zurückbleiben.  In  dem  oberen  Theile  ist  )ede  solche 
Coneavität  beinahe  kreisrund;  nach  unten  wird  sie  flacher 
und  weiter,  so  dafs  ihre  seitlichen  Bcgränzungen,  den  Aesteo 
einer  Hyperbel  ähnlich,  auseinander  weichen.  Am  schön- 
sten und  regclmäfsigsten  bemerken  wir  diese  Formen  im 
Innern  der  grofscn  Höhlen,  welche  sich  am  Austritt  der 
Gietscherbäche  bisweilen  finden,  nur  sind  sie  an  der  Dede  || 
mehr  kreisrund  als  an  den  Wänden.  Da  sie  hier  auch  sehr  Ij 
glatt  und  spiegelnd  sind,  so  reflectiren  sich  in  ihnen  he- 1| 
leuchtende  Wellen  des  Baches  und  andere  helle  Punkte 
unzählige  Male;  sie  geben  dadurch  dem  Eüngange  aolGherll^ 


191 

Höhlen  einen  ungemeinen  Reiz.  Die  Erklärung  dieser  son- 
derbaren Formen  ist  nicht  ohne  Schwierigkeit;  folgende 
dürfte  jedoch  nicht  ganz  unwahrscheinlich  seyn.  Wenn  an 
irgend  einem  Punkte  das  Schmelzen  beginnt,  so  läuft  das 
entstandene  Wasser  weg  und  schützt  die  Umgebung  dadurch, 
daCs  es  eine  ganz  feine  Schicht  bildet,  die  verdunsten  mufs, 
ehe  auch  dort  das  Schmelzen  beginnen  kann;  so  erhalten 
wir  in  den  regelmäfsigsten  Fällen  Kugelsegmente,  wie  an 
den  Decken  der  Höhlen;  rücken  sich  durch  fortgesetztes 
Schmelzen  die  begränzenden  Flächen  dieser  Kugelsegmente 
immer  näher,  und  schneiden  sie  sich,  so  bleiben  spitze  pj- 
ramidenartige  Gestalten  übrig,  die  sich  besonders  an  den 
Decken  von  Schnee-  und  Firuhöhlen  finden. 

An  verticalen  Wänden,  wo  das  entstandene  Schmelz- 
wasser nicht  nach  allen  Seiten  gleichmäfsig  abläuft,  sondern 
vorzüglich  nach  unten,  sind  auch  dort  die  gröfsten  Vor- 
sprünge, was  statt  der  regelmäfsigen  Kreisformen  der  Dek- 
ken  die  erwähnten  eliptischen  Eindrücke  zurückläfst.  Die 
erste  Ursache  davon,  dafs  das  Abschmelzen  nicht  überall 
gleichmäfsig  eintritt,  mag  wohl  mit  der  vorausgehenden  Risse- 
und  Körnerbildung  zusammenhängen. 

Diese  löffeiförmigen  Erosionsflächen  sind  nicht  auf  die 
Gletscher  und  den  Schnee  der  Alpen  allein  beschränkt;  sie 
sind  auch  bei  Expeditionen  in  höhere  Breiten  regelmäfsig 
erwähnt,  und  machen  sich  an  groben  Anhäufungen  von 
Scbneemassen  fast  überall  bemerkbar. 

Kann  das  Schmelzwasser  sich  sammeln,  bildet  es  nicht 
eine  dünne  bald  verdunstende  Schicht,  so  trägt  es  nicht 
zur  Erhaltung,  sondern  zur  Zerstörung  des  Eises  bei,  in- 
dem es  sich  bei  directer  Besonnung  etwas  Über  0^  erwärmt. 
Es  erweitert  dann  die  Kanäle  bedeutend  und  bildet  be- 
sonders da,  wo  jene  häufig  sind,  in  den  blauen  Bändern, 
kleine  Thäler  von  der  mannigfaltigsten  Verzweigung  bis  zu 
2  Centimeter  Tiefe.  Ein  Beispiel  dafür  ist  No.  12  der 
Tafel  I. 

Es  dürfte  nicht  uninteressant  seyn,  bei  dieser  Gelegen- 
heit noch  einmal  auf  die  Erscheinungen  am  Wasaereise  zu- 


192 

rückzukoinmeiiy  and  die  UnebenheUen  za  betraditen,  weldie 
auch  dieses  bei  längerem  Schmelzen  anuimnikt«  Wir  batten 
bei  uDsercu  Beobachtungen  an  den  KanSlen  in  Nymphen- 
burg  und  bei  jenen  am  See  im  englischen  Garten  bei  MQn* 
eben  den  Yortheil,  zwei  Gruppen  zu  betrachten,  die  anter 
etwas  verschiedenen  Umständen  sich  befanden;  am  ersteren 
Orte  lag  das  Eis  auf  Wasser,  am  zweiten  auf  festem  Bo- 
den. Bei  beiden  zeigten  sich  schon  sehr  bald  bedeutende 
Unebenheiten,  welche  an  vielen  Stellen  jene  des  Gletschers 
tibertrafen:  deswegen  wohl,  weil  hier  das  Schmelzwasser 
wegen  der  grofsen  Horizontali  (fit  nicht  wie  am  Gletscher 
wenigstens  theilweise  zu  Bächen  sich  vereinigte  und  so  ab- 
flofs,  sondern  nur  durch  die  entstandenen  verticalen  Kanäle 
einen  sehr  beschränkten  Ausweg  fand.  Wo  das  Wasser 
sogleich  entfernt  würde,  dürften  sich  demnach  keine  solchen 
Vertiefungen  bilden;  diefs  ist  in  der  That  der  Fall  an  der 
porösen  Oberfläche  des  Schnees,  in  welchem  dasselbe  rasch 
nach  seiner  Entstehung  versinkt.  Wo  Wasser  unter  dem 
Eise  war,  blieb  die  Unterfläche  stets  glatt,  und  die  Kanäle 
bildeten  hier  ganz  deutliche  Kömergränzen,  sehr  Shnlidh 
jenen  No.  5.  Taf.  I.  Ganz  dasselbe  zeigt  die  UnterAäche 
jeuer  grofsen  Eisblöcke,  welche  in  manchen  GUtscherseen 
umherschwimmen.  Einen  sehr  schönen  Abdruck  davon  ep 
hielten  wir  Ton  einem  Blocke  des  Sees  im  grünen  Thor 
(Pasterzengletscher),  welcher  in  No.  11  Taf.  I.  wiederge- 
geben ist  und  zugleich  als  besonders  deutliche  Entwicke- 
lung  der  Kömergränzen  unsere  Berücksichtigung  verdienle. 
Die  erhabensten  Stellen  am  Eise  von  Njmphenburg  halten 
noch  am  2.  März  15  — 16  Centimeter,  die  dünnsten  5—6 
Centimetcr;  es  blieb  demnach  den  ersteren  eine  relative 
Höhe  von  10  Centimeter:  später  schmolzen  die  dickeren 
auf  4  —  5  Centimeter  ab,  während  die  dünneren  Parthien 
kaum  1  Millimeter  betrugen,  und  zuletzt  waren  es  einzelne 
Fragmente,  welche  im  Wasser  lose  herumschwammen'). 

Anf 

1 )  Im  Winter   1850  beobachtete  ich  auch  an  den  Kanälen  dct  Thioipr- 
ten«  bei  Berlin  die  Bildung  d«r  Bisse  sehr  deutlich. 


193 

Aaf  frockner  Unterlage  waren  ebenfalls  bedeutende  Un- 
ebenheiten der  Oberfläche  bemerkbar,  aber  auch  die  untere 
Seite  war  hier  nicht  glatt,  sondern  höckerig  und  trug  da- 
durch bei,  dafs  dieses  Eis  weit  schneller  als  das  erstcre 
in  Gruppen  von  isolirten  Fragmenten  zerfiel,  die  bisweilen 
10  bis  12  Cubikcentimeter  Masse  hatten. 

VertheiluDg  der  KaDftle  im  loDern. 

Die  bisher  betrachteten  Erscheinungen  sind  am  Glet- 
scher vorzugsweise  über  die  Oberfläche  verbreitet.  Die 
deutliche  Körnerbildung  erstreckt  sich  zwar  auch  etwas  in 
die  Tiefe;  jedoch  dürften  drei  Meter  in  verticaler  Entfer- 
nung von  jeder  der  Atmosphäre  ausgesetzten  Oberfläche 
wohl  als  Maximum  gelten;  eine  Gröfse,  welche  gegenüber 
der  ganzen  Gletschermasse  doch  eine  unbedeutende  ist. 

Ich  mufs  hier  eine  Unterscheidung  in  der  Bezeichnung 
des  Gletschereises  einführen,  die  ich  erst  später  bei  der 
Behandlung  der  Ogiven  ausführlicher  entwickeln  kann  ^). 
Man  unterscheidet  bekanntlich  ein  luftblasenreiches  Eis, 
welches  in  Folge  der  Reflection  des  Lichtes  an  den  ein- 
geschlossenen Blasen  weifs  erscheint,  und  ein  blaues ^  in 
welchem  die  Blasen  grofsen  Theils  durch  wassererfüllte 
Kanäle  ersetzt  sind;  dadurch  erhält  das  Eis  eine  gleichmä- 
(sige  lichtblaue  Farbe.  Diese  Parthien  sind  schmäler  und 
durchziehen  in  gewissen  Lagen  das  weifse  Eis,  sie  werden 
die  „blauen  Bänder''  genannt.  Nur  diese  letzteren  verbrei- 
ten das  körnige  Gefüge  bis  tiefer  in  das  Innere;  im  weifsen 
Elise  sind  e$  aber  nur  einzelne  unregelmäfsig  zerstreute  Haar- 
spalten und  Kanäle,  welche  tief  in  die  compacte  Gletscher- 
masse eindringen,  ja  ich  fand  die  letzteren  selbst  an  der 
Decke  von  Gletscherhöhlen,  wobei  sie  sicher  von  der  Ober- 
fläche kamen,  obgleich  sie  eine  Eismasse  von  60  bis  80 
Meter  durchsetzen  raufsteu. 

Der  Umstand,  der  mich  zu  dieser  Annahme  berechtigte, 
war  folgender.    Unmittelbar  über  einer  Höhle  ^)  lag  die 

1 )  Cap.  IV.  p.  83  1.  c. 

2)  Aid  Marcellgletscher. 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  13 


194 

Mittelmoräney  welche  aafser  den  schönen  grOfseren  Blöcken 
auch  sehr  viel  Schwamm  und  Sand  enthielt  Da  die  Ka- 
näle von  oben  mit  Schmelzwasser  sich  erffiUten,  so  mofste 
mit  diesem  auch  solcher  Schlamm  eintreten,  und  es  war 
zu  erwarten,  dafs  er  an  der  Decke  der  Höhle  sich  bemerk- 
bar machte,  wenn  die  Kanäle  wirklich  von  da  bis  an  die 
Oberfläche  reichten.  Diefs  war  in  der  That  hier  an  sehr 
vielen  Stellen  der  Fall;  und  directe  Versuche  durch  künst- 
liche Infiltrationen  bestätigten,  dafs  diese  Theilcfaen  wirklich 
Ton  der  Oberfläche  herabgekommen  waren. 

Die  beste  Art,  von  den  Kanälen  des  Gletschers  sich  zu 
überzeugen,  sind  die  Infiltrationsversuche  mit  gefärbten  Flüs- 
sigkeiten, welche  Agassiz  bereits  im  Anfange  seiner  Un- 
tersuchungen mit  so  vielem  Erfolge  angewandt  hatte.  Un- 
ter mehreren  Medien,  die  wir  versuchten,  fanden  wir  eine 
concentrirte  Auflösung  von  saurem  chromsauren  Kali  am 
vortheilhaftesten,  deren  sich  auch  Agassiz' bediente.  Lack- 
mus, Curcuma,  Campechenholz  sind  entweder  weit  weniger 
intensiv  gefärbt,  oder  sie  dringen  nicht  mit  derselben  Leich- 
tigkeit ein.  Das  saure  chromsaure  Kali  behält  noch  bei 
ungemeiner  Verdünnung  eine  deutliche  Weinfarbe;  setzt 
man  etwas  basisch  essigsaures  Bleioxyd  zu,  so  erhält  man 
eine  noch  intensivere  gelbe  Farbe;  die  suspendirten  Theile 
des  gefällten  Bleisalzcs  sind  nicht  so  grofs,  dafs  sie  die 
Kanäle  verstopften. 

Die  Versuche  wurden  auf  mehreren  Gletschern  theils 
im  Oetzthale,  theils  auf  der  Pasterze  in  Kärnlhen  angestellt 
Die  gemeinschaftlichen  Resjiiltate  waren  folgende:  Wurde 
die  Vertiefung  zur  Aufnahme  der  Infiltrationsflüssigkeit,  zwei 
Maafs  concentrirter  Lösung  enthaltend,  in  ein  blaues  brei- 
tes Band  gemacht,  so  entleerte  sie  sich  ungemein  rasch,  und 
liefs  sich  an  den  Wänden  der  Spalten  sehr  deutlich  bis 
zu  8  und  10  Meter  Tiefe  verfolgen,  obwohl  ich  die  Infil- 
trationsgrube stets  mehrere  Meter  vom  Bande  der  Spalten 
entfernte.  Suchte  ich  eine  Stelle  blauen  Eises,  welche  et- 
was erhaben  war,  so  verbreitete  sich  die  Infiltration  aud 
sehr  rasch  über  die  Oberfläche;  und  hier  beinahe  gleidi 


195 

stark  in  weifsein  und  blauem  Eise;  ich  fand  bei  einem  be- 
sonders glücklichen  Falle  die  madreporenartigen  verticalen 
Vertiefungen  des  Eises,  welche  von  eingesunkenen  Stein- 
eben  u.  dgl.  herrühren,  bei  einer  horizontalen  Entfernung 
▼on  40  Meter  deutlich  von  der  Infiltrationsmasse  geförbt 
and  erhielt,  als  ich  zur  Controle  etwas  essigsaures  Blei 
hinein  brachte,  augenblicklich  den  charakteristischen  Nie- 
derschlag. 

Im  weifsen  Eise  ist  die  Infiltration  anfangs  eben  so 
stark  als  im  blauen,  aber  in  der  Tiefe  nimmt  sie  ab,  sobald 
sie  die  Region  des  deutlichen  Körnergefüges  verlassen  hat. 

Auch  in  den  wassererfüllten  Stellen  des  Gletschers  (Baig 
noirs)  findet  eine  Infiltration  statt,  obgleich  ihre  Wände 
nicht  von  Gletscher-  sondern  von  neu  entstandenem  Was- 
sereise bekleidet  sind.  Dafs  sie  die  enthaltenen  Flüssigkei- 
ten nicht  ganz  wasserdicht  von  der  Umgebung  abschliefsen, 
sieht  man  auch  daraus,  dafs  diese  so  wie  die  kleinen  ma- 
dreporenartigen Löcher  des  Morgens  oft  wasserleer  sind. 
Man  könnte  diefs  theilweise  der  Verdunstung  zuschreiben, 
allein  ich  sähe  Fälle,  in  welchen  diese  nicht  von  Einflufs 
seyn  konnte;  es  bildeten  sich  in  mehreren  kalten  Nächten 
während  unseres  Aufenthaltes  auf  der  Pasterze  über  diesen 
Wasserbehälter  kleine  Eisplatten,  welche  bis  zum  nächsten 
Morgen  sehr  wohl  erhalten  blieben:  unter  ihnen  abej  war 
keine  Spur  von  Wasser  zu  finden.  Hätten  wir  nicht  die 
Stelle  von  früheren  Besuchen  her  wohl  gekannt,  und  ge- 
wufst,  dafs  das  Wasser  erst  nach  der  Bildung  der  Eüsplatte 
durch  Infiltration  verschwunden  war,  so  wäre  uns  das  Ent- 
stehen dieser  Decken  über  wasserleeren  Vertiefungen  sehr 
überraschend  gewesen.  Dieser  Umstand  machte  uns  auf- 
merksam, die  Wasserstände  an  mehreren  Orten  des  Abends 
durch  eingesteckte  eiserne  Stifte  zu  bezeichnen,  und  wir 
fanden  sie  in  der  That  des  Morgens  gewöhnlich  etwas  tie- 
fer (2  bis  3  Centimeter),  während  sie  nach  10  Uhr  von 
dem  Schmelzwasser  wieder  gefüllt  waren.  An  kalten  Herbst- 
tagen, wenn  das  Schmelzwasser  von  Tag  zu  Tage  spärlicher 
wird,  bemerkt  man  an  diesen  Stellen  die  Infiltration  be- 

13» 


196 

sonders  schön.  Es  bilden  sich  mehrere  parallele  Krusten 
von  Eis,  die  von  der  Oberfläche  beginnend  in  Abständen 
von  2  bis  3  Centimetern  nach  unten  sich  folgen.  Es  sind 
diefs  die  Reste  jener  Eisdecken,  die  sich  in  den  vorausge- 
gangenen Nächten  auf  ^er  Oberfläche  bildeten,  und  nun 
eine  gleichzeitige  Uebersicht  der  früheren  Wasserhöhen  ge- 
währen. 

Au  den  Wänden  der  Spalten  bemerkt  man  noch  ein 
anderes  Phänomen,  welches  die  allgemeine  Senkung  des 
Wassers  während  der  Nacht  anzeigt.  Des  Morgens  ist  an 
der  Oberfläche  nur  selten  verschiedenfarbiges  Eis   zu  se- 

Fig.  4.  hen;  andenSpaiteu- 

wänden  ist  zwar  die 
Streif ung  von  unten 
nach  aufwärts  so 
deutlich  wie  später 
am     Tage ;      allein 

Nadilliclies  Verschwinden  d.  blauen  Bander.  a  b  N  ^eni^e     Fufs     UUtCr 
Umrifs    der   Gletscbcrobcrfläche ;    N  Niveau    des    -       ^-^t       /,..    , 
Wassers;  w  wciTses  Eis;  das  dunkel  Gezeichnete  der  UberUaCbe   VCT- 
sind  blaue  Baader;  horizontale  Lange  vier  Meter,     schwindet    sie,     ob* 

wohl  ZU  anderer  Zeit  die  Bänder  so  deutlich  bis  an  den 
Rand  der  Spalten  herauf  reichen,  und  noch  über  die  Ober- 
fläche des  Gletschers  fortlaufen. 

Dieses  Verschwinden  rührt  daher,  dafs  die  oberen  Theile 
des  Eises,  auch  des  blauen,  wasserleer  sind;  die  Kanäle 
des  letzteren  sind  mit  Luft  gefüllt,  daher  erscheinen  beide 
Arten  gleichförmig  weifs;  bis  zum  Rande  des  Wassers,  von 
unten  nach  aufwärts,  sind  Farbe  und  Structur  so  verschie- 
den wie  gewöhnlich.  Dieser  Fall  spricht  zugleich  sehr  deut- 
lich dafür,  dafs  die  Zwischenräume  in  den  blauen  Bändern 
durch  Infiltration  von  oben  gefüllt  werden. 

Eine  gröfsere  Reihe  von  Infiltrationsversuchen,  die  mir 
besonders  erlaubte,  in  verticaler  Richtung  von  der  Tiefe 
der  Infiltration  mich  zu  überzeugen,  machte  ich  am  Ver- 
nagt  im  Oetzthale. 

Die  Stelle  befand  sich  in  einem  der  zerklüftetsten  Theile 


197 

des  Vernagt,  in  der  NShe  der  Alpenweiden  auf  ,,PIattei'^ 
Dnrch  ein  Gewirre  von  Spalten  und  Eisnadeln  war  dieser 

'  Punkt  etwas  unbequem  zu  besuchen;  dafür  bot  er  aber 
den  Vortheil,  dafs  man  im  Stande  war,  mit  geringer  Nach- 
hülfe  eine  sehr  passende  Höhle  herzustellen.  Man  trat  auf 
einigen  ciugehauencn  Stufen  in  die  Spalte  hinauf,  die  von 
Natur  ziemlich  enge  durch  Hinab  werfen  von  Schnee  und 
Eis  in  einer  Tiefe  von  3  Metern  sich  so  fest  schlofs,  dafs 
man  mit  Vorsicht  sich  darauf  stellen  konnte;  zur  gröfseren 
Sicherheit  band  ich  mich  an  ein  Seil,  dessen  anderes  Ende 
um  einen  Pfahl  aufser  der  Höhle  geschlungen  war.  Die 
Stellen  der  Infiltrationsflüssigkeit   waren   so   gewählt,   dafs 

-  eine  verticale  Linie  von  dort  gerade  der  tiefsten  Stelle  der 
Eiswand,  die  nach  Innen  concav  war,  sich  näherte.  Ich 
machte  drei  Vertiefungen  zur  Aufnahme  der  Infiltrations- 
flüssigkeit. Eine  in  einem  breiten  blauen  Bande,  die  zweite 
in  reinem  weifsen  Eise  und  eine  dritte  da,  wo  schmale 
weifse  und  blaue  Bänder  mit  einander  wechselten.  Schon 
10  Minuten  nach  dem  Einfüllen  war  die  Flüssigkeit  aus 
dem  blauen  Eise  an  den  untersten  Stellen,  3  Meter  verti- 
cal  unter  dem  Infiltrationspunkte,  sichtbar;  die  Grube  war 
dabei  leer  geworden.  Bald  begann  auch  an  der  dritten 
Stelle  die  Färbung  sich  zu  zeigen ;  aber  vorzugsweise  nach 
dem  Verlaufe  der  blauen  dünnen  Bänder.  Auch  am  wei- 
fsen Eise  wurde  die  Flüssigkeit  bemerkbar,  aber  erst  eine 
Viertelstunde  später;  sie  war  hier  nicht  gleichmäfsig  ver- 
theilt,  sondern  blieb  in  mehreren  gröfseren  Gängen  ver- 
eint. Nach  einiger  Zeit  wurden  die  Infiltrationslöcher  sorg- 
faltig gereinigt  und  ausgetrocknet,  dann  liefs  ich  an  die- 
ser Stelle  einen  bedeutenden  Theil  des  Eises  abtragen. 
Hier  zeigte  sich  der  Einflufs  der  Eismassen  von  verschie- 
dener Structnr  auf  die  Infiltration  besonders  deutlich.  Im 
blauen  Eise  war  dieselbe,  so  weit  ich  eutblöfsen  konnte, 
überall  ganz  gleichmäfsig  verbreitet.  Im  weifsen  aber  hörte 
sie  in  dieser  Form  bei  2  Meter  Tiefe  fast  in  einer  hori- 
zontalen  Ebene   auf;   von   hier   abwärts    waren   nur  feine 


198 

and  sdir  sdiwadie  KOrnergrinzcB  za  cntdedLcn ' ).  Die 
Infiltration  erstreckte  sidi  nodi  etwas  tiefer,  allein  unglödi 
▼ertheilty  und  hielt  sich  an  einzelne  grOGsere  Gänge,  wie 
wir  es  schon  vor  dem  Abhauen  da*  Decke  ans  den  Er- 
scheinungen an  den  Wänden  der  Höhle  Termatheten.  Ich 
machte  hier,  um  mir  ein  noch  deutlicheres  Bild  dieser 
Yerhiltnisse  zu  geben,  im  reinen  weiCsen  Eise  neae  Lö- 
dier,  die  ich  mit  chromsaurem  Kali  f&llte,  wählte  aber 
die  Lage  derselben  so,  dafs  mandie  ein  oder  zwei  Kanäle 
einsdilossen,  andere  im  ganz  compacten  Eise  blieben.  Ich 
gofis  die  Flüssigkeit  des  Abends  ein,  des  anderen  Mor- 
gens waren  drei  Behälter,  ¥on  denen  ich  es  bereits  erwar- 
tete, und  ein  anderer  leer  geworden;  im  letzteren  ent- 
deckte idi  jetzt,  durch  die  Farbe  des  Kalisalzes  unter- 
stQtzt,  leicht  die  Ausflufsstellen,  die  idi  Tags  vorher  nicht 
bemerkte.  Die  beiden  anderen  Gruben,  die  im  ganz  com- 
pacten weiCsen  Eise  gemacht  waren,  hatten  aber  ihr  Ni- 
veau vom  vorigen  Abend  kaum  um  2  Centimeter  geändert. 

An  den  Stellen,  wo  weiCs  und  blau  abweciiselt«i,  war 
der  Effect  der  lofiltration  ein  ungleichartiger.  Im  blauen 
Eise  war  auch  hier  ihr  Ende  durch  Abtragen  nicht  zu  ent- 
decken ;  im  weifsen  dagegen  hatte  sie  eine  bestimmte  Gränzei 
nur  um  einige  Decimeter  tiefer  als  in  der  Grube  No.  % 
Elinzelne  Gänge  und  Kanäle  f&hrten  auch  von  hier  in  die 
Tiefe  fort 

An  der  Pasterze  hatte  ich  Gelegenheit  Infiltrationsver- 
suche 1)  nahe  der  Fimlinie,  2)  in  der  Mitte  des  Gletschers 
und  3)  unmittelbar  an  seinem  Ende  zu  machen.  Blaue  Bän- 
der waren  überall  gleich  stark  infiltrirt;  allein  im  gewöhn- 
lichen Elise  bot  die  Vergleichung  der  einzelnen  Punkte  das 
interessante  Resultat,  dafs  1  und  2  in  Beziehung  auf  die 
Tiefe  der  Infiltration  nur  wenig  abwichen;  3  hingegen  zeigte 
nur  sehr  geringe  Infiltration. 

Die  Schlüsse,  welche  wir  daraus  auf  die  Vertheiluog 
der  Risse  und  Kanäle  machen  dürfen,  sind  folgende.    Die 

1)  Ucbcr  die    feinen   Spallen    in    gröfseren   Tiefen    und   ilu«   EaUtdinng 
siebe  S.  212. 


199 

blauen  BSnder  fQhren  die  Flüssigkeiten  tiberall  in  Tiefen, 
die  wir  nicht  mehr  verfolgen  können;  im  gewöhnlichen  wei* 
fsen  Eise  aber  erstreckt  sich  die  gleichmäfsige  Dnrchträn- 
kung  der  Massen  nur  2  bis  3  Meter  nach  abwärts,  dann 
hören  die  zahlreichen  Gruppen  der  Spalten  fast  in  einer 
Ebene  auf;  nur  einsclue  Kanäle,  auch  kleinere  Risse  setzen 
sich  in  bedeutende  Tiefen  fort.  Charakteristisch  ist,  dafs. 
jene  Ebene,  in  welcher  die  reichliche  Infiltration  aufhört, 
am  Anfange  des  Gletschers  tiefer  liegt  als  am  Ausgange. 
Ich  glaube  darin  eine  Unterstützung  meiner  Ansicht  über 
die  Entstehung  der  Risse  zu  sehen,  iodem  gerade  dort  die- 
selben am  tiefsten  sich  erstreckten,  wo  wegen  der  höheren 
Lage  die  gröfste  nächtliche  Kälte  auf  Tagestemperaturen 
über  t)^  zu  folgen  vermag.  Die  Gröfse  der  Differenz  zwi- 
schen dem  Maximum  und  Minimum  mag  allerdings  für  den 
Anfang  und  das  Ende  des  Gletschers  sich  nur  wenig  un- 
terscheiden; allein  sie  wird  im  ersteren  Falle  durch  ein 
geringes  Plus  und  ein  grofses  Minus,  im  zweiten  durch  ein 
grofses  Plus  und  ein  geringes  Minus  hervorgebracht;  die 
Wirkungen  müssen  dabei  nothwendig  verschieden  sejn,  da 
alle  Temperatur  über  0^  das  Eis  nicht  zu  erwärmen,  nur 
zu  schmelzen  vermag,  während  die  Temperaturerniedrigung 
unter  0^  sehr  bedeutend  auf  die  Gröfse  der  Zerklüftung 
einwirkt. 

Ich  weifs  wohl,  das  die  absolute  Vergleichbarkeit  hö- 
herer und  tieferer  Punkte  in  Beziehung  auf  die  verticale 
Ausbreitung  dieser  Risse  nicht  zu  beanspruchen  ist;  auch 
das  ungleiche  Abschmelzen  ist  darauf  von  Einflufs,  indem 
es  an  den  unteren  Parthien  von  dem  körnigen  mit  Ka- 
nälen durchzogenem  Eise  mehr  zerstört,  als  an  den  höher 
gelegenen;  allein  diese  Differenz  ist ')  nicht  grofs  genug, 
die  Unterschiede  vollkommen  zu  erklären.  Jedenfalls  ist 
aber  am  Ende  des  Winters  die  zerspaltene  Schicht  au  der- 
selben Stelle  tiefer,  als  aoi  Ende  des  Sommers. 

1)  Nach  unseren  Versuchen  über  die  Abtragung  des  Eises. 


200 


LaftbUsea. 

Die  Menge  der  Laftblasen,  weldie  im  Gletadier  einge- 
schlossen ist,  wird  für  denselben  nicbt  nur  dmdi  ihre  Be- 
theiligong  an  der  Bildung  der  KOmergrinzen  und  der  Ka- 
näle im  Inneren  des  Eises  wichtig;  sie  hat  auch  auf  den 
Umrib  seiner  Oberfläche  im  Kleinen  «nen  bedeutenden 
EinfloCs.  Am  besten  können  wir  dieis  ans  dem  Vergleich 
Ton  No.  12  und  13  Taf.  I.  entnehmen.  In  dem  ersten  Stöcke^ 
welches  die  Oberfläche  des  blauen  Elises  wiedergiebt,  sind 
die  Vertiefungen  durch  ungleiche  Schmelzung  so  grob,  dafs 
die  Figur  dem  Relief  einer  Gebirgsgegend  nicht  unähnlich 
wird.  Die  tiefsten  Stellen  bezeidinen  uns  immer  die  Um- 
risse der  Körner.  Punkte,  an  welchen  kurz  TOiber  Luft- 
blasen waren,  bemerken  wir  auch  hier  als  kreisrunde  Ver- 
tiefungen; allein  sie  sind  TerhältniCsmäCsig  sparsam  vertheilt. 

Ganz  entgegengesetzt  verhalten  sich  die  Formen  des  wei- 
fsen  Eises  in  Ko.  13  Taf.  L  Die  Körnergränzen  lassen  sich 
durch  tiefere  aber  enge  Spalten  auch  hier  erkennen,  jedoch 
die  grofsen  Verschiedenheiten  im  Relief  sind  hier  nicht  zu 
bemerken;  die  Spuren  der  Luftblasen  hingegen  sehen  wir 
ausserordentlich  deutlich  und  zahlreich.  Wir  zählen  auf 
einem  Quadratcentimeter  weiCsen  Elises  nicht  selten  17  bis  18 
solcher  Vertiefungen.  Durch  theilweise  Reflexion  der 
Wärmestrahlen  an  der  Oberfläche  der  Luftblasen,  und 
durch  die  Erwärmung  der  Luft  im  Eise  wird  auch  das 
schnellere  Schmelzen  des  weifsen  Eises  gegenüber  dem 
blauen  hervorgebracht;  ja  die  Luftblasen  tragen  nicht  sel- 
ten noch  unmittelbar  dazu  bei.  Sie  bewirken  durch  die 
Ausdehnung  der  Luft,  dafs  das  Eis,  noch  ehe  es  bis  an 
die  Blase  herabgeschmolzen,  berstet,  und  nun  in  ganz  klei- 
neu Fragmenten  über  die  Oberfläche  zerstreut  wird.  Das 
dadurch  hervorgebrachte  leise  Knistern  ist  an  schönen  war- 
men Tagen  ungemein  deutlich;  bei  einiger  Aufmerksamkeit 
hält  es  nicht  schwer,  sich  unmittelbar  von  dem  Vorgänge 
zu  überzeugen  und  die  Fragmente  der  gesprengten  dünnen 
Eishüllen  zu  entdecken. 


201 

Das  ErVrSmieD  der  Laft  innerhalb  des  Eises  zeigt  eidi 

noch  in  einer  anderen  Fonn.    An  den  hervorragenden  Thei- 

len   des   Gletschers  bemerkt    man    oft  Bläschen,    die  wie 

jenes  in  Fig.  6.  nach  nntea  von  einem  Hofe  von  Wasser 

F'ig-  &•  umgeben  sind,  von  dessen  Fltls- 

sigkett   man   sich  durch  OefCnen 

der    Hohle     leicht    überzeugen 

kann.    Mandtmal  ist  eine  solche 

Luftblase  nach  allen  Seiten  von 

Wasser     umgeben,     gewöhnlich 

,,,  nur  nach  unten  '), 

Luflblascn  im  Eiie  von  SüssiEem  ^v       tat  ■  i    j    j        l  • 

■WajKr  umgeben ;    die  pirallcten  *^^^  W^aSSer  ISt   dadurch    ent- 

ScHche  =Eiji  die  gelreuitcn=  standen,   dafs   die  Luft  WSrme- 

Luriblasea;  das  hell  Gclaaieiie=      ,1.1  l         l-   >  1   l        J 

Waiser.  Strahlen  absorbirte,  welcite  das 

Eis  als  dialbermaner  Körper  durchlicfs;  an  ein  Eindringen 
des  Wassers  durch  Spalten,  etwa  Haarspalten,  war  in  al- 
len Fällen,  welche  ich  sah,  nie  zu  denken;  auch  wäre  )a 
bei  einer  solchen  Oeffuung  immer  die  Luft  ausgetreten, 
ehe  das  Wasser  Platz  finden  konnte.  Die  schöne  Ent- 
wickelung  dieser  Formen  ist  um  so  überraschender,  wenn 
wir  bedenken,  dafs  das  Eis  zu  jenen  Körpern  gehört, 
welche  nur  sehr  wenig  diatherman  sind.  Melloni  hat  ge- 
funden, dafs  Eis  bei  2,6  Millimeter  Dicke  von  100  Sirah- 
len der  Locatellischen  Lampe. nur  6  durchläfst,  während 
Steinsalz  92,  Spiegelglas  39,  krjstallisirter  Gyps  14  Strah- 
len durchliefficn  ' ). 

Die  Masse  der  Luft  zu  bestimmen,  welche  in  einem 
gegebenen  Volumen  Eis  enthalten  ist,  macht  einige  Schwie- 
rigkeit, da  sie  beim  Schmelzen  zum  grofsen  Theile  von 
Wasser  absorbirt  wird.  Ich  mufste  mich  daher  begnügen 
durch  Eindrücken  in  eine  etwas  erwärmte  Metallform  dem 
Stücke  ein  bestimmtes  Volumen  zu  geben  und  dann  sein 
absolutes  Gewicht,  zu  bestimmen;  ich  suchte  dabei  ein 
Slfick,  welches  möglichst  frei  von  Haarspalten  war.  Die 
WSgung  wurde  auf  einem  Aräometer  ans  Glas  vorgcuoui- 

1)  Dieselben  Fonacn:   \gassii  Sjstime  p.    168. 

2)  Müller-Pouiliei  Pfajiib  11.  424. 


202 

meDy  welches  1  Milligramm  mit  Sidcriieit  anzeigte ,  ond 
24  bis  30  Grammen  tragen  konnte;  eine  groCse  Bequem- 
lichkeit war  esy  da(s  sein  Hals  in  Längentbeile  getheilt  war, 
welche  genau  die  Veränderungen  der  Belastungen  um  + 
oder  —  1  Milligramm  durch  ihr  Einsinken  oder  Steigen 
angaben. 

Berechnen  wir  daraus  das  Gewicht  eines  Cubikmeicrs 
▼on  dem  blasigsten  Eise,  so  finden  wir: 

Wägung  o.  867,1  Kilogramm 
6.  829,1 
c  891,2 
Mittel  862,4  Kilogramm. 
Die  Diditigkeit  des  reinem  Eises  ist,  nach  den  schöneo 
Untersuchungen  von  Brunner  dem  Sohne,  folgende: 


Tcmp.  C 

Diclite. 

Tcmp.  C 

Dickte. 

Tcmp.  C.  • 

Didüe. 

0 

0,91800 

—    7 

0,91879 

—  14 

0,91957 

—    1 

0.91812 

—    8 

0,91890 

—  15 

0,91968 

—  2 

0,91823 

—    9 

0,91901 

-16 

0,91980 

—   3 

0.9ia34 

-10 

0,91912 

—  17 

0^1991 

—   4 

0,91845 

—  11 

0,91924 

-18 

0,92002 

—    5 

0,91856 

—  12 

0,91935 

-19 

0,92013 

—  6 

0,91868 

—  13 

0,91946 

—  20 

0,92125 

Wir  erhalten  demnadi  für  die  Masse  des  Eises  in  den  ge- 
wogenen 27  Cubikcentimet^m,  dem  Inhalte  jener  Metall- 
form, da  in  100  Tbeilen  Volumen:  Eis  939,  Luft  61,  ein 
spec.  Gew.  =0,862. 

Bei  blauem  Eise  konnte  idi  durdi  Wägung  zweierlei 
erfahren:  1)  den  Raum,  den  die  Haarspalten,  Kömergrän- 
zen  und  Kanäle  einnahmen,  2)  das  spec  Gew.  des  mög- 
lichst blasenfreien  Gletschereises.  FQr  den  ersten  Versuch 
wurde  ein  Stück  von  27  Cubikcentimeteru,  an  dem  alle 
Kanäle  mit  Wasser  gefällt  waren,  gewogen,  dann  durch 
Aussaugen  schnell  entleert  und  wieder  gewogen.  Der  Ver« 
lust  im  Mittel  mehrerer  Versuche  ergab  ihren  Baum  in 
1000  Theilen  Eis  zu  70  bis  90.  Wenn  auch  bei  dem  Aos- 
saugen  und  während  der  kleinen  Pause  zwischen  der  er- 
sten und   zweiten  Wägung  einiger  Verlust  durch  Schmel- 


203 

zen  des  Eises  herbei  geföhrt  wurde,  so  wird, dieser  Fehler 
hier  um  so  weniger  zu  berücksichtigen  sejn,  da  die  Räume 
der  Kanäle  ohnehin  keine  consfante  Gröfse  sind  und  in 
zwei  dicht  neben  einander  liegenden  Stficken  sehr  merklich 
differiren  können. 

Wollte  ich  Stücke  von  blauem  Eise  wägen,  welche  frei 
von  Kanälen  waren,  und  möglichst  wenig  Luftblasen  ent- 
hielten, so  war  ich  gezwungen  die  Stücke  weit  kleiner  zu 
machen.   Ich  wog  4  Cubikcentimeter  und  fand  ihr  Gewicht.  • 

1  Versuch  3,69 

2  -         3,63 

3  -         3,66 


Mittel  3,66  Grm. 
Für  1  Cubikcentimeter  erhält  man  daraus 

0,915  Grm. 
und  ein  specifisches  Gewicht  von 

0,915  Grm. 

was  von  jenem  des  reinen  Eises  nur  wenig  abweicht. 

Läfst  man  weifses  blasenfreies  Eis  langsam  thauen,  so 
wird  nicht  alle  darin  enthaltene  Luft  absorbirt;  diese  Er- 
scheinung gewinnt  dadurch  an  Interesse,  dafs  die  absorbirte 
Luft  auch  eine  andere  Zusammensetzung  zeigt,  als  die  aus- 
tretende. 

Um  die  absorbirte  Luft  vom  Wasser  zu  trennen,  wurde 
das  letztere  unter  den  bekannten  nöthigen  Vorsichtsmafs- 
regcln  ausgekocht,  und  die  austretenden  Gasarten  unter 
einer  warmen  Salzlösung  aufgefangen.  Die  calibrirte  Röhre, 
in  welche  die  Luft  eintrat,  tauchte  ich  am  Schlüsse  der 
Operation  so  lange  unter  die  Sperrflüssigkeit,  bis  ich  die 
Temperatur  der  letzteren  jener  der  eingeschlossenen  Luft 
gleichsetzen  durfte.  Der  Barometerstand,  der  jedesmal  ab- 
gelesen wurde,  betrug  zwischen  600  und  570  Millimeter, 
da  alle  folgenden  Versuche  theils  am  Gletscher  selbst,  theils 
in  Vent  (5800  P.  F.)  angestellt  wurden.  Das  gefundene 
Gasvolumen  wurde  auf  0^  C.  und  760  M.  M.  Baiometersland 
reducirt. 


204 


Die  so  erhaltenen  Mengen  waren: 


BezeicImuDg  des  Wassers. 


No. 

• 

Ort. 

1 

Pasterze 

2 

Pasterze 

3 

Alte  Lawine  b.  d. 

Johannishütte. 

4 

Vernagt 

5 

Vernagt 

6 

Dorf  Vent    ^ 

7 

Dorf  Vent 

8 

Dorf  Vent 

9 

Johannishütte 

Aus  weifsem  Gletschereise 
Aus  blauem  Gletschereise 
Aus  dem  Firne 


Luft  iu 

lOOOTheil. 

Wasser. 


47,10 

ao,48 


23,60 
45,68 
28,56 
34,24 
25,68 
13,12 
13,79 


Aus  'wcifsera  Gletschereise 

Aus  blauem  Eise 

Aus  frisch  gefallenem  Schnee 

Kleiner  Badi  von  Stablein  kommend 

Oetzwasser 

Wasser  der  Quelle 

Anmcrk.  No.  1^3  und  9  waren  1848  in  Kamthen,  wahrend  meines 
Aufenthaltes  auf  <der  Pasterze,  angestellt.  No.  4—8  wurden  1847 
im  Octzthale  ausgeführt. 

Das  Wasser  aus  weifsem  Eise  ist  nach  diesen  Yersu- 
chen  vollkomnien  gesättigt,  da  im  Mittel  46  Theile  Luft 
auf  1000  Wasser  als  Maximum  angenommen  werden  '); 
aber  selbst  das  blaue  Eis  lieferte  noch  luftreicheres  Was- 
ser als  die  gewöhnlichen  Quellen  und  Bäche. 

Zur  chemischen  Analyse  der  Gase  bedienten  wir  uns 
des  Eudiometers  von  Gaj-Lussac  ^),  dem  Fresenius 
eine  so  bequeme  Form  gegeben  hat  ^ ).  Ein  Cylinder  von 
1  Fufs  Höhe  und  3  —  4  Zoll  Weite,  der  nämliche  in  dem 
auch  das  Aräometer  aufgestellt  werden  konnte,  wurde  mit 
verdünnter  Salzsäure  gefüllt;  in  demselben  befand  sich  die 
graduirte  engere  Röhre,  welche  die  zu  analysirende  Luft 
und  einen  Kupferstreifen  einschliefst,  um  den  zur  Vermeh- 
rung der  Oberfläche  und  zum  besseren  Hinaufleiten  der 
Salzsäure  mit  einem  Bindfaden  Kupferdrehspäne  gebunden 
sind.  Die  drei  Spitzen,  an  seinem  unteren  Ende  sind  fe- 
dernde  Streifen,  welche  den  graduirten  Cylinder  in  der 
weiteren  Röhre  festhalten^). 

1 )  Nach  D al  t o n s  Versuchen.    Manchester  Memoirs  2  Ser,  1 ,  284  ;  5, 1 1. 
AnnaU  of  Phil.  7,215. 

2)  Ann.  de  Chim.  et  de  Phjs.  62,  219. 

3)  Anleitung  zur  quantilaüvcn  Analyse  S.  435. 

4)  Ueber  die  Zuverlässigkeit  so  wie  die  weitere  Behandlung  siehe  die  aus- 
fuhrliche Darstellung  bei  Fresenius  a.  a.  O. 


205 


Die  Absorption  des  Sauerstoffs  ist  nach  drei  Standen 
sicher  vollendet.  Die  Correction  wegen  des  Luftdruckes 
ist  hier  selten  nöthig,  da  sich  innerhalb  der  kurzen  Zeit 
der  Barometerstand  nur  wenig  ändert.  Die  Temperatur 
der  Sperrflüssigkeit  wurde  stets  berücksichtigt  und  nach  ihr 
das  wahre  Volumen  der  enthaltenen  Gase  berechnet. 

Ich  machte  mit  diesem  Apparate  die  Analyse  von  zwei 
verschiedenen  Luftarten ;  die  erste  war  vom  Wasser  absor- 
birt  und  wurde  durch  Kochen  ausgetrieben,  die  zweite  war 
jene  Luft,  die  bei  langsamem  Thauen  des  Eises  nicht  ab- 
sorbirt  wird^  sondern  in  Bläschen  aus  dem  Schmelzwasser 
aufsteigt. 


Analysirte  Luft. 


Volumen. 
Sauerstolf.       Stickstoff. 


Gewicht, 
SauerstofT.       StickstofT. 


Im  Wasser  absorb.  Lnft 
ISidit  absorbirte  Luft 


29,0  Proc. 
16,4     - 


71,0  Proc. 
83,6     - 


31,7  Proc. 
18,3    - 


68,3  Proc. 
81,7     - 


696,04  Cb -Ct.  Sauerstoff=  792,23  Cb- Ct.  Stickstoff  =  1  Grm.    (Mar- 
chand Chem.  Taf.  S.  10.) 

Das  Wasser  auch  des  Gletschers  absorbirte  demnach 
weit  mehr  Sauerstoff  als  Stickstoff.  Alexander  von 
Humboldt  und  Gay-Lussac  erhielten  aus  destillirtem 
Wasser,  welches  mit  Luft  gesättigt  war,  32,8  Proc.  Sauer- 
stoff, aus  Schneewasser  28,7  *■  ). 

Die  nicht  absorbirte  Luft  konnte  ich  mir  am  Gletscher 
selbst  leicht  verschaffen.  Es  entwickeln  sich  an  vielen  was- 
sererfüllten Theilen  kleine  Luftblasen,  eben  jene,  die  beim 
Schmelzen  nicht  mehr  absorbirt  werden.  Diese  sind  es, 
die  unter  einer  Glasglocke  aufgefangen  den  Gegenstand  der 
zweiten  Analyse  bildeten.  Bischof,  der  unter  ganz  ähn- 
lichen Umständen  die  Luft  analysirte,  die  sich  aus  den 
„Eislöchern  des  Gletschers"  (Baignoirs)  entwickelte,  fand 
ebenfalls  sehr  wenig  Sauerstoff  (10,22  Proc.)  O- 

Es  fragt  sich  nun,  welche  Zusammensetzung  die  im  Eise 

1)  Journal  de  Phys,  60,  129  Gilbert  20,  147. 

2)  Schwcigg.  37,  266.    Sehnliche  Resultate  aus  Schnecluft  erhielt  Bous- 
slngault  in  Gay-Lussac*s  Ann,  de  Chim»  76,  354. 


206 

eingesdilossene  Laft  selbst  hatte.  Nelmen  wir  aus  den 
beideo  Analysen  das  Mittel,  so  erhalten  wir 

31,7+18^  _25  proc.  Gewicht 

Saaerstoff,  wahrend  doch  die  Atmosphäre  nur  23,07  ent- 
hält; schon  die  eingeschlossene  Laft  scheint  demnach  etwas 
an  Sauerstoff  reicher  gewesen  seyn.  Dieses  Resoltati  ge- 
winnt eine  Bestätigung,  wenn  wir  die  Umstände  betraditeo, 
unter  welchen  sich  die  Luftblasen  im  Eise  bildeten.  Sie 
entstanden  zum  Theile  aus  jener  Luft,  welche  die  Zwi- 
schenräume der  Fimkörner  ausfüllte;  diese  war  gewils  Ton 
atmosphärischer  Luft  nicht  verschieden.  Ein  zweitem  aller- 
dings kleinerer  Theil  derselben  trat  aber  bei  dem  Gefrieren 
jenes  Wassers  aus,  welches  den  Firn  durchtränkt  und  bei 
dem  Uebergange  in  den  festen  Zustand  die  einzelnen  Kör- 
ner zu  einem  compacten  Ganzen,  zum  eigentlichen  Glet- 
schereise vereint.  Die  letztere  Luft,  ursprünglich  vom  Was- 
ser absorbirt,  war  etwas  sauerstoffreicher;  so  dafs  audi 
auf  diese  Weise  der  kleine  Ueberschufs  von  Sauerstoff 
(von  2  Proc.)  erklärt  ist.  Allein  diese  Betrachtung  nOthigt 
uns  zugleich  anzunehmen,  dafs  nicht  in  jedem  einzelnen 
Bläschen  solche  Luft  eingeschlossen  ist,  die  mehr  Sauerstoff 
enthält  als  die  Atmosphäre,  sondern  daCs  einzelne  nur  mit 
Atmosphäre,  andere  dafür  mit  einem  um  eo  gröfsereu  Ge- 
halt von  Sauerstoff  gefüllt  sind.  Da  beim  Schmelzen  des 
Eises  einige  Bläschen  wegen  bereits  erfolgter  Sättigung  des 
Wassers  oder  wegen  zu  schneller  Bewegung  fast  gar  nichts 
durch  Absorption  verlieren,  so  läfst  sich  erwarten ,  was 
auch  durch  die  Experimente  sich  bestätigte,  dafs  die  aus- 
tretende Luft  weit  weniger  eine  constaute  Zusammensetzung 
zeigt  als  die  absorbirte. 

Farbe  des  Eises. 

Unter  den  physikalischen  Eigenschaften  des  Eises  ver- 
dient auch  die  Bestimmung  seiner  Farbe  unsere .  Au&nerk- 
samkeit.     Wenn  auch  die  Luftblasen  in  gröfserer  Menge 


207 

dasselbe  weifs  erscheinen  lassen^),  so  bleibt  doch  der  ei- 
genthümlichen  lichtblauen  Farbe  desselben  noch  Einflufs 
genug,  im  Grofsen  sich  bemerkbar  zu  machen.  Ganz  be- 
sonders deutlich  sind  solche  Farben  in  den  Spalten  des 
Eises  sowohl  als  des  Firnes  zu  beobachten.  Unabhängig 
▼on  dem  Zustande  der  Bewölkung,  frei  also  von  dem  Ein- 
flüsse reflectirten  blauen  Lichtes,  zeigen«  solche  Vertiefun- 
gen eine  blaue  oder  blaugrüne  Farbe  von  solchem  Glänze 
und  so  grofser  Schönheit,  wie  wir  sie  nur  an  besonders 
günstigen  Tagen  am  Firmamente  oder  an  der  Oberfläche 
grofser  Wassermassen  wiederfinden. 

Ich  bestimmte  dieselben  dadurch,  dafs  ich  sie  mit 
einem  rotirenden  Kreisel  verglich,  auf  welchen  Papiere 
von  verschieden  Farben  gebracht  werden  konnten.  Eine 
ausführliche  Beschreibung  dieses  Cjanometers  wird  später 
bei  den  Untersuchungen  über  die  Farbe  des  Firmamentes 
mitgetheilt  werden.  Die  Werthe  der  folgenden  Tabelle  sind 
die  procentischen  Antheile  jeder  einzelnen  Farbe.  (  TF= 
Kremserweifs ,  C=Kobaltblau,  6r=gebrannter  Ocker).  5. 
8.  9.  sind  Farben  der  Oberfläche,  die  andern  beziehen  sich 
alle  auf  Spalten  und  Vertiefungen. 


No. 

Ort  d.  Beobachtung. 

Gegenstand. 

Procente. 

J. 

Lelterglelsch«r 

Schneelöcher  von  5  Gent. 
Weile  u.  1  Meter  Tiefe 

7«  W.  21  C.  0,6  G. 

2. 

Similaan 

Schmale  Spalten  im  Firn- 

76  W.  23  C.  0,8  G. 

3. 

Niederjoch 

meere. 
Schneelöcher  im  Firnmeere 

72W.27C.1,0G. 

4. 

Fimroeer  d.  Pasterze 

Blaues  Licht  d.  Firnhöhlen 

77  W.  22  C.  1,0  G. 

5. 

Küppeler  Berg  io 

Blauer  Schlagschatten  auf 

61  W.  39  C. 

Gurgl. 

den  Firnen  der  Kleinlei- 
ten an  der  Oberfläche. 

6. 

Pasterae 

Muhle  von  10  Meter  Tiefe 

73  W.  26  C.  1.0  G. 

7. 

Thor  des  Marcellglet- 

Blaue Bänder  im  Innern 

ö)81W.  19C.0,6G. 

schers 

b)  78W.21C.0,6G. 

c)  76W.24C.0,6G. 

1 )  An  einigen  ganz  dünnen  Luftschichten ,  welche  kleine  Spalten  ausfüll- 
ten, bemerkten  wir  mehrere  Male  ein  ganz  ausgezeichnetes  Farbenspiel, 
die  bekannten  Farbenerscheinungen  an  dilnnen  Blättchen  (Newton's  Ringe). 
Sehr  häufig  waren  sie  besonders  an  dem  (Wasser)  Eise  der  Kolowrats- 
höhle  bei  Salzburg. 


208 


No. 

Ort  d.  BeobachtoDg. 

Gregenstand. 

Procente. 

8. 

Pasterzc  (Joliannis- 

Farbe  d.  beschatteten  Glet- 

69 W.  27  C.  4.0  G. 

hüttc)  nächst  d.  Hütte 

schers  5  Uhr  Nachmittags 
Oberfläche. 

9. 

Ebendaselbst  bei  den 

Farbe  desselben  in  grofser 

73  W.  23  C.  4,0  G. 

Burgställen 

Enifemang.    Oberfläche 

10. 

München 

Löcher  in  zusarnmengehäuf- 
tem  frischgefall.  Schnee 
von  1^  Meter  Tiefe. 

73  W.  27  C.  0,2  G. 

Da  gleichzeitig  Versuche  Ober  die  Farbe  der  Atmo- 
sphäre gemacht  Tvurden,  so  dürfte  es  nicht  anwichtig  seyn, 
auch  diese  hier  zu  erwähnen.  Das  Blau  der  Atmosphäre 
enthält  im  Zenith  schon  bei  20Wf  absoluter  Höhe  40  Proc. 
C.  und  steigert  sich  bei  1200(y  bis  zu  92  Proc.  C.  Die 
meisten  Beobachtungspunkte  der  obigen  Tabelle  befinden 
sich  z^vischen  6000  und  9000*  und  die  cjanometrischc  Fär- 
bung des  Himmels  beträgt 

bei  6000'  53  W.,  47  C. 
bei  9000'  74  W.,  74  C. 

Die  beobachteten  Farben  an  Schnee  und  Eis  sind  demnach 
nicht  nur  heller  als  die  Farbe  der  Atmosphäre  in  der  be- 
treffenden Höhe,  sondern  erreichen  nicht  einmal  das  Blau 
über  den  Hochebenen  am  nördlichen  Fufse  der  Alpen.  Es 
war  mir  diefs  anfangs  sehr  überraschend,  da  die  Firnhöb- 
Icn  nur  spärlich  beleuchtet  sind,  was  dunkle  Farben  erwar- 
ten liefs.  Allein  die  Differenz  zwischen  der  Helligkeit  der 
Himmels-  und  Glctscherfarben  ist  so  grofs,  dafs  ich,  ein- 
mal durch  das  Instrument  aufmerksam  gemacht,  auch  mit 
blofsem  Auge  aufs  deutlic^ihste  mich  davon  überzeugen  konnte. 
Die  Farben  der  Oberfläche  sind  nach  der  herrschenden 
Beleuchtung  sehr  wechselnd;  einmal  (No.  5)  erreichten  sie 
beinahe  das  Blau  eines  mäfsig  dunklen  Firmamentes.  Desto 
schöner  ist  es  zu  sehen,  wie  übereinstimmend  die  Hellig- 
keit aller  Vertiefungen  ist;  selbst  an  frisch  gefallenem  Schnee 
der  Ebenen  finden  wir  dieselbe  schöne  Farbe,  wenn  er 
nur  hinlänglich  tief  ist.  Die  Höhendifferenz  der  Beobach- 
tungspunkte (München  1500',  Similaun  llOOO*)  ist  so  grofs, 
und  die  Helligkeit  so  ähnlich  und  von  ihr  unabhängig  (Nie- 
derjoch 


209 

derjoch  8000'  72  W.    MQnchen  72  W.),  dafs  die  Höhe  von 
keiuem  Einflüsse  seyn  kann. 

Wir- erhalten  vielmehr  als  mittleres  Resultat  aus  den 
sechs  Beobachtungen  an  Vertiefungen 

74,9  W.  24,3  C.  0,8  G., 
was  wir  als  die  eigenthümliche  Farbe  des  Wassers  im  fe- 
sten Zustande  betrachten  dürfen,  welche  aber,  wie  an  vie- 
len anderen  Körpern,  erst  bei  hinlänglicher  Dicke  sicht- 
bar wird  * ). 

Gohäsion  des  Eises. 

Nachdem  wir  die  Formen  und  Eigenschaften  des  Eises 
in  kleineren  Massen  und  am  Gletscher  betrachteten,  so 
weit  sie  uns  durch  Beobachtung  und  Experiment  zugänglich 
sind,  müssen  wir  noch  eine  andere  Eigenschaft  des  Eises 
untersuchen,  die  sich  vorzüglich  an  der  Masse  im  Grofsen 
bemerkbar  macht,-  und  mit  der  Erklärung  der  wichtigsten 
Erscheinungen  am  Gletscher  innig  zusammenhängt,  nämlich 
den  Grad  der  Verschiebbarkeit  seiner  Theile. 

Es  ist  diefs  eine  Eigenschaft,  die  in  verschiedener  Gröfse 
jedem  festen  Körper  zukommt;  wir  erinnern,  dafs  man  Glas 
zu  pressen  vermag,  dafs  es  doppelt  brechend  wird,  dafs 
das  specifische  Gewicht  der  Metalle  durch  Pressen  oder 
Hämmern  verändert  wird  u.  s.  w.  Allein  am  Gletscher 
macht  sich  eine  Verschiebbarkeit  so  entschieden  bemerkbar, 
dafs  man  das  Eis  desselben  beinahe  als  halbflüssig  (For- 
bes)  oder  doch  als  plastisch  (Agassiz)  annahm.  Die  Er- 
scheinungen, welche  dazu  veranlafst  haben  sind  folgende: 

I  • 

1)  Ueber  die  Farbe  des  Wassers  vergl.  Prof.  Bunsen:  Colon r  of  the 
water,  Jameson  new  philos,  Journ.  1849  p,  95  und  Martins,  Ja- 
mesons  ph.  Journ.  43.  1847  S.  87.  Zur  Vervollständigung  der  phy- 
sikalischen Eigenschaften  des  Eises  mufs  ich  ermahnen,  dafs  das  Eis  nach 

'  den  Untersuchungen  von  A.  Ermail  (Gilb.  Ana.  Bd.  XI,  S.  165). 
die  Elektricitat  nicht  leitet,  und  dafs  dasselbe  nach  den  schönen  Versu- 
chen von  Brunner  (Po gg.  Ann.  Bd.  80,  S.  173)  ebenso  'wie  der 
Wasserdampf  stark  diamagnetisch  ist.  Die  Kurse  dieser  Mittheilung  möge 
damit  entschuldigt  seyn,  dafs  diese  Erscheinungen  zu  den  Phänomenen 
am  Gletscher  in  keinem  näheren  Zusammenhange  stehen. 
Poggendorff's  Annal.  Bd.  LXXX.  14 


210 

Der  Gletscher  geht  auch  darch  VerengeruDgen  des  Thaies 
in  seiner  ganzen  Masse  hindurch,  if&hrend  er  als  YoUkom- 
men  starrer  Körper,  etwa  durch  Gleiten  auf  der  Unterlage 
sich  bewegend,  durch  solche  Hindemisse  anbeweglich  fest- 
gehalten werden  mfifste. 

Erreidit  er  dagegen  eine  Thalweitung,  so  nimmt  er  an 
Breite  zu.  Die  einzelnen  hierher  gehörigen  Beobachtun- 
gen werden  uns  bei  den  Fragen  der  Bewegung  und  der 
Structur  beschäftigen  ' ). 

Die  abwechselnden  Lagen  von  blauem  und  weifsem  Eise 
sind  in  der  Nähe  der  Ufer  vielfach  gekrümmt  und  gebo- 
gnen in  ihrer  Form,  ganz  analog  den  gewundenen  Schichten 
des  Schiefers.  Diese  treten  überall  auf,  wo  die  Reibung 
und  locale  Hindernisse  der  Bewegung  entgegenstehen. 

Auch  die  Vertheilung  der  Bewegung  ist  hier  zu  berück- 
sichtigen, denn  der  Gletscher  zeigt  an  verschiedenen  Punkten 
ungleiche  Schnelligkeiten;  er  geht  au  der  Oberfläche  schnel- 
ler als  in  der  Tiefe  (was  sich  aus  der  veränderten  Stellung 
der  blauen  Bänder  ableiten  lädst),  femer  in  der  Mitte  schnel- 
ler als  am  Rande« 

Allein  die  Verschiebbarkeit  der  Gktschermaise,  welche 
aus  diesen  Beobachtungen  folgt,  kann  kaum  als  eine  Ei- 
genschaft des  Eises  an  sich  betrachtet  werden.  Es  besitzt 
dieses  ja  wie  Quarz,  Glas  und  andere  spröde  Körper,  ei- 
nen scharfkantigen,  entschieden  muschligen  Bruch.  Wir 
kennen  Blei,  Gold  u.  s.  w.  durch  härtere  Metalle  ritzen 
oder  spitze  Instrumente  einführen  ohne  Bruchstücke  zu 
erhalten,  während  das  Eis  dabei  jedes  Mal  splittert,  wenn 
wir  die  Vorsicht  gebrauchen  die  Instrumente  auf  0°  abzu- 
kühlen; sonst  wird  die  Beobachtung  unmöglich,  indem  das 
Eis  schmilzt.  Auch  die  Risse,  welche  die  blauen  Bänder 
bedingen,  die  Spalten  u.  s.  w.  sprechen  am  Gletscher  selbst 
für  die  Sprödigkeit  des  Eises.  Vergleichen  wir  demnach 
Eis  bei   den   uns  gewöhnlichen  Dimensionen  mit  anderen 

1)  Die  Kömcrauflockerang  entreckt  sich,  wie  wir  aakcD,  von  der  Ober- 
fläche nur  bis  ftu  3  Meter  Tiefe.  Der  Gletscher  kann  demnach  keines- 
wegs als  ein  von  W^asser  dnrchtranktes  A^regat  betrachtet  werden. 


211 

Körpern,  so  köODen  wir  seine  Zusaminendrückbarkeit,  die 
Verschiebbarkeit  seiner  Theile,  nicht  als  Tielmal  bedeuten- 
der annehmen;  ja  es  zeigt  sich  vielmehr  als  sehr  spröder 
und  zerbrechlicher  Körper.  Diefs  scheinen  auch  einige  di- 
recte  Versuche  zu  bestätigen,  welche  ich  fiber  den  Einflufs 
des  Druckes  auf  die  Zerspaltuug  des  Eises  im  Laboratorium 
des  Hrn.  Prof.  Magnus  anstellte.  Es  sei  mir  erlaubt  Dem* 
selben  für  seine  gütige  Tbeiluahme  an  diesen  Versuchen 
meinen  verbindlichsten  Dank  auszuprechen.  Als  der  auge- 
wandte Druck  der  hydraulischen  Presse  150  Pfund  auf  den 
Quadratzoll  betrug,  begann  die  Zerspaltung  rechtwinklich 
auf  den  beiden  Platten  der  hydraulischen  Presse ,  also  in 
der  Richtung  des  Druckes  einzutreten;  die  Zerspaltung 
setzte  sich  bei  Vermehrung  des  Druckes  auch  in  anderen 
Richtungen  rasch  fort;  es  war  unvermeidlich,  dafs  das  be- 
nutzte Eis  einige  Luftblasen  enthielt,  welche  natürlich  eben- 
falls dazu  beitrugen,  die  Zcrdrückbarkeit  etwas  zu  vermeh- 
ren; ich  mufs  jedoch  bemerken,  dafs  gerade  das  Gletscher- 
eis -an  letzteren  sehr  reich  ist.  Zur  Beurtheilung  der  Sprö- 
digkeit  des  Eises  möge  dienen,  dafs  selbst  schlecht  ge- 
brannte Ziegel  300  bis  400  Pfund  Druck  auf  den  Qua- 
dratzoll (preufsisch)  erlauben,  während  Porphjr  36200, 
Syenit  15200,  Quarz  6100  Pfund  Druck  ertragen,  ehe  sie 
zerdrückt  werden  *  ). 

Eine  Verdichtung  der  Masse,  ein  Zusammendrücken  der- 
selben schien  am  Eise  der  Zersplitterung  nicht  oder  nur 
in  sehr  geringem  Grade  vorauszugehen.  Sie  hätte  sich  an 
der  Formveränderung  einiger  eingeschlossener,  runder  Luft- 
blasen durch  Abplattung  erkennen  lassen. 

Im  Gletschereise  selbst  kommen  zwar  flache  Luftblasen 
oft  in  grofser  Masse  vor;  sie  scheinen  gröfstentheils  eine 
ursprünglich  unregelmäfsige  Fonn  derselben  zwischen  den 
Firnkörnern  zu  seyn;  gegen  ihre  Entstehung  durch  Com- 
pression  spricht  nicht  selten  der  Umstand,  dafs  sie  gewöhn- 

1)  Nach  den  Versochen  von  Brix,  Ganthey,  Rondelet  u.  A.  Ich 
verdanke  den  lithographirlen  Bericht  über  diese  Versuche  der  gütigen 
Mittheilnng  des  Hrn.  geheimen  Oberbaiirathes  Slüler  in  Berlin. 

14» 


212 

lieh  nur  in  kleinen  Gruppen  parallel  sind,  dagegen  sehr 
oft  in  grofser  Nähe  ganz  verschiedene  Richtungen  zeigen. 

Eine  ähnliche  feine  Zersplitterung  des  Eises  wird  auch 
am  Gletscher  in  grofsen  angehäuften  Massen  durch  die 
Menge  der  Luftblasen,  welche  die  Zerbrechlichkeit  wesent- 
lich unterstützen,  eintreten;  sie  scheint  vorztSglich  die  Be- 
wegung des  Gletschers  auf  schroffen  Ebenen  möglich  za 
machen;  sie  erlaubt  dabei  durch  den  Einflufs  der  Reibung 
die  gröfsere  Schnelligkeit  an  den  dickeren  Stellen,  d.  h.  iu 
der  Nähe  der  Mitte,  zu  erklären.  Die  Bewegung  selbst 
wird  ebenfalls  dazu  beitragen  die  Zersplitterung  zu  ver- 
mehren durch  die  Hindernisse,  welche  ihm  eine  nicht  glatte 
sondern  stets  rauhe  und  höckerige  Unterlage  entgegenstellt. 

Der  Infiltration  scheinen  diese  Rifschen  nicht  zugäng- 
lich, sondern  nur  die  (gröfseren)  Haarspalten  und  Kanäle, 
welche  gemeinschaftlich  an  Wassereis  und  Gletschereis 
durch  die  Einwirkung  der  äufscrcn  Temperatur  entstehen, 
und  durch  eintretende  Luft,  durch  das  circulirende  Was- 
ser und  die  Betheiligung  der  so  zahlreich  im  Eise  enthal- 
tenen Luftblasen  nach  und  nach  erweitert  werden.  Diese 
Rifschen  aber,  welche  durch  den  Druck  und  die  Reibung 
hervorgebracht  werden,  sind  demnach  von  der  Körnerbil- 
düng  unabhängig;  ich  bitte,  sie  nur  als  eine  Voraussetzung 
zu  betrachten,  welche  jedoch  durch  die  Bewegung  und 
Structur  des  Gletschers^  andererseits  durch  die  Sprödigkeit 
des  Eises  an  sich,  nicht  unwahrscheinlich  seyn  dörfte.  Da- 
durch scheint  es  zu  geschehen,  dafs  der  Gletscher  im  Gro- 
fsen so  sehr  die  Formen  einer  plastischen  Masse  nachahmt '), 
worauf  zuerst  die  zahlreichen  und  vortrefflichen  Beobach- 
tungen  von  Forbes,  Agassiz,  Martins  etc.  aufmerk- 
sam gemacht  haben.  Ich  bedaure,  in  dieser  Abhandlung 
diese  letzteren  Erscheinungen  nur  in  Kürze  berühren  zu 
können;   bei  der  Untersuchung  der  speciellen  Phänomene 

I)  Die  ungleiche  Sclinclligkeit  einzelner  Theile,  die  veränderte  Stellang 
der  blauen  Bander  und  das  Durchgehen  der  Gletscher  durch  Thalver- 
engerungen macht  eine  Erklärung  der  Bewegung  durcK  ein  einfaches  Rat- 
schen oder  Gleiten  unmöglich. 


213 

des  Gletschers  werde  ich  Gelegenheit  haben,  ausführlicher 
darauf  zurückzukommen  ' ). 

Resultate. 

1)  Gletscher-  und  Wassereis  zerfallen  unter  dem  wech- 
selnden Einflüsse  von  Wärme  und  Kälte  in  ganz  identische 
Formen. 

2)  die  Luftblasen  betheiligeu  sich  sehr  wesentlich  bei 
der  Bildung  der  Körner  und  wirken  auf  die  Gestalt  aller 
freien  Oberflächen  ein. 

3)  Die  deutliche  Körnerbildung  erreicht  mit  Ausnahme 
der  blauen  Bänder  eine  Tiefe  von  3  Metern  im  Maximum. 
Die  Infiltration  aber  dringt  in  unregelmäfsig  vertheilten  Ka- 
nälen und  einzelnen  Haarspalten  noch  weit  tiefer  ein. 

4)  Die  im  weifsen  Eise  eingeschlossene  Luft  beträgt  im 
Durchschnitte  6  Proc.  Volumen. 

5)  Das  Schmelzwasser  absorbirt  Luft  bis  zur  Sättigung. 

6)  Die  vom  Wasser  absorbirte  Luft  ist  sauerstoffrei- 
cher, die  beim  Schmelzen  des  Eises  austretende  (der  nicht 
absorbirte  Rest)  sauerstoffärmer  als  die  Atmosphäre. 

«7)  Die  blaue  Farbe  der  Vertiefungen  in  Schnee,  Firn 
und  Eis  rührt  nicht  von  reflectirtem  Lichte  des  Firmamen- 
tes her,  sondern  ist  die  eigenthümliche  Farbe  des  Wassers, 
im  festen  Zustande.  Sie  ist  im  Mittel  identisch  mit  einem 
Gemenge  von  74,9  Proc.  Kremserweifs,  24,3  Proc.  Kobalt 
und  0,8  Proc.  gebranntem  Ocker,  daher  stets  heller  als  das 
Blau  der  Atmosphäre  im  Zenith  für  mittlere  Breiten. 

8)  Das  Eis  zeigt  überall,  wo  wir  demselben  begegnen, 
alle  Eigenschaften  eines  festen  ja  sogar  spröden  Körpers. 
Jene  Verschiebbarkeit  der  Masse,  welche  wir  am  Gletscher 
aus  der  Structur  und  Bewegung  erkennen,  scheint  durch 
die  feine  Zersplitterung  des  Eises  bedingt  zu  sejn,  welche 
durch  den  Druck  der  bedeutenden  Massen  und  ihre  Rei- 
bung gegen  die  Unterlage  entsteht. 

1)  Uulersudiuogcn  über  die  physik.  Geographie  der  Alpen  Cap.  I.  —  VII. 


214 


II.     Ueber  den  elektrischen  Enlladungsstrorn  in  ei- 
nem dauernd  unterbrochenen  Schlief sungsbogen; 

von  Peter  Riefs. 

(knsLu^.     Berichte  d.  Akad.  d.  Wiss.  18.  April  1850). 


iJei  den  bisherigen  Untersuchungen  der  elektrischen  Ent- 
ladung war  der  Schliefsungsbogen  der  Batterie  entweder 
t>olly  das  halfst:  durchweg  aus  guten  Leitern  zusammenge- 
setzt, oder  er  war  an  einer  Stelle  durch  Luft  oder  einen 
anderen  schlechten  Leiter  unterbrochen.  Im  zweiten  Falle 
wurde  die  Entladung  von  solcher  Stärke  genommen,  dafis 
sie  den  ganzen  Bogen  durchlief,  indem  sie  die  Lficke  des 
unterbrochenen  Bogens  unter  Funkenerscheinung  durchbrach. 
Die  Wirkungen  der  Entladung  waren  bei  der  einen  und 
der  anderen  Beschaffenheit  des  Bogens  sehr  verschieden;  . 
man  konnte  aber  auch,  durch  Steigerung  der  Dichtigkeit 
der  entladenen  Elektricitätsmenge,  alle  Erscheinungen  des 
unterbrochenen  Bogens  im  vollen  hervorbringen.^  Darnach 
habe  ich  zwei  Entladungsarten  unterschieden,  die  im  vollen 
Bogen  vorkommen,  die  continuirliche  Entladung,  welche 
von  einem  Querschnitte  des  Bogens  zum  nächstfolgenden 
stetig  fortgeht,  und  die  discontinuirliche y  bei  welcher  die 
Elektricität  in  einem  Querschnitte  stockt,  auf  einen  entfern- 
ter liegenden  Querschnitt  durch  Influenz  wirkt  und  später 
die  dazwischen  liegende  Masse  des  Bogens  plötzlich  durch- 
bricht. Bei  aller  Verschiedenheit  der  Wirkung  beider  Ent- 
ladungsarten treten  aber  einige  unverkennbare  Aefanlich- 
keiten  ihrer  Gesetze  hervor;  so  die  unveränderte  Stärke 
des  Entladungsstromes  bei  dem  Glühen  von  Drähten  ver- 
schiedener Länge  und  die  Proportionalität  des  Stromes  zum 
Quadrate  des  Querschnittes  des  glühenden  Drahtes,  welche 
beide  Beziehungen  sich  den  einfachen  Wärmeformeln  an- 
schliefsen.  Es  war  hiernach  geboten,  die  beiden  Momente 
der  discoutinuirlichcn  Entladung  experimentell  von  einan- 
der zu   trennen,  die  Wirkungen   der  Entladung  in  einem 


215 

dauen^  unterbrochenen  Schliefsangsbogen  zu  untersucben, 
in  einem  Bogen  also,  in  dem  die  Entladung  an  einem  be- 
stimmten Querschnitte  stockt,  ohne  später  die  Lücke  durch- 
brechen zu  können. 

Es  war  ein  Condensator  gebildet  worden  aus  zwei  ver- 
tical  stehenden  ebenen  Messingscheiben,  81  Lin.  Durchmes- 
ser, die  parallel  einander  gegenüber  standen  und  durch 
eine  Guttapercha -Platte  getrennt  waren.  Die  eine  Scheibe 
wurde  durch*  einen  Draht  mit  der  äufseren,  die  andere  mit 
der  inneren  Belegung  einer  geladenen  Batterie  verbunden. 
Man  unterscheidet  hiernach  an  den  Schliefsungsbogen  einen 
äafs^en  Draht  und  eine  äufsere  Scheibe,  eine  innere  Scheibe 
und  einen  inneren  Draht ;  der  Uebergang  von  Elektricität 
aus  der  Batterie  in  die  beiden  Seheiben  soll,  der  Kürze 
wegen,  mit  Entladung  der  Batterie  bezeichnet  werden.  Als 
in  den  inneren  oder  äufseren  Draht  Platiospitzen  einge- 
sdialtet  wurden,  die  durch  einen  mit  Jodkaliumlösung  ge- 
näfsten  Papierstreifen  verbunden  waren,  zeigte  die  durch 
die  Entladung  hervorgebrachte  Zersetzung  im  zweiten  Theile 
des  Schliefsungsbogens  einen  Strom  an  von  derselben  Rich- 
tung, wie  wenn  die  Unterbrechung  durch  den  Condensator 
nicht  vorhanden  gewesen  wäre.  Die  Diditigkeit  der  Elek- 
tricität in  diesem  Strome  hatte  ein  constaiites  Verhältnifs 
zu  der  elektrischen  Dichtigkeit  der  Batterie,  denn  die  Beob- 
achtung der  Schlagweite  im  äufseren  Drahte  zeigte  diese 
proportional  dem  Quadrate  der  Dichtigkeit  in  der  Batterie. 
Um  eine  thermische  Wirkung  des  Stromes,  und  damit 
ein  Maafs  seiner  Stärke  zu  erhalten,  mufste  der  Conden- 
sator bedeutend  vergröfsert  werden;  diefs  geschah,  indem 
an  seine  Stelle  mehrere  zu  einer  Batterie  vereinigte  Fla- 
schen gesetzt  wurden,  die  im  Folgenden  als  Condensator- 
flächen  bezeichnet  werden.  Diese  Einschaltung  einer  un- 
geladenen Batterie  in  den  Schliefsungsbogen  einer  geladenen 
ist  bereits  von  Hrn.  Do ve  ausgeführt  worden  '),  der  da- 
mit die  Wirksamkeit  des  hier  betrachteten  Stromes  und 
die  merkwürdige  Thalsache  aufgefunden  hat,  dafs  ein  nas- 
1)  Berichte  d.  Akad.  18 14.  354-1846.  366. 


216 

8er  Faden,  ia  den  inneren  Draht  eingesdialtet,  die  im  äu- 
Cseren  Drahte  beobachtete  Wirkung  des  Stromes  wesentlich 
verändert. 

Stromstärke  nach  der  Oberfläche  des  emgeschalteten  dm- 
densators.  Die  Formel,  welche  diese  Abhängigkeit  ausdrfickt, 
ergiebt  sich  folgendermaCsen.  Die  an  einer  Stelle  eines 
Constanten  Schliefsuogsbogens  durch  die  BatterieentladuDg 
erregte  Wärme  hat  den  allgemeinen  Ausdruck  B:=zaq^y, 
wo  y  die  Dichtigkeit,  9,  die  Menge  der  Elektricität  be- 
zeichnet, die  aus  der  Batterie  in  den  SchlieCsongsbogen 
eingetreten  ist.  Bei  cioer  vollen  Schliefsung  ist  diese  ein- 
tretende Menge,  wie  frQher  gezeigt  worden  ist,  stets  pro- 
portional der  Menge  f ,  die  sich  in  der  Batterie  befindet; 
es  konnte  daher,  da  a  eine  willkührliche  Constante  be- 
zeichnet, überall  bisher  9^  mit  q  vertauscht  worden.  Diefs 
ist  nicht  erlaubt,  bei  der  Einschaltung  eines  Condensators 
in  den  SchlieCsungsbogen,  weil  die  von  einem  Condensator 
aufgenommene  Elektricitätsmenge  eine  Function  seiner  Gröfse 
ist.  Diese  Function  ist,  wie  ich  bei  der  Untersuchung  des 
Condeusators  gezeigt  habe,  im  Allgemeinen  nicht  anzuge- 
ben. In  dem  vorliegenden  Falle,  wo  Batterie  und  Con- 
densator aus  unter  sich  gleichen  Flaschen  bestehen,  deren 
Anzahl  allein  geändert  wird,  hat  die  Prüfung  gezeigt,  daCs 
die  Vertheilung  der  Elektricität  sehr  nahe  im  Verhältnisse 
der  Oberflächen  von  Batterie  und  Condensator  geschieht. 
Es  bezeichne  1  die  Gröfse  der  inneren  Belegung  einer  Bat- 
terieflasche, s  die  Anzahl  dieser  Flaschen,  f  die  Belegung 
einer  Condeusatorflasche,  c  die  Anzahl,  so  geht  von  einer 
in  der  Batterie  befindlichen  Elektricitätsmenge  9,  auf  den 

Condensator  die  Men£;e    \  ^    über.    Diefs  ist  offenbar  die 

iu^  inneren  Drahte  bewegte  Elektricitätsmenge,  deren  Dich- 
tigkeit der  elektrischen  Dichtigkeit  gleich  ist.  Setzt  mau 
daher  iu  d^i^aq^y  für  g^   den   gefundenen  Werth,   für  y 

den  bekannten  Werth  -^,  so  erhält  man,   da  a  eine  will- 

kührliche  Constante  bezeichnet. 


217 

für  die  Erwärmung  in  einem  unterbrochenen  Schliefsungs- 
bogen  durch  die  Entladung  einer  Batterie  von  s  Flaschen, 
die  mit  der  Elektricitätsmenge  q  geladen  ist,  wenn  der  ein- 
geschaltete Condensator  aus  c  Flaschen  besteht.  Die  Be- 
legung der  von  mir  angewandten  Batterieflasche  betrug  nahe 
2,6y  die  der  Condensatorflasche  1,5  O  ^iifs  so  dafs  bei  der 
Anwendung  der  Formel  überall  /*=  0,577  gesetzt  worden 
ist.  Die  Formel  hat  sich  allen  beobachteten  Erwärmungen 
an  einer  constanten  Stelle  sowohl  des  inneren  als  des  äu- 
fseren  Schliefsungsbogens  vollkommen  angeschlossen. 

Stromstärke  nach  der  Beschaffenheit  des  Schliefsungs- 
bogens. Wenn  die  Erwärmung  an  einer  Stelle  des  Schlie- 
fsungsbogens untersucht,  und  dann  zu  dem  Bogen  ein  Draht 
hinzugesetzt  wird,  dessen  Länge  I,  Radius  r,  und  dessen, 
von  seinem  Metalle  abhängige,  Yerzögerungskraft  x  ist,  so 
wird  die  Erwärmung  durch  die  Formel  ausgedrückt 

d= ^ 


(n-*o(y-i-/)*, 

worin  F=  -^  und  die  Constante  b  empirisch  bestimmt  wer- 
den mufs.  Bei  der  Bestätigung  dieser  Formel  durch  die 
angestellten  Beobachtungen  wurde  der  Werth  von  b  etwas 
gröfser  gefunden  bei  Einschaltung  der  Drähte  in  den  äufse- 
ren,  als  bei  Einschaltung  in  den  inneren  Schliefsungsbogen, 
80  dafs  also  ein  und  derselbe  Draht  den  Entladungsstrom 
weniger  schwächt,  wenn  er  zu  dem  inneren,  als  wenn  er 
zu  dem  äufseren  Bogen  hinzugesetzt  wird.  Muthmafslich 
ist  dieser  geringe  Unterschied  bei  der  Aenderung  des  Stro- 
mes kein  wesentlicher,  sondern  rührt  davon  her,  dafs  in 
allen  augestellten  Versuchen  der  äufsere  Schliefsungsbogen 
zur  Erde  voUkouAnen  abgeleitet,  der  innere  hingegen  iso- 
lirt  war. 


218 

Stromstärke  im  inneren  und  äufseren  8ehlief$ungshogen, 
Von  zwei  gleichen  Drähten  wurde  der  eine  in  den  inne- 
ren, der  andere  in  den  äufseren  Schliefsungsbogen  befe- 
stigt; die  aus  einer  Beobachtungsreihe  berechnete  Erwär- 
mung des  ersteren  Drahtes  verhielt  sich  zu  der  des  zwei- 
ten wie  559  zu  509.  Diefs  VerhältniCB  ist  von  dem  Glase 
und  der  Oberfläche  der  Batterie-  und  Condensator- Flasche 
abhängig;  aber  wesentlich  ist,  daCs^die  Stromstärke  im  in- 
neren Drahte  gröfser  sej,  als  im  äuüseren.  Es  bezeichne 
ffi  das  Verhältnifs  der  Influenzelektricität  zu  der  erregen- 
den Elektridtät  auf  den  Belegungen  der  Batterieflasche, 
eine  gleiche  Bedeutung  habe  fi  in  Bezug  auf  die  Conden- 
satorflasche.  Durch  die  Entladung  sey  von  der  inneren 
Belegung  der  Batterie  die  Elektricitätsmenge  +  1  fortge- 
gangen ,  so  verliert  die  äufsere  Belegung  die  Menge  —  m. 
Erhält  die  innere  Belegung  des  Condensators  die  Menge 
+  1 9  80  geht  von  seiner  äufseren  +  /tt  fort,  und  ebenso 
mufs,  da  seine  äufsere  Belegung  die  Menge  =-  m  aufnimmt, 
von  seiner  inneren  — mfi  fortgehen.  Es  sind  daher  auf 
dem  inneren  Schliefsungsbogen  in  Bewegung  die  Mengen 
+  1  und  — mfiy  auf  dem  äufseren  die  Mengen  +^  und 
—  1».  Da  nun  (l-|-f»^)  —  (m+ii)  =  (l  — m)  (1 — /tX 
die  Gröfsen  m  und  ii  aber  stets  kleiner  als  1  sejn  müs- 
sen, so  ist  1-l-m/i  stets  gröfser  als  m-l-^,  das  heifst,  es 
ist  auf  dem  innerü  Bogen  eine  gröfsere  Elektricitätsmenge 
in  Bewegung,  als  auf  dem  äufseren.  Es  ist  dabei  noch  zu 
berücksichtigen,  dafs,  wie  sich  sogleich  zeigen  wird,  die 
Elektricitätsmenge  auf  dem  äufseren  Bogen  zu  grofs  ange- 
setzt worden  ist. 

Die  Seitenentladung  an  dem  unterbrochenen  ScUiefsrnngi- 
bpgen.  Bei  der  Seitenentladuug  im  vollen  Schliefsungsbo- 
gen ')  ist  die  Länge  des  Funkens  im  Seitendrahte  dem  Qoa- 
drate  der  Dichtigkeit  der  Elektridtät  in  der  Batterie  pro- 
portional und  desto  kleiner  gefunden  worden,  je  weiter 
entfernt  von  deip  Ende  des  Schliefsungsbogens,  das  die 
innere  Belegung  der  Batterie  berührt,  die  Seitenentladong 

1)  AbhaDdlungen  d.  Akad.  1849.     Berichte  S.  46. 


•\ 


219 

beobachtet  wurde.  Zugleich  blieb  der  isolirte  Seitendrahi 
stets  mit  der  Elektricitätsart  geladen  zurück,  die  sich  im 
Inneren  der  Batterie  befand.  Die  Untersuchung  der  Er- 
scheinung am  unterbrochenen  Bogen  gab  dieselben  Bestim- 
mungen mit  alleiniger  Ausnahme,  dafs,  wenn  die  Seiten- 
entladung am  üufseren  Bogen  hervorgebracht  war,  der  Sei- 
tendraht  die  der  Elektricität  der  Batterie  entgegengesetzte 
Art  zeigte.  Es  mügen  m  und  jm  die  im  vorigen  Abschnitte 
angegebene  Bedeutung  haben.  Geht  die  Elektricitätsmenge  , 
+p  aus  der  innern  Belegung  der  Batterie  fort  und  nimmt 
die  innere  Belegung  des  Condensators  die  Menge  +Pi 
auf,  so  sieht  man  leicht,  dafs  auf  dem  äufseren  Schliefsungs- 
bogcu  die  Mengen  fip^ — mp  vorhanden  waren.  Da  nun 
diese  Summe,  wie  sich  aus  der  Seitenentladung  entnehmen 
liefs,  selbst  in  dem  Falle  negativ  blieb,  wo,  durch  Anwen- 
dung von  zwei  Flaschen  der  Batterie  als  Condensator,  m=fi 
war,  so  folgt,  dafs  p^  kleiner  als  p  sejn  mufste,  also  nur 
ein  Theil  der  aus  der  Batterie  entladenen  Elektricitätsmenge 
in  den  Condensator  tibergegangen  war.  Der  tibrige  Theil 
war  auf  dem  inneren  Schliefsungsbogen  zurückgeblieben; 
von  der  im  vorigen  Abschnitte  auf  dem  äufseren  Bogen 
in  Bewegung  angenommenen  Elektricitätsmenge  mufs  daher 

^""^'/i,   eine  in  allen  Fällen   positive  Gröfse,  abgezogen 

werden. 

Stromstärke  bei  Einschaltung  rßon  zwei  CoiidensatiMren 
in  die  Schliefsung.  Die  Einschaltung  eines  Drahtes  in  ei- 
nen Theil  des  unterbrochenen  Schliefsungsbogens  verlän- 
gert, wie  die  oben  angeführte  Formel  lehrt,  die  Dauer  des 
Entladungstromes;  es  war  die  Frage,  ob  die  Einschaltung 
eines  zweiten  Condensators  denselben  Erfolg  haben  werde. 
Hierzu  wurde  luerst  die  Erwärmung  an  einer  constanten 
Stelle  des  inneren  wie  des  äufseren  Schliefsungsbogens  beob- 
achtet, wenn  nur  ein  Condensator,  und  wenn  hinter  die- 
sem ein  zweiter  Condensator  im  Schliefsungsbogen  vorhan- 
den war.  Alsdann  wurde,  durch  Bestimmung  der  Schlag- 
weite des  dem  Innern  der  Batterie  nächsten  Condensators, 


220 

die  iu  beiden  Fällen  aus  der  Batterie  entladene  Elektrici- 
tätswenge  gemessen.  Diese  Messung  bestätigte  nebenbei 
die  zu  Anfange  gemachte  Annahme  der  Yertheilung  der 
Elektricität  nach  der  Oberfläche  der  Batterie  und  des  Con- 
deusators.  Das  Verhältnifs  der  im  Scbliefsungsbogen  be- 
wegten Elektricitätsmengen  erklärte  die  bedeutende  Ver- 
ringerung der  Erwärmung,  die  der  zweite  Condensator  durch 
seine  Einschaltung  hervorgebracht  hatte.  —  In  dem  Aus- 
drucke -^^    ,   der  für  die  Stärke  des  Entladungstromes 

in  einem  durch  einen  constanten  Condensator  unterbro- 
chenen Bogen  gilt,  hängt  im  Allgemeinen  der  Zähler  von 
der  Ladung  der  Batterie,  der  Nenner  von  der  Beschaffen- 
heit des  Schliefsungsbogens  ab.  Die  Einschaltung  eines 
zweiten  Condensators  hat  das  Eigen thtimliche,  dafs  durch 
sie  nur  q^  (die  aus  der  Batterie  entladene  Elektricitäts- 
menge)  geändert  wird,  und  diese  Einschaltung  daher  einer 
Aenderung  der  Ladung  der  Batterie  gleichzusetzen  ist. 


Die  beobachteten  Wirkungen  der  Entladung  im  dauernd 
unterbrochenen  Scbliefsungsbogen  schliefsen  sich,  unter  Be- 
rücksichtigung der  verschiedenen  Bedingungen,  so  genau 
den  Wirkungen  im  vollen  Bogen  und  ihren  Gesetzen  an, 
dafs  sich  in  beiden  Fällen  derselbe  Mechanismus  der  Ent- 
ladung *)  voraussetzen  läfst.  Es  mufs  auch  hier  die  6e- 
sammtentladung  aus  einer  grofsen  Menge  von  Partialentla* 
düngen  zusammengesetzt  sejn,  von  welchen  jede  so  lange 
dauert,  bis  der  elektrische  Zustand  des  Schliefsungsbogens 
an  jedem  seiner  Enden,  welche  die  Belegungen  der  Batterie 
berühren,  das  andere  Ende  erreicht  hat.  Eine  Verzögeruog 
der  Fortschreitung  dieses  Zustandes  an  einer  Stelle  des  Bo- 
gens  mufs  die  Dauer  jeder  Partialentladung  und  damit  die 
der  Gesammtentladung  verlängern.  Hierdurch  ist  die  Ab- 
hängigkeit der  Wirkung  der  Entladung  in  dem  einen  Theile 
des  Schliefsungsbogens  von  der  Beschaffenheit  des  anderen 
Theiles   um  Nichts  auffallender,   als  die  Abhängigkeit  des 

1)  Pogg.  Aonal.  Bd.  78,  S.  433. 


221 

Entladungsstromes  von  jedem  Tbeile  eines  vollen  Bogens. 
Unabhängig  von  dem  Fortschreiten  der  beiden  Elektricitä- 
ten  in  der  Masse  des  Bogens  ist  die  Anordnung  des  Ueber- 
Schusses  an  Eltktricität  auf  seiner  Oberfläche;  diefs  tritt 
hier  noch  evidenter  als  bei  dem  vollen  Bogen  hervor,  in- 
dem trotz  des  Überall  gleichen  Stromes  die  angehäufte  Elek- 
tricität  im  inneren  Bogen  positiver,  im  äufseren  negativer 
Art  ist.  Der  Unterschied  des  Stromes  im  vollen  und  im 
unterbrocheneu  Bogen  ist  daher  nur  der,  dafs  im  letzteren 
die  Menge  der  bewegten  Elektricität  nicht  nur  durch  die 
Batterie,  sondern  auch  durch  die  Untersuchungsstelle  be- 
stimmt wird,  und  das  diese  Menge  während  ihrer  Bewe- 
gung an  der  Unterbrechungsstelle  selbst  eine  Verringerung 
erleidet.  Werden  mehrere  Condensatoreu  hinter  einander 
in  den  Schliefsungsbogen  eingeschaltet,  so  durchläuft  der 
Entladungsstrom  alle  einzelne  Drähte,  die  entweder  -  eine 
Belegung  der  Batterie  mit  einem  Condensator,  oder  zwei 
Condensatoren  mit  einander  verbinden.  Nach  der  einen 
Richtung  wird  in  den  aufeinander  folgenden  Drähten  die 
positive  Elektricität,  nach  der  anderen  die  negative  abneh- 
men, so  dafs  an  den  beiden  Drähten,  welche  die  Belegun- 
gen der  Batterie  berühren,  der  eine  die  gröfstc  Menge  po- 
sitiver und  die  kleinste  negative  Elektricität  erhält,  in  dem 
anderen  das  entgegengesetzte  Verhalten  stattfindet.  Diese 
Abnahme  ist  jedoch  keine,  der  Vorstellung  dieser  Entla- 
dongsweise  wesentliche  Bedingung;  sie  hängt  von  der  Ent- 
fernung je  zweier  Condensatorscheiben  ab  und  fällt  fort, 
wenn  wir  uns  diese  einander  unendlich  nahe  gerückt  den- 
ken. In  diesem  Falle  giebt  der  beschriebene  Vorgang  eine' 
anschauliche  Vorstellung  der  continuirlichen  Entladung.  Läfst 
man  andererseits  zwei  Condensatorscheiben  in  endlicher  Ent- 
fernung von  einander,  steigert  aber  die  Dichtigkeit  der  Elek- 
tricität in  der  Batterie,  so  dafs  der  Zwischenraum  zwischen 
den  Scheiben  durchbrochen  wird,  so  erhält  man  die  diS" 
continuirliche  Entladung.  Es  folgt  hieraus,  dafs  jeder  dis- 
continnirlichen  Entladung  eine  Entladung  mit  unterbroche- 
nem Bogen  vorangeht,   die,  nach  der  vorliegenden  Unter- 


222 

suchuog,  äholiche  Wirkungen  wie  die  continnirliche  ElndadilDg 
hervorbringt.  Dieser  Umstand  erklärt  die  zu  Anfange  auf- 
geführten Gesetze,  welche  die  discontinuirliche  Entladung 
mit  der  contiuuirlichen  gemein  hat. 

Der  getrennte  Entladungsstrom.  In  der  vorliegenden 
Untersuchung  waren  die  Scheiben  oder  Belegungen  des 
Condensators,  der  den  Schliefsungsbogeu  unterbrach,  ein- 
ander sehr  nahe  gestellt  gewesen;  entfernt  man  sie  immer 
mehr  von  einander,  so  wird  die  Wirkung  der  einen  Scheibe 
auf  die  andere  immer  kleiner  und  zuletzt  unmerklich.  Auch 
in  diesem  Falle  ist  in  beiden  Drähten  ein  elektrischer  Strom 
vorhanden,  von  dem  man  sich  leicht  durch  Einschaltung 
eines  Zersetzungsapparates  überzeugt.  Dieser  Strom,  der 
als  getrennter  Strom  bezeichnet  werden  kann,  entsteht  durch 
die  allen  Entladungsströmep  wesentliche  Bedingung,  durch 
den  Ladungszustand  der  Batterie  und  die,  durch  die  bei- 
den Drähte  abwechselnd  bewirkte,  Aufhebung  und  Wie- 
derherstellung dieses  Zustandes.  Die  Zerfällung  der  Ge- 
sammtentladung  in  ihre  Partialentladungen  erklärt  auch  hier 
den  beobachteten  Einflufs,  den  die  Beschaffenheit  jedes  der 
beiden  Drähte  auf  den  Strom  äufsert.  Die  erste  Partial- 
cutladung  besieht  darin,  dafs  der  innere  Draht  durch  Fort- 
führung eines  Elektricitätsquantum  aus  dem  Inneren  der 
Batterie  den  Ladungszustand  aufhebt  und  der  äufsere  Draht 
durch  Fortschaffung  eines  entsprechenden  Quantum  von  der 
änfseren  Belegung  der  Batterie  diesen  Zustand  wiederher- 
stellt. Erst  wenn  beide  Drähte  wieder  unelektrisdb  ge- 
worden, kann  die  zweite  Partialentladung  folgen;  es  mofs 
daher  die  Dauer  der  Gesammtentladung  von  der  Beschaf- 
fenheit jedes  der  beiden  Drähte  abhängen.  Die  beiden 
Leiter  (früheren  Condensatorscheiben)  an  den  Enden  der 
Drähte  haben  auf  die  Dauer  des  Stromes  keinen  Einflufs» 
bestimmen  aber  die  Elektricitätsmenge,  die  während  der 
ganzen  Entladung  aus  der  Batterie  fortgeführt  wird.  Sind 
die  beiden  Leiter  in  Bezug  zur  Batterie  sehr  grofs,  so  wird 
die  Batterie  vollständig  entladen  und  man  erhält  dann  io 
jedem  der  beiden  Drähte  alle  Wirkungen,   die  sich  an  ei- 


223 

oeHi  Toiien  Scbliefeungsbogen  zeigen.  —  Die  äofsere  Bie- 
gung einer  Batterie  wurde  mit  den  Gasröhren  des  Hauses 
verbunden,  die  innere  mit  einem  Drahte  berührt,  der  iso- 
lirt  bis  zum  Erdboden  geführt  und  mit  seinem  Ende  darin 
versenkt  war.  Hier  konnten  die  Erwärmungen  im  Drahte 
und  ihre  gesetzraäfsige  Abhängigkeit  von  der  Stärke  der 
Ladung  der  Batterie  aufgezeigt  werden.  Gegen  eine  Deu- 
tung dieses  Versuches,  als  ob  die  zwischen  den  Enden  der 
beiden  Drähte  liegende  Erdschicht  eine  vollkommene  Schlie- 
fsung  der  Batterie  bewirke,  da  zwar  die  Erdmasse  specifiscb 
schlecht  leite,  hier  aber  mit  einem  aufserordentlich  grofsen 
Querschnitte  eintrete,  sprechen  nicht  nur  frühere  Erfahrna- 
gen über  die  Entladung  der  Batterie,  sondern  auch  bei 
dem  Versuche  selbst  auftretende  Erscheinungen,  die  sich 
mit  jener  Annahme  nicht  vereinigen  lassen. 

In  Bezug  auf  den  voltaischen  Strom  sind,  bei  Gelegen- 
heit der  elektrischen  Telegraphen,  zwei  verschiedene  An- 
nahmen gemacht  worden.  Man  hat  die  Erdmasse  zwischen 
den  Enden  eines  gerade  ausgespannten,  viele  Meilen  langen, 
Drahtes,  in  den  eine  voltaische  Batterie  eingeschaltet  ist, 
theils  als  eine  die  Batterie  schliefsende  Verbindung  abge- 
sehen, theils  als  eine  Ableitung  für  die  Elektricität  beider 
Pole,  was  man  durch  die  Bezeichnung  des  Erdkörpers  als 
reservoir  cotnmun  auszudrücken  scheint.  Wurde  die  Erde 
als  verbindender  Leiter  angesehen,  so  mufste  ihr  Wider- 
stand bestimmt,  das  heifst  die  Länge  eines  bekannten  Drah- 
tes angegeben  werden,  dessen  Einschaltung  den  Strom  ebensq 
verringert,  wie  die  Einschaltung  des  Erdkörpers.  Dieser 
Widerstand  ist  verschieden  angegeben  und  zuletzt  auf  eine 
Gröfse  formulirt  worden,  die  nur  von  der  Gröfse  der  Be- 
rührung zwischen  Metallleiter  und  Erdreich  abhängt  und 
von  der  Entfernung  der  Enden  der  Metallleiter  unabhängig 
ist.  Daneben  hat  man  durch  telegraphische  Versuche  die 
Zeit  der  Fortpflanzung  der  Entladung  in  der  Erde  zu  bestim- 
men gesucht  und  von  der  Entfernung  der  Drahtenden  abhän- 
gig zu  finden  geglaubt,  und  den  Versuch  ausgeführt,  von 
der  Erde  einen  Zwei$:strom  in  Drähten  zu  erhalten.   Dieser 


224 

letzte  Versucli,  dessen  Thatslchlichkeit  nicht  za  bezweifeln 
isty  widerspricht  aber  nach  den  Gesetzen  der  ZweigstrOme 
der  Annahme,  dafs  die  Erde  ein  die  Batterie  Bchliebender 
Leiter  sej,  während  er  die  entgegengesetzte  Annahme  zwar 
nicht  unterstützt,  ihr  aber  nicht  widerstreitet.  Diese  mehr- 
fachen Widersprüche  dürften  schon  für  sich  der  Meinung 
den  Vorzug  geben  lassen,  dafs  auch  bei  dem  voltaiachen 
Strome  keine  Leitung  von  einem  Drahtende  zu  dem  an- 
dern durch  die  Erde  stattfindet,  und  die  hier  angestellte 
Untersuchung  der  Erscheinungen  der  ReibnngselektridtSt 
die  richtige  Erklärung  an  die  Hand  geben.  Hiernach  ist 
der  voltaische  Strom  im  elektrischen  Telegraphendraht  ab 
ein  getrennter  Strom,  und  die  Erdschichten  an  den  Enden 
des  Drahtes  sind  als  zwei  für  sich  wirkende  Ableitungen 
anzusehen,  bei  welchen  es  gleichgültig  ist,  dafs  sie  Theile 
des  zusammenhängenden  Erdkörpers  sind. 


II L     Abänderung  der  Laplace' sehen 

BarometerforrneL 


Um  des  Gebrauchs  von  Logarithmen-  und  anderen  Ta« 
fein  überhoben  zu  seyn,  schlägt  Hr.  Babinet  vor,  statt 
der  Laplace'schen  Barometerformel 

«=18393»(Iogff-IogÄ)  [l  +  ^^^^J 
die  folgende  anzuwenden: 

Sie  ist  indefs  nur  für  Höhen  unter  1000  Meter  gültig; 
für  gröfsere  Höhen,  und  wenn  man  sich  mit  keiner  Ap- 
proximation begnügen  kann,  hat  man  eine  intermediäre  Sta- 
tion zu  Hülfe  zu  nehmen.   (Compt.  rend.  T.  XXX.  p.  309). 


IV. 


225 


IV.     Berichtigung  der  von  Rudberg  berechneten 
Axenwirütel  der  zweiaxigen  Krysttdle; 

von  E.  Wilde. 


H 


aaptsächlich  in  der  Absicht,  die  FresneTsche  Theorie 
der  doppelten  Brechung  zu  prüfen,  hat  Rudberg  bekannt- 
lich fOr  einige  zvreiaxige  Krjstalle  die  Winkel,  die  von 
den  beiden  optischen  Axen  gebildet  werden,  nach  dieser 
Theorie  berechnet,  und  die  Resultate  der  Rechnung  mit 
seinen  Messungen  verglichen  ')•  Bei  dem  Arragonit  findet 
er  aber  zwischen  der  Rechnung  und  Beobachtung  eine  Dif- 
ferenz von  2^^,  und  bei  dem  farblosen  Topas  sogar  eine 
Differenz  von  mehr  als  8^.  Rudberg  sucht  zwar  diese 
so  bedeutenden  Differenzen,  beim  Arragonit  wenigstens,  dar- 
aus zu  erklären,  dafs  bei  den  Messungen  die  Stellen  der 
beiden  Axenpole  sich  nicht  genau  erkennen  lassen;  man 
würde  indefs,  wenn  die  Fresnel'sche  Theorie  durchgän- 
gig und  bei  allen  Krystallen  Fehler  von  solcher  Gröfse 
xoliefse,  nicht  jeden  Zweifel  an  ihrer  Wahrheit  unterdrücken 
können.  So  verhält  es  sich  aber  nicht,  sondern  Rudberg 
hat  hier  vielmehr  die  FresneTsche  Theorie  nicht  in  ihrem 
wahren  Sinne  angewandt. 

Werden  mit  n  und  ^  die  Fortpflanzungsgeschwindigkei- 
ten der  beiden,  senkrecht  auf  einander  polarisirten  Strah- 
len von  beliebiger  Richtung  bezeichnet,  in  welche  sich  ein 
einfallender  bei  seinem  Eintritte  in  die  zweiaxigen  Krystalle 
spaltet,  und  sind  «  und  d  die  Winkel  zwischen  diesen 
Strahlen  und  den  optischen  Axen,  so  hat  man,  sagt  Rud- 
berg, «I»  Svmt  der  Emanationstheorie  für  die  Geschwin- 
digkeit des  einen  Sixahles  die  Gleichung: 

(l)    u«=il+5sin'4(«— «'), 

in  welcher  Ä  und  B  Constante  sind,  und  für  die  des  an- 
deren die  Gleichung: 

1)  Diese  Aonalen  Bd.  17,  S.  1. 
PoggendorfiPs  Annal.  Bd.  LXXX.  15 


226 

(2)    c'«=il+J?MnH  («+«'), 
io  Folge  der  Fresnerschen  Theorie  za  nelimen.    WoHe 
man  aber  die  Geschwindigkeiten  tu  Smme  der  ümdubMiianS' 

theorie  berechnen,   so  müsse  man   in   diesen  Formeln  — 

f 

ond  -7  statt  r  ond  c'  setzen.    Weil  sie  jedoch ,   im  Sinne 

der  Emanationstheorie  angewandt,  einfacher  sind,  ond  weil 
dann  zugleich  die  Geschwindigkeiten  der  Strahlen  in  deo 
Krystallen  dorch  die  Brechongsexponenten  selbst  angege- 
ben werden,  sobald  ihre  Geschwindigkeit  in  der  Luft  zor 
Einheit  genommen  ist:  %o  wolle  er  seine  Rechnongen  lie- 
ber für  die  Emanationstheorie  dnrchföhren. 

Rndberg  hatte,  um  die  zur  Berechnung  des  Azenwin- 
kels  erforderiidien  Brechungsexponenten  zu  bestimmen,  drei 
Arten  Ton  Prismen  aus  dem  Arragonit  schleifen  lassen.  In 
der  einen  Art,  welche  ich  das  Prisma  P  nennen  will,  war 
die  Kaute  des  brechenden  Winkels  parallel  mit  der  MU- 
tellinie  (Fig.  I.  Taf.  IV.)  ddt,  welche  den  spitzen  Winkel 
xc!f^=a  der  beidm  optischen  Axen  xw  und  ys  halbirt. 
In  der  anderen  Art,  die  das  Prisma  Q  heilsen  soll,  war 
die  brechende  Kante  parallel  mit  der  Linie  ff\  die  senk- 
recht steht  auf  der  Mittellinie  <f  d*.  In  der  dritten  Art  end- 
lich, welche  ich  das  Prisma  Jl  nennen  i^ill,  war  die  bre- 
chende Kante  parallel  mit  einer  Linie,  die  man  senkrecht 
auf  der  Ebene  der  Axen  (der  Ebene  der  Zeichnung)  in  c 
zu  denken  hat. 

Ffir  das  Prisma  P,  dessen  brechende  Kante  parallel  mit 
der  Mittellinie  ddt  ist,  stellt  ff  den  DcArchschnitt  der  anf 
der  Ebene  der  Zeichnung  senkrechten  Durchgangsebene  der 
beiden  gebrochenen  Strahlen  vor,  und  es  ist  in  diesem 
Falle  jedesmal  die  Summe  der  Winkel  e+e'slSO«».  Denn 
ist  $  c  die  Richtung  des  einen  oder  anderen  Strahles  in  der 
durch  ff  gehenden  und  auf  der  Zeichnung  senkrechten 
Ebene,  sind  also  die  Bogen  sx  und  sy  die  MaaCse  der 
Winkel  e'  und  e,  so  ist,  wenn  man  den  Bogen  s  om  den 
Bogen  si  zu  180^  ergänzt,  der  Bogen  sx  so  grofs^  als  #s. 
In  den  beiden  sphärischen  Dreiecken  cfsx  «nd  cfs»  ist 


227 

niSmlich  der  Winkel  $ef  derselbe,  femer  der  Winkel  fcx 
ssf'cy=fc»,  und  der  Neigungswinkel  der  Ebene  cfs 
gegen  die  Ebene  der  Axen  in  beiden  Dreiecken  ein  rech- 
ter. Man  hat  also  €+««  =  180^=€+«xs=64-e'y  folg*» 
lieb  «  — e'=180<>— 2«',  and  aus  (1)  und  (2): 

(3)      f?»=il  +  Bc08«€' 

(4)  f>''^Ä+B, 

so  dafs  VI  in  diesem  Falle  constant  ist. 

Für  das  Prisma  Qy  in  welchem  die  brechende  Kante 
parallel  mit  ff  ist,  und  die  Durchgangsebene  der  gebro- 
chenen  Strahlen  durch  die  Mittellinie  dif  geht,  sind  offen- 
bar die  beiden  Winkel  €  und  e'  jedesmal  gleich.  Es  ist 
daher  für  diefs  Prisma: 

(5)  f)^  =  A 

(6)  c'»=A+JBsin'€', 

in  diesem  Falle  also  die  Geschwindigkeit  e  constant. 

Ffir  das  Prisma  R  endlich,  in  welchem  die  brechende 
Kante  senkrecht  auf  der  Ebene  der  Axen  steht,  die  auf 
dieser  Kante  senkrechte  Durchgangsebene  der  gebrochenen 
Strahlen  also  in  die  Ebene  der  Axen  föUt,  ist  jedesmal 
€=€'+«9  folgliche  —  £'  =  a,  und  e*4-€'=2€'-f«cr,  mithin 

(7)  f)'=il+Bsin':^ 

(8)  v''z=zA+Bsin'[6'+^y 

und  in  diesem  Falle,  wie  im  zweiten,  die  Geschwindig- 
keit f>  constant,  weil  der  Axenwinkel  a  einen  constanten 
Werth  hat. 

In  einem  der  beiden  Spectra  haben  also  für  jedes  der 
drei  Prismen  die  Strahlen  eine  constante  Geschwindigkeit, 
und  zwar  sind  in  Folge  der  FresneTschen  Theorie  diese 
Strahlen  von  copstanter  Geschwindigkeit  jedesmal  diejeni- 
gen, in  denen  die  Aethervibrationen  parallel  mit  der  jedes- 
maligen brechenden  Kante  erfolgen.  Rudberg  konnte 
daher  diefs  Spectrum  von  dem  anderen  mit  veränderli- 
cher Geschwindigkeit  der  Strahlen  durch  «ine  Turmalin- 

15* 


228 


platte,  die  vor  das  Ocular  des  Fernrohres  gebradit  war, 
durch  welches  die  Farben  der  Spectra  betrachtet  wurden, 
leicht  unterscheiden,  da  eine  solche  Platte  bekanntlich 
nur  die  mit  ihrer  Axe  parallelen  Aethervibratiooen  durch- 
läfst.  Das  Spectrum,  welches  sichtbar  blieb,  wenn  die 
Axe  des  Turmalins  parallel  mit  der  brechenden  Kante  ge- 
halten wurde,  entstand  nSmlich  jedesmal  durch  Strahlen 
von  constanter  Geschwindigkeit. 

Mit  seiner  unübertroffenen  Sorgfalt  bestimmte  nun  Rud- 
berg  die  Brechungsexponenten  für  die  Strahlen  von  con- 
stanter Geschwindigkeit  in  jedem  der  drei  Arragonitprismen 
P,  Q,  R  nach  derselben  Methode,  nach  welcher  er  auch  die 
Brechungsexponenten  des  Kalkspaths  und  Bergkrjstalls  ge- 
funden hatte,  fQr  jede  der  sieben  Fraun ho fer'schen  Linien 
besonders,  und  erhielt  z.  B.  ffir  die  Linien  JJ,  £,  D,  B  die 
Werthe  so,  wie  sie  in  folgender  Tabelle  angegeben  sind: 

Arragonit 
BrechungsexpoDenten  der  Strahlen  von  constanter 

Geschwindigkeit 


Strahl. 


iiD  Prisma  IK 


H 
E 
D 
B 


1,54226 
1,53264 
1,59013 
1,52749 


im  Prisma  Q. 


1,71011 
1,69084 
1,68589 
1,68061 


im  Prisma  tL 


1,70509 
1,68634 
1,68157 
1,67631 


Bezeichnet  man  mit  Budberg  den  Brechungsexponen- 
ten für  das  erste  Prisma  und  für  die  gelben  Strahlen,  die 
zur  Linie  D  gehören^  mit  n',  för  das  zweite  mit  fi" ^  and 
für  das  dritte  mit  n",  so  hat  man  also  im  Sinne  der  Erna- 
nationstheorie  aus  (5): 

» ''  =1,68589 '^  =2,84222=il, 

ferner  aus  (4): 

n''  =  1,53013^=: 2,34129==  ii+£,  woraus 

B=n'«  —  n'"«  =  —  0,50093, 

endlich  aus  (7): 

»'*  =1,68157«  =2,82768=il+i?ain'  -^. 


229 
SO  dab 

und  der  ganze  Axeowinkel  a:=19^36'.  Werden  die  Axen- 
winke!  auch  für  die  anderen  Fraunhofer 'scheu  Linien 
in  derselben  Weise  berechnet,  so  bekommt  mau  Mgeude 
Tabelle: 


Strahl. 


H 
K 
D 
B 


Berechnete  wahre  Axenwinkel  des 
Arragonits. 


20«  25' 
J9  53 
19  36 
19  44 


An  einer  Arragonitplatte,  deren  parallele  Oberflächen 
(Fig.  2.  Taf.  IV.)  AB  und  ab  senkrecht  gegen  die  Ebene 
der  optischen  Axen  PQ  und  pq  geschliffen  waren,  fand 
nun  Radberg  durch  wiederholte  Messungen  den  schein- 
baren Winkel  phPzs/S  der  optischen  Axen  (den  Winkel, 
den  die  in  der  Richtung  der  Axen  durch  den  Krjstall  ge- 
henden Strahlen  nach  ihrer  Brechung  in  die  Luft  mit  ein- 
ander bilden)  ungefähr  32^.  Es  mufs  sich  also,  wenn  die 
Messungen  mit  der  Theorie  übereinstimmen,  aus  den  vor- 
stehenden wahren  Axenwinkeln  pcP=za  (die  von  den  Axen 
im  Krjstall  wirklich  gebildet  werden)  eben  dieser  schein- 
bare Winkel  ergeben. 

Die  Geschwindigkeiten  der  beiden  jStrahlen,  die  in  der 
Richtung  einer  jeden  der  beiden  Axen  den  Krjstall  durch- 
dringen, sind  nicht  blofs  coustant,  sondern  auch  gleich, 
indem  dann  aus  (1)  und  (2)  für  <'=0  und  6=a: 

o*=f)'^=il+Bsin»y. 

Diese  beiden  Strahlen,*  die  längs  jeder  Axe  eben  deshalb 
ungetrennt  fortgehn,  weil  ihre  Geschwindigkeit  eine  gleiche 
ist,  spalten  sich  jedoch  bei  ihrem  Austritte  in  die  Luft  in 
P  und  p,  und  es  befolgt  nur  der  eine  von  ihnen,  dessen 
Vibrationen  der  brechenden  Kante  parallel  sind,  das  Ge- 
setz desSnelliua.   Da  die  Dnrchgangsebexie  beider  Strah- 


230 

len  hier  in  der  Ebene  der  optischen  Axen  Hegt,  so  maCs 
man  für  a=19"36'  den  zu  D  gehörigen  Brechnngsexpo- 
nenten  n''= 1,68157  des  Prisma  R  nehmen,  und  hat  daher 
für  diesen  in  gewöhnlicher  Art  gebrochenen  Strahl: 

sindp  A=sin  -|-  srrn"  sin  qpe^^fi'  sin  ■— 

=  1,68157 sin9«  48'=sinl6°  38', 

so  dafs  /?=33°  16'.  Berechnet  man  in  dieser  Weise  noch 
die  scheinbaren  Winkel  für  IT,  E  und  B,  so  erhält  mao 
folgende  Tabelle: 


Strahl. 


Berechnete  scheinbare  Axeo winket  des 
Arragonits. 


H 
E 
D 
B 


35'' lO* 
33  51 
33  16 
33  24 


SO  dafs  der  Mittelwerlh  ungefiihr  34^  beträgt,  und  die  Beob- 
achtung von  der  Rechnung  um  etwa  2^  abweicht. 

Rudberg,  der  ak  den  Grund  dieser  Differeoz  die  Un- 
sicherheit ansieht,  die  von  der  Messung  der  scheinbaren 
Axenwinkel  untrennbar  ist,  sucht  die  Ursache  dieser  Un- 
sicherheit besonders  darin,  dafs  die  beiden  Strahlen,  die  in 
den  Kryslallen  längs  jeder  Axe  sich  uDgespalten  fortbewe- 
gen, bei  dem  Austritte  in  die  Luft  sich  trennen«  So  be- 
rechnet er  für  die  Stelle  H  des  Spectrams  den  Winkel, 
um  den  sie  beim  Arragonit  getrennt  werden,  auf  2^  7' 20". 
Bei  den  Messungen  werden  aber  die  Axenpole  in  der  Mitte 
der  weifsen,  von  farbigen  Bingen  umgebenen  Curven  ge- 
nommen, und  hier  würde  man  die  Axenpole  auch  wirklich 
sehn,  wenn  die  beiden  Strahlen,  die  ungetrennt  längs  je- 
der Axe  durch  den  Krjstall  gingen,  in  Bichtungen,  die  de- 
nen der  einfallenden  parallel  sind,  austreten  würden.  Da 
aber  die  austretenden  Strahlen  divergiren,  so  entstehe  eben 
hierdurch  die  grofse  Ungenauigkeit  in  der  Bestimmung  der 
scheinbaren  Axenwinkel. 

In  derselben  Weise,  wie  bei  dem  Arragonit,  bestimmU 
Rudberg  mittelst  der  Prismen  P,  Q,  R  auch  die  Brediungi- 


231 


eaipoafiDteu  ffir  den  farbloaeii  Topas ,  und  fand  f&r  diesel 
ben  folgende  Wertbe: 

Topas. 
BrechuBgaexpoBentea  der  Strahlen  von  constanter 

Geschwindigkeit 


Strahl. 


im  Priama  P. 


H 
E 
D 
B 


1,63506 
1,62408 

1,62109 
1,61791 


im  Prisma  Q. 


1,62539 
1,61452 
1,61161 
1,60840 


im  Prifi^a  i?« 


1,62745 
1,61668 
1,61375 
1,61049 


woraus  sieb  die  Axenwinkel  ffir  eben  diese  Strahlen  erge- 
ben, wie  folgt: 


Strahl. 

Berechnete  wahre  Axenwipkel  des 
Topas. 

H 
E 
D 
B 

54*»  54' 
56  40 
56  37 
55  52 

Ais  Miltelwerth  erhsU  man  also  56°.  Brewster  aber  bat 
den  wahren  Winkel  der  optischen  Axen  im  Topas  =  65°, 
und  Biot  ihn  =64°  14'  gefunden,  so  dafs  die  Differenz 
hier  8  bis  9  Grade  beträgt. 

Da  es  mir  nicht  wahrscheinlich  schien,  dafs  der  von 
Radberg  angegebene  Grund  so  grofse  Differenzen  in  den 
berechneten  und  beobachteten  Axenwinkeln  zur  Folge  ha- 
ben könne,  so  unterwarf  ich  die  vorstehenden  Rechnungen 
•iner  genaueren  Prfifuqg,  und  überzeugte  mich  durch  die- 
selbe, dafs  Rudberg  die  Fresnel'schen  Gleichungen 
nicht  in  ihrer  wahren  Bedeutung  genommen  habe,  dafs  aber, 
wenn  diefs  geschieht,  die  Theorie  im  Einklänge  mit  den 
Beobachtungen  ist,  wie  aus  dem  hier  Folgenden  hervor- 
gehn  wird. 

Fresnel,  der  seine  Theorie  der  doppelten  Brechutig 
nicht  im  Sinne  der  Emanaiions-,  sondern  vielmehr  in  dem 
der  Undulationalheorie  durchgeführt  hat,  giebt,  wenn  die 
Buchstaben  v,  v\  e,  b'  die  vorige  Bedeutung  behalten,  für 


232 

die  Fortpflanznngsgeschwindigkeiteii  der  beiden  entgegen- 
gesetzt polarisirteii  Strahlen,  in  welche  sich  ein  einfallender 
in  den  zweiaxigen  Krjstallen  spaltet,  die  Ausdrücke  an '): 

(9)    c'  =  6'+(a'  — 6')8«ö'i(«  — O 
(10)    c'^=6^+(a«  — 6«)sin*4(6-h€'), 

die  zugleich  die  Geschwindigkeiten  der  beiden  entgegenge- 
setzt polarisirteu  Strahlen  in  den  einaxigen  Krystallen  um- 
fassen. 

Für  die  einaxigen  Krjstalle  fallen  nSmlich  die  beiden 
Axen,  auf  welche  sich  diese  Gleichungen  beziehen,  in  eioe 
einzige,  folglich  auch  die  beiden  Winkel  a  und  s'  in  einen 
gleichen  Werth  (p  zusammen,  und  so  geben  die  Gleichun- 
gen in  diesem  Falle  in  die  Formen  über: 

(11)  c«  =  6« 

(12)  o"=6«+(a*  — 6'»)sin>, 

so  dafs  t?  =  &  die  in  allen  Durchgangsrichtungen  durch  die 
Krystalle  stets  gleich  bleibende  Geschwindigkeit  der  soge- 
nannten gewöhnlichen  (ordinären),  und  f>'  die  in  Terschie- 
denen  Richtungen  veränderliche  Geschwindigkeit  der  tM- 
gewöhnlichen  (^extraordinären)  Strahlen  ist.  Die  Geschwin- 
digkeit dieser  letzteren  hat  in  den  negativen  einaxigen  Krj- 
stallen, für  welche  im  Sinne  der  Undulationstheorie  a^6, 
ihr  Maximum  a  f(ir  (p  =  90^f  wenn  also  die  Strahlen  in 
einer  gegen  die  Axe  senkrechten  Richtung  durch  den  Krjr- 
stall  gehen,  ihr  Minimum  b  aber  für  9>  =  0^,  wenn  die 
Richtung  der  Strahlen  mit  der  Axe  zusammenfällt.  In  den 
positiven  einaxigen  Krjstallen  dagegen,  für  welche  in  der 
Bedeutung  der  Undulationstheorie  a^ft,  wird  aus  dem 
Maximum  das  Minimum  und  umgekehrt. 

Bekanntlich  stehen  im  Sinne  der  Emanationstheorie  die 
Geschwindigkeiten  der  Lichtstrahlen  in  der  Luft  und  ip  ei- 
nem anderen  brechenden  Mittel  im  umgekehrten  Verhftltnib 

J  )  M^m.  de  tacad,  des  sciences  de  tinsi,  de  France^  1827.  iom.  FIL 
pag.  45  in  dem  Mim,  sur  ia  doubie  rifraction.  Ferner  jtiiments 
de  phys.  erpSrimentaU par  Pouillei^  trois,  idii.t^m,lL  pag.9iU 
Diese  Annalen  Bd.  23,  S.  372. 


233 

ihrer  Brechung  in  diesen  beiden  Mitteln«  im  Sinne  der  Un^ 
dolationstheorie  aber  im  geraden  Verhältnifs  der  Brechung, 
wenn  in  beiden  Fällen  ihre  Geschwindigkeit  in  der  Luft 
zur  Einheit  genommen  wird.  So  verhält  sich  die  Geschwin- 
digkeit des  Lichtes  in  der  Luft  zu  der  im  Wasser  für  die 
Emanationslheorie  wie  3:4,  so  dafs  ^  (der  gerade  Bre- 
chungsexpouent)  seine  Geschwindigkeit  im  Wasser  ist;  fOr 
die  UndulatioDstheorie  aber  ist  diese  letztere  =f  (der  um- 
gekehrte Brechungsexponent). 

Um  diefs  auf  den  Kalkspath  anzuwenden,  so  fand  Ma- 
lus *)  mittelst  eines  Prisma  aus  diesem  Krjstalle,  in  wel- 
chem die  brechende  Kante  der  Axe  parallel  war,  den  fOr 
alle  Durchgangsrichtungen  constanten  Brechungsexponenten 
der  gewöhnlichen  Strahlen  =  1,6543,  und  den  kleinsten  Bre- 
chungsexponenten der  ungewöhnlichen,  wenn  sie  im  Krjstalle 
eine  gegen  die  Axe  senkrechte  Richtung  hatten,  =1,4833'). 
FQr  die  Emanationstheorie  ist  also  auch  die  constante  Ge- 
schwindigkeit der  gewöhnlichen  Strahlen  im  Kalkspath  b'=i 
1,6543,  und  die  kleinste  der  ungewöhnlichen,  wenn  sie 
eine  gegen  die  Axe  senkrechte  Richtung  haben,  a=  1,4833; 
ffir  die  Undulationstheorie  dagegen  ist  die  constante  Ge- 
schwindigkeit der  gewöhnlichen  Strahlen  6= -r^= 0,604485, 
und  die  gröfste  Geschwindigkeit  der  ungewöhnlichen,  wenn 
sie  eine  gegen  die  Axe  senkrechte  Richtung  haben,  a=-7 

=0,674172,  welche  Werthe  auch  unit  ihrem  schon  von 
Huygens ^) bestimmten  Verhältnisse  0,93410: 1,05032  ziem- 
lich genau  Qbereinstimmen. 

Um  aus  diesen  Constanten  fOr  jede  andere  Richtung 

1 )  Theorie  de  ia  double,  rifraction  de  ia  lumihre,  Paris ,  1810 
paff.  199. 

2)  Nach  Rndberg*s  genaueren  Bestimmungen  entspreclien  diese  Bre- 
chungsexponenten einer  zwischen  B  und  C  liegenden  Stelle  des  Spec- 
trums. Für  die  Linien  D  und  £,  welche  dem  gelben  Lichte  angehö- 
ren, fand  er  die  Brechuogsexponenten  der  gewöhnlichen  Strahlen  1,6583 
und  1,6636.  und  die  der  ungewöhnlichen  1,4863  und  1,4887.  Diese 
Annalen  Bd.  14,  S.  54. 

3)  Tractatui  de  iumine^  cap,  V. 


234 

der  Lichtstrahlen  ihre  Geschwindigkeit  ableiten  zu  kOnnen, 
dürfe  man  zwar  fQr  die  Emanationstheorie,  sagt  Radberg, 
die  Gleichungen  (9)  bis  (12)  ungeändert  beibehalten ^  für 

die  Undulationstheorie  aber  müsse  man  —  und  —f  statt  v 

W  V 

und  t>'  nehmen,  und  er  wolle  daher  die  Rechnungen  ia 
ihrer  einfacheren  Form  für  die  Emanationstheorie  durch- 
führen. 

Rudberg  scheint  also  vorausgesetzt  zu  haben,  dafs 
beide  Theorieen  zu  denselben  Resultaten  führen  j  tote  sich 
diefs  doch  keinesweges  so  verhält,  wozu  noch  kommt ^,  dafs 
auch  die  gröfsere  Einfachheit  der  Formeln  in  der  Emana- 
tionstheorie  nur  für  einen  einzelnen  Lichtstrahl  behauptet 
werden  kann.  Denn  versteht  man  unter  der  Gesdiwindig- 
keit  des  Lichtes  nicht  sowohl  die  eines  einzelnen  wirkungs- 
losen Elementarstrahles,  sondern  mit  gröfserem  Rechte  die 
Geschwindigkeit  der  Lichtu>elle,  die  sich  aus  diesem  StraUe 
und  den  in  seiner  unmittelbaren  Nähe  befindlichen  JStMom- 
mensetzt:  so  darf  man  für  die  Undulationstheorie  nicht  die 
ganzen  rechten  Seiten  jener  Gleichungen  umkehren,  sondern 
nur  die  umgekehrten  Brechungsexponenten  statt  der  ConstOH' 
ten  in  denselben  nehmen,  wodurch  sie  für  die  eine  Theorie 
durchaus  nicht  einfacher,  als  für  die  andere  werden. 

Nimmt  mau  nämlich  im  Sinne  der  Undulationstheorie 
die  Geschwindigkeit  6=0,604485  des  längs  der  optischen 
Axe  des  Kalkspaths  sich  fortbewegenden  Strahles  zu  der 
einen  Halbaxe  (Fig.  3  Taf.  IV,)  cg,  die  Geschwindigkeit 
a  =  0,674 172  des  in  senkrechter  Richtung  gegen  die  Axe 
sich  bewegenden  Strahles  aber  zur  anderen  Halbaxe  cd 
einer  Ellipse,  und  denkt  man  dieselbe  um  die  kleine  Axe 
gh=2.cg  gedreht,  um  das  sogenannte  Sphäroid  der  dop- 
pelten Brechung  für  den  Kalkspath  zu  erhalten:  so  ist,  wenn 
der  Winkel  feg,  den  der  Radius  cfz=zr  mit  der  Halbaxe 
cg  bildet,  mit  (p  bezeichnet,  und  aus  f  die  Ordinate  fm=zy 
senkrecht  auf  die  grofse  Axe  gefällt  wird,  nach  der  Glei- 
chung der  Ellipse: 


235 

f  m'  =r'  cos'  qp=  ^  (a*  —  cw') 
=  ~5(a' — r'sin'^qp),  woraus 

Es  stimmt  also  dieser  Ausdruck  mit  dem  von  o'^  in  (12) 
Qbereio,  und  es  ist  daher  im  Sinne  der  Emanationstbeorie, 
für  welche  d  und  6'  die  geraden  Werthe  der  Brechungs- 
exponenten bedeuten,  die  Geschwindigkeit  eines  gegen  die 
optische  Axe  des  Kalkspaths  unter  dem  Winkel  ^  geneig- 
ten Lichtstrahles  nichts  anderes,  als  der  umgekehrte  Wertb 
des  zugehörigen  Radius  cf  in  dem  Sphäroid  der  doppelten 
Brechung.  Für  die  Undulationstheorie  ist  folglich  die  Ge- 
schwindigkeit eben  dieses  Strahles  der  Radius  selbst,  weil 
die  Strahlgeschwindigkeiten  in  der  einen  Theorie  die  um- 
gekehrten Werthe  von  denen  in  der  anderen  sind. 

Man  hat  aber  auch,   wenn  die  Tangente  kf  an    den 
Punkt  f  gezogen  wird,  für  cmz=ix  die  Subtangente  i?ii= 


fl» 


— — a?,  folglich 

X 

und,  da  die  Tangente  die  mittlere  Proportionale  zwischen 

der  Subtangente  und  der  Summe  der  Subnormale  -^  und 
Subtangente  ist: 

^^  — 1^^  ' 

folglich,  wenn  aus  c  das  Loth  cn  auf  die  Tangente  gefällt, 
und  der  Winkel  ncg  =  ckn,  den  diefs  Loth  mit  der  opti- 
schen Axe  cg  oder  die  Tangente  mit  der  Axe  der  x  bildet, 
mit  tp  bezeichnet  wird: 

/•w' 5=^(a' — a?^)=*/^^  .sin' i/i 
__v» — ±_n^ — ^     a  /^  j      y    woraus 
fl^ein*  i/;=:a?'  [6'  +(a«  — fc^siu^  tff} , 


236 

80  dafs 

Es  stimmt  also  auch  dieser  Ausdruck,  in  welchem  a  und  fr 
die  umgekehrten  Brechuugsexponenten  sind,  mit  dem  io 
(12)  fiberein,  mit  dem  Unterschiede  jedoch ,  dafs  hier  das 
Zeichen  tp  nicht  die  Neigung  der  optischen  Axe  gegen  deo 
Lichtstrahl  cf,  sondern  vielmehr  den  Winkel  der  optischen 
Axe  mit  der  Richtung  cn  bedeutet,  die  senkrecht  ist  ge- 
gen die  Frontebene  kn  der  Lichtwelle,  die  sich  ans  den 
zu  cf  und  zu  den  nahe  gelegenen  Strahlen  gehörigen  Ele- 
meutarwellen  zusammensetzt.  So  darf  man  also  statt  der 
Coustanten  in  der  Gleichung  (12)  nur  die  umgekehrten 
Brechungsexponenten  nehmen,  damit  sie  in  diesem  Sinne - 
fGr  die  Undulationstheorie  die  Quadrate  der  Geschwindig- 
keiten der  ungewöhnlichen  Strahlen  angebe. 

Um  diefs  durch  ein  Beispiel  noch  mehr  zu  erläutern, 
so  hat  man  für  die  Emanationstheorie  fr' '  =2,7367118  und 
a'' =2,200178,  folglich  für  9^=30'',  wenn  die  Geschwin- 
digkeit in  der  Luft  zur  Einheit  genommen  wird: 

ü''  =  &''  +(a'»  —  fr")sin'  30<>=2,60257 , 
und  aus  (13)  für  6' =0,365402  und  a'' =0,454508: 

er  =r' =0,38423=^-^, 

so  dafs  hier  die  Geschwindigkeit  das  Umgekehrte  des  Ra- 
dius ist.  Für  diesen  Werth  von  q)  hat  man  aber  auch 
cm=a;=rsin30'>=0,30993  und  o;'' =0,09606,  folglich 

.tangt/;='g  =  — Ai^=  0,464 1583= tang  24  «53', 

mithin 

cn' =6' +(a'—6')sin'24»53'=0,38118, 

und  es  ist  dieser  Werth  im  Sinne  der  Undulationstheorie 
zwar  nicht  genau  das  Quadrat  der  Geschwindigkeit  (0,38423), 
mit  welcher  sich  der  Strahl  cf  im  Krjstalle  bewegt,  wohl 
aber  der  genaue  Ausdruck  für  das  Quadrat  der  Geschwin- 
digkeit, mit  welcher  die  ^u  diesem  Strahle  gehörige  Licht- 


237 

u>eHe  io  einer  gegen  ihre  eigene  Frontebene  in  senkrecli- 
ten  Richtung  cn  im  Krjstalle  sich  fortpflanzt. 

Unter  der  optischen  Axe,  die  in  den  einaxigen  Krj- 
stallen  jedesmal  auch  die  krystallographische  ist,  hat  man 
daher  nicht  sowohl  die  Richtung  zu  verstehn,  in  welcher 
ein  gewöhnlicher  und  ungewöhnlicher  Elementarstrahl  eine 
gleiche  Geschwindigkeit  haben,  sondern  vielmehr  die  Rich- 
tung, in  der  sich  die  Frontebenen  der  zu  diesen  Strah- 
len gehörigen  Lichtwellen  mit  gleicher  Geschwindigkeit  be- 
wegen. 

Werden  in  eben  dieser  Bedeutung  für  die  Undulations- 
theorie  die  Gleichungen  (9)  und  (10)  auch  für  die  atoei- 
axigen  Krjstalle  augewandt,  —  bei  denen  man  der  vorigen 
Entwicklung  gemäfs  unter  den  beiden  optischen  Axen  die 
Richtungen  zu  verstehen  hat,  in  denen  die  Frontebenen 
der  zu  beiderlei  Strahlen  gehörigen  Lichtwellen  eine  gleiche 
Geschwindigkeit  haben  —  und  die  Prismen  P,  Q,  R  in  dem 
vorigen  Sinne  genommen:  so  ist  für  das  Prisma  P,  in  wel- 
chem die  Kante  des  brechenden  Winkels  parallel  ist  mit 
der  Mittellinie  (Fig.  1.  Taf.  IV.)  dd,  und  die  Summe  der 
Winkel  6+6'=180^  folglich  €  —  «'  =  180^^26': 

(14)  •  f?'=&'+(a'— 6«)co8'€' 

(15)  v^'ziza^ 

a  also  die  für  alle  Durchgaugsrichtungen  constante  Ge- 
schwindigkeit des  einen  Strahlenbündels  in  dem  auf  der 
Mittellinie  senkrechten  Schnitte  ff.  Die  veränderliche  Ge- 
schwindigkeit des  anderen  Bündels  dagegen  kann,  wenn 
a  wieder  den  Winkel  der  optischen  Axen   bedeutet,  von 

€'=90"  bis  6'=90" — -^  variiren,  so  dafs  mau  0=6  als 

das  Minimum,  und  ©=  r6«-|-(a^  — 6')sin' yl^als  dasMa- 

ximum  der  Geschwindigkeit  dieses  Bündels  in  dem  Schnitte 
ff  erhält,  wenn  a>6.  Ist  aber  a<;6,  so  wird  aus  dem 
Maximum  das  Minimum  und   umgekehrt. 

Für  das  Prisma  Q^  in  welchem  die  brechende  Kaute  pa- 
rallel mit  ff  ist,   und  die  auf  ff  senkrechte  Durchgangs- 


238 

ebene  der  gebrochenen  Strahlen  durch  die  Mittellinie  dd 
geht,  sind  die  beiden  Winkel  €  und  6'  gleich.  Es  ist  da- 
her für  dieCs  Prisma: 

(16)  ©'=6' 

(17)  t?''=6'  +(a'  —  6«)sin«  6  =  a»  —  (a*  —  6')cos'  e, 

und  b  die  für  alle  Durchgangsrichtuügen  constante  Ge- 
schwindigkeit in  dem  durch  die  Mittellinie  gehenden,  und 
auf  ff  senkrechten  Schnitte.  Die  veränderliche  Geschwindig- 
keit dagegen  kann  von  6  =  90^  bis  €=-|-  variiren,  so  dals 

man  t?'=a  als  das  Maximum,  und  r'rsja*— (a*— 6')cos'y|^ 

als  das  Minimum  erhält,  wenn  a^&.  Ist  aber  a<Cb,  so 
wird  auch  hier  aus  dem  Maximum  ein  Minimum  und  um- 
gekehrt. 

Die  Maxima  und  Minima  der  veränderlichen  Geschwin- 
digkeiten V  und  v'  treten  also  in  diesem  Falle  und  dem 
vorigen  entweder  dann  ein,  wenn  die  zugehörigen  Strah- 
lenbündel durch  die  Ebene  der  Axen  gehen,  oder  wenn 
sie  eine  gegen  diese  Ebene  senkrechte  Richtung  haben. 

Für  das  dritte  Prisma  R,  in  welchem  die  auf  der  bre- 
chenden Kante  senkrechte  Durchgangsebene  der  Strahlen 
in  die  Ebene  der  Axen  fällt,  so  dafs  6  =  €'  +  «,  folglich 
€  —  6'=a  und  €  +  €  =2€'H-a,  wird 

(18)  f?'=6'+(a'— 6')sin^-| 

(19)  f?''  =  6'-h(a'— 6«)sin'(6'+-|), 

und  in  diesem  Falle  die  Geschwindigkeit  f)  constant.  Die 
veränderliche  Geschwindigkeit  v*  kann  dagegen  von  6'= — -l* 


bis  €'  =  90^ — — -  variiren,  so   dafs  man  f)'=zb  als  das  Mi- 

nimum  und   v'  =  a  als  das  Maximum   erhält,   wenn   a^i. 
Für  a<lb  wird. auch  hier  aus  dem  Maximum  das  Minimom 


und  umgekehrt. 


Werden  nun  diese  im  Sinne  <]er  Undulationstheorie  ge- 
nommenen Gleichungen  zur  Berechnung  des  Axenwinkek 


239 

im  Afragonit  angewandt,  so  hat  man  in  Folge  der  Tabelle 
'  Seite  228  ffir  den  Strahl  J9  aus  (15): 

ferner  aus  (16): 

folglich  aus  (18): 

»' =i-;6^  =0,35364  =  6» +(«'- 6')8in»  f, 
woraus 

und  a=17°50\  Berechnet  man  eben  so  noch  die  Axen- 
winke!  für  die  Strahlen  Hy  E  und  B,  so  erhält  man, fol- 
gende Tabelle: 


Strahl. 


H 
E 
D 
B 


Berechnete  "wahre  Axenwiokel  des 
ArragoDits. 


IS*»  26' 
18  2 
17  50 
17  58 


aus  der  sich  der  Axenwinkel  in  seinem  Mittelwerthe  für 
die  txi  E  und  D  gehörigen  gelben  Strahlen  =17^56'  er- 
giebt.  Es  hat  aber  Brewster')  mittelst  des  von  ihm 
selbst  bestimmten  Brechungsexponenten  1,693  den  Axen- 
Winkel  im  Arragonit  =18^18',  mittelst  des  Rudberg'- 
schen  Exponenten  aber  diesen  Winkel  =  17^  33'  gefun- 
den. Da  nun  der  hier  berechnete  Werth  von  17^  56'  ge- 
nau in  der  Mitte  zwischen  diesen  beiden ,  von  Brewster 
bestimmten  liegt,  so  kann  man  sagen,  dafs  beim  Arragonit 
die  Theorie  mit  den  Beobachtungen  übereinstimmt. 

In  der  vorstehenden  Tabelle  ist  es  zugleich  uuverkenn- 

I    bar,  dafs  die  Axenwinkel  von   dem  violetten  Ende  H  des 
Spectruntis  nach  dem  rothen  B  hin  kleiner  werden,  indem 

p  die  Abweichung  von  dieson  Gesetze  bei  B  ohne  Zweifel 

9      1)  Diese  Annaleo  Bd.  27,  S«  604. 


240 

nur  in  einer  weniger  genauen  Bestimmung  der  xa  diesem 
Strahle  gehörigen  Exponenten  ihren  Grund  hat 

Sprächen  nicht  tausend  andere  Gründe  gegen  die  Ema- 
nationstheorie, 80  würden  schon  Rechnungen ,  wie  diese, 
fOr  die  alleinige  Wahrheit  der  Undulationstheorie  zeugen 
können.  Werden  die  Fresnel'schen  Gleichungen  in  dem 
Sinne  der  ersteren  verstanden,  so  geben  sie  Resultate,  de- 
nen die  Natur  widerstrebt;  dieselben  Gleichungen  aber, 
für  die  Undulationstheorie  genommen,  sind  in  vollkomme- 
nem Einklänge  mit  der  Natur. 

Werden  die  Gleichungen  (9)  und  (10)  für  die  Undu- 
lationstheorie auch  auf  den  Topas  angewandt,  so  findet  man 
folgende  Axcuwinkel: 


StraM. 


H 
E 
D 
B 


Berechnete  wahre  Axenwinkel  des 
Topas. 


55«  10' 
56  58 
56  58 
56     6 


so  dafs  man  als  Axenwinkel  für  die  gelben  Strahlen  etwa 
57 "*  bekommt.  Es  weicht  dieser  Winkel  von  Biot's  Mes- 
sungen also  immer  noch  um  7°  ab,  die  Differenz  ist  aber 
Aoth  um  1^  geringer,  als  sie  sich  nach  Rudberg's  Rech- 
nungen herausstellt. 

Rudberg  selbst  macht  darauf  aufmerksam,  daCs  der 
Grund,  aus  welchem  er  die  fehlende  Uebereinstimmung  zwi- 
schen der  Theorie  und  den  Beobachtungen  beim  Arragonit 
erklären  zu  können  glaubte,  bei  einer  so  grofsen  Differenz» 
wie  sie  hier  beim  Topas  gefunden  ist,  nicht  ausreichend 
sey.  Es  geht  diefs  ja  auch  schon  daraus  hervor,  weil  sonst 
beim  Arragonit,  wo  der  Trennungswinkel  der  beiden  aus- 
tretenden Strahlenbündel  nach  Rudberg's  Rechnungen 
mehr  als  2^  beträgt,  diese  Differenz  gröfser  sejn  müfste, 
als  beim  Topas,  für  welchen  der  Trenn ungswinkel  nach 
Rudberg's  Angabe  nur  21'  hat,  während  doch  gerade 
umgekehrt  beim  Arragonit  die  Theorie  mit  den  Messungen 

über- 


241 

fibereio8timmt^  Auch  der  Umstand,  dafs  die  Axen^inkel 
der  Terschiedenen  Farbeu  Terschiedeu  siud,  kann  zur  Er- 
klärung einer  so  grofsen  Differenz  nicht  ausreichen,  weil 
sonst  dasselbe  auch  beim  Arragonit  stattfinden  müfste.  Es 
bleibt  vielmehr  nur  der  schon  von  Rudberg  behauptete, 
und  von  Brewster  durch  seine  Beobachtungen  an  dem 
brasilianischen  Topas  bestätigte  Grund  übrig,  dafs  die  Axen- 
Winkel  in  verschiedenen  Individuen  des  Topas  eine  ver- 
schiedene Gröfse  haben,  wie  diefs  ja  auch  bei  anderen 
Krjstallen,  z.  B.  dem  Glimmer,  der  Fall  ist,  dessen  Axen- 
winkel  von  6"  bis  zu  45^  variirend  gefunden  wird. 

Dafs  die  Axenwinkel  sich  im  Topas  gerade  umgekehrt, 
wie  im  Arragonit  verhalten,  dafs  sie  von  dem  violetten 
nach  dem  rotheu  Ende  hin  zunehmen,  ist  aus  der  vorste- 
henden Tabelle  offenbar,  indem  auch  hier  die  Abweichung 
von  diesem  Gesetze  bei  B  gewifs  nur  durch  die  nicht  ge- 
naue Bestimmung  der  zugehörigen  Exponenten  entstan^ 
den  ist. 

Da  Rudberg's  Abhandlung,  die  auch  ins  Französische 
und  Englische  übersetzt  ist,  bei  ihrer  allgemeinen  Verbrei« 
tung  in  den  optischen  Schriften  oft  angeführt  wird,  so  habe 
ich  die  Veröffentlichung  der  vorstehenden  Berichtigung  der 
Rudberg' sehen  Rechnungen  für  eine  der  Wahrheit  schul- 
dige Pflicht  um  so  mehr  halten  müssen,  da  der  Unterschied 
der  für  die  Geschwindigkeit  des  Lichtes  in  beiden  Theo- 
rieen  gültigen  Formeln,  wie  ihn  Rudberg  feststellt,  auch 
in  anderen  Gebieten  der  Optik,  namentlich  in  der  Theorie 
der  chromatischen  Polarisation  zu  uunöthigen  Weitläufig- 
keiten leicht  verleiten  könnte. 


PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX>  1^ 


242 

V.    Veber  ftoihcvendig  scheinende  Ergäftzühg^n  der 
Beobachtungen  über  die  Boden  -  Temperatur  in 

Sibirien;  von  ßaer. 

(Aas  dem  Builetin  de  la  Classe  physico-mathemalique  der  Petersbai^ger 

Akademie  T.  VIU.) 


r\ls  dnsere  Akademie  sich  die  Aufgabe  gestellt  hatte,  den 
Schergin -Schacht  in  Jakutsk  zur  Untersuchung  der  Boden- 
Temperatur  in  Sibirien,  sowie  zur  Bestimmung  der  Wärme- 
Leitungs-F^higkeit  und  der  Mächtigkeit  des  Eisbodens  ins- 
besondere zu  benutzen,  konnte  die  zum  Entwürfe  eines 
Planes  für  die  Sibirische  Reise  ernannte  Commission  nicht 
umhin,  die  Frage  sich  zu  stellen:  Ob  nicht  die  Wfinde 
des  genannten  Schachtes  durch  die  von  aufsen  eindringende 
Luft  merklich  gegen  den  umgebenden  allgemeinen  Boden 
abgekühlt  seyen?  Um  eine  Entscheidung  über  diesen  Zwei- 
fel zu  erhalten,  wurde  in  der  Instruction  verlangt,  daCs  in 
verschiedenen  Tiefen  immer  je  zwei  Thermometer  ifn  die 
Wand  des  -Schachtes,  das  eine  nur  auf  einen,  das  andere 
bis  7  Fufs  von  seiner  Höhlung  entfernt  eingelassen  wer- 
den sollten. 

Bekanntlich  ist  diese  Aufgabe,  trotz  der  localen  Schffie- 
rigkeiten,  die  man  hier  nicht  so  grofs  voraussehen  konnte, 
mit  Vieler  Beharrlichkeit  durchgeführt,  so  wie  auch  meh- 
rere neue  Gruben  und  Bohrlöcher,  theils  in  der  unmittel- 
baren Nähe  von  Jakutsk ,  theils  in  gröfseren  Entfernungen 
angelegt  und  Messungen  der  Boden  -  Temperatur  in  ihnen 
angestellt  sind.  Die  Nothwendigkeit  solcher  Vergleicbungs- 
punkte  war  im  Verlaufe  der  Beobachtungen  immer  mehr 
hervorgetreten. 

Die  Beobachtungen  selbst  konnten' von  unserm  geehr- 
ten Collegen,  Hrn.  V.  Middendorff,  nur  begonnen  wer- 
den ^),  sie  sind  theils  von  anderen  Mitgliedern  der  Reise- 
gesellschaft, theils  von  fremden,  dazu  tüchtig  befundenen 
und  zu  diesem  Zwecke  unterwiesenen  Personen  fortgesetzt 
worden. 

1)  S.  Annal.  Bd.  62,  $.404. 


243 

Wir  haben  auch  schon  seit  längerer  Zeit  die  wissen- 
schaftliche Bearbeitung  aller  auf  dieser  Reise  gesammelten 
geothermischen  Messungen  von  Hrn.  von  Middendorff 
iw  ersten  Bande  seines  Reisewerkes  erhalten.  Unser  geehr- 
ter Herr  College  kommt  im  Allgemeinen  zu  dem  Resultate, 
dafs  die  Wände  des  S  che rg  in -Schachtes  sich  zwar  in  den 
oberen  Thcfilen  wahrscheinlich  ein  wenig  abgekühlt  haben, 
nämlich  in  der  Tiefe  von  50  Fufs  unter  dem  Eingange,  vom 
Jahre  1839  bis  zu  den  Jahren  1S44  — 1846  um  0%6  R. 
etwa;  dafs  aber  in  gröfseren  Tiefen  die  Temperatur  ziem- 
lich beständig  geblieben  sej.  (Middendorff 's  Reise, 
Bd.  I.,  S.  157.)  Daraus  wird  gefolgert,  dafs  die  Beobach- 
tungen in  der  Wand  des  Seh  ergin -Schachtes  uns  ein  an- 
nähernd richtiges  Maafs  für  die  Boden -Temperatur  jener 
Oegend,  für  die  Leitungs- Fähigkeit  des  gefrornen  Bodens, 
und,  was  nolhwendig  damit  zusammenhängt,  für  die  Mäch- 
tigkeit desselben  geben. 

Nachdem  ich  sämmtliche  Beobachtungen  und  die  aus- 
führlichen Deductioneu  aufmerksam  durchgegangen  bin,  um 
Ober  das  Ergebnifs  derselben  in  den  „Beiträgen  zur  Kennt- 
nifs  des  R.  Reiches*'  ')  zu  berichten,  kann  ich  nicht  um- 
hin, eine  ziemlich  abweichende  Ueberzeugung  zu  gewin- 
nen, eine  Ueberzeugung,  nach  welcher  der  auffallende  Wi- 
dersprach zwischen  den  Temperaturen  in  den  neuen  Gru- 
ben und  dem  Schergin-Sqbachte  ^ich  ganz  anders  lösen 
würde. 

Ich  glaube  nämlich  mit  überwiegender  Wahrscheinlich- 
keit nachweisen  zu  können,  dafs  die  Wand  des  Schergin,- 
Schachtes  sich  sehr  bedeutend  abgekühlt  hat,  wohl  mehr 
als  irgend  ^in  Mitglied  der  Commission  früher  geglaubt 
haben  würde. 

Uqs  zu  der  Annahme  einer  bedeutenden  Abkühlung  des 
:Sch ergin-Schachtes  um  mehrere  Grade  der  Reaumur'schen 
ßc^le  geneigt  a^u  ipachen ,  sollen  wir  zuvöicdert  ^\e  neuen 

1 )  Die  zweite  Hälfie  des  9.  Bandes  dieser  Beitrage,  welche  die  Geschichte 
der  naturhistorischen  Reisea,  die  inDerhalb  des  Rassischen  Reiches  von 
1840  —  lfiM5  angestdU  mi^,  «9tha|t,  wird  39  eben  jiedruclft. 

16* 


244 

• 

Gruben  und  Bohrlöcher  mit  dem  Schergiu-Sdiachte  tct- 
gl  eichen. 

In  der  unmittelbaren  Nähe  von  Jakutsk,  d.  b.  nur  we- 
nige Werst  Ton  der  Stadt  entfernt ,  wurden  auf  dem  lin- 
ken Lena -Ufer  drei  Gruben  angelegt.  Der  Eingang  In  die- 
selben'lag  durchschnittlich  350  Fufs  höher  als  der  Eingang 
in  den  Seh  ergin -Schacht,  welcher  nur  36  Fufs  höher  als 
das  Eis  der  Lena  gefunden  wurde.  Man  hätte  also  in  ihneD, 
so  sehr  auch  die  Linien  gleicher  Boden  -  Temperaturen  den 
Unebenheiten  der  Oberfläche  des  Bodens  zu  folgen  streben, 
eher  eine  niedere  Temperatur  als  im  Schergin-Schachte, 
bei  gleicher  Tiefe  vom  Eingange,  erwarten  sollen,  da  die 
weit  unter  0^  stehende  mittlere  Jahres -Temperatur  der 
Luft  hiesiger  Gegend  auf  die  hohen  Ufer  auch  von  der 
Seite  wirken  mufs,  auf  die  Sohle  des  Lena -Thaies  aber 
nur  von  oben.  Allein  die  Beobachtungen  zeigten  umge- 
kehrt in  den  neuen  Gruben  den  Boden  in  gleicher  Tiefe 
um  mehrere  Grade  wärmer  als  im  Schergin- Schachte.  Die 
neuen  Gruben  hatten  6  Fufs  im  Quadrat  und  meistens 
ward,  vom  Boden  der  Grube  ausgehend,  tiefer  gebohrt. 
^  Eine  dieser  Gruben,  die  Leontjew  Grube  genannt,  wurde 
nur  bis  20  Fufs  tief  getrieben,  füllte  sich  aber  dann  mit 
Wasser  aus  den  obersten  Erdschichten  und  konnte  nicht 
weiter  benutzt  werden.  Bis  zu  einer  Schicht  bleibender 
Temperatur  gelangte  man  also  hier  gar  nicht.  Wir  bemer- 
ken nur,  dafs  in  der  Tiefe  von  20  Fufs,  vor  dem  Ein- 
dringen des  Wassers  (am  19.  Juni),  —  4**  R.  beobachtet 
wurden,  wogegen  im  Seh  ergin -Schachte  in  der  Tiefe  vou 
20  Fufs  in  keiner  Jahreszeit  weniger  als  —  6"  R.  abgele- 
sen sind.  Bine  zweite,  die  Mangan- Grube,  wurde  im  Win- 
ter 28  Fufs  tief  gegraben.  Dann  wurde  vom  Boden  der- 
selben noch  28  Fufs  weiter  gebohrt.  In  der  Tiefe  voo 
20  Fufs,  1  Fufs  weit  von  der  Wand  des  Schachtes  fand 
man  zuerst  im  März  —  6^,3  R.  als  Wirkung  des  ganzen 
vorhergegangenen  Winters;  bis  zum  Schlüsse  des  Mais  stieg 
hier  die  Temperatur  auf  — 4*^,6  R.,  so  dafs  man  am  19. 
Juni  auch   wohl   gegen   —  4**  R.    gefunden   haben    wfirde, 


245 

wenn  man  um  diese  Zeit  noch  beobachtet  hätte.  In  50 
Fufs  Tiefe,  wo  für  die  initgeuoinmenen  Thermonieler  gar 
kein  Wechsel  nach  den  Jahreszeiten  erkennbar  seyn  konnte, 
las  man  im  Mai  —3^2  bis  —  3'S3  ab.  Eine  dritte,  die 
ScbiloW' Grube,  wurde  im  Sommer  1844  nur  19  Fufs  tief 
getrieben  und  dann  52  Fufs  weiter  gebohrt,  im  Februar 
1845  ward  aber  die  Grube  bis  auf  35  Fufs  vertieft  und 
dann  noch  25  Fufs  gebohrt.  Am  7.  April  begannen  die 
Beobachtungen  in  der  Tiefe  von  50  Fufs,  und  sie  wurden 
bis  zum  14.  Mai  desselben  Jahres  fortgesetzt.  Sie  gaben 
zuerst  —  2",5  und  zuletzt  —  3'*,0.  Im  folgenden  Jahre 
wurden  die  Beobachtungen  in  derselben  Tiefe  im  April, 
Mai  und  Juni  wiederholt.  Sie  schwankten  nun  zwischen 
—  3",1  und  — 3^,2.  Nehme  ich  diese  Temperatur  als  dio 
bleibende  an,  wovon  ich  den  Grund  später  anzeigen 
werde  '),  so  stimmen  die  Mangan-  und  die  Schilow-Gruhe 
darin  überein,  dafs  sie  in  50  Fufs  Tiefe  die  Temperalui 
von  — 3*^,2,  mit  der  Schwankung  von  — 0°,l  geben.  Die 
LeonifeW'Grvhe  widerspricht  nicht,  da  sie  50  Fufs  Tiefe 
gar  nicht  erreichte.  Im  Seh  ergin -Schachte  aber  las  man 
in  50  Fufs  Tiefe  an  dem  nähern,  d.  h.  nur  um  einen  Fufs 
eingesenkten  Thermometer  nach  den  verschiedeneu  Zeiten 
zwischen  —  6°,9R.  und  — 9",1  R.  ab,  und  an  dem  wei- 
tern (7  Fufs  eingesenkten)  Thermometer  zwischen  —  6°,5 
und  —  6°  R.  Aber  die  Ucbereinstimmung  der  neuen  Gru- 
ben und  ihrer  Bohrlöcher  wird  noch  auffallender,  wenn 
wir  in  die  obern,  nach  den  Jahreszeiten  ihre  Temperatur 
wechselnden  Schichten  übergehen.  Am  18.  Juni  las  man 
in  der  Schilow- Grube  in  20  Fufs  Tiefe  — 4°  R.  ab,  und 
genau  dieselbe  Zahl  am  19.  Juni  in  der  Leontjew- Grube. 
Wir  haben  schon  oben  gesagt,  dafs  man  in  der  Mangan- 
Grube  ^icht  bis  in  den  Juni  beobachtete,  dafs  aber  aus  den 
Beobachtungen  des  Mais  sich  schliefsen  lasse,  die  Tempera- 
tur werde  in  derselben  Zeit  und  Tiefe  ausgeführt  —  4  R. 

1)  Ich  -werde   weiter    unten    zu   zeigen    versuchen,   dafs   auch  die  Wände 
dieser  Gruben  oder  kleinen  Schachte  während  der  Arbeit  sich  merklich  < 
abkuhhen,  was  nicht  ohne  Wirkung  auf  die  Bohrh>cher  blieb. 


246 

gewesen  seyn.  Der  Schergin- Schacht  aber  hat  io  20  Fufs 
Tiefe  am  21.  Juni  1845  —  9",4  am  nfihem  und  —  9^3 
am  weitern  Thermometer. 

Sollen  wir  nun  die  Angaben  des  Schergin-Schachtes 
oder  die  der  drei  neuen  Gruben  mit  ihren  Bohrlöchern 
für  die  richtigeren  in  Bezug  auf  den  allgemeinen  nnanfge- 
schlossenen  Boden  ansehen?  Allerdings  lagen  di6  neuen 
Jakutsker  Gruben  nicht  weit  von  einander,  and  irgend  ein 
weit  wirkender  Grund  för  locale  Erwärmung  hätte  auf  alle 
drei  gleichen  Einflufs  ausüben  können.  Aber  auch  alle 
weiter  abstehenden  neu  angelegten  Gruben  stimmen  offen- 
bar mehr  mit  den  neuen  Jakutsker  Gruben  als  mit  dem 
S  ch  e  r  g  i  n  -  Schachte. 

Leider  kann  man  bei  diesen  entfernten  nicht  anmittel- 
bar die  Boden -Temperatur  mit  der  Luft -Temperatur  ver- 
gleichen. Indessen  folgert  Hr.  ▼.  Middendorff  selbst 
aus  einer  ganz  kurzen  Reihe  von  Mai- Beobachtungen  in 
der  Luft  von  Amginsk  (200  Werst  nach  Südosten  von 
Jakutsk),  dafs  in  dieser  Zeit  die  Temperatur  in  Amgiusk 
I  ^,44  R.  höher  war  als  in  Jakutsk.  Nehmen  wir  hiernach 
an,  dafs  die  gesammte  Jahres -Temperatur  in  Amginsk  etwas 
über  einen  Grad  wärmer  ist  als  in  der  letztem  Stadt,  so 
stimmen  die  Grube  (28  Fufs  tief)  und  das  Bohrloch  (32 
Fufs  tiefer)  wieder  ganz  gut  mit  den  ähnlichen  neuen  Anla- 
gen bei  Jakutsk,  und  gar  nicht  mit  dem  Schergin-Schacbte. 
Man  fand  in  Amginsk  auf  50  Fufs  Tiefe  bleibende  Tem- 
peratur —  1*^,9,  und  in  20  Fufs  Tiefe  zuerst  im  Mai  —  2^2 
—  2^,5,  im  April  des  zweiten  Jahres  (eigentlich  bei  21FuGs 
Tiefe)  etwas  mehr  * ). 

Noch  200  Werst  weiter  in  derselben  Richtung  nach  SO 
wurde  bei  der  Mündung  der  Mc^a  in  den  Äldan  eine  Grube 
21  Fufs  tief  getrieben,  das  Bohrloch  konnte  Jedoch  wegen 
vorkommender  Felsen  nur  14  Fufs  gefördert  werden.  Die 
Temperatur  in  20  Fufs  Tiefe,  von  Ende  März  bis  zum  3. 
April,  —  1»,15  bis  —  2«,15  R.,  und  in  35  Fufs  von  —  Vfi 

1)  Voo  dieser  Zunahme  spSter.     Jetfct   kam  es  aur  darauf  an,   die  groCw 
AbwetckoDg  rom  Schergin>Schacbie  zu  seigen. 


247 

bis  —  l",9i5  scheint  wieder  mehr  mit  allen  neueti  BroDueu 
zu  stiiutneü. 

Nach  Süd- Westen  von  Jakutsk  nimmt  die  Boden- Tem- 
peratur, wie  sich  erwarten  liefs,  noch  rascher  zu  als  nach 
SQ.  In  OlekmtHsk  hatte  man  allerdings  im  Juli  in  2Q  Fufs 
Tiefe  —  0^,3  unä  in  Witimsk  (freilich  im  September)  über 
+  3^  R.  Hat  nun  auch  bei  der  letzten  Ablesung  ein  gro- 
fser  Theil  der  Sommer -Temperatur  schon  eingewirkt,  so 
scheint  doch  der  völlige  Mangel  bleibenden  Boden -Eises 
mehr  mit  den  neuen  Gruben  und  Bohrlöchern  als  mit  der 
Temperatur  im  Schergiu-Schachte  zu  stimmen.  Dasselbe 
scheiut  mir  ron  dem  Boden  bei  Turuchansk  zu  gelten,  der 
ungefähr  0"  mittlere  Temperatur  in  seinen  veränderlichen 
und  etwas  mehr  in  den  nächsten  unveränderlichen  Schieb- 
ten  hat.  Doch  will  ich  auf  diesen  entfernten  Punkt,  dessen 
mittlere  Luft -Temperatur  ganz  uubekannt  ist,  kein  Gewicht 
legen,  um  die  Beweiskraft  der  anderen  nicht  zu  schwächen. 

Wenn  nun  aber  die  Temperaturen  in  den  neuen  Bohr- 
löchern bei  Jakutsk  unter  sich  gut  übereinstimmen,  die  Tem- 
peraturen im  Seh  ergin -Schacht  dagegen  vißl  tiefer  sind, 
wenn  die  Gruben  und  Bohrlöcher  in  Amginfk,  lJ$t-Maisk, 
Olekminskf  Witimsk ^  auch  wohl  die  iu  Turuchansk  augen- 
scheinlich besser  mit  den  neuen  Jakutsker  Gruben  stimmep 
als  mit  dem  Seh  ergin- Schachte^  mufs  man  da  nicht  .diesen 
für  die  Ausniabme  und  jene  für  mehr  regelrecht  halten,  welche 
die  Temperatur  des  Bodens,  bevor  er  aufgeschlossen  ist, 
viel  näher  angeben? 

Wprin  9ber  kann  der  Grund  liegen,  daCs  die  Wandung 
des  Schergin-Scbachtes  um  mehrere  Grad  kälter  ist  als 
der  allgemeine  Bpdeu  dieser  Gegend? 

Ich  weifs  mir  nur  eine  dreifache  Möglichkeit  zu  denken. 
Entweder  ist  ein  bleib^eudier  und  gleichmäfsig  fortwirkender 
Grund  vorhanden,  der  den  Punkt,  auf  welchen  gerade  der 
Schergin-Schacht  traf,  in  Isedeutepd  niederer  Temperatur 
als  die  Umgegend  erhält;  oder  ZYyeiteus,  es  wirkte  früher 
eine  abkühUude  Ursache,  deren  Wirkung  noqb  nicht  auf- 
gehört hat;  Qder  drittens,  es  i$t  später,  nach  dem  Bau  des 


248 

Schachtes  uud  vielleicht  durch  diesen  Bau  selbst,  eine  Ab- 
kühlung eingetreten,  deren  Wirkung,  wenn  auch  nicht  im 
Wachsen  begriffen,  doch  noch  fortbesteht. 

Für  die  erste  Möglichkeit,  eine  bleibende  locale  gröfsere 
Bodenkälte,  wüfste  ich  nur  solche  Gründe  zu  finden,  welche 
mit  dem  hier  weit  verbreiteten  und  mächtigen  Alluvial -Bon 
den  unvereinbar  sind. 

Die  zweite  Möglichkeit  einer  vorhergegangenen  Abküh-; 
Inug  in  der  Tiefe,  die  noch  nicht  ganz  gehoben  wäre,  bat  der 
Commission  allerdings  vorgeschwebt.  Die  Beobachtung  der 
Local- Verhältnisse  uud  die  Reihenfolge  der  Temperaturen 
nach  der  Tiefe  sprechen  einer  solchen  Vermuthnng  aber 
nicht  das  Wort.  Nehmen  wir  z.  B.  an,  dafis  vor  einigen 
Jahrhunderten  beim  Eisgange  der  Lena,  zu  welcher  Zeit 
die  obern  Erdschichten  der  benachbarten  Ufer  auf  13^  bis 
15^  R.  unter  0^  'erkaltet  seyn  konnten,  gefrorne  Schollen 
derselben  mit  Eisschollen  gemischt  an  60  Fufs  hoch  aufge- 
häuft wurden,  so  könnten  vielleicht  Jahrhunderte  vergehen, 
bevor  solche  Schichten  die  Temperatur  annehmen  worden, 
welche  der  erlangten  Lage  hier  zukommt,  besonders  wenn 
später  neue  Ueberschüttungen  eintraten.  Es  sollen  sich 
allerdings  auch  in  den  Wänden  des  Schachtes,  bis  72  Fufs 
Tiefe,  Holzstämme  und  Wurzeln,  dann  in  viel  ansehnliche- 
ren Tiefen,  zfvischen  104  und  384  Fufs,  auch  Spuren  von 
Pllanzenresten  finden,  die  einmal  von  der  Oberfläche  ge- 
kommen seyn  müssen.  Ihre  Lagerung  wird  in  dem  älteren 
und  dem  neueren  Berichte  nicht  näher  beschrieben.  Da- 
gegen beobachtete  Hr.  v.  Middendorff  zahlreiche  wel- 
lenförmige Abgränzungen  dünner  Schichten,  welche  häufige 
uud  oft  wiederholte  Ueberfluthungen  anzudeuten  scheinen 
uud  zwar  von  fliefsendem  Wasser,  das  doch  nur  unbe- 
deutend unter  0^  erkaltet  gewesen  seyn  könnte.  Ferner 
lassen  sich  bedeutende  Ueberstürzungen  gefrorner  Erdschol- 
len ohne  Eisschollen,  welche  die  Treiber  abgeben  würden, 
hier  bei  der  Tiefe  bis  zu  welcher  der  Boden  gefroren  ist 
kaum  denken,  und  selbst  bei  Unterwaschungen  eines  über- 
hängenden gefrorenen  Ufers  würden   die  Einstürze,   wenn 


249 

sie  zur  Zeit  des  Einganges  erfolgten,  wahrscheinlich  Eis- 
schollen mit  verschütten.  Zusammenhängende  Eismassen  hat 
man  aber  in  der  Wand  des  Seh  er  gtn- Schachtes  nicht  be- 
merkt, wie  eine  solche  in  der  Grube  zu  Amginsk  sich  selir 
bemerklich  machte  (Reisewerk,  Bd.  I.  S.  116).  Verschüttete 
Erdschollen  würden  nach  verschiedener  Richtung  geneigte 
Schichten  erzeugen.  Aelterc  Berichte  {Bull,  de  VAcad., 
Bd.  III.  p.  195)  sprechen  aber  nur  von  einer  deutlich  ge- 
neigten Schichtungs- Fläche,  und  auch  diese  wird  zweifel- 
haft, da  Hr.  v.  Middendorff  ihrer  nicht  erwähnt.  End< 
lieh  fand  sich  die  Temperatur  in  der  Wand  des  Schachtes 
nach  der  Tiefe  hin  zwar  nicht  ganz  gleichmäfsig,  aber  doch 
so  coutinuirlich  wachsend,  dafs  nirgends  eine  Schicht  ge- 
funden wurde,  welche  eine  geringere  Temperatur  als  eine 
höher  liegende  bewahrt  hätte. 

Es  fehlt  also  wenigstens  jeder  Beweis  einer  plötzlichen 
hohen  Ueberschüttung,  deren  Temperatur  noch  nicht  aus- 
geglichen wäre. 

Gehen  wir  dagegen  zu  der  dritten  Möglichkeit,  zu  einer 
später  eingetretenen  und  noch  anhaltenden  Abkühlung  über, 
so  glaube  ich  diese,  wo  nicht  bis  zur  vollen  Evidenz  er- 
weisen, doch  in  sehr  hohem  Grade  wahrscheinlich  macheu 
zu  können. 

Wenn  man  die  seit  Middendorff's  Ankunft  in  Ja- 
kutsk,  im  April  1844,  in  der  Wand  des  Schachtes  angestell- 
ten Temperatur- Beobachtungen  in  ihrer  chronologischen 
Reihenfolge  läfst,  sie  aber  in  Gruppen  theilt,  um  Mittel- 
zahlen zu  finden,  und  die  Ablesungen  an  den  weitern  Ther- 
mometern als  den  weniger  dem  wechselnden  Einflüsse  des 
Zutrittes  der  Luft  unterworfuen  wählt,  so  findet  man  die 
Mittel- Temperaturen,  welche  die  folgende  Tabelle  mit  Aun 
gäbe  der  Zahl  von  Beobachtungen,  aus  welchen  sie  abge- 
leitet sind,  enthält. 


250 


Mittel  der  I^emperatar-Ablesangen  (ft^)  an  den  7  nüb  In  die  Wand 
dea  Sobachtea  von  Jakatak  eiDgelaaieoen  ThemoBiaterDi  aoa  ehreao- 

logiach  geordneten  Grappea  abgeleUet 

(s  SB  Zahl  der  Beobachtan^aa.) 


Tiefe. 


1844 
Apr.  Nov.  Dec 


1845 
Jan.  —  Mai. 


2545 

JuDl  —  Nov. 


R*. 


X. 


K\ 


R». 


X, 


1846 

l<*ebr.  —  Juni. 


R». 


50  Fufs 

100  - 

150  - 

200  - 

250  - 

300  - 

350  - 

382  - 


Ml 

5,13 

4,515 

3,85 

3,34 

2,972 

2,615 

2,395 


10 
10 
10 
10 

9») 
9«) 

10 

10 


6,64 
5,24 
4,62 
3,90 
3,33 
3,02 
2.73 
2,411 


10 
10 
10 

9») 
10 

7 
10 

9 


6,67 

5,195 

4,66 

4.38') 

3,33 

3,195 

2,778 

2,40 


20  • 
19 
19 
13«) 

5 
19 
19 

3 


6,63 
5,30 
4,60 
4,50 

3,25 
2.80 


2 
2 
2 
2 

2 
2 


Die  vom  April  1844  bis  zum  Jani  1846  forfgeheode 
Abkühlung  scheint  mir  nach  dieser  Tabelle  nicht  nur  evident, 
sie  ist  sogar  fast  so  gleichmäfsig  als  man  von  einer  Reihe 
von  Beobachtungen,  die  in  unregelmäfsigen  Intervallen  and 
von  verschiedenen  Beobachtern  angestellt  sind,  nur  immer 
erwarten  kann.  Nur  die  Station  von  250  Fufs  Tiefe  will 
nicht  mit  einstimmen;  allein  in  dieser  hört  die  Reihe  der 
mitgetheilfon  Ablesungen  mit  dem  Juli  1845  auf,  weil  es 
sich  erwies,  dafs  das  Thermometer  verdorben  war. 

Wenn  man  aus  vorstehender  Tabelle  die  von  1844  bis 
1846  noch  fortgehende  Abkfihlung  erkannt  hat,  so  löst  sich 
ein  sonst  schwer  zu  lösendes  RSthsel  auf  die  einfachste 
Weise  von  der  Welt.  Hr.  v.  Middendorff  hat  nimlicb, 
um  den  Einflufs  der  Jahreszeiten  auf  die  Boden -Tempera- 

1)  Eme  zweifelhaft  gewordene  Ablesung,  die  in  dem  Reisewerke  mit  ei- 
nem Fragezeichen  notirt  wird,  ist  hier  nicht  in  die  Bereclinuof  geftogep« 

2)  Zwei  Ablesungen  sind  nicht  in  die  Berechnung  gezogen. 

3)  Diese  Mittelzahl  ist  aus  Ablesungen  abgeleitet,  die  Hr.  ▼.  Middco- 
dorff  (ur  irrig  hielt,  da  der  Quecksilberfaden  sich  gellieik'  haben  aolL 
Allein  sie  stimmen  ganz  gut  mit  den  anderen.  Der  leere  Raum  in  der 
Theilung  raufs  ganz  unbedeutend  gewesen  sejn  (wenn  überhaupt  die 
eingegangenen  Berichte  nicht  irrig  waren ) ,  da  sonst  die  Ablesungen  hö- 
here Temperatur- Grade  gegeben  hätten.  Bd.  1,  S.  109  des  Reiic- 
werkes. 


251 

tur  zu  erkennen,  alle  früheren  und  späteren  Beobachtatt- 
geü  vereint  und  nach  den  Jahres- Cyclus  gruppirt.  Er 
kommt  dabei  auf  das  auffallende  Resultat,  dafs  auch  in 
Tiefen,  die  dem  Einflufs  der  Jahreszeiten  nicht  mehr  un- 
terworfen seyn  sollten,  an  den  weiteren  Thermometern,  also 
7  Fnfs  von  der  Höhle  des  Schachtes ' ),  im  November  eine 
Erwärmung  beginnt,  die  im  December  in  den  meisten  Sta- 
tionen ganz  bestimmt  mefsbar  und  so  auffallend  ist,  dafs 
sie  nicht  mehr  auf  Ablesungs -Fehler  beruhen  kann.  Was 
aber  kann  im  Inneren  der  Erde  vorgehen,  das  mit  dem 
Verlaufe  der  Jahreszeiten  isochronisch  wäre?  Wie  also 
wäre  eine  solche  Erwärmung  erklärbar?  Ganz  einfach  durch 
Sonderuüg  der  Jahre.  December- Beobachtungen  haben  wir 
nur  vom  Jahre  1844.  Auch  haben  wir  von  diesem  Jahre 
drei  November- Beobachtungen,  von  dem  Jahre  1845  nur 
zwei,  und  von  1846  gar  keine.  Wenn  nun  die  Abkühlung 
in  den  Jahren  1844  bis  1846  noch  fortging,  so  ist  die  noth- 
wendige  Folge,  dafs,  wenn  man  nach  den  Monaten  sum- 
mirt,  der  November  etwas  und  der  December  bedeutend, 
wärmere  Temperaturen  zeigt,  als  die  anderen  Monate,  die 
entweder  iin  Jahre  1844  fehlen,  oder  im  Jahre  1846  noch 
vorkommen. 

War  aber  die  Abkühlung  vom  April  1844  bis  zum  Juni  * 
1846  noch  mefsbar,  so  kann  man  wohl  nicht  zweifeln,  dafs 
sie  früher,*  so  lange  die  Arbeit  noch  fortging,  noch  viel  be- 
deutender war.  Das  wird  auch  durch  frühere  vereinzelte 
Beobachtungen  bestätigt.  Hr.  Prof.  Er  man  beobachtete 
im  April  1829,  in  der  Tiefe  von  50Fufs,  bis  zu  welcher 
die  Grube  damals  getrieben  war,  —  6'*  R. ;  Hr.  v.  Mid- 
dendorff  hat  diesen  Vergleichungs- Punkt  nicht  übersehen, 
allein  da  ihm  das  weitere  Thermometer  in  dieser  Tiefe 
durchschnittlich  —  6",6  R.  zeigte,  so  folgert  er  eine  ge- 
ringe Abkühlung.  Da  jedoch  Hr.  Er  man  sein  Thermome- 
ter nicht  so  tief  einlassen  konnte,  und  schon  damals  ohne 

1)  Ich  nenne  inimer  diejenigen  Thermometer,  welche  7  Fufs  von  der 
Höhlung  des  Schachtes  abstanden,  die  weitern,  und  die  1  Fufs  ab- 
stehenden die  nähern.. 


252 

m 

Zweifel,  wie  die  neuen  Gruben  nachweisen,  der  Zutritt 
dei*  Luft  abkühlend  gewirkt  hatte>  auch  diese  Einwirkung 
zuvörderst  die  nächsten  Schichten  erfaCßte,  so  werden  wir 
wohl  eine  richtigere  Vergleichung  haben,  wenn  wir  unser 
näheres  Thermometer  von  derselben  Tiefe  verglerchen.  Für 
dieses  geben  die  neueren  Beobachtungen  im  Jahre  1844 
—  6",9  bis  —  9",1  und  im  Jahre  1845  —  7^8  bis  —  9",1. 
Die  Station  von  50  Fufs  Tiefe  hat  sich  also ,  1  Fufs  von 
der  Höhlung  des  Schachtes,  von  1829  bis  1845  beinahe 
um  3°  abgekühlt. 

Auch  die  früheren  Beobachtungen  des  älteren  Schergin 
scheinen  mir  die  seitdem  bedeutend  vorgeschrittene  Abküh- 
lung zu  erweisen.  Ich  bin  weit  davon  entfernt,  sie  für 
sehr  genau  zu  halten,  da  es  in  die  Augen  springt,  dafs 
Seh  ergin  nur  auf  Ablesung  von  ganzen  Graden  ausging, 
und  dafs  er,  wenn  die  Quecksilber -Säule  nicht  bei  einem 
vollen  Grade  endete,  einen  halben  notirte.  Dafs  sie  aber 
nicht  völlig  ohne  Werth  sind,  glaube  ich  an  folgender  Zu- 
sammenstellung erweisen  zu  können,  welche  in  der  linken 
Hälfte  Schergins  Temperatur-Notizen  enthält,  in  der  rech- 
ten Hälfte  aber  diejenigen  Temperaturen,  welche  dieselben 
Tiefen  nach  den  Beobachtungen  unserer  Expedition  von 
1844  bis  1846  zeigten.  Da  unsere  Expedition  Beobach- 
tungs- Stationen  von  50  zu  50  Fufs  hatte,  so  brauche  ich 
kaum  zu  bemerken,  dafs  die  Temperatur  für  77  Fufs  ans 
den  Mittel -Temperaturen,  die  Hr.  v.  Middendorff  für 
50  Fufs  und  für  100  Fufs  gefunden  hat,  berechnet  ist,  eben 
so  für  119  Fufs  aus  den  Mittel -Temperaturen  für  100  und 
150  u.  s.  w.  Ausdrücklich  aber  hebe  ich  hervor,  dafs  ich 
die  Ablesungen  an  den  weiteren  Thermometern  gewählt 
habe,  um  so  nahe  als  möglich  die  Temperaturen  zu  erhal- 
ten, welche  die  entsprechenden  Erdschichten  haben  müfs- 
ten,  wenn  keine  Erkältung  stattgefunden  hätte,  im  Falle 
die  Temperaturen  der  Wände  des  Seh  ergin- Schachtes 
uns  wirklich  die  Temperatur  der  allg(5meinen  Erdschichten 
anzeigten. 


253 


Temperaturen 

derselben 

Schergiii*s  Temperatur -Beobacl 

itangen  im 

Tiefe  nach  den 

Diffe- 

Boden des  Schachtes. 

Beobachtun- 

renzen. 

gen  der  Sibir. 

Expedition. 

Zeit  der  Beobach- 

Tiefe. 

Tempera- 

1844—1846. 

tungen. 

turen. 

? 

77  Fufs 

—  5^5  R. 

-  5»,97 

—  0,47 

? 

119    - 

-4,0 

-4,99 

—  0,99 

? 

217    . 

-2,0 

-3,70 

—  1,70 

1.  April  1836 

301     - 

-1,0 

\ 

15.  Octüber  1836 

—— 

-1,5 

-  3  ,10 

-2,22 

27.  November  1S36 

^     _ 

—  0,5 

28.  Januar  1837 

— . 

—  0,5 

I 

31.  IVIäri  1837 

373    - 

-0,5 

—  2,51 

—  2,01 

Die  letzte  Columne  zeigt  ans  die  Differenzen  zwischen 
den  Seh  ergin 'sehen  Beobachtungen  und  der  Temperatur 
der  entsprechenden  Erdschichten,  wie  die  neuern  Beobach- 
tungen sie  nach  den  weiteren  Thermometern  anzudeuten 
scheinen. 

Wie  soll  es  nun  zugehen,  dafs  Schergin  die  tiefsten 
Stationen  2  Grad  zu  warm  fand?  Er  setzt  sein  Thermo- 
meter in  den  Boden  des  Schachtes  ein,  und  unterschied 
dessen  Temperatur  von  der  Temperatur  der  Luft  im  Schachte. 
Er  hätte  also,  wenn  wir  zugeben,  dafs  keine  spätere  Ab- 
kühlung eintrat,  die  bleibende  Temperatur  der  verschiede- 
nen Boden -Tiefen  ablesen  sollen.  Solleu  wir  annehmen, 
da(s  seine  Thermometer  völlig  falsch  waren?  Dagegen  spricht 
der  Umstand,  dafs  in  den  höheren  Stationen  die  Differen- 
zen viel  geringer  sind.  Ja,  diese  Differenzen  sind  ziemlich 
regelmäfsig  wachsend ,  wodurch  auch  die  Vermuthung  wi- 
derlegt wird,  dafs  etwa  die  Arbeit  in  der  Grube  Luft  und 
Bodeo  erwärmt  habe,  da  sich  nicht  absehen  läfst,  warum 
die  Gruben -Arbeit  in  der  Tiefe  von  77  Fufs  den  Boden 
nur  um  0^,4  und  dann  immer  mehr  bis  über  2  Grad  er- 
wärmte. Die  fast  regelmäfsige  Zunahme  der  Differenzen 
spricht  auch  gegen  eine  völlig  unaufmerksame  Ablesung, 
welche  um  einige  Grade  falsch  gewesen  wäre.  Eine  grofse 
Genauigkeit  soll  damit  nicht  behauptet  werden,  da  über- 


254 

haupt  nur  halbe  Grade  verzeichnet  sind,  und  die  vierfa- 
chen Angaben  fQr  den  Boden  als  er  43  Faden  (301  Fufs) 
tief  war,  schlechte  Ablesungen  oder  Schreibfehler  vermu- 
then  lassen.  Solche  Liederlichkeiten  können  aber  keine 
Progression  geben.  Wir  erkennen  dagegen  in  einer  sol- 
chen Progression  eine  Abkühlung,  die  allmälig  weiter  dringt, 
und  um  so  auffallender  wird,  je  wSmer  ursprOaglich  die 
Erdschichten  vor  der  Eröffnung  waren  ^ ). 

Das  Maafs  der  Abkühlung  haben  wir  nicht  vollständig 
in  den  Differenzen  zwischen  den  Beobachtungen  Scher- 
gin's  und  denen  der  Expedition,  denn  sie  wufste  schon 
während  der  Arbeit  wirken,  hatte  also  schon  gewirkt  als 
Schergin  in  der  Tiefe  von  77  Fufs  sein  Thermometer 
in  den  Boden  einsetzte  und  olme  Zweifel  schon  als  Hr. 
Prof.  Erman  nach  Verlauf  des  ersten  Winters  in  50  Fufs 
Tiefe  beobachtete. 

Ja,  ich  kann  nicht  umhin  eine  allmälige,  wenn  auch 
geringe  Abkühlung  aus  allen  Beobachtungen  heraus  zu  le- 
Rcn,  welche  Hr.  ▼.  Middendorf  f  .aus  den  neuen  Grüben 
uns  mittheilt,  mit  Ausnahme  der  Witim»k -Gruhis^  -wo  Aher- 
nll  der  Boden  mehrere  firade  über  dem  NuHpuukie  er- 
wärmt war. 

I)  Mao  könnte  mir  einwerfen,  daCi  ich,  wie  bei  der  Yergleichoi^  der 
Krm aussehen  Bcobaclitungen  mit  den  neuem,  die  nahem  Tbcnnoroe- 
ler  der  leitlern  in  der  obigen  Tabelle  hätte  vergleichen  sollen.  Allein 
es  kam  vorxtiglich  darauf  an,  aDschaolich  ku  machen,  dafs  die  Scber- 
gin 'sehen  Beobachtungen  fast  gar  nicht  mil  der  Ueberaeqgung  ga  rtr- 
cluen  sind,  dafs  die  jeuigen  Temperaturen  ira  Schergin -Schachte  die 
wahren  Boden -Temperatuien  auch  nur  annähernd  angeben.  Für  die- 
sen Zweck  waren  die  mehr  schwankenden  Angaben  der  nalkcm  Ther- 
mometer weniger  brauchbar,  da  die  weitem  Thermometer  dorcfa  die 
Progi*ession  der  Diflerenzen  beweisen,  dafs  SehergiD*«  BeobaditnngCB, 
wenn  auch  gewift  nicht  sehr  genau,  doch  nicht  .gattt  su  verwerfen  sind. 
Indessen  habe  ich  auch  die  nähern  Thermometer- Angaben  unserer 
Expedition  mit  den  Schergin*schen  verglichen  und  folgende  DilTeren- 
*en  gefunden:  lur  77  F.  Abkühlung  um  1*,68;  lur  119  F.  um  P,46; 
Hir  217  F.  um  l*,5;  für  301  F.  um  1%66  und  ITir  371  F.  am  2*,05. 
Diese  Differenzen  sind  einander  gleicher,  mit  sdiwankenden  Wcehsel; 
doch  ist  auch  hier  die  tiefste  em  grö&ten. 


255 

Aödi  die  Oklminsk-Gfiahe  kannte  fOr  unsere  Ansicht 
geltend  gemacht  werden,  bat  j^edoch  wenig  Beweiskraft,  da 
siib  nar  die  Tiefe  von  21  Fnfs  erfeicAite,  und  in  ihr  nur 
im  Sotanliet  beobachtet  wurd^.  In  der  Grube  von  Afnginsk 
las  man,  in  der  Seitengrube  in  20  Fufs  Tiefe  ^),  am  27. 
März  —  l^,2&  und  danft  tSglich  Tt^eniger  WSrn^e,  so  dafs 
am  3.  April  dasselbe  Thermometer  —  2**,  15  hatte.  War 
etwa  die  Welle  der  Winterkälte  im  Absteigen?  Allein  im 
Bohrloche  fiel  in  35  Fufs,  wo  der  Wechsel  der  Jahreszei- 
ten kaum  merklich  sejn  sollte,  und  zwar  im  Verlaufe  ei- 
ner Woche,  die  Temperatur  von  —  1",0  auf  —  1®,55. 
Auf  allen  bdhem  Stationen  (7'  und  15')  war  die  Zunahme 
der  Kälte  noch  auffallender.  „Das  ist  )a  offenbare  Folge 
vom  Eindringen  der  äufseren  Luft,  welche  am  Ende  des 
Märzes  und  in  den  ersten  Tagen  des  Aprils  noch  sehr  kalt 
seyn  mufs",  wendet  man  vielleicht  ein.  Wir  zweifeln  nicht 
daran,  sondern  glauben  an  solchen  Gruben  und  Bohrlöchern, 
in  denen  in  zweien  Jahren  beobachtet  wurde,  den  augen- 
fälligen Beweis  von  der  anhaltend  abkühlenden  Wirkung 
der  eindringenden^  kalten  Luft  nachweisen  zu  können.  In 
der  Amffinsk'Gvuhe  wurde  im  Bohrlöche  in  50  Fufs  Tiefe 
im  Jahre  1845  zuerst  —  1®,55,  dann  steigend  bis  —  1*',8, 
in  folgendem  Jahre  nur  einmal  —  l'',75,  meistens  aber 
(neunmal)  —  1®,9  abgelesen.  Das  Mittel  war  für  1845 
—  1^65  R.,  für  1846  aber  —  1*^,88  R.  In  der  Schilow- 
Grnbe  bei  Jakutsk  fand  man  in  derselben  Tiefe  am  7.  April 
*-  2",5  R.,  im  Mai  desselben  Jahres  —  3",(l  und  —  3°,1, 
im  April  des  folgenden  Jahres  —  3",2.  Beide  Reihen  von 
Beobachtungen,  welche  allerdings  nur  eine  Abkühlung  von 
einigen  Zehntheilen  von  Graden  anzeigten,  wurden  in  Bohr- 
löchern angestellt,  welche  aus  dem  Boden  von  nicht  sehr 
tiefen  Gruben  getrieben  waren.  In  den  Seitenwänden  der 
Gruben  ging  die  Abkühlung  sehr  Tiel  rascher  vor  sich, 
worüber  wir  das  Reisewerk  selbst  zu  vergleichen  bitten. 

Wir  haben   damit  auch  schon  die  Ursache  angedeutet, 

1 )  In  den    neuen    Grüben    oder   Schachten   wurden   die   Thermomeler   in 
Seitenhahlen  4  Puh  weit  in  die  ^^and  «ingesetxt. 


256 

der  wir  die  bedeutende  Abkuhlaog  im  Schergin-Schadte 
zuschreiben.  Die  kalte  Luft  des  Jakutsker  Winters ,  die 
häufig  und  anhaltend  unter  —  30^  R.  erkaltet  ist,  mufBfe 
nothwendig  während  der  Arbeit  und  so  lange  der  Schacht 
nach  seiner  Vollendung  offen  stand,  in  ihn  einsinken.  Hätte 
sie  in  ihm  in  Ruhe  bleiben  können,  so  wOrde  die  Wir- 
kung dieser  Luftsäule  auf  die  Wand  des  Schachtes  nicht 
sehr  bedeutend  geworden  sejn,  allein  in  den  tiefen  Re- 
gionen des  Schachtes  durch  die  Wand  desselben  erwärmt, 
mufste  sie  immer  wieder  sich  erheben,  während  andere 
Luft  einströmte.  So  mufste  ein  fortgehender  Courant  as- 
cendant  und  descendant  im  Innern  des  Schachtes  in  den 
kälteren  Jahreszeiten  bestehen,  dessen  Wirkung  nur  Ab- 
kühlung sejn  konnte,  denn  kältere  Luft  drang  ein  und 
was  die  aufsteigende  Luft  an  Wärme  gewonnen  hatte,  war 
ja  der  nächsten  Umgebung  des  Schachtes  entzogen.  So 
war  es  denn  natürlich,  dafs  mit  dem  Weitertreiben  des 
Schachtes,  man  Wände  und  Boden  gefroren  fand,  auch 
nachdem  man  den  Nullpunkt  der  gewöhnlichen  Boden- Tem- 
peratur schon  überschritten  hatte.  Hätte  man  rasch  bohren 
können,  so  hätte  man  vielleicht  den  aufgethauten  Boden  er- 
reicht, aber,  ohne  Bohrer,  langsam  mit  Keilhaaen  einen 
Schacht  von  3^^  Arschin  oder  98  Zoll  E.  im  Quadrat  fort- 
führend, arbeitet  man,  wie  wir  glauben,  in  den  letzten 
Jahren  innerhalb  einer  Scheide  von  Boden-Eis,  welche  sich 
mit  der  Förderung  der  Schachten  von  selbst  verlängerte. 
Dafs  während  der  wärmeren  Jahreszeit  die  atmosphärische 
Luft  nicht  eindrang,  ist  ebenso  wahrscheinlich.  Da  sie  viel 
zu  leicht  war,  konnte  sie  nur  durch  Wärme -Mittheilung, 
ohne  Luftströmung  von  oben  sehr  langsam  und  wenig  wir- 
ken. Dennoch  wird  es  im  Sommer  in  dem  gröfiseren  Theile 
des  Schachtes  an  Bewegung  der  Luft  nicht  gefehlt  haben, 
da  die  Luft  auf  dem  Boden  des  Schachtes,  so  bald  sie  des- 
sen Temperatur  angenommen  hatte,  nothwendig  mit  der 
schweren  I^uft  in  den  höhern  Regionen  einen  aufsteigenden 
und  absteigenden  Strom  erhalten  mufste.  Diese  Bewegung 
innerhalb  des  Schachtes  konnte,  wie  es  scheint^  auch  nicht 

fehlen, 


257 

fehlen,  wenn  er  ganz  hermetisch  jahrelang  geschlossen  ge- 
wesen wäre.  Ja,  die  Erkältung  während  des  Winters  wirkte 
doch  gewifs  durch  die  schtitzende  Decke  hindurch,  und 
mufste,  wenn  sie  auch  gar  keine  Luft  von  aufsen  eindrin- 
gen liefs,  doch  die  Luft  in  der  obersten  Kegion  des  Schach- 
tes abkühlen  und  den  Gewichts-Unterschied  zwischen  ihr 
and  den  untersten  Schichten  noch  vermehren. 

Wir  unterscheiden  also  eine  Strömung,  welche  durch 
das  Eindringen  der  sehr  kalten  äufsern  Luft  bedingt,  we- 
sentlich zur  Abkühlung  des  ganzen  Schachtes  beitragen 
mnfste,  da  sie  erst  wieder  aufsteigen  konnte,  wenn  sie  dem 
Schachte  und  besonders  den  tiefsten  Theilen  desselben  viele 
Wärme  entzogen  hatte, ^  und  im  Sommer  nicht  umgekehrt 
warme  Luft  eindrang  ^),  und  «ine  andere,  welche  nicht 
kalte  Luft  von  auf&en  einführte,  sondern  mehr  die  Wirkung 
hatte,  die  Temperaturen  verschiedener  Tiefen  mit  einander 
auszugleichen,  also  die  tiefern  Stationen  abzukühlen  und 
die  hohem  zu  erwärmen. 

Die  Art  dieser  Strömungen  stelle  ich  nur  als  Vermu- 
thangen hin,  da  wirkliche  Beobachtungen  fehlen.  Ich  glaubte 
ihre  Wandelbarkeit  nur  erwähnen  zu  müssen,  weil  man- 
ches auffallende  Ergebnifs  der  neueren  Beobachtungen,  das 
auf  den  ersten  Blick  gegen  eine  allmälige  Erkaltung  zu 
sprechen  scheint,  durch  die  Veränderlichkeit  der  Strömun- 
gen verständlich  gemacht  werden  kann.  So  ist  es  z.  B. 
sehr  auffallend,  dafs  in  allen  Stationen  unterhalb  200  Fufs 
Tiefe  die  näheren  Thermometer  eine  höhere  Temperatur 
anzeigten  als  die  entfernteren  und  zwar  während  der  gan- 
zen Zeit  der  Beobachtungen  von  1844  bis  1846,  dagegen 
in  den  Stationen  über  200  Fufs,  bis  zu  den  wechselnden 
Temperaturen  hinauf,  die  näheren  Thermometer  kälter  ge- 
funden wurden  als  die  weiteren.  Woher  dieses  Phänomen 
und  zwar  in  allen  Jahreszeiten?  Vor  der  neuen  Eröffnung 
war   der   Schacht  während   sechs  Jahre  durch   eine  starke 

1)  Ein  Beweis  von  der  Wirksamkeit  dieser  Strömung  liegt  darin,  dafs 
die  Kohlensäure,  welche  im  Sommer  im  Boden  sich  ansammelte,  mit 
dem  Beginne  des  Winters  verschwand. 

PoggendorlTs  Annal.  Bd.  LXXX.  17 


258 

UeberschüttuDg  gut  geschlossen  gewesen,  die  eingeschlos- 
sene Luft  hatte  also  Zeit  genug  gehabt,  ihre  Wirkung  nicht 
nur  auf  die  nächste  Wandung,  sondern  auch  nach  der 
Leitungs-Fähigkeit  des  Bodens  zur  Seite  weithin  auszudeh- 
nen. Immer  aber  sollte  die  nächste  Schicht  der  Wand  die 
kälteste  sejn,  wenn,  wie  wir  glauben,  die  allmälige  Ab- 
kühlung vom  Inneren  des  Schachtes  ausging.  —  Wir  zwei- 
feln auch  nicht,  dafs  das  Yerhältuifs  so  war,  so  lange  der 
Schacht  verschlossen  blieb,  dafs  aber  später  eine  Verän- 
derung eintrat.  Diese  mufste,  abgesehen  von  der  Wärme, 
welche  die  Beobachter  und  ihre  Lichter  mitbrachten,  schon 
dadurch  eintreten,  dafs  die  abgeschlossene  Strömung  in  eine 
offene  sich  verwandelte.  Die  abgeschlossene  Strömung  war 
aber,  wie  es  uns  scheint,  eine  mehr  ausgleichende^  welche 
die  oberen  Tiefen  auf  Kosten  der  unteren  erwärmte,  und 
die  unteren  abkühlte.  Die  neu  eintretende  Abkühlung  in 
der  oberen  Hälfte  der  unmittelbaren  Wandfläche  war  also 
nothwendigc  Folge  der  Eröffnung.  Genfigt  sie  aber  auch 
um  die  eingetretene  Erwärmung  in  der  unteren  Hälfte  ver- 
ständlich zu  machen?  Vielleicht.  Indessen  mögen  noch 
andere  Verhältnisse  hinzugekommen  sejn.  Wenn  etwa  der 
aufsteigende  Strom,  der  ja  erwärmend  wirken  mufs,  eioe 
andere  Richtung  erhalten  hatte,  als  ihm  früher  zukam,  so 
wird  er  auf  die  Ecke,  welcher  er  jetzt  näher  ist,  erwär- 
mend wirken.  Nun  erfahren  wir,  dafs  vor  dem  Eingehen 
in  den  Schacht  eine  massive  Eisbrücke,  die  drei  Vieriheil 
von  der  Höhlung  des  Schachtes  einnahm,  weggebrochen 
werden  mufste.  Verändert  wurde  die  Richtung  der  Luft- 
strömungen dadurch  nothwendig.  Alle  Thermometer  lagen 
übereinander  in  derselben  Ecke  des  Schachtes.  Ob  nicht 
der  aufsteigende  Strom  dieser  Ecke  in  ihrer  unteren  Hälfte 
näher  war  als  früher?  Für  künftige  Beobachtungen  wäre 
zu  rathen,  dafs  man  auch  in  die  gegenüberstehende  Ecke 
Thermometer  einsetzte. 

Doch  möge  die  Bewegung  der  Luft  im  Innern  des  Schach- 
tes scjn  wie  sie  wolle  —  es  scheint  unläugbar,  dafs  die 


259 

Wände  des  S  cfa  er  g  in  «Schachtes   bedeutend  kälter   sind 
als  der  umgebende  Boden  bei  Jakutsk. 

Ist  diese  Vermuthung  richtig,  so  folgt  daraus: 

1)  Das  wir  aus  den  Temperaturen  in  der  Wand  des 
Seh  ergin -Schachtes  nicht  einmal  annähernd  auf  die  Bo* 
den -Temperaturen  in  verschiedenen  Tiefen  unter  Jakutsk 
schliefsen  können. 

2)  Dafs  wir  ferner  die  Wärme- Leitnngsfähigkeit  des 
gefrornen  Bodens  aus  dem  genannten  Schacht  nicht  ablei- 
ten dürfen,  und  sie  mithin  noch  gar  nicht  kennen.  Ich 
halte  sie,  nach  den  alltäglichen  Erfahrungen  tiber  das  Vor- 
dringen der  Kälte  durch  das  Eis  und  den  gefrornen  Boden, 
für  viel  geringer  als  sie  nach  den  Jakutsker  Beobachtungen 
scheint. 

3)  Dafs  wir  also  auch  die  Mächtigkeit  des  Eis -Bodens 
nicht  schätzen  können,  selbst  wenn  wir  die  Temperatur- 
Beobachtungen  in  den  neuen  Gruben  als  mafsgebend  be- 
trachten, wie  ich  sie  allerdings  für  annähernd  richtig  halte. 

Wenn  wir  die  Temperatur-Beobachtungen  in  den  neuern 
Gruben  als  mafsgebend  betrachten,  so  folgt  aber  auch,  dafs 
in  diesen  Gegenden,  wo  die  mittlere  Temperatur  der  Luft 
)ief  unter  dem  Nullpunkt  steht,  der  Boden  einer  viel  hohem 
Temperatur  geniefst.  Die  mittlere  Luft -Temperatur  ist  in 
Jakutsk  nach  den  neuem  Beobachtungen  etwa  —  8°,7  R., 
die  Boden -Temperatur  in50Fufs  Tiefe,  nach  der  SchiloW' 
und  der  Mangan -Gruhe  zwischen  —  2°,5  und  —  3°  R. 
Dieser  Unterschied  ist  allerdings  sehr  grofs.  Allein  Wah- 
lenberg fand  schon  in  Lappland  die  Temperatur  der  Quel- 
len um  mehrere  Grade  höher  als  die  mittlere  der  Luft.  Die 
Schneedecke,  welche  im  Winter  von  der  Kälte  nur  sehr 
langsam  durchdrungen  wird,  vor  dem  Sommerr  aber  schwin- 
det, wird  diesen  Unterschied  vorzüglich  bedingen.  Dazu 
kommt,  dafs  im  Sommer  der  Regen  die  wärmere  Tempe- 
ratur der  Luft  mehr  oder  weniger  in  die  Tiefe  führt,  im 
Winter  aber  der  Schnee  die  ihm  mifgetheilte  Temperatur 
nur  zum  Theil  der  tiefer  liegenden  Schnee -Schicht  mittheilt, 

17* 


260 

zum  Theil  wieder  der  Luft.  Der  Schnee ,  der  meistens 
bei  mäfsiger  Kälte  fällt ,  ist,  wenn  das  Wetter  hell  und 
kalt  wird,  ein  Erwärmer  der  untersten  Luftschicht.  Um 
diese  Wirkung  nicht  zu  gering  anzuschlagen,  mufs  man  sich 
nur  erinnern,  dafs  die  gesammte  Schneedecke  in  kältern 
Klimaten  gleichsam  die  Summe  der  wärmsten  Wintertage 
ist.  Die  jedesmalige  oberste  Schicht  des  Schnees  wird  ihre 
Wärme  gröfstentheils  nach  oben  an  die  meistens  kältere 
und  bewegte  Luft  abgeben,  in  sehr  geringem  Maafse  durch 
die  schlecht  leitende  untere  Schneeschicht  an  den  ebenfalls 
schlecht  leitenden  gefrornen  Boden.  —  In  wie  weit  das 
abwechselnde  Frieren  und  Aufthauen  in  den  obersten  Erd- 
schichten auf  die  Differenz  zwischen  der  Luft  und  Boden- 
Wärme  Einflufs  ausübt,  möge  künftigen  Unternehmungen 
als  Aufgabe  hingestellt  werden.  Bis  dahin  denke  ich  mir, 
dafs  dieser  Wechsel,  nach  der  Abhängigkeit  des  Bodens, 
den  Unterschied  zwischen  Luft-  und  Boden -Temperatur 
verändern  mufs.  Mit  dem  Flüssigwerden  des  Wassers  wird 
Wärme  gebunden.  Ist  der  Boden  so  beschaffen,  dafs  von 
diesem  Wasser  viel  abfliefst,  so  verliert  er  viel  von  der 
ihm  gehörenden  Wärme;  läfst  er  wenig  abfliefsen,  so  be- 
hält er  sie  bei  sich.  Dagegen  wird  freilich  der  trockne 
Boden  von  der  Sonne  viel  mehr  durchwärmt  als  der  was- 
serhaltige. 

Hr.  V.  Middendorff  scheint  in  der  grofsen  Differenz, 
welche  bei  Jakutsk  zwisjchen  der  Luft-  und  der  Boden- 
Temperatur  sich  ergiebt,  wenn  man  die  Temperaturen  in 
den  neuen  Gruben  für  die  normalen  hält,  einen  wichtig, 
sten  Bestimmungsgrund,  wenn  nicht  den  wichtigsten  gefun- 
den zu  haben,  die  Temperaturen  des  Schergin -Schachtes 
für  die  normalern  zu  halten. 

Ich  wünsche  sehnlichst  eine  Entscheidung  dieser  Frage« 
und  in  diesem  Wunsche  liegt  der  Grund  zu  meinem  heu- 
tigen Vortrage.  Es  scheint  mir  eine  Ehrensache  für  die 
Akademie,  diese  Entscheidung  so  bald  als  möglich  herbei- 
zuführen. 

Neue  und  auf  ein  Paar  hundert  Fufs  tiefgehende  Bohr- 


261 

löcher  scheinen  erforderlich,  so  wie  jetzt,  nach  dem  Ver- 
laufe einiger  Jahre  eine  neue  Reihe  von  Bepbachtungen  im 
Schergin-Schachte,  theils  in  den  alten  Stationen,  theils  in 
denselben  Tiefen  in  der  diagonal  gegenüberstehenden  Ecke. 
Am  entscheidendsten  würde  wohl  die  Frage  gelöst,  wenn 
man  im  Seh  er giu- Schachte  sehr  weit,  60  — 100  Fufs  etwa, 
nach  der  Seite  bohren  könnte,  um  zu  erfahren,  ob  der 
Schacht  mit  seiner  tiefern  Hälfte  blofs  eine  erkältete  Scheide 
um  sich  hat  oder  nicht.  Hr.  v.  Middendorff  hat  am 
Schlüsse  der  ersten  Lieferung  vom  ersten  Bande  seines 
Reisewerks  einen  Horizontalböhrer  vorgeschlagen,  mit  dem 
man  in  ungefrornem  Boden  bis  30  Fufs  in  Einem  Tage 
soll  vordringen  können.  Mit  diesem  Instrumente  läfst  sich 
bestimmter  Erfolg  erwarten.  Der  Unterschied  in  den  Ent- 
fernungen der  angewendeten  Thermometer  von  1  Fufs  und 
7  Fufs  war  bei  dem  Wechsel,  dem  die  näheren  Thermo- 
meter ausgesetzt  sind,  zu  gering,  um  die  Leitungsfähigkeijt 
des  Bodens  bestimmen  zu  können. 

Bis  es  zu  einer  neuen  Expedition  mit  neuen  Apparaten 
kommt,  kann  ich  nicht  umhin  zu  glauben,  dafs  eine  vor* 
läufige  Untersuchung  der  neuen  Schachte  durch  eine  Per- 
son, deren  Ablesungen  bis  auf  einen  halben  Grad  zuver- 
läfsig  sind,  die  Frage  entscheiden  mufs,  ob  der  Scher- 
gin-Schacht um  mehrere  Grade  erkaltet  sey..  Wenn  nämlich 
meine  Vermuthung  begründet  ist,  dafs  in  eine  so  durch- 
sunkene  Stelle  die  Kälte  bedeutend  eindringt,  so  müssen 
auch  die  Wände  der  neuen  kürzeren  Schachte  jetzt  wohl 
bedeutend  kälter  sejn  als  zur  Zeit  der  früheren  Beobach«* 
tungenf 

Für  die  Leitungsfähigkeit  des  gefrornen  Bodens  wird 
man  auf  diese  Weise  freilich  noch  kein  erträgliches  Resul- 
tat finden. 


262 


V.     lieber  einige  Eigenschaften  der  Borsäure,  und 
über  die  quantitative  Bestimmung  derselben; 

Qon  Heinr.  Rose. 


B 


ekanutlich  ist  die  quantitative  Bestimmung  der  Borsäure 
mit  solchen  Schwierigkeiten  verbunden,  dats  wir  bis  jetzt 
keine  andere  Methode  kennen,  die  Menge  der  Borsäure 
mit  Sicherheit  in  >ierbiudungen  zu  finden,  als  die,  die 
Quantitäten  der  Basen,  die  mit  der  Borsäure  verbunden 
sind,  zu  bestimmen,  und  die  Menge  der  Borsäure  aus  dem 
Verluste  zu  berechnen. 

Man  bestimmt  die  Basen  in  ihren  Verbindungen  mit 
Borsäure,  entweder  auf  die  Weise,  dafs  man  sie  aus  den 
Auflösungen  durch  Schwefelwasserstoff  oder  andere  Rea- 
geutien  abscheidet,  oder  dafs  man  die  Borsäure  aus  ihren 
Verbindungen  als  Fluorborgas  verjagt.  Diese  Methode^ 
deren  sich  zuerst  Arfvedson  bediente,  giebt  die  genau- 
sten Resultate. 

lieber  die  Verflüchtigung  der  Borsäure  aus  ihrer  wäft- 
rigen  Lösung  ^  und  über  die  quantitative  Besiimmung  der- 
selben in  ihrer  Auflösung  in  Wasser.  —  Die  Borsäure  ver- 
flüchtigt sich  in  ihrer  Auflösung  in  Wasser  mit  den  Däm- 
pfen derselben  mehr  als  irgend  eine  andere  der  sogenannten 
feuerbeständigen  Säuren,  und  selbst  als  solche,  weldie  aus 
ihren  Verbindungen  durch  Borsäure  ausgetrieben  ond  bei 
erhöhter  Temperatur  verjagt  werden  können.  Die  FlQch- 
tigkeit  der  Borsäure  in  ihrer  Auflösung  in  Wasser  -ist  be- 
deutender, als  man  sie  gewöhnlich  annimmt.  Durch  län- 
geres Erhitzen  der  Auflösung,  besonders,  wenn  sie  con- 
centrirt  ist,  und  man  das  abgedampfte  Wasser  von  Zeit 
zu  Zeit  erneut,  würde  man  gewifs  im  Stande  sejn,  eine 
gewisse  Menge  gänzlich  zu  verflüchtigen.  Es  wurden  0,565 
Grm.  wasserfreier  Borsäure  in  12  Unzen  Wasser  gelöst  und 
diese  Lösung  abgedampft;  dieselbe  Quantität  Wasser  wurde 
noch  zweimal  angewandt,   endlich  der  Rückstand  mit  sehr 


263 

kleinen  Mengen  Wasser,  die  nur  zu  seiner  Auflösung  hin- 
reichten, Übergossen  und  das  Ganze  an  einem  mäfsig  war- 
men Ort  dem  Verdampfen  tiberlassen.  Nach  zwei  Tagen 
wog  der  geschmolzene  Rückstand  nur  0,100  Grm.  Es  hat- 
ten sich  also  82,30  Proc.  Borsäure  verflüchtigt. 

Erhitzt  mau  BorsSure  bis  zum  Schmelzen  im  Platintie- 
gel, so  nimmt  das  Gewicht  derselben  beständig  ab,  wenn 
der  Zutritt  der  Luft  nicht  sorgfältig  vermieden  wird;  die 
Abnahme  ist  aber  weit  bedeutender,  wenn  das  Erhitzen 
bis  zum  starken  Glühen  gesteigert  wird.  Immer  aber  be- 
trägt diese  Abnahme  nur  einige  Milligramme.  Befeuchtet 
man  aber  die  erkaltete  Borsäure  mit  einem  Tropfen  Was- 
ser, und  erhitzt  von  Neuem  bis  zum  Glühen,  so  beträgt 
die  Gewichtsabnahme  einige  Centigramme,  und  sie  wird 
noch  um  etwas  bedeutender,  wenn  man  statt  des  Wassers 
einen  Tropfen  Alkohol  anwendet.  Am  besten  vermeidet 
man  die  Gewichtabnahme  beim  Schmelzen  der  Borsäure, 
wenn  man  eine  kleine  Menge  von  kohlensaurem  Ammoniak 
auf  die  Oberfläche  der  Säure  bringt. 

Man  weifs  noch  nicht  mit  Sicherheit,  0b  die  geschmol- 
zene Borsäure  wasserfrei  ist.  Man  kann  «ich  aber  leicht 
davoä  überzeugen.  Bringt  man  in  geschmolzene  Borsäure 
Stücke  von  geschmolzenem  Chlornatrium,  so  kann  nicht 
die  mindeste  Entwickelung  von  Chlorwasserstoff  bemerkt 
werden,  auch  wenn  das  Ganze  längere  Zeit  glüht.  Es  ver- 
flüchtigt sich  dann  nur  Borsäure.  Befeuchtet  man  aber  die 
erkaltete  Masse  mit  einem  Tropfen  Wasser,  und  glüht  bei 
zugemachtem  Deckel,  so  bemerkt  man  beim  Oeffnen  des 
Deckels  einen  deutlichen  Geruch  von  Chlorwasserstoff, 
und  ein  mit  Ammoniak  benetzter  Glasstab,  der  über  die 
Masse  gehalten  wird,  bringt  die  bekannten  Nebel  des  Chlor- 
ammoniums hervor.  Durch  diesen  Versuch,  den  man  mit 
demselben  Erfolge  sehr  oft  wiederholen  kann,  überzeugt 
man  sich  leichter  von  der  Abwesenheit  des  Wassers  in  der 
geschmolzenen  Borsäure,  als  durch  das  Schmelzen  dersel- 
ben mit  frisch  geglühtem  Bleioxjd. 

Wegen  der  Flüchtigkeit  der  Borsäure  beim  Abdampfen 


264 

der  Tväfsrigen  Auflösung  ist  es  mit  sehr  grofsen  Schwierig- 
keiten verknüpft,  die  Menge  derselben  darin  zu  bestimmen. 

Man  bat  vorgeschlagen,  die  Verflüchtigung  der  Bor- 
säure beim  Abdampfen  auf  die  Weise  zu  vermeiden ,  dats 
man  die  Auflösung  vor  dem  Abdampfen  mit  Ammoniak 
übersättigt.  Aber  die  Verwandtschaft  der  Borsäure  zum 
Ammoniak  ist  eine  so  geringe,  dafs  sich  dasselbe  mit  den 
Wasserdämpfen  zugleich  verflüchtigt.  Uebersättigt  man  eine 
concentrirte  wäfsrige  Auflösung  der  Borsäure  mit  Ammo- 
niak, fügt  dann  Alkohol  hinzu  und  zündet  diesen  an,  so 
brennt  er  nur  anfangs  nicht  mit  grüner  Farbe,  wohl  aber 
später.  Nur  das  Zusetzen  der  feuerbeständigen  Alkalien 
verhindert  die  Verflüchtigung  der  Borsäure  vollständig,  wes- 
halb alsdann  hinzugefügter  Alkohol  nach  dem  Anzünden 
keine  grüne  Flamme  zeigt. 

Es  wurden  0,700  Grm.  wasserfreier  Borsäure  in  wäfs- 
rigem  Ammoniak  aufgelöst  und  unter  beständigem  Zusetzen 
von  neuen  Mengen  concentrirter  Ammoniakflüssigkeit  bis 
zur  Trocknifs  abgedampft;  die  abgedampfte  Säure  wurde 
in  einer  Atmosphäre  von  kohlensaurem  Ammoniak  geglüht. 
Sie  wog  dann  nur  0,620  Grm.;  es  hatte  also  ein  Verlust 
von   IM3  Proc.  Borsäure  stattgefunden. 

Dieser  Verlust  ist  sogar  etwas  bedeutender,  als  wenn 
die  concentrirte  wäfsrige  Auflösung  der  Borsäure  für' sich, 
ohne  Zusatz  von  Ammoniak,  abgedampft  wird.  Denn  jene 
0,620  Grm.  in  Wasser  gelöst,  gaben  nach  dem  Abdampfen 
0,551  Grm.  der  geschmolzenen  Säure.  Der  Verlust  war 
in  diesem  Falle  also  nur  10,66  Proc.  —  Jedenfalls  ergiebt 
sich  aus  diesen  Versuchen,  dafs  das  Ammoniak  in  nichts 
die  Flüchtigkeit  der  Borsäure  vermindert. 

Bei  einer  Untersuchung  des  Datoliths  von  Rammeis- 
berg  ^)  hatte  derselbe  die  Borsäure  auf  die  Weise  quan- 
titativ bestimmt,  dafs  er,  nach  Aufschliefsung  des  Minerals 
in  Chlorwasserstoffsäure,  die  Auflösung  nach  Abscheidung 
der  Kieselsäure  mit  Ammoniak  übersättigte,  die  Kalkerde 
durch  Oxalsäure  fällte,  die  filtrirte  Flüssigkeit  vorsichtig  zur 
1)  Pogg.  Aon.  Bd.  47,  S.  169. 


265 

Trocknifs  sibdainpfte  und  den  trockDen  Rückstand  im  be- 
deckten Platintiegel  schmelzte.  Er  hatte  hierbei  ein  Resul- 
tat erhalten,  das  sich  der  Wahrheit  näherte. 

In  der  verdampften  Flüssigkeit  konnte  aufser  freiem  Am- 
moniak nur  Chlorammonium  und  oxalsaures  Ammoniak  ent- 
halten sejn.  Es  schien  mir  daher  wahrscheinlich,  dafs  die 
Gegenwart  des  Chlorammoniums  die  Verflüchtigung  der  Bor- 
säure beim  Verdampfen  ihrer  wäfsrigen  Auflösung  yerhin- 
dern  könne. 

Als  Hr.  Weber  1,650  Grm.  Borsäure,  in  Wasser  ge- 
löst, mit  Chlorammonium  versetzte,  das  Ganze  in  einer 
Platinschale  zur  Trocknifs  abdampfte,  und  den  trocknen 
Rückstand  in  einem  Plalintiegel  so  lange  glühte,  bis  sich 
keine  Dampfe  von  Chlorammonium  mehr  entwickelten,  er- 
hielt er  einen  Rückstand,  welcher  bei  der  Temperatur,  bei 
welcher  reine  Borsäure  sehr  leicht  schmilzt,  nicht  zum 
Schmelzen  zu  bringen  war.  Das  Gewicht  des  Rückstands 
betrug  1,404  Grm.,  also  nur  85,10  Proc.  der  angewandten 
Borsäure.  Er  wurde  der  stärksten  Hitze  ausgesetzt,  welche 
durch  eine  Spirituslampe  mit  doppeltem  Luftzuge  hervor- 
zubringen war,  ohne  ihn  schmelzen  zu  können.  Das  Ge- 
wicht nahm  merkwürdiger  Weise  dabei  noch  zu,  und  ver- 
mehrte sich  bis  zu  1,430  Grm.  Wurde  ein^  gewogene 
Menge  von  Bleioxjd  hinzugefügt,  so  schmelzte  dasselbe 
»it  dem  Rückstande  zusammen,  das  Bleioxjd  wurde  da- 
bei reducirt,  das  Gewicht  des  Ganzen  aber  nur  unbedeu- 
tend verändert. 

Durch  Einwirkung  des  Chlorammoniums  auf  Borsäure 
hatte  sich  der  von  B almain  zuerst  dargestellte  und  spä- 
ter von  Wühler  ')  näher  untersuchte  Borstickstoff  gebil- 
det. Er  bleibt  ungelöst,  wenn  man,  nachdem  man  eine 
Auflösung  von  Borsäure,  mit  Chlorammonium  versetzt,  zur 
Trocknifs  abdampft,  die  trockne  Masse  glüht  und  nach  dem 
Erkalten  mit  Wasser  behandelt.  Er  bildet  ein  weifsgraues 
Pulver,  das  sich  ganz  auswaschen  läfst.  Nach  dem  Trock- 
nen nimmt  er  eine  dunklere  Farbe  an.  Mit  Kalihjdrat  ge- 
1)  Pogg.  Ano.  Bd.  79,  S..467. 


266 

schmolzen  entwickelt  das  Pulver  einen  starken  Gerach  nadi 
Ammoniak;  nach  dem  Auflösen  der  geschmolzenen  Masse 
konnte  in  der  Auflösung  kein  Chlorgehalt  nachgewiesen 
werden. 

Die  angegebene  Darstellungsart  dieses  merkwürdigen 
Körpers  ist  vielleicht  die  leichteste  und  zweckmäfsigste. 
Mengt  man  gepulverte  Borsäure  mit  Chlorammonium  innig 
zusammen,  und  glüht  das  Gemenge,  so  wirken  beide  nicht 
so  leicht  aufeinander,  als  wenn  sie  vorher  aufgelöst  wor- 
den sind.  Das  Gemenge  schmilzt,  und  man  erh&lt  nicht 
eine  so  bedeutende  Menge.  Man  erhSlt  gar  keinen  Bor- 
stickstoff, wenn  man  die  Auflösung  der  Borsäure  mit  Chlor- 
ammonium versetzt,  in  einer  Platinschale  abdampft,  und 
die  abgedampfte  Masse,  in  der  Schale  selbst,  beim  Zutritt 
der  Luft  glüht.  Ein  Zusatz  von  freiem  Ammoniak  zum 
Chlorammonium  verhindert  die  Entstehung  des  Borstick- 
stoffs übrigens  nicht. 

Wird  Borsäure  im  aufgelösten  Zustand  mit  salpeter- 
saurem Ammoniak  abgedampft  und  die  abgedampfte  Masse 
geglüht,  so  erhält  man  nach  dem  Auflösen  keinen  Bor- 
stickstoff. Die  Masse  schmilzt  wie  reine  Borsäure  und 
löst  sich  nachher  vollständig  im  Wasser  auf.  Als  aber 
versucht  wurde,  eine  gewogene  Menge  von  Borsäure  ge- 
meinschaftlich mit  salpetersaurem  Ammoniak  abzudampfen, 
schäumte  beim  Erhitzten  der  abgedampften  Masse  dieselbe 
durch  das  sich  entwickelnde  Stickstoffoxydulgas  so  stark, 
dafs  ein  Uebersteigen  nicht  zu  verhindern  war.  Man  konnte 
sich  indessen  überzeugen,  dafs  auch  durch  salpetersaures 
Ammoniak  die  theilweise  Verflüchtigung  der  Borsäure  nicht 
vermieden  werden  konnte. 

Da  man  die  Menge  von  Phosphorsäure  und  von  Arse- 
niksäure, wenn  diese  Säuren  im  Wasser  aufgelöst  -sind, 
auf  keine  Weise  besser  quantitativ  bestimmen  kann,  als 
auf  die,  dafs  zu  den  Auflösungen  eine  gewogene  Menge 
von  frisch  geglühtem  Bleioxjd  gesetzt,  das  Ganze  abge- 
dampft, und  die  trockene  Masse  erhitzt  oder  geglüht  vnrd, 
so  wurden  ähnliche  Versuche  auch  mit  der  Borsäure  an^e- 


267 

stellt,  in  der  gewissen  Uebcrzeugung,  auf  diese  Welse  die 
Verflüchtigung  der  Borsäure  beim  Abdampfen  zu  verhindern. 

Aber  aiich  diese  Methode  gab  kein,  auch  nur  entfernt 
sich  der  Wahrheit  näherndes  Resultat.  Hr.  Weber  dampfte 
die  Auflösung  von  1,143  Grm.  geschmolzener  Borsäure  mit 
5,616  Grm.  Bleioxjd  ab,  und  glühte  das  Abgedampfte  in 
einem  Porcellantiegel.  Es  schmolz  und  gab  ein  nach  dem 
Erkalten  gelb  aussehendes  durchsichtiges  Glas,  das  aber 
nur  6,588  Grm.  wog.  Es  hatte  also  ungeachtet  der  Ge- 
genwart eines  so  stark  basisch  wirkenden  Oxyds  wie  das 
Bleioxjd,  ein  Verlust  von  14,96  Proc.  Borsäure,  die  sich 
'  beim  Abdampfen  verflüchtigt  hatte,  stattgefunden. 

Es  wurde  dieser  Versuch  modificirt  wiederholt.  7,246 
Grm.  Bleioxjd  wurden  in  Salpetersäure  gelöst,  die  Lösung 
mit  0,704  Grm.  Borsäure  abgedampft  und  die  trockne  Masse 
in  einem  Porcellantiegel  geglüht  und  geschmolzen.  Die  ge- 
schmolzene Masse  wog  aber  nur  7,793  Grm.  Der  Verlust 
an  Borsäure  betrug  in  diesem  Versuche  daher  22,30  Proc. 
und  war  also  beträchtlicher  als  beim  Vorhergehenden. 

Da  die  feuerbeständigen  Alkalien  die  einzigen  Basen  zu 
seyn  scheinen,  welche  im  Uebermaafs  zu  einer  Auflösung 
von  Borsäure  gesetzt,  die  Verflüchtigung  derselben  beim 
Abdampfen  ihrer  wäfsrigen  Lösung  verhindern,   so   suchte 

•  •  •  • 

ich  das  dreibasische  phosphorsaure  Natron  (Na^P)  zu  die- 
sem Zwecke  anzuwenden,  da  in  diesem  das  dritte  Atom 
des  Natrons  nur  mit  schwacher  Verwandtschaft  gebunden 
ist,  und  bekanntlich  in  der  Auflösung  ^chon  durch  Koh- 
lensäure j^on  der  Phosphorsäure  getrennt  werden  kann. 
Das  phosphorsaure  Salz  wurde  von  grofser  Reinheit  ange- 
wandt. Hr.  Weber  löste  1,220  geschmolzener  Borsäure 
und  6,508  Grm.  des  dreibasischen  Salzes,  im  wasserfreien 
Zustand,  in  Wasser  auf  und  verdampfte  die  Auflösung  bis 
zur  Trocknifs.  Das  Abdampfen  mufste  mit  Vorsicht  im 
Wasserbade  geschehen,  da  die  Masse  über  freiem  Feuer 
abgedampft  eine  grofse  Neigung  zum  Spritzen  zeigte.  Sie 
^  blieb  lange  in  einem  syrupartigen  Zustand  und  überzog 
sich  mit  einer  Haut,  welche   das   fernere  Verdampfen   des 


268 

Wassers  sehr  erschwerte.  Endlich  stärker  erhitzt  /  bl8hte 
sie  sich  zwar  stark  auf,  spritzte  aber  nicht.  Nach  mehre- 
ren Wägungeu  wog  sie  7,585  Grm.  Es  hatte  also  ein  Ver- 
lust von  Borsäure  und  zwar  von  11,72  Proc.  stattgefanden. 

Es  wurden  nun  die  feuerbeständigen  Alkalien  in  ihrem 
kohlensauren  Zustande  angewandt.  Selbst  durch  eine  con- 
centrirtc  Auflösung  der  Borsäure  wird  die  Kohlensäure  in 
der  Kälte  aus  den  kohlensauren  Alkalien  nicht  ausgetrie- 
ben, und  beim  Erhitzen  nur  in  einem  sehr  geringen  Grade; 
erst  wenn  die  Auflösungen  der  Borsäure  und  der  kohlen- 
sauren Alkalien  bis  zur  Trocknifs  abgedampft  worden  sind, 
und  man  die  trockene  Masse  zu  erhitzen  und  zu  glühen 
anfängt,  findet  die  Entwickelung  der  Kohlensäure  statt, 
ohne  ein  starkes  Schäumen  zu  bewirken. 

Wenn  man  die  Menge  der  Borsäure  in  ihrer  wäfsrigen 
Auflösung  quantitativ  bestimmen  will,  so  kann  keine  an- 
dere Methode  angewandt  werden,  als  die,  zu  der  Auflö- 
sung ein  Ucbermaafs  einer  gewogenen  Menge  von  wasser- 
freiem kohlensauren  Natron  hinzuzufügen,  das  Gahze  bis 
zur  Trocknifs  abzudampfen,  die  trockene  Masse  zu  glQ- 
hen,  ihr  Gewicht,  und  darauf  die  Menge  der  nicht  aasge- 
triebenen Kohlensäure  zu  bestimmen,  woraus  sich  dann  das 
der  Borsäure  ergiebt. 

Diese  Methode  ist  freilich  zeitraubend,  giebt  aber  ein 
genaues  Resultat,  doch  nur,  wenn  mit  gewisser  Vorsicht 
bei  der  Untersuchung  verfahren  wird. 

Hr.  Weber  löste  1,804  Grm.  geschmolzene  Borsäare 
gemeinschaftlich  mit  3,988  Grm.  geschmolzenem  kohlensaa- 
rem  Natron  in  Wasser  auf.  Die  Lösung  wurde  zur  Trock- 
nifs abgedampft,  die  saure  Masse  vorsichtig  geglQht,  und 
zum  Schmelzen  gebracht.  Bei  starker  Hitze  war  die  Masse 
dünnflüssig,  bei  schwächerer  aber  zähe. 

Wurde  die  Masse  bei  der  stärksten  Hitze  geschmol- 
zen, welche  ein  kleiner  Platintiegel  durch  die  Hitze  einer 
Spirituslampe  mit  doppeltem  Luftzuge  mit  aufgesetztem 
Schornsteine  erhalten  kann,  so  war  das  Gewicht  nach  dem 
Erkalten  ein  constantes,    und    veränderte  sich  auch  nicht 


269 

.durch  längeres  Stehen.  Wurde  der  Tiegel  aber  darauf 
ohne  Schornstein  bei  mäfsiger  Hitze  geglüht ,  so  nahm  das 
Gewicht  etwas  zu;  es  war  aber  nicht  möglich ^  dadurch 
ein  constantes  Gewicht  zu  erhalten. 

Beim  schwächeren  GlQhen  nimmt  also  die  Masse  wie- 
der etwas  Kohlensäure  auf,  die  sie  beim  stärkeren  Glühen 
verloren  hatte. 

Die  bei  starker  Hitze  erhaltene  Masse  wog  4,345  Grm. 

Durch  schwächeres  Glühen   konnte  das  Gewicht  nach  und 

nach   bis  zu  4,375  Grm.  vermehrt  werden,    das  sich  aber 

wieder  bis  zu  4,345  Grm.  durch  erneutes  starkes  Glühen 

.  verminderte. 

Diese  Versuche  sind  öfters  mit  demselben  Erfolge  wie- 
derholt worden. 

Durch  schwächeres  Erhitzen  hatte  sich  die  Masse  wie- 
der bis  zum  Gewicht  von  4,360  Grm.  vermehrt.  In  diesem 
Zustande  wurde  sie  in  einem  Apparate,  wie  man  sich  des- 
sen zur  Kohlensäure -Bestimmung  bedient,  durch  Schwefel- 
säure zersetzt.  Es  wurden  0,215  Grm.  Kohlensäure  ent- 
bunden. 

Zieht  man  von  dem  Gewichte  der  geschmolzenen  Masse 
2,338  Grm.  oder  die  Menge  des  Natrons  in  dem  angewand- 
ten kohlensauren  Natron,  so  wie  die  0,215  Grm.  der  in  der 
geschmolzenen  Masse  enthalten  gewesenen  Kohlensäure  ab, 
so  erhält  man  1,807  Grm.  für  die  Menge  der  Borsäure.  Diefs 
ist  aber  sehr  nahe  das  Gewicht  der  angewandten  Säure. 

Man  sieht  also,  dafs  diese  Untersuchung,  die  freilich 
etwas  umständlich  ist,  ein  sehr  genaues  Resultat  gegeben 
hat.  Es  ist  übrigens,  wie  leicht  einzusehen,  für  das  Resul- 
tat ganz  gleichgültig,  ob  man  das  Schmelzen  der  Masse 
längere  oder  küizere  Zeit  fortsetzt,  und  ob  dabei  eine  sehr 
starke  oder  schwächere  Hitze  angewandt  wird. 

Die  Menge  der  durch  die  Borsäure  ausgetriebenen  Koh- 
lensäure steht  zu  jener  in  keinem  sehr  einfachen  Verhält- 
nisse, und  diese  ist  kein  einfaches  Aequivalcnt  für  jene. 
Es  waren  durch  1,804  Grm.  Borsäure  aus  dem  kohlensau- 
ren Natron   1,435  Grm.  Kohlensäure  ausgetrieben  worden. 


270 

Der  Sauerstoff  der  angeiYandten  BorsSure  ist  1,2407  Grm., 
der  der  ausgetriebenen  Kohlensäure  aber  1,042.  Jener 
verhält  sich  zu  diesem  wie  1:0,839.  Es  hatte  sich  also 
hierbei  ein  borsaurcs  Natron  gebildet,  das  gegen  2  Atome 
Borsäure  2^  Atome  Natron  enthielt,  also  noch  basischer 
war,  als  der  sogenannte  neutrale  Borax. 

Es  darf  diefs  keine  auffallende  Erscheinung  sejn.    Bei 
noch  weit  stärkerer  Hitze  als  angewandt  wurde,  wäre  noch 
mehr  Kohlensäure  als  bei  den   erwähnten  Versuchen  vor- 
flGchtigt  worden.    Säuren,  wie  Borsäure,  die  in  den  man- 
nigfaltigsten Verhältnissen  sich  mit  Basen  verbinden,  trei- 
ben beim  Schmelzen  sehr  ungleiche  Mengen  von  Kohlen- 
säure aus  kohlensauren  Alkalien  aus.    Ich  hatte  in  der  längst 
vergangenen  Zeit,  früher  eheBerzelius  die  Versuche  be- 
kannt gemacht  hatte,  welche  Arfvedson  über  die  Sätti- 
gungscapacität  der  Borsäure  angestellt'),  eine  Reibe  von 
Versuchen  über  denselben  Gegenstand  ausgeführt,  aber  die 
Resultate  derselben  nicht  veröffentlicht,  weil  sie  mir  keine 
genügende  Resultate  gaben,  und  mit  denen  von  Arfved- 
son nicht  übereinstimmten.    Bei  diesen  schon  vor  28  Jah- 
ren angestellten  Versuchen  schmelzte  ich  gewogene  Quan- 
titäten von  Borsäure  mit  gewogenen  Mengen  von  kohlen- 
saurem Natron  zusammen,  und  fand  dafs  100  Tb.  Borsäure 
sich  mit   165,4;    162,6  und   168,8  Th.  Natron    verbinden. 
Arfvedson   fand  durch  ähnliche  Versuche,  dafs  100Tb. 
Borsäure  sich  nur  mit  135,5  Th.  Natron  vereinigten.    Of- 
fenbar waren  von  uns  beiden  verschiedene  Hitzgrade  beim 
Schmelzen  angewandt  worden.     Aber  bei  meinen  früheren 
Versuchen   wurde  durch  Borsäure  noch  mehr  Kohlensäure 
ausgetrieben,  als  bei  den  jetzt  beschriebenen  und  ein  bor- 
saures Natron  erzeugt,  dafs  gegen  2  Atome  Borsäure  mehr 
als  3  Atome  (3,6)  Natron  enthielt.    Der  Sauerstoff  der  ange- 
wandten Borsäure  verhielt  sich  zu  dem  der  vertriebenen  Koh- 
lensäure in  den  drei   angeführten  Versuchen  wie  1  : 1,203: 
1:1,212  und  1:1,258.    In  AVfvedson's  Versuchen  i^ar 
der  Sauerstoffgchalt   der   angewandten  Borsäure  dem  der 

1)  Pogg    Ann.  Bd.  2,  S.  131. 


271 

alisgefriebenen  Koblensäure  gleich ,  also  ein  borsaures  Na- 
tron erzeugt  worden,  dats  gegen  2  Atome  Borsäure  3  Atome 
Natron  enthielt. 

Es  findet  zwischen  den  verschiedenen  Oxyden  und  Säu- 
ren, welche  mit  kohlensauren  Alkalien  zusammengeschmol- 
zen, Kohlensäure  aus  diesen  austreiben,  ein  bemerkens- 
werther  Unterschied  statt.  Einige  von  ihnen  verjagen  eine 
bestimmte  Menge  von  Kohlensäure,  die  in  einem  sehr  ein- 
fachen Verhältnisse  zu  dem  angewandten  Oxyd  steht,  und 
gewöhnlich  ein  Aequivalent  von  ihm  ist,  und  die  verschie- 
denen Temperaturen,  die  man  während  des  Schmelzens  an- 
wendet, so  wie  die  Dauer  des  Schmelzens  sind  auf  das 
Resultat  von  keinem  wesentlichen  Einflufs.  Andere  aber 
verhalten  sich  wie  die  Borsäure;  sie  verbinden  sich  in  vie- 
len Verhältnissen  mit  den  Alkalien,  und  die  Menge  der 
ausgetriebenen  Kohlensäure  richtet  sich  nach  verschiede- 
nen Umständen,  besonders  nach  den  verschiedenen  Tem- 
peraturen während  des  Schmelzens  und  nach  der  Dauer 
des  Versuchs. 

Zu  diesen  Oxyden  gehören  namentlich  aufser  der  Bor- 
säure, die  Titansäure,  die  Tantalsäure  und  die  Pelopsäure, 
während  die  Niobsäure  zu  den  Oxyden  gerechnet  werden 
mufs,  die  sich  nur  in  sehr  einfachen  Verhältnissen  mit  den 
Alkalien  zu  verbinden  scheinen. 

Diese  Eigenschaft  der  Borsäure,  verschiedene  Mengen 
von  Kohlensäure  aus  den  kohlensauren  Alkalien  zu  ver- 
jagen, ist  aber  ganz  ohne  Einflufs  auf  die  qantitative  Be- 
stimmung dieser  Säure  in  ihrer  wäfsrigen  Auflösung  nach 
der  oben  angeführten  Methode. 

Es  wurde  ein  ähnlicher  Versuch  zur  Bestimmung  der 
Borsäure  in  ihrer  wäfsrigen  Lösung  vermittelst  des  kohlen- 
sauren Kalis  angestellt.  Hr.  W^eber  löste  1,418  Gnn.  Bor- 
säure und  4,644  Grm.  kohlensaures  Kali  in  Wasser  auf,  und 
dampfte  d^  Ganze  bis  zur  Trockuifs  ab.  Auch  in  diesem 
Falle  fand  eine  Kohlensäureentwickelung  nicht  früher  statt, 
als  bis  die  Masse  beinahe  trocken  war,  besonders  aber 
erst  beim  Glühen. 


272 

Nach  dem  GlQben  der  geschmolzenen  Masse  zeigte  sich 
dieselbe  sonderbare  Erscheinung,  die  beim  Schmelzen  mit 
kohlensaurem  Natron  bemerkt  worden  war«  Das  Gewicht 
der,  bei  schwächerer  Hitze  geschmolzenen  Masse  nahm  ab, 
als  die  stärkste  Hitze  angewandt  wurde,  die  eine  Spiritus- 
lampe  mit  doppeltem  Luftzuge  mit  aufgesetztem  Schornsteine 
zu  geben  vermag,  vermehrte  sich  aber  wiederum,  als  das 
Schmelzen  bei  geringer  Hitze  fortgesetzt  wurde.  Ohne  auf- 
gesetzten Schornstein  geschmolzen  wog  die  Masse  5,155  Grm. 
durch  aufgesetzten  Schornstein  verminderte  sie  sich  endlich 
bis  zu  5,111  Grm.;  nahm  aber  durch  kurzes  GlQhen  bei 
niedriger  Temperatur  bis  zu  5,119  Grm.  zu.  Aus  dieser 
Menge,  durch  Schwefelsäure  zersetzt,  entwichen  0,518  Grm« 
Kohlensäure. 

Zieht  man  nun  von  dem  Gewichte  der  geschmolzenen 
Masse  die  ]\Ienge  des  Kalis  im  angewandten  kohlensauren 
Kali  oder  3,162  Grm.  Kali  ab,  so  wie  noch  0,518  Grm. 
Kohlensäure,  so  erhält  man  für  die  Borsäure  1,431  Grm.; 
was  auch  ziemlich  gut  mit  der  angewandten  Menge  fiber- 
einstimmt. Da  das  kohlensaure  Kali  nicht  mit  solcher  Si- 
cherheit im  wasserfreien  Zustand,  wie  das  kohlensaure  Na- 
tron gewogen  werden  kann,  so  ist  das  erhaltene  Resultat 
nicht  so  genau,  wie  im  ersten  Versuche. 

Es  sind  durch  1,418  Grm.  Borsäure  0,959  Grm.  Kohlen- 
säure aus  dem  kohlensauren  Kali  durchs  Schmelzen  ausge- 
trieben worden.  Der  Sauerstoff  der  angewandten  Borsäure 
ist  0,9756  Grm.,  der  der  ausgetriebenen  Kohlensäure  0,686. 
Jene  verhalten  sich  zu  diesen  wie  1 : 0,700. 

Die  Menge  der  Kohlensäure,  welche  durch  Borsäure 
aus  kohlensaurem  Natron  und  aus  kohlensaurem  Kali  aus- 
getrieben wurden,  stehen  in  keinem  einfachen  Verhältnisse. 
Schon  Arfvedson  bat  bemerkt,  dafs  100  Th.  Borsäure 
sich  beim  Schmelzen  mit  kohlensaurem  Kali  mit  139  Th« 
Kali  verbinden;  der  Sauerstoff  der  Borsäure  verhält  sich  zu 
dem  der  ausgetriebenen  Kohlensäure  hiernach  wie  68,8:47,2 
also  nahe  wie   1 : 0,68.     Es  hatte  sich  hier  also  neutrales 

bor- 


273 

•   •  •  • 

borsaures  Kali  (KB)  gebildet.  Ich  hatte  bei  meinen  frü- 
heren Versuchen  gefunden,  dafs  100  Th.  Borsäure  sich  beim 
Schmelzen  mit  146,5  und  142,6  Th.  Kali  vereinigten,  hier- 
nach verhält  sich  der  Sauerstoff  der  angewandten  Borsäure 
zu  dem  der  ausgetriebenen  Kohlensäure  wie  1 : 0,722,  was 
mit  dem  oben  beschriebenen  Versuche  übereinstimmt.  Bei 
diesen  Versuchen  bildete  sich  also  ein  borsaures  Kali,  das 
etwas  basischer  als  das  neutrale  Salz  ist. 

Trennung  der  Borsäure  rem  Basen,  —  Es  ist  bekannt, 
dafs  man  auf  keine  Weise  die  Borsäure  in  Verbindungen, 
wenigstens  in  denen  in  welchen  sie  einen  wesentlichen  Be- 
standtheil  ausmacht,  ihrer  Menge  nach  sicherer  und  genauer 
bestimmen  kann,  als  wenn  man  dieselben  mit  Fluorwasser- 
stoffsäure, darauf  mit  concentrirter  Schwefelsäure  behandelt, 
und  die  Borsäure  als  Fluorbor  verjagt.  Durch  die  Menge 
der  erhaltenen  schwefelsauren  Salze  läfst  sich  am  sicher- 
sten die  Menge  der  in  der  Verbindung  enthaltenen  Basen, 
und  dann  die  der  Borsäure  aus  dem  Verluste  finden. 

Man  kann  indessen  die  Borsäure  aus  den  borsauren 
Verbindungen  noch  auf  eine  andere  Weise  verjagen,  näm- 
lich als  Borsäureäther,  wenn  man  sie  mit  concentrirter  ' 
Schwefelsäure  und  Alkohol  behandelt.  Doch  steht  diese 
Methode  der  vermittelst  Fluorwasserstoffsäure  die  Zeszetzung 
zu  bewirken,  bei  weitem  nach,  und  kann  nur  dann  ange- 
wandt werden,  wenn  man  in  Ermangelung  einer  Platinre- 
torte sich  nicht  concentrirte  Fluorwasserstoffsäure  verschaf- 
fen kann. 

Das  Verfahren,  das  man  bei  dieser  Methode  zu  beob- 
achten hat,  ist  folgendes:  Nachdem  man  das  Gewicht  der 
borsäorehaltigen  Verbindung  bestimmt  hat,  wird  dieselbe, 
am  besten  in  ein^r  grofsen  Platinschale  (in  Ermange- 
lung derselben  in  einer  grofsen  Porcellanschale)  mit  con- 
centrirter Schwefelsäure  übergössen  und  erwärmt,  bis  sie 
ganz  zersetzt,  und,  wenn  die  Base  mit  der  Schwefelsäure 
keine  unlösliche  Verbindung  bildet,  aufgelöst  ist.  Man 
läfst  darauf  das  Ganze  erkalten,  und   setzt  dann  6  bis  8 

PoggeDdorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  18 


274 

Loth  starken  Alkohol  hinzu ,  wenn  man  einige  Gnmme 
der  borsauren  Verbindung  angewandt  hat.  Es  sdieiden 
sich  dadurch  die  Basen  als  schwefelsaure  Salze  ab.  Man 
rührt  Alles  mit  einem  Platinspatel  gut  durcheinander  und 
erwärmt  unter  beständigem  Umrühren  bis  zum  Kochen.  Das 
Umrühren  ist  noth wendig,  weil  die  Flüssigkeit  vor  dem 
Kochen  stark  auIstOst  und  spritzt.  Ist  das  Kochen  einge- 
treten, so  haben  sich  die  ausgeschiedenen  Salze  zu  einer 
klaren  Flüssigkeit  wieder  aufgelöst,  und  das  Umrühren  ist 
nicht  mehr  nöthig.  Man  dampft  hierauf  die  Flüssigkeit  bei 
starkem  Kochen  bis  zu  einem  geringen  Volumen  ein,  und 
bis  sie  anfängt  sich  stark  zu  schwärzen,  labt  sie  dann  er- 
kalten, und  übergiefst  sie  aufs  Neue  mit  4  bis  6  Loth 
Alkohol.  Dieser  mufs  mit  dem  sjrupartigen  Rückstand 
gut  untereinander  gerührt  werden.  Das  Erwärmen  mub 
darauf  unter  beständigem  Umrühren  mit  grober  Vorsicht 
geschehen,  damit  durch  Anfstofsen  kein  Verlust  entstehe^ 
was  übrigens  sehr  leicht  vorkommen  kann.  Ist  indessen 
das  Kochen  wieder  eingetreten,  so  geht  das  Abdampfen 
ruhig  von  statten,  und  das  Umrühren  ist  dann  nicht  mehr 
nöthig.  Man  dampft  wiederum  bis  zu  einem  geringen  Vo- 
lumen ein,  und  wiederholt  die  Behandlung  mit  Alkohol, 
aber  nur  mit  geringereu  Mengen  desselben  und  das  Ab- 
dampfen unter  den  augegebenen  Vorsichtsmafsregeln  noch 
ein-  oder  zweimal.  Zuletzt  wird  gänzlich  bis  zur  Trock- 
nifs  abgedampft,  wobei  der  Rückstand  sehr  stark  schäumt, 
und  Kohle  sich  abscheidet,  ohne  )edoch  zu  spritzen.  Man 
erhitzt  so  lange  bis  alle  freie  Schwefelsäure  sich  verflüch- 
tigt hat,  bringt  den  Rückstand  in  einen  kleinen  Platintiegel 
bis  zum  Glühen,  wobei  die  Kohle  sehr  leicht  verbrennt, 
und  er  vollkommen  weifs  erscheint.  Man  behandelt  iha 
dann,  namentlich  bei  Gegenwart  von  Alkali,  auf  die  be- 
kannte Weise  mit  kohlensaurem  Ammoniak,  und  bestimmt 
sein  Gewicht.  Die  Borsäure  ist  gänzlich  verjagt  worden. 
Hr.  Weber  erhielt  auf  diese  Weise  ans  1,925  Gnu. 
geschmolzenem  Borax  1,352  Gim.  schwefelsaures  Natron, 
in   denen    0,592  Grm.    Natron    enthalten   sind.     Der   Be- 


275 

I 

rechnuDg  nach  eothftit  der  angewandte  Borax  0,594  Gnn. 
Natron. 

Es  ist  bei  dieser  Operation  nothwendig  dafs  das  Ganze 
l&ngere  Zeit  stark  kocbt.  Würde  man  bei  geringerer  Hitze 
den  Alkohol  abdampfen,  so  würde  sich  minder  leicht  Bor- 
sAureäther  bilden,  und  die  Borsäure  würde  weit  schwerer 
nnd  nicht  vollständig  verflüchtigt  werden  können. 

Wendet  man  statt  der  Schwefelsäure  Chlorwasserstoff- 
säure an,  wie  C.  G.  Gmelin  schon  vor  längerer  Zeit  vor- 
geschlagen hat,  so  erzeugt  sich  lange  nicht  so  leicht,  wie 
durch  Schwefelsäure,  Borsäureäther,  und  die  Verflüchtigung 
der  Borsäure  geht  sehr  langsam  und  nicht  vollständig  von 
statten. 

Versuche,  die  Borsäure  aus  ihren  Verbindungen  quanti- 
iatie  durch  Fällung  abiuscheiden.  —  Die  oben  beschriebenen 
Versuche  zeigen,  dafs  es  zwar  möglich  ist,  die  Menge  der 
Borsäure  in  ihrer  Auflösung  in  Wasser  zu  bestimmen,  dafs 
aber  die  Methode  mit  Schwierigkeiten  verknüpft  und  zeit- 
raubend ist.  Aber  sie  läfst  sich  nur  anwenden,  wenn  die 
wäfsrijge  Auflösung  aufser  Borsäure  keine  anderen  Stoffe 
enthält,  ausgenommen  vielleicht  Ammoniak,  welches  durch 
die  Einwirkung  des  kohlensauren  Natrons  gänzlich  verflüch- 
tigt wird. 

Der  Fall  aber,  dafs  Borsäure  ohne  andere  Bcstandtheile 
in  einer  wäfsrigen  Auflösung  enthalten  ist,  kommt  gewirs 
selten  vor.  Es  ist  daher  wünschenswerth,  eine  Methode 
anzuwenden,  die  Borsäure  aus  ihrer  Auflösung  durch  Rea- 
gentien  als  eine  unlösliche  Verbindung  abscheiden  zu  kön- 
nen, um  aus  dem  Gewichte  des  erhaltenen  Niederschlags  das 
der  Borsäure  zu  finden. 

Aber  die  Borsäure  bildet  mit  vielen  Basen  zwar  schwer 
lösliche,  aber  gar  keine  vollkommen  unlösliche  Salze.  Fällt 
man  die  Auflösung  von  einem  borsauren  Salze  z.  B.  von 
Borax  durch  Salze  von  Erden-  und  Metalloxjden,  so  ist 
oft  das  erzeugte  schwer  lösliche  borsaure  Salz  in  einem 
UeberschuEs  von    Borax    unauflöslich,    aber   auflöslich    in 

18* 


276 

einem  Uebersdiusse  der  Erd-   oder  Metalloxydsalze,   Yfie 
z.  B.  das  borsaure  Bleioxyd. 

Die  einzige  Verbindung,  durch  welche  die  Borsäure  aus 
ihrer  Auflösung  vollständig  ausgeschieden  werden  könnte 
ist  das  von  Berzelius  zuerst  dargestellte  Borfluorkalium. 
Dasselbe  ist  iin  Wasser  sehr  schwer  löslich  und  dem  Kie- 
selfluorkalium sehr  ähnlich.  Berzelius  giebt  an,  dafs  es 
auch  in  geringer  Menge  in  Alkohol  auflöslich  sey,  was  ich 
indessen  nicht  bestätigt  fand.  In  einer  Auflösung  von  Chlor- 
ammonium ist  es  aber  auflöslicher  als  im  blofsen  Wasser. 

Berzelius^)  hat  vorgeschlagen,  die  Erzeugung  die- 
ser Verbindung  zu  benutzen,  um  die  Borsäure  quantitativ 
abzuscheiden.  Zu  dem  Ende  soll  man  die  borsaure  Ver- 
bindung mit  Fluorwasserstoffsäure  übergiefsen,  damit  di- 
gerireu,  und  dann  den  Ueberschufs  der  Säure  im  Wasser- 
bade abdampfen.  Der  Rückstand  besteht  dann  aus  einer 
Fluorbor-  und  einer  Fluorverbindung.  Die  erstere  ist  im 
Wasser  löslich,  besonders  wenn  dieses  mit  ein  wenig  Chlor- 
wasserstoffsäure schwach  sauer  gemacht  worden  ist;  die 
letztere  ist  darin  unlöslich.  Die  Lösung  und  das  Wasch- 
Wasser  werden  concentrirt,  und  mit  einer  Lösung  von  es- 
sigsaurem Kali  im  Ueberschufs  vermischt.  Die  Masse  ver- 
dickt sich  dadurch  zu  einem  Magma,  indem  sich  Borfluor- 
kalium bildet.  Sie  wird  nun  mit  starkem  Alkohol  umgerührt, 
worin  sich  die  essigsauren  Salze  auflösen.  Das  Borfluor- 
kalium wird  auf  ein  gewogenes  Filtrum  gebracht,  mit  kal- 
tem Alkohol  gewaschen,  bei  100^  C.  getrocknet,  gewogen 
und  aus  dem  Gewichte  die  Menge  der  dem  Borfluorkaliom 
entsprechenden  Borsäure  berechnet.  Die  alkoholische  Auf- 
lösung wird  bis  zur  Verflüchtigung  des  Alkohols  verdampft, 
und  die  in  dem  Rückstände  enthaltenen  Basen  nach  be- 
kannten Regeln  bestimmt.  Das  ungelöste  Fluorür  wird 
vermittelst  Schwefelsäure  zersetzt  und  aus  dem  erhaltenen 
schwefelsauren  Salze   die  Base  bestimmt. 

Eine  grofsc  Menge  von  quantitativen  Analysen,  welche 
Hr.  Weber  angestellt  hat,  um  die  Borsäure  als  Borfluor- 

1)  Berzelius  Lehrbuch  3.  Auflage  S.  81. 


277 

kalium  zu  bestimmen,  haben  indessen  kein  günstiges  Re- 
sultat gegeben. 

Wenn  man  eine  borsaure  Verbindung  mit  einem  Ueber- 
scbufs  von  Fluorwasserstoffsäure  behandelt,  so  ist  wohl 
unstreitig  Kalkerde  die  passendste  Base,  um  den  Ueber- 
schufs  der  Fluorwasserstoffsäure  zu  entfernen,  da  Fluor- 
calcium  die  unauflöslichste  der  Fluorverbindungen  zu  sejn 
scheint. 

Hr.  Weber  versetzte  die  Lösung  von  1,218  Grm.  was- 
serfreiem Borax  mit  Fluorwasserstoffsäure,  behandelte  das 
Ganze  mit  einem  Ueberschufs  von  reiner  kohlensaurer  Kalk- 
erde im  Ueberschufs,  bis  kein  Brausen  mehr  bemerkt  wurde, 
und  kochte,  weil  das  Fluorcalcium  sich  nur  durchs  Kochen 
auf  diese  Weise  gut  abscheidet.  Die  filtrirte  Lösung  wurde 
mit  essigsaurem  Kali  versetzt,  wodurch  kein  Niederschlag 
entstand,  der  sich  erst  beim  Abdampfen  zeigte.  Es  wurde 
dann  so  viel  Alkohol  hinzugefügt,  dafs  das  Volumen  der- 
selben dem  der  Flüssigkeit  gleich  war  und  nach  24  Stun- 
den filtrirt.  Der  mit  Alkohol  gewaschene  und  bei  100^  C. 
getrocknete  Niederschlag  wog  nur  1,542  Grm.  Diefs  ist 
aber  gerade  die  Hälfte  von  dem,  was  man  hätte  erhalten 
müssen,  denn  diese  Menge  entspricht  nur  0,423  Grm.  Bor- 
säure, während  im  angewandten  Borax  0,841  Grm.  Borsäure 
enthalten 'sind. 

Der  Versuch  wurde  oft,  auch  modificirt  wiederholt. 

1,117  Grm.  Borax  mit  Fluorwasserstoffsäure,  darauf  mit 
kohlensaurer  Kalkerde  und  endlich  mit  essigsaurem  Kali 
und  Alkohol,  wie  zuvor  behandelt,  gab  2,208  Grm.  BoriQuor- 
kalium,  die  0,614  Grm.  Borsäure  entsprechen.  Der  auge- 
wandte Borax  aber  enthält  0,772  Grm.  Borsäure. 

0,993  Grm.  Borax  in  Wasser  aufgelöst  wurden  zuerst 
mit  Salpetersäure,  dann  mit  Fluorwasserstoffsäure  und  end- 
lich mit  kohlensaurer  Kalkerde  behandelt,  worauf  zu  der 
filtrirten  Lösung  essigsaures  Kali  und  Alkohol  hinzugefügt 
wurden.  Es  wurden  2,733  Grm.  Borfluorkalium  erhalten, 
die  0,760  Grm.  Borsäure  entsprechen.  Da  diefs  weit  mehr 
ist,  als  man  hätte  erhalten  müssen,  indem  die  angewandte 


278 

QoaDtHit  Borax  nur  0,686  Gnn.  BorsSore  «thSlt,  so  wurde 
das  Borfluorkaliani  Ton  Neaem  mit  Weingeist,  welcher 
ans  3  Vol.  starkem  Alkohol  and  1  YoL  Wasser  bestand, 
lange  ond  anhaltend  aus^esö(st.  Die  abfillrirte  FlQssigkeit 
enthielt  keine  Salpetersäure,  aber  kleine  Mengen  von  Kalk- 
erde, und  als  das  Salz  davon  ausgewaschen  war,  wog  es 
nur  l.SOT  Grm..  welche  nur  0.502  Gnn.  BorsSure  entspre- 
chen. >Iit  Sciiwefelsäure  zersetzt,  zeigte  sich  im  Rückstände 
eine  bedeutende  Men^e  von  Kalkerde. 

1,100  Grm.   des   sogenannten  neutralen  Borax  im  was- 

serfreien  Zustande  NaB^  wurden  nach  Auflösung  im  Was- 
ser mit  FIuorwjLsserstoffsSure  versetzt,  und  dann  mit  koh- 
lensaurer Kalkerde  behandelt.  Durch  das  nachherige  Zu- 
setzen von  essiiisaurem  Kali  und  von  Alkohol  wurden  nur 
O.S<>6  Grui.  Borduorkalium  erhalten,  die  nur  0,241  Grin. 
Borsaure  entsprechen,  während  in  dem  angewandten  Salze 
0.51^  Grm.  davon  enthalten  sind.  Aber  auch  die  geringe 
Mon^e  des  erhaltenen  Boriluorkaliums  enthielt  viel  Kalkerde. 

Es  tolzX  aus  dieseu  Versuchen,  dafs  man  auf  keine 
\Vei<e  die  Borsäure  als  Borfluorkalium  bestimmen  kann, 
weuu  sie  au  Natron  oder  au  andere  Basen  gebunden  ist. 
Bei  der  Behandlung  uiit  Fluorwasserstoffsäure  bildet  sich 
djua  Bortluornatriuic.  das  durch  essigsaures  Kali  nicht  voll- 
stdudi^  ia  Borfluorkalium  und  durcb  kohlensaure 'Kalkerde 
beim  Kochen  etwas  zersetzt  wird,  wodurch  eine  gewisse 
Meu^e  von  Borduo rcaicium  entsteht,  das  dann  immer  io 
dem  erhaltenen  Borfluorkalium  enthalten  ist 

Selbst  Borsäure,  im  Wasser  aufgelüst,  kann  nicht  voll- 
ständig in  Borfluorkalium  umgewandelt  werden.  Hr.  We- 
ber erhielt  durch  1,-394  Grm.  Borsäure  nach  der  Behand- 
lung mit  Fluorwasserslofrsäure,  Scheidung  des  Ueberschus- 
$es  derselben  durchs  Kochen  mit  kohlensaurer  Kalkerde, 
und  Behandlung  der  fiUrirten  Flüssigkeit  mit  essigsaures 
Kali  und  Alkohol  4,9S1  Grm.  Borfluorkalium,  die  1,386 
Grm.  Borsäure  entsprechen,  was  zwar  sehr  nahe  der  an- 
gewandten Menge  gleichkommt,  aber  das  erhaltene  Bor- 
fluorkalium enthielt  sehr  viel  Borfluorcaldum.    Das  Fluor- 


279 

kaliom  wird  also  dütcbs  Kochen  mit  kohlensaurer  Kalk- 
erde theilweise  zersetzt,  obgleich  Berzelius  die  Unzer- 
setzbarkeit dieses  Salzes  durch  die  Hydrate  und  Carbonate 
der  Alkalien  uod  Erden  beim  Kochen  hervorgehoben  hat. 

Da  das  Fluorkalium  ein  zerfliefsiiches  Salz  ist,  so  wurde 
versucht,  es  durch  Alkohol  vom  Borfluorkalium  zu  tren- 
nen, was  aber  gänzlich  mifslang.  Hr.  Weber  behandelte 
0,881  Grm.  Borsäure  mit  essigsaurem  Kali,  darauf  mit  Fluor- 
wasserstoffsäure und  endlich  mit  Alkohol.  Es  wurden  aber 
3,851  Grm.  Borfluorkalium  erhalten,  während  der  ange- 
wandten Menge  von  Borsäure  nur  3,164  Grm.  entsprechen. 
Mit  dem  Borfluorkalium  war  also  auch  Fluorkalium  gefällt 
worden. 

Trennung  der  Borsäure  eon  Fluort)erbindungen.  —  In 
manchen  in  der  Natur  vorkommenden  Silicaten  kommt  Fluor 
neben  Bor  vor.  Ob  beide  darin  zu  einem  Borfluormetalle 
vereinigt  sind,  ist  nicht  genau  untersucht;  es  scheint  jedoch 
noch  ÜberschOssige  Borsäure  neben  einer  solchen  Verbin- 
dung vorhanden  zu  sejn. 

Die  quantitative  Bestimmung  des  Fluors  bei  Gegenwart 
von  Borsäure  ist  mit  solchen  Schwierigkeiten  verknüpft, 
dafs  sie  noch  nicht  tiberwunden  worden  sind.  Hr.  Weber 
löste  0,680  Grm.  Fluornatriuui  und  0,803  (wasserfreien)  Borax 
in  Wasser  auf,  und  versetzte  die  Auflösung  mit  Salpeter- 
säure. Es  wurde  darauf  kohlensaure  Kalkerde  hinzugefügt, 
das  Ganze  erhitzt  und  filtrirt.  Aus  dem  Ungelösten  wurde 
die  Menge  des  Fluorcalciums  nach  einer  früher  beschriebe- 
nen Methode  bestimmt  ^ ).  Es  wurden  aber  nur  0,363  Grm. 
Fluorcalcium  erhalten,  die  0,175  Grm.  Fluor  entsprechen, 
während  in  dem  angewandten  Fluornatrium  0,305  Grm. 
Fluor  enthalten  sind.  Es  halte  sich  also  Fluorbornatrium 
gebildet,  das  durch  die  Behandlung  mit  kohlensaurer  Kalk- 
erde nur  theilweise  zersetzt  worden  war. 

Trennung  der  Borsäure  von  der  Phosphorsäure.  —  v.  Ko- 
beli  hat  vorgeschlagen,  diese  Trennung  auf  die  Weise  zu 
bewirken,  dafs  man  zu  der  Auflösung  beider  eine  Eisen- 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  79,  S.  115. 


280 

chloridaQflöfiiiDg  hinzufügt,  und  das  Ganze  darauf  durch 
einen  Ueberschufs  von  kohlensaurer  Kalkerde  fällt  ^  );  eine 
Trennung,  wie  er  sie  auch  bei  der  des  Fluors  von  der 
Phosphorsäure  empfiehlt. 

Der  Zusatz  der  Eisenchloridauflösung  ist  hierbei  nicht 
nothwendig.  Ich  habe  schon  vor  einiger  Zeit  gezeigt,  dafs 
^ Phosphorsäure,  sowohl  im  freien  Zustand,  als  auch  an 
, Basen  gebunden,  durch  kohlensaure  Barjterde  vollständig 
in  der  Kälte  gefällt  werden  könne,  wenn  man  zu  der  Auf- 
lösung etwas  Salpetersäure  oder  Chlorwasserstoffsäure  hin- 
zufügt ^  ).  Wird  eine  Auflösung  von  Borax  durch  Chlor- 
wasserstoffsäure sauer  gemacht,  und  dann  mit  einem  Ueber- 
schusse  von  kohlensaurer  Barjterde  in  der  Kälte  behan- 
delt, so  ist  in  dem  Ungelösten  keine  Borsäure  enthalten; 
es  besteht  nur  aus  kohlensaurer  Barjterde. 

Durch  kohlensaure  Barjterde  kann  daher  die  Trennung 
der  Borsäure  von  der  Phosphorsäure  bewirkt  werden.  Die 
höchste  Genauigkeit  erreicht  man  aber  dadurch  nicht,  da 
phosphorsaure  Barjterde  in  einer  Boraxauflösung  nicht  ganz 
vollständig  unlöslich  ist.  Digerirt  man  in  der  Kälte  trockne 
phosphorsaure  Barjterde  mit  einer  concentrirten  Lösung 
von  Borax,  so  enthält  nach  einiger  Z^it  die  filtrirte  I^suug 
Spuren  sowohl  von  Barjterde  als  auch  von  Phosphorsäure^ 
welche  letztere  leicht  durch  moljbdänsaures  Ammoniak  darin 
zu  entdecken  ist. 

Hr.  Weber  behandelte  2,186  Grm.  '^ phosphorsaures 
Natron,  und  ungefähr  3  Grm.  Borax  in  Wasser  gelöst,  in 
der  Kälte  unter  öfterem  Umrühren  mit  einem  Uebermaafs 
von  kohlensaurer  Barjterde,  nachdem  vorher  Chlorwasser- 
stoffsäure zu  der  Auflösung  hinzugefügt  worden  war.  Nach 
24  Stunden  wurde  filtrirt  und  ausgesüfst;  aber  selbst  nach 
langem  Auswaschen  gab  das  Waschwasser  nach  dem  Ver- 
dampfen einen  Rückstand,  und  reagirte  vermittelst  des  mo- 
Ijbdänsauren  Ammoniaks  auf  Phosphorsäure.  —  Das  Un- 
gelöste wurde  in  Chlorwasserstoffsäure  gelöst,  die  Barjt- 

1)  Journ.  für  praku  Chem.  Bd.  36,  S.  305. 

2)  Pogg.  Ann.  Bd.  78,  S.  221. 


281 

erde  durch  Schwefelsäure  entfernt,  und  darauf  die  Phos« 
phorsäure  als  phospborsaure  Ammoniak -Magnesia   gefällt. 

Es  wurden  0,870  Grm.  geglühte  Mg""  P  erhalten,  die  0,551 
Grm.  Phosphorsäure  entsprechen. 

Da  das  '^  phosphorsaure  Natron  in  mehreren  Verhält- 
nissen sich  mit  Krystallwasser  verbindet  und  dabei  stark 
verwittert,  so  wurde  von  demselben  Salze,  das  zu  dein 
Versuche  augewandt  worden  war,  ein  Theil  vorsichtig  ge- 
glüht, um  seinen  Wassergehalt  zu  bestimmen.  Es  entspre- 
chen, da  das  angewandte  Salz  stark  verwittert  war,  nach 
dem  angestellten  Versuche  jene  2,186  Grm.  0,576  Grm. 
Phosphorsäure.  Es  wurden  also  nur  25,20  Proc.  Phos- 
phorsäure vom  krjstallisirten  Salze  statt  26,35  Proc.  er- 
halten. 

Wird  phosphorsaure  Ammoniak -Talkerde  mit  einer  con- 
centrirten  Boraxauflösung  längere  Zeit  in  der  Kälte  dige- 
rirt,  so  kann  in  der  filtrirten  Lösung  keine  Phosphorsäure 
wahrgenommen  werden.     Es  wurden  deshalb  2,647  Grm. 

des  phosphorsauren  Natrons  (welche  1,307  Na^F  oder 
0,697  Grm.  Phosphorsäure  entsprechen)  nach  der  Auflö- 
sung in  Wasser  mit  einer  bedeutenden  Menge  einer  Bo- 
raxauflösung versetzt,  und  aus  der  Auflösung  die  Phos- 
phorsäure als  phospborsaure  Ammoniak -Magnesia   gefällt. 

Man  erhielt  1,137  Grm.  geglühter  Mg'P  (mit  0,720  Grm. 
Phosphorsäure),  in  welcher  also  noch  eine  geringe  Menge 
von  Borsäure  enthalten  war.  Das  geglühte  Salz,  mit  Schwe- 
felsäure und  Alkohol  behandelt,  färbte  die  Flamme  des 
letztern  nicht  grün,  aber  in  Chlorwasserstoffsäure  gelöst^ 
wurde  Curmunpapier  durch  die  Lösung  nach  dem  Trock- 
nen sehr  schwach  gebräunt. 

Der  Ueberschufs  an  Phosphorsäure,  welchen  man  nach 
dieser  Methode  erhält,  ist  also  ebenso  grofs  wie  der  Ver- 
lust, der  durch  die  Methode  vermittelst  kohlensaurer  Ba- 
rylerdc  entsteht. 

Trennung  der  Borsäure  von  Basen  in  unlöslichen  Ver- 
bindungen, —  Sie  können   durchs  Schmelzen  mit  kohlen- 


282 

sauren  Alkalien  vollständig  zersetzt  werden,  so,  daft  wenn 
die  geschmolzene  Masse  mit  Wasser  behandelt  wird,  die 
ganze  Menge  der  Borsäure  sich  mit  dem  fiberschfissigea 
kohlensauren  Alkali  auflöst,  während  die  Base  nngelOst 
zurClckbleibt,  wenn  sie  nicht  in  einer  Auflösung  von  koh- 
lensaurem Alkali  mehr  oder  weniger  löslich  ist. 
'  Hr.  Weber  hat  auf  diese  Weise  borsaure  Baryterde 
und  borsaure  Magnesia  zersetzt. 

Die  borsaure  Barjterde  schmilzt  mit  der  vierfachen 
Menge  von  kohlensaurem  Natron  leicht  zu  einer  klaren 
Flüssigkeit.  Die  geschmolzene  Masse  hinterläfst,  mit  Was- 
ser behandelt,  kohlensaure  Barjterde  ungelöst,  deren  Ba- 
rjrterdegehalt  genau  dem  entsprach,  welcher  in  der  schwefel- 
sauren Barjterde  enthalten  war,  die  aus  derselben  borsau- 
ren Baryterde  nach  Auflösung  derselben  in  verdünnter 
Chlorwasserstoffsäure  durch  Fällung  mit  verdünnter  Schwe- 
felsäure erhalten  wurde. 

Als  borsaure  Magnesia  wurde  Boracit  von  Lfineborg 
angewandt,  aber  absichtlich  nicht  klare  und  durchsichtige 
Krystalle,  sondern  kleine,  undurchsichtige,  offenbar  schon 
in  einem  anfangenden  Zustande  der  Zersetzung  begriffene. 
1,002  Grm.  davon  wurden  mit  der  vierfachen  Menge  voo 
kohlensaurem  Kali  geschmolzen.  Die  geschmolzene  Masse 
bildete  nicht  während  des  Schmelzens  eine  vollkommön 
klare  durchsichtige  Flüssigkeit,  sondern  es  schwammen  nicht 
aufgelöste  Flocken  darin  herum.  Nach  der  Behandlung  der 
geschmolzenen  Masse  mit  heifsem  Wasser  blieben  0,310 
Grm.  Magnesia  ungelöst,  aus  welcher  nach  der  Auflösung 
in  Chlorwasserstoffsäure  noch  0,008  Grm.  ^Eisenoxyd  abge- 
schieden wurden.  Durch  Oxalsäure  konnte  keine  Spur  von 
Kalkerde  wahrgenommen  werden,  aber  die  durch  phosphor- 
saures Natron  abgeschiedene  phosphorsaure  Ammoniak-Mag- 

nesia  gab  nach  dem  Glühen  0,825  Grm.  Mg^  P,  welche  0,302 
Grm.  Magnesia,  also  gerade  so  viel  enthalten,  als  die  frfi- 
her  erhaltene  Magnesia,  nach  Abzug  des  Eisenozyds,  be- 
trägt. 

Da  die  reine  Magnesia  etwas  auflöslich  im  Wasser  ist, 


283 

80  enthält  die  wftfsrige  Auflösung  der  geschmolzenen  Masse 
etwas  davon.  Sie  wurde  deshalb  idurch  Chlorwasserstoff- 
säure  übersättigt,  dann  mit  Ammoniak  neutralisirt  und  mit 
phosphorsaurem  Natron  versetzt,  wodurch  noch  0,057  Grm, 

•  •  •  • 

gegifihte  Mg^F  erhalten  wurden.    Die  Analyse  ergab  also 

.Magnesia  32,23 

Eiseuoxyd  0,79 

Borsäure  (als  Verlust)    66,98 

100,00. 
Schon  Rammeisberg  hat  undurchsichtige  Krjstalle 
des  Boracits  untersucht  '),  und  in  ihnen  einen  etwas  grÖ- 
fseren  Talkerdegehalt  als  in  den  durchsichtigen  Krystallen 
gefunden.  Bei  den  von  Hrn.  Weber  analysirten  Krysfal- 
len  war  aber,  da  sie  noch  etwas  mehr  Magnesia  enthalten, 
als  die  von  Rammeisberg  untersuchten,  die  Zersetzung 
noch  weiter  vorgeschritten,  durch  welche  der  Gehalt  von 
Borsäure  sich  in  dem  Maafse  vermindert,  als  der  der  Mag- 
nesia sich  vermehrt. 

Die  Magnesia  im  Boracit  kann  auch  noch  von  der  Bor- 
säure nach  der  AufU>sung  in  Chlorwassersloffsäure  als  phos- 
phorsaure Ammoniak -Magnesia  abgeschieden  werden.  Hr. 
Weber  erhielt  aus    1,753  Grm.  der  undurchsichtigen  Bo- 

racitkrystalle  1,572  Grm.  Mg'P  und  0,008  Grm.  Eisenoxyd. 
Hiernach  waren  die  Krystalle  zusammengesetzt  aus: 

Magnesia  32,86 

Eisenoxyd  0,45 

Borsäure  (als  Verlust)    66,69 

100,00. 
Es  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  dieser  Boracit  beim  Glü- 
hen einen  Verlust  von  3,52  Proc.  zeigt,  die  wohl  aus  Was- 
ser bestanden.  Es  ist  möglich,  dafs  statt  der  ausgeschie- 
denen Borsäure  Wasser  in  die  Zusammensetzung  eingetre^ 
ten  ist. 

Aus  den  Verbindungen  der  Borsäure  mit  den  metalt»- 
sehen  Basen  kann  man  letztere  aus  der  Auflösung  in  Säu- 

1 )  Pogg.  Ann.  Bd.  49,  S.  449. 


284 

ren,  theils  darch  Schwefelwasserstoff,  thäls  durch  Schwe- 
felammonium  scheiden.  Ist  die  Borsäare  mit  alkalischen 
Erden  verbunden,  so  können  diese  entweder  durchs  Schmel- 
zen mit  kohlensauren  Alkalien,  oder  aus  der  Auflösung  In 
Säuren  durch  Schwefelsäure  ohne  oder  mit  Zusatz  von  Al- 
kohol getrennt  werden.  Die  Magnesia  wird  von  der  Bor- 
säure theils  durchs  Schmelzen  mit  kohlensaurem  Kali  ge- 
schieden, theils  aus  der  Auflösung  in  Säuren  als  phosphor- 
saure Ammoniak- Magnesia  gefällt.  Nur  die  Alkalien  kön- 
nen auf  keine  andere  Weise  von  der  Borsäure  geschieden 
werden,  als  dafs  man  letztere  entweder  als  Fluorbor  oder 
als  Borsäureäther  verjagt,  Methoden,  die  auch  bei  den 
Verbindungen  der  Borsäure  mit  andern  Basen  angewandt 
werden  können  ^). 


VII.     Untersuchung  nordamerikanischer  Mineralien 

(^Nemalit,  Orthit,  schwarzes  Kupferoxyd); 

von  C.  Rammeisberg. 


I.    Nemalit. 


V  or  einiger  Zeit  erhielt  ich  einige  Stöcke  dieses  Minerals 
aus  dem  Serpentin  von  Hoboken  in  New  Jersey.  Es  bil- 
det parallelfaserige  hellgrüne  Massen;  die  Fasern  sind  sei- 
denglänzend, elastisch,  lassen  sich  nicht  zu  Pulver  zerreiben. 
Nuttal  erklärte  diese  Substanz  für  ein  wasserhaltiges 
Talkerdecarbonat;  Thomson  aualysirte  als  Nemalit  ein 
Silikat,  und  Connel  hat  zuletzt  die  erste  Angabe  bestä* 
tigt.    Die  Analysen  der  beiden  Letzteren  hatten  gegeben: 

1 )  Nachdem  der  Druck  dieser  Abhaodluog  schon  aDgefangcn  hatte,  ersähe 
ich  aus  dem  pharraac.  Gcntralblalt  No.  24,  S.  390,  dafs  Hr.  Schweit- 
zer sich  ebenfalls  mit  der  quantitativen  Bestimmung  der  BorsSare  be- 
schäftigt hat. 


285^ 


Thomson. 

GoDoel. 

Kieselsäure 

12,568 

0,80 

Talkerde 

51,721 

57,86 

Eisenoxjd 

5,874 

Oxjdul            2,84 

Wasser 

29,666 

27,96 

99,829 

Kohlensäure  10,00 

Talkerde 

64,86 

25,49 

Eisenoxjdul 

4,05 

0,90 

Wasser 

29,48 

Kieselsäure 

0,27 

99,46 

Aber  die  mir  als  Nemalit  zugekommeue  Substanz,  ob- 
wohl sie  alle  Eigenschaften  zeigt,  welche  die  amerikanischen 
Mineralogen  demselben  zuschreiben,  ist  weder  ein  Garbo- 
nat  noch  ein  Silikat.  Beim  GlQhen  giebt  sie  Wasser  und 
wird  bräuulichgelb.  Sie  löst  sich  ohne  die  geringste  Spur 
von  Kohlensäure  in  Chlorwasserstoffsäure  auf,  (die  ge- 
glühte erhitzt  sich  mit  der  Säure)  und  besteht  aus: 

Sauerstoff. 

26,39 
26,20 

98,65. 

Sie  ist  folglich  Talkerdehydrat,  MgH,  d.  h.  mit  dem 
Brudt  identisch,  welcher  an  demselben  Orte  vorkommt, 
aber,  den  Beschreibungen  zufolge,  eine  ganz  andere  Be- 
schaffenheit hat,'  da  er  weifse,  blätterige  Massen  bildet. 
Ich  mufs  es  dahin  gestellt  sejn  lassen,  ob  die  von  mir  un- 
tersuchte Substanz  wirklich  der  ächte  Nemalit  Nuttals  ist. 

II.    O  r  t  h  i  t 

Hr.  Prof.  Dana  in  Newhaven,  Connecticut,  schickte 
mir  eine  Probe  eines  schwarzen  Minerals  von  EastBrad- 
ford,  ehester  Countj  in  Pennsjrlvanien,  von  dem  mau 
vermuthet  hatte,  dafs  es  Tscheffkiuit  oder  Gadolinit  sej. 
Ich  habe  es  als  Orthit  erkannt. 

Es  ist  derb,  fettglänzend,  von  flachmuschligem  Bruch, 
spröde,  hat  ein  spec.  Gewicht  =  3,535.  Vor  dem  Löth- 
rohr  schwillt  es  stark  auf,  sich  wurmförmig  krümmend  und 


286 

schmilzt  dana  zu  einer  schwarzbraooen  KugeL  Beim  Glü- 
hen zeigt  es  keine  Feuererscheinong,  wird  braon  and  ver- 
liert nur  1  Proc.  am  Gewicht. 

Von  Chlorwasserstotfsäure  wird  es  leicht  anter  Gallert- 
bildung zersetzt.  Die  Auflösung  enthält  bdde  Oxyde  des 
Eisens. 

Die  Analyse  gab: 


SaDcnloir. 

Kieselsäure 

31,86 

16,55 

Thouerde 

16,87 

7,88 

j    8^ 

Eiseuoxjd 

3,58 

1,07 

EiscDOxjdal 

12,26 

2,72 

] 

Ceroxjdul 

21,27 

3,15 

1 

Lantbanoxjd 

2,40 

0,35 

>    9,75 

Kalkerde 

10,15 

2,88 

l 

Talk  erde 

1,67 

0,65 

J 

GlGhverlost 

1,11 

101,17. 

Diefs  Resultat  stimmt  ganz  mit  dem  von  mir  früher  an 
anderen  Orthiten  erhaltenen  Qberein  '),  wonach  ÄUanit 
und  Orihit  identisch  und  von  der  Zusammensetzung  des  Gra- 
nats sind.  Eis  beweist  aber  zugleich,  dafs  der  'Wasserge- 
balt mancher  Orthite  unwesentlich,  and  erst  spSter  aafge- 
uommen  ist. 

Das  Vorkommen  des  Allanits  in  den  verrinigten  Staa- 
ten wird  von  Dana  *)  zu  Haddam  in  Connecticut,  Bol- 
ton  in  Massachusets,  South  Roy  aiston,  Athol  nod 
Monroe  in  New -York  angegeben. 

III.    Schwarzes  Knpferbzji. 

Auf  der  Sudseite  des  Oberen  Sees  (Xoie  Smperior)  im 
Staate  Michigan  hat  man  bekaontlich  in  neuester  Zeit  an- 
sehnliche Massen  von  gediegenem  Kupfer  (theilweise  too 
Silber  begleitet)  und  von  anderen  Kupfererzen  gefondeo. 
In  einem  Conglomeratgestein   in  der  Nihe  von  Capper- 

1)  S.  diese  Ann.  Bd.  76,  S.  96. 
2  )  Syst,  of  ja  in.  ii.  Edii,  p.  430. 


287 

Harbour  kommen  abgerundete  schwere  Massen  von  schwar- 
zem Knpferoxyd,  zum  Theil  von  bedeutender  Gröfse  vor. 

Es  ist  braunschwarz,  theils  krystallinisch  blättrig,  theils 
didit,  schwer  zersprengbar,  bat  ein  spec.  Gew.  =5,952, 
und  ist  nur  hie  und  da  von  ein  wenig  Kieselkupfer  be- 
gleitet. 

Gegen  Reagentien  verhält  es  sich  wie  reines  Kupfer- 
oxyd. 

Hr.  Joy  aus  Boston  analysirte  es  in  meinem  Labora- 
torium und  fand  in  einem  sehr  reinen  Stück  99,45  Proc. 
Kupferoxyd;  in  einer  anderen  Probe  1,19  Eisenoxyd,  0,23 
Kalkerde  und  3,38  Kieselsäure. 

Das  Kupferoxyd  hat  man  bisher  nur  als  einen  dünnen 
weichen  Ueberzug  auf  anderen  Kupfererzen  gefunden,  und 
Kupferschwärze  genannt.  Es  scheint  dieselbe  aber  niemals 
sehr  rein  zu  seyn.  Nach  Semmola  soll  Knpferoxyd  in 
dünnen  Blättchen  im  Krater  des  Vesuvs  vorkommen;  es 
ist  Tenorit  genannt  worden. 


VIII.     Vierte  Notiz  über  neue,  sonderbare  Anwen- 
dungen des  Verweilens  der  Eindrücke  auf  die 
Netzhaut;  von  Hrn.  J.  Plateau. 

(Mitgetlieilt  vom  Hrn.  Verf.  aus  dem  Bullet,  de  Vacad,  roy,  de  Beigique 

T,  XV !•  No.  10.  —  Die  drei  ersten  Notizen  finden  sich  in  diesen  Ann. 

Bd.  78,  S.  563,  Bd.  79,  S.  269  and  Bd.  80,  S.  150. 


liimmt  man  eine  zum  gewöhnlichen  Phänakistikop  gehö- 
rende l^cheibe  und  betrachtet,  statt  durch  die  Zone  der 
Oeffnungen  nach  dessen  Bilde  im  Spiegel  zu  schauen,  diese 
Scheibe  direct,  während  man  sie  rasch  rotiren  läfst,  so 
verwischen  sich  die  darauf  abgebildeten  Figuren,  und  statt 
dieselben  ihre  Bewegungen  ausführe^n  zu  sehen,  unterschei- 


288 

det  mau  nur  noch  eine  Reihe  kreisrunder  concentrischer 
Streifen  ^on  verschiedener  Farbe.  Diefs  ist  ein  DOthi>ven- 
diges  und  bekanntes  Resultat  des  Verweilens  der  Eindrücke. 
Indefs  giebt  es  einen  Fall,  in  welchem  diese  Verwirrung  nidit 
stattfindet,  oder,  mit  anderen  Worten,  es  giebt  eine  ge- 
wisse, freilich  sehr  einfache  Art  von  Bewegung,  bei  wel- 
cher die  rotireude  Scheibe,  ohne  irgend  ein  HülCsmittel 
beobachtet,  die  Erscheinung  hervorbringt. 

Auf  eine  weifse  Pappscheibc  von  25  Centim.  Durch- 
messer zeichne  man  eine  archimedische  Spirale ,  so,  dab 
deren  Mittelpunkt  mit  dem  der  Scheibe  .zusammenfällt  und 
die  Windungen  derselben  etwa  12  Millim.  auseinanderste- 
hen. Darauf  zeichne  man  eine  zweite  Spirale,  parallel  mit 
der  ersteren,  und  von  dieser  um  4  Millim.  entfernt.  Diese 
beiden  Linien  zusammen  bilden  sonach  auf  der  Scbeibe  ei- 
nen spiralförmig  gewundenen  Streifen  von  4  Millim.  Breite. 
Nun  beschreibe  man,  vom  Mittelpunkt  der  Scheibe  aus, 
drei  Kreise,  die  respective  Ij,  5  und  8^  Centim.  im  Durch- 
messer halten,  unterbreche  aber  die  beiden  letzteren  da, 
^vo  sie  den  spiralförmigen  Streifen  treffen,  so  dafs  sie  nur 
in  den  Zwischenräumen  der  Windungen  dieses  Streifens 
ausgezogen  sind.  Alsdann  schwärze  man  den  kleinen  cen- 
tralen Kreis,  streiche  den  Raum  zwischen  diesem  und  dem 
zweiten  blau  an,  den  Raum  zwischen  dem  zweiten  nnd 
dem  dritten  gelb,  und  das  Uebrige  roth,  lasse  aber  die 
Windungen  des  spiralförmigen  Streifens  weifs.  Die  Far- 
ben blau,  gelb  und  roth  müssen  intensiv  sejn.  Fig. 20 
Taf.  II.  stellt  die  so  vollendete  Scheibe  dar  (Im  Original 
ist  die  Figur  farbig  ausgeführt;  hier  sind  die  Farben  durch 
die  Buchstaben  r  (dunkles  Rosenroth)  g  (gelb)  und  h 
(intensives  Hellblau)  angedeutet). 

Läfst  man  nun  diese  Scheibe  rotiren,  in  dem  vom  Pfeile 
«ingegebenen  Sinne  und  mit  der  Geschwindigkeit,  die  man 
ihr  durch  einen  raschen  Impuls  mit  der  Hand  ertheilcn  kann, 
so  bewahren  der  schwarze  Kreis  und  die  farbigen  Zonen 
noch  dasselbe  Ansehen,  wie  es  offenbar  seyn  muCs;  allein 
der   spiralförmige  Streifen  erscheint  als  eine  Reihe  wetÜBer 

scharf 


289 

atbarf  gezeichneter  Ringe,  die,  einer  nach  dem  anderen,  am 
Rande  des  schwarzen  Kreises  entstehen,  allmälig  an  Gröfse 
zunehmen,  folgweise  dnrch  die  blaae,  gelbe  und  rothe 
Zone  wandern,  und  sich  am  Umfang  der  Scheibe  Terlieren* 
Läfst  man  die  Scheibe  in  entgegengesetzter  Richtung  roti- 
reu,  so  entspringen  die  Ringe  dagegen  am  äufseren  Um* 
fang,  und  ziehen  sich  zusammen,  um,  einer  nach  dem  an» 
deren,  im  schwarzen  Kreise  zu  verschwinden. 

Die  eben  beschriebene  Täuschung  erklärt  sich  zu  leicht, 
als  dafs  ich  deshalb  irgend  ins  Einzelne  zu  gehen  brauchte; 
sie  ist  überdiefs  von  gleicher  Art  und  von  gleicher  Her- 
kunft wie  die,  welche  sich  zeigt,  wenn  man  eine  Schraube 
mit  nicht  zu  grofser  Geschwindigkeit  um  ihre  Axe  dreht. 
Man  weifs,  dafs  dabei  die  Schraubengänge  noch  direct  ge- 
sehen werden,  und,  statt  sich  um  die  Axe  zu  drehen,  mit 
einer  im  Sinne  dieser  Axe  fortlaufenden  Bewegung  begabt 
zu  seyn  scheinen. 

■  Wenn  man  aber  unsere  Scheibe  zweckmäfsig  modificirt, 
g^eÜngt  es,  eine  sonderbare  Täuschung  anderer  Art  herror- 
znbiriogen.  Zu  dem  Ende  müssen  die  Spiralgänge  des  wei-* 
fsett  ^Streifens  weiter  auseinander  stehen  und  nur  etwa  2 
Mlllim^  breit  seyn,  sich  auch  auf  einem  Tollständig  schwarr 
^^eft  Grunde  befinden  (Fjg.  21  Taf.  IL).  Um  diese  Scheibe 
mit  gehöriger  Regelmäfsigkeit  und  Schnelligkeit  rotiren  zu 
lassen,  mufs  man  sie  auf  einer  Rolle  befestigen,  die  durch 
cSne  gröfsere  bewegt  werden  kann.  Man  kann  sie  z.  B. 
auf  einer  der  Kupferrollen  des  in  meiner  ersten  Note  be<r 
schriebenen  Instruments  (Ann.  Bd.  78,  S.  563)  befestigen, 
und  mufs  dann  dem  Handgriffe  eine  solche  Geschwindig- 
keit geben,  dafs  die  Scheibe  6  bis  7  Umläufe  in  der.  Se- 
kunde macht.  Da  die  Spiralgänge  des  weifsen  Streifens 
auf  dieser  Scheibe  viel  schiefer  gegen  die  Radien  liegen 
als  auf  der  vorhergehenden,  so  begreift  man,  dafs  die  Ringe 
nicht  mehr  scharf  gezeichnet  erscheinen  und  ihre  scheinbare 
Bewegung  nach  dem  Umfang  oder  Mittelpunkt  viel  rascher 
seyn  wird.  Wenn  man  nun  die  Scheibe,  während  man  sie  ' 
im  Sinne  des  Pfeiles  dreht,  mit  auf  das  Centrum  gerichteten 

PoggendorfiTs  Annal.  Bd.  LXXX.  I^ 


290 

Aagen  betrachtet,  hinlänglich  lange ,  aber  doch  nicht  bis 
Kum  ErmQden  der  Augen,  und  man  wendet  nun  diese  so- 
gleich  auf  einen  anderen  Gegenstand,  z.  B'.  auf  das  Ge* 
sieht  einer  Person,  so  sieht  man  eine  sonderbare  Erschein 
nung:  es  scheint  nämlich  der  Kopf  der  Person  eine  Zeit 
lang  kleiner  zu  werden.  Dreht  man  dagegen  die  Scheibe  im 
umgekehrten  Sinn,  so  ist  der  Effect  ein  umgekehrter;  der 
Kopf  scheint  sich  zu  Tergrörsern. 

Diese  Täuschung  zeigt  sich  bei  verschiedenen  Individuen 
in  sehr  ungleichem  Grade.  Von  acht  Personen,  mit  de^ 
nen  ich  einzeln  den  Versuch  austeilte,  sahen  zwei  gar  nichts; 
eine  dritte  dagegen,  für  welche  ich  das  Instrument  so  dre- 
hen liefs,  dafs  sich  die  Ringe  verkleinern  mufsten,  und  die^ 
nachdem  sie  die  drehende  Scheibe  betrachtet  halte,  die  Au- 
gen auf  mein  Gesicht  richtete,  rief  mit  Erstaunen  aas,  dafs 
sie  meinen  Kopf  sich  ungeheuer  vergröfsern  sehe.  Die  fdlif 
anderen  endlich  sahen  die  Erscheinung  zwar  voHkommeDi 
aber  mit  geringerer  Intensität.  Uebrigens  würde  Mch  das 
Phänomen  wahrscheinlich  auch  bei  den  beiden  ersten  Per- 
sonen entwickelt  haben,  wenn  ich  den  Versuch  weiter  fort^ 
gesetzt  hätte;  denn  begreiflich  ist  der  Anblick  einer  sölcken 
rotirenden  Scheibe  ermüdend  für  das  Auge,  man  tnufe  also 
bei  diesem  Versuch  mit  vieler  Schonung  zu  Werke  gebes,' 
und  wenn  man  ihn  mit  derselben  Person  wiederholen  will, 
darf  es  nur  in  langen  Zwischenräumen  geschehen»  ■  Ebed 
um  diese  Ermattung  des  Auges  zu  verringern,  habe  ich 
dein  weifsen  Streifen  nur  eine  Breite  von  2  Miliimeteni 
gegeben. 

Die  wunderliche  Täuschung,  welche  ich  eben  beschrie« 
ben,  ist  von  gleicher  Ordnung  mit  der,  welche  sich  dar- 
bietet, wenn  die  Augen  von  Gegenständen,  die  wahrhaft 
oder  scheinbar  in  rascher  Fortbewegung  begriffen  sind, 
einen  verlängerten  Eindruck  erhalten  haben.  So  z.  B.  schei- 
nen die  Gegenstände  am  Wege,  welche,  während  man  fährt, 
sich  neben  dem  Wagen  zu  bewegen  schienen,  im  Augen- 
geublick,  wo  man  anhält,  eine  entgegengesetzte  Bewegung 
anzunehmen.    Bei  der  Scheibe  ^  wenn  diese  im  Sinne  des 


291 

Pfeiles  rotirt,  hat  das  Auge  deo  unausgesetzt  erneuten  An;- 
schein  einer  Yergröfserung  der  weifsen  Ringe  gehabt,  ttnd 
es  gewahrt  darauf  den  entgegengesetzten  Anschein  d.  h. 
den  einer  Verkleinerung.  Umgekehrt,  wenn  die  Scheibe 
im  anderen  Sinne  rotirt,  und  das  Auge  deti  steten  An* 
schein  einer  Verkleinerung  der  weifsen  Ringe  gehabt  hat^ 
ist  es  der  Anschein  einer  Vergröfserung,  den  es  wahrnhnmt. 
Diese  Tendenz  des  Organs,  uns  die  Empfindung  einer  Be^ 
wegung  zu  ^eben,  die  der,  von  welcher  es  einen  längeren 
Eindruck  erhalten  hat,  entgegengesetzt  ist,  kann  als  eine- 
allgemeioe  Thatsache  betrachtet  werden,  und  sie  wird  ein 
neues  Argument  zu  Gunsten  des  Princips  der  Oscillationen 
der  Eindrücke,  eines  Princips,  welches  meiner  Theorie  det 
zubilligen  Farben,  die  ich  am  Schlufse  meiner  Abhandlung 
über  diese  Farben  zu  Terallgemeinem  suchte,  zum  <3rrundf 

liegt*). 

Dieses  Prindp,  das  mir  hier  zu  wiederholen   erlaubt 

sejn  mag,  ist  folgendes: 

.  SobaU^in  Organ  einer  längeren  Ertegungvntencorfen 

vArd^  seM  es  einen  Widerstand  enigegisny  der  mit  4er  Dauer 

dieser-  JErregung  wächst     Wird  es  darauf  plöttlich  der  ep^ 

regenden  .ütsache  entzogen ^  so  sucht   es  seinen  ntnihälen 

Zustand  wieder  zu  gewinnen  y  durch  einen  analogen  Gang 

wie  den  einer  Spring feder^  die,  abgelenkt  aus  ihrer  Oleiöh^ 

gewichtsform  und  darauf-  losgelassen,  durch  abnehmende  Os"^ 

dlldtionen/  vermöge  derer  sie  wechselsweise  nach'  der  einen 

und  der  andern  Seite  ausschlägt,  in  diese  Form  z^rückkehri^ 

Das  will  sagen:   Im  Moment,  wo  das  OrgÜn  aufhört,  uw- 

ter  dem  Einflufs  der  erregenden.  Ursache  -»w  stehen,  geht  es 

anfangs  rasch  m  seinem  normalen  Zustand  zurück;   aber 

vermöge  einer  Art  erlangter  Geschwindigkeit  überschreitet 

es  diesen  normalen  Zustand,  um  sich  momentan  in  einen 

entgegengesetzten  zu  versetzen;  darauf  kehrt  es  wieder  zum 

1 )  Esiai  d*une  thiorie  gin^rale  comprengnt  tensemhle  des  apparen* 
Cßs  visuelles  qui  succedent  ä  la  contemplaiion  des  ohjets  CQloris^ 
etc.  ( Mem,  de  l*acad*  de  Brux.  T,  FIIL  —  AuszugS'weiie  lü  iUitn 
Annalen  Bd.  32»  S.  543.) 

19* 


"  292 

normalen  Zustand  zurück  und  strebt  aufs  Neue  ihn  zu  über- 
schreiten^ indem  eSy  jedoch  mit  geringerer  Intensität^  den 
der  Erregung  entsprechenden  Zustand  wieder  annimmt  ^  um 
zum  zweiten  Male,  jedoch  noch  schwächer  wie  zuvor,  in  den 
entgegengesetzten  Zustand  zurückzugehen,  und  sofort,  bis 
endlich  der  normale  Zustand  definitiv  erreicht  ist. 

Aus  diesen  successiven  Zuständen  des  Organs  entspringt 
eine  Reihe  abwechselnd  entgegengesetzter  und  an  Stärke  ab- 
nehmender  Empßndungs- Phasen,  von  denen  die  einen  von 
gleicher  Natur  mit  der  ursprünglichen  Empfindung  sind  und 
positive  Phasen  genannt  werden  können,  während  die  ande- 
ren entgegengesetzter  Natur  sind  und  negative  Phasen  zu  JM- 
fsen  verdienen. 

Die  EmpfinduDgen,  welrhe  auf  eine  längere  und  dann 
plötzlich  abgebrochene  Erregung  folgen,  sind  bei  weitem 
nicht  immer  so  regelmäCsig  und  vollständig  in  ihrem  Gang; 
allein  ich  habe  in  Betreff  der-  zufälligen  Farben  Beispiele 
gegeben,  die  das  Princip  in  seiner  ganzen  Vollständigkeit 
bewahrheiten.  Unter  anderen  habe  ich  einen  Versuch  be- 
schrieben, durch  welchen  man  bis  fQnf  negative  Phasen, 
abwechselnd  mit  positven,  betrachten  kann.  Zuweilen 
unterscheidet  man  nur  eine  Reihe  negativer  Phasen  ^  sej 
es,  dafs  die  dazwischenfallenden  positiven  wirklich  nicht 
vorhanden  sind,  oder,  was  wahrscheinlicher  isC,  dafs  sie 
zu  wenig  Intensität  besitzen,  um  scharf  wahrgenommen 
werden  zu  können.  Dieser  Gang  ist  bei  den  zufälligen  Far* 
ben  häufig.  In  vielen  Fällen  endlich  gewahrt  man  nur  die 
erste  negative  Phase;  diefs  geschieht  z.  B.  bei  dem  Versuch 
mit  unserer  Spiral -Sdieibe. 

Am  Schlufs  der  oben  erwähnten  Abhandlung. habe  ich 
zu  zeigen  gesucht,  dafs  das  Princip  der  OsciUationcn  auch 
auf  andere  als  die  Gesichts -Empfindungen,  ja  sogar  auf  mo* 
rausche  JEmpfinduugcn  anwendbar  sey;  ich  bin  überzeugt, 
dafs  diefs  Princip  einst  dazu  dienen  wird,  mehrere  dunkle 
Punkte  der  Physiologie,  der  Mediciu  und  Philosophie  auf- 
zuklären. 


293 

IX,     Veber  ein   neues   Polarishop; 
i^on  Hrn.  H.  de  Senarmont. 

(Ann.  de  chim.  et  de  phys,  T.  XXFllL  p.  279). 


E 


line  kleine  Zahl  von  Polariskopen  hat  die  doppelte  Ei^ 
genschaft,  die  geringsten  Spuren  von  Polarisation  aufzn-' 
decken  und  den  Sinn  derselben  mit  einiger  Genauigkeit  zu 
bestimmen. 

Die  besten  Apparate  dieser  Art  sind  ohne  Widerrede 
die  doppelt  drehenden  Platten,  welche  man  Hrn.  Soleit 
verdankt;  und  man  kann  sie  sogar,  wie  ich  gezeigt  habe  ^), 
zum  Studium  der  Beschaffenheit  eines  elliptisch  polarisir-* 
ten  Liditbündels  mit  Nutzen  anwenden« 

Sie  verlieren  indefs  bei  dieser  Anwendung  einen  Theii 
ihrer  Vorzüge,  weil  ihre  Farbe  sich  nach  dem  Ellipticitäts- 
grade  der  Polarisation  verändert,  vom  Weifs,  welches  der 
Circularpolarisation  entspricht,  bis  zu  der  merklichen  Farbe, 
die  der  geradlinigen  Polarisation  entspricht. 

Ueberdiefs  versagen  diese  Platten  ihren  Dienst,  sobald 
es  sich  um  einfaches  Licht  handelt,  weil  die  Farbenunter* 
schiede  dann  zu  blofsen  Intensitätsunterschieden  werden, 
deren  Schätzung  schwierig  ist. 

Ich  habe  ein  von  diesem  letzteren  Mangel  freies  Pola- 
riskop  aufgesucht  und  glaube  es  durch  die  folgende  Vor- 
richtung gefunden  zu  haben. 

Aus  vier  gleichen  Quarzprismen,  deren  Hypothenusen 
aneinander  gelegt  werden,  setze  ich  eine  solche  parallel- 
flächige Platte  zusammen,  dafs  die  Ein-  und  Austrittsflä- 
chen lothrecht  auf  der  optischen  Axe  sind.  Siehe  Taf.  IL 
Fig.  19. 

Die  beiden  Prismen,  welche  die  untere  Hälfte  der  Platte 
bilden,  haben  ihre  brechenden  Kanten  auf  einei*  selben 
Seite  liegen,  aber  das  vordere  Prisma,  z.  B.  6,  ist  links- 
drehend (levogyre)  und  das  hintere  D  rechtsdrehend  (dex- 

1 )  Ann.  de  Mm.  et  de  phys.  T.  XX,  p.  397.  (Ann.  Ergbd.  IL  6.  513.) 


294 

irogyre').  Die  obere  Hälfte  der  Platte  ist  ebenso  zasam- 
mcngesetzt,  aber  das  vordere  Prisma  Ü  ist  rechtsdrehend, 
und  das  hintere  G*  linksdrehend. 

Stellt  man  diese  Platte  rechtwinklig  gegen  die  Bahn 
eines  parallelen  und  folglich  im  Sinne  der  Axe  gerichteteo, 
polarisirten  Lichtbündels,  so  sieht  man  sie  bedeckt  mit  ge- 
radlinigen Fransen,  die  den  brechenden  Kanten  der  Pris- 
men parallel  sind.  Fällt  der  Hauptschnitt  des  Zerlegers 
zusamoien  mit  der  Ebene  der  ursprünglichen  Polarisation, 
so  entspricht  die  centrale  schwarze  Franse  des  aufseror- 
deutlichen  Bildes  der  Mitte  der  Platte  oder  dem  Punkt, 
wo  die  Dijcke  der  verkehrt  liegenden  Prismen  gleich  ist 
Sie  ist  also  eine  gerade  Linie  in  beiden  Hälften,  der  vor« 
deren  und  der  hinteren,  der  halbirten  Platte. 

Dreht  man  hierauf  den  Hauptschnitt  des  Zerlegers,  so 
terschiebt  sich  die  centrale  Franse  parallel  mit  sich  selbst; 
sie  entfernt  sich  von  der  brechenden  Kanta  des  Quarz- 
prisma, dessen  Drehungsvermögen  gleichen  Sinn  hat.  Da 
nun  in  der  vorderen  und  hinteren  Hälfte  der  Platte  die 
Kanten  dieser  Prismen  bei  dem  einen  rechts,  bei  dem  an- 
dern links  liegen,  so  wird  die  Yorderhälfte  der  Fransen 
parallel  mit  sich  selbst  in  dem  einen  Sinn  vorrücken,  und 
die  Hinterhälfte  in  dem  andern.  Diese  Fransen  werden 
also  an  der  Mittelnaht  der  halbirten  Platte  gebrochen. 

Sehr  genau  erkennt  man  den  Moment,  wo  der  Haopt- 
sdinitt  des  Zerlegers  mit  der  Ebene  der  ursprünglichen  Po- 
larisation zusammenfällt,  weil  man  leicht  zu  beurtheilen 
vermag,  wann  die  beiden  Fransenstücke  in  gerader  Linie 
liegen  oder  parallel  verschoben  sind.  Es  ist  diefs  eine 
einfache  und  empfindliche  Schätzung,  die,  von  Farbe  und 
Licht  unabhängig,  sowohl  für  homogenes  als  für  weifses 
Licht  gültig  ist,  ja,  bis  auf  die  zunehmende  Blässe^  der 
Fransen,  sowohl  für  elliptische  als  geradlinige  Polarisation. 

Jemehr  die  Hjpolhenuse  gegen  die  optische  Axe  ge- 
neigt ist,  desto  mehr  werden  die  Fransen  auseinander  ge- 
rückt, verbreitert  und  verschlechtert;  |e  weniger  sie  es  ist, 
desto  dichter,  schmäler  und  schärfer  werden,  sie.    Hat  man 


295 

aber  den  Zcrleger  am.  90^  giedreht^  so  werden  die  Fran- 
sen nur  um  einen  halben  Zwischenraum  verschoben.  Es 
ist  also  klar,  dafs  man  mit  einer  starken. Keignng  der  Hj- 
pothenuse  eine  bedeutende  Versehiebung  erhält,  die  aber 
schlecht  begränzt  ist,  weil  die  Ränder  der  Fransen  zu  ver- 
waschen sind;  dagegen  bekommt  man  mit  einer  schwachen 
Neigung  eine  zwar  geringe,  aber  wohl  begrän^te  Yer- 
schiebung,  weil  die  Ränder  der  Fransen  scharf  sind. 

Es  scheint  also  hier  ein  Maximum  von  Empfindlichkeit 
zn  geben,  welches  man  zu  erreichen  suchen  mufs.  Ich  habe 
Prismen  versucht,  deren  Hypothenusen  Winkel  von  42,  22 
und  12  Grad  mit  der  optischen  Axe  machen.  Die  Empfind^ 
lichkeit  nahm  fortwährend  zu,  sobald  man  die  Fransen  mit 
einem  kleinen  Fernrohr  vergröfserte. 

Ich  habe  die  Empfindlichkeit  des  neuen  Polariskops  mit 
der  der  doppeltdrehenden  Platten  verglichen,  indem  Ich 
sie,  statt  dieser  Platten ,  an  einen  Soleil'schen  Saccharime- 
ter  anbrachte. 

Mit  dem  Winkel  von  12^  erhielt  ich  eine  Empfindlich- 
keit, die  wenigstens  der  der  Platten  gleich  war;  beim  Win- 
kel von  22^  war  sie  nur  die  Hälfte  von  dieser,  und  beim 
Winkel  von  42^  nur  ein  Viertel  derselben. 

Die  eben  beschriebenen  zusammengesetzten  iPlatten  mit 
halbirten  Fransen  können  mit  Yortheil  die  doppelldrehen^^ 
den  Platten  in  dem  Apparat  ersetzen,  den  ich  zum  Stu- 
dium der  Eigenschaften  desjenigen  Lichts  angewandt  habe, 
welches  von  den  mit  Metall -Opacität  begabten  Krjstallen 
reflectirt  wird  ^).  Allemal,  wo  bei  den  doppeltdreheuden 
platten  eine  Gleichförmigkeit  der  Farben  eintritt,  beobach- 
tet man  bei  dem  neuen  Polariskop  eine  Einstellung  der 
Fransen  in  gerade  Linien.  Dieses  Kennzeichen  macht  die 
Elrscheinungen  noch  hervortretender  und  die  Messungen 
werden  dadurch  weit  genauer. 

1 )  Ann.  de  chim,  et  de  pkys,  T.  XX,  p.  397.  (Ann.  Ergbd.  II.  8.  518). 


>.. 


296 


X*    Bemerkungen  über  die  Volume  und  die  Dich 

tigkeiten  flüssiger  und  gasiger  Körper; 

i?on  Hrn.  J.  A.  Groshans. 


L 


diesen  Annalen  Bd.  78,  S.  112  und  Bd.  79,  S.  290  habe 
ich  bemerkt: 

1 )  dafs  die  Dichtigkeiten  der  Dämpfe  aller  Körper  bei 
0",76  nnd  den  Siedpunkteo  mit  einander  vergleichbar  sind; 

2)  dafs  das  Verhältnifs  dieser  Dichtigkeiten  -bei  allen 
entsprechenden  Temperaturen  beständig  dasselbe  bleibt; 

3)  daCs  man  dadurch  diese  Temperaturen  berechnen 
kann; 

4)  dafs,  wenn  man  ein  Drittel  der  Dichtigkeit  des  Was- 
serdampfs bei  0?',76  und  100^  C.  zur  Einheit  annimmt,  die 
Dichtigkeiten  der  Dämpfe  aller  übrigen  Körper  im  Allge- 
meinen durch  ganze  Zahlen  ausdrückbar  sind; 

5)  dafs  diese  Zahlen  bei  einigen  Körpern  von  der  Zu- 
sammensetzung pC-hfiTi+rO  übereinstimmen  mit  der 
Anzahl  p,  g,  r  der  in  denselben  enthaltenen  Atomen; 

6)  dafs  im  Allgemeinen  eine  Beziehung  vorhanden  ist 
zwischen  den  Zahlen,  welche  die  Dichtigkeit  ausdrücken 
und  der  Anzahl  von  Atomen  oder  Volumen,  aus  denen  die 
Körper  zusammengesetzt  sind. 

Der  gegenwärtige  Aufsatz  enthält  die  Resultate  der  von 
mir  gemachten  Vergleiche  der  Dichtigkeiten  der  Dämpfe  mit 
den  Dichtigkeiten  der  sie  hervorbringenden  Flüssigkeiten, 
beide  genommen  bei  den  Siedpunkten  und  der  Spannung 
von  0*  76. 

Sind  die  Atomgewichte  zweier  Körper  P  und  p  respec- 
tive  A  und  a,  die  Siedpunkte  derselben  in  Centigraden 
£  und  e,  die  Dichtigkeiten  der  Dämpfe  bei  0^,76  und  d«i 
Punkten  JS  und  e,  unter  Annahme  der  erwähnten  Einheit, 
V  und  r,  so  hat  man  die  Gleichung: 


297 

Der  Körper  P  wird  das  grötsere  Atomgewicht  haben. 
Die  Atomgewichte  werden  aaf  ITs  =  1  bezogen. 

Wenn  die  Dichtigkeiten  gleich  sind,  stehen  die  Atom- 
gewichte im  Yerhältnifs  der  Volume,  denn 

Wenn  die  Siedpunkte  und  folglich  die  Volume  gleich 
sind,  verhalten  sich  die  Atomgewichte  wie  die  Volume; 
es  wird  seyn 

"  —  =  —  und  immer  ist  v; —  =5  —  X  -^  • 

Nimmt  man  für  das  Quecksilber  E  =  384^,72  und 
c  =  0,00366,  so  wird  F=20.  Für  das  Wasser  hat  man 
6  =  100^  C.  und  i?  =  3.  Für  beide  Körper  existirt  also 
die.  Relation: 

100 100.3     20    ,      100 5  V?? 

9    —  9.20  ^  3  ^  9    —  3^9* 

Die  Volume  der  Dämpfe  beider  verhalten  sich  genau 
wie  5:3. 

Angenommen,  als  flüssige  Volume,  für  das  Quecksilber 
98,0  (Regnault)  und  für  das  Wasser  117,3  (Kopp) 
verhalten  sich  diese  Volume  zu  einander  wie  5 : 5,98  d.  h. 
wie  5:6. 

Aber  4'4==2*1-  ^^^^  kann  also  annehmen,  dafs, 
beim  Uebergang  aus  dem  gasigen  Zustand  in  den  flüssigen, 
das  Quecksilber  sich  genau  im  doppelten  Verhältnifs  zu- 
sammenziehe wie  das  Wasser. 

"  Der  Genauigkeitsgrad  dieser  Zahlen  läfst  sogleich  ver- 
muthen,  dafs  alle  übrigen  Körper,  oder  wenigstens  die 
meisten,  dasselbe  Phänomen  darbieten,  und  dafs  im  Allge- 
men  die  Zusammenziehuugen  der  Körper  unter  sich  ver- 
gleichbar sind. 

So  ist  es  auch  in  der  That;  nur  erfordert  der  Beweis 
eine  Auswahl  der  Kiirper,  deren  Zusammenziehungen  man 
vergleichen  will.  Man  erreichte  es  nicht  so  leicht,  wenn  man 
die  Zusammenziehungen  aller  Körper  blofs  mit  der  eines 
einzigen  von  ihnen,  z.  B.  mit  der  de^  Wassers,  vergleichen 


298 


wollte.     Das  Wasser  ist  vielleicht  der  Körper,  der  sich 
zu  diesem  Vergleiche  am  wenigstens  eignet 

Ich  bin  dahin  geführt,  einige  Körper,  die  eine  Eigen- 
genschaft in  gleichem  Grade  darbieten,  in  zwei  Klassen 
zu  bringen. 

1.  Es  giebt  Körper,  deren  Siedpunkte  gleich  oder  fast 
gleich  sind.     Ich  nenne  sie  isopeptische  Körper. 

2.  Es  giebt  Körper,  die  in  Dampfform  bei  0",76  tmd 
ihren  Siedpunkten  gleiche  Dichtigkeit  haben.  Ich  nenpe  sie 
isobarische  Körper. 

Die  i£fopeptischen  Körper  zeigen,  im  flüssigen  Zustande, 
im  Allgemeinen  (vielleicht  mit  einigen  Ausnahmen)  folgende 
Erscheinungen: 

1.  Bei  allen  gleichen  Temperaturen  stehen  die  Dichtig- 
keiten in  einem  einfachen  Verhältnifs:  -=>,  ~,  «^  n.  s.  w. 

2.  Das  VerhSltnifs  der  Flüssigkeits-Dichten  steht  in 
einfachem  Verhältnifs  zum  Verhältnifs  der  Dampfdichten. 


• 

E 

beobacbt. 

B  e  i  8  p 
E 

berecbn. 

li  e  I  e' 
F. 

). 

Dichtigkeit 
bei  0'  G.            bei  £. 

Brom 
llolzgeist 

63"  P. 
58  A. 
66  P. 
60  K. 

58,5 

58,5 

30 
6 

3,1872  P. 
.0,8193  M. 

2,9795  P. 

• 

0,7619  H 

CblorsiUcium 

59  P. 

58,0 

48 

1,5237  P. 

1,394 

Bromalher 
Aether 

40,6  P. 
35,5 

35,0 
33,65 

44 
15 

1,4733  P. 
0,7361  M. 

1,3970 
0,6969  Kp. 

Glilorphosphor 
Alkohol 

78,3  P. 

78,5 

78,2 

49 

1,6162  P. 
0,8123  M. 

1,466  P. 
0,7393  Kp. 

Brom  -  Aelayl 
Cblorarsen 

132,6  P. 
133,8 

2,1629  *)P. 
2,2050  P. 

1,923 
1,914 

Hieraus  folgt: 

1.  Dafs  die  Zusammenziehungen  der  Körper,  bei  ihrem 
Uebergange  aus  dem  dampfförmigen  Zustand  in  den  flüssi- 
gen, im  Allgemeinen  ein  einfaches  Verhältnifs  zeigen. 

1)  Bei  den  bcobaclitcten   Daten  bezeichnet:   P.   Pierre,   A.  Andrewi, 
K.  Kane,  Kp.  Kopp  und  M.  MiUcl  zwischen  Pierre  a.  Kopp. 

2)  Bei  20',8. 


299 

2.  Dafs  die  ZuiBammenziehangen  zweier  isöpepüsibhcr 
Körper  im  flüssigen  Zustand  gleich  sitid^).  > 

Bei  den  isopeptisclien  Körpern  sind  alle  gleichen  TeuN 
perataren  nothwendig  entsprechende.  Bei  vielen,  vielleicht 
bei  den  meisten,  flössigen  Körpern  sind  die  Contractio^ 
nen  gleich  für  ein  gleiches  Intervall  zwischen  E  und  der 
Temperatur,  bei  welcher  die  Spannung  (760— p)  Milli« 
meter  ist.  Diese  Zusammenziehungen  sind  fast  die  doppel- 
ten von  der  des  Wassers.  Diefs  erklärt  das  so  kleine  Vo- 
lum dieses  Körpers,  unter  welch  einem  Gesichtspunkt  man 
es  auch  mit  dem  anderer  Körper  verglichen  habe. 

Da  V  im  Allgemeinen  eine  ganze  Zahl  ist  und  kaum 
30  oder  40  übersteigt,  so  giebt  es  unter  der  unendlichen 
Anzahl  von  Körpern  nothwendig  viele  isobare. 

Dergleichen  sind  z.  B. 

Qaecksüber     .     .     •     •     •    •     •  j  jeren  r=.20 
Schwefelalher  .     .     C4H,o03S 

Kohlensäure CO^ 

Ameisens.  Aethjloxjd  OgHgOa  [  deren  F=14 

Essigsaur.  Methjl     .     CaH^Oa   > 

Stickstoffoxyd      ....NO) 

Schwefelkohlenstoff      •     .   CS,   (    ,  .,       .- 

.     ,  ^  T»     AI  deren  K=15. 

Aelher C^HiqO  l 

Schweflige  Säure      .     .     .     SOj 
Die  Volume   der  drei  letzten  Körper  zeigen   ein  son* 
derbares  Phänomen: 

Das  Volum  von  S^C  bei  42°  (E  berechnet) 

ist  (nach  Pierre)  .' =    386 

Das  Voliftn  von  SO^  bei  —8«  (Pierre)    .    =    277 
Das  Volum   von   C4H,üO  ist  (nach  Kopp) 

genau  die  Summe  dieser  beiden  VoIun|e     ,    =    663 
Bei  dem  ameiseusauren  Aethjloxjd,  CaH^  O,, 

wo  F=14  und  JS==  55^,5  (berechnet)  ist 

das  Volumen  (nach  Kopp)     .     .     .     .'.    ==  1059 
Beim  Jodälher,  C^H,  qJ,  wo  F:;=56,  u.  das  be- 

rechnete  £=73Sa  Ut  das  Volum  (Pierre)  .  =  1075 

1 )  Vielleicht  wSre  es  zwecfanSfsig  4m  beiden  Arten  von  ZasamrocnMcliun- 
gen  durch  verschiedene  Worte  zu  unterscheiden. 


300 

Diese  beiden  Yolame  können  als  gleich  angesehen  wer- 
den. Ich  kenne,  nicht  die  Dichtigkeit  der  Dämpfe  bei  0^,76 
und  E^);  wenn  aber  die  beiden  Körper  nicht  isobar 
sind,  ist  es  wenigstens  unmöglich,  daCs  V:v  ein  einfaches 
Verhältnifs  sej. 

Angenommen  fQr  C4H,oS03,  £=156  und  K  =  20, 
fQr  Aether,  C^H^qO,  «  =  33^,65  und  t?=:15,  dann  ist: 

Z  — ?2_± 

V  15  ~  3*      ' 

Die  Dichten  der  Flüssigkeiten  bei  E  und  e  sind  0,9274 
(Pierre)  und  0,6969  (Kopp) 

0,9274  _  _4_  j£ 

0,6969        3,005         3 ' 

Nehmen  wir  an  für  Jodälher  (C^H^oJ)  £  =  73^6 
und  F=:56,  sowie  für  Chloräther  6  =  13,6  und  0  =  2^ 
so  haben  wir 

T  —  28  —  ^- 

■ 

Die  Dichtigkeiten  der  Flüssigkeiten  bei  E  und  e  sind, 
nach  Pierre,  1,815  und  0,9058;  aber 


l^öbS  —  ^'**°^- 


Angenommen  für  Zinnchloryd  (SnCI,)  £=111^,9  und 

r=42,    sowie   für  Aether   (C^H.oO)   e  =  33^65   und 

0  =  15,  ist 

F_42 

V  ~15* 

• 

1)  Ick  habe  nicht  immer  Gelegenheit  gehabt,  die  Yertache,  welche  die 
Dichte  der  Dampfe  bei  0™,76  und  0^  G.  gegeben,  au&osachai.  So  kann 
ich  Korper  als  isobar  aufgeführt  haben,  die  es  nicht  sind,  und  andere 
ab  nicht  isobar,  die  es  wirklich  sind.  Meine  Absicht  war  nur  so  Bei- 
gen, dafs  im  Allgemeinen  die  Zusammenxiehungen  flSssiger  und  gasiger 
Korper  in  einfachem  Yerhältnils  stehen.  Wenn  dieser  Sals  festgestellt 
ist,  wird  es  leicht  sejn,  die  wahren  Verhältnisse  zu  bestimmen.  Denkt 
man  sich  die  Dichtigkeiten  bei  0^  und  E  als  proportional  den  Atomge- 
wichten oder  deren  Multiplis,  so  bleiben  die  Verhältnisse  immer  einfach, 
obgleich  in  einigen  Fällen  das  wahre  VerhaltniCi  die  Einheit  aeyn  kann. 


301 

Die  Dichtigkeiten  der  Flfis^igkeiten  bei  E  und  e  Isind 

1,965  (Pierre)  und  0,6969  (Kopp),  aber 

1,965. jl2^ 

0,6969        14,89* 

Es  scheint  demnach  als  sej  in  diesen  drei  Beispielen 
das  Verhältnifs  strenge  der  Einheit  gleich. 

Beim  Bromholzäther,  C,  Hg  Br,  zeigt  die  Rechnung,  dafs 
.F=r38  sejn  mufs.  Denn  beim  Brom  ist  F  =  30;  es  wäre 
also  £  =  37^4.  Pierre  hat  etwa  la«'  C.  gefunden.  Den- 
noch bleibt  kein  Zweifel,  dafs  37^4  wirklich  die  der  Span- 
nung 0",76  entsprechende  Temperatur  sey. 

Ferner  wollen  wir  für  das  Bromsilicium  annehmen  e  =: 
153^  und  17  =  76.    Dann  haben  wir 

Z— .?§  — J- 

V         76         2  • 

Die  Dichtigkeiten  der  Flüssigkeiten  bei  E  und  e  sind^ 

nach  Pierre,  1,6218  und  2,4334^  aber 

1,6218  _     2 

2,4334        3^0009' 

Ich  schliefse  hiemit  diese  Betrachtungen ;  sie  scheinen 
mir  hinllinglich,  um  den  Satz  von  den  Zusammenziehungeki 
in  einfachem  Verhältnisse  festzustellen.  ' 

t 

'Bei  den  obigen  isopeptischeh  Körpern  findet  sich  das 
Chlörsilicium  als  isopeptisch  neben  Brom  und  Hölzgeist 
gesetzt.  Es  kann  zweifelhaft  seyn,  ob  dem  strenge  so  ser, 
weil  das  Verhältnifs  der  Dichtigkeitäa  nicht  so  einfach  ist 
als  es  seyn  müfste.  Es  scheint  nämlich,  dafs  bei  mehren 
Körpern  der  direct  beobachtete  Siedpunkt  nicht  zusam- 
menfalle mit  der  der  Spannung  0'",76  entsprechenden  Tem- 
peratur. 

Der  Siedpunkt  des  Holzgeistes  z.  B.  scheint  nach  meh- 
ren Beobachtungen  66^  C.  zu  seyn.  Für  F=6  und  £=58,3 
ist  indefs,  nach  Berzelius,  seine  Spannung  bei  14^=83 
Millimeter,  und  diefs  entspricht  der  des  Wassers  bei  48^,8. 
Dadurch  hat  man 

E  =  -  273,22  +  ^'^'f^^^^J"^*  =  590  fi 
während  Kaue  gefunden  £  =  60. 


302 

Dieselbe  BemerLong  lä&t  sich  beim  SditrefelkohleiistoII 
machen.  Seiu  Sicdpankt  scheint  46  bis  48°  za  seyn,  in- 
defs  giebr  Mitscherlich  42^  Für  F=15  ist  £=41,9, 
und  nach  The  na  rd  sind  die  Temperataren  22*^,5  fGrS^C 
und  TT^'jSö  fär  Wasser  entsprechende;  diefs  giebl£=41®,4. 

Ich  weifs  nicht,  bis  wie  weit  sich  die  Abweichungen 
erstrecken  können;  aber  es  steht  zu  glauben,  dafs  sie  so 
bedeutend  sind,  um  zuweilen  die  Bestimmung  Ton  V  uo- 
möglich  zu  machen.  Es  ist  also  in  mehren  Fällen  schwie- 
rig zu  unterscheiden,  ob  Körper  isopept  oder  isobar  seyen 
oder  nicht,  Tor  allem  weil  die  Dichtigkeiten  der  Flüssige» 
keiteu  bei  E  mit  diesen  Abweichungen  behaftet  sind. 

Ich  komme  auf  eine  Torhin  erwähnte  Folgerung  zorfick. 
Bei  mehren,  aus  Kohlenstoff,  Wasserstroff  und  Sauerstoff 
zusammengesetzten  Körpern  ist  V  gleich  der  in  ihnen  enl- 
haltenen  Anzahl  von  Atomen  (oder  Volumen)  C,  H^  undO. 
Ich  habe  deren  bis  jetzt  10  bis  12  aufgezählt.    In  vier  Com- 
binationen  hat  der  Stickstoff  das  Gewicht  14.     Das  Brom 
hat  für  sich  und  in   zwei  Combinatiouen   das  Gewicht  30. 
Das  Gewicht  des  Quecksilbers  ist  20.   Ohne  Zweifei  wäre 
CS    voreilig,    ans    diesen   Thatsachen    auf   die   Zosammen- 
setzbarkeit    der  Elemente  zu  schliefsen.     Indefs    scheioen 
sie  mir  die  durch  das  Duiong-  Petit'sche  Gesetz  fiber 
die  specifische  Wärme  erregte  Idee  vom  Charakter  der  FJn- 
hest  abzuändern  streben. 
Bottcrdam,  den  30.  Nov.  1819. 


d03 


XL    lieber  die  Eoctreme  der  Kälte,  welche  im  Jahre 

1850  auf  den  preufsischen  Stationen  beobachtet 

wurden;  pon  H.  fV.  DoQe. 

(Aus  cL  Monatsberichten  d.  Akad.  April  1830). 


jißie  Witferuugserscheinungeu  des  vergangenen  Winters 
zeigen  so  bedeutende  Abweichungen  besonders  in  den  ba- 
rometrischen Schwankungen  von  den  mittleren  Wertheu, 
dafis  eine  Untersuchung,  wo  diese  Störungen  begonnen  und 
wie  sie  sich  fortgepflanzt  haben,  interessante  Ergebnisse 
verspricht.  Solche  Untersuchungen  können  aber  erst  nm- 
fassend  angestellt  werden,  wenn  aus  sehr  verschiedenen 
Gegenden  die  Beobachtungen  veröffentlicht  werden.  Die 
hier  der  Akademie  vorgelegte  Notiz  bezieht  sich  zunächst 
nur  auf  die  Extreme  der  Kälte,  wie  sie  vom  20  —  22.  Ja- 
nuar auf  den  preufsischen  Beobachtungsstationen,  welche 
unter  der  Leitung  des  statistischen  Bureaus  stehen,  an  ver- 
glichenen nach  Reaumur  gelheilten  Instrumenten  erhalten 
wurden. 

Die  Kfilte  trat  überall  nach  mehrere  Wochen  anhalten- 
den tiberwiegend  östlicheb  Winden  ein,  welche  anfangs 
mehr  aus  NO,  später  mehr  aus  SO-  wehten.  In  der  Nacht, 
in  welcher  die  höchte  Kälte  beobachtet  wqrde,  21  —  22, 
erreichte  das  Baroä^ieter  eine  ungewöhnliche  Höhe.  Das 
Maximum  der  Kälte  fiel  nach  Posen;  Bromberg  und  Posen 
gaben  fibereinstimmend  eine  29  Grad  fibersteigende  Kälte. 
Nach  der  Kfiste  der  Ostsee  hin  ist  diese  Kälte  weniger  in- 
tensiv, und  nimmt  bedeutend  nach  dem  Rhein  hin  ab.  An 
der  Stelle  der  gröfsten  Kälte  häuft  sich  die  Luft  am  stärk- 
sten an  (in  Königsberg  wurde  das  absolute  Maximum  beob- 
achtet, an  den  anderen  Stationen  zu  den  gewöhnlichen 
Stunden  6,  2,  10).  Um  die  Vertheilung  der  Temperatur 
ttnd  des  Druckes  anschaulich  zu  machen,  sind  in  der  fol- 
genden Tafel  die  numerischen  Data  zusammengestellt.  Die 
erste  Columne  enthält  die  absoluten  Kältegrade,  an  einem 


304 

Rcgisterthermoineter  erhallen,  wo  X  steht;  neben  dem  bft- 
romelrischen  Maximum  und  dem  Tage,  an  welchen  es  beob- 
achtet ward,  steht  das  Monatsmittel.  Die  letzte  Colomne 
enthsU  den  Ueberschub  des  Maximum  Ober  dieses  Mittel. 


Die  so  faSnfig  gemachte  Bemerkung,  dah  bei  hoben 
Kältegraden,  welche  in  der  Ebene  beobachtet  werden,  die 
Temperatur  nach  der  Höhe  zunimmt,  bestätigt  sich  hier 
sehr  schön  durch  die  Brockenbeobachtungen.  Am  22.  war 
die  Kälte  daselbst  nur  —9,0,  —10,5,  am  21.;  das  abso- 
lute Minimum  des  Monats  —  15,3  f&IU  daher  *uf  «nen 

ganz 


305 

ganz  anderen  Tag,  den  27.  Januar.  Aefanliche  VerhSltnisse. 
zeigten  sich  im  Riesengebirge,  denn  in  einem  an  den  Ver- 
fasser gerichteten  Briefe  schreibt  Graf  Pilati:  „In  Schle* 
gel,  bei  Glatz,  1181'  Über  dem  Meere,  stieg  die  Kälte  am 
22.  bei  Sonnenaufgang  auf  —  27,  in  Pischkewitz,  nicht  im 
hochgelegenen  Schlosse,  sondern  in  der  Beamtenwohnung 
am  Wasser,  soll  sie  —  30  gezeigt  haben.  Dagegen  haben 
'Wünscbelburger  den  bei  ihnen  sehr  angenehmen  Winter^ 
morgen  ohne  besondere  winterliche  Vorsichtsmafsregeln  zu 
einer  Fahrt  nach  Glatz  benutzt  und  haben  die  Kälte  in 
Glatz  nicht  begreifen  können.  Am  7.  April  fand  ich  in 
diesem  Städtchen  unmittelbar  am  Fufs  des  Heuscheuer  schon 
mehrere  Blumen,  während  bei  uns  noch  keine  Spur  davon 
zu  sehen  ist'^ 


XII.     Veher  die  Hagelbildung; 
von  Dr.  Julius  LiJwe. 


v/bschon  die  Meteorologie  in  neuster  Zeit  so  grofse  Schritte 
gethan  und  Manches,  was  uns  dunkel,  in  ihren  erweiterten 
Lichtkreis  gezogen  hat,  wodurch  uns  das  Entfernte  näher 
gerückt,  ist,  so  müssen  wir  doch  eingestehen,  dafs  die 
Hagelbildung  immer  noch  etwas  Räthselhaftes  an  sich  trägt. 
Die  Theorie  von  Volta,  welche,  fast  über  alle  andere 
Ansichten  herrschend,  sich  lange  ausschliefslich  zu  behaup- 
ten wufste,  sucht  man  jetzt  in  vielen  wissenschaftlichen 
Kreisen,  und  wohl  nicht  mit  Unrecht,  doch  nach  und  nach 
zu  verlassen.  Sie  erklärt  den  Hergang  dieses  Phänomens, 
ohne  durch  ihre  Erklärungsweise  andere  neue  Fragen  und 
Zweifel  verschwinden  zu  lassen.  Eine  geistreiche  Färbung 
können  wir  ihr  deshalb  sicher  nicht  absprechen  und  ihre 
Autorität  kräftigt  diese  Ansicht.  So  grofsartige  Spiele  der 
Natur  lassen  sich  allein  aus  unseren  physikalischen  Kabi« 

PoggendorflP»  Annal.  Bd.  LXXX.  20 


306 

neten  nicht  beantworten,  sie  verlangen  eine  lauge  Reihe 
sorgfältiger  Beobachtungen,  durch  welche  wir  endlich  aa{ 
den  Weg  folgerechter  Schlüsse  geführt  werden  müsseo. 
Ich  bin  weit  davon  entfernt  dieses  Problem  hier  lösen  zu 
wollen;  meine  Zeilen  haben  nur  den  Zweck,  den  Meteo- 
rologen eine  Thatsache  zu  berichtigen,  bei  welcher  ich  selbst 
Zuschauer  war  und  die  bei  Vergleichungen  und  Zusam- 
menstellungen ähnlicher  Art  denselben  kein  unwillkomme- 
ner Beitrag  scjn  möchte.  Ich  beschreibe  daher  ein  Ha- 
gelwetter, wie  ich  es  im  Jahre  1845  den  2.  August  in  Cron- 
berg  am  Taunus  erlebt  habe  und  werde  mir  am  Schlüsse 
erlauben  eine  Ansicht  über  dessen  Bildung  auszusprechen, 
von  welcher  ich  mich  seit  dem  Tage  des  Ereignisses  bis 
heute  nicht  lossagen  konnte.  Meine  Angaben  über  das 
Wetter  selbst  habe  ich  durch  die  Freundlichkeit  des  Hrn. 
J.  Becker,  Lehrer,  welcher  mir  die  seinigen  zur  Verfü- 
gung stellte,  vervollständigen  können.  Um  einige  örtliche 
Bemerkungen  nicht  zu  übergehen,  schicke  ich  voraus,  dafs 
Cronberg  am  Fufse  des  Taunus  liegt.  In  Westen  von  dem 
sogenannten  1268,10  Fufs  hohen  Hartberg,  in  Norden  von 
dem  2468,60  Fufs  hohen  Altkönig  eingeschlossen  ( JahrhG- 
cher  des  Vereins  für  Naturkunde  im  Herzogth.  Nassau). 
Seine  nördliche  Breite  beträgt  öO"»  T  48"  und  seine  Mee- 
reshöhe etwas  mehr  als  700  Fufs  mit  einem  mittleren  Ba- 
rometerstand von  327,28  par.  L.  und  einem  mittleren  Ther- 
mometerstand von  +  7,53"  R. 

Am  Abend  des  1.  August  fiel  ein  nicht  unbedeutender 
Regen,  wobei  die  Temperatur  -f-  13,1"  R.  war.  Wah- 
rend des  Tages  selbst  spielte  ein  schwacher  Wind  aus 
WS  und  SSW  und  der  Himmel  blieb  dabei  stets  bewölkt. 
Erst  in  der  Nacht  von  dem  1.  auf  den  2.  hörte  man  in 
der  Entfernung  oft  ein  schwaches  Donnern.  Gegen  Mor- 
gen ertönte  das  Rollen  desselben  schon  immer  nShcr  und 
stärker  und  erreichte  um  5  Uhr  eine  solche  Heftigkeit,  dafs 
er  alle  Schlafenden  aus  den  Betten  trieb.  Dabei  schwSrzte 
sich  der  westliche  Horizont  immer  mehr  und  mehr  und  in- 
tensive Blitze  erleuchteten  und  durchkreuzten  ihn  nach  al- 


307 

lea  BichtangeD.     Uugeflibr  20  Minuten  nach  6  Uhr  zeigte 
aich  plötzlich  in  WSW  eine  Tveifsgraue  Wolke,  aus  de- 
ren Mitte,  nach  Becker's  Angaben,  öfters  weifsgraue,  fft« 
dierförmige  Strahlen  schössen.     Gegen   6  Uhr  30  Minuten 
hörte  man  das  charakteristische,  prasselnde  Geräusch,  wel- 
ches immer  den  Hagelwettern  vorausgeht  und  die  ziemlich 
tiefgehende   Wolke,    von   welcher   dasselbe  herzukommen 
schien,  bewegte  sich  sichtbar  schnell  von  WSW  nach  NO 
'  in  directem  Laufe  nach  Cronberg  zu.     Das  Leuchten    der 
Blitze,   sowie  das  Krachen  des  Donners  wurde  dabei  stets 
gewaltiger.     In   wenigen  Augenblicken   stürzte   eine  unge- 
heure Hagelmasse  mit  furchtbarer   Heftigkeit  unter  einem 
hohlen  Windesheulen  in  toirbelnden  Bewegungen  auf  die  mir 
gegenüberliegenden  Dächer;  Fensterflügel  wurden  ausgeho- 
ben und  die  Scheiben  derselben  fast  bei  allen  Wohnungen 
zertrümmert.    Die  Entladungswolke  war  so  dicht,  dafs  wäh- 
rend ihres  Niederfalls   es  ganz   dunkel  wurde.     Nach  der 
Aussage  mehrerer  Beobachter,   die   in  der  Ferne  mit  zusa- 
hen, soll  Cronberg  in  diesem  Moment  ihren  Blicken  völ- 
lig entschwunden  sejn.    Das  ganze  Schauspiel  dauerte  etwa 
5  —  7  Minuten,  und  doch  war  die  in  so  kurzer  Zeit  gefal- 
lene Hagelmasse  so  grofs,  dafs  sie  die  Strafsen  und  Wege 
fast  bis  zu  einem  Fufs  hoch  überschüttete.     Die  einzelnen 
Körner  zeigten  eine  Gröfse,  etwas  beträchtlicher  als  die  ei- 
ner Flintenkugel;  nach  Becker's  Messungen  erreichten  viele 
den  Durchmesser  von  ll  —  12'".  Ihre  Gestalt  war  fast  durch- 
gehend die   kugelförmige;   doch  wichen   einige. von  dieser 
Regelmäfsigkeit  ab  und  waren  an  den  Rändern  etwas  ein- 
gerissen; )a,  es  sollen  an  manchen  Orten  sogar  Eismassen 
von   der  Ausdehnung   einer   Mannshand  herabgeschleudert 
worden  sejrn.     Besonders  geschah  diefs  in  einem  ungefähr 
•|r  Stunde  von   Cronberg   entfernten  Walde,   am   Hartberg, 
wroselbst  also  die  Entladung  der  Wolke  mit  ihrer  gröfsten 
Intensität  dürfte  begonnen  haben.     Einige  dieser  Kömer 
sollen  bei  ihrem  Aufschlagen  wie   Glas  zersprungen  'seyn 
und  ein  schweflicher  Geruch  nach  dem  Fallen  der  Hagel- 
massen sich  bemerkbar  gemacht  haben*    Etwa  l\  Stunden 

20» 


308 

westlich  von  Cronberg  fielen  zuerst  vereinzelt  einige  KAr- 
ner.  Das  Welter  nahm  seinen  Zug  nach  NO  and  entlad 
sich,  jedoch  in  sehr  geschwächtem  Maafse,  auch  in  den  nord- 
östlich von  Cronberg  gelegenen  '  Fluren.  Der  Stand  des 
Barometers  vor  dem  Wetter  betrug  324,6"',  nach  demselben 
325,0'"  bei  0^  R.  Das  Thermometer  zeigte  im  Anfange 
13,1^  und  gegen  7  Uhr  11,4^  R.  Auch  hier  geschah  es, 
wie  in  so  vielen  Fällen,  dafs  vor  dem  Hagel  kein  Regen 
fiel;  erst  gegen  das  Ende  stellte  sich  derselbe  ein  nnd  ward 
heftiger,  als  das  Hageln  ganz  aufgehört  hatte.  Der  Regen- 
messer erlangte  dadurch  einen  Stand  von  66  par.  L.  Ich 
vermag  es  nicht  zu  schildern,  welche  entsetzliche  Zerstö- 
rung ein  Wetter  von  so  kurzer  Zeitdauer  anrichtete.  Die 
schönen  und  herrlichen  Aussichten  auf  eine  reidie  Ernte 
waren  vernichtet;  wie  ausgedroschen  lagen  die  Aebren  der 
Halmfrüchte  an  dem  Boden,  das  Kraut  der  Knollengewächse 
fast  gänzlich  abgeschlagen;  die  Obstbäume  der  FrQchte  nnd 
Blätter  beraubt,  standen  abgestreift  da,  wie  nach  einem 
Herbstfroste,  leeres  Gezweig  hinaus  in  die  feuchte  Lfifte 
breitend.  Ein  dichter  Nebel,  welcher  von  den  Fluren  auf- 
stieg, bildete  zu  diesem  traurigen,  herbstlichen  Gemälde 
die  Umrahmung.  Eine  Menge  getödteter  Singvögel  schwam- 
men in  den  mit  Hagelkörnern  und  unreifem  Obste  gemisch- 
ten Wasserströmen,  welche  von  den  Anhöhen  herabraosch- 
ten.  Ein  Knabe  allein  sammelte  solcher  armen  Thiere  über 
46,  ja  sogar  junge  Hasen  waren  den  Schlägen  dieses  Wet- 
ters nicht  entgangen.  Die  kräftigsten,  dickstämmigsten 
Bäume  waren  entwurzelt  und  auf  die  Krone  gestellt^  über- 
all erblickte  man  die  Spuren  dieser  schrecklichen  Verwü- 
stung der  Natur;  eine  sonst  so  milde  Schafferin  zeigte  sich 
hier  in  der  Lust  unersättlicher  Zerstörung. 

Das  ganze  Auftreten  dieses  hier  beschriebenen  Natur- 
ereignisses zwang  mir  die  Ansicht  auf,  dafs  die  Hagelbil- 
dung auf  einer  Mitwirkung  von  Wirbelwinden  beruhen 
müsse;  einmal  das  hohle  Brausen,  womit  die  anftingliche 
Entladung  begleitet  war;  ferner  die  wirbelnden  Bewegun- 
gen, welche  ich  beim  Niederfallen  der  Hagelkörner  beob- 


309 

aditete;   alsdann   die   seltsame  Stellung  der  entwurzelten 
Bäume,  Alles  dieses  scheint  sich  mit  dieser  Meinung  zu 
▼ereinigen.   Sej  es  mir  nun  erlaubt  ein  Bild  Über  die  Ent- 
stehung solcher  Wirbeln  und  der  daraus  folgenden  Hagel- 
bildung zu  entwerfen.     Es  ist   eine   bekannte  Thatsache, 
dafs  die  in  den  Aequatorialgegenden  stark  verdünnte,  senk- 
recht aufsteigende  Luft  in  einer  gewissen  Höhe  zu  beiden 
Seiten  des  Aequators  nach  den  Polen  hin  abfliefst  (Aequa- 
torialstrom).    Dieser  Verlust  wird  ersetzt  durch  eine  Strö- 
mung in   entgegengesetztem  Sinne,   welche   eine  Richtung 
von  den  Polen  zu  dem  Aequator  hat  (Polarstrom).    Solche 
Windbewegungen  finden  auf  gleiche  Weise  auf  der  nörd- 
lichen, wie  südlichen  Halbkugel  statt;  doch  betrachten  wir 
deren  Lauf  nur  auf  der  nördlichen  Hemisphäre»    Diese  bei- 
den Passate,  wie  man  sie  auch  zu  bezeichnen  pflegt,  wer- 
den in  geringen  Entfernungen  vom  Aequator  in  entgegen- 
gesetzten Bewegungen  horizontal   über  einander  noch  hin- 
fliefsen.    Der  Polarstrom,  als  der  kältere  und  schwerere, 
wird  der  untere  (untere  Passat),  der  Aeqnatorialstrom,  als 
der  leichtere,   wird  der  obere  Strom  sejn  (obere  Passat). 
Doch  diese  Differenz  in  der  Lagerung  der  beider  Luftströ- 
mungen wird  mehr  und  mehr  schwinden  müssen,  je  mehr 
der  obere  Passat  sich   abkühlt,  welches  geschieht,  indem 
er  fiber  Breiten  streicht,   die  eine  geringe  Temperatur  be- 
sitzen, als  die  seinige  ist.     So  wird  nun  bekanntlich  bald 
ein  Zeitpunkt  kommen,  wo  diese  beiden  Ströme  nicht  mehr 
horizontal  über  einander  abfliefsen,  sondern  eine  kurze  Weile 
sich  neben  einander  herbewegen  werden. 

Ist  dieser  Augenblick  erfolgt,  so  wird  sogleich  ein  leb- 
hafter Austausch  an  den  Berührungsstellen  beider  Passate 
eintreten;  Theile  des  Polarstroms  werden  hinüber  zum  Ae- 
qnatorialstrom gerissen,  da  letzterer  ein  gröfseres  Bewe- 
gungsmoment besitzt,  als  ersterer,  indem  er  von  Breiten 
kommt,  denen  eine  gröfsere  Rotationsgeschwindigkeit  eigen 
ist  Allein  diese  Theilchen  des  unteren  Passats  werden 
dem  schnellen  Laufe  ihrer  neuen  Stromrichlung  nicht  fol- 
gen können,  ihre  gröfsere  Schwere  wird  sie  daran  hindern. 


310 

and  somit  werden  sie  liach  einem  sehr  kurzen  Zeitraame 
gezwungen  za  ihrer  ursprünglichen  Richtung  fiberzasprin- 
gen.  Durch  diesen  wechselseitigen  Verkehr  beider  Winde 
wird  eine  wirbelnde  Bewegung  entstehen  müssen,  die  um 
so  heftiger,  }e  beträchtlicher  der  Bruchtheil  ist,  um  wel- 
chen die  Schnelligkeit  des  Aequatorialstroms  die  des  Polar- 
stroms übertrifft;  natürlich  innerhalb  gewisser  Gränzen. 
Durch  eine  solche  andauernde  Rotation  an  den  Berührungs- 
flächen beider  Luftströmungen  wird  aber  eine  bedeutende 
Abkühlung  hervorgerufen;  die  vorher  in  der  Atmosphäre 
aufgelösten  Wasserdämpfe  müssen  coudensirt  werden,  ja, 
ihre  Temperatur  wird  bei  anhaltender  Bewegung  bis  zum 
Gefrierpunkt  herabsinken,  und  von  diesem  Augenblick  an 
sind  alle  Bedingungen  zur  Eisbildung  gegeben.  Die  sich 
immer  aufs  Neue  niederschlagenden  Dämpfe  werden  sich  um 
den  bereits  gebildeten  Krjstallkern  ablagern,  und  somit 
ein  Wachsen  desselben  bedingen.  Diese  so  zu  sagen  ent- 
standene Hageltrombe  wird  von  dem  schneller  eilenden 
Aequatorialstrom  mit  fortgerissen  uud  für  dieses  dürfte  die 
Beobachtung  sprechen,  dafs  nämlich  die  meisten  Hagelwet- 
ter ein  Streifen  von  SW  nach  NO  zeigen.  Schon  Dove 
nimmt  bei  seiner  Erklärung  über  das  Entstehen  der  Stürme 
solche  Wirbel  zu  Hülfe,  nur  wird  nach  seiner  Ansicht 
eine  wirbelnde  Bewegung  aus  dem  Anstofse,  den  einer  der 
Ströme  auf  den  anderen  ausübt,  nicht  recht  deutlich.  Auch 
viele  Andere  haben  schon  den  Wirbeln  einen  grofsen  An- 
theil  bei  der  Hagelbildung  zugestanden,  nur  sollen  es  theils 
nach  ihren  Meinungen  elektrische  Wirbel  seyn,  und  ich  er- 
innere mich  sogar  gelesen  zu  haben,  dafs  solche  elektrische 
Wirbel  aus  dem  Anstofsen  gleichnamiger  elektrischer  Fluida 
hervorgerufen  würden,  so  z.  B.,  dafs  die  Erde  und  die 
Wolken  beide  +  E.  oder  beide  mit  -r-  E.  geladen  wä- 
ren. Ich  glaube  diese  Hypothese  ist  zu  sehr  auf  die  Un- 
kenntnifs  von  der  Lehre  der  elektrischen  Vertbeilung  ge- 
baut, als  dafs  sia  in  den  Kreis  der  Wahrscheinlichkeit  dürfte 
gezogen  werden.  Noch  vielfältige  Beobachtungen  werden 
bestätigen,  dafs  die  Wirkung  von  Wirbeln  überhaupt  bei 


31i 

der  HagelbitduDg  ein  Factum  ist,  welches  sich  nicht  weg- 
I&ugnen  läfst. 

Wenigstens  scheint  die  stets  sich  der  Kugelform  so  nä- 
hernde Gestalt  der  Hagelkörner  auf  eine  rotirende  Bewe- 
gung hinzuzeigen.  Merkwürdig  ist  auf  jeden  Fall  die  That- 
Sache,  dafs  zwischen  den  Wendekreisen  gar  keipe  Hagelwetter 
vorkommen  sollen  (Humboldt's  Reise III.  S.  465).  Ebenso 
auch  nicht  jenseits  des  60*^  der  Breite,  und  somit  wSre  ihr 
Erscheinen  mehr  auf  die  mittleren  Breiten  beschränkt,  eine 
Annahme,  welche  die  Erfahrung  zu  bekräftigen  scheint. 
Nach  der  Weise,  wie  ich  mir  erlaube  die  Entstehung  der 
Hagelwolken  zu  denken,  liefse  sich  darüber  vielleicAt  ein 
Aufscblufs  erlbcilen.  So  lange  die  beiden  Ströme  hori- 
zontal über  einander  abfliefseu,  ist  eine  gegenseitige  Reac- 
tion  nicht  denkbar,  und  dieses  ereignet  sich  ja  stets  in 
unbeträchtlichen  Entfernungen  vom  AeqiAator,  woselbst  der 
obere  Passat  von  seiner  anfänglichen  Intensität  noch  we- 
nig verloren  bat;  dagegen  mufs  er  in  sehr  hohen  Brei- 
ten schon  so  bedeutend  abgekühlt  seyn,  dafs  seine  Wir« 
kung  auf  den  Polarstrom  verschwindet  Sollte  nun  wirk- 
lich dieses  ganze  Phänomen  nur  auf  einer  Gegenwirkung 
dieser  beiden  Luftströmungen  beruhen,  so  müfste  man 
vielleicht  ein  Wehen  des  Windes  nach  verschiedenen  Sei- 
ten bei  einem  Hagelwetter  beobachten  können,  welche 
Wahrnehmung  in  der  That  schon  soll  gemacht  worden  seyn, 
besonders  sehr  bemerklich  an  dem  unregelmäfsigen  Zuge 
der  Wolken.  Im  Kleinen  kann  man  ein  solches  Spiel  zweier 
Luftströmungen  und  die  dadurch  entstehenden  Wirbeln  se* 
hen,  wenn  man  die  Fenster  eines  Zimmers  öffnet,  in  wel- 
cfaem  viel  Rauch  ist,  und  dessen  Temperatur  gegen  die  der 
äfufseren  Luft  nicht  um  sehr  viel  Wärmegrade  differirt. 

Es  bliebe  nur  noch  die  Frage  zur  Beantwortung  übrig, 
welche  Rolle  die  Elektricität  bei  dieser  Naturerscheinung 
spiele  und  in  wiefern  eine  Entladung  der  Hagelwolke  ver- 
anlafst  werden  könne.  Die  neueren  Beobachtungen  in  der 
Physik  haben  das  Resultat  geliefert,  dafs  die  Elektricität 
meist  durch  den  Verdampfungsprocefs  der  Luft .  zugeführt 


312 

wird,  and  zwar  wfirde  der  Wasserdampf  dabei  -t-  die  Erde 

dabei  —  elektrisch.  Es  ist  nicht  wohl  anzunehmen,  dafs 
die  Elektricität  in  der  Atmosphäre  blofs  auf  das  Verkom- 
men der  +  E.  beschränkt  sej,  und  in  der  That  haben  an- 
gestellte Versuche  auch  —  E.  in  derselben  nachgewiesen. 
Wie  dem  nui)  sej,  immer  müssen  wir  den  Verbrennungs- 
und Verdampfuogsproccfs  als  die  Hauptquelle  der  Luftelek- 
tricität  betrachten.  Werden  nun  diese  Dämpfe  verdichtet, 
80  wird  sich  die  E.,  mit  welcher  sie  geschwängert  war.eii, 
auf  ihrer  Oberfläche  abscheiden  und  mit  ihrem  Gegensatze 
auf  der  Erde  oder  mit  dem  einer  ihr  näherstehenden  Wolke 
in  Spannung  treten.  Ein  Gleiches  findet  wohl  bei  Hagel- 
wolken statt,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dafs  die  Hagel- 
wolken gewöhnlich  sehr  tief  gehen  und  ihre  Elektridt  mehr 
das  Bestreben  zeigt  sich  mit  der  E.  der  Erde  ins  Gleich- 
gewicht zu  setzen;  ferner  mufs  in  diesem  Falle  die  Span- 
nung um  vieles  beträchtlicher  seyn,  als  dieses  bei  Gewit- 
terwolken zu  sejn  pflegt,  indem  die  dort  verdichteten  Dämpfe 
immer  noch  eine  gröfsere  Leitungsfähigkeit  besitzen,  als 
die  hier  angehäuften  Eismassen.  Durch  diese  wechselseitige 
Neigung  der  ungleichuamigen  Fluida  zur  Neutralisation 
mufs  endlich  eine  Entladung  der  Hagelwolke  erfolgen. 
Nach  Volta's  Ansicht  wäre  es  eine  rasche  Verdunstung, 
hervorgerufen  durch  die  Absorption  der  Sonnenstrahlen, 
welche  die  Hagelbildung  begünstigen.  In  unserem  Falle 
waren  die  vorhergehenden  15  Tage  fast  meist  regnerisch 
und  zwar  verhielt  sich  die  Heiterkeit  der  Atmosphäre  m 
deren  Bewölbung  wie  1:2,1,  unter  denen  sich  10  Regen- 
tage befanden. 

Diese  feuchte  Witterung  dürfte  für  den  groCsen  Beidi« 
thum  von  Elektricität  sprechen,  mit  welcher  die  Luft  an  die- 
sem Tage  angefüllt  war,  und  der  am  Abend  des  1.  August 
gefallene  Regen  mufs  die  unteren  Luftschichten  um  so  bes- 
ser leitend  gemacht  haben;  auch  bewirkte  vielleicht  dar 
stark  mit  Nadelholz  bepflanzte  Hartberg,  über  dem  die  Wolke 
zuerst  zog,  und  woselbst  die  Entladung  sicher  zuerst  be- 
gonnen, eine  starke  Vertheilung,  wenigstens  spricht  sich 


313 

die  Erfabning  fOr  einen  derartigen  Einflafs  von  Waldun- 
gen aus. 

Die  unausgesetzten  Forschungen  der  neuren  Zeit  werden 
uns  auch  noch  hierüber  aufklären,  diese  Naturerscheinung 
wird  das  für  uns  jetzt  Wunderliche  verlieren ,  wenn  es 
uns  vergönnt, seyu  wird,  mehr  auf  ihren  Anfang  zurückzu- 
gehen, und  vielleicht  finden  sich  auch  in  diesem  Phäno« 
men  die  schönen  Worte  Humboldt's  bestätigt:  „Dafs 
die  Meteorologie  ihr  Heil  und  ihre  Wurzel  in  der  heifsen 
Zone  suchen  müsse  !*' 


XIII.     Ueber  den  Taihspaih; 
von   August    Breithaupt. 


A\s  ich  den  Tälkspalh  oder  Carbonites  hysiaticus  in  mei- 
nem vollst.  Handb.  d.  Mineralogie  Bd.  2.  S.  240  bestimmt 
hatte,  vermochte  ich  von  der  chemischen  Beschaffenheit  nur 
im  Allgemeinen  anzugeben,  dafs  der  Körper  die  reinste 
kohlensaure  Magnesia  sey,  welche  man  von  krystallisirten 
Mineralien  habe.  Man  kennt  ihn  sehr  ausgezeichnet  aus 
Norwegen,  wo  er  beim  Hofe  Lofthuus  unweit  Suarum  in 
Begleitung  von  Serpentin,  sogen.  Titaneisen,  Hydrotalkit 
und  einem  Phengit- Glimmer,  in  einer  lagerartigen  Zone  im 
Urgneise  vorkommt.  Hier  wird  er  meist  von  grobkörniger 
marmorähnlicher  Beschaffenheit,  seltener  in  gröfseren  ho- 
mogen krystallischen  Partien  angetroffen. 

Diesen  Talkspath  habe  ich  in  drei  Spaltungsgestalten 
gemessen  und,  bei  schöner  Spiegelung,  den  stumpfen  Bhom- 
boeder- Winkel,  wie  früher  an  anderen  Varietäten  =  107^ 
28i'  gefunden,  nämlich  107^28',  107<' 28^',  107^29'.  Das 
specifische  Gewicht  =3,017. 

Hr,  Prof.  Th.  Scheerer,  dem  ich  auch  die  obige  geo- 
gnostische  Notiz  verdanke,  fand  die  chemische  Zusammen- 


314 

setzoDg  im  Darchscboitte  von  vier  sehr  nahe  miteinander 
übereinstimmenden  Analysen  so,  wie  unter  a  folgt ;  6  giebt 

die  Bestandtheile  naeb  der  Formel  MgC: 

a.  b. 

Koblensäure    51,447  52,768 

Magnesia  47,296  47,232 

Eisenoxydul       0,786 
Wasser  0,470. 

Hierbei  ist  das  Atomgewicht  der  Magnesia  zu  251,6  an* 
genommen. 

Von  den  Säuren  wird  aucb  dieser  Talkspath  bedeu- 
tend schwieriger  angegriffen  als  die  amorphe  kohlensaure 
Magnesia,  der  Magnesit.  Den  Magnesit  von  Frankenstein 
in  Schlesien  fand  der  nur  genannte  Qiemiker  als  eine  ganz 
vorzüglich  reine  Magnesia. 


XIV.     Ueber  den  jiigirin; 
von  j4ugust   Breiihaupt. 


u. 


nter  dem  Namen  Aigirin  oder  Äegyrin  hat  man  bisher 
zweierlei  von  Hrn.  Es  mark  entdeckte  und  benannte  Mi- 
neralien, einen  Pyroxen  und  einen  Amphibol  begriffen. 
Hr.  Plantamour  hat  von  dem  einen  Aigirin  folgende 
Mischung  bekannt  gemacht: 

Kieselsäure     56,57 

Titansäure         2,01 

Thonerde  3,41 

Kali  7,79 

Natron  2,06 

Kalkerde  5,91 

Magnesia  5,87 

Eisenoxydul    24,38 
Der  andere  Aigirin  soll  sich  hingegen  chemisch  wie  ein 
Amphibol  verhalten  haben.  • 


315 

Uolfitigst  erhielt  ich  Dan  den  'achten  Äigirin  durch  Hrn. 
A.  Krantz,  verwachsen  mit  dem  Jüngern  Leueophany  wel- 
cher Begleiter  für  jenen  bezeichnend  seyn  .soll,  und  mit 
einem  graulichweifsen  frischen  orthoklastischen  FelsU  mit 
deutlicher  hemiprismatischer  Spaltbarkeit  und  vom  specific 
sehen  Gewicht  2,490  bis  2,507,  den  ich  nicht  geradezu 
für  Pegmatolith  erklären  möchte.  Ferner  gehören  zu  den 
Begleitern  diejenige  Abänderung  des  meist  dichten  Nairo- 
liths,  welche  auch  Bergtnatmit  genannt  worden  und  ein 
Phengit.  Der  Fundort  ist  die  Insel  Skaadön,  die  Nachbar- 
insel von  Lamskjaerj  wo  den  genannten  Mineralien  auch 
noch  Mosandrit,  angeblich  selbst  Bodalit  beibrechen.  Beide 
Inseln  liegen  im  Meerbusen  von  Brevig  in  Norwegen.  Die  . 
Mineralien  sollen  als  Ausscheidungen  im  Zirkon- Syenit 
vorkommen. 

Der  Aigirin  von  Skaadön  besitzt  folgende  Eigenschaften: 

Glasglanz. 

An  den  Kanten  grün  durchscheinend  bis  undurchsichtig. 

Farbe,  grünlichschwart,  schwärzlich-  und  in  den  dünn- 
sten Krystallen  bis  lauchgrün.    Strich,  lichte  grünlichgrau. 

Die  eingewachsenen  Krystalle  erscheinen  zwar  in  schilf- 
artigen Säulen  mit  starker  Längenkerbung,  wie  man  der- 
gleichen oft  an  Amphibolen  zu  sehen  gewohnt  ist,  allein 
das  Mineral  ist  dennoch  ein  Pyroxen.  Die  'Neiguilg  des 
Prisma  gegen  die  Brachydiagonale  liefs  sich  befriedigend 
messen  und  dieser  Winkel  betrug  133^26',  woraus  man 
den  primär-prismatischen  Winkel  od  P  =  86^  52'  erhält,  den 
stärkst  geschobenen,  der  noch  mit  Genauigkeit  an  einem 
Pyroxen  beobachtet  worden.  —  Die  Spaltbarkeit  ist  bra* 
chydiagonal,  vollkommen;  makrodiagonal  deutlich;  primär- 
prismatisch nur  in  Spuren;  somit  gleichen  Verhaltens  wie 
bei  einigen  anderen  Pyroxenen,  z.  B.  bei  Bronzit  (Pyro^ 
xenus  magnesius)  und  Kieselmanganspath  {Pyroxenus  man- 
ganosus).  Derartiges  Verhalten  der  Spaltbarkeit  kennt  man 
hingegen  von  keinem  Amphibol. 

Härte  =  7  bis  7i. 

Specifisches  Gewicht  =  3,432  bis  3,504  nach  drei  Be- 


316 

stimmongeDy  der  dunkel  lanchgrüne  war  der  leidifesfe^  der 
schwarze  der  schwerste. 

Hrn.  Prof.  Plattner  bat  ich  um  chemische  Untersu- 
chung des  Minerals,  wozu  er  die  schwarze  Abänderung, 
welche  auch  die  von  mir  gemessene  ist,  verwendete.  Ich 
erhielt  von  ihm  darüber  folgende  Mittheilung: 

y,Der  leicht  schmelzbare  Aigirin  weicht  in  seiner  Zu- 
sammensetzung wesentlich  von  derjenigen  ab,  welche  Hr. 
Plantamour  angegeben,  und  nähert  sich  mehr  der  des 
Arfvedsonit's.  Ich  habe  darin  folgende  Bestandtbeile  ge- 
funden : 

Kieselsäure    52,00 
Thonerde         2,20 
Eisenoxydul  29,25 
und  Natron  einen  bedeutenden  Gehalt,  welcher  wohl  das 
meiste  des  am  Gewicht  fehlenden  betragen  dürfte.    Dage- 
gen habe  ich  weder  Kali,  noch  Kalkerde,  noch  Talkerde 
aufgefunden.'^ 

Von  dem  Arfvedsonit  unterscheidet  sich  der  Aigirin  da- 
durch, dafs  das  Eisen  in  jenem  als  Oxyd,  in  diesem  als 
Oxjdul  enthalten  ist. 

Aus  den  vorstehenden  Untersuchungen  geht  hervor,  daCs 
dieser  Aigirin  ein  Pyroxen  und  zwar  eine  eigenthimlid^ 
Specie  desselben  ist,  und  es  möge  der  Name  Aigtrin  für 
dieses  Mineral  beibehalten  werden. 

Der  andere  Aigirin  ist  ein  Amphibol  von  grünlichschwar- 
zer Farbe,  welcher  einen  grünlichgrauen,  schon  ins  Grüne 
fallenden  Strich  giebt,  nach  dem  primären  Prisma  schön 
spaltet  und  das  specifische  Gewicht  3,297  hat.  Den  pris- 
matischen Winkel  habe  ich  noch  nicht  gemessen« 


317 
XV.    Der  Ferdinandsbrunnen  zu  Marienbad. 

(Aus  einer  1849  su  Eger  veroflentlichten  Notiz). 


Di 


'ie  Ferdinandsquelle  Dimmt  seit  dem  Jahre  1820  einen 
ehrenvollen  Platz  unter  den  Gesundbrunnen  Deutschlands 
ein..  Prof.  Steinmann  hatte  sie  damals,  kurz  nach  ihrer 
Fassung,  chemisch  untersucht,  und  in '16  Unzen  Wasser 
45,9650  Grane  fester  Bestandtheile  gefunden. 

Im  Jahre  1825  wiederholte  Berzelius  diese  Analyse 
zu  Stockholm  am  versendeten  Wasser  von  der  Herbstfül- 
lung 1824,  und  erhielt  ein  gleiches  Resultat,  nur  entdeckte 
er  darin,  nebst  Spuren  von  Jod,  Flufs-  und  Phosphorsäure, 
noch  Lithion  und  Strontian.  Darnach  enthielten  16  Unzen 
des  Wassers  der  Ferdinandsquelle: 

Schwefelsaures  Natron 22,5362  Grane 

Chlornatrium 8,9963      - 

Kohlensaures  Natron 6,1302 

Kohlensaures  Lithion 0,0676 

Kohlensaure  Kalkerde 4,0112 

Kohlensauren  Strontian 0,0054 

Kohlensaure  Talkerde 3,0489      - 

Kohlensaures  Eiseuoxjdul  ....  0,3993 
Kohlensaures  Manganoxydul  .  •  •  0,0921 
Basisch  phosphorsaure  Thonerde   •     •       0,0054 

Kieselsäure 0,6697      - 

Flufssaure  und  phosphorsaure  Kalkerde 

und  Joduatrium    .......       Spuren 

Summe  der  festen  Bestandtheile     .     45,9623  Grane 
Freie  und  au  die  Bicarbonate  gebun- 
dene Kohlensäure     .....     .    20,1580      - 

Summe  aller  Bestandtheile     .     .     .     66,1203  Grane 
Specißsches  Gewicht =    1,00462. 

Im  nämlichen  Jahre  fand  Struve  in  einer  gleichen  Menge 
Wassers  einen  Salzrückstand  von  45,2795  Granen. 

Die  grofse  Uebereinstimmung  dieser  zu  verschiedenen 
Zeiten  unternommenen  Analysen  dreier  der  ausgezeichnet- 
sten Chemiker  setzt  es  aufser  Zweifel,  dafg  der  Ferdinands- 
brunnen in  den  Jahren  1820,  1824  und  1825  eine  überein- 
stimmende chemische  Znsammensetzung  gehabt  hat,  und  zwar 
tion  nicht  ganz  46  Granen  feuerfester  Bestandtheile  m  16  Un- 
zen Walsers. 


318 

Seit  einigen  Jahren  bat  sich  durch  wiederholte  Abdam- 
pfuDgsversuche  im  Kurorte  die  interessaDte  Thatsache  her- 
ausgestellt, dafs  das  quantitative  Mischungsverhältuifs  -der 
genannten  Quelle  ein  ganz  anderes  y  und  zwar  ein  toeU 
günstigeres  geworden  ist.  Es  waren  sowohl  im  Sommer 
1843  nach  einem  siebenwöchentiichen  Regen,  als  auch  im 
Herbste  desselben  Jahres  nach  einer  fast  ebenso  lange 
anhaltenden  trockenen  Witterung,  jedesmal  12  Civilpfunde 
(zu  16  Unzen)  Ferdinandsbrunnen  abgedampft  worden  und 
hatten,  im  Widerspruche  mit  den  bisherigen  Analysen,  für 
1  Civilpfund  (zu  16  Unzen)  die  höchst  bedeutende  Summe 
von  73  7  Granen  fester  Bestandtheile  gegeben. 

K.  M.  Kersten,  Professor  der  analytischen  Chemie 
zu  Freiberg,  dadurch  veranlafst,  hat  eine  ebenso  unpar- 
teiische als  grundliche  Analyse  vorgenommen  und  die  Rich- 
tigkeit der  vorangegangenen  Abdampfungen  bestätigt.  M. 
vgl.  die  meisterhafte  Abhandlung  des  genannten  Analyti- 
kers: „Der  Kreuz-  und  Ferdinandsbrunnen  in  Marienbad, 
von  neuem  chemisch  untersucht.  12.  Leipzig,  1845."  Die- 
ser zufolge  enthalten  16  Unzen  des  Wassers  der  Perdi- 
naudsquelle: 

Schwefelsaures  Natron 38,7663  Grane 

Schwefelsaures     Kali 0,3256 

Chlornatrium        15,3968      - 

Kohlensaures  Natron 9,8995 

Kohlensaures  Lithion 0,0691 

Kohlensaure  Kalkerde 4,1832 

Kohlensauren  Stroutian 0,0061 

Kohlensaure  Talkerde 3,4944 

Kohlensaures  Eisenoxydul  .  .  .  . '  0,4707 
Kohlensaures  Manganoxydul  •  .  .  0,1205 
Basisch  phosphorsaure  Thonerde  •  .  0,0137 
Neutrale  phosphorsaure  Kalkerde  •     .       0,0145 

Kieselsäure 0,7411 

Brom-,  Fluor-,  Quellsäure-  und  Quell- 
satzsäureverbinduugen  und  organi- 
sche Materie Spuren 

Summe  der  festen  Bestandtheile     73,5015  Grane. 
Freie  und  an  die  Bicarbonate  gebun- 
dene Kohlensäure 22,8372       > 

Summe  aller  Bestandtheile     96,3387  Grane. 
Specifisches  Gewicht =   1,01030. 


319 

Man  ■  kann  die  bis  auf  das  Jahr  1832  verfolgte,  durch 
Kersten's  Analyse  ermittelte  chemische  Zusammensetzung 
des  Wassers  der  Ferdinandsquelle  unmöglich  für  ein  zufäl- 
liges, vorübergehendes  Ereiguifs  halten.  Wir  finden  viel- 
mehr den  vermehrten  Salzgehalt  der  Quelle  in  der  seit 
1828  geänderten  physikalischen  Beschaffenheit  der  nächsten 
Umgebung  des  Brunnens  nächst -ursächlich  und  nothtoendig 
bedingt. 

Damals  war  behufs  der  Aufführung  der  gegenwärtigen 
grofsartigen  Colonnade  am  Ferdipandsbrunnen  die  Trocken- 
legung des  versumpften  Erdreichs  in  einer  ziemlich  weiten 
Ausbreitung  nöthig  geworden.  Man  mufste  zu  diesem 
Zwecke  ringsherum  ein  förmliches  Netz  von  gemauerten 
Abzugskanälen  anlegen,  die  zum  Theil  zu  5  —  7  Fufs  Tiefe^ 
meist  auf  Rostunterlagen  aufgeführt  wurden  und,  nach  dem 
im  hiesigen  Archive  befindlichen  Bauplane  (vom  genann- 
ten Jahre),  auf  einem  Flächenraume  von  beiläufig  1500(1] 
Klaftern,  zusammengenommen  eine  Längenausdehnung  von 
2016  Fufs  betragen«  Ueberdiefs  mufstre  westwärts  von  der 
Quelle  das  Bett  des  vorbeifiiefsenden  Auschabaches  weiter 
hinausgerückt,  und  östlich  eine  20  —  25  Fufs  hoch  aufstei- 
gende Berglehne  ganz  abgetragen  werden.  Bei  den  letzt- 
genannten Erdabgrabungen  kam  man  auf  ein  vorher  unge- 
kanntes  Stollenwasser.  Den  Abflufs  dieses  Wassers  leitete 
man  in  einen  Hauptkanal,  und  liefs  die  übrigen  Abzugs- 
kanäle und'  Gräben  in  diesen  einmünden.  Dafs  hierbei 
nebst  einigen  schwächeren  Säuerlingen  eine  bedeutende 
Menge  sogenannter  wilder  oder  Tagewässer  abgeleitet  wor- 
den war,  zeigt  schon  der  Augenschein,  wornach  der  mit 
dem  abfliefsenden  Mineralwasser  der  Ferdinandsquelle  ver- 
einte Wassersfrom  an  seiner  Einmündung  in  den  Auscho- 
witzer  Bach  wenigstens  das  Dreifache  der  zuströmenden 
Wassermasse  der  Ferdinandsquelle  allein  beträgt. 

Es  erscheint  nach  den  hier  auseinandergesetzten  Ver- 
hältnissen im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dafs  die  obige 
Zunahme  der  Ferdinandsquelle  an  Salzgehalt  mit  der  ge- 
wonnenen Ableitung  und  Fernhaltung  der  sogenannten  wil- 
den (zum  Theil  mit  mineralischen  Bestandtheilen  gemeng- 
ten) Wässer  im  nothwendigen  Zusammenhange  steht.  Um 
diese  Behauptung  zur  Gewifsheit  zu  erheben,  war  eine 
neuerliche  unmittelbare  Messung  der  Wassermenge  der 
Quelle  an  ihrer  Abflufsröhre  das  einzige  Mittel. 

Prof.  Steinmann  hatte  dieselbe  im  J.  1820  bei   di- 


320 

recter  Messung  =3471  Kubikzolle  (fast  45  österr.  Maafs) 
binnen  einer  Minute  gefunden.  Sie  wurden  aber  nach  Tie- 
len,  zu  jeder  Jahreszeit  und  bei  den  abweichendsten  Wit- 
teruugsverhältnissen  wiederholten,  stets  übereinstimmenden 
Versuchen,  deren  einer  vor  vielen  glaubwürdigen  Zeugen 
vorgenommen  wurde,  als  =  1728  Kubikzolle  (nicht  ganz 
22^  Österreich.  Maafs)  binnen  einer  Minute  thatsächlich 
nachgewiesen.  Dafs  diese  Verminderung  der  Wassermenge 
der  Ferdinandsquelle  seit  dem  Jahre  1828  wirklich  einge- 
treten ist  und  so  fort  bestanden  hat,  dafür  spricht  die  vom 
hiesigen  Apotheker  K.  Bremsen,  schon  früher  mitgetheilte 
Beobachung,  dafs  die  Menge  des  abfliefsenden  Wassers 
seit  der  genannten  Zeit  mindestens  um  ein  Drittel  abge- 
nommen hat. 

Der  Schlufs  liegt  nicht  fern,  dafs  mit  der  also  herbei- 
geführten Verminderung  der  Wassermenge  der  Quelle  (1828) 
die  erst  in  neuester  Zeit  physikalisch -chemisch  ermittelte 
und  aufser  allen  Zweifel  gesetzte  Vermehrung  ihres  Salz- 
gehaltes eingetreten  ist,  und  seither  mit  jener  gleichmäCsig 
fortbestanden  hat.  Daraus  folgt,  dafs  die  neue  chemische 
Zusammensetzung  des  Wassers  der  Ferdinandsquelle  als 
eine  von  nun  an  bleibende  betrachtet  und  allen  weiteren 
medicinischen  Schlufsfolgerungen  zu  Grunde  gelegt  werden 
müsse. 

Dabei  wird  nicht  geläugnet,  dafs  das  Wasser  des  Fer« 
dinandsbrunnens  dann  und  wann  kleinen  Schwankungen  un- 
terworfen sejn  könne f  wie  sie  allen  Mineralquellen  mehr 
oder  weniger  eigen  sind;  aber  diese  haben  sich  bisher  in 
der  Erfahrung,  wie  gesagt,  nur  als  höchst  geringfügige  her- 
ausgestellt. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin ,  Grunstr.  18. 


1850.  A  N  N  A  L  E  N  JTo.  7. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

BAND  LXXX. 


I.  lieber  das  Eindringen  des  Elektromagnetismus 
in  weiches  Eisen  und  über  den  Sättigungspunkt 
desselben;   von  Prof.  Dr.  v.  Feilitzsch  in 

Greifswald. 

JL/ie  umfassenden  Untersuchungen  der  HH.  Lenz  und  Ja - 
cobi  „über  die  Gesetze  des  ElektrouTagnetismus" ')  schei- 
nen kaum  noch  eine  Frage  in  diesem  Gebiete  unbeantwor- 
tet zu  lassen.  Dennoch  aber  ist  gerade  durch  jene  sorg- 
fältige Berücksichtigung  aller  Umstände  Raum  zu  neuen 
Untersuchungen  geschaffen.  Bei  Gelegenheit  der  Erörte- 
rungen über  den  Einflufs  der  Dimensionen  des  Eisenker- 
ne&  auf  ^en  in  ihm  erregten  Magnetismus  heifst  es  u.  a. 
(Ann.  Bd.  LXI.  262.): 

,y  Wir  können  für  die  meisten  praktischen  Bedürfnisse  den 
Satz  annehmen:  dafs  bei  massiven  Eisen cjlindern  von 
gleicher  Länge  und  von  mehr  als  ^"  Durchmesser  die 
durch  galvanische  Ströme  von  gleicher  Stärke  und  durch 
Spiralen  von  einer  gleichen  Anzahl  Windungen .  ertheil- 
ten  Magnetismen,  den  Durchmessern  dieser  Cjlinder  pro- 
portional sind*^ 
Ferner  heifst  es  (Ann.  Bd.  XL VII,  244): 

„Der  im  weichen  Eisen  durch  galvanische  Ströme  hervor- 
gerufene Magnetismus  ist  diesen  Strömen  genau  propor- 
tional *^ 
Vindicirten  wir  dem  ersten  Satz  seine  volle  Gültigkeit 
(denn  Versuche  mit  hohlen  Eisencylindern  sind  nicht  an- 
gestellt worden),  so  würde  eine  einfache  Proportionalität 
zwischen  den  Lineardimensionen  des  Eisenkernes  and  den 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  XLVH,  225;  Bd.  LXI,  254  und  448.  . 
PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  21 


322 

gewonoenen  Magnetismen  zo  dem  ScUoCb  berechtigen:  dafs 
die  magnetische  Spannong  des  Easens  blob  an  der  Ober- 
fläche stattfände  und  nicht  in  das  Innere  der  Eisenmasse 
eindränge.  Der  andere  Satz  in  allen  Conseqnenzen  ver- 
folgt, wQrde  das  ausschliefsen ,  was  man  gemeinhin  unter 
Sättigungspunkt  versteht.  Und  beide  Sätze  wGrden  uns 
lehren,  dafs  etwa  ein  cjlindrisch  gebogenes  Eisenblech,  von 
immer  stärkeren  galvanischen  Strömen  umflossen,  in  dem 
Maafsc  mehr  Magnetismus  liefern  würde,  als  die  Ströme 
sich  verstärkten,  oder  der  Umfang  des  cjlindrischen  Ble- 
ches zunähme. 

Diese  und  ähnliche  Bedenken  drängten  mich,  die  Frage 
zu  ventiliren,  ob  der  Magnetismus  des  galvanischen  Stro- 
mes überhaupt  in  das  Innere  eines  Kernes  von  weichem 
Eisen  merklich  eindringe  und,  wenn  ein  solches  Eindringen 
vorhanden  ist,  nach  welchen  Gesetzen  es  geschehe.  Die 
folgende  Abhandlung  mag  zeigen,  wie  weit  die  aufgewor- 
fenen Fragen  beantwortet  werden  konnten. 

Bei  den  Untersuchungen  schlug  ich  folgenden  Weg  ein. 
Zuerst  prüfte  ich  für  weitere  Umfilnge  der  Stromstärke,  als 
es  von  den  HH.  Lenz  und  Jacobi  geschah,  ob  auch  dann 
noch  der  Elektromagnetismus  in  denselben  Eisenkernen  pro- 
portional den  Stromstärken  sej;  und  ob  er  sich  bei  ver- 
schieden dicken  aber  gleich  langen  Eisenkernen  und  bei 
gleicher  Stromstärke  verhalte  wie  die  Umfange  der  Eisen- 
cjlinder.  Hierauf  untersuchte  ich,  ob  hohle  und  massive  Eli- 
sencjlinder  von  übrigens  gleichen  Dimensionen  eine  gleiche 
Quantität  von  Magnetismus  bei  denselben  Stromstärken 
geben.  Da  ich  fand,  dafs  letzteres  für  geringe  Stromstär- 
ken der  Fall  war,  dafs  aber  immer  gröfbere  Differenzen 
eintraten,  je  mehr  die  Stromstärke  zunahm^  versuchte  ioh, 
ob  eine  gleiche  Abnahme  vorhanden  wäre,  weün  mehre 
hohle  Eisencjrlinder  von  gleicher  Länge  in  einander  ge- 
schachtelt wurden.  Da  ich  nun  durch  di^cs  Verfahren  wie- 
der eine  Vermehrung  des  Magnetismus  wahrnahm,  sdilofs 
ich,  daCs  derselbe  in  Wahrheit  merklich  in  das  Innere  des 
Eisens  eindringt,  und  fragte  endlich,  welche  Gesetze  das  Ein- 


323 

dringen  des  Magnetismus  in  das  Innere  des  weichen  Eisens 
befolgen  möchte. 

Zur  Messung  der  Stromstärken  und  des  Elektromagne- 
tismus im  weichen  Eisen  bediente  ich  mich  einer  früher 
beschriebenen  Vorrichtung  *)•  Auf  der  Mitte  einer  senk- 
recht auf  dem  magnetischen  Meridian  stdienden  Scale  be- 
fand sich  eine  kleine  Declinationsnadel  genau  fiber  dem 
Nullpunkt  der  Scale.  Eine  Kupferdrahtspirale  von  der 
Länge  2  a  konnte  auf  der  einen  Seite,  ein  nach  absolutem 
Maafse  gemessener  Magnetstab  von  der  Länge  2  a  auf  der 
anderen  Seite  der  Declinationsnadel,  längs  der  Scale,  ver- 
schoben werden.  Die  Verschiebung  geschah  so  lange,  bis 
die  Declinationsnadel  sich  wieder  genau  im  magnetischen 
Meridian  befand,  und  dann  wurden  die  Entfernungen  r 
der  Mitte  der  Spirale  und  g  der  Mitte  des  Maguetstabes 
von  dem  Nullpunkt  der  Scale  gemessen,  und  nach  der  un- 
ter V.,  in  der  citirten  Abhandlung  befindlichen  Formel 

die  Quantität  J'  des  durch  die  Spirale  und  einen  etwa  ein- 
gelegten Eisenkern  gewonnenen  Magnetismus  berechnet.  In 
der  Formel  ist  J=  10  588  000  =s  der  nach  absolutem  Maafse 
gemessenen  Quantität  des  Magnetismus  im  Stabmagneten. 
Der  Einfachheit  wegen  mag  wie  früher  J=  I  gesetzt  werden. 
Die  elektromagnetische  Spirale  war  im  Uebrigen  so  be- 
schaffen, wie  die  früher  beschriebene,  nur  dafs  sie  aus  vier 
Abtheilungen  zu  je  zwei  Lagen  (14  Millimeter  im  Durch- 
messer haltenden)  Kupferdrahts  bestand,  von  denen  jede 
Abtheilung  gesondert,  und  alle  vier  zugleich  zur  Schlie- 
fsung  der  Grove'schen  Kette  benutzt  werden  konnten.  «Die 
Anzahl  der  Windungen  dieser  acht  Lagen  Kupferdraht 
betrug 

(46+44)  + (43+41)  +  C43  +  43)+(43+43)=346. 

Der  Durchmesser  der  Oeffnung  in  der  Spirale  betrug 
40  Millimeter.    Da  nun  die  cjlindrischen  Eisenkerne,   der 

1)  Pogg.  Ann.  LXXVIU^  21  i£ 

21» 


324 

rcn  ich  mich  bediente,  nur  eiiieD  Durcbmesser  tod  31,.... 

Millimeter  uud  weniger  hielteu,  mufste  ich  mich  Tersichem, 
ob  es  nothwendig  sej,  die  Cyliuder  während  der  Versache 
in  der  Axe  der  Spirale  zu  halten,  oder  ob  es  genüge,  sie 
auf  die  untere  Fläche  der  hohlen  Holzrolle  zulegen,  um 
welche  die  Spirale  gewunden  war.  Zu  dem  Ende  fafste 
ich  einen  möglichst  dünnen  Eisencjlinder  so  in  eine  Papp- 
rolle, dafs  er  mittelst  derselben  genau  in  die  Axe  der  Spi- 
rale tu  liegen  kam.  Wenn  alsdann  der  Strom  in  der  Spi- 
rale kreisle  und  durch  Verrückung  des  Slabmagneten  die 
Declinatiousnadel  auf  ihren  Nullpunkt  gebracht  worden 
war,  fand  keine  Bewegung  derselben  statt,  wenn  der  um- 
hüllende Pappcjlinder  forlgenommen ,  uud  der  dünne  Ei* 
Senkern  dadurch  in  die  excentrische  Lage  versetzt  wurde. 
Es  ist  also  für  die  angewandten  Dimensionen  gleichgültig, 
ob  der  in  der  Spirale  befindliche  Eisenkern  in  der  Axe 
derselben  liegt,  oder  etwas  aus  derselben  verschoben  ist. 

Dafs  die  Weite  der  Windungen  der  Spirale  ohne  Ein- 
fluCs  auf  den  in  einem  Eisenkern  zu  erzeugenden  Magne- 
tismus ist,  haben  die  HH.  Lenz  und  Jacob i  in  den  ci- 
t'irten  Abhandlungen  erörtert. 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  Resultate  der  Ver- 
suche zusammengestellt,  welche  mit  massiven  Eüsenkemen 
unternommen  wurden,  um  das  Verhältnifs  der  QaantitSt 
des  in  denselben  gewonnenen  Magnetismus  zur  Stromstärke 
und  zu  den  Umfangen  der  Eisencylinder  zu  ergründen. 
Von  einer  Anzahl  von  Eisency lindern,  welche  alle  gleiche 
Länge  hatten  und  von  derselben  Eisensorte  angefertigt  wa- 
ren, wählte  ich,  um  die  Versuche  nicht  zu  sehr  zu  ver- 
vielfältigen, diejenigen  heraus,  welche  mit  den  in  der  er- 
sten Columne  verzeichneten  Nummern  versehen  waren. 
Die  Umfange  wurden  an  drei  Stellen  durch  directe  Mes- 
sung bestimmt  und  das  Mittel  aus  den  Messungen  genom- 
men. Die  verschiedenen  Messungen  differirten  jedoch  nur 
um  Zehntel  von  Millimetern.  Die  Umfange  sind  in  der 
zweiten  Columne  verzeichnet.  Die  Länge  aller  Eisenkerne 
betrug  110  Millimeter.     Die  Beobachtungen  selbst  wurden 


325 

so  angestellt,  dafs  ich  zuerst  die  Stromstärke  uach  dem 
früher  angegebenen  und  oben  citirteu  Verfahren  ermittelte. 
Hierauf  schob  ich  die  Eisenkerne  in  die  Spirale,  näherte 
den  Stabmagneten  der  Declinationsnadel  so  lange,  bis  die- 
selbe wieder  im  magnetischen  Meridian  einspielte  und  no- 
tirte  seine  Entfernung  q  vom  Nullpunkte  der  Scale.  Als- 
dann wurde  dasselbe  Verfahren  für  die  umgekehrte  Lage 
des  Eisenkernes  in  der  Spirale  wiederholt,  um  etwa  vor- 
handenen festen  Magnetismus  auf  diese  Weise  möglichst  zu 
eliminiren.  Um  eine  Aenderung  dieses  festen  Magnetismus 
möglichst  zu  vermeiden,  wurde  bei  einer  jeden  Verschie- 
bung der  Eisenkerne  in  der  Spirale  der  Strom  unterbro- 
chen. Am  Ende  jeder  Versuchsreihe  wurde  die  Stromstärke 
abermals  bestimmt  und  hierauf  die  Versuchsreihe  für  alle 
Eisenkerne  wiederholt.  So  erhielt  ich  drei  Beobachtungen 
für  die  Stromstärke  und  vier  BeobaclUupgon  für  jeden  Ei- 
senkern, aus  welchen  das  arithmetische  Mittel  zur  Berech- 
nung genommen  wurde.  Dieses  Mittel  wurde  =  q  gesetzt. 
Die  Gröfse  r  ist  die  Entfernung  der  Mitte  der  Spirale  von 
dem  Nullpunkt  der  Scale.  Die  Gröfsen  a  und  a  in  der  For- 
mel sind  resp.  =51""  und  =45,5"'".  Die  dritte  Abthei- 
lang  der  Tabelle  enthält  die  Gröfsen  r  und  (>,  die  dar- 
aus gefundenen  Maafse  J'  für  den  elektrischen  Strom  und 
darunter  die,  diesen  Stromstärken  zugehörigen  Quantitäten 
des  im  weichen  Eisen  entwickelten  Magnetismus.  Noch 
verdient  bemerkt  zu  werden,  dafs  bei  der  Berechnung  sich 
die  Summe  der  Magnetismen  ergiebt,  welche  in  Folge  des 
Stromes  in  der  Spirale  allein,  und  welche  in  Folge  des  ein- 
gelegten Eisenkernes  auf  die  Declinationsnadel  wirkten.  In 
der  Tabelle  ist  die  durch  die  Spirale  allein  erhaltene  Zahl 
von  der  durch  Spirale  und  eingelegten  Eisenkern  erhalte- 
nen absozofien. 


326 


Um&og  m 
Millimetcm. 


6Z  ii 


327 

Die  iD  jodor  Horizootalreihe  der.drüteu  Columne  ste- 
henden Zahlen  zeigen, 

da{$  für  die  angewandteH  gaha$Usehen  Ströme  die  Mag- 
netismen in  den  weichen  Eisenkernen  den  Stromstärken 
proportional  sind. 

Kleine  regellose  Differenzen  von  dem  ausgesprochenen  Ge- 
setz finden  namentlich  für  geringe  StromstSrken  statt.  Es 
zeigen  aber  die  gröfseren  Stromstärken  stets  eine  Neigung 
zum  Sättigungspunkt,  also  einen  ffir  die  Proportionalität 
zur  Stromstärke  etwas  zu  geringen  Magnetismus,  welcher 
Unterschied  um  so  mehr  hervortritt,  je  dtinner  die  Eisen- 
cylinder  sind.  Um  allen  Ballast  zu  vermeiden  habe  ich, 
statt  weitläufige  Rechnungen  hier  aufzuführen,  (in  der 
Figurentafel  V.)  die  für  jede  Horizontalreihe  sich  erge- 
benden Curven  aufgezeichnet,  und  zwar  ist  die  Curve 
OII^  für  den  zum  Eisenkern  11*^  gehörige  Horizontalreibe 

gültig,  und  die  Curven  0^lll 0|XI.  entsprechen  den 

übrigen  Eisenkernen.  0  und  0^  sind  die  respectiven  Coor- 
dinaten-Anfangspunkte,  die  Abscissen  sind  den  Stromstärken 
und  die  Ordinaten  den  im  Eisen  fretwerdenden  Magnetis- 
men proportional  aufgezeichnet. 

Vergleicht  man  die  Zahlen  der  Tabelle,  welche  in  je- 
der Horizontalreihe  der  dritten  Columne  unter  einander 
stehen,  mit  den  Zahlen  der  zweiten  Columne,  so  ergiebt  sich, 

dafs  für  die  angewandten  galvanischen  Ströme  die  Mag- 
netismen  den  Umfangen  der  cylindrischen  Eisenkerne  pro- 
portional sind. 

Die  Werthe  dieser  Zahlen  sind  (in  der  Figuren tafel  V.) 
fOr  den  Coordinaten- Anfangspunkt  O,  graphisch  darge- 
stellt. Die  Abscissen  sind  den  Umfangen,  der  Cylinder, 
die  Ordinaten  den  gewonnenen  Magnetismen  proportional 
aufgezeichnet,  so  dai^  aa,  bb ....  ff  die  Curven  für  sechs 
verschiedene  Stromstärken  darstellen.  Da  diese  Curven 
der  geraden  Linie  sehr  nahe  kommen,  so  rechtfertigen  sie 
das  ausgesprochene  Gesetz.  Dafür,  dafs  die  gemessenen 
Magnetismen  für  den  Eisenkern  Mo.  11"  sich  augenscheinlich 


328 

nicht  dem  Gesetze  dieser  Proportionalität  fOgen  wollen, 
weifs  ich  keinen  Grund  anzugeben. 

Die  Wiederholung  dieses  Theiles  der  Untersachiingen 
der  HH.  Jacobi  und  Lenz  auf  einem  gänzlich  verschiede- 
nen Wege  dürfte  für  den  Umfang  der  Beobachtungen  zur 
Genüge  die  Richtigkeit  der  ausgesprochenen  Gesetze  dar- 
thuu,  noch  dazu,  wenn  wir  für  gröfsere  Stromstärken  eine 
Neigung  zur  magnetischen  Sättigung  statuireu  wollen ,  die 
immer  mehr  hervortritt,  je  dünner  die  angewandten  Eisen- 
kerne sind. 

Der  weitere  Verlauf  meiner  Untersuchungen  erhebt 
jedoch  diese  Annäherung  zum  Sättigungspunkt  zur  Ge- 
wifsheit. 

Bei  der  Prüfung  der  Magnetismen,  welche  hohle  und 
massive  Eisenkerne  von  übrigens  gleichen  Dimensionen  ge- 
ben, suchte  ich  zuerst  zu  beantworten,  ob  eine  gewisse 
Form  der  Polflächen  von  Einflufs  sej.  Ich  liefs  zu  dem 
Ende  drei  eiserne  Cjlinder  von  gleichen  Dimensionen  an- 
fertigen, von  denen  der  eine  massiv  und  die  andern  hohl 
waren.  Von  den  letzteren  war  jedoch  der  eine  mit  eisernen 
Deckplatten  versehen,  während  der  andere  blofs  aus  einem 
cjlindrisch  zusammengebogenen  und  verlötheten  Blech  be- 
stand. Diese  drei  Cjlinder  legte  ich  nach  einander  in  die 
elektrische  Spirale,  welche  stets  von  demselben,  aber  schwa- 
chen Strome  umflossen  war.  Eine  Prüfung  der  in  den  Cj- 
lindern  freigewordenen  Magnetismen  ergab  zwar  einen  Un- 
terschied derselben,  doch  waren  die  Unterschiede  so  geringi 
dafs  sie  nicht  auf  den  bedeutenden  Unterschied  in  der  Masse 
oder  auf  eine  Verschiedenheit  in  der  Gröfse  der  Polflächen 
geschoben  werden  konnten;  vielmehr  mufsten  sie  ans  der 
Verschiedenheit  der  Eisensorten,  der  Art  der  Löthung,  der 
gröfseren  oder  geringereu  Quantität  des  stabilen  und  on- 
regelmäfsig  vertheilten  Magnetismus,  namentlich  in  den  boh- 
len Kernen,  erklärt  werden. 

Genug,  ich  glaubte  mich  durch  diesen  Vorversuch  be- 
rechtigt, hohle  Eisenrjlinder  mit  Deckplatten,  und  solche 
ohne  Deckplatten,  für  gieichwerthig  erachten  zu  dürfen  und 


329 

«ntitzte  daher  zu  den  folgeoden  Versuchen  nur -die  ein- 
acheren  Cjlinder  der  letzten  Art.  Ich  liefs  nun  eine  An- 
zahl solcher  Cjlinder  von  110  Millimeter  Länge  aus  Eisen- 
blech anfertigen.  Sie  waren  mit  Messing  an  den  Längsfugen 
zusammengelöthet  und  pafsten  mit  geringen  Zwischenräumen 
in  einander.  In  der'  nächstfolgenden  Tabelle  enthält  die 
erste  Yerticalreihe  die  Nummer  dieser  Cjlinder,  die  zweite 
die  gemessenen  Umfange  und  die  dritte  die  Blechdicke, 
welche  letztere  aus  den  Dimensionen,  dem  absoluten  und 
dem  specifischen  Gewichte  berechnet  wurde. 


No. 

UmfaDg  in 

Blechdicke  in 

MillimeterD. 

Millimetern. 

2 

97,0 

0,52 

3. 

91,4 

0,53 

4. 

85,9 

0,54 

5. 

79,5 

0,54 

6. 

73,9 

0,52 

7. 

67,8 

0,53 

8. 

61,2 

0,53 

Diese  Cjlinder  benutzte  ich  folgendermafsen.  Zuerst 
bestimmte  ich  für  eine,  in  der  nächsten  Tabelle  angegebene 
Entfernung  r  der  Mitte  der  Spirale  von  dem  Nullpunkte 
der  Scale,  die  ebenfalls  daselbst  in  der  zweiten  Columne 
verzeichnete  Stromstärke,  indem  ich  die.  gleichfalls  in  der 
ersten  Columne  iLerzeichnete  Entfernung  q  der  Mitte  des 
compensirenden  Stabmagneten  in  die  Formel  L  einsetzte. 
Hierauf  legte  ich  den  bohlen  Eisencjlinder  No.  2  in  die 
Spirale  und  maafs  die  in  der  vierten  Columne  verzeichne- 
ten Gröfsen  q.  Da  in  allen  diesen  Eisencjlindern  eine  grofse 
Quantität  von  stabilem  Magnetismus  zurückblieb,  konnte  ich 
denselben  nicht  besser  aus  den  Beobachtungen  eliminircn,  als 
dadurch,  dafs  ich  nach  jeder  Beobachtung  den  EismicjÜn- 
der  in  der  Spirale  umdrehte  und  abermals  den  Werth  von 
g  maafs.  War  der  Unterschied  von  q  in  der  ersten  und 
der  zweiten  Lage  des  Eisencjliudcrs  in  der  Spirale  sehr 
bedeutend,  so  berechnete  ich  für  beide  Messungen  den 
Magnetismus  besonders  und  nahm  aus  diesen  Rechnungen 


330 

6m  UBitd,  wie  «  in  der  f&nften  Cokmuie  venciobiiet  hI. 
War  bImt  der  Unterschied  dieses  so  gemeaseDCO  ^  snr.  ge- 
ring, so  bcredmele  ich  den  MagnetiEimiB  Bor  ans  dem  SÜt- 
lel  diBMr  beiden  p.  Aas  diesen  Gmnde  ist  nameatlidi 
bd  geringeren  Stromstirken  ein  doppelter  W«-tb  von  f 
in  der  Tieften  Colnmne  augegeben.  Nach  Messung  der 
Werlbe  von  p  fflr  den  Cjlinder  No.  2  schob  ich  in  da- 
sdben  den  Cjlinder  No.  3  and  bestimmle  von  neoem  f, 
ebenso  Terfnbr  ich  mit  dem  Cjlinder  No.  4  n.  b.  w.,  io 
lange  als  noch  eine  Zunabme  an  Magnetiamns  bei  gleichtr 
Stromstarke  sich  bemerklich  machte.  Die  in  der  fKoftoi 
Colamne  veixeichDeten  Werlhe  sind  die  Werthe  für  die 
Magnelisinen  der  Eisenkerne  allein,  nach  Abzog  des  Wer- 
tbes  iGr  die  magoriisdie  Wirkung  der  Spirale.  Dadarch, 
dafs  man  den  Werth  des  Magnetismus  fSr  den  zweiten 
Eisenkern  von  dem  ffir  den  zweiten  und  dritten,  und  die- 
sen letzteren  von  dem  für  den  zweiten,  dritten  und  vierteo 
u.  s.  f.  abzieht,  erhalt  man  die  in  der  siebenten  Columue 
verzeichueten  Werlhe  der  Magnetismen,  welche  gleichzei- 
tig in  den  einzelnen  Eisenhallen  allein  frei  werden.  In 
der  sechsten  Colamne  sind  die  Nummera  dieser  Eieenhfll- 
len  einzeln  verzeicbneL  Jede  Versuchsreihe  wurde  (Qr 
dieselbe  Stromstarke  drei  Mal  wiederholt,  bo  dafs  q  Ar 
die  SlromsUrke  das  Mittel  ans  vier  Messungea  (zu  An- 
fang and  za  Eode  jeder  Wiederholung)  und  q  filr  die  Mag- 
netismen der  Eisenkerne  das  Mittel  ans  3  oder  6  Messon- 
gen  ist. 


1. 

rvndg  in 
Millimetern. 

2. 

Strom- 
stärke. 

3. 

Nummern  d. 

gleichseitig 

gebrauchten 

Eisencjlin- 

der. 

4. 
^  in  Milli- 
metern. 

6. 

Gesaromt- 

magne- 
tismus  der 
Gjlinder. 

6. 
Num- 
mer der 
einzel- 
nen Cy- 
linder. 

7. 
Magnetis- 
mus in 
densel- 
ben. 

r— 300 
^=»602,62 

0,187 

2. 

2.3. 
2. 3. 4. 

(344,23) 
|370,37 

348,77 
345,26 

0,313 

0,348 
0,365 

r— 400 
^=587,25 

0,270 

2. 

2.3. 
2. 3. 4. 

(404,13) 

{419,47 

404,42 

401,86 

0,618 

0,563 
0.577 

r=400 
^—496,12 

0,449 

2. 

2.3. 
2. 3. 4. 

339,16 
335,40 
331,31 

0,968 
1,016 
1,044 

r— 600 

0,790 

2. 

2.3. 
2. 3. 4. 

350,31 
344,75 
343,13 

1,748 
1,874 
1,913 

r»500 
^ss  447,35 

1,212 

2. 

2.3. 
2. 3. 4. 

305,42 

298,67 
297.26 

2,639 
2,911 
2,971 

2. 
3. 

4. 

2,639 
0,272 
0,060 

r»:650 
«=608,52 

1,826 

2. 

2.3. 
2. 3. 4. 
2. 3. 4. 6. 

354,65 
342,48 
340,05 
339^3 

3,592 
4,198 
4,329 

4,358 

2. 
3. 
4. 
5. 

3,592 
0,605 
0,132 
0,029 

r=650 
«»432,47 

2,975 

2. 

2.3. 
2.3. 4. 
2.3.4.6. 

315,68 
294,08 
289,98 

288,33 

4,742 
6,604 
7,024 
7,199 

2. 
3. 
4. 
5. 

4,742 
1,961 
0,420 
0,175 

r=800 
««443,83 

6,150 

2. 

2.3. 
2. 3. 4. 
2. 3. 4. 6. 
2.a4.5.6. 

347,25 
313,45 
299,70 
296,99 
294,79     . 

5,690 

9,613 

11,823 

12,432 

12,751 

2. 

a 

4. 
5. 

a 

5,690 
A923 
2,210 
0,609 
0,319 

r— 900 
«=r  455,72 

6,783 

2. 
2.3. 

2. 3. 4. 
2. 3. 4. 5. 
2.3.4.6.a 

2 7. 

2 8. 

368,90 
333,15 
314,16 
305,70 
302,95 
301,58 
300,90 

6,059 
10,710 
14,129 
15,942 
16,577 
16,860 
17,011 

2. 
3. 

4. 
5. 
6. 

7. 
8. 

6,059 
4,661 
3,419 
1,813 
0,a35 
0,283 
0,151 

332 


Eine  andere  VerGucbsreihe ,  ganz  ia  äliulicher  Wdse 
wie  die  der  vorigen  Tabelle,  iedoch  nur  mit  vier  Lagen 
Kupferdrabt  auf  der  magnelisirendeo  Spirale,  aiigeetellt,  od- 
lerdrticke  ich.  Sie  führte,  freilich  in  unTollkomiDCDer  Weise, 
zu  deiiBelben  Resultaten  als  die  vorige. 

Die  Resollalc  der  vorigen  Tabelle  habe  idb  Don  eben- 
falls graphisch  (auf  der  Figurenlafel  V.)  dargestellt,  und 
zwar  sind  die  in  Columne  2  und  5  Terzeicbuelen  Zah- 
len für  den  CoordinateD- AnfaugspunLl  O  projicirl.  Die 
Abscissen  entsprechea  den  Zahlen  der  Columue  2,  also 
deu  SlromslSrken,  und  die  Ordinaten  den  Zahlen  der  Co- 
lumne 5,  d.  h.  den  in  den  respecüven  Eisencylindern  ef- 
zenglen  Magnetismen.  Die  Currc  Om  bewegt  sich  wie 
der  mit  der  Stromstärke  zunehmende  Magnetismus  in  dem 
aufsersten  Eiseneylinder  No.  2,  die  Cuire  Ott  ni^  der  in 
den  beiden  in  einandergescfaobenen  Cylindern  No.  2  und 
3  a.  E.  f.,  so  dafs  enditdi  die  Carve  Oa  fQr  die  Gesammt- 
heit  der  Cjlinder  No.  2  bis  8  gelten  würde. 

Wir  erkennen  sogleich,  dafs  der  Magnetismus  in  den 
äu&crsten  C^lioder  sehr  bald  einem  Sätligangspunkte  zaeilli 
indem  die  Gurre  0«  «idi  asymptotisch  einer  Horizonta- 
len annähert,  deren  ungefähre  Lage  unechwer  zu  eira- 
theo  ist. 

Femer  sehen  wir,  dafs,  je  mehr  Eisencytinder  in  einan- 
der liegen,  dcGio  weniger  eine  Neigung  des  MaguclisniDi 
vorhanden  ist,  sich  dem  Sättigungspunkt  aozuDähero,  denn 


333 

die  Curveo  On,  Oo . . .  Os  Dähern  sich  mehr  und  mehr 
einer  Graden  OII*.  Der  geneigte  Leser  wird  sich  aber  er- 
inuern,  dafs  diese  Grade  Oll^  der  Zunahme  des  Magnetis- 
mus in  dem  oben  beschriebenen  massiven  Eisencylinders 
II*  entsprach.  Dieser  massive  Cylinder  II*  hatte  einen 
Umfang  von  94""^,9;  unser  hohler  Eisencylinder  No.  2  hat 
aber  einen  Umfang  von  97°''',0,  also  nahezu  denselben, 
wie  jener.  Sehen  wir  von  diesem  kleinen  Unterschiede 
ab,  bedenken  wir  ferner,  dafs  bekanntlich  verschiedene 
Eisensorten  eine  verschiedene  Fähigkeit  haben,  Magnetismus 
aufzunehmen,  und  dafs  wir  hier  Cylinder  von  Stabeisen 
und  gewalztem  und  zusammengelöthetem  Eisenblech  voiIie> 
gen  haben;  bedenken  wir  endlich,  dafs  diese  letzteren  Cy- 
linder nur  mit  Zwischenräumen  in  einander  liegen :  so  be- 
rechtigt eine  Anschauung  der  verzeichneten  Linien  unzwei- 
felhaft  zu  den  Schlüssen: 

1)  Der  Elektromagnetismus  dringt  in  das  Innere  des  tDei- 
chen  Eisens  ein. 

2)  Derselbe  dringt  um  so  mehr  ein,  je  stärker  der  indu- 
drende  galvanische  Strom  ist. 

3)  Eine  jede  Schicht  des  toeichen  Eisens  hat  einen  Sätti- 
gungspunkt. 

4)  Der  Magnetismus  in  hohlen  und  massiven  Cylindem  von 
gleicher  Eisensorte  ist  bei  gleicher  Stromstärke  gleich 
starky  wenn  überhaupt  genug  Eisenmasse  ^ur  Enttoicke- 
hmg  desselben  vorhanden  ist. 

Es  entstehen  aber  die  weiteren  Fragen:  wie  verhält 
sich  der  Magnetismus  zur  Dicke  derjenigen  Eisenscbicht, 
bis  zu  welcher  er  eindringt?  und  welche  ist  die  Dichtigkeit 
des  Magnetismus  an  der  Oberfläche  des  Eisenkernes?  Auch 
diese  Fragen  lassen  sich  durch  die  gefundenen  Zahlen  beant- 
worten. 

Ziehen  wir  nämlich  die  in  der  fünften  Columne  der  letz- 
ten Tabelle  verzeichneten,  zu  dem  Eisencylinder  No.  2  ge- 
hörigen Zahlen  von  denen  ab,  die  zu  den  Cylindern  No.  2 
und  3  gehören,  verfahren  ebenso  mit  deii  letzteren  Zahlen 
indem  wir  sie  von  den  zu  No.  2,  3  und  4  gehörigen  ab- 


334 

ziehen,  so  eilialten  wir  die  Qaantitltcn  too  Magndismin^ 
welche  gleichzeitig  in  den  einzelnen  Cjlindem  frei  werden. 
Diesdben  sind  in  der  siebenten  and  die  tngdillrigen  Cy- 
linder  in  der  sechsten  Columne  Tefzeicfanet.  Um  za  beant- 
worten, wie  sich  der  Magnetismus  bei  gleicfaer  Stromstärke 
in  den  Tcrschiedenen  Schichten  des  Eisens  ▼erhält,  bran- 
chen  wir  nur  die  Zahlen  ^er  siebenten  Coliuniie  in  der 
letzten  Tabelle  mit  den  Zahlen  der  dritten  Columne  in  der 
vorletzten  Tabelle  zo  vergleichen.  Eine  graphische  Dar- 
stellnng  befindet  sich  auf  der  Fignrentafel  V.  Von  des 
Coordinaten- Anfangspunkte  0^  ans  gerechnet,  sind  die  Ah- 
scissen  den  Blechdicken  der  angewandten  Cylinder  propor- 
tional, so  dafs  jeder  Theilstrich  ffir  0,1  Blillimeter  genom- 
men worden  ist.  Die  Ordinaten  entsprechen  den  Zahlen 
der  siebenten  Columne  und  zwar  gehören  die  Conren 

gg  zur  Stromstarke  8,510 
hh     -  -  6,783 

ft      -  -  5,150 

4*     .  -  2,973. 

Mit  Vernachlässigung  derjenigen  Punkte^  weldie  einem  Mag- 
netismus geringer  als  0,4  zugehören,  liegen  die  verzeichne- 
ten Punkte  so  merklich  in  geraden  Linien,  dab  wir  uns 
nicht  entschlagen  können,  die  Curven  als  gerade  Lanien 
zu  betrachten.  In  Wahrheit  dürfen  wir  aber  diese  gerin- 
gen Magnetismen  aufser  Acht  lassen,  da  sie  die  Anziehung 
welche  das  weiche  Eisen  auf  die  Magnetnadel  ausfibt,  fer- 
ner den  uoregelmäfsig  im  Eisen  vertheilten  stabilen  Magne- 
tismus nicht  verdecken,  und  da  bei  so  geringen  Grölsen 
Beobachtungsfehler  am  leichtesten  hervortreten.  Allerdings 
verschaffen  sie  den  Curven  das  Ansehen,  als  wQrden  sie 
sich  asymptotisch  der  Abscissenaxe  zu  bewegen;  doch  rafifsten 
wohl  alsdann  die  Curven  schon  früher  eine  dieser  Bewe- 
gung bezügliche  Gestalt  angenommen  haben.  Aas  diesen 
Gründen  scheue  ich  mich  nicht,  die  hier  verzeichneteo 
Curven  für  gerade  Linien  zu  erklären  und  sonadi  auszu- 
sprechen: t 


335 

Der  EtekiroMMguetismus  dringt  in  das  weiche  Eisen  bis 
»if  einer  näher  !&u  erörternden ,  von  der  Stromstärke  a6- 
hängigen  Tiefe  ein,  fco  er  =0  ist.    Proportional  dem 
Abstände  von  der  in  dieser  Tiefe  liegenden  Schicht  nach 
aufsen  wird  er  in  jeder  Schicht  intensiver  und  erlangt  an 
der  Oberfläche  des  Eisens  das  Maximum  der  Intensität. 
Betrachten  wir  uun  diese  Corven  mit  Ausnahme  der 
genannten  verdächtigen  Punkte  als  gerade  Linien,  so  können 
vrir  ihre  wahrscheinlichste  Lage  nach  der  Formel  y=/9—aa; 
berechnen,   wo  fi  und  a  Constante,  x  die  Abscissen  und 
y  die  Ordinaten  bedeuten.    Nach  dieser  Berechnung  wür- 
den sich  die  wahrscheinlichsten  Lagen   dieser  vier  Linien 
folgend ermafsen  ergeben: 

[»»]  ,=7,355- W44«  j -";  »=^^ 

[«3,=w^-a,,57,j-J;j:J|^ 

[AÄ]  y=6,640-4.050a.  jy^^:  l^^'^^^ 

Setzen  wir  in  diesen  Formeln  a;==0,  so  erhalten  wir  die 
Werthe,  welche  y  (d.  i.  die  Dichtigkeit  des  Magnetismus), 
an  der  äufsern  Oberfläche  des  Eisens  erlangt  hat.  Diese 
W^the  (ür  y  fiiild  für  die  hier  angewandten  vier  Strom- 
stSrken  so  merkwürdig  nahe  dieselben,  dafs  ich  nicht  um- 
hin kann  auszusprechen:     - 

Die  Dichtigkeit  des  Elektromagnetismus  an  der  Oberfläche 
des  weichen  Eisens  ist  für  alle  Stromstärken  dieselbe 
Gröfse. 
Hie  ÖrOfse  von  y  variirt  zwischen  Zahlen  7,272;  7,355; 
7^ä22  und  6,640.  Der  wahrscheinlichste  Mittelwerth  aus 
diesen  viei^  Gröfsen  ist  7,200,  so  dafs  wir  obige  Behauptung 
dahin  erweitern  können: 

die  Dichtigkeit  des  Elektromagnetismus  an  der  Oberfläche 
des  weichen  Eisens  ist  für  alle  Stromstärken  dieselbe  und 
läfst  sich  durch  die  Gröfse  7^200  ausdrücken. 


336 

Diese  Gröfse  7,200  wäre  nun  auch  der  SättiguDgppunkt, 
bis  zu  welchem  eine  mefsbar  dicke  Schicht  eiaes  EiBen- 
cylinders  gedeihen  könnte.  Einer  Abscisse  7,200  entspräche 
sonach  die  horizontale  Asymptote,  gegen  welche  die  Curve 
Om  sich  nähert. 

Setzen  wir  in  den  zuletzt  aufgeführten  Gleichungen 
y=0,  so  erhalten  wir  die  Werthe  von  a;,  bis  zu  welchen 
der  Magnetismus  überhaupt  unter  die  Oberfläche  des  wei- 
chen Eisens  bei  einer  gewissen  Stromstärke  eindringt.  Die 
Linien  gelten  für  die  Stromstärke 

8,510;  6,783;  5,150;  2,957, 
die  so  gefundenen  Tiefen,  bis  zu  welchen  die  magnetischen 
Spannungen  in  das  Eisen  eindringen,  sind: 

3,541;  2,895;  2,319;  1,640. 
Die  letzteren  Gröfsen  sind   den   ersteren  so   proportional, 
dafs,  wenn   wir  die  ersteren   als   Abscissen,   die   letzteren 
als  Ordinalen  zum  Coordinatenanfangspunkt  O^  verzeichnen, 
die  entstehende  Linie  zz  merklich  genug  als  Gerade  gelten 
kann.     (Figurentafel  V.)     Es  ginge  hieraus  hervor: 
dafs  die  Tiefe,   bis  zu  welcher  der  Elektromagnetismus 
in  das  weiche  Eisen  eindringt,  der  Stromstärke  propor- 
tional ist. 

Da  wir,  wie  gezeigt  wurde ,  die  ganze  Quantität  des 
Magnetismus  im  massiven  Eisenkern  11*  in  den  hohlen  Ei- 
senkernen wiederfinden,  nur  mit  dem  Unterschiede,  daÜB 
wir  ihn  im  letzten  Falle  in  seine  Factoren  zerlegen  können, 
so  habe  ich  keinen  Anstand  genommen,  die  Vertheilung  des- 
selben im  massiven  Eisen  mir  ebenso  zu  denken  wie  in  den 
hohlen  Cjlindern,  und  deshalb  habe  ich  mich  in  den  allge- 
meinen Sätzen  einer  Zweideutigkeit  bedient,  welche  sowohl 
für  massive  als  für  zerlegbare  Cjlinder  ihre  Gültigkeit  hat 
Eine  Wiedcrliohlung  und  Erweiterung  dieser  Versuche 
dürfte  erspriefslich  sejn.  Genauere  Messungen,  namentlich 
an  gebohrten,  nicht  gelöthelen,  hohlen  Eisencjlindern,  wür- 
den genauere  Resultate  herbeiführen,  als  die  mit  unvoll- 
kommenen Apparaten  hier  vorgelegten.  Eine  Untersuchung 
der  verschiedenen  Eisensorten  in.  Bezug  auf  die  im  Voran- 


337 

gehenden  erörterten  Fragen  möchte  vielleicht  zu  neuen 
Aufschlüssen  über  dieses  geheimnifsvolle  Metall  führen.  Es 
vväre  wohl  möglich,  ähnliche  Betrachtungen  auch  auf  den 
stabilen  Magnetismus  des  Stahles  in  geeigneter  Weise  zu 
fibertragen.  Doch  schliefse  ich  diese^  Untersuchungen  einst. 
Tveileu  ab,  da  zu  denjenigen  Zwecken ,  zu  denen  sie  ange- 
stellt wurden,  die  gewonnenen  Resultate  mir  für  jetzt  ge- 
nügen. 

Zusatz. 

Um  die  mit  der  hier  angewandten  elektrischen  Spirale 
gewonnenen  Stromstärken  mit  Stromstärken  vergleichen  zu 
können,  die  mit  anderen  Spiralen  gemessen  werden,  er- 
laube ich  mir  noch  zusätzlich  zu  bemerken,  dafs  die  Halb- 
messer der  auf  derselben  befindlichen  acht  Lagen  von  Win- 
dungen, bis  zur  Mitte  des  Kupferdraht^s  in  jeder  dieser 
Lagen  gemessen, 

22;  24,7;  27,4;  30,1;  32,8;  35,5;  38,2;  40,9  MiUimeter 
betrugen.  Bezeichnet  man  diese  acht  Halbmesser  mit  A,,  h^, 
....As  und  eine  der  oben  in  Zahlen  angegebenen  Strom- 
stärken mit  J',  so  würde  eine  andere  Spirale  (von  gleicher 
Länge)  deren  Windungen  die  Werthe  k^,  &2...ftj»  zu  Halb- 
messern hätten,    von   einem  gleichen  Strome  durchflössen 

sevn,  wenn 

J'  J" 


2  3  a     "~"        2  9 

wäre,  in  welcher  Formel  J"  den  durch  die  zweite  Spirale 
gemessenen  Werth  der  Stromstärke  bedeutet.  Diese  For- 
mel ergiebt  sich  aus  den  Betrachtungen,  welche  zu  der  For- 
mel III  meiner  Abhandlung  „Ueber  den  Magnetismus  elek- 
trischer Spiralen  von  verschiedenem  Durchmesser '*  führten. 
Greifswald,  den  4.  April  1850. 


PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX. 


22 


338 


II.      Veber    Stibaeihyl,    ein   neues   anümonhaltiges 

organisches  Radical; 
€on  C.  LöQPig  und  K.  Schweizer. 

(Uebersandt  von  dem  HH.  Ycrf.  aus  den  Mittheilangen  No.  4S  der 

Zurcli.  Natorf.  Gesdlschaft). 


JLlie  vortrefflichen  Untersuchungen  Bunsen's  Ober  das 
Kakodjl  machten  es  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dafs 
sich  Antimon  mit  Kohlen*  und  Wasserstoff  ku  einen  or- 
ganischen Radicale  vereinigen  kOnne.  Von  dieser  Idee  aus- 
gehend, versuchte  der  eine  von  uns  schon  vor  mehreren 
Jahren  eine  Verbindung  dieser  Art  durch  Einwirkung  von 
Chlor-  oder  BromSthyl  auf  Antimonkalium  dareustellen ' ). 
Es  wurde  in  der  That  auf  diese  Weise,  besonders  bei  An- 
wendung von  Bromäthyl,  eine  farblose  Flüssigkeit  erhalten, 
welche  schwerer  war  als  Wasser,  an  der  Luft  einen  star- 
ken weifsen  Rauch  entwickelte-,  sich  leicht  in  Weingeist 
und  Aether  löste,  und  durch  Sanerstoffabsorption  in  einen 
weifsen  in  Wasser  löslichen  Körper  fiberging,  welcher  deut- 
lich sauer  reagirte.  In  der  wäfsrigen  Lösung  bewirkte  Schwe- 
felwasserstoff einen  hellgelben  Niederschlag,  welcher  einen 
starken,  mercaptanähnlichen  Geruch  besafs  und  im  getrock- 
neten Zustande  von  rauchender  Salpetersäure  unter  Fener- 
erscheinung  zersetzt  wurde.  Eine  Analyse  des  im  luftleeren 
Baume  fiber  Schwefelsäure  getrockneten  Präcipitats  lieferte 
Kohlen-  und  Wasserstoff  wie  im  Aethyl,  weshalb  sich  ver- 
muthen  liefs,  dafs  die  urspröngliche  flüssige  Verbindung 
selbst  eine  Verbindung  von  Aethyl  mit  Antimon  seyn  könne. 
Obgleich  es  schon  längst  unsere  Absicht  war,  diesen  Ge- 
genstand weiter  zu  verfolgen,  so  worden  wir  doch  jetzt 
die  folgende  Untersuchung  nicht  vorgenommen  haben,  wenn 
uns  nicht  die  wichtige  Arbeit  Frankland's*)  fibo*  die 
Isolirung   des   Aethyls   von  Neuem   dazu  veranlafst  hätte. 

1)  Chemie  der  organischen  VerbinduDgeo,  Bd.  2,  S.  433. 

2)  Annaleo  der  Pharmacie,  Bd.  72,  S.  171-216. 


339 

T^ir  bitten  jedoch  daa  Folgende  nur  als  eine  vorläufige 
Motiz  zu  betrachte,  und  wir  werden  im  VerbSltnifs  ab 
die  mit  manchen  Schwierigkeiten  verbundene  Untersuchung 
▼orschrcitet,  die  Resultate  bekannt  machen.  Das  Wich- 
tigste, zu  welchem  wir  bis  jetzt  gelangt»  ist:  daCs  auf  die 
angegebene  Weise  in  der  That  ein  organisches  Radical 
gebildet  wird,  welches  Kohlen-  und  Wasserstoff  im  Ver- 
bältnils  wie  im  Aethjl,  verbunden  mit  Antimon,  enthält, 
und  welchem  wir  vorläufig  den  Namen  SHbäthyl  gegeben 
haben. 

Das  Antimonkalium,  welches  wir  zur  Darstellung  des 
Stibätbyls  benutzen,  erhalten  wir  durch  Glühen  eines  in- 
nigen Gemenges  von  5  Theilen  rohen  Weinsteines  mit  4 
Theilen  Antimon.  Das  Gemenge  wird  in  einem  bedeckten 
Tiegel  erst  laugsam  bis  zur  Verkohlung  des  Weingeistes 
erhitzt,  dann  eine  Stunde  lang  einer  Weifsglühhitze  ausge- 
setzt, hierauf  wird  der  Ofen  luftdicht  verschlossen  und  der 
Tiegel  langsam  erkalten  gelassen,  wozu  wenigstens  24  Stun- 
den erforderlich  sind.  Man  erhält  auf  diese  Weise  einen 
vollkommen  krjstallisirten  Regulus,  von  ausgezeichnetem 
Metallglanz,  welcher  das  Wasser  unter  heftiger  Entwick- 
^ng  von  Wasserstoffgas  zersetzt,  sich  wegen  seiner  Dich- 
tigkeit au  der  Luft  nur  langsam  oxydirt  und  in  ^iner  trocke- 
nen Reibschale  schnell  zu  einem  feinen  Pulver  zerrieben 
werden  kann,  sich  dabei  aber  erwärmt  und  an  der  Luft 
sich  sehr  bald  entzündet.  Diese  Entzündjang  kann  jedoch 
▼erhindert  werden,  wenn  man  sogleich  beim  Reiben  2 — 3 
Tbeile  feinen  Quarzsand  hinzufügt.  Nach  einer  Analyse 
▼on  Hrn.  Hilgard  aus  Illinois,  welcher  uns  bei  unserer 
Untersuchung  thätig  unterstützte,  enthält  die  Legirung  12 
I  Proc.  Kalium. 

Um  das  Stibäthyl  zu  erhalten,  kann  man  sowohl  Chlor- 
als  Brom-  und  Jodäthyl  anwenden;  das  letztere  eignet 
sich  jedoch  am  besten  dazu,  weil  es  noch  leichter  als  Brom- 
äthyl zersetzt  wird.  So  wird  salpetersaures  Silberoxyd 
durch  eine  weingeistige  Lösung  von  Jodäthyl  sogleich  ge- 
fällt, während  Bromäthyl  erst  nach  einiger  Zeit  auf  das- 

22* 


340 

selbe  einwirkl.  Das  JodStbyl  erhalten  wir  nach  der  ge- 
fTöhnlichen  Methode  durch  gemeinschaftliche  Einwirkang 
▼on  Jod  und  Phosphor  auf  Weingeist.  Es  ist  jedoch  nö- 
thig,  dasselbe,  um  es  vollkommen  phosphor- wasserfrei  zu 
erbalten,  mehrmals  mit  Jod  und  Chlorcalcium  zu  be- 
handeln. 

Bringt  man  fein  geriebenes  Antimonkalium  mit  JodSthjl 
zusammen,  so  beginnt  nach  einigen  Minuten  eine  SnCserst 
heftige  Einwirkung,  welche,  wenn  die  Quantität  der  rcagi- 
rendeu  Stoffe  grofs  ist,  bis  zur  Entztindung  gehen  kann. 
Mit  grofsen  Massen  zu  operiren,  ist  unmöglich,  auch  ist 
es  nothwendig,  um  die  Heftigkeit  der  Einwirkung  zu  m8- 
fsigen,  das  Antimonkalium  mit  2  —  3  Theilen  feinem  Quarz- 
sand zu  zerreiben.  Das  Antimonkalium  mufs  im  Verhält- 
nifs  zum  Jodäthvl  in  grofeem  UeberschuCs  angewandt  wer- 
den, weil,  wie  sich  aus  den  Analysen  ergeben  wird,  3  At. 
Jod  gegen  1  At.  Antimon  austauschen,  und  die  Legirnng 
nur  12  Proc.  Kalium  enthält.  Wir  bringen  nicht  mehr 
Jodäthjl  auf  das  .\ntimonkalium,  als  nölhig  ist  dasselbe 
schwach  damit  zu  befeuchten. 

Wir  finden  es  am  vortheilhafteslen,  zur  Darstellung  des 

StibSthTls  kleine  Kolben  mit   kurzem  Halse  von    3  bis  4 

Unzen  Inhalt  anzuwenden.   Diese  werden  zu  zwei  Dritteln 

mit  der  frich  geriebenen  Mischung  von  Antimonkalium  und 

Sand  gefüllt  und  sogleich  Jodäthjl  im  genannten  Verhält- 

nifs  zugesetzt.    Der  Kolben  wird  mit  einer  gewöhnlichen 

gläsernen  Destillationsröhre,  welche  in  eine  kleine  VorInge 

mfindet,  verschlossen.    Nach  einigen  Minuten  tritt  die  Re- 

action  ein;  durch  die  stattfindende  Wärmeentwicklung  wird 

das  im  Ueberschnfs    zugesetzte  Jodäthjl    verflfichtigt   und 

der  Kolben  selbst  mit  Jodäthjigas  angefüllt.     Sobald  kein 

Jodäthjl  mehr  Qbergeht,  wird  die  Destillationsröhre  entfernt 

und  der  Kolben,  noch  warm,  so  schnell  als  möglich  mit 

dem  eigentlichen  Apparat  in  Verbindung  gesetzt.    Derselbe 

besitzt  folgende  Einrichtung:     Ein  hohes  weites  Cjlinder- 

glas  ist  mit  einem  Kork,  welcher  dreimal  durchbohrt  ist, 

verschlossen;  durch  die  eine  Oeffnung  geht  eine  bis  auf 


341 

den  Boden  reichende  Glasröhre,  welche,  anfserhalb  in  ei- 
uem  rechten  Winkel  gebogen,  mit  einem  Apparate  in  Ver- 
bindung steht,  in  welchem  während  der' Operation  fortwäh- 
rend Kohlensäure  entwickelt  und  durch  eine  lange  Chor- 
calciumröhre  geleitet  wird.  Durch  die  zweite  Oeffnung  wird 
eine  gleich  unterhalb  des  Korkes  mündende,  weite,  1 — 2 
Fufs  lange  Glasröhre  gebracht,  aus  welcher  die  Kohlensäure 
entweicht.  Durch  die  dritte  sehr  enge  Oeffnung  endlich 
geht  die  eigentliche  Destillationsröhre  fast  bis  auf  den  Bo- 
den des  Gefäfses,  in  welches  schon  vorher  ein  mit  Anti^ 
monkalium  zum  Theil  gefüllter  kleiner  Kolben  gebracht 
wird,  der  zur  Auffanguug  des  Products,  und  später  wieder 
als  Destillationsgefäfs  dient.  Durch  den  Apparat  läfst  man, 
bevor  die  Operation  beginnt,  wenigstens  i  Stunde  lang 
einen  raschen  Strom  von  Kohlensäure  gehen,  damit  sich 
zuvor  alle  Theile  mit  Kohlensäure  anfüllen.  Der  Kolben 
wird  nun  auf  der  Spirituslampe  im  Anfang  schwach  und 
nach  und  nach  stärker  so  lauge  erhitzt,  bis  keine  Tropfen 
mehr  übergehen.  Der  Kolben  wird  alsdann  entfernt,  die 
Destillationsröhre,  ohne  sie  aus  dem  Apparate  herausztinch 
men,  mit  Wachs  verschlossen,  und  die  Operation,  die  höch- 
stens 20  Minuten  dauert,  mit  einem  zweiten  Kolben  u.  s.  w., 
vorgenommen.  Arbeiten  sich  zwei  in  die  Hände,  und  hat 
man  20 — 24  Kolben  in  Bereitschaft,  so  kann  man  sich 
leicht  in  einem  Tage  4  —  5  Unzen  rohes  Product  verschaf- 
fen. Der  Kolben  in  welchem  das  Destillat  aufgefangen 
wurde,  wird  nun  in  der  Atmosphäre  von  Kohlensäure  ver- 
schlossen und  nach  einigen  Stunden  die  Rectification  im 
gleichen  Apparate  vorgenommen.  Um  zu  entscheiden,  ob 
bei  der  Einwirkung  des  Jodäthjls  auf  Antimonkalium  ver- 
schiedene Producte  gebildet  werden,  brachten  wir  in  den 
Apparat  mehrere  kleine  Fläschcheu  und  fingen  das  Ueber- 
gehende  in  4  Portionen  auf,  was  leicht  und  ohne  Verlust 
durch  Drehen  des  Cyliudergefäfses  geschehen  kann.  Ob- 
gleich das  Stibälhyl  keinen  angenehmen  Geruch  besitzt,  so 
ist  derselbe  doch  so  wenig  belästigend,  dafs  man  selbst  in 
einem  Zimmer  die  Operation  vornehmen  kann. 


342 

Wir  theilen  non  die  Resultate  der  Analysen  der  ver- 
schiedenen bei  der  Rectification  erhaltenen  Portionen  mit 
Zam  Abwägen  der  Substanz  bedienen  wir  ans  kleiner,  en- 
ger Cjlinderröhren,  welche  zu  einer  langen  Spitze  ausge- 
zogen  sind.  Dieselben  sind  an  der  Stelle,  an  welcher  die 
Haarröhre  beginnt,  zu  einem  spitzen  Winkel  gebogen;  die 
Capillarröhre  ist  so  lang,  dafs  sie  fast  auf  den  Boden  des 
oben  angegebenen,  mit  Kohlens&ure  gefQllten  Cylindergla- 
ses  reicht,  in  welche  sie  durch  die  enge  Oellnung  gebracht 
wird,  durch  welche  bei  der  Destillation  die  Destillations- 
rOhre  geht;  die  Cjlinderröhrchen  selbst  befinden  sich  an- 
(serhalb  des  Apparates.  Dieselben  werden  nun  mit  der 
Spirituslampe  so  stark  erhitzt,  als  das  Glas  ohne  weich  zu 
werden,  ertragen  kann.  Nach  dem  Erkalten  erhitzt  man 
sie  abermals  und  nach  9 — 10  maliger  Wiederholung  sind 
dieselben  vollständig  mit  Kohlensäure  angeföllt.  Man  taucht 
nun  die  Spitze  in  die  Substanz,  die  natQrlich  sich  schon 
vorher  im  Apparate  befinden  mufs,  und  f&llt  sie  so  weil 
an,  dafs  ungefähr  der  sechste  Theil  leer  bleibt  und  sich  in 
der  Haarröhre  keine  Flüssigkeit  mehr  befindet  Ehe  man 
die  Spitze  aus  dem  Apparate  herausnimmt,  labt  man  sie 
noch  80  lange  in  der  Atmosphäre  mit  Kohlensäure,  bis  die 
kleine  Menge  Substanz,  welche  an  derselben  haftet ,  abge- 
dunstet ist;  die  Spitze  wird  dann  zugeschmolzen.  Um  nun 
die  Cjlinder  in  die  Verbrennungsröhre  zu  bringen,  macht 
man  an  die  Biegung  einen  Feilstrich  und  bricht  die  Spitze 
im  Momente,  in  dem  mau  den  Cjlinder  in  die  Verbren- 
nungsröhre bringt,  ab;  dabei  findet,  weil  sich  Kohlensäure 
im  Cjlinder  befindet,  kein  Rauchen  statt  Die  HaarrOhre 
wird  hierauf  2  —  3  Mal  zerbrochen  und  ebenlalk  in  die 
Verbrennungsröhre  gebracht 

Die  Verbrennung  geht  mit  Kupferoxjd  ohne  Schwie- 
rigkeiten von  statten,  aber  die  Oxydation  ist  unvollständig. 
Wir  erhielten  von  derselben  Substanz  25,  28,  30  bis  33 
Proc.  Kohlenstoff.  Die  Ursache  liegt  in  der  Zeraettbar- 
keit  der  Verbindung  durch  die  Wärme;  es  scheidet  sich 
nämlich   ein  inniges  Gemenge,  vielleicht  eine  Verbindung 


I 


343 

vou  Aulimoti  uud  Kohle,  aus,  auf  wcicbc  dos  Kupferoxyd 
nicht  mehr  einzuwirken  vermag.  Dagegen  gelingt  die  Ver« 
brennung*  vollständig,  wenn  man  dem'  Kupferoxjd  4  —  5 
Proc.  chlorsaures  Kali  zusetzt.  Das  chlorsaure  Kali  wird 
geschmolzen,  dann  zerrieben,  mit  dem  noch  warmen  Kup- 
feroxyd gemengt  und  das  Gemenge  einige  Tage  unter  der 
Glocke  über  Schwefelsäure  stehen  gelassen.  Ein  solches 
Genienge  entwickelt  ganz  gleichförmig  Sauerstoffgas,  uud 
mau  hat  die  Kegulirung  der  Operation  ganz  in  der  Hand. 
In  die  Verbrennungsröhre  wird  zuerst  etwas  reines  Kupr 
feroxjd,  dann  eine  Schicht  des  Gemenges,  hierauf  die  Sub- 
stanz, dann  bis  zur  Hälfte  der  Röhre  von  der  Mischung 
und  zuletzt  wieder  reines  Kupferoxyd  gebracht. 

Weder  Salpetersäure  noch  Königswasser  bewirken  eine 
vollständige  Oxydation  des  Antimons.  Wir  versuchten  das* 
selbe  zu  bestimmen,  indem  wir  in  die  Verbrenuungsröhre 
Ziokoxyd  brachten,  dem  etwas  chlorsaures  Kali  zugesetzt 
wurde;  wir  erhielten  jedoch  Differenzen  von  6  Proc,  je 
nach  der  Hitze,  welche  bei  der  Verbrennung  einwirkte. 
In  sehr  höher  Temperatur  scheint  sich  eine  Verbindung 
Ton  Antimonoxyd  mit  Zinkoxyd  zu  bilden,  welche  weder  ' 
von  Salzsäure  noch  Königswasser  angegriffen  wird.  Bes* 
sere  und  übereinstimmendere  Resultate  erhält  man,  wenn 
dem  Zinköxyd  kein  chlorsaues  Kali  zugesetzt  wird.  Das 
Antimon  scheidet  sich  dann  metallisch  aus,  und  ist  leicht 
durch  Königswasser  zu  lösen.  Die  besten  Resultate  er- 
hielten wir  jedoch,  indem  wir  die  Verbindung  durch  glü^ 
henden  Quarzsand  leiteten.  Wir  wenden  eine  lange  Ver- 
brennungsröhre an,  bringen  in  den  unteren  Theil  etwas 
Sand,  auf  denselben  die  Substanz,  füllen  den  übrigen  Theil 
zu  1  mit  Quarzsand  an  und  lassen  den  leeren  Theil  der 
Röhre  aus  dem  Verbrennungsofen  herausreichen,  damit  er 
kalt  bleibe  und  sich  in  demselben  das  Antimon,  welches  sich 
möglicherweise  verflüchtigen  könnte,  condensiren  könne.  Der 
Quarzsand  wird  nun,  wie  bei  organischen  Elementarana- 
lysen, nach  und  nach  bis  zum  Glühen  erhitzt,  und  dann 
über   denselben   der  Dampf  der  Verbindung  geleitet.     So- 


344 

iivie  derselbe  mit  dem  glQheuden  Sand  in  BerGbrung  kommt, 
scheidet  sich  Aulimou  krystalliiiisch  ans,  and  man  findet 
dasselbe  gewöhnlich  in  einem  sehr  kleinen  Baume  beisam- 
men. Nach  dem  Erkalten  wird  der  Inhalt  der  Röhre  iq 
ein  Becherglas  gebracht,  die  Bohre  mit  Königswasser  aas- 
gewaschen und  der  Sand  mehrere  Stunden  lang  mit  rau- 
chendem Königswasser  digerirt.  Man  verdünnt  nun  mit 
einer  Lösung  von  Weinsäure,  fällt  das  Antimon  durch 
Schwefelwasserstoff  und  findet  die  Menge  des  Antimons 
durch  Bestimmung  des  Schwefelgehaltes  des  erhaltenen  voll- 
ständig getrockneten  Schwefelautimons. 

In  der  ersten  Portion  bildeten  sich  nach  einiger  Zeit 
farblose,  spiefsige  Krystalle,  welche  Jod  enthielten;  schon 
beim  Uebergiefsen  derselben  mit  verdünnter  Salpetersäure 
wird  Jod  frei,  was  bei  dem  Jodäthjl  nicht  der  Fall  ist. 
Wir  haben  aber  bisjetzt  diese  Krjstalle  nur  ia  so  geringer 
Menge  erhallen,  dafs  es  uns  nicht  möglich  war,  eine  nä- 
here Untersuchung  derselben  vorzunehmen.  Auch  der  flüs« 
sige  Theil  enthält  noch  Jod,  welches  sogleich  ausgeschieden 
wird,  wenn  mau  denselben  mit  concentrirter  Salpetersäure 
zusammenbringt.  Bei  der  Analyse  des  flüssigen  Theiles  mit 
Kupferoxjrd  und  chlorsaurem  Kali  setzte  sich  zuletzt  iu  der 
Röhre  des  Chlorcalciumapparates  plötzlich  Jod  ab.  Ohne 
Zweifel  bildete  sich  zuerst  Jodkupfer,  welches  zuletzt,  nach- 
dem Alles  oxydirt  war,  durch  den  noch  freigewordeueu 
Sauerstoff  in  Jod  und  Kupferoxyd  zerlegt  wurde.  Die 
^weiten,  dritten  und  vierten  Portionen  waren  jedoch  ganz 
frei  von  Jod. 

Es  folgen  nun  die  Resultate  einiger  Analysen  der  zwei- 
ten, dritten  und  vierten  Portion  des  Destillates. 

1.  0,393  Substanz  der  zweiten  Portion  gaben: 
0,472  Kohlensäure  =  32,74  Proc.  Kohlenstoff, 
0,266  Wasser         =     7,18  Proc.  Wasserstoff. 

2.  0,468  Substanz  der  zweiten  Portion  gaben: 
0,280  Antimon        =  59,82  Proc.  Antimon. 

3.  0,513  Substanz  der  zweiten  Portion  gaben: 


345 

0,619  Kohlensäure  =  32,88  Proc.  Kobleustoff, 
0,323  Wasser  =    6,99  Proc.  Wasserstoff. 

4«     0,396  Substanz  der  zweiten  Portion  gaben: 
0,235  Antimon         =  59,42  Proc.  Antimon. 

5.  0,496  Substanz  der  zweiten  Portion  ohne  chlorsau- 
res Kali  verbrannt  gaben: 

0,560  Kohlensäure  =  30,78  Proc.  Kohlenstoff, 
0,322  Wasser  =     7,24  Proc.  Wasserstoff. 

6.  0,421  Substanz  der  dritten  Portion  gaben: 
0,529  Kohlensäure  =  34,27  Proc.  Kohlenstoff. 

7.  0,388  Substanz  der  dritten  Portion  gaben  bei  der 
Verbrennung  ohne  chlorsaures  Kali: 

0,254  Wasser  =    7,26  Proc.  Wasserstoff. 

8.  0,528  Substanz  der  dritten  Portion  gaben: 
0,318  Antimon        =  60,22  Proc.  Antimon. 

9.  0,446  Substanz  der  vierten  Portion  ohne  chlorsau- 
res Kali  gaben: 

0,548  Kohlensäure  =  33,52  Proc.  Kohlenstoff, 
0,291  Wasser  =    7,24  Proc.  Wasserstoff. 

10.  0,  413  Substanz  der  vierten  Portion  gaben: 
0,522  Kohlensäure  =  34,47  Proc.  Kohlenstoff, 
0,275  Wasser  =    7,28  Proc.  Wasserstoff. 

11.  0,399  Substanz  gaben: 

0,234  Antimon  =  58,70  Proc.  Antimon. 
Aus  diesen  Analysen  ergiebt  sich,  dafs  die  dritte  und 
vierte  Portion  nicht  ganz  1  Proc.  Kohlenstoff  mehr  als  die 
zweite  enthalten.  Wenn  man  jedoch  bedenkt,  dafs  die 
Verbindung  in  hoher  Temperatur  Antimon  verliert,  so  läfst 
sich  begreifen,  dafs  die  letzten  Quantitäten,  welche  über- 
gehen, etwas  mehr  Kohlenstoff  geben  als  die  zweite  Por- 
tion, welche  jedenfalls  als  das  reinste  Product  zu  betrach- 
ten ist.  Alle  sonstige  Verhältnisse  sind  aber  so  überein- 
stimmend, dafs  aufser  den  obengenannten  jodhaltigen  Krj- 
stallen,  bei  der  Einwirkung  des  Jodäthyls  auf  Antimonka- 
lium die  Bildung  eines  gleichartigen  Productes  ohne  Anstand 
angenommen  werden  kann. 


346 

Die  erhaltenen  Resultate  stimmen  am  besten  mit  der 
Formel  C^^H^sSt  übereiu. 

2.  Port.         3.  Porti        4.  Port. 

C,,=   72,0    33,32  32,74   32,88  34,27  33i52"3M7 

H,5=   15,0      6,94     7,18     6,99  7,26     7,24     7,28  7,19 

St     =129,25     9,74  59,82   59,42  60,22  58,79 
216,2  100,00. 

Es  kommen  demnach  auf  3  At.  Aethjl  1  Antimon  =: 
Ae3  St.  Das  Stibäthjl  ist  also  in  sofern  mit  dem  Antimon- 
wasserstoff  aequivalent,  als  in  dem  erstem  3  At.  ^Wasser- 
Stoff  durch  3  At.  Acthyl  vertreten  sind;  die  Zusammen- 
setzung bietet  demnach  nichts  Ueberraschendes  dar. 

Das  Stibäthyl  erscheint  als  ein  wasserklares ,  äulserst 
dünnflüssiges,  das  Licht  ziemlich  stark  brechendes  Liqui- 
dum Ton  unangenehmem,  zwiebelartigem  Geruch ,  welcher 
jedoch  bald  wieder  verschwindet;  bei  — 29"  geht  es  noch 
nicht  in  den  festen  Zustand  über.  Bringt  man  au  einem 
Stäbchen  einen  Tropfen  an  die  Luft,  so  entsteht  ein  dicker, 
weifser  Rauch,  nach  einigen  Augenblicken  entzündet  sich 
derselbe  und  verbrennt  mit  blendend  weifser,  stark  leuch- 
tender Flamme.  Es  ist  schwerer  als  Wasser,  in  demselben 
unlöslich,  löst  sich  aber  leicht  in  Weingeist  und  Aether. 
In  unserer  nächsten  Abhandlung  werden  wir  über  die  spe- 
cifischen  Gewichte  des  flüssigen  und  gasförmigen  Stibäth^ls, 
sowie  über  dessen  Siedpunkt  nähere  Mittheilungen  machen. 
Läfst  man  das  Stibäthyl  durch  dne  feine  Spitze  in  reines 
Sauerstoffgas  treten,  so  verbrennt  es  mit  der  glänzendsten 
Lichtentwicklung.  Rauchende  Salpetersäure  bewirkt  eben- 
falls eine  prachtvolle  Verbrennung.  Mit  Brom  vereinigt  es 
sich  unter  Verpuffung.  Läfst  man  das  Stibäthjl  mit  der 
Vorsicht  in  einen  Ballon  treten,  dafs  keine  Entzündung 
eintritt,  so  bildet  sich  ein  weifser  Rauch,  welcher  sich  pul- 
verförmig  an  die  Wandungen  des  Gefäfses  anlegt;  gleich- 
zeitig entsteht  jedoch,  und  besonders  wenn  mau  eine  grö- 
fsere  Menge  auf  die  genannte  Weise  oxydiren  läfst,  eine 
zähe,  farblose,  durchsichtige  Masse,  welche  in  Aether  lös- 


347, 

lieb  ist,  während  der  pul  verförmige  Körper  sich  oicbt  ia 
demselben  löst;  Aetber  kann  daher  sehr  gut  zur  Trennung 
beider  Stoffe  angewendet  werden.  Läfst  man  eine  wein- 
geistige Lösung  des  Stibäthjls  in  einem  lose  bedeckten  Ge- 
föCse  langsam  verdunsten,  so  bleibt  eine  zähe  Masse  zu* 
rück,  welche  durch  Aether  leicht  in  die  genannten  zwei 
Körper  zerlegt  werden  kann*  Der  in  Aether  lösliche  Theil 
bleibt  nach  dem  Verdunsten  in  Gestalt  eines  zähen,  farb- 
losen Syrups  zurück,  der  auf  dem  Wasserbade  nach  und 
nach  zu  einer  durchsichtigen  Masse  eintrocknet.  Die  pul- 
verförmige,  in  Aether  unlösliche  Substanz  löst  sich  leicht 
in  Wasser  und  Weingeist.  Die  Lösungen  reagiren  deut- 
lich sauer  und  scheiden  die  Kohlensäure  aus  ihren  Verbin- 
dungen. Dieser  Körper  besitzt  einen  stark  bittern  Ge« 
schmack,  sehr  ähnlich  dem  des  schwefelsauren  Chinins. 
Sowohl  die  wäfsrige  als  weingeistige  Lösung,  welche  beide 
leicht  filtrirbar  und  dünnflüssig  sind,  besitzen  die  merk- 
würdige Eigenschaft,  beim  Erwärmen  dick,  wie  Stärkeklei* 
8ter  zu  werden,  und  zuletzt  zu  einer  porcellanartigen,  leicht 
zerreiblichen  Masse  einzutrocknen.  Der  trockne  Rückstand 
ist  in  kaltem  Wasser  und  Weingeist  wieder  leicht  löslich 
und  die  Lösungen  zeigen  beim  Erwärmen  die  gleiche  Er- 
scheinung. Die  wäfsrige  Lösung  dieser  Substanz,  welche 
wir  vorläufig  Stibäthjbäure  nennen  wollen,  giebt  mit  Schwe- 
felwasserstoff vermischt,  einen  hellgelben  Niederschlag,  wel- 
cher einen  höchst  unangenehmen,  mercaptanähnlicheu,  lange 
anhaftenden  Geruch  besitzt  und  sich  sehr  leicht  sowohl  in 
Kali  als  Schwefelkalium  löst.  Sättigt  man  die  wäfsrige  Lö- 
sung der  Stibätbylsäure  genau  mit  Kali  und  dann  mit  Schwe- 
felwasserstoff, so  erhält  man  ein  äufserst  leicht  lösliches 
Sulfosalz,  welches  eine  grofse  Neigung  zu  kryslallisiren 
besitzt.  Wird  der  Schwefelniederschlag  unter  der  Glocke 
über  Schwefelsäure  getrocknet,  so  erscheint  er  als  ein  sehr 
schönes,  hellgelbes  Pulver;  im  Wasserbade  verändert  er 
seine  Farbe  und  wird  braun  wie  Kermes.  Raudiende  Sal- 
petersäure zersetzt  die  Substanz  unter  Feuererscheiuung; 
beim  Erhitzen  derselben  über  der  Spirituslampe  erhält  man 


348 

ein  flüssiges  Destillationsproduct,  welches  alle  Eigenschat 
ten  des  Schwefeläthyls  besitzt,  und  als  RQcksland  bleibt 
SchwefelantimoD. 

Verniischt  man  die  wäfsrige  LOsaug  der  Stibäthjlsäare 
mit  concentrirter  Salzsäure,  so  scheidet  sich  augenblicklich 
eine  gelbliche,  ölige,  schwere  Flüssigkeit  aus.  Dieselbe  ist 
in  reinem  Wasser  löslich;  setzt  man  aber  zu  der  Ldsong 
wieder  concentrirte  Salzsäure,  so  erhält  man  sogleich  wie- 
der die  ölige  Substanz. 

Die  sjrupartige  Masse,  welche  nach  dem  Verdunsten 
der  ätherischen  Lösung  zurückbleibt,  und  welche  gleichzei- 
tig mit  der  Stibäthjlsäure  bei  der  freiwilligen  Oxjdation 
gebildet  wird,  ist  im  Wasser  kaum  löslich;  sie  löst  sich 
aber,  wie  schon  angegeben,  leicht  in  Aether  und  ebenso 
auch  in  Weingeist,  auch  wird  sie  von  einer  wäfsrigen  Ka- 
lilösung leicht  aufgenommen.  Wird  die  alkalische  Lösung 
einige  Zeit  digerirt  und  hierauf  mit  verdünnter  Schwefel- 
säure schwach  übersättigt,  so  entsteht  ein  weifser  Nieder- 
schlag, welcher  mit  concentrirter  Salzsäure  sogleich  eine 
flüssige,  in  Wasser  untersinkende  Chlorverbindung  bildet. 

Kalte,  verdünnte  Salpetersäure  zeigt  auf  das  Slibätbjl 
keine  Wirkung.  Beim  Erwärmen  aber  erfolgt  unter  schwa- 
cher Entwicklung  von  salpetriger  Säure  vollständige  Lö- 
sung. Wird  dieselbe  gelinde  verdunstet,  so  erhält  man 
sehr  schöne,  farblose,  durchsichtige  Krystalle,  welche  in 
salpctersäurehaltigem  Wasser  schwer  löslich  sind,  sich  aber 
sehr  leicht  in  reinem  Wasser  lösen.  Aus  der  wäfsrigen 
Lösung  krystallisirt  die  Verbindung  in  ausgezeichnet  sdiö- 
nen,  grofsen,  rhomboidalen  Krystallen;  dieselben  besitzen 
einen  bittern  Geschmack,  reagiren  schwach  sauer  auf  Lack- 
mus und  schmelzen  schon  bei  40 — 50°  zu  einer  schweren, 
{arblosen  Flüssigkeit,  welche  beim  Erkalten  zu  einer  durch- 
sichtigen, krjstallinischen  Masse  erstarrt.  Wird  dieselbe 
mit  wenig  Wasser  übergössen,  so  wird  sie  weifs  und  nach 
einiger  Zeit  erhält  man  wieder  die  ursprünglichen  Krystalle. 
Diese  Verbindung  ist  ein  salpelersaures  Salz;  Schwefelsäure 
scheidet  aus  derselben  Salpetersäure  aus,  und  setzt  man 


349 

ZU  einem  Krystall  etwas  grünen  Vitriol,  dann  Wasser  und 
Schwefelsäure,  so  erhält  man  die  bekannte  Beaction  auf 
Salpetersäure. 

ViTir  fibergehen  '  weitere  Reactionsversuche,  deren  wir 
noch  mehrere  mittheilen  könnten.  Das  Gesagte  mag  vor 
der  Hand  gentigen  zum  Beweise,  dafs  das  Stibäthyl  alle 
Eigenschaften  eines  selbstständigen  Badicales,  gleich  dem 
Kakodjl,  besitzt,  und  wir  hoffen  bald  nähere  Mittheilun- 
gen tiber  die  verschiedenen  Verbindungen  machen  za  kön- 
nen. Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  auch  Methyl  und 
Amyl  auf  gleiche  Weise  mit  dem  Antimon  verbunden  wer- 
den können;  auch  lassen  sich  wahrscheinlich  andere  Me- 
talle nach  derselben  Methode  in  organische  Verbindungen 
überführen. 


III.     Ueber  die  Entladung  der  Franklin' sehen 

Batterie;  i?on  P,  Riejs. 


JLlie  nach  Franklin's  Vorschlag  aufgestellte  elektrische 
Batterie  besteht  aus  einzelnen  isolirten  leydener  Flaschen 
(oder  Batterien),  die  in  eine  Beihe  gestellt  und  so  mit 
einander  verbunden  sind,  dafs  der  Knopf  der  ersten  Flasche 
mit  dem  Conductor  der  Elektrisirmaschine,  der  Knopf  je- 
der folgenden  Flasche  mit  der  äufsern  Belegung  der  ihr 
in  der  Reihe  vorangehenden,  die  äufsere  Belegung  der  letz- 
ten Flasche  mit  der  Erde  in  leitender  Verbindung  steht. 
Wird  von  dem  Conductor  positive  Elektricität  dem  Inne- 
ren der  ersten  Flasche  zugeführt,  so  geht  von  ihrer  äufse- 
reu  Belegung  positive  Elektricität  fort  xmi  häuft  sich  im 
Inneren  der  zweiten  Fasche  an,  von  deren  äufseren  Bele- 
gung positive  Elektricität  in  die  dritte  Flasche  geht  und 
so  fort.  Nachdem  in  dieser  Weise  alle  Flaschen  geladen 
wurden,  kann  man  die  Verbindungen  derselben  aufheben 
und,   wie  in  der  gewöhnlichen  Batterie,  alle  innere  Bele- 


350 

gungen  der  Flaschen  mit  einander,  nnd  ebenso  alle  SoCsere 
Belegungen  verbinden,   um  sie  sodann  gemeinscbaftlidi  za 
entladen.    Diese  Batterie,  auch  Cascadenbatterie  und  Fla- 
schensäule genannt,  hat  nicht  den  practischen  Werth,  den 
man  ihr  beigelegt  hat.     Obgleich  nur  die  erste  Flasche  di- 
rect  vom  Conductor  geladen  wird,  so  erfordert  diefs,  weno 
es  auf  stärkere  Ladungen  ankommt,   mehr  Zeit   und   eine 
viel  gröfsere  Wirksamkeit  der  Elektrisirmaschine,  als  wenn 
alle  Flaschen  direct  zu  demselben  Grade  geladen  wOrdeo. 
Franklin,    dem   nicht  leicht  Etwas   entging ,    das   im 
Kreise  seiner  Beobachtungen  lag,  hatte  diefs  wohl  bemerkt 
und  seine  Batterie  verworfen,   weil    die  Flaschen   einiges 
Widerstreben   (some  reluctance)  Sufserten,  sich   laden  za 
lassen').    Diefs  ist  von  den  Physikern  nicht  beachtet  wor- 
den, die  sich  nach  ihm  mit  der  Batterie  beschHftigt  haben. 
Neuerdings  hat  die  Batterie  ein  theoretisches  Interesse  er- 
halten, indem  Dove  ihre  Entladung  versuchte   bei  dersel- 
ben Anordnung,  die  zu  ihrer  Ladung  dient,  und  in  Bezug 
auf  Schlagweite  und  Erwärmung  sehr  einfache  Gesetze  anf- 
stellte^).     Ich  habe,   in  Folge  dieser  Angaben,   Versuche 
angestellt,  die  ich  ausführlich  miltheilen   will,   ehe  ich  die 
Gründe  angebe»  die  mich  abhielten,  aus  ihnen  ein  Gesetx 
abzuleiten  ^  ). 

1 )  £arper/m,  and  observat.  5'^  ed.  p»  25.  29. 

2)  Poggend.  Annalen  72.  406. 

3)  Hr.  Knochenhauer  hat  vor  Kurzem  eine  Menge  kiehergchdnger 
Beobachtungen  initgetheilt  und  durch  complicirte  Formeln  dartattclci 
Tersucht.  (Annalen  79.  354).  Ich  mnfs  diese  Akhandluag  auf  äeb  be- 
ruhen lassen,  wie  ich  es  bereits  mit  der  groiseD  Zabl  vcurhei^gclinidcr 
Arbeiten  desselben  Verfassers  su  thun  Jur  nothig  fand«  Diese  Abband^ 
lungen  enthalten  nämlich  sehr  verwickelte  Versuche,  die  «if  die  wül- 
kGrlichste  W^eise,  häufig  unter  Vernachlässigung  bekannter  nnd  bewSbrter 
Satze  der  Elektricitatslehre ,  zu  Angriflen  auf  neoerdiogs  gewonnene  Er- 
fahrungen benutzt  werden.  Ab  Vertheidiger  dieser  SSize  und  Er&bro»- 
gen  aufzutreten,  wurde  ich  nur  dann  für  gerechtfertigt  halten,  wenn  mir 
die  Angriffe  an  sich  gefährlich  erschienen,  oder  wenn  sie  irgendwo  An- 
klang fanden.  .Dafs  Letzteres  bisher  nicht  der  Fall  gewesen,  ist  ans  do 
Iftepertorien  der  Physik,  am  klarsten  aus  Muller's  Bericht  Cber  die 
neusten   Fortschritte  der  Physik   ( Braoaschwcig   1849)   so   erteken,  ■■ 


351 


VersuGhe  im  Schliefflangabogen« 

Vier  leydener  Flaschen,  jede  von  14-  D  F«fs  Belegung, 
wurden  auf  444  "^o^I  breite,  anf  GlasfÖfsen  isolirte,  Metall- 
teller gestellt  und  darch  drei  KnpferdrShte  (von  21  Zoll 
Länge  x7  Liin*  Dicke)  zu  einer  Franklin'schen  Batterie  ver- 
bunden wie  Fig.  5,  Taf.  IV.  zeigt.  Mit  dem  Knopfe  t^  war 
der  Conductor  der  Maschine  während  der  Ladung  in  Ver- 
bindung gesetzt,  von  der  äufseren  Belegung  a^  ging  ein  Draht 
zur  Maafsflasche,  deren  Kugeln  4  Linie  von  einander  stau- 
den.  Es  wurden  Ladungen  der  Batterie  angewandt,  die 
1  bis  3  Entladungen  der  Maafsflasche  verursachten.  Bei 
Versuchen,  die  mit  einander  verglichen  wurden,  blieb  die 
Ladung  constant.  Nach  der  Ladung  wurde  der  Schliefsungs- 
bogen  angelegt,  der,  wo  es  nicht  anders  gesagt  idt,  voll- 
kommen zur  Erde  abgeleitet  war.  Das  eine  Ende  des  Bo- 
gens  wurde  durch  den  Entladungsapparat  mit  dem  Knopfe  t ^ 
der  ersten  Flasche  verbunden,  nachdem  das  andere  Ende 
an  die  äufsere  Belegung  des  ersten,  zweiten  u.  s.  f.  Flasche 
angelegt  worden  war,  was  durch  die  Angabe  bezeichnet 
wird,  dafs  eine,  zwei  u.  s.  f.  Flaschen  benutzt  werden. 
Vor  der  Entladung  der  benutzten  Flaschen  wurden  die  übri- 
gen von  ihnen  getrennt,  oder,  was  merklich  denselben  Er- 
folg hatte,  ohne  Lösung  der  Verbindung  entladen. 

Erwärmung,  Versuch  l.  Ein  empfindliches  elektrisches 
Thermometer  wurde  in  den  Schliefsungsbogen  eingeschaltet 
Die  Batterie  wurde  geladen  bis  zwei  Funken  an  der  Maafs- 
flasche fibergegangen  waren. 


Erwarmuog  im  Schlie- 

utzte Flaschen. 

fsungsbogen. 

VerbSltoIfs  d.  Mitlel 

1 

7,5      7,4      7,7 

1 

2 

12,8    11,9    12,8 

1,7 

3 

15,4    15,3    15,8 

2.0 

4 

21,6    22,3    21,4 

2,9 

welchem  letztem  Werke  aach  der  W^erth  der,  einem  fluchtigen  Leser 
Tielleicht  auflallenden,  Uebereinstimmung  von  Knochenhauer's  Formeln 
mit  seinen  Beobachtungen  in  das  rechte  Licht  gestellt  worden  ist. 


352 

Während  also  1  bis  4  Flaschen  benatzt  wurden,  nahm  die 
Erwärmung  von  1  bis  nahe  3  zu. 

Versuch  IL  Die  absolute  Grobe  der  Erwärmung  hängt 
von  der  Beschaffenheit  des  SchlieÜBungsbogens  ab.  Als  der 
Bogen  durch  einen  Platindraht  von  116  Lin.  Länge,  0,0185 
Halbmesser  verlängert  war,  wurden  bei  derselben  Ladung, 
wie  früher,  die  folgenden  geringeren  Erwärmungen  be- 
trachtet. 


Erwärmung  im  Schlie* 

Bcnolzte  Flasclira. 

Isangsbogen. 

Terbältnil*  i.  MiKel. 

1 

4,6      5,0      5,0 

I 

2 

8^2      8,0      8.0 

1,7 

3 

11,8    11,4     11,2 

2,3 

4 

14,6    15,3    15,1 

3,0 

Versuch  III.  Ebenso  hängt  aber  die  Erwärmung  im 
Schliefsungsbogen  von  der  Beschaffenheit  der  Zwischen- 
drähte ab,  welche  die  einzelnen  Flaschen  mit  einander  ver- 
binden. Der  Platindraht  wurde  aus  dem  Schliefsungsbo- 
gen entfernt  und  zum  ersten  Zwischendrahte  (a^  t ,  der  Fi- 
gur 5  hinzugesetzt. 


Erwärmung  im  Schlie- 

utzte Flaschen. 

fsungsbogen. 

VerbSlmiT«  d.  Mittel. 

1 

7,5       7,3       7,5 

— 

2 

7,8      7,3       7,9 

1.7 

3 

11,0    11,0    11,0 

2,4 

4 

13,2    14,0     13,6 

3,0 

I^ie  erste  Horizontalreihe  gehört  begreiflich  nicht  hier- 
her, da  bei  Benutzung  Einer  Flasche  kein  Zwischendraht 
vorhanden  ist. 

Versuch  IV.  Es  wurden  drei  Batterien,  von  denen  jede 
nahe  3  GEufs  innerer  Belegung  enthielt,  einzeln  isolirt 
und  zu  einer  Franklin 'sehen  Batterie  mit  einander  verbun- 
den. Man  hat  also  in  Fig.  5  die  vierte  Flasche  entfernt 
und  a^  mit  der  Maafsflasche  verbunden  zu  denken.  Bei 
der  Ladung  gingep  3  Funken  in  die  Maafsflasche  Ober.^ 

fie. 


353 


ErwSrmuDg  im  Scblie- 

Benutzte  Batterien. 

fsuDgsbogen. 

VerhSl(iii&  d.  Mittel. 

1 

7,3          7,3 

1 

2 

13,3        13,0 

1,8 

3 

17,7        18,5 

2,5 

Aus  den  Versuchen  I  bis  IV.  folgt,  dafs  die  ErwärmaDg 
im  SchliefsuDgsbogen  der  hier  aDgewandten  Batterie  in  ge- 
ringerem Verhältnisse  irächst,  als  die  Zahl  der  benutzten 
Elemente. 

Schlagtoeite,  Es  wurde  die  Batterie  aus  4  Flaschen 
(Vers.  I.)  angewendet,  im  Schliefsungsbogen  aber  an  der 
Stelle  des  Thermometers  ein  Funkenmikrometer  angebracht. 
Die  Verbindung  des  Bogens  mit  den  Flaschen  wurde  auf 
yerschiedene  Weise  bewerkstelligt. 

Versuch  V.  Die  eine  Kugel  des  Mikrometers  wurde 
mit  dem  Knopf  i^  der  ersten  Flasche  verbunden,  die  an- 
dere Kugel  mit  einer  der  äufseren  Belegungen.  Die  Ku- 
geln wurden  in  solcher  Entfernung  von  einander  gestellt, 
dafs  zwischen  ihnen  ein  Funke  überging  zugleich  mit  dem 
Funken  der  Maafsflasche ,  der  die  bestimmte  Ladung  der 
Batterie  anzeigte.  Die  Drähte,  welche  das  Mikrometer  mit 
den  Flaschen  verbanden,  waren  in  der  ersten  Versuchs- 
reihe so  lang,  dafs  das  Mikrometer  bei  allen  Versuchen 
an  derselben  Stelle  stehen  bleiben  konnte,  in  der  zweiten 
wurde  der  eine  Draht  bis  3  Zoll  verkürzt,  so  dafs  das 
Mikrometer  stets  sehr  nahe  der  äufsern  Belegung  der  letz- 
ten benutzten  Flasche  stand.  Die  Schlagweiten  sind  nur 
bis  0,1  Linie  gesucht,  so  dafs  also  die  in  der  folgenden 
Tabelle  angegebenen  Weiten,  um  0,1  vermehrt,  keine  Ent- 
ladung im  Mikrometer  zuliefsen. 

Benutzte  Flaschen.       Schlagweite  in  par.  Lin.       Verhältnifs  d.  Mittel. 

1  0,4         0,4  1 

2  1,0        1,0  2,5 

3  1,7         1,7  4,2 

4  2,5        2,6  6,4 
Diese  Untersuchungsart  giebt  zu  grofse  Schlagweiten,  weil 
dabei  der  Schliefsungsbogen    nothwendig   isolirt  ist,    und 

PoggendorfFs  Annal.  Bd.  LXXX.  23 


354 

kurz  vor  dem  Ueberspriogen  des  Fankens  in  der  Maafs- 
flasche  im  Innern  der  ersten  Batterieflasche  eine  gröfsere 
Dichtigkeit  herrscht,  als  der  daselbst  befindlichen  Elektri- 
citätsmenge  zukommt.  Es  wurde  daher  die  folgende  bes- 
sere Methode  zur  Bestimmung  der  Schlagweite  angewandt. 
Versuch  VI.  Die  eine  Kngel  des  Mikrometers  wnrde 
mit  dem  Entladungsapparat,  die  andere  mit  einem  zur  Erde 
abgeleiteten  Drahte  Tcrbunden.  Nachdem  die  Batterie  die 
ihr  bestimmte  Ladung  erhalten  hatte,  wurde  der  abgelei- 
tete Draht  an  eine  der  äufseren  Belegungen  der  Batterie 
angelegt  und,  nach  Entladung  der  ausgeschlossenen  Fla- 
schen, durch  den  Entladungsapparat  die  Verbindung  der 
isolirten  Mikrometerkugel  mit  dem  Knopfe  t^  der  ersten 
Flasche  hergestellt.  Es  wurde  die  gröfste  Entfernung  der 
Kugeln  gesucht  (bis  0,1  Lin.)  bei  welcher  eine  Entladung 
durch  das  Mikrometer  stattfand. 

Benulzte  Flaschen.  Sclilagweite  in  Linien.  VerhältDifs. 

1  0,3  1 

2  0,9  3 

3  1,4  4,7 

4  2,3  7,7 

Versuch  VII.  Am  leichtesten  wurde  die  Schlagweite  ge- 
funden, wenn  die  eine  Mikrometerkugel  mit  einem  isolir- 
ten drehbaren  Drahte,  die  andere  mit  einem  zur  Erde  ab- 
geleiteten Drahte  verbunden  war.  Nach  der  Ladung  der 
Batterie  wurde  der  erste  Draht  mit  dem  Knopfe  der  er- 
sten Flasche,  der  zweite  mit  einer  äufseren  Belegung  in 
Berührung  gesetzt,  und  durch  behutsames  Nähern  der  Ku- 
geln des  Mikrometers  eine  Entladung  der  Batterie  herbei- 
geführt. 


Benutzte  Flaschen 

Schlagweite 

in  Linien. 

Verhäh 

Inifs  d.  Miltel 

1 

0,3 

0,3 

1 

2 

0,85 

0,95 

3 

3 

1,4 

1,4 

4,7 

4 

2,2 

2,3 

7,5 

Versuch  VIII.    An  der  in  Versuch  IV  gebrauchten,  aus 


355 

3  Elementen  bestehenden,  Batterie  wurden  folgende  Schlag- 
weiten gefunden. 


BenuUte  Elemente. 

Scillag  weile. 

Verhällnifs. 

1 

0,4 

1 

2 

1,2 

3 

3 

1,8 

4,5 

In  den  Versuchen  V  bis  VIII  ist  bei  Benutzung  Ton  1  bis 
3  Elementen  die  Schlagweite  noch  nicht  bis  zum  fünffa- 
chen, bei  Benutzung  von  1  bis  4  Elementen  nicht  bis  zum 
achtfachen  gestiegen. 

Versuche  im  Zwischendrahte. 

Versuch  IX.  In  der  aus  4  Flaschen  bestehenden  Bat- 
terie (Fig.  5.)  wurde  das  Therinometer  in  den  Zwischeu- 
draht  a^tj,  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Flasche,  ein- 
geschaltet und  die  Erwärmung  bei  der  Entladung  der  Bat- 
terie durch  den  Schliefsungsbogcn  beobachtet.  Es  konnte 
hier  nur  die  Ladung  gebraucht  werden,  die  1  Funken  in 
der  Maafsflasche  erzeugte,  weil  bei  stärkerer  Ladung  Elek- 
tricität  am  Thermometer  ausströmte.  Bei  Anwendung  Einer 
.  Flasche  wurde  der  Schliefsungsbogcn  hinter  dem  Thermo- 
meter angelegt,  so  dafs  sich  letzteres  im  Schliefsungsbogcn 
befand. 

Benutzte  Flaschen     12  3  4 

Erwärmung  3  4  5,5        7,5. 

Versuch  X.  An  die  Stelle  des  Thermometers  wurde 
das  Funkenmikrometer  gesetzt,  so  dafs  also  der  Zwischen- 
draht unterbrochen  war;  während  der  Ladung  wurde  die 
Lücke  durch  ein  Drahtstück  ausgefüllt,  das  darnach  isolirt 
entfernt  wurde.  Es  wurde  die  gröfste  Entfernung  der  Kun- 
geln des  Mikrometers  gesucht,  iei  welcher  die  Entladung 
der  Batterie  durch  den  Schliefsungsbogcn  einen  Funken  im 
Mikrometer  erzeugte.  Diese  Entfernung  giebt  die  Schlag- 
weite im  Zwischendrahte. 

23* 


356 


Bcoolsle  FlMchen. 

Schlafwidte  in  Linien. 

Yetliilaiirs 

1 

0,3 

1 

2 

0,9 

3 

3 

1,4 

4.7 

4 

2,2 

7,3 

Versuch  XL  Um  genanere  Werthe  der  Erwärmung  zu 
erhalten  wurde  die  Batterie  aus  3  Elementen  (Versuch  IV) 
gebraucht,  der  eine- Ladung  gegeben  wurde ,  bei  welcher 
in  der  Maafsflasche  3  Funken  übergingen. 

BenntKte  Elemente.  Erwärmang.  Yerhältnifs  d.  Mittel. 

1  8  8  1 

2  13,5      13,8  1,7 

3  19        20  2,4 
Versuch  XII.    Im  ersten  Zwischendrahte  dieser  Batterie 

wurden-  die  folgenden  Schlagweiten  gefunden.   Die  Ladung 
war  in  der  zweiten  Reihe  gröfser  als  in  der  ersten. 

Benutzte  Elemente.        Schlagweite  in  Linien.         Yerhältnifs  d.  Mittel. 

1  0,25         0,4  1 

2  0,80         1,2  3,1 

3  1,10  1,7  4,3. 
Diese  Versuche  im  Zwischendrahte  entsprechen  genau  den 
im  Schliefsungsbogen  angestellten.  Auch  hier  nimmt  die 
Erwärmung  in  geringerem  Verhältnisse  zu,  als  die  Zahl 
der  benutzten  Elemente,  und  die  Schlagweite  erreicht  bei 
3  Elementen  nicht  das  fünffache,  bei  4  Elementen  nicht 
das  achtfache  der  Schlagweite,  die  bei  Benuu^.ng  eines 
Elementes  gefunden  wurde. 

Versuche  an  einer  Batterie  mit  ungleichen  Elementen. 

Bisher  war  die  Batterie  aus  gleichen  Elementen  zusam- 
mengesetzt; jedes  Element  bestand  aus  einer  Flasche,  oder 
aus  mehreren  gleichartig  mit  einander  verbundenen  Fla- 
schen. Nun  wurde  eine  Batterie  aus  2  Elementen  gebil- 
det und  die  Gröfse  des  einen  Elementes  verändert. 

Versuch  XIII.  Zum  ersten  (an  dem  Conductur  der  Ma- 
schine anliegenden)  Elemente  wurde  eine  Flasche  von  1^ 
OFufs  Belegung  genommen  und  das  zweite  Element  aus 


357 

1  bis  4  gleichen  Flaschen  zasammengesetzt  (Fig.  6.)  Der 
Zwischendraht  aii^  war  hier,  wie  früher,  21  Zoll  lang, 
.yV  ^^^'  ^ic^*  ^s  wurden  folgende  Erwärmungen  an  einem 
im  Schliefsungsbogen  eingeschalteten  Thermometer  bei  glei« 
eher  Ladung  der  Batterie  beobachtet. 


Zahl  der  Flaschen  des 

Erwärm 

ung 

sweiten  Elementes  «a 

fl. 

öKt;. 

1 

-  23,8 

24 

23,9 

2 

19,0 

18,3 

26,3 

3 

17,3 

17,0 

29,6 

4 

16,2 

16,5 

33,6. 

Versuch  XIV.  Das  zweite  Element  wurde  constant  ge- 
nommen, das  erste  hingegen  aus  1  bis  4  Flaschen  gebildet. 
(Fig.  7.)  Am  Schliefsungsbogen  wurden  folgende  Erwär- 
mungen beobachtet. 


^ahl  der  Flaschen 

des 

Erwärmung 

ersten  ElemeDtes 

»,. 

e. 

öVf.. 

1 

24 

24 

2 

18,5 

18,2 

25,9 

3 

16,4 

16,6 

28,6 

4 

15,8 

15,7 

31,4. 

In  beiden  Versuchen  nimmt  die  Erwärmung  mit  vermehr- 
ter Flaschenzahl  des  veränderlichen  Elementes  ab,  so  aber, 
dafs  das  Product  der  Erwärmung  in  die  Quadratwurzel  der 
Zahl  der  Flaschen  merklich  zunimmt. 


Die  Resultate  der  mitgetheilten  Versuche  weichen  be- 
deutend von  den  Gesetzen  ab,  die  Dove  in  der  oben  an- 
geführten Abhandlung  als  allgemeingültig  für  die  Franklin'- 
sehe  Batterie  aufgestellt  hat. 

Die  Erwärmung  sowohl  im  Schliefsungsbogen  als  im 
Zwischendrahte  soll  proportional  der  Zahl  der  gleichen  Ele- 
mente zunehmen,  die  zur  Entladung  benutzt  werden;  hier 
ist  die  Erwärmung  in  geringerem  Verhältnisse  wachsend 
beobachtet  worden.  Bei  1  bis  4  Elementen  stieg  die  Er- 
wärmung nur  von  1  bis  3.    (Vers.  I  bis  IV,  IX,  XL) 


358 

Die  Scbiagweiten  im  Scbüefsungsbogen  und  Zwischeor 
draht  sollen  im  Verhältnisse  der  Quadrate  der  benutzten 
Elemente  stehen,  hier  ist  diefs  Verbältnifs  viel  kleiner  ge- 
funden worden.  Bei  l  bis  4  Elementen  nahm  die  Schlag- 
weite von  1  bis  höchstens  7,7  zu  (Vers.  V.  bis  VIII,  X,  XII.) 

Bei  veränderter  Gröfse  eines  Elements  einer  aus  zwei 
Elementen  bestehenden  Batterie  soll  das  Product  der  Er- 
wärmung im  Schliefsungsbogen  in  die  Quadratwurzel  der 
Flächengröfse  des  Elementes  constant  sejn ;  hier  ist  das  Pro- 
duct mit  steigender  Flächengröfse  zunehmend  gefunden  wor- 
den (Vers.  XIII,  XIV.)  Diese  Abweichungen  werden  nicht 
auffallen,  wie  die  folgende  Auseinandersetzung  gezeigt  ha- 
ben wird,  dafs  eine  unbestimmte  Aufgabe  vorgelegen  hat, 
für  die  also  keine  allgemeine  Lösung  zu  erwarten  ist. 

Ursache  der  EDtladungserscheinungen  der  Franklin 'sehen 

Batterie. 

Eine  leydener  Flasche  nimmt  in  ihrem  Inneren  so  lange 
Elektricität  auf,  bis  ihr  Knopf  eine  bestimmte  elektrische 
Dichtigkeit  erreicht  hat.  Die  aufgenommene  Elektricitäts- 
menge  ist  sehr  gering,  wenn  die  äufsere  Belegung  der  Flasche 
isolirt  ist,  wird  um  desto  gröfser,  ein  je  längerer  Draht  an 
die  äufsere  Belegung  angelegt  worden,  und  erreicht  ihr  Ma- 
ximum, wenn  der  Draht  mit  der  Erde  in  Verbindung  ge* 
setzt  worden  ist.  Es  folgt  hieraus,  was  sich  auch  leicht 
direct  nachweisen  liefse,  dafs  bei  einer  bestimmten  Elek- 
tricitätsmenge  im  Inneren  der  Flasche  die  Dichtigkeit  an 
ihrem  Knopfe  desto  gröfser  ist,  eine  je  geringere  Ableitung 
ihre  äufsere  Belegung  erhalten  hat.  In  der  That  ist  nun 
die.  Franklin'sche  Batterie,  in  der  Art  benutzt,  wie  es  die 
aufgeführten  Versuche  zeigen,  nichts  anderes  als  eine  solche 
einzelne  Flasche  mit  veränderliches  Ableitung  ihrer  äofse- 
ren  Belegung.  Aus  je  mehr  Elementen  eine  solche  Batterie 
besteht,  desto  geringer  ist  die  Ableitung,  desto  mehr  Wi- 
derstreben, nach  Frank lin's  Ausdruck,  hat  ihr  erstes  Ele- 
ment gegen  die  Ladung,  und  desto  gröfser  ist  bei  constanter 
Ladung  die  elektrische  Dichtigkeit   am  Knopfe  dieses  Ele- 


359 

ineDts.  Hat  man  daher  eine  Batterie  aus  4  Elementen  (Fig.  5.) 
geladen,  und  benutzt  nur  3  Elemente  bei  der  Entladung, 
indem  man  den  Schliefsungsbogen  an  a^  anlegt,  so  sinkt 
augenblicklich  die  Dichtigkeit  am  Knopfe  $,  und  man  mufs 
daher  eine  kleinere  Schlagweite  finden,  als  wenn  der  Bo< 
gen  an  a^  angelegt  worden  wäre.  Aus  gleichem  Grunde 
mufs  die  Schlagweite  noch  kleiner  sejn,  wenn  der  Bogen 
au  a^  und  endlich  an  a^  angelegt  wird.  Man  könnte  glau- 
ben, dafs  ein  allgemein  gültiges  Gesetz  für  diese  Abnahme 
der  Schlagweite  zu  finden  wäre,  wenn  die  Bedingung  ge- 
stellt ist,  dafs  alle  Elemente  der  Batterie  gleichartig  und 
gleichgrofs,  alle  Isolirteller  und  Zwischendrähte  gleich  ge- 
nommen werden.  Diefs  ist  nicht  der  Fall.  Ich  habe  in 
einer  früheren  Untersuchung  ^ )  einen  ähnlichen  aber  viel 
einfachereren  Fall  behandelt.  Einer  elektrisirten  Metall- 
scheibe war  eine  gleiche,  vollkommen  abgeleitete  Scheibe 
parallel  gegenübergestellt,  und  ich  suchte  die  Schlagweite 
oder  die  ihr  proportionale  elektrische  Dichtigkeit  an  einem 
Punkte  der  elektrisirten  Scheibe  bei  verschiedener  Entfer- 
nung der  Scheibe  von  einander.  Die  Abnahme  der  Dich- 
tigkeit mit  zunehmender  Entfernung  zeigte  sich  verschieden 
nach  der  absoluten  Gröfse  der  Scheiben,  nach  der  Lage 
des  Punktes,  an  dem  die  Dichtigkeit  untersucht  wurde,  und 
endlich  nach  der  Lage  des  Ableitungsdrahtes  der  zweiten 
Scheibe,  so  dafs  ein  Gesetz  für  diese  Abnahme  nicht  auf- 
gestellt werden  konute.  Es  ist  daraus  zu  schliefsen,  dafs 
bei  der  Franklin'scben  Battere  die  Abnahme  der  Schlag- 
weite des  ersten  Elementes  nach  der  Zahl  der  benutzte^ 
Elemente  abhängig  sejn  wird  von  der  Gestalt  und  abso- 
luten Gröfse  der  Elemente  und  Isolirteller  und  von  der 
Form  und  Länge  der  Zwischendrähte,  so  dafs  ein  Gesetz 
dieser  Abnahme  nur  für  den  angewandten  Apparat  Geltung 
bat«  Dasselbe,  was  für  die  Dichtigkeit  am  Knopfe  des  er- 
sten Elementes,  also  für  die  Schlagweite  im  Schliefsungs- 
bogen,  gilt  auch  für  die  Dichtigkeit  am  Knopfe  eines  fol- 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  73,  S.  379-398. 


> 


will    !■ 
'^     daCi  Aesdbe  Baut 


J9 

cntljdcB,  eine  kleiiiere  Scfcbfweife  Wt  als  wenn  dcrEri- 
bduDgrCoDke  zwiscfceD  Scfccibcn  fibcrgckt,  atnd  liafe  &fr 
wSnBOBg  iai  SMlefamphaten  hn  zweiten  Falle  grS&cr  H 
ab  in  ertten.  Dali  nit  der  Dichtigkeit  in  der  ßattmi 
der  Se  Scblagweite  proportional  ist,  die  Entladonssdaaff 
der  Batterie  iai  omgekeiirten  Yeriiältnils  steke,  fcabe  kk 
laenit  war  dretzekn  Jahren  angenommen  ' }  and  scifda 
durch  eine  grolse  Menge  ron  Versuchen  bestätigt  gefondm 
Diese  Versodie,  ans  welchen  ich  die  Gesetze  der  dcbn- 
sehen  Erwärmung  ableitete,  bin  ich  auf  das  Sorgfähigrie 
bemObt  gewesen  Ton  einer  Aenderung  der  partikulira 
Scblagweite  frei  zu  halten.  Deshalb  wurden  Gberall  die  Fli- 
ehen, zwischen  welchen  die  Entladung  eintritt,  nngeändcrt 
gelassen  9  und  die  Näherung  dieser  Flächen  wurde  nieads 
mit  der  Hand,  sondern  durch  einen  fallenden  Körper  am- 
gefnhrt.  Ganz  im  Gegensatze  hierzu  ist  es  nun  bei  der 
Frnnkliu'schen  Batterie  die  partikuläre  Scblagweite  allein, 
die  geändert  wird,  da  man  die  mittlere  Dichtigkeit  der  di- 
rect  om  Conductor  geladenen  Flasche  bei  zu  Tergleichoi- 
den  Versuchen  constant  erhält.  Die  Schlagweite  dieser 
Flantiio  wird  nach  der  obigen  Betrachtung  geändert  durch 
Aenderung  der  Ableitung  ihrer  äufseren  Belegung,  und  ist 
nnxwcifelhofl  die  Ursache  der  Verschiedenheit  der  beob- 
nehlelen  Erwärmungen.    Es  folgt  hieraus,  dafs  ebenso  we- 

I)  Piiffg.  Ami.  43.  79. 
tt)  PuN«.  Ami.  40.  351. 


361 

Dig  wie  fdr  die  Schlagweite,  ein  allgemeines  Gesetz  der 
Erwärmung  nach  der  Zahl  der  benutzten  Elemente  der  Bat- 
terie gefunden  werden  kann.  Doch  war  es  denkbar,  dafs 
unter  gegebenen  Bedingungen  zwischen  Schlagweite  und 
Erwärmung  eine  bestimmte  Beziehung  stattfände,  und  so 
habe  ich  früher  beiläufig^)  diese  Beziehung  angedeutet  für 
den  Fall,  wo  beide  Erscheinungen  in  dem  Zwischendrahte 
einer  Franklin'schen  Batterie  beobachtet  wurden.  Auch  diese 
Beziehung  findet  nach  den  hier  vorgelegten  Versuchen  nicht 
allgemein  statt  und  es  ist  darnach  zu  schliefsen,  dafs  Vor- 
aussetzungen, die  in  Bezug  auf  die  mittlere  elektrische  Dich- 
tigkeit einer  geladenen  Flasche  gelten,  nicht  auf  die  Dich- 
tigkeit einzelner  Theile  ihrer  Belegung  übertragen  werden 
dürfen. 

Für  die  Erwärmung  und  Scblagweite  im  Schliefsungs- 
bogen  und  Zwischendrahte  einer  aus  gleichen  Elementen 
bestehenden  Franklin'schen  Batterie  lassen  sich  also  keine 
Gesetze  aufstellen,  die  nur  die  Zahl  der  benutzten  Elemente 
in  sich  begreifen.  Ein  Gleiches  gilt  für  eine  aus  zwei  Ele- 
menten bestehende  Batterie,  in  welcher  die  Gröfse  eines 
Elementes  verändert  wird,  wie  ein  Blick  auf  Fig.  6  und  7 
lehrt.  In  Fig.  6  ist  es  eine  constante  Flasche,  deren  äufsere 
Belegung  eine  Ableitung  von  1  bis  4  Flaschen  erhält,  an 
deren  Knopfe  daher  eine  veränderliche  partikuläre  Schlag- 
weite eintritt,  welche  die  Ursache  der  im  Schliefsungsbo- 
gen  beobachteten  Erwärmungen  ist.  Zusammengesetzter  ist 
der  Fall  der  Fig.  7,  der  nur  zum  Theil  hierher  gehört.  Es 
wird  ein  Element,  das  aus  1  bis  4  Flaschen  besteht,  am 
Conductor  mit  conslanter  Elektricitätsmenge  geladen;  die 
mittlere  elektrische  Dichtigkeit  des  Elementes  nimmt  ab  im 
Verhältnifs  der  zunehmenden  Flaschenzahl  und  es  müfste 
daher  nach  dem  aligemeinen  Gesetze  die  Schiagweite  und 
Erwärmung  im  gleichen  Verhältnisse  abnehmen.  Nun  aber 
bildet  eine  constante  Flasche  die  Ableitung  der  äufseren 
Belegung  dieses  Elementes.  Die  Ableitung  ist  veränderlich 
im   entgegengesetzten  Sinn   mit  der  Flaschenzahl  des  Ele- 

1)  Pogg.   Ann.  76.  484. 


362 

mentes  denn  offenbar  ist  Eine  Flasche  für  Eine  Flasche 
eine  gröfsere  Ableitung,  als  für  2,  3  oder  4  gleiche  Flaschen. 
Da  nun  nach  dem  Obigen  die  partikuläre  Schlagweite  ei- 
nes Elementes  zunimmt  mit  Verminderung  seiner  Ableitung» 
so  mufs  Scblagweite  und  Erwärmung  hier  in  einem  kleine- 
ren Verhältnisse  abnehmen,  als  dem  der  zunehmenden  Fla- 
scheuzahl  des  Elementes.  Ein  allgemeines  Gesetz  dieser 
Abnahme  kann  hier,  wie  überall,  wo  partikuläre  Schlag- 
weiten im  Spiele  sind,  nicht  erwartet  werden. 

Die  Betrachtung  der  Entladung  der  Franklin'schen  Bat- 
terie hat  bisher  den  Einflufs  der  partikulären  Schlagweite 
auf  die  Erwärmung  gezeigt,  einen  Einflufs,  der  schon  frü- 
her bekannt  war  und  der  sich  einfacher  und  schlagender, 
als  an  der  Franklin'schen,  an  der  gewöhnlichen  Batterie 
nachweisen  läfst,  indem  man  die  Flächen  ändert  zwischen 
welchen  der  Entladungsfunke  erscheint,  oder  die  Wirkun- 
gen von  zwei  gleichen  Flaschen  vergleicht,  die  eine  ver- 
schiedene Glasdicke  besitzen.  Aber  ein  Versuch  ist  noch 
nicht  besprochen,  der,  wie  die  frühereu,  von  Dove  her- 
rührt, und  eine  merkwürdige  Bestätigung  eines  für  die  Ent- 
ladung der  Batterie  überhaupt  sehr  wichtigen  Satzes  liefert. 
Wir  haben  gesehen  (Versuch  111.),  dafs  ein  dem  ersten 
Zwischendraht  hinzugefügter  Platindraht  die  Erwärmung  im 
Schliefsungsbogen  sehr  bedeutend  verminderte.  Da  weder 
die  Menge  noch  Dichtigkeit  der  Elektricität  im  Bogen  ver- 
ändert werden  kann  durch  die  Zeit,  in  welcher  die  Elek- 
tricitäteu  sich  im  Zwischendrahtc  ausgleichen,  so  beweist 
die  beobachtete  Verminderung  der  Erwärmung  die  Abhän- 
gigkeit, in  welcher  die  auf  einander  folgenden  Partialent- 
ladungen,  welche  die  Gesammtentladung  bilden,  von  ein- 
ander stehen.  Jede  Partialentladung  einer  Batterie  kann 
erst  dann  eintreten,  wenn  die  ihr  vorangehende  Partialent- 
ladung vollendet,  also  die  Elektricität  im  Schliefsungsbo- 
gen zur  Ruhe  gekommen  und  der  anfängliche  Ladungszu- 
sland der  Batterie  wiederhergestellt  ist.  Diefs  ist  der  Satz, 
den  ich  aufgestellt^)  und  durch  neuere  Versuche  über  die 

1)  Pogg.   Ann.  78.  433. 


363 

Entladung  in  einem  dauernd  unterbrochenen  Schliefsungs- 
bogen  bestätigt  habe.  Die  Wirkung  der  Entladung  der 
Franklin'schen  Batterie  ist  demnach  folgendermafsen  abzu- 
leiten: 

Die  Wirkung  im  Schliefsungsbogen  wird  allein  durch 
die  Entladung  des  Elementes  der  Batterie  hervorgebracht, 
an  dessen  innere  Belegung  der  Schliefsungsbogen  angelegt 
ist.  Elektricitätsmenge,  mittlere  Dichtigkeit,  partikuläre 
Schlagweitc  dieses  Elementes  haben  denselben  Einflufs  auf 
die  Entladung,  wie  in  der  gewöhnlichen  Batterie.  Jede 
Partialentladung  führt  eine  bestimmte  Menge  von  Elektri- 
cität  aus  dem  Inneren  des  Elementes  in  den  Schliefsungs- 
bogen; die  Partialentladung  ist  vollendet  und  eine  neue 
erfolgt,  wenn  jene  Elektricitätsmenge  den  Schliefsungsbo- 
gen durchlaufen  hat,  und  der  Ladungszustand  des  Elements 
wiederhergestellt  ist.  Das  Letztere  geschieht  durch  Fortfüh- 
rung einer  dem  Ladungszustand  entsprechenden  Elektrici- 
tätsmenge aus  der  äufseren  Belegung  des  Elements,  und 
wird  im  ersten  Zwischendrahte  zugleich  mit  der  Ausgleichung 
der  Elektricitäteu  in  den  übrigen  Zwischendrähten,  ausge- 
führt. Die  Dauer  jeder  Partialentladung  und  damit  die  ih- 
rer Summe,  welche  die  Wirkung  der  Gesammtentladung 
bestimmt,  ist  daher  abhängig  von  der  Beschaffenheit  sowohl 
des  Schliefsungsbogcns  als  der  Zwischendrähte.  Dasselbe 
gilt  für  eine  Wirkung  im  Zwischendrahte,  so  dafs  auch 
hier  die  Zeit,  in  welcher  die  einzelnen  Partialentladungeu 
einander  folgen,  von  der  Zeit  abhängt,  in  der  die  Ausglei- 
chung der  Elekricitäten  in  allen  Zwischeudrähten  stattge- 
funden, und  die  Entladung  den  ganzen  Schliefsungsbogen 
durchlaufen  hat. 


364 


IV.     Beschreibung   des  seit  1845   zu  Sans  -  Souci 

aufgestellten  Regen-  und  TVindmessers ; 

construirt  von  Legeier, 

Königl.  HofgarlDer  und  Lehrer  ao  der  Köolgl.  Gärtner -Lehr -Anstalt. 


JLlie  Einrichtung  dieses  Instruments  (Taf.  IV.  Fig.  8.)  ist 
folgende.     Das  cjlinderfönnige  AufFangegeföfs  A  von  star- 
kem Zinkblech,   1,129  par.  Fufs  im   lichten  Durchmesser, 
9  par.  Zoll  hoch,  enthält  eine  Grundfläche  von  etwa  1  QFufs 
und  hat  einen  Boden,  dessen  Durchmesser  um  4  Zoll  grö- 
fser  ist,   als  der  Durchmesser   im  Lichten.     Aufserhalb  am 
Gefkfse  befindet   sich   an    einem    platten  Eisenstabe   eine 
Windfahne  AT,  deren   unterer  Rand   10  Zoll  vom  Boden 
entfernt  ist.    Die  Fahne  selbst  ist  15  Zoll  breit  und  8  Zoll 
hoch;  der  Fahne  gegenüber,  ebenfalls  aufserhalb,  ist  eine 
unten  verschlossene  Röhre  B  angebracht,  2  Zoll  im  Durch- 
messer, welchey  um  der  Schwere  der  Windfahne  das  Gleich- 
gewicht xa  halten,  mit  Stückchen  Eisen   oder  Blei   gefüllt 
ist.    Im  Boden  ist  innerhalb  des  Gefäfses,  dem  Rande  sehr 
nahe,  *r  Windfahne  genau  gegenüber,  ein  Loch  angebradit, 
worM  ein  Ausgufsröhrchen  a  gelöthet  ist,  von  f  Zoll  Länge 
gi^  \  Zoll   Breite,    weiches    das  in  A  gefallene   Wasser 
geknell  ausfliefsen  macht,  was  man  durch  einen  in  A^  nach 
n  sa  schrägliegendeu   zweiten  Boden  J  erreicht.     An   dem 
Bodenraude  nach  unten  zu  ist  ein  Rand  r  senkrecht  ange- 
löthet,  2^  Zoll  breit,   der  die  Oeffnung  des  Vertheilungs- 
gefäfses  C  deckt,  und  dadurch  verhindert,  dafs  Schnee  oder 
Regen  in  letzteres  geweht  wird.    Das  Vertheilungsgefäfs  C, 
ebenfalls  von  Zinkblech,  ist  auf  eine  der  Lokalität  ange- 
messene Weise,  unmittelbar  auf  dem  Dache  horizontal,  und 
zwar  so  befestigt,  dafs  die  (man  sehe  den  Grundrifs  R  Fig.  9 
Taf.  IV.)   in  seinem  Boden  befindlichen  8  Löcher,  mit  Be- 
rücksichtigung der  westlichen  Abweichung,  nach  den  8  Him- 
melsgegenden zu  stehen  kommen.    Die  Seitenwände  dieses 
Gefäfses  6  sind  2^  Zoll  hoch  und  der  Raum  auf  der  con- 


365 

centrischen  Kreisfläche  von  2^  Zoll  Breite,  ist  durch  1^  Zoll 
hohe  Querwände  q,  in  8  Abtheilungen  getheilt,  worin  sich 
in  der  Mitte  das  Ausflufsröhrchen  x,  von  4  Zoll  Durch- 
messer befindet.  Der  Anheftungspunkt  für  das  Röhrchen 
ist  der  niedrigste  in  )eder  Abtheilung,  damit  das  durch  a 
hineingelaufene  Wasser  sich  schnell  dahin  begeben  könne 
um  abzufliefsen,  und  wird  diefs  leicht  durch  muldenförmi- 
ges Aushämmern  der  Bodenfläche  jeder  Abtheilung  erreicht. 

Sobald  der  Wind  voll  aus  einer  Himmelsgegend  weht, 
und  Hegen  mit  sich  führt,  wird  das  Wasser  durch  a  in  die- 
jenige Abtheilung  gelangen,  welche  dieser  Windrichtung 
entspricht;  weht  aber  der  Wind  nicht  voll  aus  einer  Him- 
melsgegend, und  schwankt  er  zwischen  zwei  oder  mehre- 
ren Windrichtungen,  so  wird  in  diejenige  Abtheilung  das 
mehrste  Wasser  gelangen,  welche  mit  der  vorherrschend- 
sten Windrichtung  übereinstimmt.  Zu  dem  Ende  ist  A, 
im  Mittelpunkte  seines  Bodens  an  eine  gehärtete  Eisenstange 
D,  welche  4  Zoll  im  Durchmesser  hat,  durch  die  daran 
befindlichen  eisernen  Lappen  y  befestigt,  und  bewegt  sich 
D  in  einer  ebenfalls  gehärteten  Pfanne  £,  welche  letztere 
durch  einen  eisernen  Arm  oder  Träger  T  au  einem  Dach- 
sparren durch  eine  eiserne  Platte  H  angeschraubt  ist.  Diese 
Pfanne  überragt  den  kegelförmigen  Theil  von  D  um  so  viel, 
als  nöthig  ist,  um  zur  leichten  Bewegung  in  den  dadurch 
gebildeten  Raum  d  Oel  giefsen  zu  können. 

Die  Ausflufsröhren  x  sind  etwa  3  Zoll  laug,  und  es 
befinden  sich  unter  ihnen  entweder  unmittelbar  dre  8  glä- 
sernen Mefscjlinder  F,  auf  dem  runden  hölzernen  Boden 
Cr  aufgestellt,  oder  ihre  Enden  sind  mit  so  langen  und 
7  Zoll  weiten  Glasröhren  durch  kurze  Gummiröhren  t  ver- 
bunden, als  die  Entfernung  von  ihnen  bis  nach  G  hin  er- 
fordert. Die  Mefscjlinder  sind  12  Zoll  hoch,  oben  ohne 
umgebogenen  Rand,  1  Zoll  im  Lichten  weit  und  werden 
folgendermafsen  getheilt. 

Ist  nämlich  in  A  eine  Linie  hoch  Wasser  gefallen,  so 
beträgt  diefs  für  die  Grundfläche  von  1  D  Fufs  12  Kubik- 
zoll;  wiegt  man  hiervon  den  zehnten  Theil,  1|  Kubikzoll, 


366 

wdche  bei  15*  IL  23.7676  Gf«.  wicsciL  ab.  imd  f&üt  die- 
ses ^Wasser  in  einen  der  an^e^rbcnen  Crlinder,  so  nimmt 
CS  etwa  1|  Zoll  Höhe  ilarin  ein.  för  welcben  Stand  dann 
aofserbalb  am  Crlinder.  mit  Bcrnckfklitisans  der  Canilla- 
litü,  ein  Stricb  einse?cUiffen  wird,  und  enthält  der  Cjlin- 
der  onzefahr  sechs  Mal  diese  Höhe,  wdche  durch  einge- 
schliffene  Zahlen  Ton  1  —  6  bezeichnet  werden.  Dem  sechs- 
ten Theilnngsstri^  eesenöber  ist  ein  mndes  Loch  einge- 
schlifFen.  etwa  -^  Zoll  weit,  woran  ein  2^  Zoll  langes  und 
I-  Zoll  starkes  Ansatzrohr  e.  ein  wenig  nach  unten  gerich- 
tet, mit  Sieeellack  angekittet  wird,  zu  weichem  Ende  der 
obere  Theil  des  Röhrcheos  eine  runde,  muldenförmig  ver- 
tiefte Platte  erhält.  Der  ouiere  Theil  Ton  e  ist  abgesdirSgt, 
damit  der  letzte  Tropfen  Wasser  um  so  leichter  abfallen 
könne.  Die  Länge  zwi^hen  )e  zwei  Theibtrichen  wird 
mit  einem  MaaEsstabe  balbirt  und  hier  ein  kürzerer  Strich 
oder  Pookt  einseschliffen. 

Eine  Zehntel  Linie  ist  gleich  Hnnderttausendtel  Linien, 
und  kann  dnrch  diese  Eintheilung  ein  am  Abschätzen  ge- 
Gbtes  Auge  die  Länge  der  im  Crlinder  Torhandenen  Was- 
sermenge,  in  Tansendtel  -  Linien  ausgedruckt,  bestimmen. 
Das  fiber  ^%y  Linien  in  den  CTÜnder  gefallene  Wasser  flieEst 
durch  e  io  den  Behälter  A\  welcher  tou  Zinkblech,  inner- 
halb eine  so  weite  Röhre  s  hat.  dafs  diese  die  Windstange  D 
dnrchzosteckeu  erlaubt.  In  K  flieCst  das  Wasser  dnrch  die 
am  oberen  Rande  befindliche  concentrische  Oeffnong  w^ 
welche  darch  den  Deckel  v  gebildet  wird,  der  auf  den 
Endpunkt  Ton  2  aufsteckt.  Durch  den  Hahn  f  wird  das 
"Wasser  abgelassen,  mit  einem  der  Cylinder  gemessen,  und 
die  erhaltene  Wasserhöhe  dem)enigen  Crlinder  zugezählt, 
welcher  übergelaufen  ist.  Sind  2  Cvlinder  zugleich  über- 
gelaufen, so  mufs  die  stattgehabte  vorherrschende  Wind- 
richtung entscheiden.  Munden  die  Röhrchen  x  unmittelbar 
in  den  Cylinder,  so  erhallen  sie  am  Ende  eine  I7  ZU. 
hohe  und  1^  ZU.  weile  Kappe  g,  in  welche  der  obere  Theil 
des  Cjlinders  gesteckt  wird:  das  Ende  des  Röhrchens  ragt 
ein  wenig  und  zwar  abgeschrägt  hinein,  damit  andi  hier 


367 

der  letzte  Wassertropfen  abfallen  könne.  Mündet  die  Röhre 
nicht  unmittelbar  in  den  Cylinder,  und  ist  sie  mit  Glas- 
röhren Yerb(;inden,  so  trägt  das  Ende  der  Glasröhren  mit 
Siegellack  angekittet  eine  dergl.  Kappe,  irelche  den  Zweck 
hat,  dafs  das  in  dem  Cjlinder  befindliche  Wasser  nicht 
so  leicht  verdunste,  da  in  der  Regel  nur  alle  24  Stunden 
die  gefallenen  Wassermengen  eingetragen  werden.  Die 
Menge  des,  bei  einer  etwas  langen  Leitung  dadurch  ver- 
loren gehenden  Wassers,  da  ein  Theil  desselben  zur  Be- 
feuchtung der  Röhrenwände  erfordert  wird,  bevor  es  in 
die  Cjlinder  fliefsen  kann,  wird  durch  einen  Versuch  fest- 
gestellt, und  dieser  Verlust  entweder  bei  der  Messung  je- 
dem Cjlinder  als  ein  beständiges  Minus  zugezählt,  oder 
der  erste  Theilstrich  bei  allen  um  so  viel  niedriger  ange* 
bracht. 

Der  durch  A  aufgefangene  Schnee  wird  herausgenom- 
men, geschmolzen,  und  das  Wasser  mit  einem  getheilten 
Cjlinder  gemessen;  um  hierbei  zu  A  gelangen  zu  können, 
mofs  sich  im  Dache  eine  verschliefsbare  Luke  befinden. 

Auf  Erfahrung  begründet  ist  es  vorzuziehen  von  irgend 
riner  angemessen  gelegenen  horizontalen  Fläche  die  darauf 
für  1  D  Efs.  gefallene  Menge  Schnee  zu  entnehmen  und  zu 
schmelzen,  weil,  wenn  derselbe  nicht  sogleich  in  A  schmilzt, 
viel  davon,  selbst  während  des  Schneefalls,  durch  den  Wind 
wieder  herausgeweht  wird,  oder  man  kann  für  die  Schuee- 
monate  die  Oeffnung  von  A,  mit  einem  übergreifenden  et- 
was gewölbten  Deckel  verschliefsen,  der  in  der  Mitte  eine 
Oeffnung  von  einem  halben  Quadratfufs  hat,  wonach  dann 
die  gefallenen  Schneemengen  doppelt  zu  notiren  sind. 

Jede  Kappe  trägt  aufserhalb  am  Rande  eine  der  Him- 
melsgegend entsprechende  Bezeichnung,  und  sind  alle  Kap- 
pen, der  festeren  Haltung  wegen,  durch  den  kreisförmigen 
Zinkstreifen  m  mit  einander  verbunden. 

Der  Boden  G  ist  U  ZU.  stark,  in  der  Mitte  durchbohrt, 
um  D  durchzulassen,  welche  mit  ihrer  kegelförmigen  me- 
tallenen Spitze  auf  der  Unterlage  h  in  einer  kleinen  Verr 
tiefang  ruht.   Das  über  k  hinaus  befindliche  Ende  derselben 


Höh  4  ZO.  starL  and  endet  in  enca  geraden  Zap- 
ien,  der  in  das  gabell&nnge  Ende  der  Eisenstange  D  paust, 
■nd  daduidb  beCestigt  wird,  daCs  durch  die  Gabd  and  den 
bdbcmca  Zapfen  ein  Loch  Undnrchgckt,  dnrdi  welches 
nach  der  Vereinigang  beider  ein  entsprechend  starker  Draht 
t  gesteckt  wird.  Diese  Torrichtnng  unteribricht  bei  bedeu- 
tender Länge  Ton  D  £e  ■ggiiche  Leitung  Ton  Elektridtät 
in  das  Innere  des  GebSndcSy  und  bewirkt  zngleidi,  dafs  sich 
die  Spitze  von  D  nnr  in  k  dreht,  ohne  zugleich  mit  dem 
Gewichte  Ton  Ä  darauf  zu  iahen,  indem  der  eigentUdie 
Stutzpunkt  für  ^  in  C  liegL 

Am  untersten  Ende  tou  D  ist  eine  Hfilse  k  angebracht, 
wdche  mit  einem  Drahte  daran  befestigt  wird.  Hieran  be- 
findet sich  ein  gekrümmter  Draht  J^  der  mit  seinem  unte- 
ren Ende  in  die  auf  dem  hölzernen  Boden  L  befiodliche 
4  ZIL  breite.  1  ZIL  hiihe«  oben  ausgeschweifte  mit  Sacd 
ausgefüllte  Rinne  n  reicht,  und  hier,  wenn  er  sich  dreht, 
eine  kleine  Furche  im  Sande  henrorbringt  Die  Richtung, 
in  welcher  Jf  gegen  D  befestigt  werden  mufs,  ist  eine  der 
Ebene  der  Windlahne  entsesensesetzte,  so  daCs  die  Spitze 
Ton  M  dem  Beobachter  die  Himmelsgegend  anzeigt,  aus 
welcher  der  Wind  weht. 

Die  Himmeisgegenden  sind  auf  L  nach  Grundrifs  Z, 
(Fig.  10.  Tat  VI.)  mit  den  oberen  entsprechend  bezeich- 
net, wodurch  der  Beobachter  im  Stande  ist  genau  und  leicht 
die  statthabende  Windrichtung  aufzuzeichnen.  Der  Sand 
in  der  Rione  n  hat  den  Zweck,  dafs  man  an  den  durch  M 
darin  hervorgebrachten  kleinen  Furchen,  welche  nach  auf- 
gezeichneter Beobachtung  wegen  des  ausgeschweiften  Ran- 
des leicht  mit  dem  Finger  wieder  zugestrichen  werden  kaun, 
auch  die  stattgehabten  Schwankungen  des  Windes  wahr- 
nimmt. 

Um  beim  Durchlaufen  des  Windes  durch  die  ganze 
Windrose  festzustellen,  ob  dabei  eine  Drehaug  nach  Rechts 
oder  Links  stattgefunden  habe,  sind  an  den  vier,  1  Fufs  ho- 
hen und  angemessen  starken  Säulen  0,  bewegliche  Drähte  o 
angebracht,  welche  in  einer  Unterlage  p  so  befestigt  sind, 

dafs 


369 

dafs'sie,  aufgerichteti  vou  dem  diesen  Punkt  in  der  Wind- 
rose durchlaufenden  oberen  Theil  des  Drahtes  M  erfafst 
und  auf  die  Seile  gelegt  werden  können.  Stand  also  der 
Wind  im  Norden,  und  ist  die  ganze  Windrose  durchlaufen, 
so  werden  diese  vier  Drähte,  wenn  die  Richtung  durch 
W^esten  ging,  nach  Rechts  umgelegt  sejn,  und  Links  um- 
liegen,  wenn  die  Richtung  durch  Osten  stattfand,  der  Beob- 
achter nämlich  in  Norden  aufgestellt  gedacht,  mit  dem  Ge- 
sicht nach  Süden  gewendet. 

Der  Boden  L  befindet  sich  auf  eine  angemessene  Weise, 
doch  unverrückbar,  befestigt. 

Dieser  so  construirte  Regenmesser  läfst  demnach,  ohne 
die  stete  Gegenwart  des  Beobachters  zu  erfordern,  folgende 
Beobachtungen  zu: 

1)  Das  gefallene  Regen wassor,  oder  sonstige  Niederschläge 
werden,  in  Tausendtel-Linien  ausgedrückt,  von  demje- 
nigen Cj'linder  aufgenommen,  welcher  der  dabei  statt- 
gehabten Haupt  Windrichtung  entspricht. 

2)  Die  Richtung  des  Windes  wird  genau  nach  der  Him- 
melsgegend angegeben,  und  eine  stattgehabte  Wind- 
stille dadurch  bemerbar  gemacht,  dafs  der  Zeiger  keine 
Furche  in  dem  Sande  hervorbrachte. 

§ 

3)  Bei  eingetretenem  Durchlaufen  des  Windes  durch  die 
ganze  Windrose  wird  festgestellt,  ob  diefs  nach  Rechts 
oder  Links  stattfand. 

Nachstehende  Tafeln  enthalten  die  monatlichen  Mittel 
der  bisher  mit  diesem  Wind-  und  Regenmesser  gemachten 
Beobachtungen  : 


PogseodorfiTs  AnnaL  Bd.  LXXX. 


24 


ii 

S2 


II 


1  i  I 


374 


V.     Ueber  die  Ldtkraft  der  Erde  für  Elehtricüät; 

fon  A.  Baumgartner. 

(Aas  den  SiUangsbcrichleD  der  K.  Akademie  der  Wisseosdiafieo 

so  Wien,  Mai  1849). 


i^eit  der  Zeit,  als  man  durch  Gray  die  ersten  Begriffe 
über  elektrische  Leitung  der  Körper  erlangt  hatte,  ward  die 
Erde  immer  für  einen  Leiter  der  Elektricität  gehalten;  man 
hat  es  aber  nicht  versucht,  ihr  den  Rang  unter  den  Leitern 
nachzuweisen,  oder  gar  ihre  Leitungsfähigkeit  in  einem  Zah- 
lenwerthe  auszudrücken,  ohne  Zweifel,  weil  man,  bis  vor 
ein  Paar  Decennien,  die  Mittel  und  Apparate,  welche  zu 
solchen  Bestimmungen  nöthig  sind,  nicht  kannte,  und  )ctzt, 
wo  man  sie  kennt,  dieselben  nur  verhältniCämäfsig  wenigen 
Personen  zu  Gebote  stehen. 

Der  Umstand,  dafs  mir  bei  der  Einrichtung  unserer  aus- 
gedehnten Telegraphenlinie  die  Oberleitung  dieser  Angele- 
genheit anvertraut  ward,  setzte  mich  in  die  Lage,  einiges 
zur  Lösung  der  vorgenannten  wichtigen  Aufgabe  unterneh- 
men zu  können,  und  ich  glaube,  im  Interesse  der  Wissen- 
schaft, diese  Gelegenheif  benutzen  zu  müssen. 

Erlauben  Sie  nun,  dafs  ich  Ihnen  das,  was  ich  hierin 
unternommen  habe,  und  zu  welchen  Resultaten  es  geführt, 
in  Kürze  mittheile. 

Bekanntlich  genügt  es  zum  Behufe  einer  telegraphischen 
Correspondenz  zwischen  zwei  Orten  nur  eine  einzige  Draht- 
leituDg  einzurichten  und  in  jeder  der  beiden  Endstationen 
das  Drahtende  in  die  Erde  zu  versenken;  denn  der  in  ei- 
ner Station  erregte  elektrische  Strom  gebt  im  t)rahte  hin 
und  in  der  Erde  wieder  zurück,  oder  umgekehrt,  und  der- 
selbe hat  den  Leitungswiderstand  im  Elektromotor,  im 
Drahte  und  in  der  Erde  zu  überwinden. 

Sind  aber  zwischen  zwei  Stationen  zwei  Leitungsdrähte 
gezogen,  die  an  jeder  Endstation  mit  ihren  Enden  leitend 
verbunden  sind,  so  dafs  sie  eine  in  sich  selbst  zurückkeh- 


375 

rende  leitende  Kette  bilden,  so  kann  der  an  irgend  einer 
Stelle  dieser  Kette  erregte  elektrische  Strom  in  einem  Drahte 
hin,  im  anderen  zurücklaufen,  und  er  hat  auf  seinem  Wege 
aufser  dem  Widerstände  des  Elektromotors  nur  den  des 
Drahtes  selbst  zu  ge^rältigen.  Stehen  einem  aber  beide 
Einrichtungen  zugleich  zwischen  denselben  Stationen  zu  Ge- 
bote, so  kann  man  den  in  der  Drahtleitung  hinlaufenden 
Strom  eines  coustanten  Elektromotors  einmal  im  Drahte, 
ein  anderes  Mal  in  der  Erde  zurückkehren  lassen.  Wird 
nan  durch  ein  in  die  Drahtleitung  eingeschaltetes  geeigne- 
tes Mefsinstrument  in  beiden  Fällen  die  Stromstärke  ge- 
messen, so  kann  man,  nach  den  bekannten  Gesetzen  der 
Bewegung  elektrischer  Ströme,  das  Verhältnifs  der  Leitungs- 
widerstände in  einer  Längeneinheit  des  Drahtes  und  des 
zwischen  beiden  telegraphischen  Stationen  gelegenen  Thei- 
les  des  Erdkörpers  numerisch  bestimmen,  und  somit  die 
Aufgabe  lösen,  welche  ich  vorher  angedeutet  habe. 

Ich  habe  mich,  um  dieses  durchzuführen,  eines  Theiles 
unserer  nördlichen  Telegraphenlinie  bedient.  Es  geht  näm- 
lich vom  Bahnhofe  der  Kaiser  Ferdinands -Mordbahn  eine 
aus  Kupferdraht  von  einer  Wiener  Linie  Dicke  bestehende 
Leitung  über  Gänserndorf  nach  Brunn,  Olmütz  und  Prag, 
und  eine  zweite  ebenfalls  über  Gänserndorf  nach  Prefsburg, 
so,  dafs  demnach  zwischen  Wien  und  Gänserndorf  zwei 
Drahtleitungen  gezogen  sind.  Ich  schaltete  in  die  Draht- 
leitung, welche  mit  einem  Ende  in  Wien,  mit  dem  anderen 
in  Gänserndorf  in  die  Erde  versenkt  ist,  ein  kleines  Zink- 
Platin -Element  mit  amalgamirter  Zinkplatte  und  angesäuer- 
tem Wasser  und  eine  sehr  empfindliche  Sinusboussole  ein, 
und  beobachtete  unter  den  bekannten  Vorsichten,  nachdem 
die  Nadel  der  Boussole  in  Ruhe  gekommen  war,  die  Gröfse 
des  Ableitungswinkels. 

Hierauf  liefs  ich  sowohl  in  Wien  als  in  Gänserndorf 
die  Drahtenden  von  ihrer  Verbindung  mit  der  Erde  lösen 
und  dagegen  mit  dem  von  Wien  nach  Prefsburg  führenden 
Drahte  leitend  verbinden,  jede  andere  Verbindung  aber 
aufbeben ,    und   mafs   abermals  den  Ableitungswinkel  der 


376 


MagnetnadeL    Bef  drei  hinter  rinander  angesteUten  Yer- 
Bachen  erhielt  ich  nachstehende  Ablenkungen: 


I.  Ver- 
sach. 


2.  Ver- 
such. 


3.  Ver-   I  Dorch- 
sach.      I    schnitt 


1.    Als  der  Strom  im  Drahte   hiD 

and  her  ging. 
n.  Als   der  Strom  im  Drahte  hin, 

in  der  Erde  sarüdi  ging. 


20* 
33« 


I 


22* 
32;» 


!    31» 


20»  30' 
32»  10' 


Bezeichnet  man  in  I.  die  Gröfse  des  Ableitungswin- 
kels mit  Af  den  specifischen  Leitungswiderstand  in  der 
ganzen  Kette  mit  R,  die  elektromotorische  Kraft  mit  £, 
ferner  die  gleichnamigen  GrOfsen  in  IL  mit  a,  r,  e,  so 
hat  man: 


sina= — ,  8iUil=-=^ 

r  R 


und  weil  £=e  ist 


sin.a 
&in.^ 


R 


Der  Leitungswiderstand  hängt  bekanntlich  bei  gleicher 
Temperatur  ab  von  der  Natur  des  Widerstand  leisten- 
den Stoffes,  Ton  der  Länge  des  Weges,  den  der  Strom 
in  demselben  durchläuft,  und  von  dem  auf  der  Stromhch- 
tung  senkrechten  Querschnitte  des  Leiters.  Ist  die  Kette 
sehr  lang  und  der  Widerstand  im  Elektromotor  sehr  gering, 
wie  dieses  in  den  hier  besprochenen  Versuchen  der  Fall 
war,  so  kann  man  vom  Leitungswiderstand  im  Elektromo- 
tor ganz  absehen  und  den  gesammten  Widerstand  als  von 
der  Drahtleitung  und  respective  von  der  Erde  abhängig  be- 
trachten. Nennt  man  nun  die  Drahtlänge,  welche  der  elek- 
trische Strom  zu  durchlaufen  hat,  wenn  er  im  Drahte  hin- 
und  zurückgeht  L,  )eue  welche  er  durchströmt,  wenn  er 
blofs  im  Drahte  hinfliefst,  aber  in  der  Erde  zurückkehrt  I, 
ferner  die  Entfernung  der  zwei  Stationen,  welche  zum  Ver« 
suche  ausgewählt  werden,  in  gerader  Linie  A,  bezeichnet 
endlich  M  eine  vom  specifischen  Leitongszustand  des  Drah- 
tes und   von  seinem  Querschnitte  bei  der  Länge  =  1  ab- 


577 

bSngige  GrOfse,  m  hingegen  eine  Sbniicbe  für  den  vom  elek- 
trischen Strome  durchflossenen  Tbeil  des  ErdkOrpers,  so 
hat  man: 

R=ML,  r=sMl+mi.; 
daher 

*'"«  ^^      und  endlich  ^  =        ^"'"^ 


staA  Ml-i-mX  fit  LiinA — /sina* 

Die  von  Wien  nach  Gänserndorf  gezogene  Drahtleitung 
ist  16100  Kl.  lang,  ferner  ist  eine  Spirale  von  einem  0,19  L. 
dicken,  130  F.  langen  Kupferdraht  eingeschaltet,  die  dem- 
nach denselben  Widerstand  leistete  wie  1  Linie  dicker  Kup- 
ferdraht von  600  Kl.  Länge.  Es  mufs  demnach  die  ganze 
Drahtleitung  bezüglich  ihres  Leitungswiderstandes  mit  16700® 
L&nge  angenommen  werden.     Man  hat  demnach 

Z=16700;  L=  167004- 16100=32800  Kl. 

Die  gerade  Entfernung  der  Station  im  Nordbahnbofe 
von  der  in  Gänserndorf  beträgt  14800  Kl.  =  ^.  Wird  daher 
in  der  letztgenannten  Formel 

A=20^3&  a=32«lÖ' 

gesetzt,  so  erhält  man 

M  14800siii(32M0') 


3,14. 


m  32800  sin  (  20*'  30' )  —  1 6700  sin  (  32<>  10' ) ' 

Es  ist  demnach  der  Leitungswiderstand  eines  Kupfer- 
drahtes von  der  Länge  =1  und  1  Linie  Dicke  3,14  mal 
gröfser,  als  der  eines  gleich  langen  vom  elektrischen  Strome 
durchflossenen  Theiles  des  Erdkörpers  von  unbekanntem 
Querschnitte. 

Man  wird  mir  einwenden;  dafs  der  gefundene  Zahlen- 
werth  wenigstens  in  seinen  Bruchtheilen  nicht  genau  sej, 
weil  die  Ergebnisse  der  drei  Versuche,  deren  Durchschnitts- 
werth  in  Rechnung  genommen  wurde,  um  1^^  von  diesem 
Durchschnitt  abweichen,  und  ich  erkenne  diefs  willig  an; 
zu  meinem  Zwecke  würde  aber  selbst  ein  Resultat  genü- 
gend sejn,  das  noch  weniger  scharf  wäre  als  das  hier  er- 
haltene, weil  ich  nur  darauf  ausging,  zu  ersehen,  ob  denn 
wirklich  der  Widerstand  in  der  Erde  6o  klein  sejr,  dafs  er 


378 

gegen  den  im  Metallleiter  vernachlärsigt  werden  kann,  wie 
man  hie  und  da  behaupten  hört;  sodann  wünschte  ich,  ei- 
nen Widerspruch  aufzuklären,  der  zwischen  der  elektrischen 
Leitfähigkeit  des  Erdkörpers  und  jener  seiner  uns  bekann- 
ten Bestaudtheile  besteht,  und  endlich  wollte  ich  über  den 
Gang  eines  elektrischen  Stromes  im  Innern  der  Erde  einige 
nähere  Aufklärung  gewinnen. 

Das  erhaltene  numerische  Resultat  zeigt  genfigend,  dafs 
der  Leitungswiderstand  in  der  Erde  nicht  gar  so  unbedeu- 
tend sej,  als  man  zu  meinen  scheint,  und  wiewohl  ich 
Grund  zu  haben  glaube,  annehmen  zu  dürfen,  es  werde 
sich  dieser  Widerstand  bei  gröfserer  Entfernung  der  Ver- 
suchsstationen verhältnifsmäfsig  kleiner  darstellen,  als  er 
hier  gefunden  worden,  so  bleibt  er  doch  immerhin  von  ei- 
ner Gröfse,  die,  dem  Widerstände  im  Drahtleiter  gegenüber, 
nicht  zu  vernachlässigen  ist. 

Der  Erdkörper,  wenigstens  der  hier  ins  Spiel  gekom- 
mene Theil  desselben,  erscheint  als  ein  Lefter,  der,  wenn 
man  nicht  auf  den  Querschnitt  des  Stromkanals  sieht,  so- 
gar einem  gut  leitenden  Metall,  dem  Kupfer  vorgeht. 

Andererseits  ist  aber  bekannt,  dafs  die  Stoffe,  aus  wel- 
chem die  uns  bekannte  Erdrinde  besteht,  sehr  unvollkom- 
mene Leiter  seyen  und  an  Leitkraft  von  den  Metallen  weit 
übertroffen  werden;  wir  finden  uns  sogar  bestimmt,  anzu- 
nehmen, dafs  das  Wasser  der  bestleitende  Theil  der  Erd- 
rinde sej  (einzelne  Metalladern  können  hier  nicht  in  Rech- 
nung kommen,  da  sie  kein  Continuum  bilden)  und  wissen 
doch,  dafs  destillirtes  Wasser  ein  mehrere  Millionenmal 
schlechterer  sey  als  Kupfer. 

Es  mufs  also  die  Erde  ihre  elektrische  Leitfähigkeit  nicht 
sowohl  ier  Beschaffenheit,  als  der  Quantität  ihrer  Masse 
und  eigentlich  der  Gröfse  des  Querschnittes,  den  sie  einem 
Strom  darbietet,  verdanken. 

Dieser  Scblufs  führt  aber  wieder  zu  einer  anderen,  wie 
cft  auf  den  ersten  Blick  scheint,  mit  dem  bekannten  Gesetz 
der  Bewegung  der  Elektricität  nicht  vereinbarlicben  Unzu- 
kömmlichkeit.   Es  ist  nämlich  der  Querschnitt,  den  die  Erde 


379 

einem  in  sie  eindringenden  Strome  darbietet,  so  ungeheuer 
grofs,  dafs  selbst,  wenn  ihre  specifische  Leitkraft  sogar 
kleiner  als  die  des  Wassers  wäre,  ihr  Leitungswiderstand 
gegen  den  der  Metalldrähte  völlig  verschwinden  müfste,  was 
aber  der  Entfernung  entgegen  ist. 

Man  kann  daher  nicht  umhin  anzunehmen,  dafs  sich  ein 
elektrischer  Strom,  der  in  die  Erde  eindringt,  in  derselben 
nicht  so  ausbreite,  wie  dieses  die  Gröfse  des  Erdkörpers 
nach  dem  gewöhnlichen  Leitungsgesetze  gestatten  zu  müs- 
sen scheint,  sondern  dafs  er  sich  auf  einen,  wenn  auch 
bedeutenden  doch  nur  im  Verhältnifs  zur  Gröfse  des  Erd- 
körpers unbedeutenden  Querschnitt  beschränke. 

Dieser  Ansicht  stehen  auch  die  bekannten  Leitungsge- 
setze nicht  entgegen.  So  wie  nämlich  ein  elektrischer  Strom 
an  irgend  einer  Stelle  in  den  Erdkörper  iibergeht,  löset  er 
sich  gleichsam  in  eine  unendliche  Anzahl  divergirender  Strom- 
fäden auf,  die  sich  bei  der  Annäherung  an  die  Stelle,  wo 
die  Elektricität  die  Erde  verläfst,  wieder  in  convergirendeu 
Linien  sammeln.  Nun  hat  aber  nur  die  Axe  dieses  Strom- 
kegels, nicht  aber  der  ganze  Strom,  den  kürzesten  Weg 
zwischen  der  Ein-  und  Austrittsstelle  eingeschlagen  und  es 
fiberwieget  die  Weglänge  der  einzelnen  Elementarströme 
die  Axe  des  Stromkegels  um  so  mehr,  in  einem  je  gröfse- 
ren  Querschnitte  sich  der  Strom  ergossen  hat.  Diese  Ver- 
längerung des  Weges  hat  aber  eine  Vergröfseruug  des  Lei- 
tuugswiderstandes  zur  Folge  und  kann  demnach  nur  so  weit 
gehen,  bis  sie  der  Erleichterung  der  elektrischen  Strömung, 
welche  sich  aus  der  Yergröfserung  des  Querschnittes  ergiebt, 
das  Gleichgewicht  hält. 

Man  könnte  sogar  die  Gröfse  des  Querschnittes,  dessen 
Gränzen  der  Strom  nicht  überschreitet,  berechnen,  wenn 
die   specifische  Leitkraft  der  Erde  bekannt   wäre.     Nimmt 

man  diese  Leitkraft  gleich  jener  des  mit  Salpetersäure 

versetzten  Wasser  an,  so  ergiebt  sich  das  Verhältnifs  der 
Leilkraft  der  Erde  zu  jener  eines  Kupferdrahtes  bei  glei- 
chen Querschnitten  und  gleicher  Weglänge,  wie  folgt:  Nach 
Pouillet's  Versuchen  hat  man: 


380 

Die  specifiscbe  Leitkraft  des  mit     ^ 

Salpetersäure    Tersetzten    Wassers 
verhält  sich  zu  jener  einer  gesättig- 
ten Kupfervitriollösung      •     .     .     .wie  150:         10,000 
die  einer  gesättigten  Kupfervitriollö- 
sung zu  jener  des  Platins       .     .     .     ,,       1 :     2,546680 
die  des  Platins  zu  jener  des  Kupfers    „     22 :  100 

daher  die  specifiscbe  Leitkraft  des  an- 
gesäuerten   Wassers  zu    jener    des 

Kupfers  wie 1:771,721212. 

Da  nun  den  hier  besprochenen  Versucbsrcsultaten  zu 
Folge  die  elektrische  Leitkraft  der  Erde  nicht  nur  kleiner, 
als  jene  des  Kupferdrahtes,  sondern  sogar  3,l4mal  gröfser 
ist,  so   mufs   der  mittlere  Querschnitt  des  Stromkanals  in 

der  Erde  [  — mal  gröfser  seyn,  als  im  kupfernen  Lei- 
ter, mithin  65111  Q.  F.,  d.  h.  ein  Quadrat  von  255  F. 
Seite,  oder  einen  Kreis  von  144  F.  Radius  ausmachen.  Die 
wirkliche  Verbreitung  des.  Stromes  wird,  da  er  innerhalb 
der  Fläche  eines  Kegels  liegt  und  nicht  in  einem  prismatisch- 
cjlindrischen  Kanal  fortgeht,  bedeutend  gröfser  sejrn  '). 

Allen  diesen  Betrachtungen  liegt  die  Annahme  zu  Grunde, 
dafs  es  gestattet  sej,  sich  einen  elektrischen  Strom  wie 
den  einer  körperlichen  Flüssigkeit  vorzustellen,  er  mag  in 
einer  fortschreitenden  Bewegung,  oder  in  einer  solchen  fort- 
bestehen, wo  die  bewegten  Theile  die  Lage  ihres  Gleich- 
gewichts nur  wenig  verlassen,  und  ich  habe  geglaubt,  hier- 
zu darum  berechtigt  zu  sejn,  weil  die  Aufgabe  der  Natur- 
forschung nach  meiner  Ansicht  überhaupt  darin  besteht, 
Unbekanntes  auf  den  Typus  des  Bekannten  zurückzuführen. 

I)  Die  Sclilufsroigerungen  des  geehrten  Hrn.  Verf.  durften  indefs  wesent- 
lich dadurch  beeinträchtigt  werden,  dafs  die  Platten,  mittelst  welcher 
der  Strom  durch  die  Erde  geleitet  wird,  erfahrungsroärsig  eine  Polari- 
sation erleiden.  Diese  Polarisation  möchte  wohl  den  Haupt- Antheil 
haben  an  der  Schwächung  des  Stroms  beim  Durchgang  durch  die  Erde. 

P. 


381 


VI.     JVeitere  Versuche  Über  den  elektrischen 

Leitungswiderstand  der  Erde; 

con  A.  Baumgartner. 

{Abs  Jen.  Sitcuogsberichten  der  K.  Akademie  der  Wissenfchafien 

SQ  Wien,  Jani  1849). 


1. 


iJie  weitere  Ausdehnung  der  Doppelleitung  an  unserer 
Telegraphen -Linie  hat  mir  Gelegenheit  gegeben,  die  Ver- 
suche tiber  den  elektrischen  Leitungswiderstand  des  Erd- 
körpers im  VerhIlUnisse  zu  dem  eines  i  W.  L.  dicken  Kup- 
ferdrahtes weiter  auszudehnen  und  ich  gebe  mir  hiermit  die 
Ehre,  der  Klasse  vorzulegen,  was  ich  hierin  erfahren  habe, 
and  zu  welchen  Schlüssen  ich  mich  für  berechtigt  halte. 

Bei  meinen  ersten  Versuchen  dieser  Art  stand  mir  nur 
die  vier  Meilen  lauge  Doppelleitung  zwischen  Wien  und 
Gänserndorf  zu  Gebote;  vor  Kurzem  ward  aber  diese  Lei- 
tong  (Iber  Gratz  hinaus  verlängert  und  mir  dadurch,  und 
durch  die  freundliche  Bereitwilligkeit  des  Hrn.  Telegraphen- 
directors  Dr.  GintI  die  Möglichkeit  gegeben,  den  Leitungs- 
widerstand der  Erde  auf  der  nahe  11  Meilen  langen  Linie 
zwischen  Wien  und  Gloggnitz  und  auf  der  in  der  Verlän- 
gerung derselben  liegenden  28  Meilen  langen  Strecke  zwi- 
schen Wien  und  Gratz  zu  untersuchen. 

Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  ich  diese  Versuche  an- 
stellte, brauche  ich  nichts  mehr  zu  erwähnen,  da  ich  mich 
genau  an  die  Versuchsmethode  gehalten  habe,  welche  icli 
auf  der  Wien- Gänserndorfer  Strecke  angewendet  und  wor- 
über ich  der  Klasse  bereits  Bericht  erstattet  habe;  auch  der 
Messapparat  für  den  elektrischen  Strom  war  derselbe,  den 
ich  bei  den  früheren  Versuchen  gebraucht  habe.  Der  Elek- 
tromotor, dessen  ich  bedurfte,  mufste  aber  kräftiger  seyn» 
als  bei  meiner  früheren  Arbeit,  weil  es  sich  um  viel  gröfsere 
Entfernungen  handelte«  Ich  brauchte  daher  dieselbe  Batterie, 
welche  für  kürzere  Strecken  zum  Behufe  des  Telegraphi- 
rens  in  Anwendung  steht. 


1 


382 

• 

Wie  ich  schon  erwihnt  habe,  beziehen  sich  die  Ver- 
suche, von  denen  ich  hier  Bericht  erstatte,  auf  die  Wien- 
Gloggnitzer  and  auf  die  Wien -Gratzer- Strecke.  Die  Länge 
des  Leitongsdrahtes  auf  der  ersten  Strecke  ist  10,93  Meilen 
oder  43720  Klafter,  auf  der  zweiten  27,93  Meilen  oder 
111,720  K.  Kl.  Mit  Einrechnnng  des  MedBapparates  und 
der  Indicatoren  mit  ihren  0,19  Linien  dicken  Drähten*  er- 
hält mau: 

FQr  die  Wien-Gloggnitzer  Linie  die  Drahtlänge,  in  wel- 
cher der  Strom  hingeht  46536  Kl.,  jene,  in  welcher  er  hin- 
und  wieder  zurückgeht  96,904  Kl. 

Ffir  die  Wien -Gratzer  Linie  hingeged  ist  die  Draht- 
länge, in  welcher  der  Strom  hinfliefst  11786  Kl.,  jene,  in 
welcher  er  hin-  und  wieder  zurückgeht  242876  Kl. 

Die  gerade  Linie  zwischen  Wien  und  Gloggnitz,  mithin 
der  Weg,  welchen  die  Axe  des  elektrischen  Stroms  in  der 
Erde  durchfliefsen  mufs,  beträgt  35,120  Kl.,  jene  zwischen 
Wien  und  Gratz  hingegen  74640  Kl. 

Die  Ablenkung  der  Magnetnadel,  als  der  Strom  im  Kup- 
ferdrahte  von  Wien  nach  Gloggnitz  ging  und  in  demselben 
wieder  zurückkehrte,  war  20^,  als  aber  der  Strom  im  Drahte 
hinflofs  und  in  der  Erde  zurückkehrte,  betrug  sie  40^.  Die- 
selben Gröfsen  waren  bei  dem  Versuche  auf  der  längeren 
Strecke  zwischen  Wien  und  Gratz  9"  und  16^^« 

Mittelst  dieser  Werthe  erhält  mau  nach  der  in  meinoB 
früheren  Berichte  (Maiheft)  entwickelten  Formel: 

1)  für  die  Wien-Gloggnitzer  Strecke    6,98 

2)  für  die  Wien -Gratzer  Strecke  .  4,70. 
Diese  Gröfsen  fibertreffen  jene,  welche  ich  für  die  Lei- 
tungsfähigkeit einer  Strecke  ron  der  Länge  =1  und  einem 
unbestimmten  Querschnitte  gegen  die  in  einem  gleich  lan- 
gen Kupferdrahte  vom  Durchmesser  einer  Wiener  Linie 
auf  der  Wien-Gänserndorfer  Strecke  gefunden  habe,  um 
ein  Bedeutendes,  doch  führen  auch  diese  zu  den  Schlüssen, 
die  ich  aus  den  früheren  Versuchen  über  den  innem  Ver- 
lauf der  Fortpflanzung  der  Elektricität  im  ErdkOrper  ziehen 
zu  können  glaubte;  ja  die  Verschiedenheit  der  nninerisdieD 


383         ^ 

Werthe  in  verscbiedeneb  Stationen,  die  viel  gröfser  ist  als 
dafs  sie  von  Beobachtungsfehlern  herrühren  könnte,  da  der 
Ablenkungswinkel  bei  wiederholten  Beobachtungen  immer 
genau  von  derselben  Gröfse  erschien,  deuten  noch  bestimm- 
ter darauf  hin,  dafs  sich  ein  elektrischer  Strom  nicht  in  der 
ganzen  Erdmasse  vertheile,  sondern  auf  einen  verhältnifs- 
mäfsig  kleinen  Theil  derselben  beschränkt  bleibe. 


VII.    Enargit,  ein  neues  Mineral  aus  der  Ordnung 

der  Glänze. 


I.    Mineralogische  Bestiinmung  nebst  Bemerkungen; 

von  August  Breithaupt 

Jtlr.  Conrad,  ein  theoretisch  und  practisch  gründlich 
ausgebildeter  Hüttenmann,  ist  zu  Anfang  dieses  Jahres  aus 
Peru,  wo  er  'über  2  Jahre  lang  thätig  war,  mit  reichen  Er- 
fahrungen und  Beobachtungen  mannigfacher  Art  nach  Frei- 
berg zurückgekehrt.  Unter  den  von  ihm  mitgebrachten  Mi- 
neralien fand  sich  eins,  welches  ich  sogleich  für  neu  und 
eigenthümlich  erkannte.  Hrn.  Conrad  zolle  ich  für  die 
erhaltenen  Proben  davon,  welche  die  folgenden  Beobach- 
tungen gestatteten,  hiermit  meinen  aufrichtigen  Dank. 

Dieses  Mineral  zeigt  metallischen  Glanz,  zwar  sehr  leb- 
haft, aber  nicht  ganz  vollkommen,  nur  etwa  so,  wie  der 
frische  Manganit  auf  den  Spaltungsflächen. 

Farbe,  eisenschwarz,  auf  den  basischen  Flächen  nicht 
ganz  so  dunkel,  als  auf  den  prismatischen.    Strich,  schwarz. 

Primärform:  Brachjaxes  rhombisches  Pjramidoeder, 
nach  Dimensionen  unvollständig  bekannt.  Primäres  Prisma, 
odP:=98"  ir,  noch  genauer  nach  äem  Mittel  meiner  Beob- 
achtungen 98"  10|'.  Da  die  Messungen  an  Spaltungsgestal- 
ten  so  scharf  waren,  dafs  für  einen  Fehler  von  weniger 


384 

als  einer  Minute  eingestanden  werden  kann^  so  verglich 
ich  den  Winkel  nach  der  Progressions -»Theorie ,  man  sehe 
Bd.  I.  S.  289  meines  vollst  Handb.  d.  Mineralogie ,  wor- 
nach  die  Substanz  hexagonomerisch  genommen  werden  mubf 
und  siehe  da,  es  ergab  sich  ein  ungemein  einfacher  Ablei- 
tungswerth.  Es  ist  nämlich  ein  nach  |>  Makrodiagonale  des 
schematischen    Prisma    von    120°    abgeleitetes   Prisma  ss 


98«  10' 48",  also  xP  des  Enargits  =^?^.  —  Die  wo- 
nigen Krjstallc,  welche  bis  jetzt  bekannt  sind,  zeigen  OP; 
ooPob;   xP;    ooPöb,   und  noch  Spuren  eines  secundären 

Prisma,  vielleicht  X)  P2.  Die  Basis  OP  ist  eben,  od  P  vor- 
herrschend, und  aus  der  Coexistenz  der  verticalen  Gestal- 
ten erklärt  sich  die  Längenkerbung  der  Krystalle.  —  In 
den  derben  Massen  grofs-  bis  grobkörnig  zusammengesetzt^ 
mit  Neigung  zum  stäuglichen.  —  SpaÜbarkeity  primär-pris- 
matisch y  vollkommen;  brachy diagonal  und  makrodiagoual, 
ziemlich  deutlich;  basisch,  undeutlich;  primär -pjramido* 
edrisch,  in  Spuren.     Bruch,  uneben. 

Spröde,  läfst  sich  deshalb  leicht  pulverisiren,  leichter 
als  die  meisten  Glänze. 

Härte  =4,  genau  die  des  Kalkspaths. 

Specifisches  Gewicht  =4,430  bis  4,445,  nach  drei  Be- 
stimmungen. 

Die  ungemein  deutliche  prismatische  Spaltbarkeit  ist  der- 
artig von  keinem  andern  Gliede  der  Ordnung  der  Glänze 
bekannt,  und  da  sich  die  Spaltungs- Prismen  mit  dem  Be- 
flexions- Goniometer  ebenso  leicht  als  genau  messen  lassen, 
so  liegt  hierin  und  in  dem  eigenthümlichen  Winkel  eine 
so  grofse  Auszeichnung,  dafs  ich  deshalb  das  Mineral  mit 
dem  obigen  Namen  bdegte,  nach  iva^yi^g  d.  h.  in  die  Au« 
gen  fallend  y  deutlich.  Auch  das  niedrige  specifische  Ge- 
wicht dient,  im  Vergleiche  mit  den  ähnlichen  Glänzen  des 
rhombischen  Krjstallisations- Systems,  mit  zur  bequemen 
Erkennung. 

Es  kommt  der  Enargit  in  grofsen  derben  Massen  vor, 

worin 


385 

worin  selten  kleine  Kryslall-Dmaen  erscheinen,  und  er 
bricht  auf  einem  Gange  in  krjstalliniscbem  Kalkstein.  Der 
Gang  hat  keine  gleichmäfsige  MSchtigkeit,  besteht  vielmehr 
aus  grofsen  linsenförmigen  Körpern,  welche  aber  bis  drei 
Lachter  mächtig  werden.  Solche  sehr  bedeutende  Anbrüche 
enthalten  allermeist  nur  jenes  Mineral  und  die  beibrechen- 
den anderen  metallischen  Mineralien  sind  Tennantit,  Kup- 
ferkies und  Eisenkies.  Von  diesen  dürfte  der  Tennantit, 
welcher  das  specifische  Gewicht  4,369  gab,  noch  am  fre- 
quentesten  seyn,  so,  dafs  er  zum  Kupferausbringen  mit 
beiträgt;  er  ist  ferner  noch  dadurch  merkwürdig,  dafs  er 
in  seinen  Combinationeu  ein  neues  skalenisches  Ikositessa- 
roeder  zeigt,  welches  die  Combinations- Kanten  zwischen 

D  und  ^  mit  Parallelismus  der  neuen  Combinations  Kau- 

ten  abstumpft,  welches  ich  au  einem  anderen  Orte  beschrei- 
ben werde.  Der  Eisenkies,  meist  nur  porphjrartig  im  Enar- 
git  inne  liegend,  ist  im  frischen  Bruche  von  der  schönsten 
gelben  Farbe,  welche  man  von  diesem  Mineral  kennt,  rea- 
girt  aber  auch  im  Glaskölbchen  über  der  Spiritus -Flamme 
sehr  stark  auf  Arsen;  sein  specifisches  Gewicht  beträgt  4,988* 
Aufser  grünem  und  blauem  Beschläge  auf  den  Klüften  des 
ganzen  Gemenges  ist  au  den  erhaltenen  Stücken  keine  an- 
dere Gangart  zu  sehen;  jedoch  giebt  Hr.  Conrad  an,  dafs 
auf  dem  Gange  ein  graues  bis  schwarzes  Mineral  von  musch- 
ligem  Bruche  in  Menge  einbreche,  welches  Aehnlichkeit  mit 
Perlstein  habe. 

Man  kann  sich  übrigens  eine  Vorstellung  von  der  Fre- 
quenz des  Enargits  machen,  wenn  man  erwägt,  dafs  in  ei- 
nem einzigen  Jahre  aus  den  Ausbrüchen  für  ungefähr  90000 
Thaler  Schwarzkupfer  mittels  Flammöfen  ausgeschmolzen 
worden  sind.  Deshalb  und  weil  ich  günstige  Gelegenheit 
dazu  habe,  hoffe  ich  von  dem  neuen  Minerale,  so  wie  von 
seinen  Begleitern  noch  eine  beträchtliche  Menge  zu  bekom- 
men. Der  Euargit  liefert  übrigens  den  Beweis,  dafs  wir  noch 
lange  nicht  alle  massenhaft  vorkommenden  metallisch  nutz- 
baren Mineralien  kennen  dürften.    Der  Gang,  auf  dem  er 

PoggeodorfTs  Aooal.  Bd.  LXXX.  25 


386 

blickt,  beifst  8.  Frandseo,  der  Fundort  ist  Maroeoctm  m 
Bergwerks  Distrikt  JauKy  fiber  14000  Fo(s  hoch,  anf  dee 
Cordilleren  too  Peru.  In  der  Nähe  werden  noch  andere 
Gänge  too  ganz  abweichender  Mineralien -Zosammeosetxnng 
getroffen. 

Schon  seit  Jahren  kenne  ich  ein  Mineral  von  der  Gmhe 
Junge  hohe  Birke  bei  Freiberg  in  prismatisch  spaltbaren 
nadelförmigen  Krjstallen,  dem  Elnargit  täuschend  ähnlich, 
aber  die  hiesige  bergakademische  Sammlang  besitzt  davon 
zu  wenig»  am  antersncht  werden  zo  können.  Es  begleitet 
die  Kapferblende  and  den  Kupferkies,  )ene  steht  aber  be- 
kanntlich dem  Tenuantit  sehr  nahe,  and  diefs  erhöht  die 
Wahrscheinlichkeit,  dals  jene  Krjrställchen  Enargit  sejen. 
Aach  kommt  auf  derselben  Grube  Teunantit  vor. 

Hr.  Conrad  hatte  fOr  technische  Zwecke  den  Ejnargit 
chemisch  ontersucht  ond  als  Hauptbestandtheile  Kupfer,  Ar- 
sen and  Sdiwefel  erkannt.  Der  Silbergehalt  aber  beschränkte 
sich  auf  ein  Paar  Pfundtheile. 


II.   Chemische  Cntersachnog  des  Enargit's  voa  Morococfca 

in  Peru;  voo  C.  F.  Plattaer. 

OnalitatiTe  Untersachoiig. 

In  einer  an  einem  Ende  zugeschmolzenen  Glasröhre  er- 
hitzt, decrepitirt  das  Mineral  ziemlich  heftig  und  giebt  schon 
bei  ganz  schwacher  Hitze  ein  Sublimat  von  Schwefel;  bei 
stärkerer  Hitze  schmilzt  es,  noch  ehe  es  zum  GlQhen  kommt, 
zur  Kugel,  and  das  Sublimat  vermehrt  sich  durch  Sdiwe- 
felarsen,  welches  anter  der  Abkühlung  eine  blaCs  gelbrotbe 
Farbe  annimmt. 

In  einer  an  beiden  Enden  offenen  Glasröhre  schwach 
erhitzt,  giebt  das  Pulver  des  Minerals  schweflige  Säuren, 
welche  letztere  mit  Antimonoxjd  und  antimonsaurem  Ao- 
timonoxyd  gemengt  ist. 

Auf  Kohle  schmilzt  das  gepulverte  Mineral  unter  Ab- 
gabe von  Schwefelarsen  sehr  laicht  zur  Kugel,  wobei  sich 
schwache  Beschläge  von  arseniger  Säure,  Antimonoxjd  uod 


387 

Ziukoxyd  bilden.  Wird  die .  zarückbleibende  Kugel  gepul- 
vert und  das  Palver  auf  Kohle  abgerostet,  so  erhält  man 
ein  schwarzes  glanzloses  Oxjd,  welches  mit  Borax  auf 
Platindraht  geprüft  nur  auf  Kupfer  reagirt;  wird  aber  die 
Glasperle  fast  übersättigt  und  hierauf  auf  Kohle  so  lange 
im  Reductiousfeuer  behandelt,  bis  das  Kupfer  metallisch 
ausgefällt  ist,  so  bleibt  ein  geringer  Gehalt  an  Eisen  zu- 
rück, der  sich  durch  die  grünliche  Farbe  des  mit  der  Re* 
dactionsflamme  behandelten  Boraxglases  sowohl,  als  auch 
dadurch  zu  erkennen  giebt,  dafs  die  Glasperle,  wenn  sie 
auf  Platindraht  im  Oxydationsfeuer  umgeschmolzen  wird, 
eine  gelbe  Farbe  annimmt. 

Aetzkali  zieht  aus  dem  fein  gepulverten  Minerale  Schwe« 
felarsen  und  Schwefelantimon  aus,  welche  durch  Zusatz 
einer  Säure  mit  citrongelber,  ins  Orange  geneigter  Farbe 
ausgefällt  werden. 

Das  Mineral  besteht  demnach  hauptsächlich  aus  Schwe- 
felkupfer und  Schwefelarsen  mit  geringen  Mengen  von  Schwe- 
feleiscn,  Schwefelziuk  und  Schwefelantimon. 

Quantitative  Bestimmung  der  einzelnen  Bestendtbeile. 

2,108  Grm.  des  feingepülverten ,  völlig  trocknen  Mine- 
rals wurden  durch  Chlorgas  zerlegt. 

Nach  Entfernung  des  freien  Chlors  aus  der,  die  flüch- 
tigen Chloride  enthaltenden,  Flüssigkeit  wurde  zunächst  die 
geringe  Menge  freien  Schwefels  auf  einem  gewogenen  Fil- 
tmm  gesammelt  und  aus  der  Flüssigkeit  die  Schwefelsäure 
durch  eine  Auflösung  von  Chlorbaryum  ausgeschieden;  auch 
wurde  der  erhaltene  schwefelsaure  Baryt  nach  dem  Trock- 
nen und  Glühen  nochmals  mit  Chlorwasserstoffsänre  be- 
handelt und  abermals  geglüht.  Aus  dem  Gewicht  des 
schwefelsauren  Baryts  und  des  freien  Schwefels  ergab  sich 
für  das  Mineral  ein  Gehalt  von  32,180  Proc  Schwefel.  Da 
dieser  Schwefelgehalt  ungewöhnlich  hoch  erschien,  so  wurde 
'  noch  eine  andere  Mengq  des  Minerals  zur  Controle  auf 
ihren  Gehalt  an  Schwefel  untersucht  und  zwar  durch  Be- 
handlung mit  Salpetersäure  und  cblorsaurem  Kali  in  der 

25* 


388 

Wärme,  und  Aasfidlang  der  gebildeten  Scbwefelsäore  und 
Chlorbaijum  etc.  Dabei  stellte  sich  ein  Gebält  von  32,265 
Procent  Schwefel  heraus,  so  dafs  also  in  dem  Minerale 
durchsdinittlich  32,222  Procent  Schwefel  angenonmien  wer- 
den können. 

Nachdem  der  znr  Auflösung  der  flüchtigen  Chloride  im 
geringen  UeberschuEs  zugesetzte  Barjt  durch  verdönnte 
Schwefelsäure  entfernt  worden  war,  wurden  Arsen  und 
Antimon  durch  Schwefelwasserstoffgas  ausgeschieden.  Die 
geßUtcn  Schwefelmetalle  wurden,  nach  Ausscheidung  der 
noch  aufgelösten  Theile  in  der  Wärme,  auf  einem  gewo- 
genen Filtrum  gesammelt,  vollständig  ausgewaschen  und 
anfangs  bei  niedriger,  später  aber  bei  einer  Temperatur 
von  120'^  C.  getrocknet.  Nach  erfolgter  Gewichtsbestim- 
mung wurde  ein  Theil  dieser  Schwefelmetalle  auf  ihren 
Gehalt  an  Schwefel  wie  gewöhnlich,  und  ein  anderer  auf 
den  Gehalt  an  Antimon  durch  Behandlung  mit  W^asser- 
stoffgas  in  einer  Kugelröhre  untersucht,  wobei  sich  ergab, 
dafs  das  Mineral  17,599  Proc  Arsen  und  1,633  Proc  An- 
timon  hält. 

Die  von  den  Schwefelmetallen  des  Arsens  und  Anti- 
mons abfiltrirte  Flüssigkeit  wurde  durch  langsames  Abdam- 
pfen bedeutend  vermindert  und  einstweilen  bei  Seite  ge- 
stellt. 

Die  bei  der  Behandlung  des  Minerals  mit  Chlorgas  in 
der  Kugelröhre  zurückgebliebenen,  nicht  flüchtigen  Chlor- 
metalle wurden  in  Wasser  gelöst,  dem  ein  wenig  Chlor- 
wasserstoffiBäure  zugesetzt  worden  war.  Aus  dieser  Auf- 
lösung, welche  sich,  bis  anf  Spuren  von  Chlorsilber,  frei 
von  unauflöslichen  Theilen  zeigte,  wurde  das  Kupfer  durch 
Schwefelwasserstoffgas  als  Schwefelkupfer  ausgefällt.  Zur 
Ueberzeugung,  ob  dasselbe  vollkommen  frei  von  Blei  3ej 
wurde  seine  Auflösung,  nach  Zusatz  von  Schwefelsäure,  zur 
Trocknifs  abgedampft.  Da  sich  hierauf  die  trockne  Salz- 
masse aber  vollständig  in  Wasser  auflöste,  woraus  hervor- 
ging, dafs  ein .  Gehalt  an  Blei  nicht  vorhanden  war,  so 
wurde  das  in  Auflösung  befindliche  Kupfer  durch  eine  Anf- 


389 

lOsuDg  TOD  Aetzkali  ansgeföllt.  Aas  dem  Gewicht  dep  ge- 
glühten Oxjdes  wurde  der  Betrag  an  metallischen  Kupfer 
berechnet  und  derselbe  zu  47,205  Proc.  gefunden. 

Die  vom  Schwefelkupfer  abfiltrirte  Flüssigkeit  wurde 
80  lange  erwärmt,  bis  der  Geruch  nach  Schwefelwasser- 
stoffgas verschwunden  war;  hierauf  wurde  sie,  nachdem 
auch  die  sich  ausgeschiedenen  Schwefeltheilchen  durch  Fil- 
tration entfernt  waren,  mit  der  zur  Seite  gestellten  Flüs- 
sigkeit, aus  welcher  die  flüchtigen  Chloride  geschieden  wor- 
den waren,  vereinigt  und  ziemlich  weit  abgedampft.  Die 
saure  Flüssigkeit,  welche  auch  Wcinsteins&ure  enthielt, 
wurde  mit  Ammoniak  im  geringen  Ueberschufs,  und  hier- 
auf mit  Ammoniumsulfhydrat  versetzt;  es  entstand  ein  Nie- 
derschlag von  Schwefeleisen  mit  Schwefelzink,  welcher  auf 
bekannte  Weise  zerlegt,  0,565  Proc.  Eisen  und  0,228  Proc. 
Zink  lieferte. 

Eine  besondere  Probe  auf  Silber  vor  dem  Löthrohre 
wies  auch  noch  einen  Gehalt  von  0,017  Proc.  Silber  nach. 
Das   Mineral   besteht    demnach    in    100   Gewichtsthei- 
len  aus: 

Schwefel        32,222  Theilen 

Arsen  17,599 

Antimon  1,613 

Kupfer  47,205 

Eisen  0,565 

Zink  0,228 

Silber  0,017 

99,449. 
Diese  Bestandtheile  beweisen,  dafs  der  Enargit  hauptsäch- 
lich aus  einer  Verbindung  von  Schwefelkupfer  und  Schwe- 
felarsen besteht,  dafs  aber  ein  Theil  des  Kupfers  durch 
Eisen,  Zink  und  Silber,  und  ein  Theil  des  Arsens  durch 
Antimon  ersetzt  ist. 

Sucht  man  durch  Berechnung  auf,  wie  sich  die  Anzahl 
der  Atome  von  den  aufgefundenen  Bestandtheilen,  mit 
Ausschlufs  der  höchst  geringen  Menge  Von  Silber,  tn  ein- 
ander verhalten,  so  findet  man  folgendes  VerhSltnifs: 


390 

S  As       Sb         Ca        Fe     Zn 

*      1605  :  185  :  10    1193  :  16  :  5,  oder 

1605  :      197     :  '      liXlToder  sehr  nahe 
8:  1      :  6. 

Ninmit  man  an,  daCs  das  Kupfer  als  Schwefelkapfer 
mit  Dreifach- Seh wefelarsen  verbunden  sey,  wie  diefs  z.B. 
beim  Tennantit  der  Fall  ist,  welchem  Mineral  der  Enar* 
git  in  Bezug  auf  seine  Bestandtheile  am  nächsten  steht,  so 
stellt  sich  f  wenn  man  die  geringen  Mengen  von  Antimon, 
Eisen  und  Zink  als  substituirende  Bestandtheile  betrach- 

tety  die  Formel  Cu^As+Cu^As  heraus,  welche  voraus- 
setzt, dafs  8  Atome  Einfach -Schwefelkupfer  mit  1  Atome 
Dreifach -Schwefelarsen,  und  2  Atome  Halbschwefelkupfer 
mit  1  Atome  Dreifach- Sdiwefelarsen  verbunden  seyen;  al- 
lein eine  solche  Zusammensetzung  ist  wohl  schwerlich  an- 
zunehmen. 

Ganz  anders  gestaltet  sich  die  Formel,  wenn  man  an- 
nimmt, dafs  das  Kupfer  als  Halbschwefelkupfer  mit  Fönf* 
fach -Schwefelarsen  verbunden  sey.  Berücksichtigt  man, 
mit  Ausnahme  der  sehr  geringen  Menge  von  Silber,  alle 
übrigen   Bestandtheile    des   Minerals,    so    ergiebt    sich   die 


Formel  (€u,  Fe,  Zn)^  (As,  Sb);  und  betrachtet  man  die 


ttt 


geringen  Mengen'  von  Fe,  Zn  und  Sb  als  Stellvertreter  der 
au   den   Hauptbestandtheilen   fehlenden  Mengen,    so   stellt 


sich  die  sehr  einfache  Formel  Cu^As  (in  früherer  Formu- 


lirung  €u^As)  heraus,  welche  andeutet,  dafs  das  Mineral 
als  drittelsaures  Fünffachschwefelarscn-Halbschwefelknpfer 
zu  betrachten  sej  und  folgende  Zusammensetzung  voraus- 
setze : 

Schwefel  8  Atome  =  1606,00  =  32,641 
Arsen  1  „  =  940,08=19,106 
Kupfer     6      „      =2374,14  =  48,253 

4920,22     100. 
Da  nun  bisjetzt,   aufser  dem  Xanthokon,  weiter  kein  Mi- 
neral bekannt  gewesen   ist,  in  welchem  eine  Verbindung 
eines  basischen  Schwefelmetalles  mit  Fünffach-Schwefelarsen 


391 

Ulfe  atig^omiDfeD  werden  ktonen ,  indeiu  die  andern  we- 
nigen natörlicb  vorkommenden  Scbwefelarsenmetalle  aus 
Verbindungen  von  basischen  Schwefelmetallen  und  Drei- 
fM^- Schwefelarsen  bestehen ^  auch  da,  wo  Schwefelkupfer 
als  basisches  Sthwefelmetall  auftritt,  sich  dasselbe  ebenfalls 
nur  als  Halb-Scbwefelkupfer  in  der  Verbindung  befindet, 
so  dürfte  der  Enargit  einen  Beweis  liefern;  dafs  in  der 
Natur  nicht  nur  Fünffach -Schwefelarsenmetalle  überhaupt 
vorkommen  können,  sondern  dafs  auch  das  Halb-Scbwe- 
felkupfer geneigt  sey,  sich  mit  Fünffach -Schwefelarsen  zu 
einem  Schitefclsalz  zu  verbinden,  worüber  bis  jetzt  noch 
zu  wenig  Erfahrungen  gemacht  worden  sind. 


VIIl.     Carminspath,    ein    neues    Mineral   aus    der 
Ordnung  der  Arseniate;  von  F.  Sandberger. 


i^eit  längerer  Zeit  war  mir  an  Stücken  des  Würfelerz- 
(Beudantit-)  Vorkommens  von  Horhausen  im  Sayn'schen 
ein  rothes  Mineral  aufgefallen,  ohne  dafs  ich  aber  wegen 
der  aufserordentlich  geringen  Mengen,  die  mir  davon  zu 
Gebote  standen,  genauere  Untersuchungen  damit  hätte  vor- 
nehmen können.  Endlich  fand  ich  es  in  dem  meiner  Lei- 
tung anvertrauten  naturhistorischen  Museum  zu  Wiesbaden 
an  zwei,  früher  von  Hrn.  Erbreich  erkauften  Stufen  in 
hinreichender  Quantität,  um  dessen  Hauptcharakter  festzu* 
stellen,  welche  ich  hier  mittheile. 

Krystallform  nicht  deutlich  erkennbar,  wahrscheinlich 
rhombisch.  Feine  Nadeln  zu  Büscheln  vereinigt,  traubige 
und  kugelige  Aggregate  von  strahliger  Textur. 

Blätterdurchgang  anscheinend  parallel  den  Flächen  einer 
rhombischen  Säule. 

Glasglam  auf  den  Spaltungsflächen  in  Perlmütterglanz 
übergehend.     Stark  durchscheiul^nd. 


392 

Fatbe  canniiirotli  ins  Ziegelroflie,  Ptalver  rOtblidigelb. 
Spröde«    HSrte  zwischen  Steinsalz  and  Kalkspath,  %b. 

Vor  dem  LOthrohre  auf  Kohle  f&r  sich  nnter  starker 
Eotwickelang  von  Arseuikdämpfen  sehr  leidit  za  einer  staht 
graoeu  Schlacke  sdimelzend.  Mit  Soda  erhält  mao  Blei- 
kdrner,  die  fioraxperle  zeigt  starke  FSrbung  durch  Eisen. 
Im  Kölbchen  Hber  der  Spiritoslampe  geglQht,  veränderte  sich 
die  Substanz  selbst  im  stärksten  Feuer  nicht. 

In  concentrirter  Salzsäure  beim  Erwärmen  sehr  leicht 
löslich  zu  einer  goldgelben  FlQssigkeit,  in  welcher  Gold- 
chlorid keine  Abscheidong  von  metallischem  Golde  bewirkt; 
in  Salpetersäure  löslich.  Durch  Aetzkalilösung  wird  Arse- 
niksäure ausgezogen. 

Da  sich  andere  Bestandtheile  weder  vor  dem  Löthrohre, 
noch  auf  nassem  Wege  ermitteln  liefsen,  so  besteht  das 
Mineral  aus  wasserfreiem  arseniksauren  Bleioxjd- Elisen- 
öxjd,  über  deren  quantitatives  Verhältnifs  eine  Analyse 
entscheiden  wird,  wenn  sich  dazu  hinreichendes  Material 
findet. 

Das  Mineral  sitzt  auf  Quarz,  Brauneisenstein  oder  WQr- 
felerz  auf  und  wird  begleitet  von  nadel-  und  haarförmigem 
Pyrolusit,  wasserhellem  arseniksaurem  Bleioxjd  und  einer 
gelben  erdigen  Substanz,  welche  noch  näherer  Dntersochung 
bedarf. 

Von  dem  arseniksauren  Bleioxyd,  welches  ich  zuerst 
in  der  Combination  od  D.  D.  auffand,  habe  ich  an  einem  an- 
deren Orte^}  bereits  Mittheilung  gemacht.  Seitdem  ist  mir 
auch  die  Form  oc  Z>.  D.  0Z>  an  demselben  vorgekommen,  und 
hinsichtlich  seiner  Entstehung  sehr  wahrscheinlich  geworden, 
dafs  der  metallglänzeude  Kern,  welche  die  erwähnte  gelbe 
Substanz  zuweilen  umhüllt,  ein  Geokronit-ähnliches  Schwe- 
felmetall seyn  möge,  welches  den  Blei-  und  Arsenikgehalt 
zur  Bildung  der  hier  vorkommenden  Mineralien  hergegeben 
haben  würde. 

1 )  VerhaDdlungen  des  naturhistorischen  Vereins  ftir  die  preufsischen  Rhein- 
laode  1849.     S.  60. 


393 


IX.     Untersuchung  einiger  Mineralien; 
con  Dr.  C.  Bergemann. 


h    Ueber  den  Dechenit  (vanadinsaures  Bleiozjd). 


H 


r.  Dr.  Krantz  fand  bei  Nieder-Schlettenbach  ein  Mi* 
neral  auf,  welches  in  seinem  Aeufseren  schon  sich  wesent- 
lich von  allen  bekannten  unterscheidet.  Es  besitzt  an  ei- 
nem vorliegengen  ausgezeichneten  Exemplare  von  krystal- 
linischer  Beschaffenheit,  die  meiste  Aehnlichkeit  mit  dem 
sibirischen  Bothbleierze.  Bei  den  vorgenommenen  LOth- 
rohrversuchen  gab  sich  die  Gegenwart  des  Bleis  auch  zu 
erkennen,  jedoch  bei  der  späteren  Untersuchung  fand  ich 
dieses  mit  Yanadinsäure  allein  verbunden.  Für  dieses 
neue  Mineral  erlaube  ich  mir  den  Namen  Dechenit,  nach 
dem  um  die  Wissenschaft  hochverdienten  Berghauptmann 
von  Dechen,  in  Vorschlag  zu  bringen.  Ueber  das  Vor- 
kommen des  Erzes  theilt  Dr.  Krantz  folgende  Anga- 
ben mit: 

„Im  Lauterthale  in  Bheinbaiern,  2  Stunden  oberhalb 
der  französischen  GrSnze  (Weifsenburg),  bei  Nieder-Schlet- 
tenbach, werden  seit  längerer  Zeit  schon  Gruben  betrieben, 
welche  Lager,  in  hier  sehr  verbreitetem  buntem  Sandstein, 
von  Braun-  und  Thoneisenstein  für  den  Hüttenbetrieb  in 
Sfdiönau  abbauen.  In  der  Nähe  davon  und  zwar  auf  der 
Höhe  des  etwa  500  Fufs  ansteigenden  rechten  Ufers,  ent- 
deckte man  im  vorigen  Jahren  schmale  Trümmer  von  Blei- 
glanz zu  Tage  ausgehend,  die  einen  im  Mittel  3  Fufs  brei- 
ten Gang  sparsam  durchsetzten;  der  Gang  selbst  bestand 
zum  gröfsten  Theile  aus  einer  Breccie  von  Nebengestein, 
(buntem  Sandstein),  der  Letten  und  Thon  von  röthlicher  und 
weifslicher  Farbe  zum  Bindemittel  diente.  Einzelne  Theile 
des  Sandsteins  bekunden  durch  ihre  specifische  Schwere, 
dafs  sie  mehr  oder  weniger  mit  metallischen  Theilen  erfüll^ 
sind ;  sie  haben  meist  eine  weifse  Farbe  und  enthalten  koh- 


394 

iensaiires  und  phoephorsaures  Blei.  Auf  dem  Gang  wurde 
bereits  ein  3  Lachter  tiefer  Schacht  abgeteuft  und  auf  der 
halbeu  Höhe  des  Thalgehänges  ein  gegenwärtig  30  Lachter 
herumgehender  Stollen  aufgefahren,  der  aber  noch  250  Lach- 
ter fortgeführt  werden  mufs,  wenn  er  den  Schacht  erreichen 
soll.  Das  Erz  selbst  ist  keineswegs  in  der  Menge  vorhan- 
den, dafs  die  Kosten  des  Abbaues  herauskommen  möch- 
ten, wenngleich  das  Gestein  so  mürbe  ist,  dafs  29  von  ded 
30  Laditer  mit  der  Hand  gelöst  werden  konnten  und  Zim* 
merei  und  Mauerei  noch  nirgends  'nöthig  wurde.  Das  Strei- 
chen des  Ganges  ist  Stunde  6,  sein  Einfallen  fast  seigen 
Auf  dem  gegenüber  liegenden  Ufer  der  Höhe  des  Erleba- 
cher Berges  ist  derselbe  Gang  bis  zu  2  Lachter  aufgeschürft 
worden  und  hier  fanden  sich  im  röthlichen  Letten,  welcher 
die  Bleierde  haltenden  Sandsteinparthien  einschlofs^  die 
schmalen  Trümmer  der  Dechenits,  welche  sich  zuweilen  zu 
kleinen  Drusen  erweitern,  die  aber  selten  einen  Durchmes- 
ser von  1  bis  ^'  erreichen.  Das  Auftreten  ist  aber  auch  hier 
gleich  dem.  ihm  am  nächsten  stehenden  Vorkommnissen  bei 
Wanlockhead,.  Beresowsk  und  Zimapan  so  äufserst  spar- 
sam, dafs  ich  im  Juni  1850  den  Fundort  nur  mit  sehr  ge- 
ringer Ausbeute  verliefs". 

Das  Mineral  bildet  meistentheils  kleine  traubenförmige 
Anhäufungen  von  krystaliinischer  Beschaffenheit,  die  zu 
grofsen  und  dichten  Massen  innig  vereinigt  sind,  und  be- 
sitzt in  diesem  Falle  eine  meist  reine,  dunkelrothe  Farbe. 
Es  findet  sich  ferner  in  dünnen  und  oft  gebogenen  Lagen, 
gleichsam  Schalen,  oder  auch  förmliche  Höhlungen  und  den 
Ueberzug  verwitterter  Massen  bildend.  In  diesem  Falle 
stellen  die  einzelnen  Lagen  eine  innige  Vereinigung  kleiner, 
warzenförmiger  Körper  dar,  die  den  Charakter  einer  Um- 
setzung schon  an  sich  tragen.  Einzelne  Körnchen  in  die- 
sem Vorkommen  erinnern  an  das  Vanadinblei  von  Zimapan, 
oder  au  die  kleinen  Kügelchen,  in  welchen  ein  ähnliches 
Mineral  zu  Wanlokhead  als  eine  Seltenheit  früher  gefunden 
wurde.  Einschlüsse  von  Grünbleierz  oder  andereii  Erzen 
habe  ich  an.  den  grölseren  krystallinischeu  Stücken  nirgends 


395 

bemerken  kOnneoj  aD  den  dfionen  Lagen  dagegen  and  in 
den  Höhlungen  zeigen  sich  durch  die  Lupe  zuweilen  gelb- 
lichgrüne Punkte,  welche  Tielieicht  auf  ein  Zersetzungspro- 
duct  deuten  dürften.  Bei  einem  schönen  gröfseren  Exem- 
plar von  durchweg  homogener  Beschaffenheit  waren  die 
traubenlörmigen  Gestalten  so  länglich,  fast  pyramidenför- 
mig gezogen,  dafs  sie  bei  oberflächlicher  Betrachtung  aus- 
gebildeten Krystallen  glichen,  jedoch  bei  genauerer  Un- 
tersuchung verschwanden  diese  und  bildeten  eine  Anhäufung 
▼on  krjstallinischen  Theilen,  deren  Oberfläche  gleichsam 
wie  angefressen  erschien.  Ein  bestimmter  Blätterdurchgang, 
der  einem  Rhomboeder  zu  entsprechen  scheint,  ist  an  grö- 
fseren Stücken  unverkennbar ,  jedoch  eine  nähere  Bestim- 
mung wage  ich  nicht  auszusprechen,  zweifle  übrigens  nicht, 
dafs  durch  die  Bemühungen  des  Hrn.  Dr.  Krantz  mefsbare 
Krystalle  werden  aufgefunden  werden. 

Die  Farbe  des  Minerals  ist  bei  den  krjstallinischen 
Stücken  ein  dunkles  Roth,  an  den  durch  warzenförmige  Kör- 
perchen gebildeten  Lagen  und  in  deren  Höblungen  dagegen 
mehr  gelblich;  im  Strich  erscheint  es  immer  gelblich.  Die 
Gegenwart  von  Eisen  hat  auf  die  rothe  Farbe  des  Mine- 
rals keinen  Einflufs,  denn  dieselbe  zeigt  sich  auch  vollkom- 
men gleichförmig  im  frischen  Bruche;  auch  in  den  Auflö- 
sungen des  reinen  Dechenits  war  kein  Eisen  zu  entdecken. 
Uebrigens  ist  das  Mineral  von  einem  sehr  eisenschüssigen, 
dunkelrotheu  Thon  ganz  umgeben,  der  sich  jedoch  durch 
Behandlung  mit  Wasser  vollständig  entfernen  läfst.  Bei 
der  rothen  Farbe  besitzt  der  Dechenit  D'urchscheinenheit 
und  im  frischen  Bruche  Fettgianz;  das  specifische  Gewicht 
beträgt  5,81,  die  Härte  ist  die  des  Grünbleierzes  oder 
kaum  =4. 

Für  sich  in  der  Pincette  erhitzt,  schmilzt  esjeicht  zu 
einem  gelblichen  Glase;  ebenso  verhält  es  sich  beim  Er- 
hitzen in  einer  Glasröhre,  ohne  dabei  Wasser  oder  einen 
Beschlag  zu  erkennen  zu  geben. 

Vor  dem  Lölhrohre  auf  der  Kohle  decrepitirt  es  nicht 
wie  die  bekannten  Vanadinerze;  es  schmilzt  leicht  zur  gelb- 


396 

lichgrfiQen  Perle,  indem  sich  Bleikörnchen  und  ein  Beschlag 
unter  den  gewöhnlichen  Erscheinungen  absetzen.  An  meh- 
ren Proben  nahm  ich  dabei  zuweilen  einen  nicht  anbe- 
deutenden Arsenikgeruch  wahr;  bei  anderen  dagegen  fehlte 
er 9  90  namentlich  bei  den  reineren,  durchscheinenderen 
Bruchstücken.  Arsenikverbindungen  sind  daher  wohl  nicht 
als  wesentliche  Bestandstheile  des  Minerals  zu  betrachten, 
wenn  dasselbe  auch  häufig  von  diesen  begleitet  wird.  Pbos- 
phorsäure  war  weder  durch  das  Löthrohr,  noch  in  den  Auf- 
lösungen, selbst  bei  Anwendung  des  moljbdänsauren  Am- 
moniaks, zu  entdecken.  Phosphorsalz  und  Borax  zeigten 
bei  dem  Zusammenschmelzen  nur  die  Ersdieinungen,  welche 
die  Gegenwart  der  Vanadinsäure  charakterisiren,  die  durdi 
den  reducirenden  Theil  der  Flamme  hervorgebrachten  grfi- 
nen  Gläser  werden  durch  den  äufseren  Theil  gelb  und  bei 
der  Benutzung  von  wenig  Masse  fast  farblos.  Soda  liefert 
einen  weifsen  Email,  in  dem  sich  Bleikörnchen  zeigen. 

In  den  mit  Sorgfalt  ausgewählten  BruchsfOcken  sowohl 
der  rothen,  wie  der  gelblichrothen  Modificationen  des  Mi* 
nerals  ergab  die  qualitative  Analyse  nur  Bleioxyd  und  Ya* 
nadinsäure.  Phosphorsäure  fand  ich  durch  molybdänsaures 
Ammoniak  nur  in  einem  kleinen  Brfichstflcke  von  gelber 
Farbe,  worin  zugleich  viel  Eisen-  und  Thonerde  enthalten 
war;  in  den  reineren  Exemplaren  war  sie  nicht  vorhanden. 
Chlor  zeigte  sich  nirgends  in  der  geringsten  Menge.  Dtirck 
diese  Zusammensetzung  ist  das  Mineral  ganz  von  der  des 
Vanadinbleies  von  Zimapan,  welches  nach  Berzelias') 

■  •  •  •  • 

PbVPbCi+Pb  darstellt,  verschieden  und  ebenso  dfirf- 
ten  die  Massen,  welche  Damour^)  und  Thomson') 
untersucht  haben,  nur  Gemenge  dieser  Verbindung  von 
Chlorblei  und  vanadiusaurem  Bleioxyd  mit  den  anderen  vod 

1)  S.  dessen  ADwendang  des  Löthrohrs  S.  225.  —  Hier  beschreibt  Ber- 
/.elius  das  Verhallen  eines  vanadinsauren  Bleioxjds  von  Metlork,  über 
welches  ich  andere  Mittheilungen  nicht  finden  konnte,  dessen  Verhalten 
aber  ganz  von  dem  oben  angegebenen  abweicht. 

2)  y4nn.  des  Mines  3^»«  Ser,  XL  161. 

3)  OutUne*  o/min.  L  574;  Schweigger's  Joum.  LXIU.  119. 


397 

ihnen  aufgeftindenen  Stoffen,  Kapferoxyd,  Zinkoxyd  a.  s.  w. 
seyn.  Vielleicht  stimmt  dasselbe  aber  mit  dem  fiberein,  wel- 
ches 6.  Rose  ')  bei  .Gelegenheit  der  Beschreibung  eines 
Yanadinerzes  von  Beresowsk  erwähnt,  in  welchem  Berze- 
lias  ein  zweifach  TanadiDsaures  Bleioxjd  vermuthet.  Wenn 
an  dem  sibirischen  Erze  Grünbleierz  eine  Umsetzung  er- 
litten hat,  so  dürfte  hier  vielleicht  Arsenikbleispath  an  der 
Bildung  grofsen  Antheil  gehabt  haben  ' ). 

Der  Dechenit  wird  von  verdQnnter  Salpetersäure  leicht 
gelöst;  Chlorwasserstoffsäure  zersetzt  ihn uuter  Abscheidung 
von  Chlorblei,  indem  die  dartiber  stehende  FlQssigkeit  sich 
grISn  und  bei  Verdünnung  mit  Wasser  sich  bräunlich  färbt. 
Schwefelsäure  zerlegt  ihn  ebenfalls,  indem  sich  schwefelsau- 
res Bleioxjd  abscheidet.  Durch  Kochen  mit  Kali  wird  er 
fast  gar  nicht  angegriffen.  Durch  die  quantitative  Bestim- 
mung des  Bleis  würde  die  Zusammensetzung  des  Minerals 
gegeben  sej^n,  da  es  aber  mein  Wunsch  war,  in  diesem 
neaen  Erze  die  Menge  der  Säure  nicht  allein  durch  Rech- 
nung zu  finden,  sondern  dieselbe  wirklich  abzuscheiden,  so 
versuchte  ich  das  Blei  aus  der  verdünnten  salpetersauren 
Auflösung  durch  Schwefelammonium  zu  fällen  und  durch 
längeres  Digeriren  mit  einem  Ueberschufs  von  diesem  die 
Vanadinsäure  wieder  aufzulösen.  Ich  fand  jedoch,  dafs  eine 
vollständige  Trennung  dadurch  nicht  möglich  war,  selbst 
wenn  das  Aussüfswasser  stets  mit  einer  gröfseren  Menge  des 
vollkommen  gesättigten  Schwefelammoniums  versetzt  wurde. 
Ans  diesem  Grunde  zog  ich  es  vor,  aus  einer  salpetersau- 
ren Auflösung  das  Blei  durch  Schwefelsäure  zu  fällen,  das 
Ganze  längere  Zeit  zu  digeriren,  darauf  Weingeist  dem* 
selben  beizugeben  und  nun  zu  filtriren.    Das  so  erhaltene 

1)  Poggend.  Ann.  Bd.  29,  S.  455. 

2)  Mit  dem  eisenschüssigen  Thon,  welcher  das  Mineral  umgiebt,  stellte 
ich  ebenfalls  einige  Versache  an  und  fand  darin  die  Hauplbeslandlheile 
desselben  gemengt  mit  ein  wenig  einer  Arsenik  Verbindung,  Blcioiyd  und 
Vanadinsaure,  offenbar  Zersetzungsproducte  dieses  und  anderer  im  Gange 
▼orkommender  Erze.  Phosphorsäure  enthielt  der  Thon  ebenso  wenig 
wie  Chlorverbindungen. 


398 

schwefelsaure  Bkioxyd  war  selbst  nach  starkem  Elrhitxen 
▼OD  blendendweifser  Farbe  und  alle  Versuche,  welche  mit 
ihm  vorgeuommen  wurden ,  zeigten,  dafs  es  frei  von  Va- 
nadinsänre  war.     Wird  jedoch  der  Niederschlag  nicht  mit 
der,  freie  Schwefelsäure  enthaltenden,  Flüssigkeit  anhaltend 
digerirt,  so  kann  dadurch,  wie  Berzelius  schon  angiebt, 
die  Vanadiusäure  nicht  vollständig  von  Blei  und  nicht  ein- 
mal vom  Baryt  getrennt  werden ' ).    Da  nach  der  Angabe 
von   Berzelius^)  die  Schwefelsäure  vollständig  von  der 
Vanadiusäure  durch  Verflüchtigung  zu  trennen  seyn  soll,  so 
glaubte  ich  durch  Eindampfen   sämmtlicher  nach  der  Tren- 
nung des  schwefelsauren  Bleioxydes  erhaltenen  Flüssigkei- 
ten einen  Rückstand  zu  bekommen,  der,  nach  stärkerem 
Erhitzen,    nur  aus  Vanadiusäure  bestehen  müsse ,  welche 
sich  bei   dem  Eindampfen   aus   den  durch   die  Einwirkung 
des  Weingeistes  entstandenen   niederen   Oxjdationsstufen, 
nach  Zusatz  einiger  Tropfen  Salpetersäure,  wieder  gebildet 
hatte.     Der  so   erhaltene   Rückstand  hatte  auch  bei  zwei 
Versuchen   ganz  das    Ansehen  der  reinen   Säure,    jedoch 
erhielt   ich    bei    der  Berechnung  der  Resultate    der   Ana- 
lyse einen  Ueberschufs.     Bei   der  näheren  Untersuchung 
der  abgeschiedenen  Vanadinsäure  fand  sich  aber,  dafs  die- 
selbe noch  Schwefelsäure  enthielt,  welche  also  aus  der  von 
Berzelius  beschriebenen  Verbindung  der  beiden  Säuren 
selbst  durch  Glühhitze  nicht  vollständig  zu  entfernen  ist 
Sie  mufste    daher  durch   ein   wenig    Salpetersäuren  Barjt 
geschieden  werden.    Die  Gewichtsmenge  der  Schwefelsäure 
in  dem  schwefelsauren  Baryt  wurde  von  der  zuerst  erhai- 
tenen   Vanadinsäure  abgezogen,  wodurch  also  die  Menge 
der  reinen  Säure  gegeben  war.    Um  den  überschüssig  Inn- 
zugesetzlen  Baryt   wieder  zu  trennen,   wurde  die  concen- 
trirte  Flüssigkeit  mit  ein  wenig  Ammoniak  und  kohlensau- 
rem Ammoniak  versetzt   und  die  sich  abscheidenden  weni- 
gen Flocken  von  kohlensaurem  Baryt  abfiltrirt.    Die  Flüs- 
sigkeit wurde  zur  Trockne  verdampft  und  die  nach  starkem 

1)  S.  d.  Ann.  Bd.  22,  S.  61. 

2 )  Ebend.  S.  18. 


399 

ErUtzeD  hhiterbleibende  Vanadinsäure  durch  das  Gewicht 
bestiDiiiity  wobei  sich  eine  Uebereinstimmung  mit  dem  durch 
Berechnung  erhaltenen  Resultat,  nach  Abzug  der  Gewichts« 
menge' der  Schwefelsäure,  fand. 

Bei  einer  Analyse  trennte  ich  die  zurückgehaltenen  Theile 
▼on  Schwefelsäure  in  Verbindung  von  Vanadinsäure  und 
jener  dadurch,  dafs  ich  die  Masse  mit  einigen  Tropfen  Am- 
moniak digerirte,  wiederum  eindampfte  und  stark  erhitzte, 
worauf  nur  Vanadinsäure  hinterblieb  ' ) 

I. 

Das  dunkelrothe,  durchscheinende  und  krystallinische 
Mineral  zeigte  folgende  Zusammensetzung : 

1. 

a.  1,005  Grm.  Mineral  lieferten  0,723  Grm.  schwefel- 
saures Bleioxyd  oder  0,538  Grm.  Bleioxyd; 

b.  an  Vanadinsänre  0,474  Grm. 

2. 

a.  1,772  Grm.  Mineral  lieferten  1,294  Grm.  schwefel- 
saures Bleioxyd,  enthaltend  0,9518  Grm,  Bleioxyd; 

b.  an  Vanadinsäure  0,816  Grm;  oder 

1.  2. 

Bleioxyd  52,915  Proc.  53,717  Proc. 

Vanadinsänre    47,164     -  46,101     - 

100,079  Proc.  99^818  Proc. 

1 )  Die  Bestimmung  d«r  Yanadinsanre  als  solche  schien  mir,  wenn  die  Er- . 
lutzung  derselben  mit  Vorsicht  vorgenommen  wurde,  ein  genügenderes 
Resultat  zu  geben,  als  wenn  die  Menge  der  Säure,  welche  so  leicht  zu 
reduciren  ist,  aus  der  des  Oxydhjdrates  bestimmt  wurde.  Bei  einem 
Versuche,  beim  Glühen  der  Säure  mit  ein  wenig  Salmiak,  erhielt  ich 
einen  ans  Oxjd  und  Saboxjd  bestehenden  RficktAud.  Derselbe  bildet 
aich  zuweilen  auch  wenn  Vanadinaänre  durch  viel  Oxalsäure,  Zucker 
u.  dgl.  reduclrt  und  die  Auflösung  mit  einem  Ueberschufs  von  reinen 
oder  kohlensauren  Alkalien  behandelt  wird.  Beim  Sieden  färbt  sich  die 
braune  Flüssigkeit  zuweilen  plötzlich  durch  Bildung  eines  Niederschlages 
schwarz,  welcher  ebenfalls  ein  solches  Gemenge  darstelk,  und,  abliltrirt, 
ausgesufst  und  getrocknet,  einen  halbmetallischen  Glanz  zeigt. 


400 

Nach  diesen  Resolfaten  wörde  das  Saaentoffrerbdlails 
in  Basis  und  Sinre  bst  seyn  wie  1  zS,  und  der  Berecfcnnng 
nach  ist  die  ZosammenseCzung  des  Blinerals: 

1  M.  Bleioxyd  1394,50  =    54,67 

1    -    Vanadinsaare    1155,84  =    45,33 

2550,34  =  100,00, 

wonach  es  also  ein  neutrales  vanadinsanres  Bleioxyd  PbV 
bilden  würde. 

U. 
Die  Untersuchnng  der  in  kleinen  warzenförmigen,  zer- 
fressenen Körnchen  yorfcommenden  Abänderung  des  Mine- 
rals von  mehr  ins  Gelbliche  gehender  Farbe  gab  folgai- 
des  Resultat: 

a.  1,104  Grm.  lieferten  0,757  Grm.  schwefekaures  Blei- 
oxyd oder  0,5583  Bleioxyd; 

b.  an  Vanadinsäure  0,546  Grm.  oder 

Bleioxyd  50,57  Proc. 

Vanadinsäure    49,27     - 

99,84. 

II.    Gelbbleierz  ans  der  Grabe  Aznlaqaes  bei  la  Bianca 

(Zacatecas). 

Ueber  das  Vorkommen  dieses  Bleierzes,  so  wie  der  Blei- 
Terbindung,  welche  Gegenstand  der  folgenden  Untersuchung 
ist,  finden  sich  vollständige  Mittheilungen  in  Burkart's 
Reisen  in  Mexiko  Bd.  II.  S.  167. 

Das  Material  zur  Analyse,  welches  ich  der  Güte  des 
Hrn.  Verfassers  verdanke,  bildet  die  dort  beschriebenen, 
tafelförmigen,  fast  durchsichtigen  Krystaile  von  lichtgelber 
Farbe  mit  so  ausgezeichnetem  Glänze. 

Dieselben  decrepitiren  bei  dem  Erhitzen  in  einem  Glal^ 
röhre  stark,  ohne  zu  schmelzen;  vor  dem  Löfhrohre  auf 
der  Kohle  geben  sie  Bleikörner  und  Bleibeschlag;  beim 
Zusammenschmelzen  derselben  mit  Soda  wurde  kein  frOnes 
Glas  gebildet,  sondern  nur  Blei  metallisch  abgeschieden; 
auch  Borax  und  Phosphorsalz  zeigten  das  gewöhnliche  Ver« 
halten. 

Die 


401 

Die  qualitative  Analyse  zeigte  in  diesem  Gelbbleierz 
nur  die  Gegenwart  der  Molybdänsfiure  und  des  Bleioxjds. 

Das  tein  gepulverte  Mineral  wurde  mit  Salpetersäure  und 
Wasser  behandelt,  wobei  unter  Auflösung  des  Bleioxyds 
neue  Ausscheidung  der  Molybdfinsfiure  mit  Salpetersaure 
erfolgte.  Das  Ganze  wurde  darauf  mit  Ammoniak  und 
Schwefelammonium  im  Ueberschufs  versetzt  und  längere 
Zeit  in  einer  woblverschlossenen  Flasche  digerirt  Das  ent- 
standene Schwefelblei  wurde  abfiltrirt  und  weiter  bestimmt 
und  das  Oxyd  aus  der  Menge  des  erhaltenen  schwefel- 
sauren Salzes  beredinet.  Der  Gehalt  an  Molybdänsäure 
wurde  nicht  direct  ermittelt,  sondern  nur  durch  Rechnung 
gefunden.  2,0  Grm.  Gelbbleierz  gaben  1,696  Grm.  schwe- 
felsaures Bleioxyd  oder  1,247  Grm.  Oxyd.  Die  Menge  der 
Molybdänsäure  beträgt  darnach  0,753  Grm.  Die  Zusam- 
mensetzung ist  daher: 

Bleioxyd  62,35  Proc 

Molybdänsäure    37,65     - 

100,00. 
Die  Resultate  dieser  Analyse  lieferten  also  eine  Bestätigung 
fQr  die  Ansicht,  dafs  das  Gelbbleierz  aus  gleichen  Atomen 
Basis   und  Säure  besteht,  indem  diese  Zahlen   den  durch 
Berechnung  erhaltenen,  bei  dieser  Annahme,  nahe  kommen. 

III.    Arseniksaures  Blei  von  demselben  Fundorte. 

Das  untersuchte  molybdänsaure  Bleioxyd  ist  gleichsam 
▼on  einem  Netzwerk  kleiner  Krystallnadeln  umschlossen, 
die  ebenfalls  eine  reingelbe,  fast  mit  der  des  Gelbbleierzes 
übereinkommende  Farbe  besitzen;   nur  fehlt  ihnen  Durch- 

asheinenheit  und  der  eigenthtimliche  Glanz.  Durch  die  Lupe 
etrachtet  geben  sich  diese  Nadeln  als  eine  Anhäufung  klei- 
ner Säulen  mit  verschiedenen  Endflächen  bekleidet  zu  er- 
kennen, durch  welche  dasselbe  sich  als  ein  Grtinbleierz 
charakterisirt. 

Vor  dem  Löthrohr  auf  der  Kohle  für  sich  oder  mit 
Flufsmitteln  behandelt,  zeigten  die  Krystalle  die  bekannten 
Erscheinungen    derjenigen    Varietäten    des    Grünbleierzes, 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  26 


402 

welche  neben  der  Phosphorsäure  noch  ArseniksSore  enthal- 
ten. Nur  erschien  mir  der  Arsenikgeruch  dabei  von  unge- 
wöhnlicher Stärke. 

Bei  einer  qualitativen  Analyse  zeigte  sich  aber,  dats 
■diese  Masse  aufser  dem  Blei  nur  noch  Arseniksäure  und 
Chlor  enthielt;  sie  stellte  also  den  Arsenikbleispath  im  rein- 
sten Zustande  dar.  Von  Phosphorsäure,  oft  der  Hauplbe- 
standtheil  des  Minerals,  und  selbst  in  dem  schönen  Arsenik- 
bleispath von  Johann -G^orgenstadt  nicht  fehlend,  fand  sich 
.in  den  kleinen  Krjstallen  der  meisten  Exemplare,  welche 
ich  zu  prüfen  Gelegenheit  hatte,  auch  nicht  eine  Spur,  wäh- 
rend eine  geringe  Beimischung  an  anderen  nur  durch  mo- 
lybdänsaures Ammoniak  nachzuweisen  war. 

Da  hier  eine  so  vollständige  Vertretung  der  Phosphor- 
^äure  durch  Arseniksäure  stattfindet,  so  führte  ich  eine 
quantitative  Analyse  des  Minerals  mit  den  ausgewählten 
kleinen  Krystallen  aus.  Das  Mineral  wurde  durch  verdünnte 
Salpetersäure  gelöst  und  das  Blei  durch  Schwefelsäure  ge- 
fällt, mit  Weingeist  und  Wasser  ausgesüfst  und  als  schwe- 
felsaures Bleioxyd  bestimmt.  Das  Chlor  wurde  aus  der 
Auflösung  eines  anderen  Theils  des  Minerals  durch  salpe- 
tersaures Silber  als  Chlorsilber  gefällt. 

Die  Ermittelung  der  Arseniksäure  geschah  dadurch,  dab 
anhaltend  Schwefelwasserstoffgas  in  die  vom  Blei  befreite 
Auflösung  geleitet  wurde.  Von  dem  getrockneten  und  ge- 
wogenen Niederschlage  wurde  ein  abgewogener  Theil  mit 
Salpetersäure  digerirt,  um  die  Menge  des  Schwefels  in  dem 
Niederschlage  kennen  zu  lernen  und  die  entstandene  Schwe- 
felsäure durch  Barytsolution  geföllt. 

Die  Menge  an, Arseniksäure  konnte  nun',  nachdem  der 
Gehalt  an  Schwefel  im  Niederschlage  bekannt  war,  nach 
diesen  Resultaten  und  nach  der  Gewichtsmenge  des  zuerst 
erhaltenen  Niederschlags  berechnet  werden. 
0,736  Grm.  Mineral  gaben  an  Chlorsilber  0,0181  Grm. 
1,318     -  -  -    Bleioxyd      0,978 

ferner  Arseniksäure  0,303 
oder 


403 

Bleioxjd  74,961  Proc. 

ArseDiksäure   23,065      „ 
Chlor  2,445      „ 

100,471 

•  •  • 

oder,  da  dieses  Grünbleierz  Pb  .Cl-|-3Pb^  As  bildet,  so 
würden  die  vorstehenden  Resultate  sich  in  folgender  Weise 
▼ertheilen : 

Bleioxjd        66,948      onnil 
Arseaikgaure  23.065  j  '^'"*- 

99,598. 


X.     Ueher  die  Aneeendung    der  Kieselfluorwasser- 
stoffsäure hei  qucmtitativen  Analysen; 
von  Heinr.  Rose. 


N. 


achdem  Berzelius  zuerst  das  Kieselfluorkalium  darge* 
stellt  und  auf  seine  merkwürdige  Eigenschaften  aufmerksam 
gemacht  hatte  ^),  haben  die  Chemiker  die  schwere  Auflös- 
lichkeit  dieses  Salzes  benutzt,  um  durch  Kieselfluorwasser- 
stoffsäure das  Kali  von  manchen  Säuren  zu  scheiden,  und 
am  diese  im  freien  Zustand  darzustellen.  Man  hat  auf  diese 
Weise  die  Chlorsäure,  die  Ueberchlorsäure,  die  Chrom- 
säure -und  andere  Säuren  in  den  Auflösungen  ihrer  Kali- 
salze vom  Kali  getrennt.  Bei  quantitativen  Analysen  aber, 
um  Kali  vollständig  abzuscheiden,  hat  man  die  Kieselflnor- 
wasserstoffsäure  noch  nicht  angewandt,  weil  das  Kiesel- 
fluorkalium  nur  sehr  schwer  löslich  aber  nicht  vollkommen 
unlöslich  im  Wasser  ist.  Berzelius  selbst  meint  auch, 
dafs  es  nie  zur  quantitativen  Bestimmung  des  Kalis  ange- 
wandt werden  könne. 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  1,  S.  188. 

26* 


404 

Das  Kieselfluorkaltum  ist  aber  jd  einer  Flüssigkeit  ganz 
unlöslich,  die  mit  Alkohol  versetzt  worden  ist.  Wenn  man 
daher  die  Auflösung  eines  Kalisalzes  mit  einem  UeberschuCs 
von  Kieselfluorwasserstoffsäure  versetzt ,  und  ein  der  gan- 
zen FlOssigkeit  gleiches  Volumen  von  starkem  Alkohol  hin- 
znfQgt,  so  wird  alles  Kali  vollständig  als  Kieselfluorka- 
lium gefällt,  das  mit  starkem  Alkohol  ausgewaschen  wer* 
den  mufs,  der  mit  einem  gleichen  Volumen  von  Wasser 
verdOnnt  worden  ist. 

Hr.  Weber  erhielt  auf  diese  Weise  aus  1,548  Grm. 
geschmolzenen  Chlorkaliums  2,307  Grm.  Kieselfluorkalium, 
die  auf  einem  gewogenen  Filtrum  bei  100^  C.  getrocknet 
worden  waren.  Die  angewandte  Menge  des  Chlorkaliums 
entspricht  aber  2,293  Grm.  Kieselfluorkalium.  Die  Kiesel- 
fluorwasserstoffsäure kann  daher  wohl  mit  gutem  Erfolge 
zur  quantitativen  Bestimmung  des  Kalis  angewandt  werden. 
Aber  auch  das  Natron  kann  auf  dieselbe  Weise  wie 
das  Kali  seiner  Menge  nach  sehr  gut  bestinunt  werden. 
Hr.  Weber  erhielt  als  er  2,038  Grm.  Chloruatrium,  io 
Wasser  gelöst,  mit  Kieselfluorwasserstoffsäure  versetzte,  ei- 
nen Niederschlag,  der  sich  aber  durch  Hinzufügung  von 
starkem  Alkohol  sehr  vermehrte.  Er  wurde  mit  verdünn- 
tem Alkohol  ausgewaschen,  und  auf  einem  gewogenen  Fil- 
trum bei  100°  C.  getrocknet.  Er  wog  3,2977  Grm.  Das 
erbaltane  Kieselfluornatrium  enthält  0,809  Grm.  Natrium; 
das  angewandte  Chlornatrium  aber  0,808  Grm. 

Berzelius  hat  die  Unlöslichkeit  des  Kieselfluorbar jums 
benutzt,  um  die  Barjterde  von  der  Strontianerde  durch 
Kieselfluorwasserstoffsäure  qualitativ  und  quantitativ  zu 
trennen  ' ).  Diese  Trennungsmethode  ist  allerdings  wohl 
die  beste  von  denen,  welche  wir  kennen.  Wenn  man  aber 
die  Barjterde  aus  einer  wäfsrigen  Auflösung  durch  Kiesel- 
fluorwasserstoffsäure fällt,  so  erhält  man  einen  Verlust,  da 
auch  das  Kieselfluorbarjum  nicht  vollkommen  unlöslich  im 
Wasser  ist.  Schlägt  man  es  aber  aus  einer  weingeistigen 
Auflösung  nieder,  so  ist  das  Resultat  ein  recht  genaues* 

1)  Pogg.  Annal.  Bd.  1,  S.  195. 


405 

Aus  1,820  Grm.  Chlorbar jum ,  id  Wasser  gelöst ,  mit  rein- 
ster Kieselfluorwasserstoffsäure  gefällt,  wurden  von  Hrn. 
Weber  durch  Hinzufügung  von  etwas  verdünntem  Alko- 
hol 2,458  Grm.  Kieselfluorbar jum  erhalten,  die  bei  100®  C. 
auf  einem  gewogenen  Filtrum  getrocknet  worden  waren. 
Diese  entsprechen  1,344  Grm.  Baryterde,  die  angewandte 
Menge  des  Chlorbar jums  hingegen  1,340  Grm. 

Während  man  bei  der  Fällung  des  Kieselfluorkaliums 
und  des  Kieselfluoruätriums  die  wäfsrige  Flüssigkeit  mit 
einem  gleichen  Volumen  von  starkem  Alkohol  verdünnen 
mnfs,  um  diese  Salze  gänzlich  zu  fällen,  braucht  man  zur 
Fällung  des  Kieselfluorbaryums  eine  geringere  Menge  von 
Alkohol. 

Bei  der  Anwendung  der  Kieselfluorwasserstoffsäure  zu 
quantitativen  Untersuchungen  ist  ein  Umstand  zu  erwäh- 
nen, der  die  gröfste  Beachtung  verdient.  Man  giebt  in 
den  Lehrbüchern  der  Chemie  an,  dafs  verdünnte  Kiesel- 
fluorwasserstoffsäure das  Glas  in  der  Kälte  nicht  im  min- 
desten angreife  und  dafs  diefs  erst  durch  Verdampfung  der- 
selben in  Glasgefäfsen  geschähe  ^).  Diefs  ist  indessen  nicht 
riditig.  Wenn  eine  sehr  verdünnte  Kieselfluorwasserstoff- 
siure  lange  Zeit  in  gläsernen  Gefäfsen  aufbewahrt  wor- 
den ist,  so  ist  sie  nicht  rein,  und  obgleich  die  innere 
Fläche  des  Glases  nicht  angegriffen  zu  sejn  scheint,  so  hat 
die  Säure  aus  dem  Glase  etwas  Alkali,  Kalkerde  und  Ei<- 
senoxjd,  wenn  letzteres  im  Glase  enthalten  war,  aufge- 
nommen. Man  findet  in  dieser  Säure  dann  auch  oft  einen 
Absatz  von  alkalischen  Kieselfluormetallen.  Wendet  man 
nun  aber-  eine  solche  Säure  zur  Fällung  der  Alkalien  und 
der  Baryterde  an,  so  werden  durch  den  Weingeist  zugleich 
auch  die  noch  aufgelösten  alkalischen  Kieselfluormetalle 
gefällt,  und  man  bekommt  daher  einen  Ueberschufs  im 
Resultate.  Eine  solche  lange  in  Glasgefäfsen  aufbewahrte 
Kieselfluorwasserstoffsäurc  ist  wohl  noch  zu  manchen  qua- 
litativen Untersuchungen,  namentlich  zur  leichten  Unter- 
scheidung der  Strontianerde  von   der  Barjterde  anzuwen- 

1)  Bers.  Lehrb.  d.  Chem.  5.  Aufl.  Bd.  1,  S.  811. 


406 

den,  aber  nicht  za  quantitatiren  BedtimmuDgeDy  zu  wel- 
chen man  freilich  sich  zu  jeder  Analyse  die  Kieselfluor- 
wasserstoffsäure frisch  bereiten  mufs,  wenn  man  nicht  Ge- 
legenheit hat,  sie  wenigstens  einige  Zeit  hindurch  iu  me- 
tallenen Gefäfsen,  namentlich  in  Gefäfsen  von  Platin  oder 
von  Silber,  aufzubewahren. 

Als  1,157  Grm.  Chlorbarjum  in  der  wäfsrigen  Auflö- 
sung durch  eine  Kieselfluorwasserstoffsäure  gefällt  wurden, 
die  längere  Zeit,  vielleicht  einige  Jahre  hindurch,  in  Glas- 
gefäfsen  aufbewahrt  worden  war,  wurden,  bei  Anwendung 
▼on  Alkohol,  1,636  Grm.  Kieselfluorbaryum  erhalten.  Die- 
sen entsprechen  0,894  Grm.  Baryterde,  während  das  ange- 
wandte Chlorbaryum  nur  0,851  Grm.  Baryterde  entspricht. 
Das  erhaltene  Kieselfluorbaryum  enthielt  aber  noch  die  al- 
kalischen Kieselfluormetalle,  welche  in  der  angewandten 
Kieselfluorwasserstoffsäure  aufgelöst  waren,  und  durch  den 
angewandten  Weingeist  gefällt  wurden. 

Auch  das  Kieselfluorgas  greift,  wenn  auch  nur  äufserst 
schwach,  das  Glas  an.  Wenn  man  daher  Silicate,  die  Fluor 
enthalten,  oder  Gebirgsarten,  in  denen  fluorhaltige  phosphor- 
saure Salze,  namentlich  Apatit,  neben  Silicaten  vorkommen, 
im  gepulverten  Zustand  mit  concentrirter  Schwefelsäure  zer- 
setzt, so  kann  man,  ungeachtet  des  grofsen  Ueberschusses 
von  Kieselsäure  in  der  zersetzten  Masse,  durch  die  entwei- 
chenden Dämpfe  eine  geringe  Aetzung  auf  Glas  hervorbrin- 
gen. Die  Aetzung  ist  jedenfalls  aber  so  schwach,  dafs  Uner- 
fahrene sie  oft  gar  nicht  bemerken,  und  sie  auch  nur  beim 
Anhauchen  des  Glases  sichtbar  ist.  Der  Fluorkiesel  wird 
schon  durch  eine  geringe  Menge  von  Feuchtigkeit  zersetzt; 
beim  gelinden  Erhitzen  entweicht  daher  aus  der  zersetzten 
Masse  Fluorkiesel  und  später  etwas  Fluorwasserstoffgas, 
welches  letztere  die  Aetzung  bewirkt. 


/^ 


407 


XL    Ueber  die  Unhaltbarkeh  der  bisherigen  Theorie 
der  Newton' sehen  Farbenringe;  pon  E.  TVilde.  • 


u, 


m  besonders  die  Farben  der  gemischten  Lamellen  sorg- 
föltiger  beobachten  zu  können,  habe  ich  mir  ein  Instrument 
anfertigen  lassen,  mit  welchem  ich  die  Durchmesser  der 
Farbenringe  bis  auf  Zehntausendtel  eines  Englischen  Zolles 
genau  zu  messen,  und  bis  auf  Hunderttausendtet  zu  schätzen, 
die  Annäherung  der  Gläser  aber,  zwischen  denen  die  Ringe* 
entstehn,  bis  auf  Milliontel -Zoll  zu  bestimmen  im  Stande 
bin.  Ich  will  diefs  Instrument,  welches  demnach  eine  grö* 
fsere  Genauigkeit  in  den  Messungen  gestattet,  als  sie  selbst 
mit  dem  von  Biot  erfundenen  und  zu  anderen  Zwecken 
bestimmten  Spbaerometer  sich  erreichen  l&fst,  ein  Oyrei- 
dameter  nennen. 

Schon  vor  einigen  Jahren  wurde  von  Jerichan')  in 
Schweden  die  erste  zweckmäfsigere,  von  ihm  selbst  Gyrei- 
doscop  genannte  Vorrichtung  zur  Erzeugung  der  Neioton*- 
schen  Farbenringe  angegeben.  Es  lassen  sich  jedoch  mit 
diesem  Instrumente  keine  Messungen  anstellen,  und  es  hat 
daher  das  meinige  eine  andere  Einrichtung  erhalten  müssen. 

Bei  der  Beschreibung  seines  Gjreidoscops  macht  Je- 
ricbau  die  Bemerkung,  dafs  er  die  bisherige  Theorie 
der  Newton'schen  Ringe  für  unwahr  halten  müsse,  weil 
seine  eigenen  Beobachtungen  ihn  belehrt  hätten,  dafs  bei 
sehr  starkem  Zusammenpressen  der  beiden  Gläser  der  durch 
reflectirtes  Licht  entstehende  Centralfleck  nicht,  wie  New* 
ton  behaupte,  dunkel,  sondern  dafs  er  hell  sej.  Er  ver- 
sucht es  auch,  das  Farbeubild,  wie  es  sich  wirklich  zei- 
gen soll,  zu  erklären,  indem  er  es  auf  eine  mehrmalige 
Ausbreitung  der  Farben  innerhalb  eines  Kreises  zurück- 
führt; ich  mufs  jedoch  gestehn,  dafs  ich  mit  seiner  Erklä- 
rung keinen  klaren  Sinn  verbinden  kann. 

Jene  Bemerkung  Jerichau's  veranlafste  mich  indcfs 

1)  Diese  AoD.  Bd.  54,  S.  139. 


408 

zur  eigenen  sorgßiltigeren  Beobachtang  der  Newton' sehen 
Ringe  mit  dem  Gjreidometer,  sobald  ich  diefs  Instrument 
erhalten  hatte;  ich  kann  aber  seine  Behauptung,  dafs  bei 
einem  sehr  starken  Zusammenpressen  der  Gläser  der  Cen-> 
tralfleck  hell  werde,  nicht  als  eine  wahre  bestätigen.  Wenn 
ich  im  reflectirten  homogenen  Lichte  die  Gläser  immer  mehr 
und  mehr  einander  näherte,  so  entstand  zuerst  ein  dunk- 
ler Centralfleck  am  Gipfel  der  Convexlinse,  der  sich  bei 
gröfserer  Annäherung  der  Gläser  in  einen  dunklen  Kreis 
ausbreitete,  dessen  Inneres  hell  war,  und  aus  dessen  Mitte, 
wenn  ich  mit  der  Annäherung  der  Gläser  fortfuhr,  sich 
wieder  ein  dunkler  Centralfleck  entwickelte  u.  s.  f.,  je 
nachdem  nämlich  der  Gangunterschied  der  an  der  oberen 
und  unteren  Gränze  der  Luftlamelle  reflectirten  Strahlen 
eine  ungerade  oder  gerade  Anzahl  von  halben  Wellenlän- 
gen betrug,  bis  endlich  bei  einem  stärkeren  Zusammen- 
pressen der  Gläser  der  Ceutralfleck  dunkel  wurde,  ohne 
dafs  ich,  sobald  die  Gläser  gewaltsam  noch  mehr  und  bis 
zum  Biegen  des  oberen  planparallelen  ^  Zoll  dicken  Gla- 
ses an  einander  gedrückt  wurden,  einen  hellen  Gipfel  aus 
diesem  letzten  dunklen  Centralfleck,  den  ich  deshalb  den 
Constanten  nennen  will,  erhalten  konnte.  Er  wurde  nur 
um  so  gröfser,  während  die  ihm  zunächst  sich  zeigenden 
Ringe  um  so  mehr  von  der  kreisrunden  Gestalt  abwichen, 
je  mehr  ich  mit  dem  Zusammenpressen  der  Gläser  fort- 
fuhr. Im  Tageslichte  wurde  jedoch,  wie  sich  von  selbst 
versteht,  der  Wechsel  zwischen  Dunkel  und  Hell,  der  sich 
bei  der  Annäherung  der  Gläser  im  homogenen  Lichte  in 
der  Mitte  des  Bildes  zeigte,  nicht  wahrgenommen,  sondern 
sie  ging  vielmehr,  nachdem  sie  bei  der  Annäherung  der 
Gläser  die  verschiedensten  Farben  entwickelt  hatte,  erst 
dann  in  den  constanten  dunklen  Fleck  über,  wenn  die 
Gläser  mit  stärkerem.  Drucke  zusammengeprefst  wurden. 
Während  dabei  im  Tageslichte  nur  eine  geringe  Zahl  von 
Ringen  deutlich  erkennbar  war,  zeigte  sich  im  homogenen. 
Lichte  das  Gesichtsfeld  im  Mikroskope  mit  mehreren  hun- 
dert dunklen  und  hellen  Curven  erfüllt. 


•       409 

Ungeachtet  ich  also  die  Behauptung  Jericbau's  nicht 
als  eine  wahre  bestätigen  kann,  so  bin  ich  dennoch,  seit- 
dem ich  sorgfältigere  Beobachtungen  dieser  Gattung  von 
Farben  mit  dem  Gjreidometer  angestellt  habe,  aus  ande- 
ren Gründen  überzeugt,  dafs  die  bisherigen  Theorieen  der- 
selben, wie  sie  zuerst  von  Newton  behauptet,  und  von 
Yonng,  Fresnel,  Poisson,  J.  Herschel,  Airy  und 
Anderen  aus  der  Undulationstheorie  abgeleitet  sind,  nicht 
überall  wahr  sejn  können.     Diese  Gründe  sind: 

1.  Ist  es  theoretisch  unmöglich,  dafs  eine  Umkehrung 
der  Aetherschwingungen  bei  ihrer  Reflexion  an  der  unte- 
ren Gräuze  des  einen  Glases  im  Vergleiche  mit  der  Rich- 
tung, die  sie  nach  ihrer  Reflexion  an  der  oberen  Gränze 
des  anderen  haben,  eintreten  kann,  wenn  nicht  noch  eine 
Luftschicht  zwischen  den  Gläsern  vorhanden  ist. 

2.  Wollte  man  auch,  um  die  bisherigen  Theorieen  fest- 
halten zu  können,  eine  selbst  gegen  eine  Wellenlänge  sehr 
kleine  Tiefe  der  Lamelle  da  annehmen,  wo  der  constante 
dunkle  Fleck  im  reflectirten  Tages-  oder  homogenen  Lichte 
sich  zu  zeigen  anfängt,  so  bleibt  doch  derselbe  Fleck  und 
wird  immer  gröfser,  wenn  man  mit  dem  Zusammenpressen 
der  Gläser  fortfährt,  so  dafs  dann  unmöglich  noch  Luft 
zwischen  denselben  vorhanden  seyn  kann.  Da  also  die 
Voraussetzung  einer  unbestimmbar  kleinen  Tiefe  der  La- 
melle an  der  Stelle  des  constanten  Fleckes  eine  ganz  gleich- 
gültige ist,  so  kann  auch  des  ersten  Grundes  wegen  der 
Ursprung  dieses  Fleckes  nicht  in  einer  Interferenz  der  von 
den  Gränzen  der  beiden  Gläser  reflectirten  Strahlen  ge- 
sucht werden,  wie  man  diefs  nichtsdestoweniger  bisher  ge- 
than  hat. 

3.  Im  reflectirten  Tageslichte  erscheint  der  Central- 
fleck tief  schwarz.  Der  Gruntl  seines  Entstehens  k^nn  also, 
wenn  man  auch  da,  wo  er  beobachtet  wird,  eine  sehr 
dünne  Luftschicht  zwischen  den  Gläsern  zugeben  wollte, 
keinesweges  iq  dem  Principe  der  Interferenz  gefunden  wer- 
den, indem  bekanntlich  aus  der  Interferenz  aller  farbigen 
Strahlen,  nachdem  sie  alle  denselben  Weg  durchlaufen  ha- 


410 

beOy  ihrer  versdiiedenen  Wellenläogen  wegen  nur  eine 
mehr  oder  weniger  helle  Färbung  resaltirt.  Da  also  der 
oonstante  Fleck  weder  durch  eine  sehr  dünne  Loftschichf, 
nodi  in  Folge  des  ersten  Gmndes  für  die  Entfernung  Null 
der  Glaser  durch  Interferenz  entstehen  kann,  so  muis  sein 
Ursprung  in  anderer  Weise,  als  es  bisher  gesdiehen  ist, 
erklärt  werden. 

4.  Weil  auch  im  homogenen  lAckiey  wenn  die  Entfer- 
nung der  Gläser  Null  ist,  und  deshalb  keine  UmkehroDg 
in  den  Aetherschwingungen  eintreten  kann,  der  Phasenzu- 
stand der  von  den  beiden  Gläsern  an  der  Berfihrungsstelle 
reflectirten  Strahlen  übereinstimmend  sejn  muCs,  der  Cen- 
tralfleck  also  nicht  dunkel  erscheinen  kann. 

5.  Weil  es  den  bisherigen  Theorieen  der  New  toni- 
schen Riuge  an  aller  Analogie  mit  denen  verwandter  Far- 
benerscheinungen,  wohin  namentlich  die  Bengongsfiguren 
zu  rechnen  sind,  mangelt. 

Aus  allen  diesen  Gründen  folgt  also,  dafs  die  JftUe 
des  RingsffSiems^  wenn  die  Entfernung  der  Gläser  NmU  ist, 
im  reßectirten  Lichte  nicht  dunkel  seyn  kann,  sondern  dafs 
sie  rielmehr  im  Widerspruche  mit  den  bisherigen  Behaup- 
tungen hell  seyn  wmfs. 

Den  kürzesten  Beweis  für  das  sogenannte  Toung*stke 
Gesetz  finde  ich  nämlich  in  den  FresneTschen  Ausdrücken 
für  die  Oscillationsgeschwindigkeit  eines  reflectirten  und 
nach  der  Einfallsebeue  polarisirten  Strahles,  und  eines  re- 
flectirten und  senkrecht  gegen  die  Einfalkebene  polarisir- 
ten, von  denen  die  erstere  (für  den  Strahl,  in  welchem 
die  Aetherschwingungen  senkrecht  gegen  die  Einfallsebene 
und  gegen  die  Richtung  desselben  sind)  den  Werth  hat: 

stD(i-#-r) 

und  die  andere  (fiir  den  Strahl,  in  welchem  die  Aether- 
schwingungen parallel  mit  der  Einfallsebene  und  senkrecht 
gegen  die  Riditung  desselben  geschehen)  den  Werth  '): 

I)  Diese  Au.  Bd.  22,  S.  90. 


411 

(2)    i?5lfe4- 

"^     '      taDg(t+r) 

Im  Glase  aD  der  oberen  Gränze  der  Luftlamelle  ist  der 
Einfallswinkel  t  kleiner,  als  der  Brechungswinkel  r  in  der 
Luft,  der  Ausdruck  (1)  also  positiv;  an  der  unteren  Gränze 
der  Lamelle  dagegen,  wo  das  Licht  am  der  Luft  in  das 
untere  Glas  tibergeht,  und  i  gröfser  ist,  als  r,  wird  der- 
selbe Ausdruck  negativ.  Eben  so  hat  der  Ausdruck  (2) 
an  beiden  Gränzen  der  Luftschicht  ein  entgegengesetztes 
Zeichen,  indem  er  an  der  oberen  Gränze  negativ  und  an 
der  unteren  positiv  wird.  Mit  einem  veränderten  Zeichen 
in  der  Oscillationsgeschwindigkeit  ist  aber  jedesmal  eine 
Umkehrung  in  den  Schwingungsrichtungen  des  Aethers  ver- 
bunden. Bei  einem  natürlichen  (nicht  polarisirten)  Strähle, 
der  im  Betreff  der  Intensität  als  zusammengesetzt  aus  jenen 
beiden  polarisirten  angesehen  werden  kann,  tritt  daher  bei 
der  Reflexion  an  der  unteren  Gränze  der  Lamelle  eine 
Umkehrung  der  Aetherschwingungen  im  Vergleiche  mit  ih- 
rer Richtung  nach  der  Reflexion  ah  der  oberen  Gränze 
ein,  welche  Umkehrung  für  die  Intensität  des  reflectirten 
Lichtes  denselben  Erfolg  hat,  als  wäre  der  Ganguuterschied 
der  interferirenden  Strahlen  um  eine  halbe  Wellenlänge 
(oder  überhaupt  um  eine  ungerade  Anzahl  von  halben  Wel- 
lenlängen) gröfser  oder  kleiner,  als  er  wirklich  ist,  diefs 
jedoch  nur  unter  der  einzigen  Bedingung,  dafs  sich  noch 
eine  Luftschicht  zwischen  den  Gläsern  befindet.  Wenn  man 
also  bisher  auch  da,  wo  die  Entfernung  der  Gläser  Null 
and  keine  Luft  mehr  zwischen  denselben  vorhanden  sejn 
soll,  dem  Gangunterschiede  eine  halbe  Wellenlänge  zuge- 
legt hat,  so  ist  diefs  in  offenbarem  Widerspruche  mit  der 
Undulationstheorie  geschehen. 

Als  den  einfachsten  Ausdruck  für  die  Intensität  des  re- 
flectirten Lichtes,  wenn  ich  der  Umkehrung  der  Schwin- 
gungen wegen  den  Gangunterschied  der  interferirenden  ho- 
mogenen Strahlen  um  eine  halbe  Wellenlänge  X  (oder  um 
eine  ungerade  Anzahl  von  halben  Wellenlängen)  gröfser 
oder  kleiner  nehme,  als  er  wirklich  ist^  finde  ich 


412 

(3)     /=4a8ia'2i^^^, 

sobald  a  die  an  der  oberen  oder  unteren  Gränze  der  La- 
melle reflectirte  Lichtmenge,  d  die  Tiefe  der  Lamelle,  und 
r  den  Brechungswinkel  aus  dem  Glase  in  die  Luft  bedeu- 
tet. Für  das  durchgelassene  Licht  dagegen,  fOr  welches 
keine  Umkehruug  in  den  Schwingungen  eintritt,  ist  dann 
die  Intensität 

(4)     J'=l  — 4a8in'2;r^^, 

so  dafs  beide  Lichtstärken  complementär  sind,  da  ihre  Summe 
die  Intensität  I  des  einfallenden  Lichtes  giebt. 

Für   das   reflectirte    Licht    ergeben    sich    aus    (3)    die 
Maxima  der  Lichtstärke  für 

j_      k      3A     bk     jj^ 

4cosr        4cosr        4cosr         4cosr 

und  die  Minima  der  Lichtstärke  für 

.__..  2X     AI     6X 

4cosr        4cosr         4cosr 

weil  für  die  erste  Reihe  J=  4  a,  und  für  die  zweite  /=0 
wird.  Für  das  durchgelassene  Licht  dagegen  hat  man 
aus  (4): 

die  Maxima  für  d=0,  =r ,=i .=7 

4cosr         4cosr        4 


•  •  • 
cosr 


und  die  Minima  für  d=  , ,  =  : ,  =  - ,  = 


4co.sr'        4cosr'        4cosr'        4cosr"*' 

weil  für  die  erste  Reihe  /=!,  und  für  die  zweite  •fsl  — 4a 
wird.  Da  sich  nun  die  Durchmesser  oder  Halbmesser  der 
Farbenringe  wie  die  Quadratwurzeln  aus  den  Tiefen  der 
Lamelle  verhalten,  so  haben  im  reflectirten  Lichte  die 
Durchmesser  oder  Halbmesser  der  Maxima  das  Verhältnifs 
VT:y^:V5...,  und  die  der  Minima  das  Verhältnifs  V"Ö: 
]/~i:V~i,..,  im  durchgelassenen  dagegen  die  Durchmesser 
oder  Halbmesser  der  Maxima  das  Verhältnifs  Kö:V'2:  V~4«».» 
und  die  der  Minima  das  Verhältnifs  yT:K3:V5... 

In  dieser  Weise  gab  Newton  die  Gesetze  an,  und  in 
eben   dieser  Weise  sind  sie  bisher  aus  der  UndulatioQs- 


413 

theorie  abgeleitet  worden.  Sie  stimmen  aber/ wie  gesagt, 
mit  eben  dieser  Theorie  so  wenig  tiberein,  dafs  dieselbe 
vielmehr  eine  Umkehrung  dieser  Gesetze  für  die  Mitte  des 
Ringsyslems  fordert. 

Da  die  dem  Centrum  nächsten  Ringe  im  reflectirten  und 
homogenen  Lichte  schon  unmittelbar  vor  dem  Entstehen 
des  Constanten  dunklen  Fleckes,  während  die  Mitte  des 
Farbenbildes  noch  hell  ist,  ihre  kreisrunde  Gestalt  zu  ver- 
lieren und  eine  mehr  elliptische  anzunehmen  anfangen,  so 
kann  es  nicht  bezweifelt  werden,  dafs  die  Berührung  der 
Gläser  schon  dann  eingetreten  und  ihre  Entfernung  Null 
ist,  wenn  man  sie  bis  zum  Beginne  einer  Aenderung  in 
der  kreisförmigen  Gestalt  der  dem  Centrum  nächsten  Ringe 
genähert  hat,  weil  diese  Aenderung  offenbar  schon  auf  eine 
Pressung  der  Gläser  hindeutet.  Es  mufs  dann  aber  auch 
der  erste  helle  Ring  sich  ohne  dunkle  Unterbrechung  an 
die  helle  Mitte  des  Bildes  unmittelbar  anschliefsen ,  weil 
der  erste  dunkle  Ring   erst  da  sich  bilden  kann,  wo  ftir 

cosr=cosO°=l   die  Tiefe  d  der  Lamelle  = -j- ist,  damit 

der  Gauguntcrschied  der  interferirenden  Strahlen  (wegen 
des  Hin-  und  Herganges  des  einen  Strahles  innerhalb  der 
Lamelle  und  wegen  der  Umkehrung  seiner  Schwingungen) 

2A  X  3A 

=  2  -j^  +  y  =  Y  werden,  und  eine  Vernichtung  des  Lieh- 

tes  in  sich  selbst  eintreten  könne.  Man  hat  daher,  wenn 
diefs  sich  so  verhält,  im  reflectirten  Lichte 

dieMaxima  für  d=0  und      ^  ^^  ^^  ^^ 

und  die  Minima  für  d  = 


4cosr'       4c(Mr'       4cosr'       4cosr 
2A  4A  %X  %X 


4cosr'       4cosr'       4cosr*       4cosr 

im  durchgelassenen  dagegen 

die  Maxima  für  a=-: ,=-: — ,=  : ,= 


4cosr'       4cosr'       4co$r'       4cosr 

u,  d.  Minima  für  d=0  u.  r ,  =  : ,=t ,=: 


•  • 


cosr        4cosr        4cosr        4cosr 

woraus  folgt,    dafs  im  reflectirten  Lichte  die  Halbmesser 


414 

I 

der  hellen  Ringe  das  Verhältnifs  Ki:V3:l^...,  und  die 
der  dunklen  das  Verhältuifs  VizVliVe  ...y  im  durchge- 
lassenen aber  die  Halbmesser  der  hellen  Ringe  das  Verhält* 
nifs  K2:]^:K6...,  und  die  der  dunklen  das  Verhältnifs 
KI:V3:K5«*«  haben  müssen,   während   die  Mitte  des  Bil- 

des  bis  zur  Tiefe  d=-7~  cl^r  Lamelle  im  Maximum  des  re- 

flectirten  und  im  Minimum  des  durchgelassenen  Lichtes  er- 
scheint. 

Dafs  ich  mich  in  diesen  Behauptungen  nicht  täusche, 
dafür  bürgen  mir  die  Messungen,  die  ich  mit  dem  Gyrei^ 
dometer,  in  welches  ein  planparalleles  und  ein  convexes 
Glas  mit  einem  Halbmesser  tou  360  Zoll  Engl,  eingelegt 
waren,  angestellt  habe.  Wenn  ich  im  reflectirten  Lichte 
bei  heller  Mitte  des  Farbenbildes  die  Gläser  bis  zum  Be- 
ginne einer  Aenderuug  in  der  kreisförmigen  Gestalt  der 
Ringe  einander  genähert  hatte,  so  habe  ich  für  ihre  Halb- 
messer in  dem  homogenen  Lichte  '),  das  man  durch  Al- 
kohol und  Chloruatrium  erhält,  für  den  Einfallswinkel  (den 
Brechungswinkel  r  aus  dem  Glase  in  die  Luft)  =39^41' 
als  Mittel  aus  wiederholten  Messungen,  weil  die  Gränzen 
der  Ringe  nicht  scharf  sind,  sondern  die  dunklen  allmälig 
in  die  hellen  übergehen,  folgende  Werthe  erhalten: 

Reflectirtes  Licht. 

Halbmesser 
des  ersten  zweiten  dritten  vierten  hellen  Ringes. 

—  0,1244"  Engl.  0,1602"  0,1900" 

des  ersten  zweiten  dritten  vierten  dunklen  RingnL 

0,1021"  Engl.     0,1439"  0,1765"  0,2040". 

Diese  Werthe  bedürfen  aber  noch  beträchtlicher  Cor- 
rectionen,  die  deshalb  nöthig  werden,  weil  die  Halbmesser 
der  Ringe  wegen  der  Brechung  in  dem  oberen  \  Zoll  dicken 

1)  Es  ist  diefs  Licht  zwar  nicht  vollkommen  homogen,  sondern  eine  Mi- 
schung von  Gelb  und  Violett,  wie  ich  durch  seine  Zerlegung  mit  einem 
Prisma  gefunden  habe,  so  dafs  man  es  eher  orangefarben  als  gelb  ntnuea 
raufs;  es  ist  aber  doch  homogen  genug,  um  nur  dunkle  und  gleichfarbige 
Hinge  erscheinen  zii  lassen. 


415 


Oläse  kleioer  erscheinen,  als  sie  an  der  oberen  GrSiize  dei* 
Luftlamelle  wirklich  sind.  Den  zur  Berechnung  dieser  Cor- 
rectionen  erforderlichen  mittleren  Brechungsexponenteu  des 
oberen  Glases  habe  ich  nach  der  von  Prechti^)  angege- 
benen Methode  aus  zehnmaligen  Messungen  bestimmt,  und 
denselben  =  1,516908  gefunden.  Da  überdiefs  die  mikro- 
skopische Linse  von  der  Mitte  des  Farbenbildes  jedesmal 
2,91  Englische  Zoll  entfernt  war,  so  ergeben  sich  die  Cor- 
rectionen  wie  folgt: 


lor  den  ersten 
lur  den  erslen 

0,0056" 


Beflectirtes  Licht. 

Gnrrectioncn 
zweiten  dritten 

0,0070"  0,0091" 

zweiten  dritten 


vierten  hellen  Ring. 

0,0106" 

vierten  dunklen  Ring. 

0,0113". 


0,0081"  0,0099"" 

Werden  diese  Correctionen  den  obigen  Halbmessern 
zugelegt,  und  wird  der  Halbmesser  des  ersten  hellen  Ringes 
aus  dem  des  zweiten  nach  dem  Verhältnisse  1 :  V3  berech- 
nety  so  hat  mau  endlich: 


Reflectirtes  Licht 
Halbmesser 


des  ersten 

0,0758'" 

des  ersten 

0,J077"' 


zw^citen 

0,1314" 

zweiten 

0,1520' 


dritten 

0,1693" 

dritten 

0,1864"' 


vierten  hellen  Ringes, 

0,2006"' 

vierten  dunklen  Ringes. 

0,2153", 


welche  Werthe  so  genau  sind,  dafs  sie,  mit  den  obigen 
Quadratwurzeln  in  Proportion  gestellt,  für  die  Producte 
der  inneren  und  äufsereu  Glieder  Decimalbrüche  geben,  die 
auf  mindestens  vier  Stellen  übereinstimmen.  So  soll  sich 
z.  B.  für  den  ersten  und  dritten  dunklen  Ring  0,1077'': 0,1864'' 
ss:0,01159:0,03474=2:6=l:3  verhalten,  wie  diefs  auch 
der  Fall  ist,  da  sowohl  das  Product  der  äufsereu,  als  auch 
das  der  inneren  Glieder  bis  auf  vier  Stellen  =0,0347. 

Die  von  der  Undulationstheorie  für  das  reflectirte  Licht 
geforderten  Gesetze  werden  also  auch  durch  die  Beobachtung 

1)  „Practische  Dioptrik«.     W^icn,  1828,  S.  127. 


416 

beitäiigt,  ohne  dafs  man  nöthig  hätte,  die  Gläser  über  ihre 
Berührungsstelle  hinaus,  bis  der  dunkle  Ceniralßeck  sich 
ausgebildet  hat,  zusammenzupressen,  und  eben  diefs  ist  es, 
u>as  ich  beweisen  wollte. 

Ein  anderer -Gruody  der  ffir  die  Wahrheit  meiner  Be- 
haaptangen  borgen  kann,  ist  der,  daCs  bei  allen  verwand- 
ten Farbenerscheinungen,  in   denen  im   homogenen  Lichte 
ein  Wechsel  von  Hell  and  Donkel  sich  zeigt,  and  die  Mitte 
hell  ist,   das   erste  Minimum   dann  erst  eintritt,   wenn  der 
Gangunterschied  der  interferirenden  Strahlen  mindestens  eine 
ganze  Wellenlänge  beträgt.   So  ist  z.  B.  in  dem  Beugungs- 
bilde einer  schmalen  Oeffnung  in   einem  undurchsichtigen 
Schirme  fQr  den  Gangunterschied  Null  die  Mitte  hell,  und 
ihre  Intensität  =  1.    Sie  bleibt  aber  auch  ohne  dunkle  Un- 
terbrechung noch   hell  für  den  Gangunterschied  einer  hal- 
ben Wellenlänge,  indem  dann  ihre  Intensität  =  0,4053  is^ 
und  erst  für  den  Ganguuterschied  einer  ganzen  Wellenlänge 
tritt  das   erste  Minimum  Null  der  Intensität   ein  ')•     Den 
New  ton' sehen  Ringen  noch  ähnlicher  ist  die  Beugungs- 
figur einer  kreisförmigen  Oeffnung,    für  welche   die   Mitte 
gleichfalls  hell  ist,   und  der  erste  dunkle  Ring  sogar  dann 
erst  entstehen  kann,  wenn  der  Gangunterschied  schon  die 
Gröfse  1,220  A  erreicht  hat^).     Deshalb   kann  hier  überall 
der  Gangunterschied  für  das  erste  auf  die  helle  Mitte  des 
Bildes  folgende  Maximum   nicht  durch  Messung   gefunden, 
sondern  er  mufs  vielmehr  aus  den  Intensitätsausdrücken  be- 
rechnet werden,  und  eben  deshalb  habe  auch  ich  den  Halb- 
messer für  das  erste  Maximum  nicht  durch  Messung  finden, 
X  sondern    ihn    nur  aus    dem    Intensitätsansdrucke    (3)  be- 
rechnen können.    Ungeachtet  also  in  allen  diesen  verwand- 
ten Farbenerscheinungen  bei  heller  Mitte  das  erste  Minimna 
nicht  für  den  Gangunterschied   einer  halben  Wellenlänge 
eintritt,  so  hat  man  bisher  doch  angenommen,  dafs  im  durdh 
gelassenen  Lichte  die  Mitte  des  ganzen  Farbenbildes  hell, 

und 

1)  Di'ese  Add.  Bd.  79,  S.  206. 

2)  Ebendaselbst  S.  224. 


417 

und  nicbtsdestoweniger  der  erste  dunkle  Ring  schon  da 
entstehen  soll,  wo  die  Tiefe  der  Lamelle  eine  Yiertelwel- 
lenlänge,  der  Gangunterschied  also  eine  halbe  Wellenlänge 
beträgt,  indem  fQr  das  durchgelassene  Licht  keine  Umkeh- 
rung in  den  Aetherschwingungen  eintritt.  Es  fehlt  also  den 
bis  jetzt  behaupteten  Theorieen  der  Newton'schen  Ringe 
an  aller  Analogie  mit  denen  verwandter  Farbenerschei- 
nungen. 

Der  Grund  des  bisherigen  Irrthums  liegt  offenbar  darin, 
dafs  man  im  Vertrauen  auf  die  Genauigkeit  der  Beobach- 
tungen Newton's  den  lediglich  für  die  Annahme  einer 
Umkehrung  der  Aetherschwipgungen  gültigen  Intensitätsaus- 
druck (3)  auch  für  den  Fall  angewandt  hat,  wenn  die  Glä- 
ser die  Entfernung  Null  haben,  und  eine  Umkehrung  der 
Schwingungen  nicht  mehr  möglich  ist.  Hierzu  kommt  noch, 
dafs  man  die  Tiefe  Null  der  Lamelle  niemals  in  die  Pro- 
portionen gebracht  hat,  und  bringen  konnte,  weil  sonst  das 
vierte  Glied  derselben  unendlich  grofs  werden  würde,  so 
dafs  es  wohl  erklärlich  ist,  wie  ohne  eine  erneuerte  Prü- 
fung der  Beobachtungen  Newton's  dieselben  Fehler  Jahr- 
hunderte hindurch  haben  wiederholt  werden  können. 

"Was  schliefslich  den  Ursprung  des  Centralfleckes  be- 
trifft, der  nur  im  Tageslichte  schwarz,  im  homogenen  Lichte 
aber  des  matteren  Hintergrundes  wegen  nicht  dunkler  er- 
scheint, als  CS  die  durch  Interferenz  erzeugten  Ringe  sind: 
so  stimme  ich  der  Ansicht  Jerichau's  bei,  dafs  dieser 
Fleck  durch  durchgelassenes  Licht  in  ähnlicher  Weise  ent- 
stehe^ wie  die  Stelle,  an  der  man  die  Folie  eines  Spiegels 
abgenommen  hat,  im  rcflectirten  Lichte  gegen  den  hellen 
Spiegelhintergruud  dunkel  erscheint;  ich  stimme  aber  dieser 
Ansicht  nicht  als  einer  wahrscheinlichen  Vermuthung  bei, 
sondern  als  einer  unläugbaren  Wahrheit.  Meine  Gründe 
sind  diese: 

1.  Es  sey  (Fig.  4.  Taf.  IV.)  DEC  ein  gläsernes  Prisma, 
die  Stelle  des  Auges  in  0,  und  GH  eine  mit  d^n  Grund- 
flächen parallele  Linie,  so  wird  eine  Brechung  oder  Durch- 
lassung der  rothen  Strahlen  in  t  erst  dann  möglich,  wenn 

PoggcndorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  27 


418    • 

der  Winkel  0(6=49'' 2',  der  Einfallswinkel  bei  f  also 
=  40®  58',  und  eine  Durchlassung  der  violetten  in  q  erst 
dann,  wenn  der  Winkel  Og6r  =  50°7',  der  Einfallswinkel 
in  q  also  =39^  53'.  Bedeutet  nochp  die  Stelle,  von  wel- 
cher an  eine  Durchlassung  der  mittleren  Strahlen  eintre- 
ten kann,  so  wird  also  zwischen  t  und  BE  keine  Farbe 
an  der  Basis  DB  gebrochen,  und  es  findet  in  diesem  Theile 
derselben  eine  totale  Reflexion  des  Lichtes  Statt.  Zwischen 
i  und  p  werden  rothe,  orangefarbene  und  gelbe  Strahlen 
durchgelassen.  Im  reflectirten  Lichte  sind  diese  Strahlen 
also  in  geringerer  Menge,  als  bei  der  totalen  Reflexion 
vorhanden,  und  deshalb  ist  das  reflecfirte  Licht  hier  auch 
weniger  intensiv.  Zwischen  p  und  q  werden  auch  die  übri- 
gen Strahlen  mit  Ausnahme  des  Blau  und  Violett  durchge- 
lassen, und  es  ist  hier  eben  deshalb  die  Intensität  des  re- 
flectirten Lichtes  noch  geringer,  während  in  der  Gegend 
von  q  da,  wo  die  blauen  und  violetten  Strahlen  noch  nicht 
durchgelassen  werden,  )euer  bläuliche  Bogen  MN  entsteht, 
auf  den  Newton  zuerst  aufmerksam  gemacht,  und  den  er 
zuerst  erklärt  hat  ' ).  In  dem  Theile  der  Basis  zwischen 
MN  und  AD,  wo  alle  Farben  gebrochen  werden  können, 
ist  eben  deshalb  das  reflectirte  Licht  ein  sehr  nrattes. 

Nachdem  ich  die  Basis  DB  des  Prisma  auf  den  Gipfel 
einer  sehr  flachen  Convexlinse  gelegt  hatte,  prefste  ich 
beide  Gläser  mit  starkem  Drucke  an  einander,  und  neigte 
das  Auge  so  gegen  die  Basis,  dafs  ich  die  Beröhrungsstelle 
der  Gläser  zwischen  q  und  AD  erblickte.  Es  zeigte  sich 
dann  eine  ziemlich  bedeutende  Menge  von  Ringen,  wie 
man  sie  in  gleicher  Zahl  im  Tageslichte  nur  durch  zwei 
sehr  flache  Convexlinsen  erhält,  und  der  Centralfleck  in 
tiefer  Schwärze  vollkommen  ausgebildet.  Ich  neigte  hier- 
auf das  Auge  noch  mehr,  während  beide  Gläser  in  unver- 
änderter Lage  znsammengeprefst  blieben,  so  dafs  ich  ihfc 
Berührungsstelle  zwischen  q  und  p  erblickte,  und  es  erschien 
der  Centralfleck  nun  nicht  mehr  in  jener  tiefen  Schwärze, 
sondern  im  lebhaftesten  Grün.    Er  zeigte  sich  hierauf,  wenn 

1 )  Opt,  Hb.  /.  pars  2.  earper.  16. 


419 

ich  das  Auge  immer  tiefer  neigte,  m  lebhaftesten  Gelb, 
Orange  und  siuletst  röthlich,  bis  endlich,  wenn  das  Auge 
noch  mehr  gesenkt  wurde,  so  dafs  die  Berührungsstelie  in 
die  Gegend  der  totalen  Reflexion  fiel,  jene  tiefe  Schwärze 
▼ollkommen  wieder  hergestellt  wurde. 

Der  Versuch  ist  also  entscheidend  für  die  Behauptung, 
dafs  die  Färbung  des  Centralfleckes  vom  durchgelassenen 
Lichte  abhängt,  und  er  beseitigt  für  immer  die  Möglichkeil 
der  Annahme,  dafs  sein  Ursprung  irgendwie  in  einer  I»- 
terferenss  gesucht  werden  könne.  Die  Farben,  die  durchge- 
lassen werden,  sind  vollkommen  homogene,  und  es  müfste 
daher,  wenn  hier  auch  im  entferntesten  nur  an  eine  Inter- 
ferenz gedacht  werden  könnte,  der  Centralfleck  in  ung^än- 
derter  Schwärze  erscheinen.  So  aber  ist  es  nicht.  Die 
Farben  Grün,  Gelb,  Orange,  in  denen  der  Centralfleck 
sich  zeigt,  sind  vielmehr  so  lebhaft  und  rein,  wie  man  sie 
nur  durch  die  besten  Flintglasprismen  erhalten  kann,  be- 
sonders wenn  die  Gläser  auf  ein  schwarzes  Papier  gelegt 
werden,  und  ein  Einfallen  der  Strahlen  auf  die  Linse  selbst 
▼ermieden  ist,  wie  ich  mich  hiervon  dadurch  überzeugt  habe, 
dafs  ich  auf  den  von  der  Basis  des  Prisma  nicht  bedeckten 
und  dem  Lichte  zugekehrten  Theil  der  Linse,  um  alle  Strah- 
len abzuhalten,  die  von  unten  her  auf  die  Basis  einfallen 
könnten,  einen  undurchsichtigen  Schirm  legte.  Hat  die  Linse 
eine  stärkere  Convexität,  so  sind  begreiflicherweise  die 
Farben  des  Centralfleckes  nicht  gesondert  genug. 

Ungeachtet  dieser  Versuch  jeden  anderen  Grund  für 
die  Wahrheit  meiner  Behauptungen  überflüssig  macht,  so 
will  ich  nichtsdestoweniger  noch  einige  andere  Versuche 
anführen,  die  mir  dieselben  Resultate  gegeben  haben. 

2.  Auf  die  dem  einfallenden  Lichte  zugekehrte  Seite 
des  Prisma  legte  ich  ein  schwarzes  Papier,  so  dafs  die  Be- 
leuchtung nur  durch  die  Linse  von  unten  her  möglich  wurde. 
Prefste  ich  dann  das  Prisma  und  die  Linse  stärker  an  ein- 
ander, so  erschien  die  Berührungsstelle  wie  eine  durch  beide 
Gläser  ununterbrochen  durchgehende  sehr  helle  Oeffnung, 
wenn  ich  durch  die  dem  Zimmer  zugekehrte  Seitenfläche  des 

27» 


420 

Prisma  die  sonst  nur  schwach  erleuchtete  Basis  desselben 
betrachtete.  Der  Versuch  berechtigt  daher  auch  zu  der 
Annahme  eines  ungehemmten  Durchganges  der  Strahlen  an 
der  Berührnngsstelle,  wenn  das  Licht  von  oben  her  durch 
die  unbedeckte  Seitenfläche  des  Prisma  einfällt. 

3.  Legte  ich  zwei  zusammengeprefste  Linsen  auf  wei- 
fses  Papier,  so  erschien  die  Schwärze  des  Ceutralfleckes 
weniger  intensiv,  als  es  geschah,  wenn  die  Unterlage  durch 
schwarzes  oder  auch  nur  dunkles  Papier  gebildet  wurde, 
und  es  zeigte  sich  in  jenem  Falle  der  Centralfleck  tiber- 
haupt  nur  in  schräge  reflectirtem  Lichte.  Bei  kleineren 
Einfallswinkeln  verschwand  er  völlig,  und  erschien,  wenn 
ich  das  Auge  vertical  über  der  Berührungsstelle  beider  Glä- 
ser hielt,  als  ein  weifser  Kreis,  während  das  Ringsystem 
auch  dann  noch  sichtbar  blieb.  Entstände  aber,  wie  maq 
bisher  angenommen  hat,  die  Schwärze  des  Centralfleckes 
durch  Interferenz,  durch  eine  Vernichtung  des  Lichtes  in 
sich  selbst,  so  müfste  der  Fleck  auch  bei  weifser  Unter- 
lage unter  allen  Incidenzeu  der  Strahlen  dunkel  bleiben, 
und  es  könnte  dann  die  Berührungsstelle  durch  das  von 
dem  Papiere  ausgehende  und  durchgelassene  Licht  nicht 
weifs  erscheinen,  wie  es  in  der  That  geschieht. 

4.  Nachdem  ich  die  Gipfel  zweier  Convexlinsen  durch 
eine  sehr  dünne  Schicht  von  Kanada -Balsam  mit  einander 
vereinigt  hatte,  legte  ich  die  Linsen  auf  eine  schwarze  oder 
auch  nur  dunkle  Fläche,  und  erblickte  dann  die  Stelle,  an 
der  sich  der  Balsam  befand,  bei  allen  Incideuzen  der  Strah- 
len in  derselben  tiefen  Schwärze,  in  der  sich  der  Central- 
fleck bei  der  Zusammenpressung  der  Gläser  im  Tageslichte 
zeigt.  Legte  ich  aber  die  Linsen  auf  ein  weifses  Papier, 
so  war  auch  hier,  wie  bei  zusammengedrückten  Gläsern, 
die  Schwärze  weniger  intensiv,  so  wie  denn  auch  hier  der 
Fleck  bei  kleineren  Einfallswinkeln  verschwand.  Obgleich 
die  wirkliche  Continuität  der  Gläser  doch  nur  zum  Theil 
durch  den  Balsam  ersetzt  wird,  so  entschieden  nichtsdesto- 
weniger auch  alle  sonstigen  Versuche,  die  mit  diesen  Lin- 
sen angestellt  wurden,  aufs  bestimmteste  dafür,   dafs  man 


421 

den  Urspruug  der  Dunkelheit  des  Centralfleckes  lediglich 
in  dem  ao  der  Berührungsstelle  der  Gläser  durchgelasseueu 
Lichte  zu  suchen  habe. 

5.  Bei  dem  ersten  Versuche  sieht  man  in  der  Gegend 
der  totalen  Reflexion  an  der  Basis  des  Prisma  den  schwar- 
zen Centralfleck  nicht  von  Ringen  umgeben.  Ringe  kön- 
nen nicht  entstehen,  weil  da,  wo  man  sie  sehen  müfste, 
keine  Strahlen  durchgelassen  werden,  die  nach  ihrer  Re- 
flexion von  der  Linse  mit  den  von  der  Basis  reflectirten 
interferiren  könnten.  Schwarz  aber  erscheint  der  Central- 
flecky  weil  zwischen  den  Gläsern  an  ihrer  Berührungsstelle 
keine  Luft  vorhanden  ist,  also  auch  keine  totale  Reflexion 
stattfinden  kann,  sondern  das  Licht  hier  durchgelassen  wird. 
Denn  wollte  man  auch  an  der  Berührungsstellc  eine  Luft- 
schicht annehmen,  so  müfste  auch  hier  das  Licht  eine  totale 
Reflexion  erleiden,  und  der  Centralfleck  eben  so  silberhell 
wie  der  übrige  Hintergrund  erscheinen.  Da  also  die  An- 
wesenheit einer  Luftlamelle  an  der  Stelle  des  Centralfleckes 
nicht  vorausgesetzt  werden  darf,  so  kann  auch  seine  Schwärze 
-^  selbst  abgesehen  davon,  dafs  aus  der  Interferenz  hete- 
rogener Strahlen  niemals  Schwärze  resultiren  kann  —  nicht 
durch  Interferenz  entstehen,  weil  diese  ohne  eine  Luftla- 
melle nicht  möglich  ist.  » 


Wenn  ich  die  vorstehenden,  von  den  bisherigen  ab- 
weichenden Behauptungen,  die  ich  in  einer  längeren  Ab- 
handlung ausführlicher  aus  einander  zu  setzen  gedenke,  dem 
Urtheile  der  Sachverständigen  hiermit  Übergebe,  so  habe 
ich  dabei  nur  die  Absicht,  alle  Lichtwirkungen,  von  wel- 
cher Art  sie  auch  immer  sejn  mögen,  in  vollkommene  Ueber- 
einstimmung  mit  der  Undulationstheorie  gebracht  zu  sehen, 
damit  die  Harmonie  unserer  Gedanken  mit  der  göttlichen 
Ordnung  in  der  Natur  wenigstens  in  der  Optik  nirgends 
▼ermifst  werde. 


422 


Xn.     Ueber  Sternschnuppenbeobachtungen; 
von  J.  F.  J.  Schmidt, 

GehulfcB  an  der  Kooigl.  Sternwarte  za  Bonn. 


JLyas  Interesse,  welches  io  neuerer  Zeit  die  Stemschnop- 
pen  mehrfach  erregt  haben,  veranlafst  mich  zu  einigen  Be- 
merkungen, welche  theils  die  aus  correspondirenden  Beob- 
achtungen gefolgerten  Resultate  betreffen,  theils  sich  auf 
verschiedene,  weniger  häufig  untersuchte  Eigenthfimlichkei- 
ten  dieser  Meteore  beziehen.  Wenn  gleich  ich  weifs,  dab 
die  folgenden  Mittheilungen  schon  Bekanntes  wieder  berüh- 
ren, oder  auf  Verhältnisse  aufmerksam  machen,  die  ander- 
weitig yielleicht  schon  angedeutet  worden  sind,  so  scheint 
es  mir  doch  nicht  unpassend,  jetzt,  da  ich  zu  einem  vor- 
läufigen Abschlufs  in  der  Untersuchung  über  fast  neunjäh- 
rige eigene  Beobachtungen  gelangt  bin,  wenigstens  einige 
der  Resultate  bekannt  zu  machen,  welche  aus  der  Anwen- 
dung der  Bessel'schen  Methode  ^)  auf  die  Ermittelung  der 
Entfernungen  und  senkrechten  Höhen  der  Meteore  hervor- 
gegangen sind. 

Die  erste  Veranlassung  zur  Theilnahme  an  correspon- 
direnden Beobachtungen  verdanke  ich  dem  Hrn.  Oberlehrer 
E.  Heis  in  Aachen,  der  bereits  im  Herbste  1847  mich  auf- 
forderte, an  bestimmten  Abenden  in  Bonn  nach  Meteoren 
auszusehen,  und  in  bekannter  Weise  die  Zeiten  des  Erlö- 
schens, so  wie  die  Positionen  des  scheinbaren  Anfangs- 
und Endpunktes  zu  notiren.  Hr.  Heis  beobachtete  zum 
Theil  mit  seinen  Schülern  in  einem  besonders  für  diesen 
Zweck  eingerichteten  Observatorium  auf  dem  Aachener  Schul- 
gebäude. So  lange  die  Einrichtungen  in  Aachen  noch  keine 
scharfen  Zeitbestimmungen  gestatteten,  begnügte  ich  mich 
damit,  hier  in  Bonn  stets  nur  Bruchtheile  der  Minute,  oder 
runde  Sekunden  für  das  Moment  des  Verschwiudens  anzu- 
geben.   Späterhin,  als  wir  auch  Längenunterschiede  bestim- 

1)  Astronom.  Nachrichten  No.  380  und  381. 


423 

meo  wollten,  verfuhr  ich  mit  der  Genauigkeit ,  welche  in 
den   meisten  Fällen  bei  diesen  Erscheinungen  zulässig  er* 
scheint.     Bei  der  Verzeichnung  der  Meteorbahnen  in  die 
Sterncharte,  welche  stets  gleich  nach  der  Beobachtung  ge- 
schah, bediente  ich  mich  der  neuen  Uranometrie  von  Ar- 
gelander.     In  Aachen  wurden  die   Bahnen   in  der  Regel 
gleich  auf  eine  grofse  Himmelskugel  von  30  Zoll  Durch- 
messer aufgetragen  '  ).     Im  Jahre   1848  hat  die  ungünstige 
Witterung  im  August  und  November  die  meisten  Beobach- 
tungen vereitelt;   1849  waren  wir  glücklicher;  indessen  ist 
zumal  in  Folge  einer  bedeutenden  Erweiterung  des  Beob- 
achtungsplanes das  Material  so  angewachsen,  dafs  sich  die 
Berechnung  bis  jetzt  nur  auf  einen  Theil  desselben  hat  er- 
strecken  können.     Theils    auf  mein   Ersuchen,    theils   auf 
Veranlassung  des  Hrn.  Heis  wurden  seit  dem  August.  1849 
in  Hamburg,  Bremen,  Bilk,  Eschweiler,  Düren,  Neukirchen 
bei  Saarbrücken,  Frankfurt  a.  M.  und  Bern  zahlreiche  Beobr. 
achtungen  angestellt.    Was  ich  hier  über  Entfernungen  und 
Höhen   der  Meteore   mittheilen   werde,  ist   allein   aus  den 
correspondireuden  Beobachtungen  in  Bonn  und  Aachen  be- 
rechnet worden.    Alles  Uebrige  wird  in  der  Folge  erledigt 
werden. 

Die  Berechnung  nach  BesseTs  Methode  nimmt,  wenn 
man  sich  mit  der  Anwendung  derselben  nicht  sehr  viel  be- 
schäftigt ,  immer  eine  ansehnliche  Zeit  in  Anspruch.  Aber 
sie  hat,  was  nicht  für  gering  zu  achten  ist,  den  Vortheil, 
dafs  sie  Kriterien  enthält,  welche  ein  Urtheil  über  die  Si- 
cherheit der  an  entfernten  Orten  gemachten  Beobachtungen 
gestatten.  Sie  lehrt  aufserdem  mögliche  äufserste  Gränzen  . 
finden,  zwischen  welchen  das  jedesmal  erlangte  Resultat 
unsicher  seyn  kann,  wenn  man  den  Einflufs  eines  Beob- 
achtungsfehlers €  auf  das  eine  oder  andere  Bestimmungs- 
stück der  Meteorbahn  untersucht.  Wenn  man  nicht  übersieht, 
wie  sehr  die  Factoren  von  s  von  der  Lage  der  Meteorbahn 
gegen  die  Standlinie  abhängen,  so  wird  man  aus  der  oft 
enormen  Gröfse  derselben  nicht  auf  grofse  JBeobachtungs- 

1)  £.  Heis,  Die  periodiscliea  Sternschauppen  u.  s.  w.     Colin  1849. 


424 

fehler  scblieCsen  wollen.  Diese  verratben  sich  in  den  Quan- 
titäten, welche  B  es  sei  mit  f  bezeichnet ,  and  welche  an 
die  beobachteten  Oerter  anzubringen  sind,  damit  den  Be- 
dingungen der  Gleichzeitigkeit  und  somit  der  Identität  Ge- 
nfige geleistet  werde.  Es  kann  im  ungünstigsten  Falle  die 
Bechnung  den  Einflufs  von  €==i=cz)  angeben,  während 
sich  die  Beobachtungen  ans  der  Kleinheit  von  f  als  sehr 
genau  herausstellen,  und  es  leuchtet  ein,  wie  wichtig  es 
zumal  für  solche  Fälle  sej,  ein  und  dasselbe  Meteor  von 
drei  Punkten  der  Erde  aus  zu  beobachten,  die  genügend 
weit  von  einander  entfernt  liegen. 

In  dem  folgenden  Verzeichnisse  werde  ich  die  einzel- 
nen Bestimmungsstücke  so  weit  mittheilen,  als  sie  zur  nä- 
heren Beurtheilung  des  Resultats  erforderlich  zu  sejn  schei- 
nen. Die  vorangehende  Untersuchung  über  die  Identität 
je  zweier  Beobachtungen,  die  in  Rücksicht  auf  die  zutref- 
fende Zeitdifferenz  so  sehr  oft  nur  eine  scheinbare  ist,  hat 
Hr.  Heis  sehr  sorgfältig  nach  seiner  Methode  über  die  ge- 
meinschaftlichen Durchschnittspunkte,  geführt.  Ich  selbst 
habe  nur  die  Beobachtungen  der  Rechnung  unterworfen, 
welche  Heis  ab  entschieden  identisch  nachweisen  konnte. 
Indem  ich  überall  die  von  B  e  s  s  e  1  eingeführte  Bezeichnungen 
beibehalte,  bemerke  ich  zunächst,  dafs  für  die  gegenseitige 
Lage  der  Bonner  Sternwarte  und  des  Observatoriums  in 
Aachen  Folgendes  angenommen  wurde: 

Polhöhe  von  Bonn       .     .     .     (O)  =  50°  43'  46" 
„         „    .  Aachen        .     .     ( O')  =  50  46  34 
Meridian-Differenz     .     .      O  — 0'=    1      1  28 

9?=   50«  32' 29"         y'  =  50^35' 17" 
il  —  iw  =  266°  18,4  JD  =  +  2«  35,7 

log  Ä  =  0,98947  Ä  =  9,76  Meilen. 

H  und  E!  sind  die  senkrechten  Anfangs-  und  Endhöhen 
der  Meteore. 

Bei  den  Beobachtungen  in  Bonn  werde  ich  jedesmal 
die  No.  meines  Verzeichnisses  beifügen. 


425 

I 

I 

1.  1448.   Jali29.   No.  2873. 

BoDD     11^  O'O"  Anf.  273«30'— 3»  Ende  =  245"  SO" +3» 
Aach.     10  56         „283        —  4        „  273         —  5 

^=198''59',9  /•=— 0»13'  f  i=  — 2«36' 
s  =  74°  40',6    p  =  93»  49',6     r  =  45,70  Meil. 
«'=46    51,8    p'=89    41,4     r'=  10,00      „ 
ff  =84    12,0    n=9i    17,3     p  =  44,14      „ 
ff'=74   18,7     n'=95    55,9     (.'=    7,86      „ 
H = 25"',88  ±  38,88  e.  B=  4",  1 9  ±  2,56  e. 

Ein  sehr  grofses  prachtvolles  Meteor,  welches  mit  strah- 
lendem grünem  Lichte  den  Himmel  erhellte  und  lautlos  zer- 
platzte. Schweiffigur  kaum  kenntlich.  Zeitdauer  zwischen 
2"  und  3". 

2.  1849.   Juli  28.    No.  3291. 

Bonn  ll' 12' 19"  A.=267''30'+28n2'     E.=255'>+16«30 
Aach.  A.=296       +18  E.=284  +14 

4=200"  51',4  /'=  — 5»22'  f=  — 2«4' 
«=68»  16,0  p=60'>35',0  r=  9,67  Meil. 
«'=54»  59,0  p'=71  37',0  r'=  15,26  „ 
ff  =54»  5,0  ;r  =  71  44,4  (>  =10,90  „ 
o'=82  43,5  :;i'=76  12,6  p'  =  12,54  „ 
jff=9"',20db2,61  8.  ir=10"',00±  1,24  «. 

Meteor  der  ersten  Gröfse,  geschweift,  gelb.  Dauer 
=  0",5. 

3.  1849.   Juli  28.   No.  3293. 

Bonn  ll''23'45'  A.=237»30'+22°     E.=211»+24»30' 
Aach.  A.  =  254         +28      E.=222  +30 

il=203»43',6  /■=— 0»4'  f=— 2»59' 
«=38»  6',0  p=56»38',2  r=28-,97  Meil. 
»'=23  0,0  p'=17  7,9  r'=53  ,29  „ 
ff=54  11,5  ;r=56  51,1  p=22  ,15  „ 
ff'=32  24,9  ?r'=30  25,4  ()'=44,  50  „ 
JI=17»,28± 3,43  6.  ff'=24",60=i=12,62  6. 

Grünes  und  geschweiftes  Meteor  der  ersten  Gröfse. 
Dauer  =2". 


426 

4.  1849.   Aag.  11.   No.  3343. 

Bonn       9U0'47"  A.=r310»+17'    E.=300»  — l« 
Aachen  A.=318  +16    E.=317   —3 

4=191' 42',9  /^=+2»44'  f  =  — 0<'43' 
«  =  116°  58,3  p  =  75 »  7',6  r  =  60,04  Meil. 
»'=108  18,7  p'=90  11,7  1^=27,10  „ 
0=123  46,4  ;i=68  45,7  (>  =  65,05  „ 
a'=125  21,1  ;i'=91  50,3  (»'=31,56  „ 
ir=44-,5l  ±12,98  «.  ff'= 16-,56±2,30  s. 

Meteor  der  zweiten  Gröfse ,  weifs.     Dauer  :s  0",6. 

5.  1819.  Aug.  11.    No.  3362. 

Bonn     II' 3' 49"    A.  321<'  +  70"'     E.  302" +64° 
Aachen  A.  358  +  57       E.  312  +  42 

4=212°  31',6    /'=— 0°23'    /''  =  — 6»29' 
s=  93»  46',0    p  =  18"  58',3    r  =25,65  Meil. 
*'=  87    25,5    p'=26      1,6    »^=18,99     „ 
<r  =  114    13,0    ;i=19   47,3    ^=28,04     „ 
ff'=116   12,5    fl!'=39    45,0    p'=20,96    „ 
ff=24-,08db2,98  s.  H'=  I8-,48=*=1,22  «. 

Meteor  der  zweiten   Gröfse,  geschweift,  gelb.     Dauer 
=  tf ',75. 

6.  1819.    Aug.  20.    No.  3421. 

Bonn     9>'25'0''     A.=2I5°+52»30'    E.226°+40° 
Aachen  A.=245  +80  E.280  +62 

4  =  196°37',6    /■=+2°51'    /"=+l»31' 
«=52»11',3    p=14°    3,1     r=  19,50  Meil. 
»'=45   53,5    p'=31    32,8    r'=  15,31     „ 
<r=80   48,0    n=  1   33,3    (.  =  15,56    „ 
ff'=84    35,0    i»r'=27    55,9    (»'  =  11,86    „ 
H=z  13",99±0,93  6.  5*= 10-,90±0,60  «. 

Dritte  Gröfse,  weifs  und  geschweift,  mit  gekrümmter 
Bahn. 

7.  1849.   Sept.  27.   No.  3445. 

Bonn    8''48'0"    A.=251»+31°30'    E. =236° +30« 30* 
Aachen  A.=270  +44  E.=239  +44 

4=224°  48',4    f=+0°9'    /"=— 3°31' 


427 

»=38»   0',5  p=37»41',l  r=8,32  Meil. 

»'=29   51,0  p'=19  38,9  r'=6,42    „ 

(T=57   27,7  ;i=37    15,6  (>=6,01    „ 

c'=51    15,5  Ji'=31    13,4  e— MO    „ 

J?=5-,12±0,14  «.     £r'=3»,96dbO,31  «. 

Rotbgelbes  geschweiftes  Meteor  der  zweiten  Gröfse. 

8.     1849.   October  22.   No.  3463. 

Bonn    IOMO'24".  A.=235°  +  72»     E.=230»30'+64» 

Aachen  A.=175  +74      E.=187        +65 
ii=285°6',l     /■=+0°26'    f=+l°22' 

«=76°   3',0  p  =345«  51,7     r  =  51,76  Meil. 

*'=72    52,7  p'=338     2,6    r'= 36,46    „ 

<T=92    55,8  ;i=344    58,7     (»=50,31     „ 

<T,=91      3,4  «'=335   15,7     e'=34,86     „ 

H=  30»,94  ±  6,43  «.    H'=l  7-36  ±  2,28  e. 

Meteor  der  dritten  Gröfse,  weifs.    Dauer  ^1". 

9.  1849.    Nov.  11.   No.  3555. 

Bonn    7'"  9' 7»  A.  345° +  49"  E. =310° +30° 

Aachen  A.  29+34  E.=     0+28 

4=246°  l',6    /'=+0°5'  f=  — 0"21' 

»=  93°54',0  p  =40»  30,4  r =13,02  Meil. 

s'=  66    16,6  p'=58    12,7  r'  =  13,03    „ 

ff  =  129   28,4  n=iO   18,9  (»=16,80    „ 

ff'=109    41,3  n'=58   58,3  (»'  =  12,76    „ 

H=  12-,99  ±  1,33  e.  if'  =  1 1-,27 + 0,83  «. 

Schönes  grünes  Meteor  der  ersten  Gröfse,  schweiflos, 
wellenförmig  geschlängelt. 

10.  1849.   Nov.  11.    No.  3558. 

Bonn    7'' 44' 28"    A.  =  73°+57»  E.=101»+62°30' 

Aachen  A.=71   +31  E.=  86  +44 

il=253°13',9    /^=-l°7'  f=  — 0°25' 

»  =  120°  24,4    p=     0°    8,8  r=  12,25  Meil. 

»'  =  111   35,6    p'=346  37,4  1^=54,12    „ 


428  •  • 

<y=146    20,3    !T=     3   27,3    (>=19,13  Meil. 
ff' =132      1,1     ;r'=347    38,7     (»'=58,29    „ 
W=8'",86db  1,49  6.      fl'=28'",64dbl9™,38«. 
Zweiter  Gröfse ,  gelb  und  geschweift.    Dauer  :=  1". 

11.  1849.     Nov.  11.     No.  3556. 

Bonn     7'' 23' 36"     A.  274" +  32°     E.  263» +26" 
Aachen  A,  344  +61       E.274   +35 

.1=248'' 0,1     [=^+3"  5'    /•'=— 0"54' 
s  =38°  14',3    p  =36«  54',9     r  =  26,48  Meil. 
s'=27   29,1    p'=:30    16,1     r'=  7,64    „ 
ff  =99   37,9     ;i=28    49,7     p  =19,76     „ 
ff'=40    24,3     ;r'=33    38,3     ()'=  4,52     „ 
ff=l9'",44±26,60  s.         JI'=3°',01d=0,30  6. 
■  Meteor  der  vierten  Gröfse,  weifs.     Dauer  =rl". 

12.  1849.     Nov.  12.    No.  3596. 

Bonn     6'' 52' 24"     A.  175° +  49°     £.=183° +  45° 
Aachen  A.  146  +53      E.  =  161   +43 

A=241°9',9     /•=— 1°3'    /^'=+3°44' 
«  =  72°35',7    p=321»    1,8    r  =184,5  Meil. 
s'=66      8,0    p'=318   56,0    r'=  44,1     „ 
ff  =  91      1,8    ;i=323    10,1     (>= 181,8    „ 
ff' =  72    30,0    ?i'=310   55,3     q'=   41,1     „ 
ir=53'",69±96"',00  s.      ff'=7°',84±3,15  «. 
Meteor  der  zweiten  Gröfse,  gelb. 

13.  1849.    Nov.  12.    No^3600. 

Bonn     7"' 24' 44"     A.=200°  +  50°     E.=212°30'+36» 
Aachen  A.  =  183°  +  55°     E.=210        +32° 

4=249°  16,4    /^=  — 0"3'    /"=+2°14' 
«=63°    l',l     gf  =326°  52,1     r  =  13,82  Meil. 
a'=47    37,3    p'^319     2,3    r'=  8,46    „ 
ff =74    28,2    «=326   58,7     (»  =  12,80    „ 
ff'=47     9,9    «'=312   56,9    (»'=  7,45    „ 
H=  3-,80±0,46  6.  ff = l-,06 ±0,05  e. 

Rothgelb,  geschweift.    Dauer =1",5.     Dasselbe  Meteor 
wurde  auch  in  Eschweiler  beobachtet. 


429 

Verbindet  man  die  dort  erhaltenen  Positionen  mit  der 
Bonner  Beobachtung,  so  erhält  man: 

/•=_0Mr.       f=+ri'. 

H=  2",57  ±  0,26  «.  H' = 0-,83  ±  0,03  «. 

14.  1849.     Nov.  12.    No.  3610. 

Bonn     9'' 3' 20"    A.= 266«  30' -4- 37 »30'    £.=270»  4-30° 
Aachen  A.=245         +67  E.=267   +47 

4=273°  59,5     ^=+0»34'    /"=  — 0°7' 
s  =35°  34',6    p  =349»  45',5     r  =25,61  Meli. 
»'=27    39,9    p'=352    32,4     r'  =  18,68     „ 
«y=67    28,6    ;i=348    10,1     ß  =  18,57     „ 
ff'=42   27,7     jt'=352   56,2     p'=ll,01     „ 
ff  =  9",90  ±  3,86  6.  H'  =  6",06  =b  1 ,38  «. 

Meteor  der  fünften  Gröfse;  nebelartig. 

15.  1849.     Nov.  12.     No.  3629. 

Bonn     ll''43'4"    A.  =  283»  +  51°30'   E.=267»  +  48»  18' 
Aachen  A.=258  +70  E.=247»  +  47 

A=314»l',9    /"=  — 2°40'    /"=+3»20' 
s=55»21',8    iJ=337»    2',6    r  =  12,44  Meil. 
s'=60   53,1     p'=326     8,0    r'=  13,09     „ 
«r  =  76    30,0    JT=.343     2,2     (»=1058     „ 
ff'=72    36,1     n'=3lS   51,0     (»'=11,93     „ 
ir=4"',82±0,18€.  £r'=3-,39d=0,l5«. 

Zweiler  Gröfse,  rotbgelb,  geschweift.     Dauer  =  1"5. 

16.  1849.     Nov.  12.     No.  3635. 

Bonn     ll*59'57"     A.  =  314°+28»     E.=316»  +  19" 
Aachen  Ä.  =  309    +33      E.=306  +20 

il=318°10',9     f=+r  29'    /•'=+4°7'~ 
«=25»  43,0    p  =351»  27,8    r =5,13  Meil. 
»'=16   32,7    p'=352    43,9     r'=6,ll     „ 
0=31    35,9     jr  =  345    12,0    (.  =  5,60    „ 
o'=21      2,4     5i'=326    28,2     (»'=4,27     „ 
fl=l",49±0,64  6.       JEr=l'",l9±0,45«. 

Meteor  der  vierten  Gröfse,  gelb  und  geschweift. 


430 

17.  1849.    Nov.  12.    No.  3636. 

Bonn     12''7'39"    A.  =290° +53»  E.  =  297»  30'+46» 

Aachen  A.=232  +73  E.  =  296        +53 

^=320°  il'.O    fz=—l''5&    f=— 1"22'. 

*  =56°  13,8    p=338°39',3  r=2,38  Meil. 

«'=47    42,7    p'=338   46,2  r'=2,60    „ 

ff  =  86    41,0     n=342   59,5  (>=8,67     „ 

^=54    13,0    Ji'=342    18,6  (»'=8,24     „ 

ir=0-,97±3,14e.         JI'=0"',94db3,13  s. 

Meteor  der  dritten  Gröfse,  vreifs,  geschweift. 

18.  1849.    Nov.  13.    No.  3665. 

Bonn     9''23'19"     A.=257°+64»     E.=250°+61° 
Aachen  A.=179   +78      E.=182  +69 

il=279°59',2    /■=+0»22'     /"=+2°20' 
s  =63°  38',8    p  =348"  59',3    r  =22,37  Meil. 
»'=62    40,3    p'  =  344    10,4     r'=22,16     „ 
a—9n  35,8    !T=348    13,3     p  =20,04     „ 
ff'=91    56,2    51=339    12,7     (»'=19,69     „ 

jff=  12-,97±  1,03  «.        £r'=ll'»,45db0,82  e. 

Vierter  Gröfse,  weifs. 

19.  1849.    Nov.  19.    No.  3684. 

Bonn     7'' 29' 44"    A.=215"+61°42'   E.=224°42'+59° 
Aachen  A.=  112  +61  E.  =  130        +63 

A=257°25',4    /■=— 1°28'    /"=  +  l°33' 
»5=   67°    4,6    p=339°41',0     r =78,19  Meil. 
«'=  61    51,2    p'=341    35,8    r'= 58,70    „ 
ff=lll      3,0    51=342    51,0    ß=74,94    „ 
<t'=103    36,7     ;r'=338    13,4     (»'=54,77     „ 

ff=39'»,02 ±29,15  «.       ff '=29'»,09±  15,82  e. 

Ich  gewahrte  diese  aufserordentlich  glanzvolle  Erschei- 
nung erst,  als  ich  nach  einer  fast  entgegengesetzten  Stelle 
des  Himmels  blickend,  durch  die  magisch  grüne  Erleuch- 
tung des  Himmels,  und  des  im  Süden  von  der  Sternwarte 
hinziehenden  Gebirgszuges,  aufmerksam  gemacht  wurde.  Als 
ich  das  Meteor  erblickte,  war  es  gerade  am  Erlöschen,  und 


431 

liefs  dunkelrotbe  Fragmente  fahren.  Aber  die  leuchtende, 
weifse,  völlig  gerade  Schweiflinie ,  welche  erst  nach  13" 
erlosch,  gab  genaa  den  durchlaufenen  Weg  an.  Dieser 
Schweif,  dessen  Glanz  anfangs  dem  der  Sterne  zweiter 
Gröfse  glich,  hatte  an  seinem  Ende  mindestens  5'  im  schein- 
baren Durchmesser,  was  auf  einen  wahren  von  1950  par. 
Fufs  führt.  Mit  mir  beobachtete  das  Meteor  Hr.  Stud.  Thor- 
mann  aus  Bern,  der,  indem  er  seine  eigene  Beobachtung 
mit  der  von  H eis  in  Aachen  angestellten  verband,  folgende 
Resultate  berechnete. 

Beobachtungen  von  Thormann  Nov.  19. 

Bonn     1^29' U"    A.  216"  +  61M2'     E.  222"30'+58" 
Beobachtungen  von  Heis  Nov.  19. 

Aachen  A.  112° +61°  E.  130°      +63" 

il=257°25',4     f=z-lU&    /"  =  — 1°44' 
«=66°  44,0    p=340°    2*,!     r  =  130,4  Meil. 
s'=  61    48,4    p'=339    26,4     r'=   50,5     „ 
(T  =  lll      2,9     7t  =  3i2    51,2     e  =126,1     „ 
<y'=103    36,4     ;r'=335    42,0     q=  46,7     „ 
JI=68'",17±  180,5  e.  jy'  =  23"',75±22,6  6. 

Die  Dauer  der  Erscheinung  wurde  von  uns  beiden  auf 
1",5  höchstens  auf  2"  geschätzt.  Man  sieht  aus  beiden 
Rechnungen,  wie  ungünstig  für  die  Ermittlung  der  Entfer- 
nungen, die  Bewegung  des  Meteors  gegen  unsere  Standlinie 
gerichtet  war. 

Eine  nähere  Betrachtung  der  Quantitäten  f  und  f  so 
wie  der  Positionswiukel  wird  darthun,  in  wie  weit  Beob- 
achtungen, die  an  zwei,  nahe  10  Meilen  von  einander  ent- 
fernten Orten  angestellt  wurden,  die  Bedingung  der  Gleich- 
zeitigkeit erfüllen. 

Es  zeigt  sich,  dafs  f  vorkommt  *):  zwisch.  0°  u.  1° ....  14 Mal 

12  9' 


99 
» 
99 


li        99     ^      ....       \J      „ 

«j     „    4    ....    4    „ 

99  ^        »      "^       ••••       ^       «' 


t>    „    7    ....    1    „ 


1 )  Vergleiche    die    ZusaimnenstelluDg    der  f  nach    den    Rechnungen    von 
Feldt  in  der  Abhnndhmg  von  Bessel,  Astr.  Nachr.  ^o.  380. 


432 

Da  man  die  Höhen  jedesmal  aas  2  Dreieckoi  bestiiii- 
men  kann,  so  mfissen  die  H  nnd  ff^  H^  and  H^'  am  so 
besser  zusammen  stimmen,  je  kleiner  f  ist.  Eis  kommen 
Beobachtansen  ror,  die  durch  solche  Deber»nstimmaiig 
hinlSnglicfa  beweisen,  welcher  Genauigkeit  diese  Bestini- 
mangen  fiihig  sind,  wenn  sie  mit  gehöriger  Umsicht  und 
s^r  genauer  Bekanntschaft  mit  den  X>estimen  angestellt 
werden.  Ich  werde  darüber  die  folgenden  Beispiele  an- 
führen  ' }. 

H^  und  f  /  aus  Qjq\  Sifs/. 

25-.S8  4-,19 
17  /28 

4S  ,02  16  ,00 

24  ,17  IS  ,80 

13  ,13  11  ,59 
30  ^ 

13  ,07  11  ,^1 
12  J8 

41  .21  27  ,25 

Es  ist  aiiOallend.  sowohl  nach  diesen  Rechnungen  ak 
nadh  denen  itoq  Brandes.  da£$  gerade  oft  die  glänzend- 
sten and  ^ro&arti^ten  Erscheinungen  in  Höhen  stattfinden, 
wo  man  die  Atmo;>phäre  der  Erde  ab  fast  Terschwindenl 
ansehen  mufs^  während  Meteore  tqq  mattem  Glänze,  Steraeii 
der  vierten  bis  seefasten  Grötse  ähnlich,  sich  auf  ein  bis 
zwei  Meilen  der  Erdoberflache  nähern.  DieCs  werden 
spätere  und  zahlreichere  Beobachtungen  noch  besser  her- 
ausstellen, und  dann  eriunem  kOonen,  daC?  mözlicherwcise 
die  Atmosphäre  es  nicht  ser.  welche  das  Leuchten  (Globen) 
der  Meteore  bedingt,  wie  man  Torwiegend  oft  nnd  lang^ 
an^enonuuen  hat.     Es  wäre   zewiCs  ^oa  Interesse,   frühere 

^Iju  die  Emxbuhc  ^OLwr  als  «ile  \jifan^>^io2i«:  f^t.  £3  gicnü^l  aber, 
B«r<>iKfecii.cun^«fiiL«r  vua  1*  und  wea.'^r  oa^unciiown .  not  ila»  Sluiftf 
«fcer  Eaba  ia  eia  ^akea   su   ««rwanticLn»     (Tci^L  iie  AhlnmilMH  «•■ 


E  and  B  ans  r. 

r,  5.  3'. 

No.  -2573  26-^25 

4-.65 

3293.  IT  /24 

3343.  44  ^1 

16  .56 

3362.  24  .OS 

IS  ,4S 

3421.  13  i» 

10  SO 

34d3.  30  jn 

3555.  12  M 

U  .27 

36Ö5.  12  Sl 

3tiS4.  .39  .02 

■29  ,09 

433 

bedentende  Erscheinungen,  zumal  solche,  welche  mit  De- 
tonationen begleitet  waren,  und  Stein-  oder  Eisenmassen 
fallen  liefsen,  jetzt  noch  einer  scharfen  Prüfung  nach  B es- 
se i's  Methode  zu  unterwerfen,  so  weit  das  etwaige  De- 
tail solcher  Beobachtungen  es  zulassen  sollte.  Die  Angaben 
über  Höhen,  Geschwindigkeiten  und  Gröfsen  der  Meteore 
sind  bekanntlich  sehr  oft  höchst  schwankend,  und  es  ist 
wichtig,  die  ungefähren  Gränzen  kennen,  zu  lernen,  inner- 
halb welcher  das  Resultat  unsicher  sejn  kann.  So  habe 
ich  beiläufig  das  grofse  Meteor  von  27.  Aug.  1847  berech- 
net, welches  in  Paris  und  Dieppe  beobachtet  wurde,  und  wor- 
über Hr.  Petit  mehrfache  Untersuchungen  angestellt  hat, 
bis  er  zuletzt  eine  Hjperbel  fand.  Er  berechnete  die  Stö- 
rungen der  Erde,  und  glaubte  nun  gefunden  zu  haben,  dafs 
das  Meteor  aus  der  Region  der  Fixsterne  in  unser  System 
gekommen  sey.  Wenn  aber  das  in  dem  Comp,  Rend.  und 
in  den  Astr.  Nachr.  No.  701  mitgetheilte  Detail  der  Beob- 
achtungen wirklich  richtig,  und  nicht  Tielleicht  zufällig  durch 
Schreib-  und  Druckfehler  entstellt  ist,  so  zeigt  sich,  dafs 
die /'und  f  die  enorme  Gröfse  von  18^  und  19^  erreichen. 
Man  sieht  darnach  leicht,  welcher  Spielraum  für  die  weite- 
ren Schlüsse  übrig  bleiben  mufs. 

Fast  bei  jeder  Beobachtung  habe  ich  mich  bemüht,  so 
genau  wie  möglich  die  Zeitdauer  der  Erscheinung  (gewöhn- 
lich nach  Drittel -Sekunden)  zu  bestimmen.  Jeder,  der 
hiermit  sich  beschäftigt  hat,  wird  die  ungemeine  Schwierig- 
keit solcher  Schätzungen  kennen.  Wenn  mau  den  Einflufs 
der  Aenderungen  von  r  und  r',  welche  durch  einen  Beob- 
achtungsfehler e  entstehen  können,  d.  h.  den  Einflufs  von 
dr  und  dr'  auf  die  Bahnlänge  untersucht,  so  wird  man  in 
den  meisten  Fällen  sich  überzeugen,  wie  unsicher,  ganz, 
abgesehen  von  dem  Fehler  in  der  Schätzung  der  Zeitdauer, 
die  allerdings  oft  mehr  als  planetarischen  Geschwindigkei- 
ten sich  herausstellen. 

Es  hat  mir  stets  geschienen,  dafs  aufser  den  gemein- 
schaftlichen Untersuchungen,  welche  in  Bücksicht  auf  die 
Entfernungen  der  Meteore  an  verschiedenen  Orten  ange- 

Poggendorffs  Annal.  Bd.  LXXX.  28 


434 

stellt  werden  mfissen,  dem  Einzelnen,  der  sieb  aus  Lieb- 
haberei mit  astronomischen  Arbeiten  beschäftigt,  noch  Vie- 
les zu  beobachten  übrig  bleibe.  Ich  meine  die  besonderen 
Eigenthfimlichkeiten  der  Meteore,  die  sich  in  der  Farbe, 
in  dem  Glänze  und  dessen  Modificationen,  in  der  Schweif- 
bildung, so  wie  in  der  oft  anomalen  Bewegung  kund  ge- 
ben. Zerstreute  Beobachtungen  der  Art  sind  hier  und  da 
vorhanden.  Wenn  man  aber  dahin  strebt,  ein  grofses  Phä- 
nomen der  Natur,  so  weit  es  erreichbar  ist,  in  seinem  gan- 
zen Umfange  zu  erkennen,  so  kann  es  nicht  genügend  er- 
scheinen, eine  gelegentliche  Notiz  über  Farben  und  Schweif- 
erscheinuugen  als  Stütze  zu  bedeutenden  Schlufsfolgernn- 
gen  zu  benutzen.  Will  man  die  Ursachen  und  nähere 
Bedingungen  kennen,  unter  denen  das  Leuchten  oder  Ver- 
brennen der  Meteore  vor  sich  geht,  so  scheint  es  nöthig, 
nicht  ganz  allein  bei  der  Betrachtung  heruntergefallener  Stein- 
oder Eisenmassen  stehen  zu  bleiben,  oder  nur  die,  in  der 
Regel  wenig  sicheren  Höhenangaben  mit  der  gegenwärtig 
bekannten  Ausdehnung  der  Atmosphäre  zu  vergleichen.  Die 
Farben  und  Lichterscheinungen  (Intensitäten),  zusammenge- 
stellt mit  den  Entfernungen,  die  Schweifphänomene  vergli- 
chen mit  dem  Glänze  und  der  Farbe  der  Meteore,  kurz, 
die  möglichst  vielseitige  Combination  so  mannigfaltiger  Ei- 
genthümlichkeiten,  wird  in  der  Folge  gewifs  noch  mehr 
Mittel  darbieten  können,  das  Problem  von  den  Meteoren 
in  seiner  ganzen  kosmischen  Bedeutsamkeit  aufzufassen. 

Was  ich  selbst  im  Laufe  von  fast  9  Jahren  in  ähnlicher 
Rücksicht  beobachtete,  habe  ich  im  Laufe  des  letzten  Win- 
ters zusammengestellt,  um  eine  Einsicht  in  die  etwaigen  Er- 
gebnisse zu  erlangen,  welche  37CH)  sorgfältig  angestellte 
Beobachtungen  zu  versprechen  schienen.  Die  Aussicht,  in 
der  Folge  weniger  Zeit  und  Gelegenheit  für  derartige  Un- 
tersuchungen zu  finden,  machte  es  mir  wünschenswerth, 
Einiges  jetzt  schon  mitzutheilen.  Was  aufserdem  sich  über 
die  Farben  und  Schweifphänomene,  über  Convergenzpunkte, 
Höhen  und  Geschwindigkeiten,  über  Verwendung  der  Me- 
teorbeobachtungen zur  Ermittelung  von  Meridiandifferenzen, 


435 

Ober  iekskopische  Sternschnuppen,  die  ich  in  grofser  Ati- 
sahl  bei  anderen  Beobachtungen  gesehen  habe,  ect.  heraus- 
gestellt hat,  hoffe  ich  bekannt  machen  zu  können,  wenn 
sich  mir  für  die  völlige  Durchführung  meiner  Arbeit  Ton 
gröfserem  Umfange  eine  günstige  Veranlassung  darbieten 
sollte.  — 


XIII.    Per  besserte  Darstellungsweise  der  Fumarsäure ; 

pon  W.  Delffs. 

JLIas  Verfahren,  welches  von  den  meisten  chemischen  Hand- 
büchern vorgeschrieben  wird,  um  die  Fumarsäure  aus  dem 
Kraut  der  Fumaria  offidnalis  darzustellen,  rührt  von  De- 
marcay  ')  her,  und  stimmt  bis  auf  einige  Vereinfachun- 
gen mit  dem  ursprünglichen  Verfahren  von  Win  ekler'), 
der  bekanntlich  diese  Säure  zuerst  aus  der  Fumaria  gewon- 
nen hat,  überein.  Beide  Chemiker  fällen  nämlich  den  aus- 
geprefsten  und  geklärten  Saft  des  Krautes  (Win ekler, 
nachdem  er  unnöthigerweise  den  mit  der  Fumarsäure  ver- 
bundenen Kalk  durch  oxalsaures  Kali  entfernt  bat),  mit 
essigsaurem  Bleioxjd,  zerlegen  den  ausgewaschenen  Nieder- 
schlag durch  Schwefelwasserstoff,  und  beschaffen  die  Reini- 
gung der  abgeschiedenen  Säure  durch  Thierkohle  u.  s.  w. 

Man  sieht,  dafs  diefs  Verfahren  das  gewöhnliche  ist, 
dessen  man  sich  zur  Aufsuchung  neuer  Säuren  zu  J)edie- 
nen  pflegt.  Die  leichte  Ausführbarkeit  desselben  beruht 
indessen  auf  den  beiden  Voraussetzungen,  dafs  das  Bleisalz 
der  darzustellenden  Säure  unlöslich,  und  dafs  die  Säure 
selbst  löslich  in  Wasser  sey.  Vom  practischen  Gesichts- 
punkt aus  betrachtet,  erfüllt  nun  die  Furmarsäure  nur  die 
erste  dieser  Bedingungen,  denn  da  dieselbe  reichlich  200 

1)  Ann,  de  chim.  et  de  phys.  LVL  429. 

2)  Bachner's  ReperU  XXXIX.  374. 

28» 


4?^ 


hJü^m  ^^Ji!  t^j  t  XH  Am-  IjfcvK  >iHliif.  ^«€rdc  maö 
rate  Uwm  F«mr»«r^  ia  BlcHalz  «nfefihr  13  Pfand 
^Vasscr  9(aranr<>Bd«Q  kalK«.  Die  fee^fis  dnos  erwachsen- 
4cB  UefccIsliBde:  Besratnar  $<kr  ^ofswoöser  Gefalse  und 
tm  hiwieii£€g  Abd^rpfacs^e^^lAft .  kaben  sewifs  man- 
ckea  CbesEÜer  <S^  Dij?!^!!^:^^  £e?«T  dunA  ihre  dicmisciien 
TerliältDir^e  aa5^*x«cLse**si  Sinre  ^rHesdef.  Andi  lassen 
ädi  <fie<e  Uebel^ticd?  AjA  Aü^n^donf  ^on  betfsem  "Was- 
ser  nidit  be^ti£e!:!.  kA^*  s^ene  Unbetpemlidikeiten  her- 
bciznfcliren.  Z^^tr  ist  dif  FuBzrsaiire  in  Äderndem  Wsts- 
ser  zienlich  l^icLt  l^tflkk.  md  e«  fieue  «ich  dardi  Anwen- 
dan£  de<5elbefi  die  obice  Waesefvense  bedeatend  Teringern; 
allein  abfesdies  da^on.  dau  »!^lanw  S^  Zerlesuns  des  Blei- 
sähe«  darch  Schwefelwasserstoff,  w^lci^c  man  sonst  unter 
freien  HiBinel  äcb  seihet  obeiiassen  kann,  die  Anfimcrk- 
samkeit  de«  Laboranten  wahrend  der  eanzen  Daaer  des 
Tcrsochs  in  Anspmcb  nimat.  —  lafst  «ich  diese  Operation 
wesen  des  starken  Aa&to(5eiis  der  Flnssiskeit  nur  dann 
ausfuhren,  wenn  man  die  letztere  fortwährend  umrührt 
UeberdieCs  habe  ich  mich  nberzeo£t.  daf?  es  sehr  schwer 
hält,  das  fnmarsaure  Bleioxjd  durch  Schwefelwasserstoff 
so  ToUständii:  zu  zersetzen,  dafs  man  keinen  erbeblichen 
Verlust  erleidet 

Es  ist  daher  ^iel  zweckmafsiser,  die  Anwendung  des 
Schwefelwasserstofis  zor  Zersetzung  des  fnmarsaoren  Blei- 
oxjdes  ^nz  zu  umgehen,  und  anstatt  dessen  die  nachfol- 
gende 3Ietliode  zu  benutzen,  wobei  nicht  allein  die  ange- 
fahrten Schwierigkeiten  wegfallen,  sondern  auch  der  Vorthefl 
erreicht  wird,  daCs  die  Säure  gleich  bei  der  ersten  Abschei- 
düng  reiner,  als  nach  anderen  Darstellungsweisen ,  ausfallt 
Es  beruht  diese  Methode  auf  dem  Umstand,  dafe  die  Fn- 
marsaure Ton  concentrirter  Salpetersäure,  selbst  in  der  Hitze^ 
nicht  angegriffen  wird. 

Ulan  verfahrt  im  Anfang,  wie  Winkler  und  Demar- 
f  nj  Torschreiben.  Das  frische  Kraut  wird  unter  Zusatz 
▼on  etwas  Wasser  zerstolsen  und  ausgeprefst.  Die  tröbc, 
grfingef^bte  FlQssigkeit  wird  bis  zum  Sieden  erhitzt,  wo- 


437 

bei  sich  ein  Gerinnsel  von  Eiweifs  und  Chlorophyll  abschei- 
det. Nach  Entfernung  desselben  zeigt  die  Flüssigkeit  eine 
hellere,  mehr  in's  Gelbliche  spielende  Färbung,  welche 
nicht  weiter  durch  Thierkohle,  wie  Demar^aj  vorschreibt, 
beseitigt  zu  werden  braucht.  Dagegen  ist  es  nicht  uuzweck- 
mäfsig,  die  Flüssigkeit  ein  paar  Stunden  der  Ruhe  zu  über- 
lassen, wobei  sich  ein  gelblicher  Bodensatz  abscheidet;  von 
welchem  der  gröfste  Theil  der  Flüssigkeit  durch  Abgiefsen, 
der  Rest  durch  das  Filtrum  getrennt  werden  kann.  Mau 
schreitet  alsdann  zur  Fällung  mit  essigsaurem  Bleioxyd. 
(Um  diese  Operation  in  kürzester  Zeit  vollständig  und  zu- 
gleich unter  Vermeidung  eines  allzu  grofsen  Ueberschufses 
des  Fällungsmittels  auszuführen,  ist  es  hier,  wie  in  ähn- 
lichen Fällen,  zweckmäfsig,  die  zu  fällende  Flüssigkeit  in 
zwei  oder  mehrere  Cylinder  zu  vertheilen  und  die  Lösung 
des  essigsauren  Bleioxyds  (oder  sonstigen  Fällungsmittels) 
aus  einem  mit  Filter  versehenen  und  an  einem  Stativ  be- 
festigten Trichter  nahe  am  Rande  des  Cylinders  in  die  Flüs- 
sigkeit tropfen  zu  lassen.  Man  wird  dadurch  in  den  Stand 
gesetzt,  die  Bildung  des  Niederschlags  weit  länger  mit  dem 
Auge  zu  verfolgen,  als  wenn  das  Fällungsmittel  mit  einem- 
mal in  gröfserer  Menge  hinzugesetzt  wird,  wobei  sich  in 
der  Regel  die  ganze  Flüssigkeit  trübt,  und  alsdann  so  lange 
mit  dem  neuen  Zusatz  gewartet  werden  mufs,  bis  sich  die 
Flüssigkeit  wieder  geklärt  hat.  Haben  die  sich  bildenden 
Niederschläge  keine  allzu  voluminöse  Beschaffenheit,  so  läfst 
sich  die  Fällung  gewöhnlich  ohne  Unterbrechung  beendigen; 
im  entgegengesetzten  Fall  hat  der  erste  Cylinder  Zeit  sich 
zu  klären,  während  man  den  zweiten  in  Arbeit  nimmt  u.  s.  w.) 
Das  entstandene  fumarsaure  Bleioxyd  ist  gelblichgrün  gefärbt 
und  anfangs  ziemlich  voluminös,  sinkt  aber  später  etwas 
zusammen.  Man  thut  daher  gut,  diesen  Zeitpunkt  abzuwar- 
.ten,  ehe  man  sich  au's  Auswaschen  macht.  Letzteres  kann 
abgebrochen  werden,  wenn  die  ablaufende  Flüssigkeit  nur 
noch  wenig  gefärbt  ist.  Nachdem  das  auf  Fliefspapier  aus- 
gebreitete fumarsaure  Bleioxyd  lufttrocken  geworden  ist, 
wird  es  zerrieben  und  in  einer  geräumigen  Schale  in  klei- 


438 

nen  Antheilen  mit  concentrirter  Salpetersäure  ^)  fibergossen, 
bis  das  mit  dem  Spatel  durchgearbeitete  Gemenge  in  einem 
dicken  bellstrohgelben  Brei  verwandelt  ist.  Eis  findet  hier- 
bei eine  ziemlich  starke  Erhitzung  statt,  und  das  Volumen 
des  Gemenges  schwillt  ungefähr  auf  den  doppelten  Raum, 
welchen  es  nach  dem  Erkalten  einnimmt,  an;  gleichwohl 
entbinden  sich  wenig  salpetersaure  Dämpfe.  Nach  Verlauf 
von  24  Stunden  rührt  man  das  Gemenge  von  salpetersau- 
rem Bleioxjd  und  freier  Fumarsäure  mit  so  viel  Wasser 
an,  als  erforderlich  ist,  um  die  fiberschüssige  Salpetersäure 
abfiltriren  zu  können,  wäscht  einigemal  mit  Wasser  aus^ 
läfst  gut  abtropfen,  und  zieht  die  Fumarsäure  mit  kochen- 
dem Weingeist  von  gewöhnlicher  Stärke,  worin  sie  sich 
am  besten  löst,  aus.  Der  Rückstand  von  der  weingeistigen 
Lösung,  welchem  etwas  salpetersaures  Bleioxjd  beigemengt 
ist,  wird  in  Ammoniak  gelöst.  Letzteres  nimmt  neben  der 
Fumarsäure  immer  Spuren  von  Bleioxjd,  und,  wenn  man 
sich  des  gewöhnlichen,  im  Handel  vorkommenden  Bleizuckers 
zur  Fällung  bedient  hatte,  auch  immer  etwas  Kupferoxyd 
auf,  welche,  nachdem  das  überschüssige  Ammoniak  durch 
Erhitzen  verjagt  ist,  durch  Schwefelwasserstoff  entfernt  wer- 
den. Die  gefällten  Schwefelmetalle  tragen  auffallend  zur 
Entflirbung  der  Flüssigkeit  bei,  so  dafs  das  Filtrat  beim 
freiwilligen  Verdunsten  gewönlich  schon  ziemlich  farblose 
Krystalle  von  doppeltfumarsaurem  Ammoniak  absetzt.  Nur 
in  dem  Fall,  dafs  die  Krystalle  stärker  gefärbt  erscheinen, 
ist  es  erforderlich,  dieselben  durch  Auspressen  zwischen 
Fliefspapier  und  Umkrystallisiren  zu  reinigen;  gewöhnlich 
reicht  es  hin,  die  wenig  gefärbten  Krystalle  in  heifsem 
Wasser  zu  lösen,  und  einen  geringen  Uebersdiufs  von 
Salpetersäure  hinzuzufügen,  um  den  Rest  der  färbenden 
Materie  zu  zerstören,  und  beim  Ekalten  der  Flüssigkeit 
farblose  Krystalle  von  Fumarsäure  zu  erhalten.  Die  voll-, 
ständige  Abscheidung  der  Fumarsäure    erfordert    indessen 

1)  Ich  bediente  mich  anfangs  einer  Saure  von  1,45  spec.  Gew.,  fand  aber 
spSier,  dafs  man  mit  einer  Säure  von  gewohnlicher  Stärke  ebenso  gut 
•einen  Zweck  erreicht. 


439 

längere  Zeit,  als  man  bei  der  Schweriöslichkeit  derselben 
erwarten  sollte,  und  erfordert  einen  Zeitraum  von  mehreren 
Tagen. 

Ungeachtet  die  mittgetheilte  Darstellungsweise  der  Fu* 
marsäure  in  der  Beschreibung  weitläufiger,  als  die  im  Ein- 
gang berührte,  aussieht,  indem  sie  eine  gröfsere  Anzahl 
von  Operationen  einschliefst:  so  führt  dieselbe  doch  weit 
rascher  und  bequemer  zum  Ziele,  und  gewährt,  was  be- 
sonders hervorzuheben  ist,  eine  reichliche  Ausbeute.  In 
dieser  letzteren  Beziehung  läfst  sie  auch  eine  später  von 
Winckler  bekannt  gemachte  Methode  ^ )  weit  hinter  sich 
zurück.  Wink  1er  erhielt  nämlich  aus  100  Pfund  frischem 
Kraut  gegen  2^  Unzen  reiner  Fumarsäure.  Ich  habe  da- 
gegen höchstens  20  Pfund  Kraut  in  Arbeit  genommen,  un- 
gefähr die  Hälfte  des  gewonnenen  fumarsauren  Bleioxjds 
bei  vorläufigen  Versuchen  verloren,  und  gleichwohl  über 
5  Drachmen  reiner  Fumarsäure  gewonnen.  Die  Ausbeute 
nach  meinem  Verfahren  ist  also  ungefähr  2^  mal  gröfser. 
Ohne  Zweifel  erklärt  sich  die  geringere  Ausbeute  Win  ek- 
ler's  zum  Theil  aus  dem  Umstand,  dafs  derselbe  Thier- 
kohle  zur  Entfärbung  der  Säure  anwandte,  ein  Verfahren, 
das  man,  wegen  der  dabei  statttfindenden  Verluste,  in  neue- 
rer Zeit  so  viel  wie  möglich  zu  umgehen  sucht. 

Schliefslich  mögen  hier  noch  ein  paar  Bemerkungen 
über  die  Krystallform  des  doppeltfumarsauren  Ammoniaks 
Raum  finden.  Ich  hegte  anfangs  die  Hoffnung,  die  geringe 
Anzahl  genauer  Angaben  über  die  Krjstallform  organischer 
Verbindungen  um  eine  vermehren  zu  können,  weil  ich  bei 
der  ersten  Darstellung  des  noch  unreinen  Ammoniaksalzes 
sehr  deutlich  ausgebildete  Krystalle  erhielt.  Leider  zeigte 
sich  beim  Messen  mit  dem  Keflexions- Goniometer,  dafs  die 
Flächen  trotz  ihres  Glanzes  nicht  eben  genug  waren,  um 
eine  genaue  Bestimmung  der  Winkel  zuzulassen.  Beim 
Umkrystallisiren  trat  der  auch  schon  in  anderen  Fällen 
beobachtete  Umstand  ein,  dafs  die  Deutlichkeit  der  Form 
mit  dem  Grad  der  Reinheit  der  Substanz  abnahm.    Gleich- 

1)  Buchner 's  ßepert.  LX^III,  39. 


440 

wohl  geht  Folgendes  mit  Sicherheit  aas  meinen  Beobach- 
tungen hervor.  Die  Krjstalle  des  doppeltfumarsauren  Am- 
moniaks gehören  zum  zwei-  und  eingliedrigen  oder  kliuo- 
rhombischen  System;  sie  bestehen  aus  vierseitigen  Prismen 
mit  Winkeln  von  ungefähr  70  und  110®,  und  schief  aaf- 
gesetzten  Endflächen,  welche  mit  den  scharfen  Seitenkan- 
ten Winkel  von  ungefähr  60  und  120°  bilden.  Die  Krj- 
stalle sind  sehr  deutlich  diesen  Endflächen  parallel  spalt- 
bar. Bei  einigen  Krystallen  waren  die  Endflächen  durch 
zwei,  auf  die  stumpfen  Seitenkanten  aufgesetzte  und  in  der 
Macrodiagonale  zusammenstofsende,  Flächen  verdrängt.  In 
trockner  Luft  werden  die  Krvstalle  matt;  in  verschlösse- 
nen  Gefilfsen  lassen  sie  sich  unverändert  aufbewahren. 


XIV.     Leichte  Darstellung  des  Helenin  s; 

con  FT.  Del/fs. 


Wenn  man  die  frische,  in  Scheiben  zerschnittene  Wur- 
zel von  Inula  Helenium  mit  Weingeist  von  80  Proc.  aas- 
kocht und  die  heifsfiltrirte  Lösung  mit  ihrem  drei  bis  vier- 
fachen Volumen  kalten  W^assers  vermischt,  so  eotstcht  eine 
schwache  Trübung,  und  nach  21  Stunden  finden  sich  in 
der  Flüssigkeit  blendend  weifse,  mehrere  Zoll  lange  Na- 
deln von  reinem  Helenin.  Die  ]\Iotterlauge  hält  so  we- 
nig Helenin  zurück,  dafs  es  kaum  der  MQhe  werth  ist, 
dieselbe  abzudampfen.  Der  Versuch  gelang  auch  mit  der 
getrockneten  Wurzel,  welche  ein  halbes  Jahr  lang  aufbe- 
wahrt worden  war;  jedoch  schien  mir  die  Ausbeute  etwas 
geringer.  Die  zu  diesen  Versuchen  benutzte  Wurzel  war 
gegen  Ende  Octobers  gesammelt  worden. 


441 


XV.     Analyse   €>erschiedener  Kohleneisensteine  aus 

der  Steinkohlenablagerung  an  der  Ruhr; 

von    Dr.    C.   Schnabel, 

Director  der  Realschule  in  Siegen. 


V  or  etwa  18  Jahren  wurde  auf  der  Steinkohleugrube 
„Friederika"  in  der  Nähe  der  Stadt  Bochum  ein  bisher 
dort  unbekanntes  Fossil ,  angeblich  von  schwarzer,  an  ein- 
'  zelnen  Stellen  brauner,  ins  Rothe  fibergehender  Farbe  ent- 
deckt. Die  Lagerstätte  desselben  befand  sich  zwischen 
Kohlensandstein  und  Schieferthon ;  sie  bildete  ein  beiläufig 
2  Fufs  mächtiges  Flötz,  ebenso  regelmäfsig  als  die  Stein- 
kohlenflötze  und  diesen  völlig  parallel.  Als  dieselbe  später 
noch  mehrmals  durchfahren  wurde,  veranlafste  die  Berg- 
behörde eine  vorläufige  Untersuchung  des  Minerals,  welche 
einen  nicht  unerheblichen  Eisengehalt  nachwies. 

Obgleich  nicht  sehr  weit  von  dieser  Steinkohleuzeche 
auf  einer  Nachbargrube  derselbe  Eisenstein  nochmals  und 
in  nicht  unbedeutender  Ausdehnung  bekannt  geworden  war, 
so  stand  doch  das  Vorkommen  desselben  im  Steinkohlen- 
gebirge an  der  Ruhr  seither  immer  noch  isolirt  und  erregte 
wenig  Aufmerksamkeit,  bis  im  Anfang  d.  J.  auf  der  Koh- 
lenzeche „Schürbank  und  Charlottenburg",  6  Stunden  von 
Bochum  entfernt,  ein  Flötz  von  24"  Mächtigkeit  aufgefun- 
den wurde,  welches  dem  äufseren  Ansehen  nach  dasselbe 
Mineral  enthielt.  Auf  den  Wunsch  des  Hrn.  Bergmeisters 
Herold  in  Bochum  unternahm  ich  nun  von  vier  der  als 
Eisenstein  angesprochenen  Fossilien  eine  vollständige  che- 
mische Analyse,  deren  Resultate  ich  nachstehend  mit  dem 
Bemerken  zu  veröffentlichen  mir  erlaube,  dafs  ausführliche 
Mittheilungen  darüber  in  der  „Zeitschrift  des  naturhistor. 
Vereins  für  Rheinland  und  Westphalen"  vorkommen  sollen. 
Die  in   diesen  Annalen  Jahrg.  1849  Bd.  76,   S.  113  — 119 


442 

mitfetbdlte  Analjse ')  wan  L.  Ch.  Hcf«  bctrifll  okoe  Zwei- 
fei ein  ähnlidic»  Vorfconrnnji«. 

Bei  der  qmmMaiirem  UntersudMios  zctgtca  die  Tcrschie- 
denen  Kohlenetsensteinc  folgendes  Verhalten: 

Sie  bilden  eine  scbwacbe,  dicksdiieferigeL  ziendidi  schwer 
polTeriftirbare  3Iasse:  einijce  Stficfce  zeigen  ScfawefeUJcs  in 
Krystallen  oder  in  dQnnen  Schichten  aoftgesondcrt.  Bmch 
ooeben.  Glanz  fehlt  oder  matt.  Der  Strich  ist  glänzend, 
das  Strichpolrer  donkelbraan  oder  fast  schwarz.  Die  Härte 
steht  bei  den  eisenreicheren  Varietäten  zwischen  3  and  4, 
bei  den  ärmeren  zwischen  1  and  2.  Das  specifische  Gewicht 
▼ariirt  zwischen  2fi  und  2,2. 

Das  Palirer  entwickelt  beim  Erhitzen  in  der  an  einer 
Seite  geschlossenen  Röhre  einen  schwachen,  an  das  Oelgas 
erinnernden,  Geroch  and  setzt  Wassertropfen  ab,  ohne 
dafs  sich  die  Farbe  desselben  Terändert;  es  geräth  dabei, 
wie  (ijrps  während  des  Brennens,  in  eine  wallende  Bewe- 
gung. Beim  GIfihen  unter  Luftzutritt  wird  dasselbe  roth- 
braun  oder,  bei  den  Manganreicheren  Varietäten,  violett, 
and  löst  sich  dann  durch  Behandlung  mit  Chlorwasserstoff- 
säure  bis  auf  einen  weilsen  Kieselruckstand.  Wird  das 
angeglfihte  Pulrer  mit  kaller  Chlorwasserstoffsäore  ober* 
gössen,  so  tritt  eine  langsame  Entwicklung  von  Kohlensäure 
ein,  welche  erst  nach  einigen  Tagen  aufhört,  durch  Wärme 
aber  sehr  beschlennigt  wird;  der  ungelöste  schwarze  Ruck- 
stand hinterläfst,  beim  Erhitzen  auf  Platinblech,  nach  dem 
Wegbrennen  der  Kohle  eiuen  weifsen  erdigen  Röckstand, 
der  aus  einem  Silikat  von  Thonerde,  Kalk,  Magnesia  and 
Eisenoxyd  besteht.    In  der  dunkelgelben  salzsauren  Auf- 

1)  Dieselbe  ist  mit  folgendeni  Fehler  behaftet:  Auf  Seite  116  wird  der 
GhlhrerlaU  bei  ofTenem  Tiegel  als  Kohle  berechnet,  aber  der  zur  Ver- 
wandlung des  Eisenoxyduls  in  Oxyd  nöthige  Sauerstoff  ist  nicht  in  Rech- 
nung genommen.  Die  von  Uefs  gefundenen  43,39  Proc.  FeO  ▼erlangen 
noch  4,82  Proc.  O  um  in  Fe^Oa  überzugehen;  daher  mufs  die  Kohle  um 
dieses  Gewicht  vermehrt  werden  und  beträgt  demnach  21,27-^-4,82  = 
26,09.  Hierdurch  wachst  aber  der  Procentgehalt  des  Minerals  auf  104,03 
mit  einem  Ueberschufs  von  4^03  Proc  ,  über  den  es  an  Auskunft  fehlt. 

S. 


443 

löSQDg  befinden  sich:  Elisen  ab  Oxydal  und  Oxyd,  sowie 
geringe  Mengen  von  Mangan»  Thonerde,  Kalk,  Magnesia 
und  Scbwefekäure.  Wasser  zieht  aus  dem  Erze  Spuren 
von  Schwefelsäure  (und  Chlor),  an  Kalk  gebunden,  aus. 
Phosphorsäure  und  Alkalien  liefsen  sich  nicht  nachweisen. 
Die  quantitative  Untersuchung  lieferte  folgende  Resul- 
tate: 


A.     Koh]enei8eo8teine  von  der  Grnbe  ^^Friederika^S   Mu~ 

thUDg  Schrötter. 

Erste  Sorte.    Spec.  Gew.  2,81 ;  Härte  zwischen  3  und  4. 

Eisenoxydul 48,24 

Eisenoxyd 1,30 

Manganoxydul 0,13 

Kalk 0,59 

Magnesia 1,20 

Thonerde 0,77 

Wasser •     .     .  0,92 

Kohlensäure 31,32 

Schwefelsäure 0,03 

Kohle 14,61 

Kieselriickstand 0,93 

TÖO,047 

Oder:   die  Basen  an  die  Säuren  vertheilt: 

Kohlensaures  Eisenoxydul 77,72 

.Eisenoxyd 1,30 

Kohlensaures  Manganoxydul 0,21 

Kalk 1,02 

Magnesia 2,51 

Schwefelsaurer  Kalk       0,05 

Thonerde 0,77 

Wasser 0,92 

Kohle .  14,61 

Kieselrückstand 0,93 

Tööjöi. 


9» 


444 

Zweite  Sorte,  Spec  Gew.  2,197.  Härte  zwisdien  1 
oDd  2.  Stricbpulver  scbwarzbraan,  nach  dem  Yerbrennen 
der  Kohle  von  eioer  dem  Pariserroth  ähniidien  Farbe. 

Eisenoxjdal      .     .     .     .     i 29,32 

Eisenoxyd 7,46 

Magnesia 2,10 

Kohlensäure 20,22 

Wasser 4,14 

Kohle       35,34 

KieselrQckstand 0,81 

Thonerde,  Manganoxydul,  Kalk  u.  Schwe- 
felsäure   Spuren 

99,39. 
Oder: 

Kohlensaures  Eisenoxydul 47,24 

Eisenoxyd r    .     .     .     .       7,46 

Kohlensaures  Magnesia 4,40 

Wasser 4,14 

Kohle 35,34 

Kieselrückstand 0,81 

AI2O3,  MnO,  CoO  und  SO3    ....     Spuren 

99,39. 

B.    Eohleneisensieine  vod  der  Grube  ^^Schurbank  and 

Charlottenbnrg^^ 

Erste  Sorte.  Spec.  Gew.  2,94.  Härte  zwischen  3  und  4. 
Das  schwarze  Pulver  brennt  sich  an  der  Luft  schwärzlich 
violett  und  wird  dann  theilweise  dem  Magnete  folgsam. 

Eisenoxvdul 43,41 

Eisenoxyd 7,77 

Manganoxydul 0,68 

Magnesia 1,75 

Kohlensäure 28,80 

Wasser 3,01 

Kohle 11,71 

Kieselrückstand 2,71 

Thonerde,  Kalk  und  Schwefelsäure      .     .     Spuren 

"99;69r" 


445 

•der: 

Kohlensaures  Eisenoxjdal  .    .    .  69^ 

Eisenosyd 7,77 

KobleDsatirCE  MaDganoijdnl    .     .  0,7S 

Kohleusaure  Magnesia     ....  3,67 

Wasser 3,01 

Kohle 11,76 

Kieselerde 1,92 

k-  G:rt     l  Tbonerde  +  Eisenoivd      .     .     .  0,52 

SlnnS      Magücsia 0,13 

AI'O,,  CaO,  SO, Spuren 

»»,69. 

Ztceite  Sorte.     Specifisches  Gewicht  2,33.  Härte   zwi- 
Jien  1  und  2. 

/  Eisenoxjdul 21,91 

•»sf  \^'^°"'-  '■  ■  ■■:::;:  w» 


—  48,94. 


1  Wasser 5,0 

f  KohlensSure 14,3! 


\  Schnefelsäure 0,3l 

Mangan  uod  Tbonerde   ....     Spuren 

In  Salz-    [  Ei^«»o*J»' ".»6 

läure  un- 
löslicher 

Theil 
=  50,96. 


\Kalk 0,18 

]  Magnesia 0,34 

]  Tbonerde       ........  8,67 

/  Kieselerde 20,23 

l  Koble _?0,07 

99,897 
»der: 

Kohlensaures  Eiseuosydul  .     .     .  35,30 

Eisenoxid 5,93 

Kohlensaurer  Kalk 0,41 

Magnesia    ....  1,57 

Kalk 0,64 

Wasser 6,09 

Kohle 2<^07 

Kieselerde 20,23 

(Eisenoxyd 1,16 

Kalk 0,68 

;ebundea.  )  Tbonerde 8,67 

{  Magnesia 0.35 


446 

Nachschrift. 
Später  hatte  ich  Gelegenheit,  noch  einige  dieser  mit 
Kohle  aufs  Innigste  gemengten  Eisensteine  auf  ihren  Ei- 
sengehalt zu  prüfen;  in  je  zwei  Sorten  von  der  Grube 
„Isabelle"  bei  Bochum  fand  sich  ein  Gehalt  von  29,52  und 
27,68  Proc.  Eisen  bei  einem  Kieselrückstand  von  resp.  7,53 
und  7,64.  Dagegen  sank  der  Eisengehalt  der  Kohleneisen- 
steine von  der  Grube  „General"  bei  Dahlhauseu  an  der 
Ruhr  auf  9,56  und  10,54  Pi  oc,  unter  gleichzeitiger  Zunahme 
der  erdigen  Theile  auf  resp.  37,96  und  64,14  Proc. 
Siegen,  den  I.Juli  1850. 


XVI.     Lieber  das  JBinocularsehen  prismatischer  Far- 
ben und  eine  neue  stereoskopische  Methode; 

von  H,  VF.  Dove. 

(Aus  d.  Monatsberichten  d.  Akad.  Mai  1850). 


Im  Jahrgang  1841  der  Berichte  Seite  251  sind  von  mir 
Versuche  veröffentlicht  worden,  aus,  denen  hervorgeht,  dafs, 
wenn  im  Stereoskop  Farben  betrachtet  werden,  welche  bei 
gleicher  Intensität  genau  complementar  sind,  diese  Farben- 
eindrücke einander  ebenso  zu  weifs  neutralisiren,  als  wenn 
beide  auf  der  Netzhaut  eines  und  desselben  Auges  erregt 
werden.  Diese  Versuche  sind  neuerdings  von  Hrn.  Reg- 
uault  mit  gleichem  Erfolge  wiederholt  worden.  Wendet 
man  hingegen  statt  der  Polarisationsfarben  Pigmente  oder 
die  Absorptionsfarben  durchsichtiger  Gläser  an,  so  wird 
man  sich  leicht  nur  des  Farbeneindruckes  des  einen  Auges 
bewufst,  besonders  wenn  die  Intensität  der  gleichzeitig  mit 
dem  rechten  und  der  mit  dem  linken  Auge  gesehenen  Farbe 
verschieden  ist.  Nun  ist  aber  bekannt,  dafs,  wenn  einem 
Auge  zwei  Farben  gleichzeitig  dargeboten  werden,  ihre  Mi- 


447 

schungsfarbe  gesehen  wird,  wie  verschieden  auch  die  Inten* 
sit&t  der  Componenten  seyn  mag.  Es  würde  daraus  folgen, 
dafs,  wenn  zwei  Wellensysteme  gleichzeitig  Eine  Netzhaut 
erschüttern,  wir  uns  des  daraus  resultirenden  Systems  stets 
bewufst  werden ;  afficiren  hingegen  zwei  Systeme  gesondert 
beide  Netzhäute,  diefs  nur  stattfindet,  wenn  die  Elongation 
der  Schwingungen  beider  nahe  gleich  oder  nicht  zu  eerschie- 
den  ist.  Im  ersten  Falle  kann  man  daher  nicht  das  resul- 
tirende  System  in  seine  Componenten  zerlegen,  indem  man 
eine  der  Componenten  absichtlich  übersieht.  Im  letzteren 
Falle  ist  diefs  möglich,  weil  beide  Systeme  sich  factisch 
nicht  zu  einem  resultirenden  combiniren. 

Es  giebt  einfache  stereoskopische  Zeichnungen,  z.  B. 
eine  gerade  abgekürzte  oder  vollständige  Pyramide,  ein 
gerader  abgekürzter  oder  vollständiger  Kegel,  von  denen 
die  für  das  linke  Auge  eine  blofse  einfache  Umkehrung  der 
für  das  rechte  Auge  ist,  d.  h.  solche,  welche,  wenn  sie  für 
rechts  und  links  sich  unterscheiden,  für  oben  und  unten 
identisch  bleiben  oder  umgekehrt.  Diefs  führte  darauf,  dafs 
man  auch  ein  stereoskopisches  Relief  mit  einer  einzigen 
dieser  Zeichnungen  erhalten  könne,  wenn  man  diese  näm- 
lich so  betrachtet,  dafs  man  vor  das  eine  Auge  ein  Fern- 
rohr hält,  welches  wie  das  galiläische  oder  terrestrische  sie 
aufrecht  zeigt,  vor  das  andere  eins,  welches,  wie  das  astro- 
nomische, sie  umkehrt,  vorausgesetzt,  dafs  die  Vergröfserung 
beider  Fernröhre  dieselbe  ist.  Der  Versuch  bestätigt  diefs, 
woraus  hervorgeht,  dafs  zwei  Bilder  gleicher  Intensität  sich 
anf  diese  Weise  ebenso  combiniren,  wie  im  Wheatstone'- 
sehen  Stereoskop.  Diese  Methode  läfst  sich  daher  auch 
auf  Farben  anwenden. 

Wirft  man  die  durch  Doppelbrechung  entstandenen 
Spectra  eines  gleichseitigen  Bergkrystallprisma,  dessen  Kan- 
ten der  Axe  parallel  sind,  auf  eine  weifse  Wand,  so  sieht 
man  da  wo  das  violette  Ende  des  einen  Spectrums  über 
das  rothc  des  andern  greift,  eine  sehr  schöne  Pupurfarbe 
entstehen,  welche  sich  in  ihre  Componenten  zerlegen  läfst, 
wenn  man  die  unmittelbar  mit  dem  Auge  aufgefangenen  Spec- 


446 


ji|ar>  ^^^  ^^^  dessen  Bre- 

^  .  /totb  als  senkrecht  auf 

^Virtt  mau  hiugegeu  das 

^/«/asprisma  auf  die  Waud, 

.  ■  jarch   die   beiden   Fernröhre, 

..>  '^^z*  Weise  einander  decken,  so 

.:^'/a  der  Weise   gegen    das   Roth, 

.r  'jracks   des  letztern   allein    bewufst 

'<  '^den  Augen  gleich  scharf  sieht.    Der 


Später  hatte  ich 
Kohle  aufs  lonigste 
sengehalt  zu  prüfe* 
„Isabelle''  bei  Bor 
27,68  Proc.  Eisen 
und  7,64.   Dage'     ^. 
steine  von  der     ^ 
Ruhr  auf  9,56 

der  erdigen  '        ^l  '^J^^^  durch  Purpur  in  Violett  erscheint 

Siegen,  «*    ,»  ".'/<?  Sehkraft   des  einen  Auges  absichtlich 

••  "v-    \oo  den  einander  deckenden  Bildern  das 

..   jC  rersch\Tindet.    Auf  diese  Weise  scheineo 

:.^,^:*jiedenen  Ergebnisse  zu  erläutern,   >y eiche  in 

"^  '   der  Versuche  verschiedener  Beobachter  sich 


XVI     >5 


r^c   ihren   Augen    gesonderte  Farbeneindrücke 


/■ 


I 


J^chi  man  die  vor  das  rechte  und  linke  Auge  ge- 

ll^fernröhre   mit   einander,   so   erhält  man   dieselbe 

/'CaDi  d^^  Erscheinung,  als  im  Wheatstone'schen  Ste- 

K^  durch  Vertauschung  der  beiden  Zeichnungen  unter 

/j0r.  Der  vorher  erhaben  gesehene  Gegenstand  erscheint 

vertieft. 


^. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  Grunstr.  18. 


7' 


Y/l' 


8. 


17. 


fö- 


'Qi 


\h 


Anrt. 


^f^. 


•^3fca,. 


^d'r.^j'. 


»■J. 


448 

tra  durch  ein  NicoFsches  Prisma  analysirt,  bei  dessen  Dre« 
hung  einmal  das  Violett,  dann  das  Roth  als  senkrecht  auf 
einander  polarisirt  verschwinden.  Wirft  man  hingegen  das 
Spectrum  eines  gleichseitigen  Flintglasprisma  auf  die  Wand, 
und  betrachtet  dasselbe  so  durch  die  beiden  Fernrohr^ 
dafs  die  Bilder  in  umgekehrter  Weise  einander  decken,  so 
verschwindet  das  Violett  in  der  Weise  gegen  das  Roth, 
dafs  man  sich  des  Eindrucks  des  letztern  allein  bewufst 
wird,  wenn  man  mit  beiden  Augen  gleich  scharf  sieht  Der 
Uebergang  des  Feuerroth  durch  Purpur  in  Violett  erscheint 
erst,  wenn  man  die  Sehkraft  des  einen  Auges  absichtlich 
schärft,  so  dafs  von  den  einander  deckenden  Bildern  das 
eine  zuletzt  ganz  verschwindet.  Auf  diese  Weise  scheinen 
sich  die  verschiedenen  Ergebnisse  zu  erläutern,  welche  in 
den  Angaben  der  Versuche  verschiedener  Beobachter  sich 
finden,  welche  ihren  Augen  gesonderte  Farbeneindrücke 
darboten. 

Vertauscht  man  die  vor  das  rechte  und  linke  Auge  ge- 
haltenen Fernröhre  mit  einander,  so  erhält  man  dieselbe 
Umkehrung  der  Erscheinung,  als  im  Wheatstone'schen  Ste- 
reoskop durch  Vertauschuug  der  beiden  Zeichnungen  unter 
einander.  Der  vorher  erhaben  gesehene  Gegenstand  erscheint 
nun  vertieft. 


Gedruckt  bei  A.  W.  Schade  in  Berlin,  Grunstr.  18. 


7afn'. 


Arm,,  d.  Th^.  u.CAenL.  Bd.  <fa<J't.3. 


-   I 


1850.  A  N  N  A  L  E  N  JTo.  8. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

BAND  LXXX. 


I.      Ueber   die   Zusammensetzung   des    Turmalins, 
verglichen  mit  derjenigen  des  Glimmers  und  Fdd- 
Späths,  und  über  die  Ursache  der  Isomorphie  un- 
gleichartiger Verbindungen; 
i^on  Carl   Rammeisberg. 


Historische  Einleitang. 

JltfS  ist  eine  ausgemachte  Thatsache,  dafs  ungeachtet  der 
werthToUsteu  Arbeiten  in  der  Mineralogie  und  Chemie  das 
Band  noch  fehlt,  welches  Form  und  Zusammensetzung  mit 
einander  verknüpft.  Die  Erfahrungen  haben  immermehr 
gezeigt,  dafs  das  innere  Wesen  der  Isomorphie  nicht  noth« 
wendig  und  nicht  in  allen  Fällen  auf  einer  analogen  Grup- 
piruug  der  Elemente  beruhen  kann,  neue  Vorstellungen 
—  wie  die  Atomvolume  und  die  Heteromeiie  —  sind  des« 
halb  zur  Hülfe  genommen  worden,  ohne  indessen  bis  zu 
diesem  Augenblick  eine  allgemeine  Ueberzeugung  hervor- 
zurufen. 

Unter  den  Mineralien  sind  es  offenbar  die  Silicate,  und 
unter  diesen  die  zusammengesetzteren,  welche  in  jeuer  Be- 
ziehung grofse  Schwierigkeiten  darbieten.  Wir  besitzen 
zahlreiche  und  gewifs  genaue  Analysen  von  Feldspatharten, 
von  Glimmern,  von  Augiten  und  Hornblenden,  und  müs- 
sen uns  dennoch  aufrichtig  gestehen,  dafs  wir  weder  für 
Feldspath,  noch  für  Glimmer,  Augit  oder  Hornblende  ei- 
nen sicher  verbürgten,  allgemein  passenden  Ausdruck  der 
chemischen  Zusammensetzung  angeben  können.  So  grofs 
die  Aehnlichkeit  in  den  physikalischen  Merkmalen  bei  den 
einzelnen  Gliedern  dieser  Gattungen  ist,  und  so  leidit  es 
fällt,  in  dieser  Hinsicht  das  Zusammengehörige  zu  vereini- 

PoggendorfPs  Annal.  Bd.  LXXX.  29 


450 

gen,  80  grob  sind  die  Abweichungen  in  der  Zusammen- 
setzung bei  Gliedern  der  nämliche,n  GaUnng.     Und  diese 
Gattungen  gehören   durch   ihre  grofse   Verbreitung,   durch 
den  Antheil,  den  sie  an   der  Bildung  der  Gesteine  neh- 
men,  zu  den   wichtigsten   unter  allen   Mineralien.     Denn 
ein  und  derselbe  Tjpus  der  geometrischen  Form,  kaum 
mehr  differirend,  als  es  bei  isomorphen  Körpern  gewöhn- 
lich ist,  groEse  Aehnlichkeit  in  ihrem  ganzen  physikalischen 
Verhalten  vereinigt  alle  die  Substanzen,   welche    wir  im 
Allgemeinen  Feldspath  nennen,  und   es  war  fast  nur  der 
Chemiker,    der  eine  Trennung  derselben  für  nothwendig 
erachtete,  als  er  fand,  dafs  die  einzelnen  Glieder:   Ortho- 
klas und  Albit,   Oligoklas,  Labrador  und  Anorthit,  nicht 
etwa  durch  Vertretung  einzelner  Bestandtheile  als  isomorphe 
betrachtet  werden  dürften,  sondern  eine  stödiiometrisch  ver- 
schiedene Zusammensetzung  haben,  insofern  zwar  die  Aeqoi- 
valente  der  stärkeren  Basen  (der  Alkalien  und  der  Kalk- 
erde) und  der  schwächeren  (der  Thonerde)  bei  allen  un- 
veränderlich =s  l :  1  sind,  die  der  Kieselsäure  aber  in  dem 
Verhältnifs  von  4  : 6 : 9 :  12  sich  ändern.    Noch  übler  steht 
es  beim  Glimmer^  dessen  Varietäten  scheinbar  regellos  zu- 
sammengesetzt sind,  ja  wo  optische  und  chemische  Eigen- 
schaften   sich   selbst   widersprechen«      Können   auch   viele 
Augite  und  Hornblenden  auf  einfache  Ausdrücke  zurückge- 
führt werden,  so  legen  die  thonerdehaltigen  grofse  Hinder- 
nisse in  den  Weg,  und  die  zur  Beseitigung  derselben  und 
zur  Lösung  der  F«rage,  ob  beide  Mineralien  zusammeo&d:* 
lea,  aufgestellten  Ansichten  erfreuen  sich  keinesweges  der 
allgemeinen  Anerkennung. 

Es  ist  ein  grofser  Iirthum,  wenn  man  glaubt,  die  che- 
mische Keuntnifs  der  Mineralien  sey  ein  abgeschlossenes, 
nur  hie  und  da  zu  erweiterndes  Gebiet,  sie  zeigt  im  Ge- 
gentheil  in  nicht  geringerem  Grade  jene  Lückenhaftigkeit, 
welche  allen  Theilen  der  Chemie  eigen  ist,  und  die  zu 
anausgesetzten  Forschungen  antreibt,  um  durch  Feststellung 
der  Thatsachen,  so  wie  durch  glückliche  Combinationen 
die  vielfachen  Rätfasei  zu  lösen. 


451 

Von  der  Absicht  geleitet,  in  diesem  Gebiete,  wenn  auch 
vorerst  nur  in  seinem  empirischen  Theile,  brauchbares  Ma- 
terial zu  liefern,  habe  ich  mich  einige  Jahre  unausgesetzt 
mit  der  chemischen  Untersuchung  eines  einzelnen  Minerals 
beschäftigt,  dessen  Verhältnisse  noch  mehr  als  die  der  ge- 
nannten, unklar  waren.  Ich  wählte  den  Turmalin,  bei 
welchem  das  Mangelhafte  in  dem  bisherigen  Stande  der 
Kenntnifs  von  seiner  Zusammensetzung  nicht  blofs  in  den 
Variationen  derselben ,  sondern  auch  in  den  Schwierigkei- 
ten zu  suchen  ist,  welche  seine  Anaijse  darbietet,  und  die 
sich  auf  die  theoretische  Deutung  der  Resultate  überträgt. 
Denn  es  giebt  Turmaline,  welche  13  bis  14  verschiedene 
Bestandtheile  enthalten,  und  10  bis  11  ist  die  herrschende 
und  gewöhnliche  Zahl.  Unter  diesen  Bestandtbeilen  sind 
einige,  deren  Abscheidung  und  Bestimmung  mit  den  gröfs- 
ten  Schwierigkeiten  verknüpft  ist,  wie  z.  B.  Fluor,  Bor- 
säure, die  beiden  Oxyde  des  Eisens  und  Mangans,  die 
gleichzeitig  vorhandenen  drei  Alkalien.  Hier  muCs  das  Be- 
wufstseyn  genügen,  die  besten  Methoden  gewissenhaft  be* 
nutzt  zu  haben.  Aber  schon  deshalb  schien  es  gleich  An- 
fangs erforderlich,  nicht  blofs  einige  Repräsentanten  zu 
untersuchen,  die  im  Aeufseren  verschieden  sind,  sondern 
selbst  ähnliche  Varietäten  in  gröfserer  Anzahl  zu  analysi- 
ren,  damit  durch  Vergrdfserung  der  Data  die  Unsicherhei- 
ten, welche  die  analytische  Methode  mit  sich  führt,  mög- 
Jichst  beseitigt  würden.  Ich  würde  indessen  der  vorliegen- 
den Arbeit  doch  nicht  die  ungewöhnliche  Ausdehnung  ge- 
geben, und  eine  so  lange  Zeit  sehr  mühsamen  und  ermü- 
denden Versuchen  zugewandt  haben,  wenn  sich  nicht  sehr 
bald  ergeben  hätte,  dafs  die  Verschiedenheit  in  der  Zu- 
sammensetzung der  Turmaline  sich  nicht  aus  isomorphen 
Substitutionen  erklären  läfst^  sondern  dafs  hier  ähnliche 
Verhältnisse  wie  bei  den  Feldspäthen,  unter  einer  noch  viel 
gleichartigeren  äufseren  Hülle  verborgen  sind. 

Es  war  mein  Plan,  alle  möglicherweise  zu  erlangenden 
Turmalinabänderungen,  deren  Beschaffenheit  nicht  eine  be- 
gonnene Umwandlung  verrietbe,  gleichförmig  und  möglichst 

29  ♦ 


452 

geoan  zu  analjsireDy  micl  die  Resolfate  mit  den  physika- 
lischen Eigenschaften  za  vergleichen.  So  ist  die  Zahl  der 
Varietäten  anf  dreifsig  gestiegen,  die  Zahl  der  Analysen 
auf  mehr  als  hundert,  so  daCs  auf  jede  Varietät  drei  bis 
▼ier  sich  gegenseitig  ergänzende  Versuchsreihen  kommen. 
Diese  bisjetzt  niemals  durchgeführte  Vervielfältigung  irird 
sidi,  wie  ich  hoffe,  bei  der  Prüfung  des  Resultats  durch- 
aus nidit  als  unnütz  ergeben. 

Nur  durch  die  bereitwilligste  Mittheilnng  des  zahlrei- 
chen und  zum  Theil  sehr  seltenen  Materials  war  es  mög- 
lich, der  Arbeit  jenen  Umfang  zu  geben.  Ich  mub  hier 
vor  Allem  erwähnen,  dafs  das  K.  Mineralienkabinet  der 
Berliner  Universität  aus  seinen  reichhaltigen  Sammlungen 
mir  Vieles  darbot.  Hr.  Prof.  B.  Sil  lim  an  inn.  in  New- 
haven,  Connecticut,  sandte  mir  eine  Reihe  nordamerikani- 
scher Vorkommnisse;  Hr.  Bergrath  und  Prof.  Haidinger 
in  Wien  erfreute  mich  durch  zahlreiche  Exemplare  des 
K.  K.  montanistischen  Museums.  Hrn.  Dr.  Tamnau  in 
Berlin,  Hrn.  Dr.  Bader  in  Wien  und  Hrn.  Mineralien- 
faändler  Kranz  verdanke  ich  zum  Theil  sehr  seltene  Ab- 
änderungen. 

Die  ersten  Analysen  des  Turmalins  rühren  von  Vau- 
quelin  und  von  Klaproth  her.  ^  Etwas  später  beschäf- 
tigte sich  Bucholz  mit  demselben  Gegenstande.  Aber  erst 
im  J.  1818  fanden  Lampadius  und  Vogel  die  Borsäure 
im  Tnrmalin  auf,  Arfvedson  und  Grtiner  (1820)  das 
Litbion,  und  den  gröfsten  Fleifs  verwandte  C.  Gmelin 
auf  dieses  Mineral,  so  dafs  seine  Analysen  (in  den  Jahren 
1815  bis  1827  angestellt)  bisjetzt  die  wichtigsten  geblieben 
sind.  Von  Du  Menil  und  Le  Play  rühren  einzelne  An- 
gaben her. 

Alle  diese  Arbeiten  (etwa  17  an  der  Zahl)  waren  aber 
im  höchsten  Grade  unbefriedigend.  In  Folge  des  unvoll- 
kommueren  Zustandes  der  analytischen  Chemie  zeigen  selbst 
die  zuverlässigsten  grofse  Differenzen  und  Verluste.  So 
fehlen  inGruner's  und  Arfvedson 's  Analysen  4  Proc; 
C.  Gmelin  verlor  beim  Turmalin  von  Bovey  Tracy  und 


453 

von  Grönland  S?,  ja  bei  dem  Tom  St.  Gotthardt  selbst  mehr 
als  9  Proc,  ohne  diesen  Verlust  erklären  zu  können,  so 
daÜB  es  hiernach  durchaus  nicht  möglich  war,  auch  nur  im 
entferntesten  eine  den  chemischen  Proportionen  gemttfse 
Deutung  zu  versuchen  * ). 

Erst  vor  fünf  Jahren' publicirte  Hermann  in  Moskau 
eine  Arbeit  über  die  Zusammensetzung  der  Turmaline  ^ ), 
welche  den  Zustand  unserer  Kenntnisse  von  diesem  Mine- 
ral sehr  zu  verändern  schien.  Denn  sie  lehrte  nicht  blofs, 
dafs  beide  Oxjde  des  Eisens  in  den  Turmalinen  vorkom- 
men, und  gab  eine  Methode  an,  deren  relative  Menge  zu 
bestimmen,  sondern  ihr  Verfasser  behauptete  zugleich  die 
Gegenwart  von  Kohlensäure  in  fast  allen  Turmalinen  (gleich- 
wie im  Epidot  und  Vesuvian),  während  er  die  des  Fluors 
entschieden  läugnet.  Auf  Grund  der  Analyse  von  fünf 
Varietäten  von  verschiedener  Färbung,  (des  schwarzen  von 
Gornoschit  bei  Katharinenburg,  des  braunen  von  Mursinsk, 
des  grünen  von  der  Totschiina  ja  Gora,  des  rothen  von 
Sarapulsk  und  des  farblosen  von  Elba)  hat  Hermann 
geglaubt,  alle  Turmaline  in  drei  durch  optische  und  che- 
mische Eigenschaften  unterschiedene  Gruppen  bringen  zu 
können,  die  er  Schörl,  Achroit  und  Rubellit  nannte,  und 
da  die  stöchiometriscben  Verhältnisse  sehr  abweichend  wa- 
ren, so  stellte  er  den  Satz  auf,  dafs  Verbindungen  von 
ungleicher  Constitution  dieselbe  Form  haben,  durch  gegen- 
seitige Verbindung  zahlreiche  Varietäten  bei  einem  Mine- 
ral liefern  können,  und  nannte  solche  Verbindungen  hete- 
ramere.  Gleichzeitig  suchte  er  die  Ansicht  zu  verthcidigen, 
dafs  Kieselsäure  und  Borsäure  nur  2  At.  Sauerstoff  enthal- 
ten, und  dafs  die  Kohlensäure  sie  vertreten  könne. 

So  durchaus  neue  und  unerwartete  Ansichten  müssen 
nothwendig  zu  einer  schärferen  Prüfung  auffordern,  und 
wenn  wir  auch  alles  Theoretische  erst  bei  Zusamm^stellung 
unserer  Resultate  beleuchten  wollen,  können  wir  doch  nicht 
umhin,  schon  hier  darauf  aufmerksam  zu  machen,  wie  selr 

1 )  Vgl.  mein  Handwörterbuch  des  chetn.  Tli.  der  Min.  II.  S.  243. 

2)  Journ.  f.  pract.  Ghem.  Bd.  35,  S.  232. 


I 


454 

gefragt  es  ist,  aus  der  Untenodiinig  von  nur  fbiff  Varie- 
täten, von  denen  Tier  in  einem  engen  Bezirk  ▼orkonmen, 
drei  verschiedene  Formdn  fflr  ein  Mineral  abcoleften,  md 
eine  Eintheilong  Ar  alle  Variet&ten  desselben  darauf  m 
gründen.  AnÜBerdem  sey  hier  im  Voraos  bemerkt,  dab 
ich  unter  meinen  dreifsig  Tnrmalinen  keinen  einzigen  kohlen- 
sfinrefaaltigen  gefnnden  habe,  daCs  ich  dagegen  das  FImor, 
welches  Hermann  längnet,  direct  nachgewiesen,  und  Fiat* 
pharsäure  in  vielen  Fällen  aufgefunden  habe. 

Anch  gegen  Hermann' s  analytische  Methoden  dfirften 
sich  Einwände  erheben  lassen.  Die  Methode,  flQr  die  Al- 
kalibestimmungen das  Mineral  mittelst  Flufsspath  und  Schwe- 
felsäure zu  zersetzen,  wGrde  er  gewiCs  nicht  gewählt  habeo, 
wenn  ihm  die  leichte  Zerlegbarkeit  des  geglühten  Turma- 
lins  durch  reine  Fluorwasserstoffsäure  bekannt  gewesen 
wäre.  Er  fand  stets  nur  Spuren  von  Kali,  ich  habe  Ton 
diesem  Alkali  immer  sehr  wohl  bestimmbare  Mengen  erhal- 
ten. Endlich  bestimmte  er  das  Lithion  als  phosphorsaures 
Natron -Doppelsalz,  eine  Methode,  die  nach  meinen  Erfah- 
rungen ' )  ganz  unrichtige  Resultate  geben  kann,  die  wieder 
auf  die  durch  Differenz  gefundene  Menge  der  Borsäure  tod 
Einflufs  sind. 

Mediode  der  Analyse. 

Immer  ist  es  zur  Beurtheilung  von  analytischen  Resul- 
taten nothwendig,  die  Art  und  Weise  der  Bestimmung  der 
Bestandtheile  zu  kennen,  besonders  wenn  diese  zahlreich 
und  schwer  zu  trennen  sind.  Freilich  wird  das  Ergebnifs 
bei  aller  Gleichförmigkeit  der  äufseren  Arbeit  nicht  in  glei- 
chem Grade  richtig  ausfallen,  da  es  zum  Theil  von  Zufill- 
ligkeiten  abhängt,  und  man  bei  steter  Wiederholung  immer 
mehr  Uebung  erlangt,  das  Spätere  mithin  das  Frühere  an 
Zuverlässigkeit  übertrifft. 

Auf  die  Beschaffenheit  des  Materials  wurde  immer  die 
gröfste  Aufmerksamkeit  verwendet,  und  ist  sie  im  Nach- 
folgenden für  jede  Varietät  speciell  angegeben.   Eine  sorg- 

1)  Poggend.  Ann.  Bd.  66,  S.86. 


453 

ftkige  Trennung  von  der  Masse  beibreehender  Miüeralien 
oder  des  Gesteins  ist  oft  sehr  schwierig  und  mühsam,  den-« 
noeh  unerlsfslidi,  wenn  die  Analyse  Werth  haben  soll,  am 
80  mehr,  als  Niemand  aufser  dem  Analytiker  selbst  darüber 
artheilen  kann.  Hat  man  schon  auf  Rechnung  unvollkom- 
mener Reinheit  manche  Differenzen  bei  Miueralanalysen 
zu  setzen  y  so  ist  diefs  vielleicht  noch  öfter  wegen  des  ver- 
änderten theilweise  umgewandelten  Zustandes  vieler  Mine- 
ralien zu  tbuUy  wie  in  neuester  Zeit  von  6.  Bischof  mit 
▼ollem  Recht  behauptet  wurde,  und  da  ist  es  freilich  oft 
'sehr  schwer,  zu  unterscheiden,  ob  der  ursprüngliche  Zu- 
-stand  des  Minerals  noch  vorhanden  sey.  Denn  die  äufsere 
Form,  selbst  Glanz  und  Spaltbarkeit  können,  wie  die  Er- 
fahrung gezeigt  hat,  bleiben  oder  doch  nur  unmerklich  sich 
Sndern,  und  es  bedarf  grofser  Aufmerksamkeit  auf  Härte» 
Beschaffenheit  der  inneren  Masse,  Wassergehalt  u.  s.  w., 
um  bisweilen  ein  in  partieller  Umwandlung  begriffenes  Mi- 
neral als  solches  zu  erkennen. 

Ich  habe  mich  bemüht,  nur  solche  Turmaline  zu  nn-^ 
tovuchen,  die  frisch  und  unverändert  erscheinen,  will  aber 
natürlich  nicht  behaupten,  dafs  sie  alle  es  in  gleichem  Grade 
gewesen  seyen.  Die  jeder  Abänderung  beigegebene  Cha- 
rakteristik dürfte  zu  einem  Urthcil  hierüber  Anlafs' geben 
können.  Deshalb  mufste  ich  aber  auch  einige  sehr  schön 
krystallisirte  Abänderungen,  wie  z.  B.  die  von  Käringbricka 
in  Schweden,  und  vom  Hörlberg  in  Baiern  ausschliefsen,  de- 
ren Masse  sichtlich  eine  Veränderung  erlitten  hat.  Nur  der 
rothe  von  Lepidolith  begleitete  Turmalin  von  Rozena,  der 
gleichfalls  unzweifelhaft  verändert  ist,  macht  den  Beschlufs 
in  der  Reihe  der  aufzuführenden  Analysen. 

Die  Bestimmung  des  spedßschen  Gewichts  hatte  für  die 
vorliegende  Arbeit  grofse  Wichtigkeit.  Sie  geschah,  indem 
eine  unbestimmte  Menge  des  groben  Pulvers,  von  dem  das 
feine  sorgfältig  abgesiebt  worden,  in  einem  Platiuschälchen 
mit  Wasser  gekocht  wurde,  worauf  alle  staubigen  Parti- 
keln durch  mehrfaches  Eintauchen  des  Schälcheus  in  Was- 
ser sich  leicht  fortschlämmen  lassen.    An  Platindrähten  auf- 


456 

geh&Dgt,  wurde  bieraof  das  Ganze  in  Wasser  genogcy, 
und  zuletzt  das  absolute  Gewicht  der  Probe  dnrdi  Ver- 
dampfen des  Wassers  im  Schälcfaen  und  Trodnen  des  Pul- 
vers in  gelinder  Wärme  bestimmt. 

Das  Lötkrohrverkatten ,  welches  gleidifalls  in  gewis- 
ser Hinsidit  f&r  die  einzelnen  Varietäten  bezeidinend  ist, 
wurde  durch  Erhitzen  dfinner  Splitter  in.  der  Plantinzangc 
ermittelt. 

Da  sämmtliche  Bestandtheile  der  Tnrmaline  nicht  in  ei- 
ner und  derselben  Probe  sich  bestimmen  lassen;  so  ist  die 
▼ollständige  Analyse  nothwendig  das  Resultat  der  Combi- 
nation  mehrerer  Proben,  die  ich  im  Folgenden  näher  ange- 
ben will. 


1.  Bat  Glühen  mit  kohlensaurem  Alkali.  Das  feinge- 
puWerte  und  durch  Erhitzen  fast  bis  zum  GIfihen  getrod- 
nete  Pulver  wurde  mit  der  dreifachen  bis  vierfadien  Menge 
▼on  kohlensaurem  Natron  allein  oder  von  einem  Gemenge 
desselben  mit  kohlensaurem  Kali  (beide  durch  Erhitzen  tod 
Bicarbonat  bereitet)  innig  gemisdit,  und  fiber  einer  grO- 
(seren  Weingeistlampe  mit  HQlfe  des  tou  Plattner  ein- 
geführten Gebläses  eine  halbe  Stunde  lebhaft  geglüht.  Die 
Masse  war  zuweilen  geschmolzen,  zuweilen  stark  gesintert, 
stets  aber  vollständig  zersetzt.  Sehr  häufig  löste  sie  sich 
in  verdfinnter  Chlorwasserstoffsäure  ohne  alle  Abscheidung 
von  Kieselsäure  auf.  Nach  dem  Abdampfen  in  einer  Pla- 
tinschale, Befeuchten  mit  etwas  Säure,  und  Zusatz  tod 
Wasser  wurde  die  Kieselsäure  abfiltrirt,  geglöht  und  ge- 
wogen, die  Flüssigkeit  aber  mit  zweifach  kohlensaurem  Kali 
gefällt,  und  ans  dem  Filtrat  Kalkerde,  (Mangan)  und  Talk- 
erde auf  gewöhnliche  Art  abgeschieden.  Den  Niederschlag 
kochte  man  zweimal  mit  reiner  Kaliauflösung,  föllte  die 
Thpnerde  durch  Chlorwasserstoffsäure  und  kohlensaures 
Ammoniak,  wusch  sie  mit  heifsem  Wasser,  und  bestimmte 
nach  dem  Trocknen  und  Glühen  ihr  Gewicht.  Bei  dem 
Reichlhura  der  Turraaline  an  dieser  Erde  ist  es  kaum  mög- 
lich, den  voluminösen  Niederschlag  vollständig  auszuwaschen. 
Deshalb  wurde  er  nach  dem  Glühen  nochmals  mit  Wasser 


457 

« 

gewaschen.  Diefs  reagirte  dann  oft  alkalisch,  enthielt  koh- 
lensaures Kali,  und  noch  etwas  Thonerde,  die  man  dadurch 
gewann,  dafs  man  es  rait  Säure  sättigte,  abdampfte,  und 
nach  dem  WiederauflOsen  mit  Ammoniak  fällte.  Die  Thon- 
erde  wurde  von  neuem  gewogen,  und  dann  mit  gleichen 
Theilen  Wasser  und  concentrirter  Schwefelsäure  in  einem 
geräumigen  Platintiegel  erhitzt.  Durch  Wasser  löste  sich 
dann  Aljes  bis  auf  etwas  Kieselsäure  auf,  deren  Gewicht 
bestimmt  wurde  '  ) 

Das  in  Kali  Unlösliche  löste  man  in  Chlorwasserstoff- 
säure auf,  neutralisirte  die  Auflösung  mit  Ammoniak,  bis 
sie  gelbroth  erschien,  setzte  essigsaures  Natron  bis  zur  dunk- 
len Färbung,  und  dann  bernsteinsaures  Ammoniak  hinzu, 
worauf  das  Ganze  im  Sandbade  erhitzt  wurde,  bis  sich  das^ 
bernsteinsanre  Eisenoxyd  vollständig  abgeschieden  hatte, 
welches  man  nach  dem  Erkalten  auf  ein  Filtrum  brachte, 
zuerst  mit  kaltem  Wasser,  dann  mit  Ammoniak  und  hei- 
fsem  Wasser  auswusch.  Zuweilen  geschah  die  Neutralisation 
durch  kohlensaures  Natron,  und  die  Fällung  des  Eisens 
durch  bernsteinsaures  Natron.  Zu  dem  Filtrat  wurde  dann 
Ammoniak  gesetzt,  hierauf  Oxalsäure,  um  die  Kalkerde  zu 
fällen,  die  zuweilen  Mangan  enthielt,  weshalb  der  schwach 
geglühte  Niederschlag  mit  kalter  sehr  verdünnter  Salpeter- 
säure digerirt  wurde.  Bei  gröfserem  Mangaugehalt  wurde 
zur  Abscheidung  des  letzteren  Ammoniumsulfhjdrat  und 
starke  Digerirwärme  benutzt.  Die  Talkerde  endlich  be> 
stimmte  man  mittelst  phosphorsanren  Natrons. 

Bei  den  eisenfreien  Turmalinen  wurde  das  in  Kali  Un- 
lösliche in  CMorwasserstoffsäure  gelöst,  mit  Ammoniak  und 
Ammoniumsulfhjdrat  ausgefällt,  und  dann  auf  beide  Erden 
untersucht. 

Zur  Bestimmung  der  Alkalien  wendet  man  sonst  mit 
grofsem  Vortheil  reine  Fluorwasserstoffsäure  an.  Aber  schon 
Hermann  bemerkt,  dafs  dieselbe  den  Turmalin  nur  schwie- 

1 )  Die  Anwendung  der  Schwefelsäure  ist  viel  bequemer  als  die  der  Chlor- 
wasserstonsäurc,  in  der  die  geglühte  Thooerde  sehr  laogsani  auflds- 
llch  ist. 


458 

lig  angreife*  Idi  Übe  geimJep,  ibb  tob  /imi 
In»  TormaliopalTer  bot  40  Proc  zcnefzt  wuriau  Ab  mhi 
Bidil  wMsen  kann,  ob  das  Unzenctzte  die  Natar  cks  Mi- 
oeralf  hat,  so  kaSB  diese  Meliiode  oitfie  'Weilcrcs  bcM 
TonndiD  Biebt  beDotzt  werden.  Ich  wählte  daher  io  der 
ersten  2Mt  seiner  hierher  geiiörigett  UntemichaDgeB,  che 
ich  wobte,  da(s  der  Tormalin  nach  starkem  GlfiheB  sich 
wie  andere  Silicate  iarA  FhiorwasserstoSisaore  zeilegen 
bbty  kohlensauren  Barjt  zom  Aofschlielsen,  nnd  Floor- 
wasserstofbSore  zor  nachherigen  Entfcmnng  der  Borsiore. 

2.  Zerseimmg  durch  kohlensaurem  Ban/l  umd  FbunwoM- 
$er$toff$äure*  Das  feingeschlammte  Pulver  wnrde  mit  der 
4 — 6  fachen  Menge  kohlensauren  Barjts  stark  geglüht,  die 
Masse  wie  gewöhnlich  behandelt,  nnd  die  Kieselsaare  abge- 
sdiieden*  Da  kein  Sdunelzen  eintritt,  so  ist  man  von  ihrer 
Beinbeit  niemals  fiberzengt.  In  der  That  Idst  sie  sich  in 
einer  kochenden  concentrirten  Solution  von  kofalensaureai 
Natron  niemals  ganz  aui,  nnd  es  ist  auch  nicht  richtig,  das 
Unlösliche,  welches  oft  etwas  schwefelsauren  Baryt  enthSit, 
ffir  nnzersetztes  Mineral  zu  erklären,  da  es  reicher  aa 
Kieselsäure  ist.  Nach  Absdheidnng  des  Baryts  durch  Schwe- 
felsäure wurden  Thonerde,  Eisen  etc.  durch  Ammoniak  ge- 
filUt,  das  Filtrat  abgedampft,  der  Best  zu  YerflQchtlgung 
der  Ammoniaksalze  erhitzt,  und  dann  mit  Fluorwasserstoff- 
und  Schwefelsäure  behandelt,  um  die  Borsäure  zu  entfer- 
nen, worauf  die  Talkerde  von  den  Alkalien  getrennt  wurde. 
Wie  schon  bemerkt,  wurde  diese  umständliche  Methode 
nur  im  Anfange  meiner  Untersuchungen  benutzt. 

3.  Zersetsiung  des  geglühten  TurmaUns  durch  Fbior- 
wasserstoffsäure.  Nur  wenn  man  das  Mineral  einer  star- 
ken Glühhitze  (im  Ofen  bei  Coaksfeuer)  ausgesetzt  hat, 
wobei  die  weiterhin  zu  beschreibende  Entwicklung  too 
Fluorverbindungen  erfolgt,  und  der  Turmalin  entweder  zu 
einer  Art  Bimsstein  schmilzt,  oder  (wie  die  eisenfreien 
d.  h.  die  rothen  Abänderungen)  porcellanartig  wird,  läfst 
sich  das  feine  Pulver  durch  Fluorwasserstoffsäure  zersetzen. 
Es  wurde  in  einer  Platinschale  mit  Wasser  übergössen,  und 


459 

in  das  Gemenge  die  gasförmige  Säure  5 — 6  Stunden  hin- 
eingeleitet; nach  12  stQndigem  Stehen  dampfte  'man  im 
"Wasserbade  fast  bis  zur  Trockne  ab,  setzte  Schwefelsäure 
hinzu,  und  erhitzte  später  Ober  der  Lampe  bis  zum  schwa- 
chen Glühen  der  Schale.  Durch  Erhitzen  mit  Chlorwas- 
serstoffsäure und  Wasser  löste  sich  die  Masse  dann  ge- 
wöhnlich bis  auf  einen  kleinen  Rückstand,  der  aber  niemab 
unzersetzter  Turmalin  war.  Beim  Glühen  verbreitete  er 
den  Geruch  von  Fluorwasserstoffsäure,  und  mufste  mit 
saurem  schwefelsaurem  Kali  geschmolzen  werden.  In  Was- 
ser löste  sich  die  Masse  nun  fast  immer  klar  auf,  und 
Ammoniak  schlug  dann  Thonerde  nieder.  Es  ist  vielleidit 
ein  basisches  Fluoraluminium,  welches  von  Säuren  schwer 
angegriffen  wird. 

Aus  der  Auflösung  der  Basen  des  Turmalins  fällte  man 
zuerst  durch  Ammoniak  Thonerde,  Eisenoxjd  etc.  aus, 
und  setzte  zum  Filtrat  eine  abgewogene  Menge  einer  Oxal- 
säureauflösung, deren  Gehalt  bestimmt  war.  Die  Oxalsäure 
selbst  enthielt  etwas  Kali,  und  zwar  in  Folge  besonderer 
Versuche  so  viel,  dafs  1  Grm.  der  Auflösung,  welcher  0,0625 
der  krjstallisirten  Säure  entsprach,  0,0002375  Kali  enthielt, 
welches  bei  der  Kalibestimmung  abgezogen  werden  mufste, 
Das  Filtrat  vom  Oxalsäuren  Kalk  dampfte  man  zur  Trockne 
ein,  erhitzte  den  Rest  zur  Verflüchtigung  der  Ammoniak- 
salze, und  kochte  ihn  eine  Zeit  mit  Barytwasser,  wodurch 
Talk  erde  (und  Mangan)  abgeschieden  wurde.  Nach  Ent- 
fernung des  Barjts  durch  reines  und  kohlensaures  Ammo- 
niak wurde  die  Auflösung  der  Alkalien  abgedampft,  mit 
Chlorwasserstoffsäure  erhitzt,  und  die  Chloride  gewogen. 
Dann  wurde  das  Kali  durch  Platinchlorid  bestimmt,  das 
platinhaltige  alkoholische  Filtrat  mit  Salmiak  gefällt,  filtrirt, 
abgedampft  und  geglüht.  Blieb  reines  Chlornatrium  übrig, 
so  konnte  diefs  durch  Auflösen  und  Verdampfen  der  Lö- 
sung, Umwandlung  in  schwefelsaures  Salz,  Färbung  der 
Alkoholflamme  etc.  direct  erkannt  werden.  War  es  aber 
mit  Chlorlithium  gemengt,  in  welchem  Fall  es  schnell  feucht 
wurde,  so  übergofs  man  die  trocknen  Chloride  mit  einem 


460 

GemeDge  von  1  Yol.  absolatem  Alkohol  und  2  Vd.  Aether, 
liefs  das  Ganz«  einige  Tage  unter  häofigem  Sdifitleln  ste- 
hen, und  filtrirte  auf  ein  gewogenes  Filtnun  das  ungeldst 
bleibende  ChlornatTium,  dessen  Gewicht  sich  ergab,  wenn 
das  Filtram  nach  den  Trocknen  und  Wägen  mit  saurem 
Wasser  gewaschen  wurde,  wobei  etwas  Platin  darauf  blieb. 
Die  Natronlösung  wurde  stets  auf  Thonerde,  Kalk-  und 
Talkerde  geglüht,  und  besonders  letztere  darin  gefunden, 
alle  aber  ihrer  Menge  nach  bestimmt. 

4.  Besikmmmg  der  rekUieen  Menge  van  Eisenoxyd  und 
Oxydul.  Ohne  den  Oxjdations- Zustand  des  Elisens  zu  ken- 
nen, läfst  sich  beim  Turmalin,  wie  in  so  vielen  anderen 
Fällen,  an  die  Berechnung  einer  Formel  gar  nidit  denken, 
und  doch  ist  eine  solche  Bestimmung  sehr  schwer,  )a  in 
aller  Strenge  fOr  )etzt  nicht  möglich.  Die  von  Forchham- 
mer  vorgeschlagene  Methode,  solche  durch  Säuren  unzer- 
setzbare Silicate  in  einer  Platinretorte  mit  einer  Mischung 
von  Fluor-  und  Chlorwasserstoff-  und  Schwefelsäure  za 
kochen,  und  die  Masse  in  eine  Auflösung  von  Goldchlo- 
rid zu  schütten,  giebt,  wie  ich  mich  überzeugt  habe,  ganz 
unrichtige  Resultate,  da  sich  bei  Einwirkung  der  Schwe- 
felsäure auf  Eisenoxjdulsalze  in  der  Hitze  immer  Eisenoxyd 
bildet;  auch  hätte  sie  auf  den  Turmalin  keine  Anwendung 
deshalb  finden  können,  weil  derselbe  erst  nach  dem  Glo- 
ben von  Fluorwasserstoffsäure  zersetzt  wird,  dann  aber  der 
Oxjdationszustand  des  Eisens  wohl  nicht  mehr  der  ur- 
sprüngliche ist. 

Chenevix  wandte  zuerst  Boroa;  zum  Aufschliefsen  von 
Silicaten  an,  und  Graf  Schaffgotsch  hat  ihn  in  neuerer 
Zeit  zur  Analyse  von  kohlensauren,  Oxalsäuren  und  salpe- 
tersauren Salzen  empfohlen.  Auch  Hermann  bediente  sich 
seiner  bei  Untersuchung  des  Boraxglases,  um  Eisenoxyd 
und  Oxydul  zu  bestimmen,  und  es  ist  diefs  wirklich  noch 
die  beste  Methode.  Man  mengt  das  Mineralpulver  mit  der- 
4  —  6 fachen  Menge  des  gepulverten  Boraxglases,  indem 
man  einen  Theil  davon  als  Decke  anwendet,  setzt  den 
Platintiegcl  bedeckt  in  eine  Plalinretorle  auf  eine  Unterlage 


461 

von  kohlensaurer  Talkerde  (Magnesit),  fügt  ein  Gasen t- 
wicklangsrohr  an,  welches  ein  wenig  in  Wasser  taudit, 
und  erhitzt  über  der  Lampe  mit  Gebläse  langsam  bis  zum 
starken  Glühen,  welches  man  eine  halbe  Stunde  unterhält. 
Nach  dem  Erkalten  wird  der  Tiegel  gewogen,  ein  Theil 
des  gut  geflossenen  Glases  grob  gepulvert,  mit  ausgekoch- 
tem Wasser  und  Chlorwasserstoffsäure  in  einem  mit  Koh- 
lensäure gefüllten  Kolben  aufgelöst,  und,  mit  Goldchlorid 
versetzt,  einige  Tage  verschlossen  hii>gestellt.  Das  mit 
Kieselsäure  gemengte  Gold  digerirt  man  nach  dem  Wägen 
mit  Königswasser,  und  bestimmt  das  Ungelöste.  Ein  an- 
derer Theil  des  Glases  wird  auf  ähnliche  Art  aufgelöst,  und 
nach  der  Methode  von  Fuchs  mit  Kupferblechstreifen  ge- 
kocht, um  das  Eisenoxyd  zu  bestimmen. 

Da  die  Oxydulbestimmung  mir  genauer  zu  sejn  scheint, 
80  wurde  diese  vorzugsweise  in  Anwendung  gebracht.  Die 
Kupferprobe  giebt  oft  bei  Wiederholungen  ziemlich  ab- 
weichende Resultate,  deren  Grund  man  nicht  einsieht. 

Um  die  Methode  zu  prüfen,  habe  ich  ein  Silicat  ge- 
wählt, welches  beide  Oxyde  des  Eisens  enthält,  und  das 
durch  Chlorwasserstoffsäure  zersetzbar  ist.  Der  lAevHt 
von  Elba  enthält  nach  v.  Kobell's  und  meinen  Versuchen 
31  bis  34  Proc.  Eisenoxydul,  nach  der  Formel  33  Proo. 
1,098  Grm.,  auf  die  erwähnte  Art  behandelt,  gaben  0,2685 
Gold,  entsprechend  0,29535  Eisenoxydul  oder  27  Proc. 
E»  wurde  also  weniger  erhalten,  und  diefs  macht  auf  die 
ganze  Eisenoxydulmenge  ^V  oder  18  Proc.  aus.  Wenn 
man  nun  in  anderen  Fällen  der  Wahrheit  näher  kommt, 
so  glaube  ich  doch,  dafs  man  auf  diese  Art  immer  einen 
zu  kleinen  Gehalt  an  Eisenoxydul  finden  wird.  Da  die 
Turmaline  aber  viel  weniger  Eisen  überhaupt  enthalten, 
oft  nur  4  bis  6,  oder  12,  seltener  18  Proc.  in  der  Form 
von  Oxyd,  so  hat  der  Fehler  keinen  sehr  grofsen  Einflufs, 

wenn  er  auch  den  Sauerstoff  der  Basen  R  vermindert  Der 
oben  mitgetheilte  Versuch  würde  z.  B.  bei  5  Proc.  Eisen- 
oxydul  ein  Minus  von  ungefähr  1  Proc.  =0,22  Sauerstoff 
herbeiführen. 


462 

5«  BeMtkmmmg  der  Pkofphar^ure,  Seit  STasberg 
und  Strave  im  moljbdänsaiiren  AannonidL  ein  ▼ortrcOli- 
ches  Mittel,  kleine  Mengen  Phosphoisänre  za  finden ,  ken- 
nen gelehrt  haben,  ist  es  nidit  schwer,  diese  SSnre  in  sehr 
▼ielen  Mineralien  nachzuweisen.  Dieb  gelingt  aodi  beia 
Turmalin,  wenn  man  die  bei  der  Analjse  erhaltene  Thon- 
erde  darauf  untersudit.  In  der  Regel  sind  es  tniüA  mir 
Spuren,  zuweilen  aber  wSgbare  Mengen.  Idi  habe  dami 
die  Auflösung  der-Thonerde  mit  Weinsteinsiure,  Ammo- 
niak und  einem  Talkerdesalz  versetzt,  nnd  die  QoantitSt 
der  phosphorsauren  Talkerde  nach  ^em  GlQhen  bestinunt 

6.  Prüfung  auf  einen  GehaU  an  KoUenMämre.  Wie 
schon  bemerkt,  will  Hermann  in  den  meisten  Turmalinea 
Kohlensäure  gefunden  haben,  und  zwar  1^  bis  24*  Proc 
Nur  mancher  rothe  Turmalin  enthielt  sie  nicht.  Offenbar 
könnte  die  Kohlensäure,  da  sie  sich  durch  stärkere  Säu- 
ren nicht  austreiben  läfst,  kein  Resultat  späterer  Umwand- 
lung der  Tnrmalinmasse  seyn.  Hermann  ffilurt  an,  dab 
Splitter  des  Minerals  in  einer  Boraxperle  beim  Erhitzen 
eine  Gasentwicklung  zeigen,  die  weder  von  Wasser  noch 
von  Fluorkiesel  herrühre.  Als  er  ausgesuchte  Krystalle 
eines  in  Granit  vorkommenden  braunen  Turmalins  in  ei- 
nem Porcellanrobr  sehr  stark  glühte,  entstand  bei  der  Tem- 
peratur, bei  welcher  das  Mineral  aufschwillt  und  schmilzt; 
plötzlich  eine  lebhafte,  doch  bald  vorübergehende.  Gas- 
entwickluDg;  das  Gas  trübte  Kalkwasser;  der  Niederschlag 
löste  sich  in  Säuren  mit  Brausen  auf,  und  Anunoniak  er- 
zeugte ihn  nicht  wieder.  Er  betrachtet  demzufolge  Koh- 
lensäure als  den  Grund,  weshalb  die  meisten  Turmaliae 
in  starker  Hitze  sich  so  bedeutend  aufblähen,  und  bestimmte 
ihre  Menge  einfach  durch  den  dabei  stattfindenden  Ge- 
wichtsverlust, der  demjenigen  gleich  ist,  welcher  beim  Zu- 
sammenschmelzen mit  Boraxglas  sich  zeigt. 

Hiernach  hat  es  in  der  Tbat  den  Anschein,  als  sej  die 
Kohlensäure  in  den  Turmalinen  durch  entscheidende  Ver- 
suche nachgewiesen,  obwohl  schon  früher  C.  Gmelin  durch 


463 

Glüheo  von  TanDalinpaWer  mit  Kopferoxjd  keine  Spür 
KohfeDsäure  bemerken  konnte. 

Ich  habe  mir  viele  Mühe  gegeben»  diese  Angaben  Her. 
mann's  zu  prüfen,  kann  sie  aber  durchaas  nicht  bestäti- 
gen. Kein  eitviiger  der  von  mir  untersuchten  Turmaline  ent^ 
hält  eine  Spur  Kohlensäure.  Zwar  ist  es  richtig ,  dads  beim 
Schmelzen  des  Turmalins  mit  Borax,  so  wie  bei  heftigen» 
Glühen  des  Minerals  für  sich  ein  Verlust  durch  das  Ent- 
weichen flüchtiger  Stoffe  stattfindet,  der  von  1,8  bis  fast 
4  Proc  variirt.  Allein  er  besteht  nicht  in  Kohlensäure. 
Eis  wurde  grobes  Turmalinpulver  in  einem  Porcellßnrohr 
bei  Coaksfeuer  bis  zum  Schmelzen  erhitzt,  und  weder  in 
einem  angefügten  graduirten  Rohr  über  Quecksilber  ein 
merkliches  Gasvolum  erhalten,  noch  in  Kalk-  oder  Baryt- 
wasser eine  Trübung  bemerkt;  nur  die  in  dem  Apparat 
enthaltene  Luft  trat  bei  jenem  Zeitpunkte  lebhafter  heraus. 

Dagegen  habe  ich  in  allen  darauf  geprüften  Turmalineu 
Fbior  gefunden,  welches  die  früheren  Untersucher,  gleich 
wie  Hermann,  übersehen  haben,  wiewohl  es  nicht  schwer 
ist,  sich  von  seiner  Gegenwart  zu  überzeugen. 

Glüht  man  nämlich  ein  Gemenge  von  Turmalinpulver 
ond  geschmolzenem  Phosphorsalz  auf  einem  in  eine  offene 
Glasröhre  halb  eingeschobenen  Streifen  Platinblech  vor  dem 
LiHhrohr  auf  die  bekannte  Art,  so  wird  das  Glas  merklich 
trübe  und  ein  feuchtes  Fernambukpapier  gelb. 

Wenn  man  Turmalin  mit  kohlensaurem  Alkali  schmilzt, 
die  Masse  auslaugt,  die  Flüssigkeit  mit  kohlensaurem  Am- 
moniak digerirt,  und  dann,  nach  Uebersättigen  mit  Chlor- 
wasserstoffsäure, mit  Ammoniak  und  Chlorcalcium  vermischt, 
so  erhält  man  allerdings  oft  keinen  Niederschlag.  Allein 
diefs  hat  seinen  natürlichen  Grund  theils  in  der  Löslich- 
keit des  Fluorcalciums  in  Ammoniaksalzen,  theils  in  dem 
Gehalt  der  Turmaline  an  Fluorborverbinduugen,  welche, 
wie  es  scheint,  durch  das  Schmelzen  nicht  oder  nicht  voll- 
ständig zerlegt  werden.  Denn  ich  habe  mehrfach  gesehen, 
dafs  der  mit  Wasser  ausgelaugte  Rückstand,  nachdem  er 


464 

io  gelinder  Wärme  durch  Chlorwasserstoffsäure  zerlegt, 
und  die  Kieselsäure  abgeschieden  war,  mit  Ammoniak*  eine 
Thonerdefällung  gab,  die  mit  concentrirter  Schwefelsäure 
deutliche  Glasätzung  hervorbringt.  In  manchen  Turmali- 
nen,  z.  B.  dem  rothen  von  Rozena,  ist  fibrigens  die  Menge 
des  Fluors  so  bedeutend,  dak  man  durch  Fällung  mit  Chlor- 
calcium,  wenn  man  sich  der  Methode  von  H.Rose')  be- 
dient, und  Ammoniak  ausschliefst ,  ziemlich  viel  Fluorcat 
*cium  erhalten  kann. 

6.  Bestimmung  des  Fluors  durch  Glühen  des  Turmalins. 
Wenn  die  Turmaline  Fluor  enthalten,  so  ist  es  klar,  dafs 
bei  starkem  GlQhen  Fluorkiesel  oder  Fluorbor  oder  beide 
entweichen.  In  der  That,  wenn  man  eine  gröfsere  Menge 
(ich  wandte  den  rothen  Turmalin  von  Paris  in  Maine  aa) 
in  einem  Porcellanrohr  stark  glüht,  so  verändert  er,  wenn 
man  die  Hitze  nicht  auf  einen  gewissen  Punkt  steigert,  sein 
Gewicht  fast  gar  nicht.  Dann  aber  erfolgt  jene  Abnahme, 
und  man  findet  nach  dem  Erkalten  des  verschlossenen  Rohrs 
an  beiden  Enden  etwas  von  einer  durch  die  Feuchtigkeit 
entstandenen  stark  sauren  Flüssigkeit;  spült  man  sie  mit- 
telst Wasser  heraus,  so  schwimmen  schillernde  Blättcheo 
von  Kieselsäure  darin.  Mit  kohlensaurem  Natron  schwach 
übersättigt  und  mit  Chlorcalcium  vermischt,  giebt  sie  einen 
Niederschlag,  der  mit  Schwefelsäure  glasätzmde  Dämpfe 
liefert;  Borsäure  läfst  sich  nicht  wahrnehmen.  Es  ist  mit- 
bin erwiesen,  dafs  beim  Glühen  des  Turmtalins  Fluorkiesel 
entweicht  und  dafs  die  Veränderung,  welche  der  Turmalin 
dabei  erleidet,  das  Aufschwellen  insbesondere  bierin  sei- 
nen Grund  hat.  Wird  aber  alles  Fluor  auf  diese  Weise 
abgeschieden,  und  besteht  der  Gewichtsverlust  nur  aus  Fluor- 
kiesel? diese  Fragen  lassen  sich  nicht  beantworten.  Jenes 
möchte  ich  glauben,  da  Forchhammer  auf  gleiche  Weise 
in  der  Hitze,  wobei  Roheisen  schmilzt,  das  Fluor  im  To« 
pas  und  Pykuit  quantitativ  bestimmt  hat  ^).    Schon  Klap- 

rotb 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  79,  S.  1J2. 

2)  Journ.  f.  pract.  Chero.  Bd.  30,  S.  400. 


465 

roth  fand,  dafs  der  Topas  beim  Glühen  20Proc.  Terliert. 
Forchhamnier  fand  23  —  23,5 — 24,8  Proc,  and  wenn 
man  diesen  Verlast  als  Floorkiesel  ansieht,  so  stimmt  der 
80  berechnete  Gehalt  von  Fluor  mit  dem  direct  bestimmten 
fiberein.  Der  Pyknit  verliert  nach  Klaproth  25  Proc. 
(=s  17,91  Flnor),  während  er  nach  Berzelias  16,^4,  nach 
Forchhammer  18,48  Proc.  Fluor  enthält.  Dafs  aber  die 
Temperatur  hinreichend  hoch  sejn  müsse,  um  alles  Fluor 
aaszatreiben,  ergiebt  sich  aus  einem  Versuche,  wonach  iß 
Grm.  Pyknit,  die  ich  in  doppelten  Platintiegeln  im  Wind- 
ofen zwischen  Coaks  glühte,  nur  15  Proc,  entsprechend 
10,75  Proc.  Fluor,  verloren  hatten. 

Da  der  Turmalin  nur  ein  wenig  hygroskopische  Feuch- 
tigkeit enthält,  und  die  zum  Glühen  bestimmten  Proben 
vorher  über  der  Lampe  schwach  geglüht,  und  dann  erst 
gewogen  wurden,  so  dürfte  wenigstens  Wasser  nicht  mit  in 
jenem  Gewichtsverlust  enthalten  seyn.  Ich  habe  deshalb 
die  Annahme  gewagt,  dafs  derselbe  die  Quantität  des  im 
Tarmalin  enthaltenen  Fluors  liefere,  indem  100  Theile,  als 
Flaorkiesel  betrachtet,  =71,66  Fluor  sind. 

Dieser  Fluorgebalt  ist  natürlich  die  Ursache,  dafs  man 
bei  der  Analyse  des  Turmalins  etwas  zu  wenig  Kieselsäure 
arbält,  weil  beim  Abdampfen  der  sauren  Flüssigkeit  Fluor- 
kiesel fortgeht.  Deshalb  tritt  auch  bei  der  Bestimmung 
der  Kieselsäure  im  geglühten  Turmalin  der  Unterschied  in 
dem  Gehalt  wenig  oder  gar  nicht  hervor,  wie  viele  der 
später  mitzutheilenden  Analysen  darthun,  obwohl  er,  wenn 
darchs  Glühen  eine  gewisse  Menge  Kiesel  verflüchtigt  ist, 
am  eine  entsprechende  Gröfse  sich  vermindert  zeigen  sollte. 

7.  Bestimmung  der  Borsäure.  Es '  wäre  von  grofsem 
Interesse  gewesen,  für  die  Analyse  der  Turmaline  eine  ge- 
naue Bestimmung  der  Borsäure  vornehmet  zu  können.  Ich 
habe  mehrfache  Versuche  gemacht,  sie  durch  Basen  abzu- 
scheiden, obwohl  ganz  vergeblich,  da  kein  borsaures  Salz 
anauflüslicb  oder  anzersetzbar  durch  Wasser  ist.  Bei  der 
Anwesenheit  von  Fluor  v^ird  die  Abscheidung  jder  Säure 
nooh  schwieriger. 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  30 


Berxeliss  Bdim  ^^w. 


fcUagp  obtrilt,  m 

ridrtigct  Rcwlfat   «rfcilt.     Eä  ssicfccs  «ifccul  der  raihe 

ToTBalin  Too  Elba  (s^  wcücr  — tm)  gcgebca  la  haiicn. 

Bei  de«  rvlhcB  Tsnudn  tob  PSwis  kabe  kb  cioca  an- 
dercB  Weg  venacbt,  wliürb  <be  dorcb  Aaslangeo  des  mit 
Alkali  cccjtebtcn  lÜMrab  mit  Waner  erbaltcoe  FÜsfligkcit 
nach  wiederhoiter  PigciikMi  ait  koUeasaiveii  0  ■— imiifc 
mr  Troduie  einfmdaiaptcn,  and  de»  Rest  ait  starker  Schwe- 
felsäiire  zn  zeraetzen.  Heiber  Alkohol  löste  daui  die  Bar- 
saure  auf,  die  aüt  Awoniik  gesattigl  wmi  ab^nhaipft 
wurde.  Aber  obgkicb  ihre  QuaDlität  sehr  gpii  der  bereck- 
aeteo  Bfenge  eotsprickty  so  dfirfte  diefs  Dock  nickt  iBmer 
der  Fall  seyii,  besonders  weon  Fluor  zugegen  ist. 

Die  Bortöure  nnfste  daher  fast  in  allen  Fallen  aas  den 
Verlast  berecbnet  werden. 


In  dem  Folgendoi  sind  nun  die  Resultate  der  Aoalj- 
«en  nitgetbeilty  nachdem  die  auÜBere  Besckaffenheit  jeder 
Abänderung,  ihr  specifisdies  Gewicht,  Verhalten  vor  dea 
Ldthrohr  and  im  Windofen  aogefQhrt  ist.  Was  das  leta- 
lere betrifft,  so  wurden  die  Tormalioe  in  Focm  ganz  klei- 
ner SlGckchen  oder  groben  Palvers  in  eioeD  Platintiegel 
gebracht,  dieser  in  einen  gröberen,  ond  dieser  wiederam 
auf  einer  Unterlage  ¥on  Talkerde  in  einen  bedeckten  hes« 
fftscheo  Tiegel  gestellt,  den  man  im  WindoCeu  eine  Stunde 
lang  zwischen  Coaks  einer  starken  Glühhitze  aUsseiate« 

i>ie  apaljfiischen  Angaben  sind  mit  Wegldssung  der  De- 
tails sogleich  in  Procenten  berechnet.    Um  aber  bei  etsrai- 


467 

gen  spSteren  AtomgewichfsSnderaDgen  die  nötbigeu  Cor- 
rectiooen  anbringeu  zu  können,  stelle  ich  hier  die  von 
mir  gebrauchten  Werthe  zusainiiien: 

Kieselsaure,  Si,  =  577,31;  =  51,96  Proc.  Sauerstoff. 

Borsäure,  B,  =  436,2;  =  68,78  Proc  Sauerstoff. 

Fluor,  FI,  =  233,8. 

100  Fluorkiesel  =  71,66  Fluor. 

Thonerde,  AI  =  642,33;  =  46,7  Proc  Sauerstoff. 

Eisenoxjd,  Fe,  =s  1001,05;  =  29,97  Proc.  Sauerstoff. 

Eisenoxjdul,  Fe,  ss  450,53;  aez  22,2  Proc.  Sauerstoff. 
100  Kupfer  s  126,5  Eisenoxyd. 
100  Gold  s  109,94  Eisenoxjdul. 

•  •  • 

Manganoxyd,  Hn,  =  991,77;  r=f  30,25  Proc.  Sauerstoff. 

Manganoxydai ,  Mn,  445,89;  =  22,43  Proc.  Sauerstoff. 

100  MnMo  =    93,044  Mn 

=:  103^48  iin. 

Talkerde,  Mg  s  254,5;  =s  39,3  Proc;  Sauerstoff. 

100  Mg»  P  =  36,32  Mg. 

Kalkerde,  Ca,  =s  351,5;  =  28,45  Proc.  Sauerstoff. 

100  Ca  C  =  56,07  Ca. 

Natron,  Na,  =  390,9;  ==  25,58  Proc  Sauerstoff. 

100  Na  Cl  =  53,24  Na. 

Kali,  k,  =  588,85;  =r  16,98  Proc.  Sauerstoff. 

100  KCl+PtCP  =s  19,29  k 

=  30,54  K  CI. 

Lithion,  Li,  =  182,03;  =:  54,93  Proc.  Sauerstoff. 

100  LiCI  =  34,65  Li. 


30* 


468 


Resultate  der  Analysen. 
No.  1. 

Braiiner  Turoialin  von  Gouverneur,  St.  Lawrence 
Coantj;  New-York,  in  den  vereinigten  Staaten. 

Nach  Dana')  kömmt  dieser  Turmalin  am  genannten 
Orte,  von  Apatit  und  Skapoiith  begleitet ,  im  körnigen 
Kalk  Tor.  Nach  Demselben  sind  die  Krjstalle  oft  sehr 
flächenreich,  und  bilden  neunseitige  Prismen,  begränzt  am 
einen  Ende  von  dem  Hauptrhbmboeder  und  dem  ersten 
schärferen,  am  anderen  vom  IJauptrhomboeder  und  dem  er- 
sten stumpferen.  6.  Rose,  welcher  die  KrjstaUform  und 
das  elektrische  Verhalten  dieser  Varietät  genauer  untersacht 
hat  ^),  fand  au  ihr  fast  alle  Flächen,  die  überhaupt  beim  Tur- 
malin vorkommen,  nebeu  mehreren  neuen.  Denn  aufser- 
dem,  dafs  die  Seitenflächen  vorherrschend  ein  dreiseitiges 
Prisma,  sodann  das  zweite  sechsseitige  Prisma,  das  andere 
dreiseitige,  das  zwölfseitige  und  den  Hälftflächner  eines  an- 
deren livölfseitigen  Prismas  zeigen,  treten  von  Endflächen 
das  Hauptrhomboeder,  das  erste  und  zweite  schärfere  und 
das  erste  stumpfere,  ein  Rhomboeder  -^a*  :^a^  :  anaiCf 
so  wie  vier  Skalenoeder  auf,  von  denen  ^a:  ia:2a:c  tind 
-^ai^aiaic  neu  sind. 

Die  von  mir  untersuchten  Exemplare  verdanke  ich  dem 
Hrn.  Dr.  Tamnau.  Der  Turmalin  bildet  an  ihnen  un- 
deutliche Krystalle  und  kristallinische  Massen  von  einer 
rothbraunen  Farbe,  wie  siq  mancher  Granat  zeigt.  Er  liegt 
in  grofsblätterigem  Straklstein,  und  von  diesem  durchwach- 
sen,  der  hier  und  da  von  Spuren .  gelbgrünen  Epidots  be« 
gleitet  ist,  und  dessen  Analyse  weiter  unten  folgt. 

Das  spedfische  Gewicht  fand  sich  =3,049. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  er  leicht  unter  Aufschwellen 
zu  einem  weifsen  blasigen  Email  und  färbt  die  Flamme  gelb. 

Im  Ofen  geglüht ^  schmilzt  er  zu  einer  theils  vollkom- 

1 )  Sxsi.  of  Min.  IL  EdiL  p.  390. 

^)  Abhandl.  der  K.  Acad.  d.  Wlss.    za  Berli'n    vom  Jahre  1843.     lieber 
die  P)-roelckt#kkät  der  Mineralien ,  von  P.  Riefs  und  G.  Rose.    S.  68. 


469 

men  geflossenen,  theils  blasigen  weifsen  Masse,  tvelche 
ein  yiel  gröfseres  Volum  einnimmt.  Der  Gewichtsverlust 
betrug  3,19  p.  C,  entsprechend  2,28  Fluor.  100  Th.  des 
gegiGhten  Minerals  sind  hiernach  =103,3  des  ungeglQhten. 

a.     Analjse  mit  kohlensaurem  Natron  und  Kali. 

'  6.     Desgl.  des  geglühten  Minerals  * ). 

c.  Wiederholung  von  b  mit  Anwendung  von  kohlen- 
saurem Natron  allein. 

d.  Anaijrse    des  geglühten  Minerals  mit  Fluorwasser- 
stoffsHure. 

6',  c\  (t,  sind  die  Berechnungen  von  b,  c  und  d  auf 
das  ungeglöhte  Mineral. 

a»          h,  '  c.          d,          b,  c.         d!, 
Phosphorsäure   Spur 

Kieselsäure       38^9  40,34  40,18             39,05  38,90 

Thonerde          33,41  31,47  31,08  30,47  30,09 

Eisenoxyd            1,13  1,28    1,43  1,28    1,39 

Talkerde            14,86  15,2115,58  14,72  15,09 

Kalkerde             1,65  1,72     1,51  1,67     1,46 

Natron  1,32  1,28 

Kali  0,27  0,26 


Sauerstoff. 


26,85 
15,00 


Zusammenstellung: 

Fluor  2,28 

Phosphorsänre      Spur 

a.  V.  c\  Kieselsäure         38,85  20,18 

Borsäure               8,25  5,67 

a,  c\  a.  Thonerde             31,32  14,62 

Eisenoxjd             1,27  0,38 

Talkerde              14,89  5,85 

Kalkerde                1,60  0,45 

Natron                   1,28  0,33 

Kali                       0,26  0,04 

100. 
Der  diesen  Turmaliu  begleitende  weifse  SirdhUtein  hat 
ein  spec.  Gew.  =:3,00,  und  enthält: 

1  )  Nor  die  Kieselsäure  bekimnit. 


6,67 


470 


Saaentoir. 

Kieselstare    57,40 

29,82  1 

30,46 

Thonerde        1,38 

0,64  i 

Talkerde        24^9 

9,71  j 

Kalkerde        13,89 
Eisenoxjdul    1,36 

3fi5  ( 
0,30  l 

13,96 

Wasser            0,40 

1 

99,12. 

Das  für  die  Hornblende  geltende  SauerstoffTerhaltnib 
4 : 9  würde  13,54  :  30,46  sejn. 

No.  2. 
Braoner  Turmalin  von  WindUch-Kappel  in  Käratb«!. 

Das  VorkomineD  dieser  schönen  Abänderung  scheint 
nicht  genaa  bekannt  zu  seyn.  Die  kurzen  und  dicken  Kry- 
stalle  werden  von  dem  neunseitigen  Prisma,  dem  Haopt- 
und  dem  ersten  schärferen  Rhomboeder  gebildet.  Ich  erhielt 
Exemplare  theils  von  Hrn.  Bergrath  Haidinger,  theils  voa 
Hrn.  Dr.  Tamnau.  Es  sind  Bruchstficke  ohne  Endflächen, 
gelbbraun  geförbt,  durchsichtig;  zuweilen  schliefst  ein  scharf 
abschneidender  dunklerer  Mantel  einen  helleren  Kern  ein, 
oder  Parthieen  beider  Art  durchdringen  sich  gegenseitig. 
In  Höhlungen  der  Oberfläche  so  wie  im  Inneren  findet 
man  einzelne  silberweifse  Glimmerblättchen. 

DojT  spec.  Gew.  ist  sc  3,035. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  dieser  Tqfpälio  ziemlich 
leicht  zu  einem  weifsen  blasigen  Glase. 

Im  Ofen  geglüht,  schmilzt  er  unter  stark jem  Aufschwel- 
len zu  einer  weifsen  bimssteinartigen  Masse,  und  verliert 
dabei  2,93  Proc. ,  entsprechend  2,1  Fluor.  100  gegltihter 
sind  hiernach  =:  103«02  ungeglühten  Turmaljnß. 

a.  Mit  kohlensaiirem  Natron.  Die  Masse  war  ge- 
sintert. 

b.  Desgleichen. 

c.  Geglühter  T.  mit  Fluorwasserstoffsäure.^ 

c'.     Berechnung  von  c  auf  ungi^gltthtes  Mineral. 


471 


e. 


c'. 


Phospborsäure      0,12 

Kieselsäure         38,48 

37,67 

Thoaerde            37,37 

34,05 

35,40 

34,37 

Eisenoxyd             1,31 
Manganoxyd         0,10 

1,81 

1,09 

1,06 

Taikerde             10,34  ' ) 

11,30 

11,47 

11,14 

Kalkerde               0,71 

0,51 

0,60 

0,60 

Natron 

2,44 

2,37 

Kali 

0,48 

0,47 

Zusammenstelli 

ing: 

1 

1 

Sauerttoff. 

Fluor 

2,10 

Phosphorsäure 

0,12 

a.  6.       Kieselsäure 

38,08 

19,78  ) 

26,23 

Borsäure 

9,39 

6,45  j 

6.  d.  Thonerde 

34,21 

15,97  j 

«.  b.  c.  ^'^^^^J^  ^   \ 
Manganoxyd  ) 

1,43 

0,43  1 

16,40 

b.  c\      Talk  erde 

11,22 

4,41  ) 

a.  h,  cf.  Kalkerde 

0,61 

0,17  ( 

5,26 

,  Natron 

2,37 

0,60  ( 

Kali 

0,47 

0,08  ) 

100. 


No.  3. 

Turmalin  vod  Klbenstock  In  Sachsen. 

Ganze  Massen,  aus  vielen  kleinen  conceutrischstrahlig 
gruppirten  Prismen  eusammengesetzt,  die  im  Ganzen  dun- 
kelgrün erscheinen,  aber  theils  farblos,  theiis  mit  rölhlicher 
oder  grüner  Farbe  durchsichtig  sind.  Sehr  zerbrechlich. 
Spuren  anhängenden  verwitterten  Feldspaths  deuten  auf  ein 
Vorkommen  in  Granit.  Ich  erhielt  das  Mineral  durch  Hrn. 
Bergrath  Haidinger. 

1 )  £lne  kleine  Menge  ging  verloren. 


472 


A»  $pe(ifsAt  Gtmida  ist  =3,l»l. 

¥ar  dem  UfOm^kr  biskt  »ch  dkscr  Twilin  «if,  mid 
sckaiizt  Icicbt  m  cnicr  wcibcii  blasigen  Pcrk^ 

£■  flf^oi  fciaiiit  er  m  einer  gelblicfcweilsen  ao^escbwot 
leneo  Mafse,  ond  Terlicrt  dabei  3^  Proc:,  eatsprecbend 
2^51  Proc  Fluor.  100  TL  des  g^hteii  Minerals  sind 
=rI03^  des  mgeglfibtcB. 

o»    Mit  koUensanreai  Natron -KalL 

h.    Geglöhter  mit  kohlensaarem  Natron. 

e.  Desgl.  mit  Floorwasserstofüsaore. 

V  ond  ^  sind  h  und  e^  aof  oogeglöhtes  Mino-al  be- 
redioet 

Eine  Probe  aof  Eisenoxydol  mittelst  Golddilorid  in  der 
Aoflösoog  des  mit  Borax  geschmolzenen  Pulvers  gab  rin 
negatives  Resultat. 


m. 

h. 

»'.              e.              t\ 

Kieselsäure    37,83 

30,04 

37,67 

Thonerde 

30,78 

32,32 

31,19      31,72      30,61 

Eisenoxjd 

4,85 

5,03 

4,85       nicht  bestimmt 

TalLerde 

12,28 

11,88 

11,47       11^1       11,11 

Ralkerde 

0,71 

0,77 

0,74        1,22        1,18 

Natron 

2,35        2,27 

Kali 

0,31        0,30. 

Zosammenstelluiig: 

SanerstofT. 

Fluor 

2,51 

a. 

Kieselsaare    37,83 

'S  I  '-•■'^ 

Borsäare 

8,88 

a.  &'•  c. 

Thonerde 

30,86 

r«!".«« 

Eisenoxjd 

4,85 

Talkerde 

1 1,62 

4,56  ) 

Kalkerde 

0,88 

0,58        ^^^ 

c'. 

Natron 

2,27 

Kali 

0,30 

0,05  ] 

lUO. 


473 

Der  von  Klaproth  und  später  Ton  C.  Ginelin  un- 
tersuchte Tunnalin  von  Eibenstock  ist  eine  andere  schwarze 
VarietHt,  die  mit  Quarz  zusammen  vorkommt,  und  bei  einem 
hohen  Eisengehalt  nur  eine  ganz  geringe  Menge  Talkerde 
enthält. 


No.  4. 

Brauner  Tarmalin  von  Orford,  New-Hampsbire  in  den 

vereinigten  Staaten« 

Von  Hrn.  Prof.  Sil  lim  an  jun.  erhielt  ich  Krystalle 
von  dieser  Localität,  sechs-  und  neunseitige  Prismen,  von 
ansehnlicher  Gröfse,  zum  Theil  mehre  Zoll  im  Durchmes- 
ser haltend,  an  den  Enden  verbrochen.  Ihre  Farbe  ist 
braunschwarz;  dünne  Splitter  sind  mit  braungelber  Farbe 
durchsichtig.  Auch  sie  haben  zuweilen  einen  dunkleren  Kern, 
dessen  Gränze  den  Prismenflächen  parallel  geht.  Sie  liegen 
in  einem  griinlichgrauen  Talkschiefer,  und  es  sind  ihre  Flä- 
chen da,  wo  der  letztere  sie  bedeckt,  obwohl  glänzend, 
doch  uneben  und  mit  regelmäfsigen  dachziegelarügen  Ein- 
drücken versehen.  Blättchen  von  Talk  oder  Glimmer  sind 
einzeln  in  der  Turmalinmasse  zerstreut. 

Das  spec.  Gewicht  ist  nach  zwei  Verisuchen  =^,051 
und  3,085;  (Mittel  =  3,068). 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  er  unter  Aufschwellen  zu 
einer  weifsen  feinblasigen  Schlacke. 

Im  Ofen  liefert  er  eine  graue  geschmolzene  Masse,  wo- 
bei er  3,49  Proc.  verliert,  entsprechend  2,5  Fluor.  100  Th. 
des  geglühten  sind  =:  103,63  des  ungeglühten  Minerals. 

a.  Mit  kohlensaurem  Natron. 

b.  Desgleichen. 

c.  Mit  kohlensaurem  Baryt  und  Fluorwasserstoffsäure. 

d.  Geglühtes  Mineral  mit  Fluorwasserstoffsäure, 
cf.    Berechnung  von  d  auf  ungeglühtes  Mineral. 

e.  Eisenoxydulbestimmung  mittelst  Goldchlorid. 

/;  Bestimmung  von  Kieselsäure,  Phosphorsäure  und 
Borsäure,  letztere  als  Borfluorkalium. 


474 

«.           &.           e;  rf.          if.                   &  /. 

Pbofipborsäore  0»24 

Borsäure  9,86 

Kieselsäure        38,45  38^00  nicht  best.                     38^ 
Thonerde          34,16  30,60  32,75  33,72  32,54 

Eisenoxyd           3,29    3,63    2,62  3,37    3,25    Fe  0,12 


Natron  | 
Kali      \ 


Ml     1,69     1,63 


Zasammenst  eilung: 

Fluor  2,50 

Phosphorsäure    0,24 


Smerstoft 


a.  b.  e.  f.  Kieselsäure 

38^3 

19,91 

Borsäure 

9,86 

6,78 

o.  6.  c.  (f.  Thonerde 

33^15 

15,48 

Eisenoxyd 

3,07 

0,92 

e.  f.  Eiseooxydul 

0,12 

0,02 

a.  b.  c.  d.  Talkerde 

10.89 

4,28 

a.  c.  Kalkerde 

0,77 

0.22 

j,  Natron    ) 
*'•  ^'  Kali         i 

1,52 

0.39 

26,69 
16,40 


4,91 


100,45. 

No.5. 

■rauaer  Tarmalio  v^m  Mooroe  io  Coaneeticot  in  ^en 

vereinigten  Staaten. 

Einzelne  und  mit  einander  verwachsene  Krystalle  von 
ansehnlicher  Gröfse,  das  neunseitige  Prisma  mit  dem  Haupt- 
rhomboeder  am  einen,  dem  ersten  stumpferen  am  ande- 
ren Ende  ^  )•  Sie  kommen  im  Glimmer-  und  Talkschiefer 
vor.  Ihre  Flächen  sind  glatt  und  glänzend,  nur  die  des 
ersten  stumpferen  RhomboSders  erschienen  rauh,  und  von 
den  Eindrücken  des  Schiefers  wie  zerfressen.    Dünne  Split- 

1)  S.  Dana  System.     S.  389. 


475 

ter  sind  mit  rothbrauner  Farbe  darcbscbeinend.  Auf  den 
Ablösungsflächen  bemerkt  man  einzelne  GlimmerblSttchen. 
Die  untersuchten  Exemplare  verdanke  ich  Hrn.  Sil  lim  an. 

Das  9pec,  Getoickt  ist  =3,066. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  dieser  Tarmalin  ziemlich 
leicht  zu  einer  weifsen  blasigen  Schlacke. 

Im  Ofen  yerwandelt  er  sidi  in  eine  aufgeschwollene 
grauweibe  Masse,  wobei  er  3,32  Proc.  verliert,  =2,38 
Fluor,  so  dafs  100  Tb.  des  geglQhten  =  103,43  des  unge- 
glfihten  sind. 

a.  Mit  kohlensaurem  Kali -Natron.  Geschmolzene  hell- 
grfingelbe  Masse,  die  mit  Wasser  und  Chlorwasserstoffsäure 
eine  klare  Auflösung  gab. 

a.    Geglühter  T.  mit  Fluorwasserstoffsäure. 

b\    Berechnung  von  b  auf  ungeglQhte  Substanz. 

c.    Eisenoxjdulbestimmung  mittelst  Goldchlorid. 

a,  b.  b,  '       c  . 

Kieselsäure    39,01 

Thonerde       31,71        31,70        30,65 

Eisenoxyd  5,13  6,36  6,15        Fe  0,98 

Talkerde  9,92         10,22  9,88 

Kalkerde  1,81  2,73  2,64 

Natron  1,88  1,82 

Kali  0,45  0,44. 


Zusammenstellung: 

Fluor  2^38 

Kieselsäure  39,01  20,27 

Borsäure  9,04  6,21 

a.  b\  Thonerde  31,18  14,56 


SauerstoflT. 


28,48 
15,59 


Eisenoxjd  3,44  1,03 

Eisenoxjdal  0,98.  0,22 

Talkerde  9,90  3,89 

Kalkerde  1,81  0,51  )    5,15 

Natron  1,82  0,46 

KaU  0.44  0,07 
100. 


476 


No.  6. 

Schwarzer  Tarmalin  vom  Zilleithal  in  TyroL 

Schwarze  neunseitige  Prismen,  an  denen  das  dreiseitige 
vorherrscht,  mit  verbrochenen  Enden,  in  weifsem  hartem 
körnigem  Talk  liegend,  hie  und  da  von  grfinem  Strahlstein 
begleitet.  Die  Flächen  sind  theiis  glatt  und  glänzend,  theils 
rauh  und  drusig.  Dünne  Bruchstücke  sind  vollkommen 
durchsichtig,  und  zwar  in  senkrechter  Richtung  auf  die 
Hauptaxe  mit  nelkenbrauner,  ins  violette  fallender  Farbe, 
parallel  derselben  mit  grüner  Farbe.  Ihr  Pulver  ist  grau. 
Die  untersuchten  Exemplare  erhielt  ich  von  Hrn.  Hai- 
dinger. 

Ihr  spec.  Gewicht  ist  =  3,054. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  dieser  Turmalin  mit  starkem 
Glanz  und  unter  Aufblähen  ziemlieh  leicht  zu  einem  wei- 
fsen  schaumigen  Glase. 

Im  Ofen  gab  er  eine  sehr  aufgeschwollene  bimssteinar- 
tige grauweifse  Masse,  und  hatte  3,54  Proc.  verlören,  ent- 
sprechend 2,5  Fluor,  so  dafs  100  Th.  des  geglühten  Mine- 
rals =  103,67  des  ungegifihten  sind. 

a.  Mit  kohlensaurem  Natron. 

b.  Geglühter  desgl. 

b\    Berechnung  von  b  auf  das  ungeglühte  Mineral. 

c.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 

c\    Berechnung  von  c  auf  das  ungeglühte  Mineral. 

d.  Bestimmung  des  Eisenoxjds  mit  Kupfer,  und  des 
Oxyduls  mit  Goldcblorid. 

a.  h.  b'.  c. '  <^,  d. 

Phosphorsäjjre   0,24 
Kieselsäure      37,94    38,90    37,52 


Tbonerde 

32.98 

37,19 

35,87 

35,56 

34,30 

Eisenoxyd 

2.91 

3,57 

3,44 

3,36 

3,24 

2,00 

Talkerde 

10,44 

11,10 

10,71 

10,61 

10,23 

Fe  0,37 

Kalkerde 

1,13 

1,06 

1,02 

0,80 

0,79 

Natron 

2,21 

2,13 

Kali 

1 

0,38 

0,37 

477 
Zasaminenstellung: 


SaaenlolT. 

Fluor 

2,50 

Phospborsäure 

0,24 

a.  Kieselsäure 

37,94 

19,71 

1  25,61 

Borsäure 

8.58 

5,90 

a.  d.  Thouerde 

33,64 

15,71 

j  16,55 

a.  b'.  d.  Eiseooxyd 

2,79 

0,84 

d.     Eisenoxjdul 

0,37 

0,08 

\ 

a.  b'.  d.  Talkerde 

10,46 

4.11 

1 

Kalkerde 

0,98 

0,28 

}    5,07 

Natron 

2,13 

0,54 

l 

Kali 

0,37 

0,06 

/ 

100. 


No.  7. 
Schwarzer  Tarmalin  von  Godhaab  in  Grönland. 

Bruchstück  eines  gröfseren  Krystalls,  welcher  haupt- 
sächlich von  dem  sechsseitigen  Prisma  gebildet  wurde,  zu 
dem  untergeordnet  das  dreiseitige  hinzutrat;  die  Bhomboe- 
derflächen  der  Enden  undeutlich,  die  Seitenflächen  glatt  und 
glänzend.  In  Höhlungen  gelbliche  Glimmerblätlchen.  Im 
Innern  der  scheinbar  ganz  frischen  sehr  harten.  Masse  ein- 
zelne schwärze  Glimmerlamellen  und  kleine  Parthieen  eines 
weifsen  blättrigen  Minerals..  Dünne  Splitter  sind  an  den 
Räudern  theils  mit  grünblauer,  theils  mit  bräunlich  violet- 
ter Farbe  durchscheinend.  Das  Pulver  ist  bläulich  grau. 
Das  untersuchte  E)xemplar  erhielt  ich  aus  dem  K.  Minera- 
lienkabinet  zu  Berlin. 

Spec.  Gewicht  =  3,072. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  er  unter  starkem  Leuchten 
und  Aufblähen  zu  einer  weifsen  feiublasigcn  Schlacke. 

Im  Ofen  gab  jer  eine  goscbmolzeuH:  a4i(geblähte  poröse 
gelbliche  Masse,  und  verlor  dabei  3,168  Proc,  entsprechend 
2,23. Fluor,  so  dafs  100  Th.  des  geglühten  =  103,21  des 
ungeglühtea  TuntialinsBiod. 


478 

a.  Mit  kohlensattrem  Natron -Kali. 

6.  Desf^leidieo  später. 

c.  Mit  kohlensaurem  Baryt  and  FlaorwasserstofEsäore. 

d.  Geglühter  mit  kohlensaurem  Natron. 

<f .   Berechnung  Ton  d  auf  ungeglQhtes  Mineral. 

e.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 

e\    Berechnung  Ton  e  auf  ungeglQhtes  Mineral. 
*    f,    Eisenozydulbestimmung  mit  Goldchlorid. 

tf.          0»        €•            d,         a»  €.  €•       f. 
Phosphorsäure                            0,11 
KieseUfture            36,88  38,24  37,97      38,92  37,71 

ThoDerde                37,18  ^,92  34,26  )  35,51  34,40 

Eisenoxjrd  mit  et-                                >  38,75  37,55  5,21  5,05 

WM  Masgaa         4,73    4,60    5,25  7  FeO,25 

Talkerde                 10,05    9,55    9,42        9,74    9,44  9,37  9,08 

Kalkerde                             1,04    1,43        1,61     1,56  1,02  1,00 

Nairoo                                          1,69  2^7  2,30 

KaU                                               0,48  0,39  0,38. 


SanerstofT. 


24,65 


Zusammenstellung: 

Fluor  2,23 

Phosphorsäure    0, 1 1 

a.  fr.  c.  Kieselsäure  37,70 

Borsäure  7,36 

6.  c.  e\  Thonerde  34,53         .w,.«   .  17  p;i 

n.  fr.  c.  e'.  Eisenoxyd  4,63  1,39   \      ' 

Eisenoxydul  0,25^ 

a.  fr.  c.  cf.  e\  Talkerde  9,51 

fr.  c.  dl.  e\  Kalkerde  1,25  0,35  \  4,72 

,    Natron  2,00 

^•^*   Kali  0,43 


100. 

No.  8. 

8ehwaraer  Tu^flialR  voD  Tezas^  Lane^aster  Ceaatj  is 

PeBosylTanieB. 

Sehr  dfinne  «ochsseitige  Prismen  ohne  deutliche  End- 
flächen,   in   einem  grauweifsen  iiafftoi  talkartigen  Gestein 


479 

ahlreich  eiugewachsen.  Ihre  Flächen  sind  sehr  glatt  und 
länzend.  Sie  sind  mit  dunkelgrfiner  Farbe  durchscheinend, 
^on  Hrn.  Dr.  Tamnau  mitgetheilt. 

Spec.  Gewicht  =  3,043. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  dieser  Turmalin'  ziemlich 
eicht  mit  starkem  Leuchten  zu  einem  blasigen  grünlich« 
^eifsen  Email. 

Im  Ofen  gab  er  eine  geschmolzene  sehr  aufgeblähte  hell 
livengrfine  Masse.  Verlust  =  3,3  Proc.  =  2,36"  Fluor. 
00  Th.  des  geglühten  =  103,4  des  ungeglühten  Minerals. 

a.    Mit  kohlensaurem  Kali -Natron. 

fr.    Desgleichen. 

c.    Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 

c\    Berechnung  von  o  auf  ungeglühte  Substanz. 
Von  Easenoxydul  fanden  sich  nur  Spuren. 


«. 

h. 

e. 

e. 

Phospborsäure 

0,21 

0,20 

Kieselsäure         37,66 

39,24 

Thonerde            35,13 

34,44 

35,26 

34,10 

Eisenoxjd             3,48 

3,14 

3,42 

3,31 

Mangauoxyd          0,09  | 

9,62 

Talkerde               9,30  j 

8,70 

8,41 

Kalkerde               0,66 

0,88 

0,60 

0.59 

Natron 

2,06 

2,00 

Kali 

0,76 

0,73. 

Zusammenstellung: 

Fluor 

2,36 

Saaerstofr. 

Phosphorsäure 

0,20 

a.  b.  Kieselsäure 

38,45 

19,98  1 

25,81 

Borsäure 

8,48 

5,83  j 

a.  b.  d.  Thonerde 

34,56 

16,14  \ 

Eisenoxyd 

3,31 

0,99  ( 

17.16 

a.  Manganoxjd 

0,09 

0,03  \ 

a.  b.  d.  Talkerde 

9,11 

3,58  . 

Kalkerde 

0,71 

0,20  \ 

4,41 

1 

e'.  Natron 

2,00 

0,51  ( 

Kali 

0,73 

0,12  ) 

100. 


480 


No.  9. 

BrauDSGhwarzer  Turmalin  vom  St.  Gotthardt. 

Isolirt.e  Krjstalle  in  Form  dGnner  neunseitiger  Prismen 
mit  fehlenden  oder  unkenntlichen  Endflächen.  Sehr  glän- 
zend, anf  dem  Bruch  flachmuschlig,  mit  haarbrauncr  Farbe 
durchsichtig. 

Das  Material  verdanke  ich  theils  Hrn.  Bergrath  Hai- 
dinger, theils  Hrn.  Dr.  Tamnau. 

Das  spec.  Gewicht  ist  =3,055. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  diese  Abänderung  unter 
starkem  Aufblähen  zu  einem  blasigen  bräunlichgelbeo  Email. 

Im  Ofen  verwandelt  sie  sich  in  eine  poröse  gelbbraune 
Masse,  ivelche  etwa  das  dreifache  Volum  des  ursprünglichen 
zeigt.  Verlust  in  zwei  Versuchen  =3,19  und  3,31  Proc, 
im  Mittel  also  3,25,  entsprechend  2,33  Fluor,  so  dafs  100  Th. 
des  geglühten  Turmalins  =  103,36  ungeglühten  sind. 

a.  Mit  kohlensaurem  Natron. 

b.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 
b\  Berechnung  von  b. 

c.  Wiederholung  von  6. 
c'.  Berechnung  von  c. 

d.  Bestimmung  des  Eisenoxjduls  mit  Goldchlorid. 

a,  bi         b'.  c.  e'.  d. 

Phosphorsäure    0,24 

Kieselsäure  38,00 

Thonerde  34,02  31,45  30,44  33,47  3^,38 

Eisenoxyd  .8,10  8,33    8,06  8,23  7,96  Fe  1,51 

Talkerde  7,76  6J»Ö    6,^8  7,61  7,37 

Kalkerde  1,18  l,qO,    1,45  1,34  1,30 

Natron  1^27     1,23  1,68  J;63 

Kali  ilidbt  best.  0,2»  0,28 


Zu 


:n)i 


481 
ZusaiDineDstelluog: 


Saaerstoff. 


FIpor 

2,33 

Phoäphorsäure 

0,24 

a,             Kieselsäare 

38,00 

Borsäure 

8,99 

a.  b'.  d.  Tbonerde 

32,28 

Eisenoxjd 

6,36 

i.  Eisenoxydul 

1,51 

a.  V.  d.  Talkerdc 

7,27 

.,     ,   Kalkerde 
Natron 

1,31 

1,43 

c'.  Kali 

0,28 

25,93 
16,98 


19,74   ) 

6,19  i 
15,07 

1,91 

0,33 

2,86 

0,37  )     3,96 

0,35 

0,05 


100. 


No.  10. 

Scbwareer  Turmalin  von  Havredal  bei  Krageroe  im 

südlichen  Norwegen. 

Gröfsere  und  kleinere  Krystalle,  in  Einern  Gemenge  von 
Quarz,  Feldspalh  (Albit)  und  Titaneisen;  zum  Theil  sehr 
reich  an  Flächen,  unter  denen  besonders  die  beiden  sechs- 
seitigen Prismen  (das  erste  mit  abwechselnd  gröfsern  Flä- 
chen), das  zwölfseitige  Prisma,  das  Hauptrhombocder,  das 
erste  stumpfere  und  das  erste  schärfere.  Die  Flächen  glatt 
und  glänzend;  einzelne  Krjstalle  etwas  mürbe  und  bräun- 
lich; Glimmerblättchen  hie  und  da  an  der  Oberfläche  und 
auf  Ablösungsflächen.  DDnne  Splitter  sind  mit  röthlich- 
brauner  Farbe  durchscheinend. 

Das  Material  stammt  aus  dem  K.  Mineraliencabinet  zu 
Berlin. 

Das  spec.  Gewicht  ist  =3,107. 

Vor  dem  Löthrohr  leuchtet  dieser  Turmalin  stark,  und 
schmilzt  ziemlich  leicht  unter  Kochen  zu  einer  hellgrauen 
blasigen  Schlacke. 

Im  Ofen  schmolz  er  zu  einer  graugelben  porösen  Masse 
wobei  2,93  Proc.  Verlust,  =  2,1  Fluor.  100  geglühter 
Tonnalin  =  103,02  des  ungeglfihten. 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  31 


482 


a.  Mit  koblensaureni  Natron. 

b.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 
.    b\    Berechnung  von  fr. 

c.  Bestimmung  des  Eisenoxyds  durch  Kupfer,  des  Ei- 
senoxyduls durch  Goldchlorid. 


Phosphorsäure 

Kieselsäure 

Thonerde 

Eisenoxyd 

Talkerde 
Kalkerde 
Natron 
Kali 


m. 

0,08 
37,11 
31,39 

8,49 

9,77 


h. 


»'. 


c. 


31,96 

8,65 

9,36 
0,82 

1,82 
0,33 


31,02 

8,40 

9,09 
0,80 

1,77 
0,32 


Zusammenstellung: 


Flnor  2,10 

PbosphorsSare  0,08 

a.  Kiesels&nre  37,11  19,28 

Borsädre  8,78  6,04 

a.  y.  Thonerde  31,26  14,60 

a.  b'.  c  Eisenoxyd  7,57  2,27 

c.  Eisenoxjdul  0,77  0,17 

a.  b'.  Talkerde  9,43  3,70 

V.  Kalkerde  0,60  0,23 

Natron  1,78  0,45 

Kali  0,32  0,05 

100. 


Fe  7,34 
Fe  0,77 


SaaerstofE 


25,32 
16,87 


4,6 


No.  Li. 

Scbwarzei^  TurmaliD  von  Ramfossen  bei  Soaram, 
Kirchspiel  Modum  in  Norwegen. 

Bruchstöcke  gröfserer  Krystalle,  an  denen  theils  das 
sechsseitige,  theils  das  dreiseitige  Prisma  vorherrscht  Von 
Endflächen  lassen  sich  das  erste  schärfere  Khomboeder,  und 
untergeordnet  das  Hauptrhomboeder  erkennen.    Die  Kry- 


483 

stalle  &iud  fast  immer  glatt  und  glänzend,  sehr  zu  Abson- 
derungen geneigt,  und  in  dünnen  Splittern  mit  brauner  Farbe 
durchscheinend.  Sie  liefern  ein  grünlichgraues  Pulver.  Im 
Innern  bemerkt  man  hie  und  da  ein  weiCses  blättriges  Mi- 
neral Die  untersuchten  Exemplare  rühren  aus  dem  K. 
Mineraliencabinet  zu  Berlin  her. 

D€ts  spec.  Gewicht  ist  =3,145. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  dieser  T.  mit  Leuchten  und 
Aufblähen  ziemlich  rasch  zu  einer  graubraunen  Schlacke. 

Im  Ofen  liefert  er  eine  geschmolzene  poröse  schwärz- 
liche Masse.  Verlust  =2,39  Proc,  =1,71  Fluor,  so  dafs 
100  Th.  geglühtes  Mineral  =  102,5  ungeglühtes  sind. 

a.    Mit  kohlensaurem  Natron. 

6.     Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 

b'.    Berechnung  von  b. 

c.    Bestimmung  des  Eisenoxyds  durch  Kupfer  und  des 

Oxyduls  durch  Goldchlorid. 

a.  b.                 b'.                        c, 

Phosphorsäure  0,11 

Kieselsäure.  37,22 

Thonerde  29,40  30,72  30,00        FpQ97 

Eisenoxyd  11,63  13,53  13,20        *'' '''^^ 

Talkerde  8,21  7,84  7,66         Fe  0,86 

Kalkerde  1,15  0,17  0,16 

Natron  1,16  1,13 

Kali  0,54  0,53. 

Zusammenstellung: 


Fluor  1,71 

Phosphorsäure  0,11 

a.  Kieselsäure  37,22  19,34 

Borsäure  8,70  5,98 

a,  b'.  Thonerde  29,70  13,87 

a,  b\  c.  Eisenoxyd  11,45  3,43 

c.  Eisenoxydul  0,86  0,19 

o.  6'.  Talkerde  7,94  3,12 


Sauarstoff. 


25,32 
17,30 


Kalkcrde  0,65  0,18  ;     3,87 

.,  Natron  1,13  0,29 

o. 


Kali  0,53  0,09 

KM). 


31* 


484 
No.  12. 

Schwareer  TarnaliB  ia  Qaars  von  Had4a«  is  C»BBec- 
ticat  ia  dea  Tereinigten  Staatea. 

An  dem  durch  seinen  Mineralreidithum  ausgezeichneten 
Fundorte  kommt  der  Tormalin  unter  mehrfachen  Verhältnis- 
sen Tor.  Auf  der  Ostseite  des  Connecticut -Rhrer  finden 
sich  Tollständig  ausgebildete  glatte  Krystalle  von  nvehr  als 
Zolllänge  und  Dicke,  gebildet  aus  den  beiden  sechsseitigen 
Prismen,  das  erste  mit  abwechselnd  gröberen  Flächen;  be- 
gränzt  am  einen  Ende  von  dem  Hauptrhomboeder,  am  an- 
deren von  diesem  und  dem  ersten  schärferen.  An  anderen 
Punkten  findet  man  ähnliche,  an  denen  jedoch  das  dreisei- 
tige Prisma  vorwaltet,  und  deren  Flächen,  mit  Quarz  und 
Feldspath  bekleidet,  rauh  und  drusig  erscheinen.  Endlich 
kommen  gröfsere  und  kleinere  Krystalle  daselbst  in  Quarz 
vor  und  diese  letzteren  wurden  zur  Analyse  benutzt.  Ich 
verdanke  Hrn.  Silliman  Proben  der  verschiedenen  Vor- 
kommen. 

Das  spec.  Gewicht  ist  =  3,136. 

Vor  dem  Löthrohr  bläht  sich  dieser  Turmalin  auf  und 
schmilzt  unter  Schäumen  zu  einer  grauen  blasigen  Schlacke. 

Im  Ofen  liefert  er  eine  aufgeschwollene  braune  Masse, 
und  verliert  dabei  nach  2  Versuchen  2,47  und  2,51  Proc, 
im  Mittel  also  2,49,  entsprechend  1,78  Fluor.  100  Th.  des 
geglühten  würden  hiernach  =102,56  des  ungeglühten  seyn. 

a.  Mit  kohlensaurem  Kali -Natron. 

b.  Desgl.     Geschmolzene  gelbe  Masse. 

c.  Mit  kohlensaurem  Baryt  und  Fluorwasserstoffsäure. 

d.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 
d'.    Berechnung  von  d. 

e.  Eisenoxydulbesjtimmung  mit  Goldchlorid. 

a,  h,  c.  d,  if.  t, 

«Kieselsäure  37,34  37,66  39,84 

Thonerde  31,88  30,07  31,67  30,61  29,85 

Eisenoxyd  9,74  10.13  11,20  11,18  10,90    Fe  1,06 

Talkerde  8,87  8,67  8,38  8,67  8,45 

Kalkerde  1,64  1,58  2,37  1,36  1,33 

Natron  I   ^  in  J.«"*  1.60 

Kali  '*'»0  0,74  0,.73 


485 
Zusammenstellaog: 
Fkior  1,78 


Sauerstoff. 


Phosphorsäure  Spuren 

a.  b.  Kieselsäure  37,50         -„,.^  . 

Borsäure  7,94  5,46  i  ^^'^^ 

a.  b.  c.  rf.  Thonerde  30,87         .-,.>  . 

Eisenoxyd  8,31  ^  ^"  ^       '^ 

6.  Eisenoxydul  1,06 

a.  b.  c.  d.  Talk  erde  8,60 

a.  b.  d'.  Kalkerde  1,61  0,46  /    4,60 

,,    Natron  1,60 

Kall  0,73 


100. 


No.  13. 
Schwarzer  Turmalin  von  Haddam  ia  Connecticot. 

Die  im  Folgenden  untersuchte  Varietät  kommt  zu  Had- 
dam als  Begleiter  des  Chrysoberylls  vor,  der  sich  dort  in 
einem  den  Gneis  durchsetzenden  Granitgange  findet.  Er 
ist  von  körnigem  gelbem  Quarz  begleitet,  der,  je  näher 
dem  Turmalin,  um  so  dunkler  gefärbt  ist.  Zwischen  bei> 
den  liegt  Talk  oder  Chlorit.  Der  Turmalin,  welcher  grofse 
Krystalle  bildet,  erscheint  etwas  zersetzt,  zwar  sind  seine 
Flächen  grofsentheils  noch  glatt  und  glänzend,  allein  von 
Höhlungen  unterbrochen,  welche  von  gelbem  Eisenocker, 
vorzüglich  aber  von  Glimmerblättc}ien  ausgefüllt  sind.  Letz- 
tere finden  sich  auch  im  Innern  zahlreich,  und  die  Ablö- 
sungsflächen sind  von  Eisenoxyd  roth  gefärbt. 

Das  Material  wurde  gleichfalls  von  Hrn.  Silliman  ge- 
liefert. 

Das  spec.  Gewicht  ist  =3,132. 

Vor  dem  Löthrohr  verhält  er  sich  wie  der  vorige. 

Im  Ofen  gab  er  eine  theilweise  gechmolzene,  theilweise 
gesinterte  braune  Masse,  und  hatte  2,72  Proc.  verloren, 
entsprechend  1,95  Fluor.  100  Th.  des  geglühten  sind  hier- 
nach =  102,79  des  ungeglühten. 


486 

a.  Mit  kohlensaurem  Natron. 

b.  Desgleichen. 

c.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 

d.  Berechnung  von  c. 

d.    Eisenoxydulbestimmung. 

a.  b.  c*  c.  d, 

Kieselsäure  35,06  38,03 

Thonerde  31,79  33,14  35^9  34,43 

Eisenoxyd  12,12  9,42  11,46  11,15       Fe  0,5 

Talkerde  8,32  8,45  9,00        8,75 

Kalkerde  1,84  1,76  0,49        0,48 


Natron- 
Kali 


2,33        2,28 


Zusammenstellung: 


Fluor  1,95 

a.  b.  Kieselsäure  36,55  19,00 

Borsäure  4,87  3,35 

a.  b.  Thonerde  32,46  15,16 

a.  c.  Eiseuoxyd  11,08  3,32 

d.  Eisenoxydul  0,50  0,11 

a.  b.  c.  Talkerde  8,51  3,34 


SaaerstofiP. 


22,35 

18,48 


a.  b.  Kalkerde  1,80  0,51  )     4,54 

Natr 
Kali 


c'.  ^l'r  \  2.28  0,58 


100. 
No.  14. 

Schwarzer  Turmalin  von  Unity  ia  New-Hamsphiro 
in  den  vereinigten  Staaten. 

Diese  Varietät  zeichnet  sich  durch  ihre  Reinheit  uud 
ihren  frischen  Zustand  aus.  Lange  dünne  glänzend  schwarze 
Krystalle,  von  gebogen  dreiseitigem  Querschnitt,  liegen  io 
einem  fast  durchsichtigen  weifsen  Quarz,  von  dem  sie  sich 
leicht  trennen.  Manche  sind  gekrümmt,  aber  nicht  zer- 
brochen. 


487 

Hrn.  Sil  lim  an  verdanke  ich  auch  diesen  Turmalin. 

Das  spec.  Gewicht  ist  =3,192. 

Vor  dem  Löthrohr  verhSlt  er  sich  wie  die  beiden  vorigen. 

Im  Ofen  gab  er  eine  theiis  blangrane,  theils  braune,  stark 
gesinterte  oder  etwas  aufgeschwollene  Masse.  Der  Verlust 
betrug  in  zwei  Versuchen  2,20  und  2,25  Proc,  im  Mittel 
2,225  Proc,  entsprechend  1,59  Fluor.  100  Th.  des  geglüh> 
ten  sind  =102,27  des  ungeglühten. 

a.    Mit  kohlensaurem  Natron. 

6.  Mit  kohlensaurem  Kali -Natron.  Die  Masse  gelb- 
braun, geschmolzen. 

c.  Desgleichen;  nicht  alle  Bestandtheile  bestimmt. 

d.  Mit  kohlensaurem  Baryt  und  Fluorwasserstoffsäure. 

e.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 
e'.    Berechnung  von  e, 

f.  Bestimmung  des  Eisenoxyduls  mit  Goldchlorid. 

a,  b.  €,  d,  «.  e*.  /. 

Kieselsäure  36,86  35,94    36,07  40,64 
Thonerde     27,73  30,10 )  ..  ^  ,.  .^  31,47  30,78 
Eisenoxyd    17,34  14,70  \  ^^'^^  *^'^^  17,13  16,75  Fe  2,38 
Talkerde        4,75    6,23  )  „ ^,     6,25    6,12 

Kalkerde        1,11     1,00  )     '         0,98    0,96 

K3I,'''"  j  4,50     1,98     1,94 

Zusammenstellung: 


Fluor  1,59 

a.  b.  c.  Kieselsäure  36,29  18,85 

Borsäure  6,94  4,77 

b.  e\  Thonerde  30,44  14,21 


Sauerstoff. 


23,62 


6.  e'.  Eisenoxjd  13,08  3,92  j      ' 

f.  Ei8«noxydul  2,38  0,53 

a.  b.  d.  e'.  Talkerde  6,32  2,57 

a.  6.  e'.  Kalkerde  1,02  0,29  )    3,95 

e'.  IT""  \  1,94            0,56' 


Kali 


100. 


488 
No.  15. 

Scbwarxer  Turmaliii  tob  Bovey  Tmcy  in  Devoiishire  in 

England. 

Kurze  dicke  Krystalle  in  Granit  vorkommend^  gebildet 
aas  beiden  sechsseitigen  Prismen,  Yon  denen  die  abwech- 
selnden Flächen  des  ersten  gröfser  sind,  dem  Haupt-  und 
ersten  schärferen  Bhomboeder  am  einen,  jenem  und  dem 
ersten  stumpferen  am  anderen  Ende.  Fast  alle,  besonders 
die  Seitenflächen  sind  glatt  und  glänzend;  gelbbrauner  ver- 
witterter Feldspath  hängt  ihnen  an,  und  zieht  sich  auf  Ab- 
sonderungsklüften in  das  Innere  der  sonst  ^ehr  homogenen 
und  frischen  Masse.  Nur  ganz  dQnne  Splitter  sind  mit 
röthlichbrauner  Farbe  durchscheinend. 

Das  Material  der  Untersuchung  verdanke  ich  dem  K. 
Mineraliencabinet  zu  Berlin. 

Das  spec.  Gewichi  ist  =  3,205. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  dieser  Turmalin  etwas  schwer 
zu  einer  schwarzen  Schlacke. 

Im  Ofen  gab  er  eine  gesinterte  schwarze  Masse,  uod 
hatte  2,09  Proc.  verloren,  entsprechend  1,49  Fluor.  100  Tb. 
des  geglöhten  Minerals  sind  =  102,15  des  uiigeglühten. 

a.  Mit  kohlensaurem  Natron. 

b.  Geglühter  desgl, 

b'.    Berechnung  von  b. 

c.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 
c\    Berechnung  von  c. 

d.  Bestimmung  des  Eiseuoxjds  durch  Kupfer,  und  des 
Oxyduls  durch  Goldchlorid. 

a.  6.  h'  C-  c ,  d. 

Pbosphorsäure      0,12 

Kieselsäure         37,00    36,91    36,13 

Thonerde  33,58    34,75    34,02    32,34    31,66 

Eiseuoxjd  16,46    16,09    15,75    17,79    17,41    Fe  8^90 

Talkerde  2,60      2,46      2,41      2,74  '2,68    Fe  6,19 

Kalkerde  0,60      1,64      1,60      0,40  0,39 

Natron  1,42  1,39 

Kali  0,66  0,65 


489 
ZasamineDstellaDg: 
Fluor  1,49 


Sauerstoff. 


Phosphorsäure    0,12 

a.  Kieselsäure       37,00  19,22  ) 

Borsäure  7,66  5,27  j       ' 

a.  6'.  d.  Thonerde  33,09  15,45  j  i^«. 

Eisenoxyd  9,33  2,80  \       '^ 

d.  Eisenoxjdul       6,19  1,37 

a.  V.  c.  Talkerde  2,58  1,01 

a.  c\  Kalkerde  0,50  0,14  )     2,98 

,   Natron  1,39  0,35 

^*  Kali  0,65  0,11 

100. 

No.  16. 

Schwarzer  Turmalin    von  Alabaschka   bei  Murslnsk 

am  Ural. 

Bruchstück  eines  gröfseren  Krjstalls,  gebildet  aus  dem 
Torwaltenden  dreiseitigen  und  dem  zweiten  sechsseitigen 
Prisma,  und  an  dem  einen  auskrystallisirten  Ende  von  dem 
Hauptrhoniboeder  und  dem  ersten  schärferen.  Die  Pri- 
smeuflächen  sind  gestreift,  alle  aber  glatt  und  glänzend. 
Vorkommen  wie  das  von  Bovey  Tracy  auf  Klüften  im 
Granit.  Eine  gelbliche  erdige  Substanz  (verwitterter  Feld- 
spath)  bekleidet  die  Vertiefungen  der  Oberfläche,  und  im 
Innern  bemerkt  man  einzelne  weifse  Glimmerblättchen.  Ganz 
dünne  Splitter  sind  mit  röthlichbrauner  oder  bläulicher 
Farbe  durchscheinend. 

Ich  erhielt  das  Material  aus  dem  K.  Mineraliencabinet 
zu  Berlin. 

Das  spec.  Gewicht  ist  nach  zwei  Versuchen  =  3,226 
und  3,229. 

Vor  dem- Löthrohr  leuchtet  er,  und  schmilzt  an  den 
Rändern  zu  einer  brauneu  Schlacke. 

Im  Ofen  war  das  grobe  Pulver  schwach  gesintert,  roth- 
braun wie  goglühles  Eisenoxyd,  und  hatte  2,15  Proc.  ver- 


490 

loreuy   entsprechend  1,54  Fluor.     100  Th.    des   geglfihte 
sind  =  102,2  des  angeglübten  Tarmalins. 

a.  Mit  kohlensaarem  Natron. 

b.  Geglühter  desgl. 
V..  Berechnung  von  6. 

c.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure, 
c'.  Berechnung  von  o. 

d.  Bestimmung  des  Eisenoxyds  durch  Kupfer  und  de 
Oxyduls  durch  Goldchlorid. 


a. 

h. 

V. 

c. 

e. 

d. 

Kieselsiure  35,74 

35,75 

34,98 

Thonerde    33,88 

36,38 

35,60 

34,47 

33,73 

Eisenoxyd    16,64 

18,12 

17,73 

17,48 

17,10 

i  e  6,02 

Talkerde        1,90 

1,66 

1,62 

0,84 

0,82 

Fe  8,60 

Kalkerde 

1,19 

1,16 

0,58 

0,57 

Natron 

1,04 

1,02 

• 

Kali 

0,48 

0,47 

Zusammenstellung: 

Fluor  1,54 

a.  Kieselsäure     35,74         18,57 


Sauerstoff: 


24,07 


Borsäure  8,00  5,50 

a.  6'.  </.  Thonerde  34,40  16,06  )  |«^. 

a.  V.  d.  Eisenoxyd  7,61  2,28  j       '^^ 

d.  Eisenoxydul  8,60  1,01 

a.  6'.  Talkerde  1,76  0,69 

V.  c[.  Kalkerde  0,86  0,24  )     3,18 

Natron  1,02  0,26 


c. 


Kali  0,47  0,08 

100. 


4»1 

No.  17. 

Schwarzer  Tarmalin  vom  Sonnenberg  bei  Andreasberg 

am  Hare. 

Diese  sehr  bekannte  Varietät  kommt  in  kleinen  scharf 
aasgebildeten  Krjstallen  in  einem  drusenreichen  Granit  vor, 
dessen  Feldspath  schon  sehr  zersetzt  ist.  Sie  werden  yon 
dem  sechsseitigen  und  untergeordnet  dem  dreiseitigen  Prisma, 
von  dem  ersten  schärferen  Rhomboeder,  als  vorherrschen- 
dem, dem  zweiten  schärferen  und  dem  Hauptrhomboeder 
am  einen  Ende,  und  dem  letzteren  allein  am  anderen  ge- 
bildet. Seltener  sind  die  drei  anderen  Flächen  des  ersten 
Prismas,  ein  Drei-  und  Dreikantner  Hai-^ai^aic)  am 
einen,  und  das  erste  stumpfere  Rhomboeder  am  anderen 
*  Ende  ' ).  Die  Masse  dieses  Turmalins  ist  sehr  hart  und 
frisch ,  und  frei  von  sichtbaren  Einmengungen.  Selbst  sehr 
dünne  Splitter  dieses  eisenreichsten  aller  Turmaline  sind 
undurchsichtig.     Das  Pulver  ist  grau. 

Das  Material  verdanke  ich  dem  K.  Mineraliencabinet 
in  Berlin. 

Das  spec.  Gewicht  ist  =3,243,  das  gröfste  von  allen, 
wohl  eine  Folge  des  höchsten  Eisengehalts. 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  er  zu  einer  schwarzen 
Schlacke. 

Im  Ofen  sinterte  er  stark,  war  oben  braun,  in  der 
Mitte  und  unten  schwarz,  und  hatte  in  einem  Versuch  1,87, 
in  einem  andern  2,31  Proc.  verloren.  Letztere  Zahl  ent- 
spricht 1,64  Fluor,  und  100  Th.  des  geglühten  Turmalins 
sind  darnach  =  102,37  des  ungeglühten,  nach  dem  ersten 
Versuche  aber  =  101,9  desselben. 

a.  Mit  kohlensaurem  Katron. 

b.  Geglühter  desgl. 
b\    Berechnung  von  b, 

c.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 
c\    Berechnung  von  c. 

d.  Wie  c,  ohne  Bestimmung  der  Alkalien, 
(f.    Berechnung  von  d, 

e.  Eisenprobe. 

1)  S.  G.  Rose  lo  diesen  Anoalen,  Bd.  42,  S.  580. 


492 


Kieselsiare 

Tboserde 

Kiseaozyd 

TUfcerie 
Kalkerde 
NatrvB 
Kidi 


1M3 

0,10 
0,80 
0,96 


30,90 

34J90 

19;» 

0,11 

0,6» 

1,06 


34,25 
18,86 
0,11) 
0^64( 
1,04 


^. 


€, 


30,92 
18,96 


30^    3i,04  34,23 
16.60 )  2 j^  ^^^ 

1,00    0,98'    ^^^    ^^ 
'  *^      0,70    0,69 

0,21    0,20      0,70    0,69 

1,39    1,36 

0,59    0,58 


F^9J51 


Zasammenstellaog. 


a. 

a*  h\  c'.  (f. 

HL  b,  tf» 

e. 

ü,  b.  J, 
a.  b',  c\  d. 

6. 


Flaor  1,64 

Phospboniure   0,12 

fVlCSCloaUrC  dO,9J 

BonSnre 

Thonerde 

Eisenoxyd 

Eisenoxjdol 

Maoganoxjdol 

Talkerde 


SauerxtoE 


Kalkerde 

Natron 

Kali 


7,62 
32,92 
8,13 
9,51 
0.11 
0,78 
0,72 
1,36 
058 


18,97 
5,24 

15,37 
2,44 
2,11 
0,02 
0,30 
0,20 
0,35 
0,10 


24,21 
17,81 


3,08 


100. 


No.  18. 
Schwarser  Tar«alin  ron  der  Herrschaft  Saar  in  Mihrea. 

Einzelne  ziemlich  dicke  and  korze  Krystalle  oder  viel- 
mebr  Aggregate  von  Krjstallen  von  vorherrschend  dreisei- 
tigem Querschnitt;  die  Seitenflachen  stark  gestreift,  glatt 
und  glänzend;  die  Endflächen  undeutlich,  nur  Spuren  des 
Hauptrhomboeders  sichtbar.  In  den  Vertiefungen  liegt  eine 
röthlicbe  thonige  Masse  und  etwas  Glimmer.  Dfinne  Split- 
ter sind  senkrecht  auf  die  Hanptaxe  röthlichbraän  durch- 
scheinend. 

Das  Material  wurde  mir  von  Hrn.  Haidinger  mitge- 
theilt. 

Da»  spee.  Gewicht  ist  =3,181. 


493 

Vor  dem  Löthrohr  schmilzt  dieser  Turmalin  schwer  und 
mit  Aufblähen  zu  einer  braunrothen  Schlacke. 

Im  Ofen  geglüht,  verwandelte  er  sich  in  eine  stark  ge- 
sinterte braunrothe  Masse,  und  verlor  1,82  Proc,  entspre- 
chend 1,3  Fluor.  100  Th.  des  geglühten  Minerals  sind 
=:  101,85  des  ungeglQhten. 

a.  Mit  kohlensaurem  Natron. 

b.  Geglühter  desgl. 
b\    Berechnung  von  6. 

c.  Geglühter  mit  Fluorwasserstoffsäure. 
c\   Berechnung  von  c. 

d.  Bestimmung  des  Eisenoxjduls  durch  Kupfer  und  des 
Eisenoxyduls  durch  Goldchlorid. 

a,  b»  b .  c.  c.  <f. 


Phosphorsäure       Spur 

Kieselsäure 

36,82  36,44  35,78 

Thonerde 

36,02  36,35  35,70  35,40  34,67  Fe  5,56 

Eisenoxyd 

14,79 

15,91  15,62 

15,25  14,90  Fe  6,51 

Talkerde 

j     1,55 

1,58     1,55 

1,55    1,52 

Kalkerde 

0,87    0,86 

0,77     0,76 

Natron 

0,98    0^ 

Kali 

0,09    0,09 

Zusammenstellung: 

SaaerstoflF. 

Fluor 

1,30 

Phosphorsäure      Spur 

a. 

Kieselsäure 

^6,82 

'f^  ^'••« 

Borsäure 

.      8,70 

ü.  b,  c\ 

Thonerde 
Eisenoxyd 

35,50 
6,57 

'\%  \  ^^ 

Eisenoxydul 

7,68 

1.70  X 

a,  6.  c. 

Talkerde 

1,55 

0,61  f 

Kalkerde 

0,81 

0,23  l     2,80 

rf 

Natron 

0,98 

0,25  ( 

c. 

Kali 

0,09 
100. 

0,01  ] 

(Schluff  im  nSchsten  1 

teft.) 

494 


II.     Anziehende  FFirkung  der  Elehtromagnete ; 

von  Julius  Dub. 


Di 


4e  CoDsfruction  elektromagDetischer  Maschinen  benibt 
in  vielen  Fällen  auf  d\er  Wirkung  der  Elektromagnete  in 
Entfernung.  Es  ist  aber  eine  für  die  Kraftäufaerung  solcher 
Maschinen  nicht  günstige  Thatsache,  dafs  die  Elektromag- 
nete so  sehr  wenig  in  Entfernung  ivirken,  im  Verhältnifs 
zu  den  Stahlmagoete  sowohl,  als  im  VerhältniCs  zu  ihrer 
grofsen  Wirkung  in  Berührung,  Es  schien  mir  daher  von 
nicht  geringem  Interesse,  Aufschlufs  zu  erhalten  über  die 
Gröfse  der  Wirkung  auf  Entfernung  bei  Magneten  von  ver- 
schiedenen Verhältnissen. 

Andererseits  veranlaCsten  mich  meine  früheren  Beobach- 
tungen,  dafs  der  Einflufs  der  Berührungsfläche  so  bedeu- 
tend sey,  zu  diesen  Untersuchungen,  da  ich  im  Voraus 
versichert  vrar,  dafs  diese  Wirkung  der  Berührungsfläche 
in  Entfernung  vrenigstens  sich  verringern,  wo  nicht  gar 
verschwinden  möchte.  Ich  wurde  zu  dieser  Meinung  be- 
sonders dadurch  geführt,  dafs  ich  früher  auf  mehrere  Sätze 
stiefs,  welche  mit  den  von  den  HH.  Lentz  und  Jacobj 
aufgestellten  nicht  übereinstimmten.  Ich  glaubte  ich  würde 
durch  die  Beobachtung  der  Wirkung  der  Elektromagnete 
in  Entfernung  vielleicht  zu  denselben  Resultaten,  wie  sie 
dort  ausgesprochen  sind,  gelangen ;  da  nämlich  die  Versuche 
jener  Gelehrten  so  angestellt  sind,  dafs  die  Wirkung  beob- 
achtet wird,  wenn  Magnet  und  Anker,  oder  zwei  Magnete 
sich  nicht  unmittelbar  berühren. 

Andere  von  Lentz  und  Jacoby  aufgestellte  Sätze 
über  die  Anziehung  sind  nicht  das  Resultat  unmittelbarer 
Messungen,  sondern  aus  andern  Erscheinungen,  näm- 
lich der  Inductionswirkung  beim  Unterbrechen  des  Stro- 
mes oder  Abreifsen  des  Ankers  erschlossen.  Es  schien  mir 
daher  von  nicht  geringem  Interesse  zu  untersuchen,  ob  die 
wirkliche  Anziehung  dieselben  Resultate  zeige? 


495 

Wie  die  früheren  Untersttchangen,  habe  ich  aui^  diese 
durch  directes  Abreifsen  des  Ankers  mittelst  angehängter 
Ge^idite  angestellt,  und  habe  dazu  denselben  Apparat 
benutzt  wie  tr  in  meiner  früheren  Abhandlung  über  die 
Anker  beschrieben  ist ' ). 

Mit  der  grovischen  Säule  waren  wie  früher  die  Kupfer- 
Spirale  des  Magneten,  die  Tagentenbussole  und  der  Wider- 
standsmesser zu  einem  Kreise  verbunden.  Die  Anziehung 
wurde  durch  den  Abreifsapparat  gemessen. 

Um  nun  die  Wirkung  der  Elektromagnete  auf  Entfer- 
nungen kennen  zu  lernen,  bedurfte  es  eines  Apparates, 
welcher  möglich  machte,  den  Anker  in  beliebiger,  'genau 
gemefsner  Entfernung  vom  Magneten  zu  halten. 

Diesen  Apparat,  wie  auch  die  angewandte  Tangenten- 
bussole, verfertigte  der  Mechaniker  Hr.  Zinke  mit  em- 
pfehlenswerther  Grenauigkeit  und  Sorgfalt.  Er  besteht  in 
einer  Hübe  (a),  3"'  stark,  von  Rothgufs,  5'"  hoch  und  Y 
innerem  Durchmesser,  welche  den  Anker  (ii)  umfafst.  An 
dieser  befinden  sich  3  hervorstehende  Lappen  (6),  welche 
3  senkrechte  starke  Schrauben  (c)  von  2"  Länge  und  2^'" 
Dicke  tragen.  Diese  sind  unten  zugespitzt  und  haben  auf 
den  Köpfen  eine  Theilung.  Mittelst  dieser  und  dreier  em- 
porstehender Messingstäbe  (d)  ist  es  möglich,  genau  zu 
bestimmen,  wie  weit  die  Schrauben  gedreht  sind.  Durch 
die  Hülse  selbst  gehen  3  Schrauben  (e),  welche  dieselbe 
an  dem  jedesmal  angewandten  Anker  (il)  befestigen. 

Die  senkrecht  herabgehenden  Schrauben  (c)  mit  der 
Theilung  haben  den  Zweck,  durch  ihre  Drehung  den  An- 
ker, wenn  er  von  dem  Magneten  angezogen  wird,  in  be- 
liebiger Entfernung  von  demselben  zu  halten.  Diese  3 
Schrauben  stehen  in  einem  Kreise,  dessen  Durchmesser 
circa  2^'  ist,  so  dafs  sie  also  keinen  der  von  mir  benutz- 
ten Magneten  selbst  berühren.  Die  uutef  dem  Anker  be- 
findlichen Magneten  tragen  daher  eine  Messinghtiise  mit 
vorstehendem  Rande  (/*),  dessen  äufserer  Umfang  3"  Durch- 
messer hat,  und  auf  dem  eine  Scheibe  von  Spiegelglas  ge- 
1 )  Pofg.  Aoo.  Bd.  74,  S.  3«d  -  369. 


AuLcr 

dca  «I  JÜeHäke  errtrAtm  Aakcr 

So 
Wlestigte  idi  mm  £e  Hfibe  aättcb  der 
an  idbfli.  XacUcai  dieli  gescfccbc»,  w«de  der  SfroB 
riiHBil  nilcrbrDdbca  and  non  der  Anker  mit  der  Hfike  m 
dem  Wagebalkea  hängend  aeqjoilibrirt.  Ich  vols  Iner  nodi 
bcBcrien,  daCi  idi  zn  des  Messen  eigene  Gewichte  hatten 
die  alle  mm  so  viel  leichter  waren  als  der  Haken  wo^ 
welcher  aof  dem  Hebdann  mit  dem  angehängten  Gewichte 
▼erscfaoben  worde,  damit  sein  Gewidit,  das  ^  Loth  betrag 
ond  nicht  mit  aeqnilibrirt  werden  konnte,  nicht  etwa  die 
Messongeo  nogenaa  mache 

Nachdem  aeqailibrirt  war,  setzte  ich  den  Strom  wieder 
ein  ond  nun  begannen  die  Messangen.  Zonichst  wurde 
die  Anziehoog  in  Berfibmng  bestimmt,  welche  ich  meisC 
schon  in  ftfibereo  Versachsreihen  hatte  ond  die  idi  also 
hierbei  prfifte.  Einige  fand  ich  fehlerhaft,  die  meisten  Je- 
doch stimmten  ganz  genao«  Nach  diesen  Messangen  komist 
das  schwierigste  Geschäft.  Ich  mafste  nämlich  nnn  die  bif- 
her  etwas  zurackgestellten  3  Schraaben  (c)  so  einstelles, 
da(s   sie,   während  der  Anker  vom  Magneten   angezogen 

warde^ 


497  _ 

warde,  genau  gerade  die  Glasunterlage  (9)  berührten. 
Schraubte  ich  etwas  zu  weit,  so  gab  diefs  sogleich  eine 
merkliche  Aenderung  in  dem  Resultat.  Ich  habe  daher  die- 
sen Versuch  bei  jedem  neuen  Anker  öfter  gemacht,  wobei 
sich  dann  zeigte,  welches  das  richtige  Resultat  sej.  Des- 
senungeachtet ist  es  immer  noch  möglich,  dafs  in  einigen 
Fällen  aus  diesem  Grunde  Fehler  in  die  Resultate  gekom- 
men sind. 

War  dieser  erste  Versuch  festgestellt,  so  drehte  ich  die 
Schrauben  einen  Quadranten  herum  und  erhielt  dadurch  die 
Entfernung  von  ^-g-^"  der  Anker  vom  Magneten.  Darauf 
wurde  wieder  gedreht,  ich  erhielt  die  doppelte  Entfernung. 

Die  in  den  Resultaten  vorkommenden  Fehler  sieht  man 
leicht  bei  genauer  Beobachtung  der  Reihen  und  besonders 
bei  einem  Vergleich  derselben  unter  einander.  Man  erkennt 
aber  auch  sogleich,  dafs  sie  die  Zuverlässigkeit  der  aufge-> 
stellten  Sätze  bei  einer  so  grofsen  Menge  von  Beobachtun- 
gen nicht  im  Geringsten  beeinträchtigen. 

Wengleich  ich  es  mir  zur  Aufgabe  gemacht  habe,  die 
Anziehung  der  Elektromagnete  selbst  zu  messen,  so  sah 
ich  mich  dessenungeachtet  genöthigt,  zuvor  Messungen  mit 
verschiedenen  Ankern  bei  demselben  Magneten  anzustellen, 
um  beurtheilen  zu  können,  was  Einflufs  des  Ankers  oder 
des  Magneten  sey. 

Ich  untersuchte  also  zunächst  : 

Die  IVirkun^  der  Anker  de»  Klektromagneteit  a,ut 

fintfernuni^. 

Die  Dicke  der  Anker. 
Die  ersten  Messungen,  welche  ich  anstellte,  waren  mit 
einem  Magneten  von  1''  Durchmesser  und  12''  Länge  mit 
336  Windungen  auf  der  ganzen  Länge  des  Eisenkernes 
vertheilt,  wie  ich  ihn  auch  bei  den  früheren  Untersuchun- 
gen benutzt  und  beschrieben  habe.  Diesen  Magneten  liefs 
ich  zunächst  die  6"  langen  Anker  von  den  Durchmessern 
^"9  i"f  7'  und  ^*'  anziehen.    Die  Resultate  waren  folgende: 

PoggeodorfiTs  Annal.  Bd.  LXXX.  32 


498 


1*     I«     V 

<  »  1  >  t 


Aadehng  icr  6^  laagea  1*, 

r  dickea  Magaetea  M  eiMC  StiMHtiiks 

3^27   Pfd. 
1.1 


IV 


M* 


3n 

* 


I» 


BerfihniDj 


iUmdr. 


1 

a 
< 

1 

2 
3 

4 
5 
6 
7 
8 
9 


0,9 

0^71 

0,6 

0,38 

0,27 

0,19 

0,15 

0,11 

0,095 

0,08 

0,07 


4.1 

1,25 

0,9 

0,77 

0,65 

0^ 

0^ 

0^16 

0^13 

0,08 

0,063 

0,055 


Pfd. 


4,76 

1.4 

0^2 

0^65 

0,48 

0,23 

0,15 

0^11 

0,084 

0,07 

0,062 

0,05 

0,04 


Pfd. 


M 
1,6 

04» 

0,65 

0;45 

0,194 

0^11 

0,08 

0^062 

0,05 

0,014 

0,032 


Pfd. 


Wenogleidi  ich  sdioo  aas  früheren  Beobachtungen  die 
schnelle  Abnahme  der  Wirkung  des  Elektronugneten  in 
Entfernungen  kannte,  so  hatte  ich  in  so  geringem  Abstände 
sie  dodi  nicht  so  bedeatend  erwartet.  In  einer  Elntfemong 
Ton  -f  Umdrdiong  der  Schranben,  d.  h.  ttt*.  beträgt  die 
Aozidiong  bei  dem  1"  starken  Anker  nur  -y  ^on  der  in  Be- 
rfihning  nnd  bei  den  schwächeren  noch  weniger.  Bei  zn- 
ndimender  Eatfernang  wird  non  die  Differenz  zwischen 
zweien  aufeinander  folgenden  Beobachtungen  immer  gerin- 
ger, wie  das  natGrIich  ist;  jedoch  ist  die  Abnahme  des- 
senungeachtet so  bedeutend,  dafs  sie  bei  dem  1"  starken 
Anker  bei  2  Umdrehungen  fast  nur  j\f  und  bei  den  ande- 
ren noch  viel  weniger  beträgt 

Vergleichen  wir  nun  die  Reihen  unter  einander,  so  fin- 
den wir,  dafs  während  in  BerObrung  die  Anziehung  mit 
der  Abnahme  der  Durchmesser  der  Anker  bis  zu  einer 
bestimmten  Gränze  zunimmt,  in  einiger  Entfernung  Tom 
Magneten  sich  gerade  die  umgekehrten  Verhältnisse  zeigen. 
Die  Anziehung  der  dünneren  Anker  nimmt  in  viel  sdinel- 
lerem  Maafse  ab,  'als  die  starken,  so  dafs  in  einiger  Ent- 
fernung sich  ein  bestimmtes  Verhältnifs  herausstellt,  nacb- 


■    499 

dem  dann  die  Abnahme  fortgeht  In  diesen  Versachsreihen 
ist  ziemlich  genau  das  VerhSltnifs  der  Durchmesser  der  An- 
ker und  wenngleich,  wie  ich  später  zeigen  werde,  die  Ab- 
weichungen nicht  den  Versuchsfehlem  zugerechnet  werden 
können,  so  wäre  doch  möglich,  dafs  gerade  ein  Eisenstab 
anders  beschaffen  sejn  könnte  als  der  andere,  so  dafs  diese 
Abweichungen  dadurch  herbei  jgeführt  würden.  Um  zu  se- 
hen, ob  sich  dieser  Satz  auch  bei  anderen  Versuchsrei- 
hen wirklich  herausstelle,  untersuchte  ich  zunächst  längere 
Anker. 

II.    AoziehoDg  des  12''  langen  1"  dicken  Magneten  anf  Anker  von  9" 
und  12''  Länge  and  1"  und  i"  Dicke  bei  der  Stromstärke  von  20^ 

Anker  9"  lang  Anker  12"  lang, 

rdick  4"  dick.  fdick  J^dick. 

Berührung    4,43   Pfd.    6,8     Pfd.        5,69   Pfd.    6,82   Pfd. 
»  ümdr.     1,6       >>      2,3        >*  2,1        »      2,4 


» 


1,3       «      1,3        «  1,55      «      1,4 

»         1,1       »      0,92      »  1,15      »      0,9        » 

» 


T 
I 

8 

1  »  0,9  »  0,72  »  0,92  »  0,75 

2  »  0,52  »  0,34  »  0,54  »  0,33 

3  »  0,36  »  0,18  »  0,35  »  0,19 

4  »  0,26  »  0,135  »  0,25  »  0,14 

5  »  0,2  »  0,1  »  0,19  »  0,11 

6  »  0,155  »  0,08  »  0,15  »  0,09 

7  »  0,135  «  0,07  »  0,13  «  0,07 

8  »  0,11  »  0,062  »  0,103  »  0,056 

9  »  0,096  »  0,05  »  0,09  »  0,04 


n 
n 
» 
n 
n 
» 

n 


III.    Anziehung  des  12"  langen  1"  dicken  Magneten  auf  6"  lange  An- 
ker von  verschiedenem  Durchmesser  bei  einer  Stromstärke  von  35^ 


Anker  1"  dick 

S"  dick 

J"  dick 

r  dick. 

Berfihrung    9     Pfd. 

10,5    Pfd. 

16,2    Pfd. 

14,9    Pfd. 

\  Umdr.    4,6     » 

4,6      » 

6,4       » 

6,2       » 

1 
3 


»        3,5     »         3,10     »         3,8       »         3,4       » 
»        2,9     «         2,6       »         2,85     «         2,4       « 


1  «  2,6  »  2,15  »  2  «  1,7 

2  «  1,65  «  1,3  «  0,95  «  0,78 

3  »  1,05  «  0,92  «  0,65  »  0,5 
5  »  0,60  >»  0,52  «  0,46  >»  0,28 
9  «  0,27  »  0,26  »  0,174  >»  0,136 
15  »  0,13  »  0,125  »  0,085  »  0,073 

32» 


» 

n 

» 
» 
» 


500 

Wir  sehen,  dafs  alle  diese  Reihen  dieselbe  Erschdonng 
zeigen,  wie  die  ersten.  Es  findet  bei  den  dünneren  Ankern 
eine  schnellere  Abnahme  der  Anziehung  statt  und  dadurch 
erreichen  sie  bald  das  Yerhältnils  der  Anziehung  wie  ihre 
Durdimesser. 

Ich  habe  nun  noch  zwei  Reihen  mit  9"  langen  Ankern 
angestellt. 


IV.    Aaziehug  des  12"  laagea  V  dicken  MagneeeB  anf  9"  lange  An- 

kor  bei  der  Stromstirke  35* 


Anker  1*  < 

lick.             Anker  |"  dick. 

Berfihmiig 

13,8  Pfd.              19,1  Pfd. 

i  Umdr. 

6.4     . 

7,6     . 

1      - 

6,2     . 

4,8     . 

*         • 

4,3     . 

3,4     . 

1        » 

3,7     . 

2,5     . 

2     » 

2,35  > 

1,17  . 

3     » 

1.47   . 

0,71  . 

5     > 

0,85   > 

0,38  ' 

9     » 

0.4     . 

0,18  ■ 

15   » 

0,21    > 

0,09  > 

Alle  diese  Venachsreihcn  waren  angestellt  mit  dem  1* 
starken  Magneten.  Es  fragte  sich  non,  ob  auch  in  dem 
Falle,  wo  der  Magnet  schwSdier  ist  ab  der  Anker,  sich 
derselbe  Unterschied  in  der  Anziehang  der  Terschieden 
starken  Anker  herausstellen  wfirde.  Ich  wShlte  daher  ei- 
nen i'  starken  12"  langen  Magneten  ond  liefe  ihn  ebenfalls 


obige  Ankor  anziehen. 

Das  Resultat  war  folgendes: 

V.    Aaiiekng  4er  Aaker  TM  6*  Uage  don*  des  12"  Uagea  4"  A 

■bgKtea  M  der  StroasOrke  tm  20*  Abkalang. 

Anker  V  dick. 

r'difk 

r  di^       r  ^A. 

Berflhnmg    5,4    Pfd. 

4,9    Pfd. 

4,4    Pfd.    4,7    Pf 

i  Umdr.     1,6       > 

1,4       . 

1,3      -       13      - 

i     »        O^Ni     > 

0,7       . 

0,9      -       0,75     - 

i     -         0,67     > 

0,6       - 

0,67    >       0.51     - 

1      -         0,54     - 

0,44     > 

0.48    -       0,4       - 

2     •        0,26     - 

0,26     . 

0,23    »       0,225  > 

501 

Anker  1"  dick.  f  dick.  i''  dick.  f  dick. 

3  Uindr.    0,16  Pfd.    0,16    Pfd.  .0,14   Pfd.  0,13   Pfd. 

4  »         0,116  '>       0,103  »       0,097  »       0,089  » 

5  »         0,088  »       0,081  »       0,072  «       0,062  » 

6  ^  »         0,075  »       0,065  »       0,056  »       0,05     » 

7  »         0,062  »       0,055  »       0,044  »       0,042  » 

8  «  »         0,053  »       0,044  »       0,034  »       0,031   » 

Diese  Reihen  liefern  uns  ganz  andere  Verhältnisse  als 
die  mit  dem  1"  dicken  Magneten.  Hier  ist  durchaus  nicht 
▼on  Proportionalität  mit  dem  Durchmesser  der  Anker  mehr 
die  Rede.  Alle  sind  wenig  von  einander  unterschieden. 
Es  ergiebt  sich  hieraus,  dafs  bei  solchen  Magneten,  welche 
dünner  sind  als  die  Anker,  sich  andere  Verhältnisse  heraus- 
stellen. 

Es  fragte  sich  nun,  wie  sich  die  Sache  verhalte  bei  noch 
stärkern  Magneten  als  dem  von  einem  Zoll  Durchmesser. 
Ich  nahm  daher  einen  1|"  starken  Magneten  und  erhielt: 

VI.    Anziehung  der  6^  langen  Anker  durch^  einen  If  starken  12''  lan- 
gen Magneten  bei  einer  Stromstärke  von  15*^  Ablenkung. 


Anker  1"  dick 

|"d! 

ck 

i"  dick 

r  dick. 

erührung 

1,15  Pfd. 

1,65  Pfd. 

1,85  Pfd. 

2,15  Pfd. 

4  ümdr. 

0,36     » 

0,39 

» 

0,44     » 

0,46     » 

4      " 

0,3       » 

0,27 

» 

0,25     » 

0,24     » 

4      » 

0,26     » 

0,22 

u 

0,187  » 

0,17     » 

1      » 

0,215  » 

0,16 

» 

0,14     » 

0,126  » 

2  ■   » 

0,14     « 

0,09 

» 

0,064  » 

0,056  » 

3      » 

0,1 

0,06 

» 

0,044  » 

0,034  « 

4      » 

0,08     » 

0,05 

n 

5     » 

0,07     .. 

0,04 

» 

6      » 

0,056  » 

Es  zeigt  sich  bei  diesen  Versuchsreihen  eine  langsamere 
Abnahme  der  Anziehung,  daher  zeigt  sich  erst  bei  mehre- 
ren Umdrehungen  eine  Aunährung  an  das  Verhältnifs  zu 
den  Durchmessern«  Ich  konnte  wegen  der  geringen  Anzie- 
hung in  Berührung  die  Versuche  aicht  weit  genug  fortsetzen 


5Q2 

und  wdibe  daher  ftr  diesdben  Anker  und  Magoet 
nen  sttflLereB  Stroin  und  eriiidt  folgende  Resulfaie: 


vn. 


4cr  V  tauig«  Aaker  imck  den  If 
M  der  StroMlirke  25*. 


Aokcr  1" 

aick 

AaW  f  aick 

Anker  j".  aVL 

BerObmog 

2,7    Pfd. 

3,9    Md. 

4,1      Pfd. 

iUmdr. 

04» 

» 

1,2      > 

1,3      . 

\     • 

0,72 

» 

0.72     » 

0,7       . 

1     • 

0,62 

» 

0,57     » 

0,51     > 

•  1      - 

0^ 

» 

0,46     » 

0^     ' 

2     » 

0,3 

» 

0,24     > 

0,16     ' 

3      » 

0,22 

0,15     » 

0,11     > 

4      » 

0,17 

n 

0,11     > 

0,072  > 

5      - 

0,13 

n 

0,086  » 

0,056  > 

6     >' 

0,11 

» 

0,078  » 

0,044  > 

7      » 

0,09 

M 

0,056  » 

0,037  » 

8     « 

0,072 

» 

0,048  « 

9      » 

0,065 

» 

0,041  » 

Auch  diese  Reihen  zeigen  dasselbe  Verhältnifs  wie  die 
▼origen.  In  einiger  Entfernung  stellt  sich  annähroogsweise 
das  Verbältnifs  wie  die  Durchmesser  heraus. 

Alle  diese  Versuche  zeigen  uns,  da(i  unter  bestimmteH 
Bedingungen  in  einiger  Entfernung  r>om  Magneten,  toenn  die- 
ser stärker  ist  als  die  Anker,  <tcA  die  Aiuieluing  (mnäke- 
rungsweise  wie  die  Durchmesser  derselben  verhält. 

Von  Interesse  war  es  mir  endlich  noch  zu  sehen,  wie 
die  Anziehung  eines  conisch  zugespitzten  Ankers  in  Entfer« 
nung  sich  zu  dem  gleich  starken  cjlindrischen  verhalten 
wQrde.  Ich  nahm  daher  den  6"  langen  1*  dicken  Anker, 
welcher  durch  die  conische  Zuspitzung  eine  Berührungsfläche 
von  nur  4"  Durchmesser  hat. 


503 

Vlll.    AoBiehaog  des  6''  langen  1''  dicken  coiiif chea  oad  c^IindrischeB 
Ankers  durch  den  12"  langen  1"  dicken  Magneten  bei  der  StromstArke  20*. 

coDischer  Anker.         cjld.  Ank.  1"  dick.      cyld.  Ank.  l"  dick. 


Berfihrnng 

7       1 

Pfd. 

3,27  Pfd. 

4,76  Pfd. 

i  Umdr. 

2 

M 

1.1 

» 

1,4      » 

i     » 

1,35 

1» 

0,9 

» 

0,92   ,» 

3          „ 

0,93 

» 

0,71 

U 

0,65     » 

1          » 

0,7 

» 

0,6 

» 

0^8     » 

2      » 

0,3 

n 

0,38 

1» 

0,23     » 

3      » 

0,2 

» 

0,27 

M 

0,15     » 

4      » 

0,13 

» 

0,19 

n 

0,11     » 

5     » 

0,1 

» 

0,15 

M 

0,084  » 

6      » 

0,08 

» 

0,12 

» 

0,072  » 

7     ». 

0,063 

u 

0,096 

» 

0,06     » 

8     » 

0,055 

j» 

0,08 

» 

0,05     » 

Wir  bemerken  in  diesen  Reiben  dieselben  Erscbeinnn« 
gen,  wie  bei  andern  Ankern  von  geringerem  Durchmesser. 
Er  zieht  in  Berührung  mehr  als  der  starke,  allein  in  ge^^ 
ringer  Entfernung  schon  weniger.  Der  Unterschied  ist  so 
bedeutend,  dafs  die  Wirkung  sich  mehr  dem  halb  so  star- 
ken Anker,  welcher  mit  ihm  dieselbe  Berührungsfläche  hat, 
nähert,  als  dem  von  derselben  Schwere.  Ich  habe  wegen 
des  Vergleichs  auch  die  Reihe  mit  dem  i"  starken  Anker 
mit  hinzugefügt. 

Das  Resultat  ist  deshalb  wichtig,  weil  hier  so  deutlich 
die  grofse  Wirkung  der  Berührungsfläche  hervortritt,  da* 
gegen  die  Schwere  (Masse)  fast  ganz  verschwindet. 

Ich  habe  denselben  Anker  noch  von  dem  i"  starken 
Magneten  anziehen  lassen,  und  erhielt  folgendes  Resultat: 

IX.    Anziehung  des  6"  langen  l"  dicken  conischen  Ankers  durch  den 
12''  langen  i"  dicken  Magneten  bei  der  Stromstärke  von  20^ 

conischer  Anker.         cyld.  Ank.  1"  dick.      cyld.  Ank.  \"  dick. 

5,4  Pfd.  4,4  Pfd. 

1,4     »  1,3     » 

0,96  '•  0,9  '  » 

0,67  »  0,67  » 


Berührung 

5,6  Pfd. 

4  Umdr. 

1,45  » 

i     " 

0,9     » 

1      » 

0,65    » 

504 

conischer  Anker.         cyld.  Ank.  1"  dick,     cjicl.  Ank.  J''  dick. 

1  Umdr.    0,48  Pfd.  0,54  Pfd.  0,48  Pfd. 

2  »  0,22  »  0,26  »  0,23     » 

3  »  0,12  ^  0,16  »  0,14     » 

4  »  0,1  «  0,116  »  0,097  » 
9  «  0,08  «  0,088  »  0,o72  « 

6  »         0,06   »  0,075  »  0,056  » 

7  >'         0,04   «  0,062  «  0,044  » 

In  dieser  Reihe  finden  wir  wieder  eine  Analogie  zwi- 
schen diesem  Anker  und  den  cjlindrischen.  So  wie  bei 
den  cjlindrischen  Ankern  nur  geringer  Unterschied  zwi- 
schen dem  1"  starken  und  dem  von  i"  Durchmesser  statt- 
findet, ist  es  auch  mit  dem  conischen.  Allein  wir  sehen 
auch  aus  dieser  Reihe,  dafs  es  für  Entfernung  nicht  vor- 
theiihaft  ist,  die  Anker  zuzuspitzen,  damit  man  das  Maxi- 
mum der  Anziehung  erhalte. 

Aus  diesen  Resultaten  ergiebt  sich  also: 

1 )  Die  Anziehung  verhält  sich  -  in  einigen  Hallen  annä- 
herungsweise wie  die  Durchmesser  der  Anker. 

2)  Zugespitzte  Anker  zeigen  in  Entfernung  geringere 
Anziehung  als  cylindrische  von  demselben  Durchmesser. 

Ich  kann  nicht  unterlassen  in  diesem  Kapitel  noch  Ei- 
niges über  beobachtete  Einzelheiten  zu  bemerken. 

1)  In  allen  Versuchsreihen,  wo  die  Berührungsfläche 
4  Durchmesser  hat,  ist  immer  die  Anziehung,  welche  sich 
bei  einer  Umdrehung  der  Schrauben,  d.  h.  bei  V/  Entfer- 
nung zeigt,  das  Doppelte  von  der  bei  2  Umdrehungen.^ 

2)  Der  12"  lange  1"  starke  Magnet  hält  den  6''  langen 
V'  starken  Anker  mit  derselben  Kraft  in  Entfernung,  als 
der  y'  starke  12"  lange  Magnet  den  1"  starken  6"  langen 
Anker, 

Die  Länge  der  Anker. 

In  welcher  Weise  sich  die  Länge  der  Anker  bei  glei- 
chem Durchmesser  äufsere,  ergiebt  sich  leicht  bei  einem 
Blick  auf  die  früheren  Versuchsreihen.  Vergleichen  wir 
z.  B.  die  Reihen  I  und  II.  mit  einander,  und  in  diesen  die 


505 

Zahlen,  welche  ans  die  6  zölligen  and  9 zölligen  Anker  au- 
ter sonst  ganz  gleichen  Umständen  liefern,  so  finden  wir, 
dafs  im  Allgemeinen  dasselbe  Verhältnifs  stattfindet  für  die 
Wirkungen  in  Entfernung  als  in  Berührung.  Die  Anker^ 
welche  in  der  Nähe  mehr  ziehen,  ziehen  auch  in  jedeir 
Entfernung  mehr.  Freilich  ist  das  Verhältnifs  nicht  immer 
dasselbe.  Der  1"  dicke  9"  lange  Anker  übertrifft  den  6" 
langen  in  weit  höherem  Maafse  als  der  4"  dicke  den  von 
demselben  Durchmesser  übertrifft.  Aehnliches  zeigt  sich, 
wenn  man  die  Anker  bei  der  Stromstärke  von  35®  Ablen- 
kung vergleicht. 

„Die  Anziehung  der  Anker  von  gleichem  Durchmesser 
wächst  mit  der  Länge  derselben.'^ 

Es  versteht  sich  auch  hier  von  selbst,  dafs  eine  Gränze 
eintritt,  wie  sich  diefs  hier  bei  den  4-"  starken  9-  und 
12zöllfgen  Ankern  zeigt.  Ich  mache  darauf  aufmerksam,  dafs 
diese  hier  beide  in  Berührung  dasselbe  ziehen  und  auch  in 
jeder  beliebigen  Entfernung.  Diefs  beruht  auf  einem  ganz 
allgemeinen  Satz,  auf  den  ich  später  zurückkomme.  Eis  ist 
diefs  eine  Probe,  dafs  die  Versuche  fehlerfrei  sind;  denn 
wäre  in  Berührung  eine  der  Beobachtungen  falsch,  so  wür- 
den sie  nicht  durchweg  in  Entfernung  gleich  viel  ziehen. 

Ich  stellte  mir  drittens  nun  die  Frage,  wie  es  sich  mit 

Ankern  von  gleichem  Gewicht 

verhalte.  Ich  bediente  mich  zu  diesem  Zwecke  der  Anlier, 
welche  ich  schon  früher  angewandt  habe  ^),  um  die  Wir- 
kung in  Berührung  zu  prüfen.  Sie  steigen  von  V  Länge 
bis  16''  und  nehmen  dabei  verhältnifsmäfsig  an  Dicke  ab 
von  V  bis  auf  \"  Durchmesser,  in  der  Weise,  dafs  sie  alle 
gleich  viel  wiegen. 

Ich  benutzte  8  Anker,  deren  Länge  war:  1",  2",  4",  5V', 
74.",  8V',  12^  und  16". 

Ich  mufs  im  Voraus  erwähnen,  dafs  es  einige  Schwie- 
rigkeit hatte  auch  die  Anker  zu  prüfen,  welche  gröfseren 
Durchmesser  als   einen  Zoll  haben.    Einmal  ist  es  über- 

1)  Po  gg.  Ann.  Bd.  74,  S.  471. 


506 

haupt  fidwierig»  to  kune  Anker  geoaa  abzoreifsen  wie 
längere,  and  zweitens  pafst  die  Hülse,  welche  den  Ankar 
in  Elntfemang  halten  muCs,  nur  auf  einen  1"  starken  Ei« 
aenstab,  so  da(s  ich  sie  in  diesem  Falle  am  Magneten  be- 
festigen moCite.  Dazu  kommt  noch,  dafe  die  beiden  kfir- 
zesten  Anker  von  geschmiedetem  Eisen  sind,  während  die 
längeren  aus  gewöhnlichem  schlesischen  Rundeiseu  be8t^ 
ben,  welches,  wie  idi  glaube,  viel  gleichmäfsigere  Coosi- 
stenz  hat. 

Ich  habe  folgende  Resultate  erhalten: 

X.    AosiehnDg  der  Anker  von  gleicher  Masse  durch  einen  12"  langea 
1"  diclcen  Magneten  bei  einer  Stromstariie  von  20®. 

Lance  der 

Anker       1".  2".  3".        öj".       7i".      84".        1^'.        16". 

Berühr.  0,83  PR  1,15  Pfd.  2,5  Pfd.  3  Pfd.  4  Pfd.  5  Pfd.  6,6  Pfd.  7,8PfiL 

|UiDdr.0,6l  0,52  0,82  0,9  1,4  1,7  2,1  2,7 

l  »  0,5  0,47  0,66  0,75  1  1,3  1,15  1,7 

f  »  0,4  0,4  0,56  0,6  0,7  0,97  1  1,3 

1  »  0,36  0,38  0,48  0,51  0,6  0,73  0,7  0,66 

2  »  0,22  0,24  0,3  0,32  0,4  0,4  0,38  0,41 

3  »  0,17  0,15  0,19  0,23  0,26  0,26  0,24  0,26 

4  »  0,12  0,12  0,16  0,17  0,18  0,18  0,16  0,17 

5  »  0,095  0,105  0,12  0,14  0,14  0,14  0,13  0,13 

6  »  0,078  0,079  0,09  0,1  0,106  0,106  0,106  0,1 

7  »  0,065  0,07  0,06  0,093  0,094  0,087  0,09  0,09 

8  n  0,058  0,06  0,07  0,08  0,08  0,07  0,077  0,075 

9  »  0,05  0,056  0,063  0,07  0,07  0,06  0,066  0,06 

Während  in  Berührung  der  erste  Anker  mit  einer  Kraft 
gehalten  wird,  die  fast  nur  ^V  ^on  der  ist,  mit  welcher 
der  letzte  angezogen  wird,  ist  in  einer  Entfernung  von  4 
Umdrehungen  die  Anziehung  fast  bei  allen  dieselbe.  Die 
Anziehung  nimnU  um  so  langsamer  ab,  je  kürzer  und  dicker 
der  Anker  ist. 

Es  ergiebt  sich  also  aus  diesen  Versuchen  der  so  wich- 
tige Satz: 
„Anker  von  gleicher  Masse  ziehen  eou  geringerer  Ent- 
fernung ab  gleich  viel". 
Um  die  Wahrheit  dieses  Satzes  zu  bestätigen,  habe  ich 
die  Anker  von  4"  Länge  ab  von  demselben  Magneten  bei 


507 

einein  Strom  von  35°,  so  wie  von  dem  12"  langen  \"  dicken 
Magneten  bei  der  Stromstärke  20°  anziehen  lassen. 

XI.    Anziehang  der  Anker  von  gleicher  Schwere  durch  den  12'^  lan- 
gen V*  dicken  Magneten  bei  einer  Stromstärke  von  35®. 

Länge  der 
Anker        4".  6i".  71".  8{".  12|".  16". 

BerObr.  8  Pfd.  10  Pfd.  13,5  PfA.  16,5  Pfd.  27,5  Pfd.  21,5  Pfd. 
^Uindr.  3  3,3         5,5  7  10,5         11,5 


\     »      2,65       2,95      4,7  5,7  6,8  6,4 

3 

T 


..  2,3  2,6  3,7  4,05  4,8  4,2 

1  »  1,97  2  3  3,2  3,5  3,4 

2  »  1,25  1,3  1,7  1,7  1,65  1,55 

3  »  0,89  0,98  1,15  1,15  1  0,95 
5  »  0,52  0,6  0,65  0,63  0,54  0,51 
9  »  0,21  0,27  0,3  0,31  0,27  0,26 
15  »  0,106  0,12  0,14  0,15  0,14  0,14 

Ich  habe  ^egen  der  mangelhaften  Genauigkeit,  so  wie 
wegen  der  Schwierigkeit,  mit  der  die  Versuche  mit  den 
kurzen  Ankern  anzustellen  sind,  diese  weggelassen.  Und 
gewifs  liefern  Anker  von  4"  bis  16"  Länge  schon  hinrei- 
chende Bürgschaft  für  die  Wahrheit  des  Satzes,  wenn  man 
nur  einmal  auch  die  Wirkung  der  kürzesten  gesehen  und 
beobachtet  hat,  wie  langsam  deren  Abnahme  im  Verhält- 
nifs  zu  den  längeren  Ankern  ist. 

XII.    Anziehnog  der  Anker  von  gleicher  Schwere  durch  einen  12" 
langen  4"  dicken  Magneten  bei  einer  Stromstärke  von  20*. 

Länge  der 

Anker  4".  Öj".  7J".  8.J".  12f.  16". 

Berühr.  4,4  Pfd.  4,6  Pfd.  4,7  Pfd.  5,4  Pfd.  6,4  Pfd.  6,6  Pfd. 
^ümdr.  1,5  1,35        1,45         1,6  1,8  1,8 

4  »      0,98        0,88        0,82        1,05         1,15         1 

I  '.  0,72  0,7  0,7  0,8  0,88  0,78 

1  »  0,57  0,52  0,5  0,6  0,68  0,58 

2  »  0,28  0,26  0,24  0,3  0,33  0,34 

3  »  0,17  0,16  0,16  0,18  0,2  0,19 

4  »  0,12  0,12  0,12  0,13  0,13  0,125 

5  ..  0,094  0,093  0,094  0,09  0,098  0,094 

6  >.  0,075  0,075  0,075  0,07  0,078  0,075 

7  »  0,062  0,U54  0,056  0,053  0,058  0,056 

8  »  0,05  0,046  0,047  0,044  0,047  0,047 


508 

Auch  diese  Reiben  liefern  dieselben  Resultate  und  zwar 
mit  nocb  gröfserer  Genauigkeit  als  die  früheren.  Idi 
schreibe  diefs  dem  Umstände  zu,  dafs  der  Magnet  nur  1" 
Durchmesser  hat  und  aus  dem  Grunde  die  Berührung  so 
ist,  dafs  ich  mit  gröfserer  Leichtigkeit  die  Schrauben  rich- 
tig einstellen  konnte. 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  die  sämmtlicheu  Ver- 
suchsreihen und  deren  Resultate  zurück,,  so  ergiebt  sich 
klar,  dafs  die  Beobachtung  der  Anziehung  in  Entfernung 
mehr  Aufschlufs  über  die  bei  Magneten  waltenden  Gesetze 
giebt,  als  die  Anziehung  in  Berührung;  abgesehen  von  den 
Fällen,  wo  in  Berührung  sich  entgegengesetzte  Erscheinun- 
gen zeigen.  Das  Resultat  der  Anziehung  in  Berührung  ist 
zum  Theil  deshalb  kein  reines,  weil  fast  nie  der  Anker 
Tom  Magneten  mit  der  ganzen  Fläche  zugleich  abreifst,  son- 
dern immer  die  eine  Seite  um  ein  Weniges  sich  eher  hebt. 
Man  mufs  jedoch  erst  genau  beobachten,  um  es  selbst  zu 
bemerken,  denn  wenn  es  sehr  merkbar  ist,  wird  freilich 
das  Resultat  noch  anders.  Ich  habe  mich  stets  bemüht 
solche  Fehler  möglichst  zu  vermeiden,  es  gelingt  jedoch 
am  wenigsten,  je  gröfser  die  Berührungsfläche  ist.  Daher 
geben  denn  die  Versuche  mit  dünnem  Ankern  oder  Mag« 
neten  immer  bessere  Reihen  als  die  mit  starken.  Am  mei- 
sten fallen  die  Fehler  auf  bei  der  Vergleichuug  der  qua- 
dratischen Verhältnisse,  auf  die  ich  hier  noch  besonders 
aufmerksam  machen  will: 

Die  Stromstärke. 

Ich  habe  mehrere  Versuchsreihen  bei  der  Stromstärke 
35^  angestellt.  Diese  ist  nahezu  die  doppelte  von  der  bei 
20^,  mithin  müssen  die  Anziehungen,  welche  sich  in  die- 
sem Falle  zeigen,  das  Vierfache  von  denen  sejn,  welche 
bei  20"^  Stromstärke  auftreten.  Die  Reihen  I  und  III,  II 
und  IV,  X  und  XI  liefern  uns  die  Beispiele. 

Wir  bemerken,  dafs  in  Berührung  durchaus  zu  wenig 
sich  findet,  nur  der  Anker  in  No.  XI.,  welcher  12^"  lang 
ist,  zeigt  eine  specielle  Ausnahme,  indem  er  27,5  Pfd.  An- 


509 

ziehaug  hat,  w&brend  der  ihm  entsprechende  nur  6,C  Pfd. 
zieht.  Jener  zieht  also  sogar  1,1  Pfd.  zu  viel,  was  wahr^ 
scheinlich  auf  einem  Versuchsfehler  beruht.  Dafs  diese  Er- 
scheinungen der  zu  geringen  Anziehung  nicht  ganz  zufäUig 
sind,  nicht  ganz  abhängig  von  der  schlechten  Berührung, 
glaube  ich  schon  aus  den  vielen  Versuchen  in  der  frühe- 
ren Abhandlung  genügend  nachgewiesen  zu  haben  *).  Ebenso 
wenig  glaube  ich  aber,  dafs  bei  vollkommener  Berührung 
sich  nicht  günstigere  Resultate  für  das  Gesetz  herausstellen 
sollten.  —  Ganz  anders  ist  es  nun  mit  den  Resultaten, 
welche  sich  in  Entfernung  zeigen.  Hier  stellt  sich  fast  bei 
allen  schon  bei  -4  Umdrehung  das  richtige  Quadrat  der 
Anziehung  ein,  ja  es  ist  sogar  noch  etwas  zu  grofs,  da 
35^  nicht  gerade  die  doppelte  Tangente  von  20"  giebt. 
Es  müfste  36"  sejn.  Allein  ich  stehe  nicht  an,  diese  Ab- 
weichungen auf  die  Versuchsfehler  zu  rechnen,  und  mithin 
in  diesen  Reihen  den  Beweis  zu  finden  für  jenen,  von 
Lentz  und  Jacobj  ebenfalls  durch  directe  Messungen 
gefundenen  Satz: 
„Die  Anziehung  verhält  sich  (wenigstens  in  Entfernung 
genau)  wie  die  Quadrate  der  magnetisirenden  Ströme^'. 

Anziehung^  der  Klektromaipnete  in  Kntfermini^, 

Magnete  von  verschiedenem  Durchmesser. 

Die  Beantwortung  der  Frage  über  die  Wirkung  des 
Durchmessers  der  Magnete  liefern  zum  Theil  Versuchsrei- 
hen, welche  ich  schon  früher  hehufs  der  Wirkung  der  An- 
ker angestellt  habe,  so  wie  einige  hinzugefügte  neue. 

Ich  halte  es  nicht  für  unnütz  die  vorn  schon  aufgeführ- 
ten Reihen  hier  zu  wiederholen,  da  sie  doch  mit  den  an- 
dern zusammengestellt  werden  müssen. 

Ich  wandte  zunächst  12''  lange  Magnete  von  1''  und  ^" 
Durchmesser  an  und  mufs  erwähnen,  dafs  diese  mit  einer 
Spirale  umwunden,  sind,  welche  auf  6  Hülsen,  je  1^''  lang, 
sich  befindet.  Jede  Hülse  hat  56  Umwindungen  in  2  La- 
gen über  einander.    Die  Länge  aller   6  Hülsen,  d.  h.  die 

1)  Pogg.  Ann.  Bcl.71,  S.  484  n.  f. 


510 

LäDge  sämmtlidier  Spiralwindoogen,  ist  also  10 V,  mithi 
steht  der  Magnet  auf  jeder  Seite  1*  aus  der  Spirale  hervor 

XIII.    Aaziehmig  des  CT  Imges  1"  dickes  Anken  durch  Ma^^seCe  vo 
ITT  Uoge  DBd  1"  osd  l'  Dicke  bei  der  Stromstirke  20*  asd  38*. 


Stromstärke  20*. 

Stromstärke  35*. 

Magnet  r 

dick. 

r  dick. 

1 "  dick. 

j"  dick. 

Berfihniog  3,27  Pfd. 

5,4   Pfd. 

9    Pfd. 

13    Pfd. 

i  Umdr. 

1.1 

» 

1,4      . 

4,6   » 

.6      > 

i     ' 

0,9 

m 

0J96    - 

3,5    » 

3,7    » 

1      - 

0,71 

m 

0,67    - 

2,9    » 

2,7    . 

1      » 

0.6 

» 

0,54    > 

2.6    . 

2,1    » 

2     <• 

0,38 

» 

0,26    » 

1,65  » 

0,92» 

3     » 

0,27 

J» 

0,16    » 

1,05» 

0,57» 

4      » 

0,19 

» 

0,116  » 

0,8    » 

0,4    » 

5     » 

0,15 

» 

0,088» 

0,6    » 

0,3    » 

6      > 

0,11 

» 

0,075» 

0,46» 

0,24» 

7      » 

0,09 

» 

0,062» 

0,38  . 

0*19» 

8     » 

0,08 

n 

0,053» 

0,33» 

0,15» 

9     » 

0,07 

» 

0,045  » 

0,27» 

0,13» 

15      » 

0,13» 

0,06» 

Ich  habe  darauf  Versuche  mit  kürzeren  Magneten,  näm- 
lich von  ff'  Länge  angestellt. 

XIV.     AnziehoDg  des  6"  laogen   1''  dicken  Ankers  dorch  9^  lange 
Magnete  bei  einer  Stromstärke  von  28*38'. 


Mag.   1"  dick. 

Mag.  f  dick. 

Mag.  4"  dick. 

Berflbraog 

2,6   Pfd. 

3,2   Pfd. 

4,4    Pfd. 

i  Umdr. 

0,82    » 

i 

1,35    » 

i     • 

0,67    » 

0,77    » 

0,85    » 

4      » 

0,55    » 

0,62    » 

0,58   » 

1      » 

0,49    » 

0,51    » 

0,48    » 

2      » 

0,3     .. 

0,29    » 

0,22   » 

3     » 

0,21    » 

0,2      » 

0,14   » 

4     » 

0,15    » 

0,14    » 

0,098» 

5     » 

0,12    » 

0,11    » 

0,072  » 

6      » 

0,097  » 

0,084  » 

0,056  » 

7      » 

0,08    » 

0,07    » 

0,045» 

8      » 

0,064  » 

0,06    » 

9      » 

0,054  » 

0,047  » 

511 

Wir  sehen  hier  erst  nach  fielen  Umdrehungen  Annäh- 
rang  an  das  Yerhälnifs  des  Durchmessers  der  Magnete  von 
1"  und  7'  Dicke.  Bei  dem  ^"  starken  tritt  es  gar  nicht 
ein.  Es  scheint  also  nicht  allein  der  Durchmesser,  des  An- 
kers, sondern  auch  die  Länge  der  Magnete  schon  das  Yer- 
hältnifs  zu  ändern,  welches  hier  bei  den  12"  langen  Mag- 
neten gerade  stattfindet.  Ist  hier  eine  Analogie  mit  den  An- 
kern, so  mufs  das  Verhältnifs  ganz  verschwinden,  wenn 
ich  den  Magneten  durch  einen  dünneren  Anker,  als  der 
stärkste  Magnet  ist,  anziehen  lasse. 

Ich  wählte  einen  6"  langen  1''  starken  und  ebenso  einen 
i"  starken  Magneten  und  liefs  diese  den  12''  langen  i" 
dicken  Anker,  bei  einer  Stromstärke  47^  27',  welche  durch 
112  Windungen  ging,  anziehen. 

XV.    Anziehung  der  6''  langen  1"  und  i"  starken  Magneten  auf  den 
12"  langen  V'  starken  Anker.    Strom  47®  27'. 


Mag.  1"  dick. 

Mag.  \"  dick. 

Berfihraog 

5,1     Pfd. 

4,3     Pfd. 

\  Umdr. 

1,5       » 

1,4       » 

i      » 

0,95      » 

0,9       » 

3      „ 

0,68      » 

0,67     » 

1      » 

0,54      » 

0,5      » 

2      » 

0,26      » 

0,24     » 

3      » 

0,155    » 

0,145  » 

4      » 

0,115    • 

0,093  » 

5      » 

0,085    » 

0,07     » 

6      » 

0,07      » 

0,05     » 

7      » 

0,056    » 

0,04     » 

8      » 

0,044    - 

Diese  beiden  Reihen  beweisen  uns  klar,  dafs  ein  Ver- 
hiiltnifs  zwischen  den  Durchmessern  der  verschiedenen  Mag- 
nete, wie  es  die  HH.  Lentz  und  Jacobjr  angegeben  haben, 
nicht  angenommen  werden  kann. 

Später  von  mir  gefundene  Sätze  begründen  auch  die 
Annahme  ganz  anderer  Yerhältnifsmäfsigkeit  zwischen  den 
Magneten  von  verschfedener  Dicke,  deren  experimentelle 


512 

Untersucbung  ich  jedoch  bisjetzt  noch  nicht  nnternommen 
habe,  \¥eil  die  nöthige  gleichzeitige  Berücksichtigung  der 
Durchmesser  der  Anker,  ja  vielleicht  auch  die  h^nge  der- 
selben, die  Untersuchung  sehr  complicirt  macht.  Diefs  halte 
ich  wenigstens  für  gewifs,  dafs  man  bei  der  Untersuchung 
der  Wirkung  des  Elisenkerns  nicht  diesen  allein,  sondern 
immer  das  System  von  Magnet  und  Anker  ins  Auge  fas« 
sen  mufs. 

Was  nun  die  Wirkung  auf  Entfernung  Überhaupt  an- 
betrifft, so  beweisen  uns  diese  Reihen,  dafs  durchweg  der 
Satz  gilt: 
Die  Ansbiehung   der  Eisenstäbe  (Magnete   oder  Anker) 
nimmt  bei  Entfernung  in  um  so  gröfserem  Verhältnisse 
aby  als  diese  dünner  werden. 

Länge  der  Magnete. 

Der  Elektromagnet  besteht  aus  der  Spirale  und  dem 
Eisenkerne.  Ist  nun  von  der  veränderten  Anziehung  durch 
Modification  der  Längenausdehuuug  die  Bede,  so  dürfte 
man  folgerecht  nur  eine  Verlängerung  oder  Verkürzung  des 
Eisenkerns  mit  der  Spirale  darunter  verstehen.  Allein  da- 
bei drängen  sich  zugleich  die  Fragen  auf,  wie  es  sich  ver- 
halte, wenn  einer  dieser  beiden  Theile  geändert  wird. 

Bei  der  Veränderung  der  Längenausdehnung  der  Spi- 
rale sind  wieder  die  beiden  Fälle  möglich,  dafs  entweder 
dieselbe  Anzahl  der  Windungen  nur  auf  eine  gröfsere  Länge 
ausgedehnt  wird,  oder  dafs  die  gröfsere  Länge  durch  eine 
hinzugefügte  Anzahl  neuer  Windungen  hervorgebracht  wird. 
Ich  beginne  mit  dem  letzten  Falle  und  werde  der  Reihe 
nach  folgende  Fragen  beantworten: 

1.  Welchen  Einflufs  hat  eine  gröfsere  Anzahl  von  Win- 
dungen ? 

2.  Welchen  Einflufs  hat  eine  Verlängerung  der  Spirale 
ohne  dafs  die  Anzahl  der  Windungen  vergröfsert  wird? 

3.  Welchen  Einflufs  hat  die  Verlängerung  des  Eisen- 
kerns? 

4.  Welchen  Einflufs  hat  die  Verlängerung  des  ganzen 
Magneten,  d.  h.  des  Eisenkerns  mit  der  Spirale? 

1. 


513 

1. 

Welchen  Einflufs  hat  eine  gröfsere  Anzahl  von  Win- 
dungen ? 

Wenn  von  der  gröfseren  Anzahl  der  Windungen  die 
Rede  ist,  so  können  diese  in  zweifacher  Weise  den  Eisen- 
kern umgeben,  entweder  die  Spirale  wird  dadurch  nicht 
länger  oder  sie  wird  länger. 

Wenn  die  Spirale  durch  die  gröfsere  Anzahl  der  Win- 
dungen nicht  länger  wird,  so  müssen  mehr  Windungen 
sich  über  einander  befinden  und  wir  erhalten  dann  den  Fall, 
welchen  die  HH.  Lentz  und  Jacobj  in  ihrer  Abhand- 
lung"^) behandelt  haben.     Das  Resultat  ist: 

„Die  Totalwirkung  sämmtlicher ,  einen  Eisenkern  umge- 
bender,  Windungen  ist  gleich  der  Summe  der  Wirkung  der 
einzelnen  Windungen.^' 

Dieser  Satz  ist  durch  die  Inductionswirkung  des  Mag- 
netismus, welcher  durch  Unterbrechen  des  Stromes  hervor- 
gerufen wird,  gefunden.  Dafs  sich  nun  aber  die  Anziehung 
nicht  immer  in  derselben  Weise  zeigt  wie  der  Inductions- 
Strom,  haben  wir  schon  früher  gesehen,  es  fragt  sich  also, 
wie  sie  sich  in  diesem  Falle  zeige? 

Um  diefs  zu  untersuchen  nahm  ich  eine  Spirale  von  4" 
Länge  mit  304  Windungen  ungefähr  ^'"  starken  Kupfer- 
drahtes, der  so  gewickelt  war,  dafs  zwei  Drähte  neben  ein- 
ander liefen,  so  dafs  ich  den  Strom  durch  die  halbe  und 
ganze  Anzahl  der  Windungen  gehen  lassen  konnte  und 
immer  gleiche  Entfernung  der  Windungen,  sowohl  vom 
Eisenkern  überhaupt,  als  auch  besonders  von  der  Berüh- 
rungsfläche desselben  hatte. 

Diese  Spirale  steckte  ich  über  den  12*' langen  1"  dicken 
Magneten,  so  dafs  dieser  gerade  2"  aus  ihr  hervorragte; 
dann  leitete  ich  einen  Strom,  welcher  die  Nadel  auf  14°  34' 
ablenkte  hindurch.  Ich  liefs  erst  den  Strom  durch  den  ei- 
nen, dann,  durch  beide  Drähte  nach  einander  gehen,  so  dafs 
erst  152,  dann  304  Windungen  von  derselben  Stromstärke 
durchlaufen  wurden.    Es  bedarf  wohl  kaum  der  Erwähnung, 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  47,  S.  252.  u.  f. 
PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  33 


514 

dafs  ich  den  Strom  immer  mittelst  des  Widerstandmessers 
regulirte,  und  also  bei  diesem  den  Widerstand  Terringero 
oder  eine  stärkere  Säule  nehmen  mufste,   wenn   sich  der 
Widerstand  in  der  Spirale  vergröfserte: 
Das  Resultat  war  diefs: 


XYI.    Anziehung  des  12''  langen  l"  dicken  Magneten  anf  den  6"  lan- 
gen l"  dicken  Aoker  bei  verschiedener  Anzahl  von  Drahtwindnngen 

und  der  Stromstärke  14<^34'. 

152  Windungen. 

Berührung    0,77  Pfd. 
i  ümdr.     0,21     « 
0,18    " 
0,14     » 


1 

7 


a 

T 


1  »>         0,125  » 

2  H         0,08    >> 

3  >>         0,055  « 

4  >>         0,04     « 

5  « 

6  » 

7  V 

8  »» 

9  » 

Wir  sehen  hier  bei  der  Anziehung  in  Berührung  genau 
4  mal  so  grofse  Anziehung  bei  der  doppelten  Windungs- 
zahl als  bei  der  einfachen.  Die .  folgenden  Anziehungen 
sind  gröfser  als  das  4  fache  bis  bei  2,  3  und  4  Umdrehun- 
gen wieder  nur  die  4  fache  Anziehung  eintritt; 

Hiernach  fände  ein  Verhältuifs  statt,  wie  die  Quadrate 
der  Windungszähl. 

Ich  wählte  darauf  einen  12"  langen  ^"  starken  Magneten, 
welcher  dieselben  Verhältnisse  wie  der  vorige  gab: 


304  Wio 
3,1     1 

dangen. 

Pfd. 

0,98 

M 

0,83 
0,68 

M 
1) 

0,57 
0,34 

» 

» 

0,23 
0,16 

» 
» 

0,13 
0,11 

M 
M 

0,083 

M 

0,07 

» 

0.062 

1> 

515 

XVII.    Anziehung  des  12''  langen   |"  starken  Magneten  anf  den  6" 
langen  l''  dicken  Anker  bei  verscliiedener  Windungszahl  und  gleichem 

Strom  =  14'  34'. 


152  Windungen. 

304  W^lndungcn. 

Berührung    0,78  Pld. 

3,2  Pfd. 

\  Umdr.     0,2       » 

1 

4       »>         0,16     « 

0,8     « 

i      »         0,13     >' 

0,65   >» 

1      «         0,1       » 

0,52   « 

2      «         0,06     » 

0,3     » 

3      »         0,037  n 

0,18   » 

4      >» 

0,13    > 

Wir  sehen  bei  diesen  Versuchen  ebenfalls  wieder  in 
Berührung  genau  die  4 mal  so  grofse  Anziehung,  in  den 
Entfernungen  wieder  mehr.  Ich  konnte  wegen  der  gerin- 
gen Anziehung  die  Reihen  nicht  weit  fortsetzen  und  wählte 
daher  noch  eine  andere  Reihe,  wo  derselbe  Magnet  durch 
zwei  solcher  Spiralen  (also  durch  60Ö  Windungen  und 
durch  die  Hälfte),  welche  sich  unter  einander  befanden, 
magnetisirt  wird  durch  den  Strom  der  die  Nadel  auf  14"  34' 
ablenkte. 

XVIII.    Anziehung  des  6"  langen  l''  dicken  Ankers  durch  den  12''  lan- 
gen I"  starken  Magneten  bei  304  und  608  Windungen  bei  dem 

Strom  WSi'. 

304  Windungen.      608  Wmdungifn. 

Berührung  1,3    Pfd.  6     Pfd. 

-^Umdr.  0,65    »  4       h 

'     4      »  0,48   «  2,5    « 

^      >>     .  0,38   »  1,8    » 

1  »  0,3     «  1,45  - 

2  »  0,177»  0,7     « 

3  »  0,11    »  0,42  » 

4  »  0,08    >'  0,31  » 

5  >»  0,06   «  0,23  -» 

6  »  0,048»  0,18  » 

7  »  0,029»  0,14  » 

8  »  0,12  » 

33» 


516 

Wir  findeD  aadi  hier  dieselben  Erscheioangen  wie  bei 
den  vorigen  Versuchen.  Vergleichen  wir  diese  quadrati- 
schen Verhältnisse  9  besonders  die  Abweichungen  von  dem 
Quadrat y  mit  denen  bei  der  Anziehung  in  Bezug  auf  die 
Quadrate  der  Ströme y  wie  sich  zeigt  in  den  Reihen  I  und 
III,  II  und  IV,  X  und  XI,  so  finden  wir,  dak  hier  in 
Berührung  die  quadratische  Anziehung  gröfser  ist  als  dort. 
Dort  ist  die  Anziehung  in  Berührung  immer  kleiner  als  das 
richtige  Quadrat  der  Ströme,  in  jeder  Entfernung  aber 
zeigte  sich  durchschnittlich  die  Anziehung  dem  Quadrat  der 
Ströme  genau  proportional. 

Wenn  nun  in  jenen  früheren  Fällen  das  nicht  genaue 
Quadrat  in  Berührung  seinen  Grund  in  äufsern  Uebelstän- 
den  hat,  so  müfste  hier  sich  dieselbe  Ungenauigkeit  zei- 
gen wie  dort,  wenn  wirklich  ebenfalls  quadratische  Ver- 
hältnisse stattfinden.  Zeigen  sich  hier  nicht  dieselben  Feh- 
ler, so  ist  entweder  nicht  dasselbe  Verhältnifs,  oder  die 
umstände,  unter  denen  hier  die  Anziehung  stattfindet,  siod 
nicht  dieselben  wie  dort.  Es  ist  aber  hier  Alles  dasselbe 
wie  dort,  aufser  der  Spirale.  Diese  Spirale  ist  nun  frei- 
lich eine  ganz  andere.  Während  die  früher  immer  ange- 
wandten Spiralen  nur  aus  2  Lagen  viel  dünneren  Kupfer- 
drahtes, der  mit  Seide  besponnen  ist,  bestehen,  so  dafs 
sie  im  Ganzen  nur  1^"  Durchmesser  haben,  hat  die  jetzt 
angewandte  Spirale  8  Lagen  mit  Wolle  besponuenen  Kup- 
ferdraht und  erreicht  dadurch  einen  Durchmesser  von  3|^^. 
Hierdurch  wird  nun  die  Seitenwirkung  gröfser,  und  diels 
könnte  wohl  auf  den  nur  2"  entfernten  Anker  so  influi- 
ren,  dafs  sich  obige  Abweichung  zeigte.  Ist  diefs  der  Fall, 
so  mufste  wieder  die  Erscheinung  wie  früher  eintreten,  wenn 
ich  die  Spirale  mehr  von  der  Berührungsfläche  entfernte.  — 
Ich  that  diefs.  Ich  schob  die  Spirale  fast  an  das  andere 
Ende  des  Magneten,  so  dafs  dieser  um  T  aus  derselben 
hervorstand.  Jetzt  war  keine  bedeutende  Einwirkung  auf 
den  Anker  mehr  wahrscheinlich,  ich  hatte  jetzt  ungefähr  das- 
selbe Verhältnifs  der  weiten  Spirale  zum  Magneten  in  Be- 


517 

zug  auf  die  Seitenwirkuug  als  unter  deu  früheren  Verbält- 
nissen die  enge  Spirale. 

Ich  Uefs  nun  wieder  den  12"  langen  -|"  dicken  Magne- 
ten den  6"  langen  1"  dicken  Anker  bei  einer  Stromstärke 
25^,  bei  einfacher  und  doppelter  Windungszahl,  anziehen 
und  erhielt  folgende  Resultate: 

XIX.  ADziehUDg  des  12"  langen  |"  dicken  Magneten  auf  den  6''  lan- 
gen 1"  dicken  Anker  durch  152  und  304  Windungen  bei  der  Strom- 
stärke von  25^ 

152  Windungen.       304  Windungen. 

Berührung  0,35    Pfd.         1,8    Pfd. 
i  Umdr.  0,15     .«  0,6      »> 

0,43  n 
0,32  »* 
0,28  » 
0,15  « 
0,1  « 
0,07  « 
0,055  >' 
0,04    » 

Aufserdem  stellte  ich  noch  2  Versuche  in  demselben 
Sinne  an.  Ich  nahm  den  12''  langen  1"  dicken  Magneten 
und  liefs  ihn  den  6"  langen  ^'*  dicken  Anker  anziehen  bei 
den  Stromstärken  19^  und  30^  Ablenkung.  Ich  habe  also 
hier  aufser  der  Spirale  Alles  geändert  um  zu  sehen,  ob 
auch  unter  jeder  beliebigen  Bedingung  dasselbe  Resultat 
sich  zeigen  werde.     Ich  erhielt  diese  Reihen; 

XX.  Anziehung  des  12"  langen  1''  dicken  Magneten  auf  den  6"  lan- 
gen i"  dicken  Anker  durch  152  und  304  Windungen  bei  den  Strom- 
stärken 19^"  und  30^ 


1 

n 

0,11 

3 

» 

0,084 

1 

}> 

0,073 

2 

M 

0,042 

3 

» 

4 

M 

5 

H 

6 

» 

19*», 

t 

30». 

152  Wind. 

304  Wind. 

152  Wind.      304  "Wind. 

Berührung  0,44  Pfd. 

1,5    Pfd. 

1,15  Pfd.      3,8  Pfd. 

1  Umdr.  0,1      « 

0,4      » 

0,25    »          1      » 

i      »       0,06    « 

0,25    » 

0,17     »         0,7   » 

518 

152  Wind.     304  Wind.     162  Wind.    304  Wind. 

4  Umdr.  0,04  Pfd.    0,18  Pfd.    0,12  Pfd.    0,5    Pfd. 

1  »>  0,14    «       0,09    »       0,39    « 

2  »  0,051 «       0,044 «       0,16    »» 

3  »  0,038»  0,11    » 

4  «  0,08    » 

5  »  0,058 » 

6  »  0,037» 

Alle  diese  Reihen  liefern  uns  meder  dieselbe  Erschei- 
nung vfie  die  früheren  bei  den  Quadraten  der  Stromstärke, 
und  so  ist  durch  diese  Versuche  aufser  Zweifel: 

,,Die  Anziehung  verhält  sich  wie  die  Quadrate  der  An- 
zahl der  Windungen/^ 
Wenigstens  mufs  diefs  bestimmt  von  der  Wirkung  in  nicht 
unmittelbarer  Berührung  behauptet  werden.  Allein  ich  glaube 
auch  hier,  dafs  vorzugsweise  die  mangelhafte  Berührung  der 
Grund  zu  der  Abnormität  in  Berührung  ist. 

Wenn  nun  von  HH.  L'entz  und  Jacobj  gesagt  wird, 
dafs  die  Totalwirkung  aller  Windungen  gleich  der 
Summe  der  einzelnen  ist,  so  mufs  wenigstens  hinzugesetzt 
werden  f,auf  die  Inductionsspirale^* ,  denn  unter  Totalwir- 
kung  kann  auch  die  Anziehung  verstanden  werden,  was 
vielleicht  Hr.  Jacobj  nicht  gewollt  hat,  was  aber  doch 
auch  von  Physikern  dabei  gedacht  wird.  So  sagt  z.  B.  das 
Lehrbuch  von  Pouillet  u.  Müller  Bd.  2.  S.  209:  Um 
beliebig  starke  Magnete  zu  machen,  braucht  man  nur  dickere 
Eisensläbe  anzuwenden,  man  braucht  nur  bei  doppeltem, 
dreifachem  etc.  Querschnitt  des  Drahtes  doppelt,  dreimal  etc. 
so  viel  Drahtwindungen  um  das  Eisen  herumzuführen,  um 
eine  doppelte,  dreifache  etc.  Wirkung  zu  haben.  Hier  ist 
unter  „starke  Magnete^^  und  „  Wirkung ^^  die  Anziehung  der- 
selben verstanden. 

Der  andere  Fall,  in  welchem  eine  vermehrte  Windnngs- 
anzahl  auftreten  kann,  ist,  dafs  die  Windungen  neben  ein- 
ander geordnet  werden,  und  also  die  Spirale  dadurch  län- 
ger wird,  einen  längeren  Theil  des  Eisenkerns  bedeckt. 
Um  diefs  zu  prüfen,  hatte  ich  schon   ein  Beispiel  in  die- 


519 

sen  Versuchsreihen  XVII  und  XVIII,  wo  bei.  den  letzlern 
die  doppelte  Winduugszahl  neben  einander  liegt.  Ist  das 
Gesetz  von  den  Quadraten  richtig,  so  mufste  es  hier  auch 
hervortreten,  aber  die  Quadratzahlen  mufsten  etwas  zu 
klein  seyn,  da  die  Windungen  weiter  vom  Berührungs- 
punkte entfernt  sind.  Wir  sehen,  dafs  es  sich  wirklich  so 
verhält.  Die  vierte  Colonnc  ist  nahezu  das  16  fache  von 
der  ersten. 

Ich  nahm  nun  noch  meine  früheren  Spiralen  und  um- 
gab den  12"  langen  |"  dicken  Magneten  zuerst  mit  einer, 
dann  mit  zweien  etc.  bis  auf  6  Spiralen  (d.  h.  336  Win- 
dungen) immer  so,  dafs  der  Abstand  der  nächsten  Spirale 
f  von  der  Endfläche  war. 


XXI.    Anzieliiing  des  12"  langen  ^  starken  Magneten  durch  verscbie* 
dene  Spiralen  magnetisirt  bei  dem  Strom  20°. 

1  Spir.  2  Spir.  3  Spir.  4  Spir.  6  Spir. 

Berührung  0,25  Pfd.    1,1  Pfd.     1,85  Pfd.     3  Pfd.  3,4  Pfd. 

i  ümdr.  0,1  0,32  0,67  1  1,3 

4      «       0,07  0,22  0,46  0,72  0,97 

^      >>       0,05  0,17  0,38  0,58  0,75 

1  »       0,044  0,14  0,32  0,45  0,62 

2  »  0,08  -    0,17  0,26  0,34 

3  »  0,05  0,11  0,17  0,22 

4  "  0,08  0,12  0,16 

5  "  0,061  0,0.9  0,12 

6  "  0,045  0,07  0,093 

Wir  finden  auch  hier  dasselbe  Resultat.  Die  Zahlen 
sind  etwas  kleiner  als  der  Quadrat  der  Anzahl  der  Win- 
dungen. Wir  bemerken  aber  ferner,  dafs  das  Verhältuifs 
der  Anziehung  immer  enger  wird,  je  mehr  die  Windungs- 
anzahl sich  vergröfsert.  —  Abgesehen  von  der  Anziehung  in 
Berührung  ist  die  Anziehung   einer  Spirale  zu  der  von  2 

etwas  gröfser  als 1:3, 

ebenso  ist  die  von  2 :  4  Spiralen   noch   gröfser  als       1 : 3, 

die  von  3 :  6  Spiralen  isl  genau =1:2, 

die  von  1 : 3  Spiralen =1:7, 

dagegen  die  von  2  : 6  Spiralen  etwas  gröfser  als     =1 :  4, 
und  endlich  die  von  4:6  Spiralen =3:4. 


520 

Was  die  Anziehang  in  BerühruDg  anbetrifft ,  80  sind 
auch  hier  wie  bei  den  früheren  Fällen  die  Resultate  fGr 
die  passenden  Verhältnisse  zu  klein. 

Wir  finden  mithin  aus  diesen  Versuchen: 

1)  „Wenn  die  Windungsanzabl  vergröfsert  wird,  doch 
so,  dafs  die  Windungen  neben  einander  geordnet  wer- 
den, so  findet  nicht  das  vollkommene  Verhältnifs  der 
Quadrate  der  Anzahl  der  Windungen  statt/' 

Die  Zahlen  sind  etwas  kleiner,  liegen  jedoch  den  Quadra- 
ten nach  näher  als  dem  einfachen  Verhältnifs,  bis  diefs  erst 
bei  gröfserer  Längenausdehnuug  der  Spirale  eintritt;  d.h. 

2)  „Die  yerhältnifsmäfsige  Zunahme  der  Anziehung  ist  bei 
verhältnifsmärsig  vermehrter  Windungsanzahl  um  so 
geringer,  je  mehr  Windungen  schon  vorhanden  sind." 

(Schlufs  im  nächsten  Heft.) 


III.    Jüeber  die  Thätigheh  der  meteorologischen  Sta- 
tionen in   Georgien.     j4us   einem  Berichte  an  den 
Fürsten  VForonzocv  und  aus  Briefen  an  die  HH. 
L.  p.  Bucfy  und  A.  q.  Humboldt; 
ipon  Hermann  Ahich. 


I.    Ans  dem  Bericht  an  den  Fürsten  Woronsow. 

deit  Ende  des  Jahres  1847  ist  an  sieben  Orten  in  Geor- 
gien ein  System  regelmäfsiger  Beobachtungen  des  Baro-, 
Thermo-  und  Hygrometers,  der  Windesrichtuug  und  der 
Menge  des  gefallenen  Regens  und  Schnees  in  unausgesetz- 
ter Thätigkeit. 

Die  vergleichende  Tafel,  welche  diesem  Berichte  ange- 
hängt ist,  enthält  die  Mittelwerthe  eines  jeden  Beobacb- 
tungs- Elements  (mit  Ausnahme  des  Barometerstands)  für 


521 

die  12  Monate  des  Jahres  1848  zu  Baku,  Lenkoran;  Sehe- 
maka,  Redut-Kaleh  und  KtUais  ^).  Diese  Zahlenwerthe, 
welche  die  mittleren  Resultate  von  mehr  als  8000  mit  sorg- 
fältig unter  sich  verglichenen  Instrumenten  und  zu  cor- 
respondirenden  Stunden  angestellten  Beobachtungen  sind, 
setzen  uns  in  den  Stand,  den  aufserordentlichen  Einflufs,  toeU 
chen  das  asiatische  Continent  auf  die  Temperaturcertheilung 
in  Transkaukasien  ausübt,  viel  positiver  als  es  bisher  er- 
laubt war  zu  beurtheilen,  indem  sie  uns  zugleich  die  son- 
derbare und  neue  Thatsache  kennen  lehren,  dafs  das  Kas- 
pische  und  Schwarze  Meer  ihre  Etesien  oder  Moussons  ha- 
ben wie  das  Mittelländische  Meer  und  der  Indische  Ocean. 
Der  continentale  Einflufs  von  Asien,  dessen  ich  eben  er- 
wähnte, äufsert  sich  noch  deutlicher,  wenn  man  den  Gang 
der  Isothermen  in  unserem  Lande  verfolgt.  Die  Skizze  der 
klimatologischen  Karte  auf  Taf.  VI.  wird  die  Untersuchung 
darüber  erleichtern.  Jedoch  ist  zu  bemerken,  dafs  die  Iso- 
thermen-Linien, welche  die  Punkte  gleicher  Mittelwärme 
vereinen,  in  Bezug  auf  das  Niveau  des  Meeres  gezogen 
sind.  Es  folgt  daraus,  dafs  die  Mitteltemperatur  jedes  Orts, 
welcher  über  dem  Meeresspiegel  liegt,  reducirt  werden  mufs 
auf  die,  welche  ihr  correspoudirt,  wenn  es  sich  darum  han- 
delt, die  Verhältnisse  des  Orts  zu  irgend  einer  Isotherme  zu 
untersuchen.  So  ist  die  Mitteltemperatur  von  Tiflis  9^,81  R. 
und  die  absolute  Höhe  des  Observatoriums  fast  1300  par. 
Fufs.  Nimmt  man  eine  Wärme -Abnahme  von  einem  Grade 
für  500  par.  Fufs  an,  so  mufs  Tiflis,  reducirt  auf  den  Mee- 
resspiegel, eine  mittlere  Jahrestemperatur  von  9,81  +  2,60 
=  12^,41  R.  haben.  Reducirt  man  in  eben  der  Weise  die 
mittlere  Temperatur  von  Kutais  auf  den  Meeresspiegel,  so 
erhalten  wir ,  da  die  Höhe  dieser  Stadt  446  par.  Fufs  b.e- 
trägt,  11,60 -4- 0,98  =  12  V9-  ^i»  Blick  auf  die  Karte 
zeigt  uns,  dafs  die  Isotherme  von  12^  R.  Tiflis  und  Kutais 

1)  Darch  den  Brief  von  Hm.  v.  Ifumboldt,  den  ich,  als  Obiges  dem 
Druck  übergeben  werden  sollte,  von  Hrn.  Prof.  Dotc  mitgetheilt  be- 
kam, konnte  diese  Tafel  auf  das  Jahr  1849  und  noch  auf  einige  an- 
dere ab  die  genannten  Orte  ausgedehnt  werden.  P. 


522 

in  seht  genauem  YerhSltnifs  mit  Nizza  12^,5,  Florenz  12'',2, 
Rom  12'' ,3  und  Trebisonde  12^,2  verbindet.  Von  Rom 
bis  Tiflis,  welche  fast  unter  derselben  geographischen  Breite 
liegen,  verläfst  die  Curve  der  Isotherme  12°  nicht  eine 
Zone,  welche  sich  zwischen  40  und  42^-  Breite  hinzieht. 
'Westlich  von  Rom  sehen  wir  die  Isotherme  12°  sogar  bis 
zur  Breite  45°  aufsteigen.  Oestlich  von  Tiflis  findet  offen- 
bar das  Gegentheil  statt.  Statt  durch  das  Kaspische  Meer 
hin  und  jenseits  desselben  ihren  Gang  in  der  Zone  zwi- 
schen 40  und  424°  zu  verfolgen,  biegt  die  Isotherme  von 
12°  plötzlich  herab  und  nähert  sich  dem  Aequator;  sie 
scheint  das  sfidliche  Küstenland  des  Kaspischen  Meeres  za 
treffen  oder  blofs  daran  vorbei  zu  streifen,  und  entzieht 
sich  dann,  wegen  mangelnder  Beobachtungen,  der  weiteren 
Untersuchung. 

Diese  interessante  und  unerwartete  Entdeckung  verdankt 
man  den  vergleichenden  Beobachtungen  von  Redut-Kaleh, 
KutaiSy  Baku  und  Lenkoran,  Orten,  die  trotz  eines  Brei- 
tenunterschiedes von  4°,  fast  eine  gleiche  Jahrestemperatur 
geniefsen.  Zerfällt  man  die  vier  Orte  in  zwei  Gruppen, 
so  hat  man  für  die  westliche,  dem  schwarzen  Meere  an- 
gränzende,  d.  h.  für  Redut  und  Kutais,  eine  Mitteltempe- 
ratur von  11°,52  R.  und  für  die  östliche,  dem  Kaspischen 
Meer  benachbarte,  d.  h.  für  Baku  und  Lenkoran,  eine 
Mitteltemperatur  von  11°,27R. 

Die  allgemeinen  Gesetze  der  Temperatur-Yertheilung 
auf  unserem  Erdkörper  beweisen,^  dafs  zwischen  den  ParaL 
lelen  von  38°  und  45°  ein  Breitengrad  einem  Unterschied 
in  der  mittleren  Jahrestemperatur  von  fast  einem  Reaumur*- 
schen  Grad  entspricht.  Nimmt  man  nach  diesen  theoreti- 
schen Betrachtungen,  den  Breiten -Unterschied  von  Tiflis, 
Baku  und  Lenkoran  in  Rechnung,  so  erhält  man  für  Baku 
eine  berechnete  Mitteltemperatur  von  13,09  und  für  Len- 
koran eine  von  I3°,86.  Indefs  zeigt  die  directe  Beobach- 
tung, dafs  die  wirklichen  Temperaturen  1°,5Q  und  2°,€2 
geringer  sind  als  sie  sejn  müfsten.  Vermöge  dieser  Depres- 
sion der  mittleren  Jahrestemperatur  zeigen  uns  die  Zahlen 


523 

Ton  Baku  und  Lenkoran  dafs  daselbst  die  Winter  zwei 
bis  drei  Mal  strenger  sind  als  zu  Kutais  und  Redut. 

Der  Anblick  der  kleinen  Tafel  (am  Schlüsse  dieses  Be- 
richts), welche  die  an  einigen  Wintertagen  in  der  Zone 
zwischen  38  und  44^  Br.  und  westlich  von  Tiflis  beobach- 
teten Temperatur -Minima  vergleicht  mit  den  in  derselben 
Zone  östlich  von  Tiflis  beobachteten  Minimis,  zeigt  uns 
für  Lenkoran  —9^1,  Baku  —4^2,  Derbent  —  11°,8  und 
Bokhara  —  18°,6  R. 

Die  ungleiche  Vertheilung  einer  selben  Menge  jährlicher 
Wärme  zwischen  den  verschiedenen  Jahreszeiten  äufsert 
sich  also  in  «der  bestimmtesten  Weise  in  dem  Maafse  als 
man  von  Tiflis  aus  gegen  Osten  vorrückt.  Die  Unterschiede 
zwischen  den  Winter-  und  Sommertemperaturen  folgen  dem- 
selben Gesetze.  Die  aus  diesen  Thatsachen  hervorgehende 
Wahrheit  ist  nicht  neu.  Allein  zu  der  Zeit,  da  man  sich 
über  die  Anpflanzung  des  Zuckerrohrs  zu  Lenkoran  stritt, 
ahnte  man  sicherlich  nicht,  dafs  dieser,  unter  der  Breite 
von  Smyrna  und  Palermo  liegende.  Ort  nicht  die  Jahres- 
und Sommertemperatur  von  Montpellier  besitzt,  sondern 
die  Wintertemperatur  von  Trier  und  Maestricht,  und  es 
war  gleichfalls  unbekannt,  dafs  die  klimatischen  Bedingun- 
gen von  Imiretien  und  Mingrelien  für  dctn  Versuch  einer 
Kultur  dieser  Art  weit  günstiger  sind.  Wie  grofs  auch  die 
petrographische  und  phjsiognomische  Aehnlichkeit  ist  zwi- 
schen den  Bergen  von  Lenkoran  und  denen  von  Guriel 
und  Imiretien,  so  verliert  doch  der  Gesammt  -  Charakter 
der  Vegetation,  welche  die  Berge  von  Talysch  und  die 
sumpfigen  Ebenen  an  deren  Fufse  bedeckt,  das  Gepräge 
einer  weniger  günstigen  klimatischen  Disposition.  Die 
immergrünen  Sträuche,  welche  z.  B.  den  Wäldern  von 
Colchis  so  vielen  Reiz  verleihen,  wie  der  Lorbeer  (Laurus 
nobilis),  der  selbst  in  den  geschützten  Thälern  der  Umge- 
gend von  Kutais  reichlich  vorkommt,  und  der  Kirschlorbeer 
QL(mru9  cerasus^  meiden  gänzlich  die  nebligen  und  kalten 
Winter  der  Küsten  von  Talysch  und  Lenkoran.  Der  Buchs- 
baum (Buxus  sempereirens)  gelangt  niemals  zu  jeuer  bäum- 


524 

artigen  und  fippigen  EntwicklaDg  wie  za  Imiretien  und  Miu- 
grelien  z.  B.  im  Thale  von  Ingur.  Selbst  die  Stechpalme 
(Hex  aquifolium^  zeigt  sich  nur  spärlich  and  verkrüppelt 
in  wenig  erhobenen,  aber  den  Nordwinden  ausgesetzten 
Orten.  Die  Rhododendren  und  Azalien  sind  gleidifalis 
unbekannt  zu  Talvsch  und  Lenkoran.  Das  Ansehen  und 
der  Charakter  der  Wälder  auf  den  Bergen  von  Lenkoran 
erinnert,  so  wie  man  sich  ein  Paar  hundert  Toisen  fiber 
das  Niveau  der  Ebene  erhebt,  häufig  weit  mehr  an  die 
bewaldeten  Berge  des  Nordens,  und  so  wie  man  sich  der 
Gränze  der  Waldregion  nähert,  bedecken  sich  die  Bäume 
mit  einer  Art  von  grünlich  grauem  Moose,  welches  in  lan- 
gen und  zarten  Bündeln  von  allen  Zweigen  herabhängt. 
Zu  Lenkoran  hat  man  keine  guten  Früchte  mehr;  sie  sind 
weder  schmackhaft  noch  süfs,  sondern  steinig  und  halb  wild; 
erst  durch  eine  künstliche  Kultur  gewinnt  man  aus  den 
wilden  Reben  einen  leidlich  trinkbaren  Wein. 

Vermuthlich  giebt  es  in  ganz  Georgien  keinen  feuch- 
teren Ort  als  Lenkoran.  Wie  aus  den  Beobachtungen 
hervorgeht,  ist  die  Atmosphäre  daselbst  fast  beständig  mit 
Wasserdampf  gesättigt.  Die  aufserordentliche  Menge  Was- 
ser, die  daselbst  in  Gestalt  von  Schnee  und  Regen  fällt, 
trägt  offenbar  bei  zur  Erniederung  der  Jahrestemperatur. 
Der  Verlust  an  Wärme,  die  latent  wird  durch  Verdam- 
pfung der  Wassermassen,  welche  während  der  regnigten 
drei  Viertel  des  Jahres  auf  das  sumpfige  und  bewaldete  Lit- 
toral herabfallen,  mufs  eine  kältende  Ursache  seyn,  deren 
Wirkung  nicht  aufgewogen  wird  durch  die  der  Wärme- 
Entwicklung  bei  Bildung  der  Regen,  weil  die  atmosphäri- 
schen Ströme,  welche  die  letzteren  erzeugen,  zugleich  Luft 
herbeiführen,  deren  Temperatur  geringer  als  die  des  Bo- 
dens ist.  Die  Dämpfe,  die  sich  aus  dem  Kaspischen  Meere 
erheben,  werden  durch  die  Nordost-  und  Nord -Nordost- 
winde  gegen  die  Region  der  Südwestküste  dieses  Meeres 
getrieben,  um  dort,  durch  die  Berge  von  Taljsch  aufgehal- 
ten, sich  in  Wolken  anzuhäufen,  aus  denen  das  Wasser 
gleichsam  mechanisch  ausgedrückt   wird.     Aehnliche  Yor- 


525 

gSngd  sehen  wir  zu  Kutais,  aber  alles  ist  dort  umgekehrt. 
Die  Dünste  des  schwarzen  Meeres  werden  durch  die  lauen 
Südwest-  und  Westwinde  in  diesen  entlegenen  Winkel 
von  Colchis  getrieben  und  es  fällt  daselbst  jährlich  min- 
destens dieselbe  Menge  Wasser  wie  zu  Lenkoran.  Allein 
die  Temperatur  der  Luft  und  des  Windes,  welche  die  Re- 
gen herbeiführen,  ist  höher,  und  aus  diesem  Grunde  ist 
die  kältende  Wirkung  der  Verdampfung  weniger  merkbar. 
Die  mäfsige  Regenmenge,  welche  zu  Baku  fällt,  und  sich 
zu  der  zu  Lenkoran  und  Kutais  wie  1 : 4,59  und  1 : 5,20 
verhält,  scheint  eine  Wirkung  der  Ursachen  zu  sejn,  welche 
die  Temperaturen  von  Baku  höher  stellen  als  die  von  Len- 
koran. Diese  Erscheinung  entspringt  offenbar  aus  der  freien 
und  fast  unausgesetzten  Bestrahlung  der  grofsen  Ebenen, 
welche  der  Kura  durchläuft.  Die  aufserordentliche  Zunahme 
der  absoluten  Luftfeuchtigkeit  zu  Baku  während  der  hei- 
fseren  und  regen -ärmeren  Monate  des  Jahres  scheint  auch 
darin  ihre  Erklärung  zu  finden. 

Etesische  Winde. 

Ein  anderes,  bisher  unbekanntes  meteorologisches  Phä- 
nomen, das  uns  die  Beobachtungen  des  Jahres  1848  ent- 
decken liefsen,  betrifft  den  regelmäfsigen  Wechsel  von 
Winden  nach  den  entgegengesetzten  Jahreszeiten,  Winter 
und  Sommer;  Winden,  welche  man  im  Indischen  Oceane 
Moussons,  und  im  Mittelländischen  Meere  Etesien  nennt. 

Erwägt  man  die  ungleiche  Erwärmung  des  Meeres  und 
des  Bodens,  so  wie  die  Verhältnisse  der  Gestaltung  und 
relativen  Lage  der  die  Meeresküste  bildenden  Ebenen  und 
der  dieselben  umsäumenden  Berge,  so  ist  der  Grund  nicht 
schwer  zu  finden,  weshalb  zu  Lenkoran  und  Redut  ein 
Wechsel  in  der  Windesrichtung  stattfindet,  so  dafs  im 
Winter  zu  Lenkoran  ein  Nordwest-Mousson  herrscht,  wäh- 
rend zu  Redut  der  Südost- Mousson  weht.  Im  Sommer 
sind  die  Rollen  vertauscht;  zu  Redut  herrscht  der  NW. 
und  zu  Lenkoran  der  SO.  In  Folge  dieser  regelmäfsigen 
Veränderung  geniefst  Redut  den  grofsen  Vorzug,  wenig- 


52fr  ^ 

stens  im  Winter  eine  trockne  und  gesunde  Luft  zu  haben. 
In  dem  Maafse  aber  als  die  Sommerwärme  zurückkehrt, 
und  die  Ebene  von  Colchis  sich  stärker  erhitzt  als  das 
Meer»  beginnen  die  westlichen  Winde  wiederum  die  Land- 
winde zu  verdrängen  und  die  Luft  gelangt  bald  auf  das 
Maximum  ihrer  Feuchtigkeit.  *  Die  Zunahme  und  die  Stärke 
der  verderblichen  Fieber  fällt  in  diese  Zeit. 

Der  Winter -Moussou  zu  Lenkoran  ist  ein  Landwind, 
aber  defsungeachtet  ist  er  viel  feuchter  als  der  Ost-  und 
Südostwind,  welcher  während  dieser  Jahreszeit  zu  Redut 
webt  9  wie  wir  eben  gesehen. 

In  diesen  etesischen  Winden  des  Schwarzen  und  Kas- 
pischen  Meeres  erkennen  wir  ein  sehr  auffallendes  Bei- 
spiel der  innigen  Beziehung,  die  zwischen  dem  hjgrome- 
trischen  Zusland  der  Atmosphäre  und  den  die  Jahreszeiten 
bedingenden  Epochen  vorhanden  ist.  Diefs  ist  der  Aus- 
gangspunkt einer  Gattung  von  Untersuchungen  und  An- 
wendungen klimatologischer  Beobachtungen,  welche  für  die 
Lösung  pathologischer  Probleme  und  landwirthschaftlicher 
Fragen,  besonders  in  Betreff  des  Weinbaues,  ohne  Zwei- 
fel sehr  fruchtbar  werden  müssen.  Der  Vergleich  ist  der 
Lebensnerv  für  diese  Aufgaben  und  in  demselben  Maafse 
als  die  Zahl  der  meteorologischen  Stationen  systematisch 
vermehrt  wird,  wächst  auch  der  absolute  Werth  der  Un- 
tersuchungen. 

II.    Aus  einem  Briefe  an  Hrn.  L.  ▼.  Bach'). 

TIBis,  d.  24.  Jan!  1849  alt  St 

Die  Methode  för  die  Berechnung  der  Temperaturwerthe 
war  die  folgende.  —  Von  Anfang  an  bemüht  für  die  Beob- 
achtungen die  Stunden  festzustellen,  deren  Combioation 
für  Tiflis  arithmetische  Mittel  liefert,  die  sich  möglichst  we- 
nig von  dem  wahren  Mittel  der  Tage  entfernen,  erhielt  ich 
überall  gute  Beobachtungsreihen,  aus  denen  Werthe  abzu- 
leiten waren,   die  nur  einer  kleinen  Correctur  bedurften. 

1)  Wir  heben  aas   diesem  Briefe  nar  hervor,   was   den  befolgtem  Beob- 
acfatangsverfahren  xar  Erlüatemng  dient 


527 

Diese  Correctur  wurde  auf  Grundlage  der  Tifliser  Beob- 
achtuDgen  uud  der  aus  deuselben  abgeleiteten  Tabellen 
über  den  stündlichen  Gang  der  Wärme  daselbst  wie  ge- 
wöhnlich in  Anwendung  gebracht,  mit  Hinzufügung  jenes 
veränderlichen  Coefficienten,  der  auf  die  Verschiedenheit 
der  Wärmeverthcilung  von  einer  Beobachtungsstunde  zur 
andern  zwischen  Tiflis  und  dem  jedesmaligen  Beobachtungs- 
orte Bücksicht  nimmt.  Häufig  konnte  auch  von  der  For- 
mel 7+2+2x9  Gebrauch  gemacht  werden,  die  überall 
ein  scharfes  Besultat  giebt,  welches,  wie  bekannt,  gar  keiner 
Correctur  bedarf.  Die  Listen  der  Beobachtungen  sind  an 
mehreren  Stationen  reichhaltig  genug,  um  den  Werth  noch 
anderer  theoretisch  zu  suchender  Formeln  für  die  Stunden- 
gruppen an  den  beobachteten  Werthen  selbst  prüfen  zu 
können.  Nach  meinen  Erfahrungen  und  vielfachen  Prüfun- 
gen der  verschiedenen  für  die  Orte  Grusiens  tauglichen 
Stundengruppen  darf  ich  annehmen,  dafs  die  in  der  Ta- 
belle aufgenommenen  Werthe  so  nahe  um  die  Wahrheit 
oscilliren  müssen,  dafs  sie  mit  derselben  als  zusammenfal- 
lend zu  betrachten  sind.  ludefs  bleibt  eine  Revision  die- 
ses Gegenstandes  aus  den  Originalheften,  so  wie  der  von 
mir  geführten  genau  aufgezeichneten  Rechnungen  einer  spä- 
teren Zeit  vorbehalten. 

Ich  bemerke  hier  noch  anmerkungsweise  Folgendes. 
Wenn  man  die  Tabelle  der  stündlichen  Wärmeverthcilung 
des  vollen  Jahres  für  Tiflis  mit  den  Tabellen  von  Leith, 
Padua  und  Apenrade  vergleicht,  so  findet  sich,  dafs  die  Mo- 
mente, an  welchen  Vor-  und  Nachmittags  die  der  mittleren 
Jahrestemperatur  entsprechenden  Temperaturen  auftreten, 
für  Tiflis  9^  32"  Morgens  und  8^  19"  Abends  erfolgen,  mithin 
IQb  ^^m  auseinanderliegen.  Wenn  diese  interessanten  Mo- 
mente nun  in  Padua  ll**  14',  in  Leith  11^12',  in  Apen- 
rade 11^  11',  in  Madras  aber  nur  10**  auseinanderliegen, 
so  ist  es  wohl  der  Beachtung  werth,  dafs  Tiflis  beinahe 
auf  der  Mitte  der  von  NO  —  SO  gerichteten  Linie  liegt, 
welche  die  gerade  Entfernung  zwischen  Leith  und  Madras 
darstellt,  auch  in  Betreff  der  Entfernung  jener  beiden  Mo- 


528 

mente  von  einander  ziemlidi  annähernd  eine  mittlere  Stel-* 
long  einnimmt. 

Das  Princip,  wornach  aus  den  Angaben  des  Psychro- 
meters die  Dunstspaunung  der  Luft  ffir  die  24  stündige  Pe- 
riode in  den  gebräuchlichsten  Ausdrucksweiseu  abgeleitet 
worden  ist,  möchte  yielleicht  weniger  tadelfrei  seyn.  Zuerst 
versuchte  ich  das  24st(indige  Mittel  aus  den  Maximis  und 
Minimis  der  angegebenen  Bepbachtungen  abzuleiten,  allein 
ich  gewann  die  Ueberzeugung»  dafs  dieser  Weg  ein  sehr  un- 
sicherer sey  und  keineswegs  befriedigende  Resultate  liefere. 
Aus  Gründen^  die  allerdings  weniger  mit  der  Schärfe  des  ma- 
thematischen Beweises  der  Theorie  entnommen  wurden,  sich 
vielmehr  auf  empirische  Untersuchungen  stützen,  für  welche 
mir  die  Tifliser  Tabellen  für  die  Dunstverhältnisse  einen 
vergleichenden  Anhaltspunkt  gewährten,  brauchte  ich  zur 
Bestimmung  der  täglichen  und  monatlichen  Mittel  für  ab- 
solute und  relative  Feuchtigkeit  in  den  meisten  Fällen  die- 
selben Stundengruppen,  nach  welchen  die  Temperaturver- 
hältnisse bestimmt  wurden,  mit  Anwendung  einer  Correctur, 
die,  nach  den  Tifliser  Tabellen  berechnet,  sich  immer  nur 
sehr  klein  zeigte.  Während  somit  die  gewonnenen  relativen 
Dunstspannungen  gewifs  in  richtigen  Zahlen  ausgedrückt 
sind,  könnte  ihr  absoluter  Werth  vielleicht  noch  eine  kleine 
Veränderung  erfahren,  sobald  eine  mit  noch  vermehrten 
Reihen  vorzunehmende  Revision  die  Anwendung  einer  an- 
deren Methode  gestatten  wird,  bis  dahin  darf  den  jetzigen 
Werthen  ein  sehr  annähernder  Werth  von  Genauigkeit,  mei- 
nes Erachtens  nach,  zugeschrieben  werden. 

Die  Pluviometer -Angaben  können  als  zuverlässig  be- 
trachtet werden;  auch  in  Bezug  auf  die  Niederschläge  in 
Form  von  Schnee.  Die  von  mir  gegebenen  Instructionen 
sind  genau  befolgt  worden,  auch  waren  die  auf  jeder  Sta- 
tion befindlichen  doppelten  Maafsflaschen  für  jedes  Pluvio- 
meter von  mir  selbst  besonders  für  jeden  -i-^,^  Zoll  caK- 
brirt.  Ein  Fehler  von  Seiten  des  Instrumentes  ist  also 
nicht  zu  fürchten.     Das  Maafs  ist  hier  der  engl.  Zoll. 

Die  Windverhältnisse  habe  ich,  gedrängt  von  der  Zeit, 

vor 


529 

vor  der  Hand  auf  die  alleinige  Angabe  ihrer  relativen  Häu- 
figkeit, die  Summe  alier  =  1000  genommen ,  beschränkt. 
Die  interessanten  Erscheinungen  des  Windwechsels  nach 
den  Jahreszeiten  zeigen  sich  in  dieser  Darstellungsweise 
schon  ganz  deutlich.  Die  Uebersicht  des  meteorologischen 
Verlaufs  des  Januarmonats  1849  für  12  Orte  in  Grusien 
bedarf  wohl  kaum  eines  Commentars;  es  liegen  Thatsachen 
darin,  welche  wohl  die  ganze  Wichtigkeit  zeigen^  die  noch 
fernere  vollständig  durchgeführte  Jahreslisten  für  die  Wis- 
senschaft haben  werden. 

Fünf  monatliche  vollständige  Beobachtungsjournale  von 
1849  befinden  sich  bereits  in  der  besten  Ordnung  ausge- 
führt in  meinen  Händen.  So  steht  die  diefsjährige  Januar- 
temperatur in  Lenkoran  und  Baku  in  einem  unverkennba- 
ren Zusammenhange  mit  der  geringeren  Quantität  der  Nie- 
derschläge und  der  ganz  entgegengesetzten  Richtung  des 
herrschenden  Windes  im  Vergleich  mit  dem  Januar  1848. 
Für  Bedut  und  Kutais  blieben,  uuerachtet  der  aufserge- 
iTöhnlichen  Massen  der  Schneeniederschläge,  die  Tempe- 
raturverhältnisse nahe  constant  mit  denen  von  Januar  1848. 
Die  frappanten  Contraste  in  den  Temperaturverhältnissen 
des  Januar  zwischen  Schuscha  und  Alexandropol,  Orten, 
die  nur  um  1000  Fufs  in  absoluter  Erhebung  differiren, 
begründen  gleichfalls  eine  interessante  Wahrnehmung.  Von 
allen  12  Beobachtungspuukteü  hatte  Schuscha  im  Januar 
jedenfalls  die  mildeste,  und  Alexandropol  die  kälteste  Tem- 
peratur. Es  scheint  die  hohe  Januartemperatur  in  Schuscha 
einer  anhaltenden  oberen  Luftströmung  zugeschrieben  wer-' 
den  zu  müssen,  die  vom  NW,  der  am  ganzen  Kaukasus 
herunter  herrschte,  zur  Seite  gedrängt  worden  zu  sejn 
scheint,  weshalb  auch  das  gegenüberliegende  Schemaka,  un- 
geachtet einer  um  1400  Fufs  geringeren  absoluten  Erhebung, 
bedeutend  kälter  blieb.  Der  wahre  Herd  der  excessiven 
Kälte  von  Alexandropol  schien,  wie  immer,  in  den  Schnee^ 
einöden  des  vulkanischen  Hochgebirgs  mit  seinen  ausge- 
dehnten Plateauverhältnissen  zu  liegen  ^  wo  sich  die  Quel- 
lengebiete  des  Kura  (Hochland  von  Ardahan),  des  Araxes 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  34 


530 

und  des  Mnrad  befinden.  Im  Winter  1814»  ^o  unsere 
Beobachtungen  in  Erivan  vom  6.  Jan.  (alt.  Styls)  bis  zum 
15.  durch  den  Greiner'schen  Thermoraetrographen  fol- 
gende Minima  anzeigten :  —  22;  —  17 ;  —  22 ;  —  24 ;  —  25; 
—  25,2 ;  —  25 ;  —  22  —  20^  R.,  geben  die  Listen  von  Alo- 
xandropol,  durch  den  Oberst  Wittrowsky  geleitet ,  bis 
zu  31^  R.  Kälte  ganz  in  Uebereinstimmung  an. 

In  diesem  Jahre  scheint  eine  aufsergewöhnliche  Kilte 
am  oberen  Euphrat-  und  TigrisfluCBgeliiet  geherrscht  zu 
haben;  ja  es  soll  sogar  der  Tigris  in  der  Breite  von  Mo- 
sul  gefroren  gewesen  sejrn.  Wir  werden  fiber  diese  Yer- 
hAltnisse  genaue  Nachrichten  durch  die  Beobachtungen  der 
Missionare  erhalten.  In  genauer  wissenschaftlidier  Ver- 
bindung mit  dem  Dr.  Smith^  einem  ihrer  Hauptpersonen, 
den  ich  in  Erzerum  kennen  lernte ,  war  es  klänge  mein 
Wunsch,  diese  Verbindung  mit  jenen  thätigen  und  vrissen- 
schaftlich  unermüdet  arbeitenden  Leuten,  durch  einen  Be- 
such in  Urmia  und  Mosul  noch  enger  und  nutzbringen- 
der zu  geßtalten.  Es  wäre  das  Alles  leicht  auszuführen; 
es  wäre  möglich  ein  geregeltes  Sjstefai  gleichzeitiger  Beob- 
achtungen von  Astrabad  an  über  Teheran,  Mosul ,  Bei- 
rut, Jerusalem,  Smjrna,  Brussa,  Constantinopel  und  zu- 
rück über  Trebisonde  bis  nach  Grusien  zu  erhalten,  indem 
die  Missionare  sehr  bereitwillig  einem  gemeinsamen  Plane 
sich  anschliefsen  würden.  Ich  wollte  die  Ausführung  eines 
solchen  Planes  ohne  grofse  Schwierigkeit  und  Kosten. ga- 
rantiren.  — 

III.    Aus  einem  nrlefe  an  Hrn.  A.  ▼.  Hamboldft. 

Tiflis,  den  28.  Febr.  1860  alL  St 

—  Die  Beobachtungen  von  1848  hatten  das  unerwartete 
und  interessante  Resultat  gegeben,  dars  der  Isothermengfirtd 
zwischen  11  und  12^  B.,  nachdem  er  den  Isthmus  zwischen 
dem  Schwarzen  und  Kaspischen  Meere  im  Süden  des  Kau- 
kasus quer  durchsetzt  hat,  vom  Ufer  des  Kaspi-See  au  eine 
plötzliche  Einbiegung  gegen  Süden  und  zwar  dergestalt  er- 
leidet, dafs  die  mittlere  Jahrestemperatur  von  Rednt  mit 


531 

11,24 <*,  in  LcDkoran,  und  die  von  Kutais,  mit  11,57  in  Baku 
wiedergefunden  wird.  Das  Auffallende  dieser  Tbatsache 
erschien  noch  dadurch  vermehrt,  dafs  die  mittlere  Jahres^ 
temperatur  am  westlichen  Eingänge  zum  breiten  Verbin- 
dungsthal zwischen  dem  Euxinischen- Seebecken  und  der 
Aralokaspischen  Depression  um  0,25  wärmer  gefunden 
wurde  als  die  des  östlichen  Ausganges  (durch  Baku  und 
Lenkoran  repräsentirt),  wo  die  südlichste,  unter  dem  Pa- 
rallel von  Palermo  gelegene  Station  Lenkoran  unter  den 
vorgenannten  Orten  die  niedrigste  Temperatur  besafs. 

Die  Beobachtungen  von  1849  bestätigen  nun  dieses  Re- 
sultat nicht  allein  vollkommen ,  sondern  sie  zeigen  auch, 
dafiB  das  absolute  Wärmequantum  des  vergangenen  Jahres 
für  die  in  Rede  stehende  Region  dasjenige  des  Jahres  1848 
um  ein  Geringes  übertroffen  hat.  Die  Gröfse  dieses  Ue- 
berschusses  zeigt  sich  an  sämmtlichen  Beobachtungspunkten 
mit  Ausnahme  von  Kutais  auf  eine  überraschende  Weise 
nahe  constant.  Für  Tiflis  ist  sie  0,29,  für  Redut  0,20,  für 
Baku  0,34,  für  Lenkoran  0,36.  Die  gröfseren  Differenzen 
▼on  0,34  und  0,36^'  bezichen  sich  im  Gegensatze  zu  den 
Verhältnissen  des  Jahres  1848  auf  eine  um  0,16°  R.  grö- 
üsere  Wärme  für  den  kaspischen  Küstenstrich.  Dieser  Con- 
stanz  in  dem  Yerhältnifs  der  absoluten  Temperaturverthei- 
lung  steht  nun  eine  nicht  minder  bedeutsame  Divergenz  in 
der  relativen  Yertheilung  der  Jahreswärme  in  den  verschie- 
denen Jahreszeiten  an  jenen  Orten  zur  Seite,  die  mit  den 
Abänderungen  in  der  Richtung  der  Winde  und  der  Yer- 
theilung der  Niederschläge  auf  das  Engste  verbunden  er- 
scheint. 

Diese  Yerhältnisse  sind  es,  welche  die  bedeutende  kli- 
matische Differenz  zwischen  den  beiden  Jahren  1848  und 
1849  für  Transkaukasien  bestimmt  haben;  ein  temperirter 
sehr  regenreicher  Sommer  auf  der  Westhälfte  und  ein  trock- 
ner  Sommer  auf  der  Osthälfte  des  transkaukasischen  Isth- 
mus sind  ihre  Grundzüge.  Ohne  eine  vollständige  Bearbei- 
tung des  barometrischen  Beobachtungsmaterials  möchte  das 
Zurückführen  dieser  Erscheinungen  auf  ihre  wahren  Gründe 

34* 


532 

wohl  mehrfach  ia  den  Fall  führen,  die  Ursache  mit  der 
Wirkung  zu  verwechseln.  Die  nahe  Uebereinstimmung  der 
Differenzen  zwischen  den  absoluten  Temperaturen  der  Jahre 
1848  und  1849  läfst  erwarten,  dafs  fortgesetzte  Beobach- 
tungen den  Parallelismus  der  Curven  für  diese  auf-  nai 
niederschwaukende  Gröfse  auch  in  Grusien  überall  als  Ge- 
setz erkennen  lassen  werden.  Demgemäfs  stimmt  auch  die 
mittlere  Jahrestemperatur  von  1849  in  Derbent  ebenso  nahe 
mit  derjenigen  von  1847  überein,  wie  die  mittleren  Tempe- 
raturen der  entsprechenden  Jahre  unter  sich  in  Tiflis. 

Die  Wichtigkeit  der  eigenthümlichen  geographischen  Stel- 
lung von  Georgien  bestätigt  sich,  durch  Tiflis  repräsentirti 
auf  unzweideutige  Weise  auch  in  meteorologischer  Bezie« 
hung.  Man  hat  den  Kaukasus  oft  die  geographische  Gränze 
zwischen  Asien  und  Europa  genannt,  aber  mit  noch  grö- 
fserem  Rechte  wird  man  die  klimatologische  Gränze  zwi- 
schen beiden  Welttheilen  über  jene  ellipsoidische  Urge- 
birgsauschwellung  führen,  welche  unter  dem  Namen  des 
Mestrischen  Zuges  in  einer  Richtung,  die  mit  den  Strei- 
chungsliuien  des  Productenkalks  auf  Armeniens  Hochgebieteu 
parallel  läuft,  die  Tiefländer*  des  Isthmus  in  zwei  ungleiche 
Hälften  sondert.  Die  westliche  Hälfte,  das  Colchierland, 
steht  unter  dem  überwiegenden  Einflüsse  des  maritimen  sfid* 
europäischen  Klimas,  die  östliche  Hälfte  mit  den  Plateau- 
stufen  des  grofseu  Kurathals  ' )  dagegen  unter  dem  des 
continentalen  asiatischen  Klimas.  Karthalinien  erhält  somit 
eine  mittlere  Stellung  und  darf  unter  allen  Gebieten  von 
Transkaukasien  als  dasjenige  bezeichnet  werden,  wo  die  so 
eben  bezeichneten  entgegengesetzten  Einflüsse  sich  am  Mei- 
sten einer  gegenseitigen  Neutralisirung  nähern,  die  aber 
nichts  destoweniger,  insbesondere  für  das,  von  der  Höhe 
von  Suram  (3013  engl.  F.  über  dem  Pontus)  schon  be- 

1 )  Die  oberste  Plaleaustufe  des  Kurathalcs  wurde  einestheiU  die  grolse 
Thalebene,  von  Bardjom  (2080  engl.  F.)  an  bU  Gori  (1700  engl.  F.),  und 
anderentbeils  die  ausgedehnte  Ebene  der  Liachven,  zwischen  Gori  und 
Zchinval,  umfassen.  Den  Einflufs  dieser  bedeutenden  Hochebene  unter- 
sucht die  meteorologische  Station  in  Gori. 


533 

deatend  nach  Ost  vorgerückte  Tiflis,  darch  das  Ueberge- 
tfvicht  des  coiitinenlaleii  Elements  beherrscht  und  gere- 
gelt wird. 

Vei^mochten  die  Einflüsse  des  vorjährigen  nassen  und 
wohl  deshalb  kühlereu  Sommers  der  pontischen  Seite  sich 
auch  für  Tiflis  und,  wie  es  scheint,  auch  für  das  Südwest« 
lieh  liegende  armenische  Hochland  geltend  zu  machen,  so 
bleibt  doth  die  Differenz  zwischen  der  Winter-  und  Som- 
niertemperatur  1849  in  Tiflis  in  gleichem  Verhältnifs  Über- 
wiegend zu  derselben  Differenz  an  den  westlichen  und  öst- 
lichen Küstenorten  in  dem  früheren  Jahre  1848. 

Tiflis      Rcdut     Kutais  Lenkoran  Baku    Schuscha. 

Differenz  für  1848  19,57  16,41  15,32  18,91  19,27 
Differem  für  1849  17,90  12,26  13,29  14,22  15,94  13,63 
Von  Seiten  dieser  Differenz  findet  dagegen  für  Tiflis 
eine  entschiedene  Annäherung  an  die  continentalen  klima- 
tischen Verhältnisse  des  armenischen  Hochlandes  statt.    Ti- 
flis 17,90^    Alexandropol  20,30°.   Alarich  20,25«  R.     Mit 
unverkennbarer  Deutlichkeit  tritt  überall  der  wichtige  Ein- 
flufs  hervor,  welcher  von  der  nordwestlichen  Grundrichtung 
des  Kaukasus   und   der  parallelen  des  sogenannten  arme- 
nischen  Gebirges  sowie   von   den  lalitudinalen  Zügen  der 
trialetischen  und  der  achalzik-imirethinischen  Ketten  auf  In- 
tensität, Yertheilung  und  Ausgleichung  jener  entgegenge- 
setzten Einflüsse  zweier  Welttheile,  und  somit  auf  die  In-^ 
dividualisirung   der   partiellen    Klimate   in  Transkaukasien 
ausgeübt  wird. 

Auf  eine  ähnliche  aber  entgegengesetzte  Weise  wie  im 
Nordwest  der  grofsen  ossetinischen  Kesselthäler,  vom  Con- 
gutichoch  an,  der  Urgebirgsthcil  des  Kaukasus  im  Norden 
von  Suanien  zu  den  gröfsten  Höhen  anschwillt,  welche  das 
mächtige  System  des  Elburuz  dominirt,  nehmen  im  Südost 
vom  Kasbeck  die  abwechselnden  Diorit-  und  Schieferhöhen 
der  kaukasischen  Kämme  allmälig  an  absoluter  Erhebung 
ab.  In  dem  Schutze  jener  hohen  suanetischen  Gebirgswälle 
wird  das  colchische  Tiefland  den  östlichen  Einwirkungen 
zwar  nicht  völlig,  aber  doch  so  weit  entzogen,  dafs  hoch- 


534 

stämmige  Apfelsinen-  und  Citronenbäame,  wenige  Standen 
von  Poti  entfernt,  durch  niedrige  Hugel  vor  den  nördlichen 
Winden,  die  man  dort  die  suanischen  nennt,  gesichert,  all- 
jäbrig  reichliche  Früchte  tragen  ' )  und  die  umfangreichen 
Lorbeerwaldgebfische  (laurus  nobilis)  nahe  bei  Kntais  nie- 
mals der  winterlichen  Kälte  erliegen.  Die  siidöstliche  Kan- 
kasushälfte  vermag  dagegen  dem  Herandrängen  des  cooti- 
nentalen  central -asiatischen  Elements  nur  einen  bei  Weitem 
weniger  wirksamen  Damm  entgegenzustellen,  dessen  Ein« 
flufs  im  Osten  des  Meridians  vom  Schagdag  immer  rascher 
abnimmt.  Die  Wirkungsphäre  des  kaspischen  Meer-Klimas 
compensirt  nun  jenen  Mangel  entschieden  wieder  und  bringt, 
im  Zusammentreffen  mit  lokalen  Bedingungen  für  eine  po- 
tenzirte  continentale  Sommerwärme,  auffallende  klimatische 
Erscheinungen  innerhalb  der  Osthälfte  des  transkaukasi- 
schen Isthmus  hervor.  Hierdurch  wird  die  kaspische  Re- 
gion in  einen  aufserordentlichen  Coutrast  mit  dem  poutischen 
Küstengebiet  geführt,  und  der  ersteren  eine  ganz  andere 
ethnographische  und  Kulturalentwicklung  vorgeschrieben  als 
dem  letzteren. 

lu  keinem  anderen  Theile  von  Transkaukasien  erreichen 
mittlere  Jahres-  und  Sommertemperaturen,  absolute  und  re- 
lative Feuchtigkeit  der  Atmosphäre  eine  gleichzeitige  grö- 
fsere  Höhe  als  innerhalb  des  grofsen  Deltas  der  Knra- 
thal- Mündung,  welche  bereits  so  vollständig  der  kaspischen 
Depression  angehört,  dafs  ich  schon  vok*  zwei  Jahren  am 
Yereinigungspunkt  des  Araxes  mit  dem  Kur  das  Flufsni- 
veau  nur  18  pariser  Fufs  über  dem  Spiegel  des  kaspischen 
Meeres  fand.  Aber  nirgends  ist  auch  die  Quantität  der 
Niederschläge  durchgängig  für  alle  Monate  der  warmen  Jah- 
reszeit geringer  als  in  Baku  und  dem  angränzenden  süd- 
westlichen Flaehlande.  Kein  Ort  in  Transkaukasien  scheint 
dagegen  an  Fülle  und  Intensität  der  Niederschläge  von 
Kutais  übertroffen  zu  werden,  dessen  mittlere  Jahrestem- 
peratur sich  zwei  Jahre  hintereinander  sehr  derjenigen  von 

1  )  Die  Region   dieser  Kulturen   beginnt   zwei  Stunden   vor  dem  Gränsort 
Tschurucksu  auf  dem  "SVe^  nach  Batnm;  ich  war  im  Winter  1849  dort 


535 

Baku  genähert  hat.  Im  Jähre  1849  war  das  Verhältnifs 
der  Niederschläge  das  folgeude:  Baku  =  l;  Alexandropol 
2,28;  Derbeut  =2,55;  Lenkoran  5,11;  Redutkaleh  =7,36; 
Kutais  =9,16.  Dafs  diese  eigenthümlicheii  physikalischen 
Zustände  für  den  menschlichen  Organismus  keinerlei  her- 
vortretende Nachtheile  bedingen,  demselben  vielmehr  zu^ 
fraglich  scheinen,  dafür  spricht  der  vorzugsweise  gute  Ruf, 
den  Baku  bei  Einheimischen  und  Fremden  unter  den  in 
saditätlicher  Beziehung  mehrfach  angefochtenen  Städten 
Transkaukasiens  geniefst. 

Die  noch  nicht  vorgenommene  Entwicklung  der  baro- 
metrischen Windrosen  für  Lenkoran  Baku  und  Derbent 
wird  die  eigeuthümlichen  Windverhältnisse  von  Baku  wahr- 
scheinlich als  den  frappantesten  Ausdruck  eines  schönen 
Drehungsgesetzes  herausstellen,  welches  mit  örtlichen  Mo- 
dificationen  seine  Anwendung  für  das  ganze  Becken  des 
Caspi-See  findet.  Alle  bisherigen  directen  Wahrnehmun- 
gen an  den  genannten  Küsteuorten  treten  in  einen  harmo- 
nischen Zusammenhang,  wenn  man  sie  unter  den  Gesichts- 
punkt der  Existenz  einer  nördlichen  und  einer  südlichen 
Strömung  stellt,  deren  constante  Wechselwirkung  inner- 
halb der  Längenaxe  des  kaspischen  Meeres  eine  bewiesene 
Thatsache  ist.  Welcher  Ansicht  über  den  veranlassenden 
Grund  zu  der  Bewegung  der  Luftmassen  im  entgegenge- 
setzten Sinne  innerhalb  jener  Richtung  man  auch  sejn  will, 
sehe,  man  Aequatorial-  und  Polarströme  in  denselben  oder 
suche  und  finde  man  ihre,  der  Deklination  der  Sonne  fol- 
gende ambulante  Wiege  in  der  physikalischen  Beschaffen- 
heit und  der  Configuration  der  die  aralokaspische  Depres- 
sion umringenden  Läudermassen  überhaupt:  das  vorhandene 
Bestreben  der  beiden  Strömungen,  sich  gegenseitig  zu  ver- 
drängen, wird  ein  bestimmtes  Drehungsgesetz  zur  Folge 
haben  müssen. 

Baku,  inselartig,  aber  genau  in  der  verlängerten  Axe 
des  kaukasischen  Gebirges  gelegen,  erhält  die  nördliche  Strö- 
mung, die  in  Derbent  z.  B.  rein  als  solche  erkennbar  ist, 
durch  das  Gebirge  und   die  steil  abfallenden  nordwestlich 


536 

gelegenen  Küsten  in  eine  ivestlicbe  abgelenkt,  mehr  oder 
minder  gegen  den  Meridian  geneigt.  Das  Barometer  hält 
sich  hoch,  die  Temperatur  niedrig.  Der  Zug  der  Wolken 
in  der  Höhe  verkündet  die  südliche  Strömung,  die  in  Len- 
koran  die  gleichzeitige  Richtung  der  Fahne  bestimmt.  Lei- 
ses Fallen  des  Barometers  und  Steigen  des  Thermometers 
deuten  auf  herannahendes  Herabsinken  des  oberen  Luft- 
stroms.  Eine  absolute  Stagnation  der  Atmosphäre  tritt  ein; 
das  flutharlig  in  den  Baku'schen  Golf  geprefste  Meeresni- 
veau sinkt  auf  den  Nullpunkt  —  und  bald  beginnt  der  Süd- 
ost mit  steigender  Lebhaftigkeit  zu  wehen.  —  So  der  in 
häufigen  Fällen  ganz  normale  Verlauf  des  Kampfes  in  Baku. 
Die  Zwischenwinde  sind  selten  von  einiger  Dauer  und  er- 
reichen überhaupt  in  der  wärmeren  Jahreshälfte  ihr  Mini- 
mum. Ihr  relatives  Verhalten,  so  sehr  es  auch  durch  com- 
plicirte  Verhältnisse  in  den  verschiedeneu  Jahreszeiten  roas- 
kirt  erscheint,  scheint  dennoch  auf  eine  Drehung  des  Win- 
des im  Sinne  der  Windrose  durch  SWNO  nach  S  zu  deu- 
ten. Durch  die  in  der  täglichen  Periode  für  Redutkaleh 
mit  Schärfe  hervortretenden  Wechsel  zwischen  Land-  und 
Seewind  schimmert  in  der  jährlichen  Reihe  sehr  deutlich 
der  Wechsel  eines  südwestlichen  Stromes  mit  einem  nord- 
östlichen und  östlichen.  Wie  der  Sommer- Musson  in  Re- 
dut  die  aus  der  physikalischen  Natur  der  Umgebung  re- 
sultirenden  ungesunden  Einflüsse  bis  zum  Maximum  steigert, 
so  stellt  sich  der  Winter -Musson  mit  seiner  trockenen 
continentalen  Luft  dem  ersteren  als  eine  Wohlthat  ge- 
geniiber. 

Doch  es  ist  befriedigender  sich  aus  dem  Gebiete  der 
bis  jetzt  noch  mehr  oder  weniger  problematischen  Wind- 
verhältnisse der  transkaukasischen  Tiefländer  noch  einen 
Augenblick  zu  den  positiveren  Resultaten  von  Beobach- 
tungen zu  wenden,  in  deren  mit  Sicherheit  zu  verbürgen- 
den numerischen  Werthen  die  wichtige  klimatologische  Be- 
deutung der  Platcauverhältnisse  des  armenischen  Hochlandes 
in  bestimmten  Zügen  hervorzutreten  beginnt.  Der  Zufall 
hatte  es  gewollt,  dafs  ich  den  ersten  Eindruck  der  reichen 
Naturverhältnisse  von  Armenien  und  insbesondere  der  Pro- 


537 

▼inz  Ararat  anter  dem  Einflüsse  eines  Jahres  empfing,  in 
dem  der  continentale  Charakter  des  Klimas  sich  auf  eine 
lange  noch  nicht  dagewesene  überaus  excessive  Weise  aus- 
sprach. Die  Lösung  der  Fragen  im  Auge,  welche  die  ab- 
normen Temperatur-  und  hjgrometrischeu  Verhältnisse  der 
Atmosphäre  in  der  Araratumgebung  angehen,  hatte  ich  .da- 
für gesorgt,  dafs  alle  meine  ambulanten  Beobachtungen  sich 
auf  die  sichere  Correspondenz  einer  in  Erivan  eingerichte- 
ten meteorologischen  Station  beziehen  konnten,  durch  de- 
ren mehr  als  einjährige  Thätigkeit  es  mir  auch  möglich 
wurde,  mit  Zuziehung  des  isochronischen  einjährigen  Baro- 
metermittels von  Tiflis  die  mittlere  Erhebung  der  Araxes- 
Ebene  über  das  Meer  auf  einen  richtigeren  Werth  zurück- 
zuführen als  derjenige  ist,  der  ihr  durch  das  Parrot'sche 
barometrische  Stationsnivellemcut  war  beigelegt  worden  '  )• 
Die  Resultate,  welche  ich  am  Schlüsse  der  einjährigen  Rei- 
hen (Juni'  1844  bis  Juni  1845)  für  die  mittleren  Tempe- 
raturen der  Jahreszeiten  in  Erivan  erhielt,  erschienen  mir 
dergestalt  extrem,  dafs  ich  an  ihrer  Richtigkeit  zweifelte, 
obschon  die  Ableitung  aus  den  Maximis  und  Minimis  zu 
denselben  Werthen  führte,  wie  die  Berechnung  geeigneter 
Stundengruppen  der  monatlichen  Tage. 

Juni  17,5,  Juli  19,75,  Aug.  20,40,  Sept.  18,70,  Oct.  11,0, 
Nov.  4,94,  Dec.  —  2,82,  Jan.  —  11,97,  Febr.  ^  2,22.  ^Som- 
mer =19,20)  (Maxim,  am  4.  6  u.  13.  Aug.  30«  R.)  (^Herbst 
11,53),  (Minim.  am  12.  Jan.  —25,3'»).  (Winter  —  4,25), 
März  =  3,78,  April  10,36,  Mai  14,95.     ^Frühling  9,69). 

Nach  diesen  Daten,  welche  auf  neuen  Styl  berech- 
net sind,  ergiebt  sich  für  die  12  Monate  vom  Juni  1844 
bis  1845  eine  mittlere  Temperatur  von  9,00^  R.  Für  die 
isochronischen  Monate  war  die  mittlere  Temperatur  in  Ti- 
flis 9,62"  R.  gefunden  worden!  Der  geringe  Temperaturun- 
terschied von  0,62"  zwischen  Orten,  welche  wie  Erivan 
und  Tiflis  um  1600  Fufs  in  verticaler  Richtung  von  einan- 
der abstehen,  schien  mir  unmöglich  und  die  durch  locale 
Umstände  unvermeidlich  gewesene  Placirung  der  Instrumente, 

1)  Meine  Mcssiuagcn   geben   die  miulere  Erhebung   im  Meridian  des  gro- 
fsen  Ararat  zu  2400  par.  Fufs. 


538. 

zwar  im  ▼oUkommeneD  Schatten,  aber  doph  in  der  Fenster- 
Öffnung  eines  nach  Mittag  (SW)  gerichteten  Zimmers  be- 
stimmte mich,  die  Beobachtnngsreihe  Ton  Erivan  mit  dem 
Fehler  einer  zu  hohen  Sommertemperatnr  behaftet  zu  hal- 
ten und  dieselben  höchstens  nur  ffir  spätere  Vergleidie 
aufzubewahren.  Die  vollsfSlndigen  Beobachtnngslisten  des 
Jahres  1849  aus  Aralich  und  Alexandropol,  so  wie  eine, 
leider  unvollständig  gebliebene  Reihe  desselben  Jahres  aus 
Erivan  gestalten  nun  die  Ansichten  über  die  Brauchbarkeit 
fener  Beobachtungen  18||-  entschieden  günstiger;  der  merk- 
würdige klimatische  Charakter  der  Plateaulandschaften,  die 
dem  Ararat  im  Norden  und  Nordosten  yorliegen,  kann  jetzt 
zum  ersten  Male  aus  dem  Gebiete  der  unsicheren  Schätzung 
in  das  der  yergleichenden  sicheren  numerischen  Werthe 
geführt  werden. 

Wenti  es  überraschend  war,  nahe  dem  Parallel  von 
Smyrna  und  Palermo,  an  den  Ufern  des  kaspischen  Meeres, 
die  Isotherme  von  Barcelona  und  die  Isodiimene  von  Trier 
und  Maestricht  anzutreffen,  so  wird  man  kaum  mit  geringe- 
rem Befremden  in  der  Temperaturvertheilung  von  Alexan- 
dropol,  St.  Lawrence  in  Nord -Amerika  repräsentirt  sehen. 
Aber  noch  bedeutsamer  und  folgenreicher  scheint  es  mir,  am 
Fufse  des  Ararats  die  Isotherme  von  Messina,  Seringapat- 
Dam  und  Baku  sich  vereinigen  zu  sehen,  und  ebendaselbst 
die  Isochimene  vom  St.  Bernhard  anzutreffen,  wo  die  einst 
blühenden  uralten  Weingärten  des  unglücklichen  Argnri') 
nur  den  Folgen  des  furchtbaren  .Naturereignisses  von  1840, 
nicht  aber  winterlichen  Extremen  zu  erliegen  vermoditen, 
von  deren  Umfang  die  Beobachtungen  aus  dem  excessiven 
Jahre  1&|4  '^  Erivan  eine  annähernde  Schätzung  zu  geben 
vermögen.  Die  nirgends  unter  10^  R.,  wohl  aber  über  11^ 
gefundenen  Temperaturen  der  vielen  Quellen  coustanter 
Temperatur  auf  der  Araxes- Ebene,  die  Intensität  und  Ra- 
pidität  der  vegetiven  Entwicklung  im  ersten  Frfihliugsmo- 
nat  ebendaselbst,  der  rasche  Fortgang  jener  Entwicklung 
und  die  daran  geknfipfte  Möglichkeit  einer  doppelten  Fructi- 

I)  Das  verschüttete   Arguri  hat    eine  absolute  ErheboDg   voo  5146,    die 
Wcmgärten  4013  par.  Fufs. 


539 

ficäticmsperiode  für  die  Cerealien  auf  den  grofsen  Cnltor- 
deltas  der  Zuflösse  des  Araxes,  das  geringe  Maafs  der  ab-- 
soluten  Feuchtigkeit  der  Atmosphäre  und  die  Geringfügigkeit 
der  Niederschläge,  deren  Mangel  durch  die  Nähe  des  grofsen 
Seebeckens  des  Goktschai  nicht  wenig  ausgeglichen  wird: 
alle  diese  und  noch  andere  für  die  Oeconomie  der  arme- 
nischen Naturereignisse  so  überhaupt  wichtigen  Momente 
werden  nun  als  Folge  der  intensiven  Insolation  völlig  ver- 
ständlich, welche  jene  Hochebene  erhält,  deren  Absorptions- 
and Emissionsvermögen  nicht  wenig  von  ihrer  eigenthüm- 
liehen  geognostischen  Beschaffenheit  abzuhängen  scheint. 

Die  aufserordentliche  Winterkälte  von  Alexandropol  ist 
ein  Phänomen,  dessen  alljährliche,  dem  Anschein  nach  durch- 
aus constante  Wiederkehr  auf  Ursachen  zurückgeführt  wer- 
den zu  müssen  scheint,  die  unabhängig  von  den  etwaigen 
Migrationen  sogenannter  Kältepole  in  unmittelbarer  Nähe 
wirken.  Ich  kann  diese  Ursachen  nur  vermuthen  in  der 
eigenthümlichen  geographischen  Stellung  von  Alexandropol, 
in  dem  Mittelpunkte  einer  Hochebene  von  4500  Fufs  ab- 
soluter Erhebung,  welche  von  den  mächtigsten  vulkanischen 
Systemen  umringt  ist,  in  denen  der  Theil  des  alt -armeni- 
schen Hochlandes  das  Maximum  seiner  Dimensionen  gewinnt, 
auf  dem  die  Quellengebiete  des  Kur  und  des  Arkurean  oder 
Arpatschai  liegen.  Die  gegen  NW  von  Alexandropol  sanft 
ansteigende  Hochfläche  von  Schuragel  endet  auf  den  Höhen 
des  Ringswalles,  welcher  das  116  Quadratwerst  einneh-* 
mende  Wasserbecken  des  Tchyldir  einschliefst,  dessen  ab-, 
solutes  Niveau  dasjenige  des  Goktschai  übertrifft;  in  SO 
schwillt  auf  einer  Basis  von  170  Werst  Umfang  die  flacbo. 
Wölbung  des  Alagcz  an;  in  SW  entwickelt  die  noch  fla- 
chere Wölbung  des  Alidja-Sjtems  mit  einer  Basis  von  20Q 
Werst  im  Umfang  seine  systematisch  vertheilten  Kegelgrup- 
pen, eine  Wölbung  an  deren  Peripherie  die  altarmenischen 
Königsitze  Kars  5200  und  Ani  4380  (Fufs  absol.  Erheb.) 
liegen ;  in  NO  endlich  beginnt  die  majestätische  Reihe  voa 
langgedehnleu  domartigen  Wölbungen  des  Alagez,  Agrikar 
und  Tschischtäppa ,  die  in  den  Abulkegeln,  ein.  weite& 
Gebiet  von  Kraterseen  begreifend,  an  den  latitudinalen  ZU- 


540 

gen  der  trialetbiBchen  Ketten  absetzt  und  ihre  gewaltigen 
Doleritströme  über  pyroxenföhrende  Labrador-  und  Mandel- 
steine und  deren  sedimentären  Trümmerbildungen  in  die 
Tiefe  des  Thalspaltes  von  Bardjom  hinabsendet.  Die  mit 
preiswürdiger  Genauigkeit  seit  December  1848  ' )  ausge- 
führten meteorologischen  Beobachtungen  in  Alexandropol, 
deren  Resultate  die  relative  Brauchbarkeit  mehrjähriger  frü- 
her daselbst  gemachter  Beobachtungen  beweisen,  messen 
nun  meiner  Ansicht  gemäfs  ganz  vorzüglich  den  in  Bezug 
auf  seine  Anfangs-  und  Endperioden  alljährlich  oscilliren- 
den  Einflufs  der  absoluten  Schneebedeckung  jenes  aufser- 
ordentlichen  Hochgebiets  auf  das  Klima  von  Alexandropol. 
Die  Station  von  Schuscha,  in  reichbewaldeter  Umge- 
bung auf  stark  gegen  NO  geneigtem  und  königsteinartig 
isolirt,  in  die  Atmosphäre  aufragendem  Kalkspathplateaa, 
3600  par.  Fufs  über  dem  Meere  gelegen ,  bestimmt  dage- 
gen im  schroffen  Gegensatze  mit  Alexandropol  den  Effect 
der  Wärmequelle,  die  von  der  Oberfläche  des  Kaspi-Sees 
nach  näher  zu  erforschenden  Gesetzen  in  den  oberen  Re- 
gionen der  Atmosphäre  in  der  winterlichen  Jahreszeit  auf 
die  karabagischen  Parallelketlen  im  Süden  des  Kaukasus 
ausgeht  und  einen  so  augenscheinlichen  Mitantheil  an  dem 
Reichthum  der   Naturereignisse    jener   schönen    Gegenden 

nimmt. 

Die  solchergestalt  von  den  maritimen  Gebieten  des  trans- 
kaukasischen  Isthmus  in  terassenförmigen  Abstufungen  bis 
zu  den  armenischen  Plateauhöhen  hinanführenden  Beobach- 
tungsstationen scheinen  wohl  geeignet,  zu  der  baldigen 
Lösung  solcher  Fragen  zu  führen,  die  nicht  allein  „Erwei- 
terung der  Wissenschaft",  das  höchste  Ziel  jeder  ächten 
Forschung,  sondern  auch  mancherlei  Aufklärung  verheifsen, 
die  einer  wohlthätigen  Nutzanwendung  für  die  Interessen  der 
Bewohner  dieser  Länder  fähig  erscheinen. 

1)  Unter  umsichtiger  Leitang  des  trefflichen  Ingenieur -Obersten  Gern  et, 
die  m  Aralich  unter  der  des  ritterlichen  Obersten  Ghreschatynskj. 
(Die  subalternen  gut  unterwiesenen  Beobachter  bekomnieo,  -wie  überall, 
eine  fixe  Gage  dafür.) 


541 


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JfDuar 

Februar 

M8rz 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 

October 

November 

December 

Winter 

Frahling 

Sommer 

Herbst 

Jahr 

549 


IV.    Veber  die  quantitative  Bestimmung  der  Oa^al- 
.  säure  und  über  die  IVennung  derselben  von  der 
Phosphorsäure;  von  Heinrich  Rose. 


JLIle  Oj^alsäure  vi^ird  aus  den  Auflösuugeu  ihrer  löslichen 
Salze  ineistentheils  als  Oxalsäure  Kalkerde  gefällt.  Da  in 
dieser  jedoch  der  Wassergehalt  bei  verschiedenen  Tempe- 
raturen verschieden  ist,  so  pflegt  man  sie  durchs  Glühen 
in  kohlensaure  Kalkerde  zu  verwandeln,  aus  deren  Gewicht 
man  das  der  Oxalsäure  bestimmen  kann. 

Unlösliche  Verbindungen  der  Oxalsäure,  wie  z.  B.  die 
Oxalsäure  Kalkerde,  können  durch  Kochen  mit  einer  Auf- 
lösung von  kohlensaurem  Kali  oder  Natron  zersetzt  wer- 
den, worauf  man  aus  der  von  der  kohlensauren  Kalkerde 
getrennten  Flüssigkeit  die  Oxalsäure,  nach  Sättigung  der- 
selben mit  einer  Säure,  wiederum  als  Oxalsäure  Kalkerde 
fällen  kann. 

Im  Allgemeinen  indessen  läfst  sich  die  Kalkerde  genauer 
durch  Oxalsäure,  als  umgekehrt  die  Oxalsäure  durch  die 
Auflösung  eines  Kalkerdesalzes  niederschlagen  und  be- 
stimmen. 

Schon  der  Umstand,  dafs  man  bei  der  Fällung  der 
Oxalsäure  vermittelst  eines  Kalkerdesalzes  einen  Ueber- 
schufs  derselben  anwendet,  und  die  Flüssigkeit  gewöhnlich 
mit  Ammoniak  zu  übersättigen  pflegt,  macht  Vorsicht  noth- 
wendig,  damit  die  gefällte  Oxalsäure  Kalkerde  nicht  mit 
kohlensaurer  Kalkerde  verunreinigt  werde. 

Die  Oxalsäure  Kalk  erde  hat  aber  ferner  die  Neigung, 
sich  mit  kleinen  Mengen  des  fällenden  Kalkerdesalzes  zu 
verbinden.  Schon  vor  längerer  Zeit  hat  Fritsche  ein 
Doppelsalz  von  oxalsaurer  Kalkerde  und  von  Chlorcaicium 
beschrieben.  Es  wird  zwar  durch  Wasser  zersetzt,  aber 
eine  sehr  geringe  Menge  von  Chlorcaicium  bleibt  nach  dem 
vollständigen  Auswachen  noch  in  der  Oxalsäuren  Kalkerde, 
und  löst  man  dieselbe  in  verdünnter  Salpetersäure  auf,  so 


550 

wird  die  Auflösung  durch  salpetersaures  Silberoxjd,  wie- 
wohl nur  unbedeutend,  getrübt. 

Wenn  man  daher  oxalsaure  Kalkerde  durch  Kochen 
mit  einer  Auflösung  von  kohlensaurem  Alkali  zerlegt,  die 
von  der  kohlensauren  Kalkerde  getrennte  Flüssigkeit  mit 
Chlorwasserstoffsäure  übersättigt  und  nach  Vertreibung  der 
Kohlensäure,  Ammoniak  im  Uebermaafs  und  Chlorcaicium 
hinzufügt,  so  erhält  mau  zwar  die  richtige  Menge  der  koh- 
lensauren Kalkerde,  die  man  erhalten  sollte,  aber  einen 
kleinen  Ueberschufs  an  oxalsaurer  Kalk  erde. 

Ein  weit  besseres  Resultat  erhält  man,  wenn  man  die 
Auflösung,  welche  das  oxalsaure  und  überschüssige  koh- 
lensaure Alkali  enthält,  durch  Essigsäure  schwach  sauer 
macht,  und  nach  Vertreibung  der  Kohlensäure,  sie,  ohne 
sie  mit  Ammoniak  zu  übersättigen,  durch  Cblorcaicium 
fällt. 

Als  Hr.  Weber  1,237  Grm.  oxalsaurer  Kalkerde  auf 
diese  Weise  behandelte,  erhielt  er  0,850  Grm.  kohlensaure 
Kalkerde,  und  eine  Quantität  von  oxalsaurer  Kalkerde,  die 
nach  dem  Glühen  und  nach  Behandlung  des  Geglühten  mit 
kohlensaurem  Ammoniak  0,820  Grm.  kohlensaurer  Kalk- 
erde gab.  Diese  beiden  Mengen  sind  zwar  nicht  vollkom- 
men gleich,  aber  die  oxalsaure  Kalkerde  ist  nicht  ganz 
vollkommen  unlöslich  in  Essigsäure  und  in  der,  freilich 
sehr  geringen  Menge  von  Chlorwasserstoffsäure  des  hinzu- 
gefügten Chlorcalciums.  Als  daher  die  von  der  Oxalsäu- 
ren Kalkerde  getrennte  Flüssigkeit  vermittelst  Ammoniak 
übersättigt  wurde,  entstand  zwar  sogleich  keine  Trübung, 
aber  doch  nach  mehrstündigem  Stehen  eine  sehr  geringe, 
welche  etwas  oxalsaure,  und  sehr  viel  kohlensaure  Kalk- 
erde enthielt. 

Von  der  zum  Versuch  angewandten  Oxalsäuren  Kalk- 
crde  gaben  1,386  Grm.  nach  dem  Glühen  und  der  Behand- 
lung mit  kohlensaurem  Ammoniak  0,938  Grm.  kohlensaure 
Kalkerde.  Sie  enthielt  also  13,42  Proc.  Wasser,  was  et- 
was mehr  als  einem  Atom  entspricht.  Durch  die  Zersetzung 
der    Oxalsäuren   Kalkerde    durch    kohlensaures  Alkali  war 


551 

ct^as  mehr  kohlensaure  Kalkerde  erhalten  worden,  als  die- 
ser letzten  Bestimmung  entspricht. 

Sicherer  kann  man  die  Oxalsäure  in  ihren  iii  Wasser 
löslichen  und  unlöslichen  Verbindungen  bestimmen,  wenn 
man  durch  sie  Gold  aus  einer  Goldchloridauflösung  reda- 
cirt.  Zugleich  kann  sie  auf  diese  Weise  ihrer  Menge  nadi 
sehr  genau  gefunden  werden,  wenn  sie  mit  ai\.deru  Säu- 
ren, namentlich  mit  Phosphorsäure  in  Verbindungen  ent- 
halten ist,  von  der  man  sie  sonst  schwer  trennen  kann. 
Beide  Säuren  kommen  aber  zusammen  im  Guano  vor.  • 

Die  Reduction  des  Goldes  aus  seiner  Chloridauflösung 
geht  leicht  und  schnell  von  statten,  wenn  die  Auflösung 
,der  Oxalsäuren  Verbindungen  keine  oder  nur  wenig  freie 
•Chlorwasserstoffsäure  enthält.  Ist  aber  viel  freie  Chlor- 
wasserstoffsäure vorhanden,  so  kann  in  concentrirten  Auf- 
lösungen selbst  durch  langes  und  anhaltendes  Kochen  gar 
kein  Gold  aus  der  Auflösung  reducirt  werden;  es  gelingt 
diefs  erst,  wenn  das  Ganze  mit  einer  grofseu  Menge  von 
Wasser  verdünnt  worden  ist,  aber  auch  dann  geschieht  die 
Reduction  des  Goldes  vollständig  erst  nach  langem  Kochen* 
Weder  Schwefelsäure  noch  Phosphorsäure  äufsern  eine  ähn- 
liche Wirkung  wie  Chlorwasscrstoffsäure ,  denn  auch  bei 
Anwesenheit  ziemlich  bedeutender  Mengen  jener  Säuren 
erfolgt  eine  Reduction  des  Goldes  durch  Oxalsäure  auch 
in  concentrirten  Lösungen,  besonders  wenn  das  Ganze  bis 
xum  Kochen  erhitzt  wird. 

Schon  Berzelius  hat  sich  der  Goldauflösung  bedient, 
um  die  Zusammensetzung  der  Oxalsäure  zu  controliren  ^), 
nachdem  zuerst  Pelletier  auf  die  Zersetzung  der  Oxal-* 
säure  durch  eine  Gpldauflösung  aufmerksam  gemacht  hatte. 
Später  hat  man  sich  häufig  del*  Oxalsäure  bedient,  um  das 
Gold  quantitativ  in  Auflösungen  zu  bestimmen,  besonders 
wenn  dieselben  noch  andere  Metalle  enthielten,  gegen 
welche  Oxalsäure  keine  reducireude  Wirkung  äufsert.  Aber 
mit  demselben  Vortheil  kann  andrerseits  die  Goldauflösung 
angewandt  werden,   um  die  Oxalsäure  bei  Gegenwart  tob 

1)  Schweigger's  Jahrbuch  Bd.  3,  S.  422. 


552 

vielen  aodem  Sänrea  mit  Genauigkeit  ihrer  Menge  nadi 
za  bestimmen. 

Hr.  Weber  behandelte  eine  Aaflösang  von  1,830  Grm. 
neutralem  oxalsanrem  Kali  und  2,170  krjstallisirtem  ^  phos- 
phorsaurem Natron  (Na^+H+P)  mit  einer  Natrinmgold- 
diloridauflösnng  im  Uebermaafs.  Das  angewandte  neutrale 
Oxalsäure  .Kali  gab  durchs  Glühen  73,98  Proc.  kohlensau- 
res Kali;  es  enthielt  also  11,06  Proc.  Wasser,  was  mehr 
als  einem  'Atom  entspricht;  das  phosphorsaore  Salz,  das 
nicht  die  gewöhnliche  Menge  von  Wasser  enthielt,  hinter- 
liefs  nach  dem  Glühen  49,40  Proc  pjrophosphorsaures 
Natron. 

Die  Reduction  des  Goldes  fing  schon  nach  wenigen 
Augenblicken  an;  das  Reducirte  wurde  aber  erst  nach  24 
Stunden  filtrirt.  Es  betrug  1,320  Grm.  Diese  entsprechen 
0,725  Grm.  Oxalsäure;  in  dem  angewandten  Salze  waren 
0,706  Grm.  Oxalsäure  enthalten.  Dieser  Unterschied  rfihrt 
unstreitig  daher,  dafs  in  dem  Oxalsäuren  Kali  wohl  etwas 
mehr  Oxalsäure  enthalten  war,  als  aus  der  Menge  des  dar- 
aus erhaltenen  kohlensauren  Kalis  geschlossen  wurde. 

In  der  vom  reducirten  Golde  getrennten  Flüssigkeit 
wurde  das  noch  aufgelöste  Gold  durch  Oxalsäure  abge- 
schieden, und  darauf  die  Phosphorsaore  als  phosphorsaure 
Ammoniak- Magnesia  gefallt.     Nach    dem   GIfihen   wurden 

0,904  Grm.  Mg''  P  erhalten,  die  0,573  Grm.  Phosphorsäure 
entsprechen.  Das  angewandte  phosphorsaure  Salz  enthielt 
aber  0,572  Grm.  Phosphorsäure. 

Bei  einem  andern  Versuche  wandte  Hr.  Weber  1,015 
Grm.  Oxalsäure  Kalkerde  und  0,729  Grm.  geglQhte  phos- 

•  •  •  • 

phorsaure  Kalkerde  (Ca^  P)  an,  welche  beide  in  Chlor- 
wasserstoffsäure gelöst  wurden.  Die  oxalsauce  Kalkerde 
enthielt  0,494  Grm.  Oxalsäure,  was  durchs  GIfihen  einer 
andern  Menge  derselben  ermittelt  wurde. 

Die  Auflösung  der  Salze  in  Chlorwasserstoffsäore  wurde 
mit  einem  Uebermaafs  einer  Natriumgoldaudösung  lange 
Zeit  gekocht,  ohne  die  mindeste  Reduction  von  Gold  be- 


553 

wirken  zu  können.  Nachdem  das  Ganze  mit  ungefähr  dem 
5  fachen  Volumen  von  Wasser  verdünnt  worden  war,  wurde 
das  Kochen  in  einem  Kolben  fortgesetzt,  und  0,897  Grm. 
reducirtes  Gold  erhalten.  Diese  entsprechen  aber  0,492 
Grm.  Oxalsäure,  also  sehr  nahe  der  berechneten  Menge. 

Aus  der  filtrirten  Flüssigkeit  wurde  das  Gold  durch 
Schwefelwasserstoffgas  entfernt,  worauf  sie  concentrirt,  und 
die  Kalkerde  durch  Schwefelsäure  und  Alkohol  gefällt 
wurde.  Von  der  von  der  schwefelsauren  Kalkerde  getrenn- 
ten Auflösung  wurde  durch  Abdampfen  der  Alkohol  ent- 
fernt, und  die  Phosphorsäure  als  phosphorsaure  Ammoniak- 
Magnesia   gefällt.     Nach   dem  Glühen   wurden   0,660  Grm. 

•  •  •  ■ 

Mg^P  erhalten,  welche  0,418  Grm.  Phosphorsäure  entspre- 
chen. In  der  angewandten  phosphorsauren  Kalkerde  wa- 
ren 0,408  Grm.  Phosphorsäure.  Die  erhaltene  phosphor- 
saure Magnesia  enthielt  eine  geringe  Menge  Kalkerde. 


V.     Die  Oberflächen-   und  Körperfarben   des  ^n^ 
dersonits,  einer  Verbindung  von  Jod  und  Codein; 

pon  TV.  Haidinger. 

(Aus  dem  November -Hefte  1849   der  Sitzungsberichte  d.  K.  Acad.  d. 
W'iss.  zu  Wien  vom  Hrn.  Verf.  mitgetheilt. ) 


JL^ie  Krjstalle,  welche  ich  heute  der  freundlichen  Auf- 
merksamkeit der  hochverehrten  mathematisch -naturwissen- 
schaftlichen Classe  vorlege,  gehören  in  die  Abtheilung  der- 
jenigen, welche  den  einfallenden  Lichtstrahl  von  ihrer  Ober- 
fläche mit  farbiger  Polarisation  zurückwerfen,  während  der 
durch  ihre  Masse  hindurchdringende  Antheil  einen  von  der 
Farbe  des  zurückgeworfenen  Strahles  verschiedenen,  und 
zwar  derselben  complementaren  Farbenton  zeigt.  Sie  ge- 
hören einem  einzelnen  Beispiele  aus  einer  Reihe  von  Kör- 


554 

pem  an,  die  sSmmtliche  Vorkommen  des  Farbenspectrums 
in  Durchsiclitigkeits-  und  Zurückstrahlangs - ,  Körper-  und 
OberÜächenfarbeu  vorstellen,  mit  welchen  ich  mich  seit  ei- 
niger Zeit  beschäftigte,  und  die  ich  sehr  bald  der  hochver- 
ehrten Classe  im  Zusammenhange  vorzulegen  hoffe.  Diese 
Kry stalle  schienen  mir  jedoch  schon  vorher  die  Vorlage 
zu  verdienen,  da  sie  selbst  Ergebnisse  von  ganz  neuen, 
selbst  noch  nicht  abgeschlossenen,  chemischen  Arbeiten  sind, 
die  mir  von  dem  Unternehmer  derselben,  Hrn.  Dr.  An- 
derson in  Edinburg,  durch  die  freundliche  Vennittelung 
unseres  verehrten  Collegen  Hm.  Professors  Schrötter 
unmittelbar  übersandt  wurden. 

Die  Krystalle  sind  tafelartig,  scheinbar  gleichwinklig- 
dreieckige Blattchcn,  und  man  wird  daher  versucht,  eine 
rhomboedrischc  Symmetrie  in  der  Austheilung  der  schma- 
len, an  den  Rändern  vertheilten  Begränzungsflächeu  zu  su- 
chen. Bei  genauer  Betrachtung  stellt  sich  jedoch  die  Form, 
ähnlich  der  abgebildeten,  Taf.  IV.  Fig.  17,  als  dem  auortbi- 
schen  Krjstallsjsteme  angehörig  heraus.  Nimmt  man  die 
breite  Fläche  o  als  Endfläche  oder  Basis  der  Krjstallreihe 
an,  so  lassen  sich  m  und  m'  als  die  linke  und  rechte  Fläche 
eines  rhomboidischen  Prismas,  der  Gränze  der  Reihe  der 
Anorthoide,  oder  als  l:xiA\2  und  r(X)A\2  betrachten.  Von 
/x-4\2  erscheint  blofs  die  diefsseitige +,  das  jenseitige  — 
fehlt  gänzlich.  Die  Flächen  d  und  d  lassen  sich  als  Längs- 
hemidome  betrachten,  und  zwar  als  +rir\2  und  IH\2; 
die  Gegendächen  +IH\2,  und  — rJBr\2  fehlen  ebenfalls 
in  der  polarisch  unsymmetrischen  Entwicklung.  An  der 
Stelle  der  scharfen  Kaute  zunächst  dem  Winkel  g  sind  die 
Krjstallblättchen  häufig  an  einander  gewachsen,  so  dafs 
dieselbe  oft  fehlt;  die  Blättchen  divergiren  dann  fächer- 
förmig. Die  Gröfse  derjenigen,  welche  ich  vor  mir  hatte, 
beträgt  etwa  drei  Linien  an  der  längsten  Kante,  die  Dicke 
etwa  ein  Sechstel  von  einer  Linie. 

Ich  verdanke  dem  k.  k.  Bergpractikanten,  Hrn.  Franz 
Foetterle,  die  durch  das  Reflexions -Goniometer  unter- 
suchten Winkelmaafsc. 


555 
Neigung  von  o  gegen  m  =  131°  6' 


n  » 

M  }> 

M  » 

j»  » 


d  »»  d  =  77M2' 
o  «  d  =  141«  9' 
o'  »>  rf  =  l4l«  9' 
m  »  m'=147«  0' 
d  »  w'=128«  0' 
woraus  er  noch  folgende  ebene  Winkel  berechnete: 

o  =  143«58'  f=    Sö^bS' 

b  =  125«  57'  g=   36«    2' 

c  =    74«  39'  h=  105«  26' 

d  =  118«51'  i=  125«  57' 

e  =  135«  35'  Ä==   61«    9'. 

Die  Combinationskante  od  schliefst  mit  der  rechts  von 
derselben  liegenden  Combinationskante  om!  den  Winkel  k 
von  €1«9',  mit  der  links  von  derselben  liegenden  Combi- 
nationskante om  einen  Winkel  von  82« 49'  ein;  die  Basis 
o  hat  also  eine  rhomboidische  Gestalt,  wenn  eine  Linie, 
die  jenen  Combinationskanten  parallel  ist,  die  beiden  stum- 
pfen Winkel  verbindet. 

Die  stumpfen  Winkel  des  Bhomboides  sind  =143«  58', 
die  scharfen  also  =36«  2';  die  Diagonalen  schneiden  sich 
unter  104«  24'  und  75«  36',  sie  theilen  die  stumpfen  Win- 
kel in  zwei  von  83«  10'  und  61«  3'  wie  oben,  und  die 
scharfen  in  zwei  Winkel  von  21«  35'  und  14« -27'. 

Die  Neigung  der  zwei  Flächen  d  und  dT  gegen  die  an- 
liegenden obern  und  untern  Basenflächen  erscheinen  ganz 
gleich. 

Sämmtliche  Messungen  gelangen  ziemlich  gut,  da  die 
Flächen,  wenn  auch  schmal,  doch  glatt  und  glänzend  sind, 
mit  Ausnahme  der  mit  m  bezeichneten  (+/aDil\2),  die 
nur  gekrümmt  vorkommen. 

Die  dreiseitigen  Krystallblättchcn  haben  eine  braune 
Farbe,  ganz  dünn  sind  sie  vollkommen  durchsichtig.  Sie 
besitzen  einen  schönen  Diamantglanz.  Die  braune  Farbe 
verändert  sich  in  ein  schönes  dunkles  Orange,  wenn  man 
die  Krjstalle  zu  feinem  Pulver  zerreibt.     Um  sie  auf  den 


556 

Plcochroismus  durch  die  dichroskopische  Lupe  zu  antersii- 
chen,  klebt  man  sie  am  vortheilhaftesten  mit  der  scharfen 
Kante  bei  g  auf  Wachs,  und  hält  sie  so  vor  das  Auge, 
dafs  die  Kante  dd!  horizontal  wird.  Man  beobachtet  so- 
dann Fig.  17.  Taf.  IV.  das  ordinäre  Bild  0  oben,  das  ex- 
traordinäre Bild  E  unten.  Bei  senkrechtem  Einfall  des 
Lichtes  erscheint  das  erstere  0  weit  heller,  als  das  letz- 
tere E,  und  zwar  wechselt  jenes  je  nach  der  Dicke  der 
Blättchen,  von  einem  blassen  Gelblichbraun,  durch  tiefes 
Honiggelb  bis  in  Blutroth,  während  jenes  gleichzeitig  mit 
Blutroth  beginnt  und  bald  undurchsichtig  wird,  also  ein 
schwarzes  Bild  giebt.  Bringt  man  den  Krjstall,  die  Kante 
dd'  immer  noch  horizontal,  durch  eine  Drehung  nach  rechts 
oder  links  aus  der  ursprünglichen  Lage  heraus,  so  steigt 
oder  fällt  der  Grad  der  Durchsichtigkeit,  und  zwar  ist  der 
Krjstall  in  dem  oberen  Bilde  0  am  durchsichtigsten,  wenn 
man  in  der  Richtung  AA  I^ig.  18.  Taf.  IV.,  also  ziemlich 
senkrecht  auf  die  Kante  zwischen  m  und  m',  oder  senk- 
recht auf  die  Axe  dieses  Prismas  hinsieht.  Er  ist  am  we- 
nigsten durchsichtig  in  der  Richtung  dieser  Linie  BB.  Von 
deu  Elasticitätsaxen  für  die  doppelte  Strahlenbrechung  liegt 
daher  nur  eine  in  der  Ebene  der  dreiseitigen  Tafeln,  and 
zwar  senkrecht  oder  nahe  so  auf  die  Kante  dd!\  die  an- 
dern beiden  senkrecht  auf  einander  schliefsen  in  der  Pro- 
jcction  Fig.  18,  Taf.  IV.  Winkel  mit  dem  Durchschnitt  der 
Base  ein,  und  zwar  so,  dafs  der  Winkel  CMA  ungefähr 
30°,  der  CMB  60°  beträgt. 

Der  in  der  Richtung  AA  und  senkrecht  auf  BB  pola- 
risirte  Farbenton  ist  der  hellste,  der  in  der  Richtung  von 
BB  senkrecht  auf  il^i  polarisirte  der  mittlere,  endlich  der- 
jenige, welcher  senkrecht  auf  den  Durchschnitt  der  zwei 
Ebenen  AA  und  BB  polarisirt  ist,  der  dunkelste.  AUe 
aber  haben  den  nämlichen  Grundtou  von  Dunkel -Orange, 
und  unterscheiden  sich  unr  durch  die  Intensität. 

Der  Diamantglanz  der  Oberfläche  zerlegt  sich  bei  der 
Untersuchung  der  Reflexion  vermittelst  der  dichroskopischen 
Lupe  dergestalt,  dafs  ein  Theil  des  zurückgeworfenen  Lieh- 


557 

tes  schön  lasurblau  in  der  Richtung  der  Kante  dct,  oder 
wie  das  E  in  der  Fig.  17.  Taf.  IV.  fest  polarisirt  wird.  In 
der  Stellung  Fig.  19.  Taf.  IV.  geht  alles  ordinär  polarisirte 
Licht  in  das  obere  Bild,  alles  extraordinär  polarisirte  Bild 
in  das  untere  Bild,  und  der  Gegensatz  ist  dann  möglichst 
vollständig.  In  der  senkrecht  auf  dieser  stehenden  Stellung 
geht  die  fest  polarisirte  blaue  Farbe  nebst  dem  weifsen 
Oberflächenlichte  ganz  in  das  obere  Bild.  Es  erscheint 
übrigens  nicht  unter  allen  Einfallswinkeln  in  der  Stellung 
Fig.  19.  Taf.  IV.  ein  gleicher  blauer  Ton.  Sind  die  Win- 
kel gröfser,  so  geht  er  in  violett  über;  und  bei  sehr  gro- 
fsen  Einfallswinkeln  erscheint  sogar  ein  unvollkommenes 
Speisgelb  im  untern  Bilde  als  Gegensatz  zu  dem  hellen 
Weifs  des  obern. 

Die  hier  beschriebenen  Krystalle  bilden  eine  neue  Be- 
stätigung des  in  dem  II.  Hefte  der  Sitzungsberichte  der 
k.  Academie  der  Wissenschaften  nachgewiesenen  Gesetzes^ 
dafs  der  orißntirte  Flächenschiller,  oder  die  fest  polarisirte 
Oberflächenfarbe  in  der  Polarisationsrichtung  mit  der  Po-- 
larisationsriehtung  des  mehr  absorbirten  Strahles  doppelt' 
brechender  Kry stalle  übereinstimmt  *). 

Nach  Hrn.  Dr.  Anderson  ist  der  chemische  Bestand 
der  Krjstalle  eine  noch  nicht  vollständig  ausgemittelte  Ver- 
bindung von  Jod  und  Codei'n  {Jodine  Compound  of  Co- 
deine',  Constitution  non  yet  fully  determined),  das  Codei'n 
—  von  Robiquet  1832  in  Opium  entdeckt  —  selbst  ein 
sehr  zusammengesetzter  Körper  C3  5  H^ ^  N^  O5  H-  2  Aq.  In 
Ermangelung  einer  systematischen  Benennung  schlage  ich 
vor,  die  in  optischer  Beziehung  so  höchst  interessanten  Krj- 
stalle  durch  den  Namen  Andersonit  zu  bezeichnen.  Wäre 
der  Gegenstand  ein  in  der  Natur  vorkommendes  Mineral, 
N  so  wäre  diefs  nur  ein  Vorgang,  zu  dem  man  hunderte  von 
Beispielen  hat.  Hier  scheint  das  Verfahren  eine  Neuerung 
zu  seyn,  und  zwar  auf  einem  Felde,  das  dem  Mineralogen 
nach  der  bisherigen  Gepflogenheit  ganz  entrückt  ist.  Aber 
in  der  Kenntnifs  der  unorganischen  Individuen  müssen  wir 

1)  Ann.  Bd.  76.  $.99.  P. 


558 

es  wohl  gestehen,  haben  wir  fiberhaopt  noch  so  vieles  zu 
leisten  vor  uns,  dafs  auch  hier  das  Bedurfiaifs  selbststäo- 
diger  specifischer  Namen  sich  immer  mehr  als  unabweis- 
lich  herausstellt.  Bei  der  Welt  von  neuen  Körpern  wären 
gewifs  jumfassende  Arbeiten  in  dieser  Beziehung  eben  so 
undankbar  für  den,  der  sie  unternehmen  würde,  als  müh- 
selig und  im  Erfolge  wahrscheinlich  verunglückt,  denn  es 
läfst  sich  nur  erst  vorhersehen,  dafs  es  in  späterer  Zeit  gar 
nicht  mehr  zurückgewiesen  werden  kann.  Einstweilen  sorgt 
man  billig  für  das  Einzelne.  Längst  habe  ich  gewünscht, 
eben  so  lange  als  ich  die  Studien  der  Eigenschaften  di/e- 
ser  Körper  vornahm,  an  die  wundervollen  Erscheipongen 
der  Krjstalle  mit  den  metallischen  OberQächenfarben,  durch 
specifische  Namen  die  Erinnerung  an  die  Gegenwart  ^n 
knüpfen,  das  gelbe  Barium- Platin -Cyanür  Redtenbacherit 
zu  nennen,  das  karmiurothe  Magnesium -Platin -Cyanür  mit 
grüner  Oberfläche  Quadratit,  zugleich  jatn  die  pyramidalen 
Formen  erinnernd,  während  das  prismatische  Magnesium- 
Platin  -  Cyanür  von  morgenrother  Farbe  mit  blauer  Ober- 
fläche Aurorit  genannt  würde.  Knop's  Kialiuro- Platin - 
Cjauür-Cjanid  sollte  Knopit  heifsen,  Schqnck's  chry- 
samminsaures  Kali  Schunckitf  Gregorj's  oxalsaures  Chrom- 
oxjdkali  Gregorin,  (Der  Name  Gregorit  für  das  cornische 
Titaueisen  ist  zwar  längst  nicht  mehr  im  Gebrauche,  dürfte 
aber  doch  nicht  als  ganz  frei  zu  betrachten  seju)  und  hier 
würde  Andersonit  die  in  chemischer  Beziehung  noch  nicht 
vollständig  erkannte  Verbindung  von  Jod  und  Codein  be- 
zeichnen. Wohl  haben  diese  Männer  in  der  Wissenschaft 
viel  mehr  geleistet,  als  nur  in  den  einzelnen  Fällen,  die 
ich  mit  ihren  Namen  zu  bezeichnen  wünschte,  Namen,  welche 
die  Wissenschaft  bewahren  wird,  so  lange  sie  besteht,  aber 
es  gilt  ein  Princip  für  die  Befriedigung  eines  Bedürfnisses 
zu  befolgen,  das  je  länger,  )e  fühlbarer  werden  wird. 


559 


VI.     üeber  die  Auflösung  flüssiger  Cylinder  in 

Tropfen;  von  G.  Hagen, 

(Aus  d.  Monatsbericht  d.  Acnd.  November  1849.) 


Xo  einer  neueren  Untersuchung  über  das  Verhalten  flüssi- 
ger Massen,  welche  der  Einwirkuug  der  Schwere  entzogen 
sind  (im  23.  Bande  der  Schriften  der  Brüsseler  Academie),. 
hat  Hr.  Plateau  die  Ursache  der  Auflösung  eines  Strahles 
in  Tropfen  nachgewiesen.  Verschiedene,  in  eigenthüwlicher 
Art  angestellte  Beobachtungen  zeigten  nämlich,  dafs  flüssige 
Cjlinder,  die  mehr  oder  weniger  der  Einwirkung  ihrer  Um- 
gebung entzogen  waren,  nur  in  dem  Falle  dauernd  ihre 
Form  behielten,  wenn  die  Länge  des  Cylinders  ein  bestimm« 
tes  Verhältnifs  zum  Durchmesser  nicht  überstieg.  Die  nä- 
here Untersuchung  der  Kräfte,  welche  die  Formverände- 
rung veranlassen,  führte  mich  zu  einem  Resultate,  welches 
sich  an  diejenigen  Beobachtungen  des  Hrn.  Plateau  be- 
friedigend anschliefst,  die  Vorzugspreise  entscheidend  sind. 

Die  Kraft,  welche  abgesehen  von  den  zufälligen  äufsern  ^ 
Einwirkungen  die  Form  der  freien  Flüssigkeit  bestimmt, 
ist  d^r  Druck,  den  die  gespannte  Oberfläche  in  normaler 
Richtung  ausübt.  Sobald  in  einem  Cjliuder  an  einer  Stelle 
eine  Anschwellung  und  daneben  eine  Zusammenziehung  ein^ 
tritt,  so  werden  beide  zunehmen,  und  der  Cjliuder  wird 
sich  in  einzelne  Theile,  oder  Tropfen  auflösen,  wenn  der 
Druck  auf  die  verengte  Stelle  gröfser  ist,  als  auf  die  an- 
geschwollene. Im  umgekehrten  Falle  wird  sich  dagegen 
die  gleichmäfsige  cjlindrische  Form  von  selbst  wieder  her- 
stellen. Dabei  ist  es  gleichgültig,  ob  solche  Anschwellun- 
gen und  Verengungen  sich  mehrfach  wiederholen,  wie  dieses 
bei  einem  Strahle  geschieht,  oder  ob  sie  nur  einmal  vor- 
kommen. Die  Anschwellung  an  einer  Steile  erfolgt  allein 
dadurch,  dafs  die  Theilchen  im  Innern  des  Cylinders  von 
einer,  oder  von  beiden  Seiten  her,  sich  im  Knoten -Punkte 
ansammeln,  und  man  darf  sonach  die  Untersuchung  auf  ei^ 


560 

neo  Theil  des  Cjlinders  beschränken,  der  von  einem  gröfs- 
ten  und  einem  nächst  liegenden  kleinsten  Querschnitt  be- 
gränzt  wird. 

Die  erste  Formveränderung  des  Cjlinders  ist  von  äufsern 
Einwirkungeil  abhängig,  daher  ganz  zufällig.    Indem  jedoch 
gewaltsame  Störungen  hier  nicht  berücksichtigt  werden,  so 
ist  anzunehmen,  dafs  die  Spannung  der  Oberfläche  das  Ent- 
stehen  von  besonders  scharfen  Krümmungen  und  vollends 
von  wirklichen  Kanten  nicht  gestattet,  und  sonach  die  Linie, 
welche   durch  Drehung   um   die  Axe   des  Cylinders  dessen 
veränderte  Form   darstellt,  eine  sanft  gekrümmte  Linie  ist, 
die  theils   aufserhalb,  theils '  innerhalb  des  Cjlinders  liegt, 
und  bei  ihrer  Drehung   einen  Raum   umschliefst,   der   dem 
Inhalte  des  Cjlinders  gleich  ist.    t)ie  an  beide  End-  oder 
Scheitelpunkte    dieser    Linien   gezogenen    Tangenten    wer- 
den auch  zur  Axe  des  Cjlinders  parallel  sejn.     Insofern 
hier  aber  nur  die  erste,  noch  sehr  kleine  Formveräuderung 
betrachtet  wird,  wobei  die  Wellenlinie  vergleichungsweise 
zum    Radius    des   Cjlinders   sich  sehr   wenig  von   der  ur- 
sprünglichen Oberfläche  entfernt,  so  müssen  auf  einer  durch 
die  Axe  des  Cjlinders  gelegten  Ebene  die  beiden  Flächen, 
die  von  der  Wellenlinie,  von  der  Seite  des  ursprünglichen 
Cjlinders  und  von  den  Radien  des  gröfsten  und  kleinsten 
Querschnittes   eingeschlossen    sind,    einander    gleich    sejn. 
Indem  ferner  kein  Grund  vorhanden  ist,  anzunehmen,  dafs 
die  entstandene  kleine  Anschwellung  höher   oder   in  ihrer 
Länge  ausgedehnter  sejn  sollte,  als  die  daneben  befindliche 
Vertiefung,  oder  umgekehrt,  so  darf  man  voraussetzen,  dafs 
der  Theil   der  Wellenlinie,   der   aufserhalb    des  Cjlinders 
liegt,    congruent  ist  mit  dem   innerhalb   liegenden   Theile. 
Jeder   derselben  bildet  aber   eine  sehr  wenig    gekrümmte 
Linie,  und  ist  sonach  als  ein  sehr  kleiner  Bogen  anzusehen, 
dessen    Krümmuugs- Halbmesser    dem    Radius    des   Kreises 
gleich  ist,  der  seinen  Scheitel  und  seine  beiden  Endpunkte 
trifft. 

Hiernach  läfst  sich   der  Normaldruck  bestimmen,    den 
die  gespannte  Oberfläche  am  Umfange  eines  gröfsten  und 

eines 


561 

eines  kleinsten  Qaerschnittes  ausübt.    Der  allgemeine  Aus- 
druck dafür  ist  bekanntlich 


(1+^) 


m 

m  bedeutet  die  Spannung,  ausgedrückt  durch  das  Ge- 
ifvicht  der  Baumeinheit  der  Flüssigkeit  ^ 

Q  den  Krümmungshalbmesser  der  erwähnten  Wellen« 
linie, 

q'  den  Abstand  eines  Scheitelpunktes  derselben  von  der 
Axe  des  Cjliuders. 

Der  untersuchte  gröfste  Querschnitt  liege  in  A^  der 
kleinste  in  B. 

l  sej  der  Abstand  dieser  beiden  Querschnitte, 

r  der  Radius  des  ursprünglichen  Cjlinders  und 

X  die  Höhe  der  sehr  kleinen  Anschwellung  oder  Ver- 
tiefung. 

Alsdann  ist 

1)  für  die  Stelle  Ä 

J  Sx 


1  _     1 

Q*         r+o: 

folglich  der  Normaldruck,  wenn  beide  vorstehende  Werthe 
in  Reihen  aufgelöst  worden 

2)  für  die  Stelle  B 

l^ Sx 

Q  ~      r-t-4x» 
j^_    1 

g'—r^x 

daher  der  Normaldruck 

-;r-(7r-;:i)^  +  7r  +  (ir  +  7r)^'+;T~...J. 

Der  Ueberschufs  des  Druckes  auf  die  angeschwollene 
Stelle  A  über  den  Druck  auf  die  verengte  Stelle  B  ist 
sonach 

PoggendorfTs  Annal.  Bd.  LXXX.  36 


562 

Man  bemerkt  sogleich  aus  der  ZusamibeQsetzoDg  dieser 
Reihe,  dafs  alle  Glieder,  welche  die  geraden  PoteDfcen  TOti 
X  enthalteu,  verschwinden,  die  übrigen  aber  abwechselnd 
entweder  aus  positiven  und  negativen,  oder  nur  aus  ne- 
gdtived  GrAfsen  zuddintnengeset^t  sind.  Die  ersteren,  näm- 
lich die  Glieder  in  den  ungeraden  Stellen,  sind  Hur  iu  dem 
Falle  positiv,  wenn  l  ein  gewisses  Vielfaches  von  r  nicht 
tiberschreitet.    Das  erste  dieser  Glieder  ist  positiv 

wenn  l<2tr 

das  zweite,  wenn  Z<;2«r 

das  dritte,    wenn  Ki2^r 
und  so  fort.     Die  Sufserste  Gräuze,  welche  den  positiven 
Werth  eines  Gliedes  M  ungerader  Stelle  bedingt,  ist  sonach 

l<2 1. 
Dl6  zwlsehen  liegenden  Glieder  sind  aber  viel  gröfser,  da- 
her ist  die  Summe  der  ganzen  Reihe  im  Allgemeinen  nega- 
tiv, und  ein  positiver  Werth  derselben,  der  die  Wieder- 
herstellung der  cjlindrischen  Form  bedingen  wGrde,  kann 
nur  stattfinden,  wenn  x  so  klein  ist,  dafs  alle  höhereu 
Potenzen  dieser  Gröfse  vernachläfsigt  werden  dürfen ,  und 
zugleich 

/<2ir 
oder  /<2,8284r 
ist.  Dieser  Zahlen-Cöefficient  bezeichnet  zugleich  das  Gränz 
verhältnifs  zwischen  der  ganzen  Entfernung  zweier  Knoten 
und   dem   Durchmesser  des   Cjlind^lrs,   wobei  dafi  stabile 
Gleichgewicht  aufhört. 

Die  zwischen  Gläswfinde  eingesdilossenen  Quecksilber- 
Fäden,  deren  Auflösung  in  Tropfen  Hr.  Plateau  beob- 
achtete, indem  er  die  Wände  behutsam  entfernte,  ergaben 
weit  gröfsere  Abtheilungen.  Die  Länge  derselben  mafs  das 
Sechsfache  und  zum  Theil  sogar  das  Zehnfache  der  Dicke 
der  Fäden.  Dieses  Resultat  darf  nicht  befremdeui  da  wäh- 
rend der  Beseitigung  der  Wände  leicht  einzelne  Theile 
der  Fäden  so  weit  herausgezogen,  oder  hineingeschoben 
werden  mochten,  dafs  dadurch  die  Trennung  in  viel  gröbere 
Abtheilungen  verursacht  wurde. 


563 

Eütscheidender  sind  diejenigen  Beobachtungen,  wobei 
Oel-Cjlinder  in  einer  Auflösung  von  Alkohol  und  Wasser 
von  gleichem  specifischen  Gewichte,  zwischen  zwei  kreis- 
förmigen  Scheiben  oder  Ringen  schwebend  dargestellt  wur- 
den. Dieselben  zeigten  sich  noch  stabil,  wenn  ihre  JLänge 
3  bis  3,6  mal  gröfser  war«  als  ihr  Durchmesser. 

Auch  dieses  Resultat  scheint  dem  aus  der  Rechnung 
hergeleiteten  zu  widersprechen;  man  tiberzeugt  sich  aber 
leicht,  dafs  die  festen  Scheiben  oder  Ringe  die  Stabilität 
des  Cjlinders  etwas  vergröfsern  niufsten.  Unmittelbar  an 
denselben  konnte  sich  nämlich  weder  ein  gröfster  noch  ein 
kleinster  Querschnitt  bilden,  vielmehr  mufste  bei  eintreten- 
der Formveränderung  jene  Wellenlinie  an  beiden  Enden 
'  die  urspröngliche  cvlindrische  Fläche  schneiden.  Zur  wei- 
teren Ausbildung  der  Anschwellung  und  Verengung  konnte 
daher  die  Flüssigkeit  nicht  in  derselben  Art  zugezogen  oder 
zurückgedrängt  werden,  wie  in  dem  gleichen  Theile  eines 
unbegränzten  Cjlinders  geschieht.  Der  zwischen  dem  klein- 
sten Querschnitte  und  der  nächsten  Endfläche  liegende  Theil 
des  Cyliuders  konnte  sich  nur  dadurch  noch  stärker  rer- 
engen,  dafs  eine  Strömung  nach  dem  kleinsten  Querschnitte 
eintrat.  Die  Flüssigkeit  mufste  sich  also  nach  der  Stelle 
hin  bewegen,  wo  der  stärkste  Druck  stattfand.  In  glei- 
cher Art  konnte  die  Anschwellung  am  andern  Ende  nur 
dadurch  zunehmen,  dafs  die  Strömung  über  den  gröfsten 
't^uerschnitt  hinaus,  also  über  die  Stelle,  wo  der  Druck  am 
kleinsten  war,  sich  fortsetzte.  Auf  diese  Art  verhinderte 
der  Druck  der  Oberfläche  zum  Theil  die  Bildung  der  Kno- 
ten, und  die  Trennung  in  Tropfen  erfolgte  nicht  so  leicht, 
als  wenn  der  Cj linder  bei  gleicher  Länge  ganz  frei  gewe- 
sen wäre. 

Obwohl  hierdurch  die  Abweichung  der  Resultate  der 
Beobachtung  hinreichend  aufgeklärt  seyn  dürfte;  so  drängt 
sich  hierbei  doch  die  wichtige  Frage  auf,  ob  die  Spannung 
einer  Oberfläche,  die  zwei  Flüssigkeiten  von  einander  trennt, 
der  Summe  der  Spannungen  beider  freien  Oberflächen  gleich 
sey,  oder  ob  die  Flüssigkeiten,  indem  sie  sich  unmittelbar 

36* 


564 

beriihren,  schon  durch  MoleGuIar-Attraction   auf  einander 

einwirken. 

Die  interessante  Beobachtung  Plateau' s  über  die  ku- 
gelförmigen Endflächen  eines  flüssigen  Cylinders,  der  zwi- 
schen zwei  Ringen  schwebt,  führt  tiicht  zur  Beantwortung 
dieser  Frage,  indem  die  Constante  m,  welche  die  Spannung 
der  Oberfläche  bezeichnet,  in  der  Gleichung,  welche  die 
Form  )enes  flüssigen  Körpers  bedingt,  gar  nicht  enthalten  ist. 
Zwei  Beobachtungen,  die  ich  zu  diesem  Zwecke  mit  Was- 
ser und  Rüböl  und  mit  Quecksilber  und  Wasser  anstellte, 
ergaben  sehr  abweichende  Resultate,  die  sich  durch  die 
Verschiedenheit  der  specifischen  Gewichte  allein  nicht  er- 
klären lassen,  vielmehr  eine  weit  stärkere  gegenseitige  An- 
näherung und  Einwirkung  zwischen  den  beiden  ersten,  als 
den  beiden  letzten  Flüssigkeiten  zu  beweisen  scheinen.  Nichts 
desto  weniger  stimmten  die  Beobachtungen  doch  darin  Gbcr- 
ein,  dafs  eine  Verminderung  der  Spannung  jedesmal  eintrat. 

Die  Messungen  wurden  mit  dem  Apparate  ausgeführt, 
den  ich  früher  (Abhandlungen  der  Academie  der  Wissen- 
schaften 1845  S.  71 '))  beschrieben  habe.  Zunächst  mafs  ich 
die  Erhebung  oder  Senkung  der  schwereren  Flüssigkeit  zwi- 
schen zwei  in  einem  Glaskästchen  parallel  und  vertical  auf- 
gestellten Planscheiben  von  Thonsciuefer,  die  jedesmal  mit 
Wasser  getränkt  waren,  also  vom  Wasser,  aber  nicht  vom 
Oel  und  Quecksilber  benetzt  wurden.  Während  die  schwe- 
rere Flüssigkeit  im  Kästchen  blieb,  gofs  ich  alsdann  die 
leichtere  darüber,  so  dafs  von  dieser  die  Planscheiben  voll- 
ständig überdeckt  wurden,  und  wiederholte  die  Messung 
an  der  gemeinschaftlichen  Oberfläche. 

Bei  der  ersten  Beobachtung,  die  sich  auf  Brunnen- Was- 
ser und  Rüböl  bezog,  betrug  der  Abstand  beider  Scheiben 
von  einander  0,1003  Rheinländische  Zoll.  Das  Wasser  er- 
hob sich  dazwischen  vor  der  Ueberdeckung  mit  Oel  0,1275 
Zoll,  unmittelbar  nach  dem  Zugiefsen  des  Oeles  0,3803  Zoll. 
Es  senkte  sich  indessen  sehr  schnell,  so  dafs  die  Erhebung 
nach  10  Minuten  nur  noch  0,2908  Zoll  betrug.  Dagegen 
beobachtete  ich  die  Erhebung  des  Oeles  zwischen  densel- 

1)  Annal.  Bd.  67,  S.  1. 


565 

ben  Scheibeu,   nachdem   sie  ToIIstSndig  ausgetrocknet  und 
mit  Oel  benetzt  waren,  zu  0,0953  Zoll.    Der  CubikzoU  des 
Wassers  wog  1,222  Loth,  des  Oelcs    1,116  Lotb;   bei   der^ 
Eintauchung  in  Oel  wog  daher  der  CubikzoU  Wasser  nur 
0,106  Loth. 

Hieraus  ergiebt  sich  die  Spannung  eines  1  Zoll  breiten 
Streifen  der  Oberfläche  des  Wassers  gleich  0,00843  Loth, 
des  Oeles  0,00606  Loth.  Die  Spannung  der  gemeinschaft- 
lichen Oberfläche  beider  müfste  also,  wenn  keine  gegen- 
seitige Einwirkung  statt  gefunden  hätte,  gleich  0,01449  Loth 
betragen:  nach  der  Messung  war  sie  aber  Anfangs  nur 
0,00209  und  später  sogar  nur  0,00161  Loth.  Bei  der  star-  . 
ken  Adhäsion  des  Oeles  benetzte  dasselbe  wahrscheinlich 
sehr  bald  in  gewissem  Grade  die  Scheiben,  an  welchen  in 
der  That,  als  ich  sie  herauszog,  hin  und  wieder  einzelne 
Oeltröpfchen  hafteten.  Die  spätere  Beobachtung  dürfte  da- 
her weniger  zu  berücksichtigen  sejn.  Es  ergiebt  sich  aber 
schon  aus  der  ersten,  dafs  die  Spannung  unmittelbar  nach 
dem  Hinzugiefsen  des  Oeles  sich  ungefähr  auf  den  sieben- 
ten Theil  ihres  ganzen  Werlhes  reducirte. 

Bei  der  andern  Messung,  die  in  allen  Theilen  mit  gro- 
fser  Schärfe  ausgeführt  werden  konnte,  indem  eine  Aende- 
rung  nicht  bemerkt  und  die  Berührung  der  Nadelspitze  sehr 
deutlich  wahrgenommen  wurde,  betrug  der  Abstand  der 
Scheiben,  bei  etwas  veränderter  Aufstellung  derselben,  ge« 
nau  0,1000  Zoll.  Das  Quecksilber  zeigte  bei  zehnfacher 
Wiederholung  der  Messung  im  Mittel'  eine  Senkung  von 
0,0589  Zoll,  und  nach  der  Ueberdeckung  mit  Wasser  im 
Mittel  aus  eben  so  vielen  Beobachtungen  eine  Senkung  von 
0,0690  Zoll.  Der  CubikzoU  Quecksilber  wog  in  der  Luft 
16,577  Luft  und  unter  Brunnenwasser  15,355  Loth.  Hier- 
aus ergiebt  sich  die  Spannung  eines  1  Zoll  breiten  Streifen 
seiner  Oberfläche  gleich  0,05648  Loth.  Ein  gleicher  Streik 
fen  der  gemeinschaftlichen  Oberfläche  von  Quecksilber  und 
Wasser  sollte  daher  eine  Spannung  von  0,06491  Loth  ha- 
ben: dieselbe  betrug  aber  nur  0,06015  Loth.  Es  trat  da- 
her auch  hier  ein  Verlust  ein,  der  jedoch  so  geringe  war. 


566 

dafs  die  gemeinschartliche  Oberfläche  noch  etwas  starker 
gespannt  blieb,  als  die  des  Quecksilbers  vor  dem  Zagiefsen 
des  Wassers  war. 


VII.     lieber  die  Gränze  der  Stabilität  eines  flüssi^ 
gen  Cy linders;  fon  J.  Plateau. 


In  den  Paragraphen  38  und  46  der  ztceifen  Reihe  meiner 
experimentellen  und  theoretischen  Untersuchungen  über  die 
Gleichgewichtsfiguren  einer  flüssigen  Masse  ohne  Schwere ') 
weise  ich  theoretisch  nach,  dafs  der  Cjlinder  za  den  Fi- 
guren des  einer  uuschweren  flössigen  Masse  zukommenden 
Umdrehungs- Gleichgewichts  gehört,  und  nachdem  ich  die 
Versuche  beigebracht,  mittelst  deren  ich  diese  Gattung  von 
flüssigen  Figuren  verwirklichte,  zeige  ich,  von  diesen  Ver- 
suchen ausgehend,  dafs  der  flüssige  Cjlinder  nur  dann  sta- 
bil ist,  wenn  das  Verhältnifs  zwischen  seiner  Länge  und 
seinem  Durchmesser  nicht  über  eine  gewisse  Gränze  hin- 
ausgeht, deren  Werth  zwischen  3,0  und  3,6  liegt. 

In  einer  der  Berliner  Academie  vorgelegten  Notiz  ^ ) 
sucht  Hr.  Hagen  diese  Gränze  theoretisch  zu  bestimmen, 
und  er  findet  für  ihren  Werth  die  GrOfse  2^  =  2,8284  d.  h. 
einen  Werth,  der  beträchtlich  unter  dem  kleinsten  der  bei- 
den Zahlen  liegt,  zwischen  welchen  nach  meinen  Versu- 
chen dieselbe  Gränze  liegen  mufs.  Da  Hrn.  Hag en's  Re- 
sultat die  Zulässigkeit  meiner  .Folgerung  und  die  Tragweite 
der  ihr  zum  Grunde  liegenden  Versuche  zu  verringern  scheint; 
so  glaube  ich  hier  zeigen  zu  müssen,  worin  sich  Hr.  Hagen 
geirrt,  obwohl  ich  mir  die  theoretischen  Entwicklungen,  in 

1)  mm.  de  facad,  de  BruxeiUs,    T.  ÄXiif,  (die  mögUdiÄ  bald  mit- 
getheiU  werden  wird.     P.) 

2)  Siebe  des  vorbeifebenden  A«i£MtK. 


567 

Betreff  der  StabilitätsgrSnze  des  Cyliuders,  der  dritten  Reihe 
meiner  Arbeit  vorbehalteu  mufs. 

Zuvörderst  mufs  ich  bemerken ,  dafs  Hr.  Hagen  eins 
meiner  Resultate  nicht  richtig  anführt  ' ).  Nach  diesem  Ge- 
lehrten soll  ich  gesagt  haben,  dafs  meine  Cylinder  „sieh 
noch  stabil  zeigten,  wenn  ihre  Länge  3  bis  3,6  Mal  grö- 
fser  war  als  ihr  Durchmesser '^  Nun  aber  zeigen  die  In 
meiner  Abhandlung  angeführten  Versuche,  dafs  die  Stabi- 
lität dieser  Cylinder  noch  für  das  Yerhältnifs  S  existirt 
und  für  das  Yerhältnifs  3,6  nicht  niehr  existirt,  allein  sie 
zeigen  nichts  für  die  dazwischen  liegenden  Verbältoisse, 
und  es  ergiebt  sich  daraus  blofs  der  Schlufs,  dafs  der  ge- 
naue Werth  der  Stabilitätsgränze  zwischen  den  Zahlen  3 
und  3,6  liegt,  d.  h.  gröfser  ist  als  die  erste  und  kleiner 
als  die  zweite. 

Nach  Berichtigung  dieses  ersten  Punktes  schreite  ic^ 
zu  der  von  Hrn.  Hagen  angewandten  theoretischen  Me- 
thode. Sobald  die  Umwandlung  des  Cylinders  beginnt, 
hat  die  geschlängelte  Curve,  welche  die  Meridianlinie  der 
Figur  ausmacht,  nothwendig  höchst  schwache  Krümmungen. 
Davon  ausgehend,  nimmt  Hr.  Hagen  an,  dafs  jeder  der 
eonvexen  und  concaven  Theile  dieser  Curve  als  ein  sehr 
kleiner  Bogen  anzusehen  sey,  „dessen  Krümmungshalbmes- 
ser  dem  Radius  des  Kreises  gleich  ist,  der  seinen  Seheitel  - 
und  seine  beiden  Endpunkte  trifft '^  Den  so  erhaltenen 
Krümmungsradius  gebraucht  er  alsdann,  um  die  Drucke  zu 
bestimmen,  weiche  die  Flüssigkeit  an  den  respectiven  Mit- 
ten einer  Anschwellung  und  einer  Ei«seh«üfung  auf  sich 
selbst  ausübt,  und  «m  zu»  Werth  der  Stabilitätsgränze 
durch  die  Betrachtung  zu  gelangen,  dafs  der  Unterscjhied 
obiger  beiden  Drucke  diesseits  dieser  kränze  positiv  und 
jenseits  negativ  seyn  mufs.  Allein  die  Voraussetzung  des 
tirn.  Hagen  in  Betreff  des  KrümmungsradhM  ist  keines^ 
w^s  erlaubt,  wie  ich  sogleich  zeigen  werde. 

Mit  Recht  l»etrachtet  Hr.  Hagen  die  abwachsend  con- 

1)  Doch  sicher,  wie  auch  fir.   Plateau  zugeben  wird,   oiclit  mit   Ab- 
«kht.  .  -       ■    ■    -9,    - 


568 

▼exen  und  concaven  Axeo  der  Curre  als  yollkommen  sym- 
metrisch (coDgrueut).  Alleio  daraus  leuchtet  ein,  da(s  die 
Curve  eine  grofse  Analogie  mit  der  Siousoide  haben  mufs. 
Wenn  man  nun  in  der  Rechnung  des  Hrn.  Hagen  den 
von  ihm  angewandten  Krümmungsradius  ersetzt  durch  den 
des  Scheitels  von  Bögen  einer  Sinusoide,  so  findet  inap, 
als  Werth  der  Stäbiiitätsgränze,  die  Gröfse  n^  d.  b.  das 
Verhält nifs  des  Umfangs  zum  Durchmesser,  nämlich  3,1416. 
Dieser  Werth  weicht  beträchtlich  von  dem  des  Hrn.  Ha- 
gen ab,  und  mufs  a  priori ^  nach  der  Form  der  Curve, 
für  genauer  gehalten  werden. 

Nun  mufs  ich  sagen,  dafs  auch  ich  mich  schon  seit  lange 
mit  der  theoretischen  Untersuchung  der  Stäbiiitätsgränze 
beschäftigt,  und  mittelst  einer  strengen  Methode  wirklich 
als  genauen  Werth  dieser  Gräuze  die  Gröfse  n  gefunden 
habe.  Dieser  Werth  liegt  aber  zwischen  3  und  3,6,  und 
nimmt  also  den  Platz  ein,  welchen  ihm  meine  Versuche 
bezeichnet  hatten.  Wie  schon  oben  gesagt,  werde  ich 
meine  Methode  in  der  dritten  Reihe  meiner  Arbeit  ausein- 
andersetzen. 

Die  Unrichtigkeit  der  Voraussetzung  des  Hrn.  Hagen 
hat  folgenden  Grund.  Sobald  die  Umwandlung  beginnt 
und  demzufolge  die  von  der  Generatrix  des  ursprünglichen 
Cjliuders  auf  der  geschlängelten  Curve  aufgefangenen  Bö- 
gen nur  noch  ungemein  schwache  Krümmungen  besitzen, 
wird  der  osculirende  Kreis  des  Scheitels  eines  von  ihnen 
einen  äufserst  grofsen  Radius  haben,  und  folglich  der  Bo- 
gen dieses  selben  von  obiger  Generatrix  aufgefangenen  Krei- 
ses einen  sehr  geringen  Theil  der  gesammteu  Circumferenz 
ausmachen.  Daraus  folgt,  dafs  der  erwähnte  Bogen  lu  sei- 
ner ganzen  Erstreckung  sich  ungemein  wenig  von  dem  der 
Curve  entfernen  wird.  Es.  scheint  also  auf  dem  ersten 
Blick,  als  könne  man  wie  Hr.  Hagen  diesen  Kreis  mit  Fug 
als  denjenigen  betrachten,  der  durch  den  Scheitel  und  die 
beiden  Enden  des  Bogens  geht.  Allein  wenn  man  erwägt, 
dafs  der  Bogen  dieser  Curve  und  der  des  wahren  Oscula- 
tionskreises,  beide,  die  Generatrix  des  Cjlinders  unter  sehr 


569 

spitzen  Winkeln  treffen,  so  begreift  man,  dafs,  ungeachtet 
der  grofsen  Annäherung  dieser  Bögen,  ihre  respectiven  au 
einer  selben  Seite  des  Scheitels  liegenden  Enden  einen  sehr 
merklichen  Abstand  von  einander  haben  können.  Um  die 
Sache  durch  ein  analoges,  obwohl  übertriebenes  Beispiel 
klarer  zu  machen,  betrachte  man  zwei  Grade,  die  einan- 
der parallel  und  aufserordentlich  nahe  sind.  Wie  grofs 
diese  Nähe  auch  sey^  so  ist  klar,  dafs  wenn  man  die  bei- 
den Geraden  durch  eine  dritte,  zu  ihnen  schiefe,  schneidet, 
die  beiden  Durchschnittspunkte  sehr  weit  von  einander  ab- 
stehen können.  Man  sieht  also,  dafs  bei  unserer  geschlän- 
gelten Curve,  die  Sehne  des  wahren  Osculationskrcises  sehr 
von  der  des  Curvenbogens  abweichen  kann,  und  dafs  folg- 
lich, wenn  man,  wie  Hr.  Hagen  es  thut,  zum  Krümmungs- 
radius des  Scheitels  dieses  letzteren  Bogens  den  Radius 
des  Kreises  nimmt,  der  durch  diesen  Scheitel  und  die  bei- 
den Enden  dieses  Bogens  geht,  einem  sehr  beträchtlichen 
Fehler  ausgesetzt  ist.  Mithin  könnte  Hrn.  Hagen's  Me- 
thode nur  zu  einem  mehr  oder  weniger  angenäherten,  aber 
nicht  zum  richtigen  Resultate  führen. 

Es  giebt  npch  einen  Punkt,  über  welchen  ich  nicht  mit 
Hrn.  Hagen  übereinstimmen  kann,  nämlich  die  Erklärung, 
welche  Derselbe  in  der  angeführten  Notiz  von  der  gro- 
fsen Länge  der  Stücke  liefert,  in  welche  meine  Quecksil- 
bercylinder  zerfallen.  Ich  werde  mich  indefs  hier  nicht 
über  diesen  Gegenstand  verbreiten,  da  sich  die  Aufgabe 
ausführlich  in  meiner  Abhandlung  behandelt  findet. 


570 

VIII.     Versuche,   um  zu  erfahren,  ob  das  TVasser 

beim  Maximum  seiner  Dichte  oder  nahe  bei  seinem 

Gefrierpunkte  eine  FFirkung  auf  polarisirtes 

Licht  ausübe;  pon  BioL 

( Cümpt.   rend.    T.   XXX.  p,  281. ) 


s 


eit  die  Einwirkung  gewisser  FlOssigk eilen  auf  polarisirtes 
Licht  bekannt  ist,  habe  ich  nadizusehen  gesucht,  ob  nicht 
das  Wasser  eine  derartige  Wirkung  teige,  wenn  es  beim 
Erkalten  den  Gang  seiner  Erkaltung  onikehrt  oder  wenn 
es  zu  Erstarren  strebt.    Da  ich  aber  unter  diesen  Umstan- 
den keine  Wirkung  fand,  so   blieb  ich  bei  dieser  negati* 
▼en  Thatsache  stehen,  ohne  mich  mit  derselben  weiter  zu 
befassen  und  ohne  deren  Erwähnung  fQr  nöthig  zu  halten. 
Allein  im   abgewichenen  Sommer  sagte  mir  ein   sehr   aus- 
gezeichneter englischer  Gelehrter,   dafs  Londoner  Physiker 
beim  Maximum  der  Contraction  merkliche  Polarisations-£f* 
fecte    wahrgenommen    hätten,    und    diefs   veranlafste    mich 
meine  Versuche  im  letztern  Winter  wieder  vorzunehmen. 
Die  Frage  ist  nicht  so  leicht  zu  entscheiden,   wie  man 
wohl  im  ersten  Augenblick  glauben  könnte.     Zunächst  ist 
eine  negative  Thatsache  viel  schwerer  festzustellen  als  eine 
positive,    und   tiberdiefs,    wenn  man   fiber  die  Natur  der 
Erscheinungen,  welche  muthmafslich  in  beiden  Fällen  auf* 
treten,  könnte«,  nachdenkt,   so  begreift  man,  dafs  sie  sich 
unter  gewissen  sehr  zarten  Umständen   einstellen  könnten, 
bei  deren  Abwesenheit  aber  man  sie  nicht  sähe.    In  der  That 
ist  es  kaum  vorauszusetzen,   dafs   die  Wassertheilchen  bei 
0^   oder  4^    eine   individuelle  Drehungs- Eigenschaft    aus- 
üben, wenn  sie  nicht  auch  bei  jeder  andern,   etwas  höhe- 
ren Temperatur  davon  eine  Anzeige  gäben.    Allein  bei  dem 
sonderbaren  Uebergang  von  Zusammenziehung  in  Ausdeh- 
nung, so   wie  beim  Herannahen   der   Gestarrung  wäre   es 
nicht  aufser  Wahrscheinlichkeit,   dafs  die  Theilchen  einer 
Wassermasse  sich  nach  gewissen  polaren  Richtungen  gegen 


571 

einander  drehten.  Wenn  nun  diese  innerliche  Bewegung 
in  der  ganzen  Masse  mit  Stetigkeit  und  Bregeitnöfsigkeit  ge- 
schähe, so  könnte  sie  wohl  fähig  werden,  nach  Art  der 
rasch  abgekühlten  oder  zusammengeprefsten  Gläser  auf  das 
polarisirte  Licht  einzuwirken.  Hiernach  wird  man  nur  er- 
warten dürfen,  sie  zu  beobachten  bei  ziemlich  beträchtli- 
chen Wassermassen,  die  ihre  Temperatur  sehr  langsam  än- 
dern und  vor  aller  äufseren  Erschütterung,  welche  die  frei- 
willige Anordnung  ihrer  Theilchcn  stören  könnte,  geschützt 
würden.  Ea  wird  auch  nothwendig  sejn,  dafs  der  Polart- 
sations-Apparat,  welcher  die  mit  Wasser  gefüllten  Röh« 
ren  enthält,  vollkommen  standfest  sej  während  der  gan- 
zen Dauer  des  Versuchs;  denn  die  relatiye  Verschiebung 
der  Stücke,  welche  derselbe  enthält,  um  die  Reflexions- 
Ebene  und  den  Hauptschnitt  des  zerlegenden  Prisma  in  die 
verschiedenen  respectiven  Lagen  zu  versetzen,  bewirken  iu 
dem  durchgehenden  Lichte  Verdoppelungen  der  Bilder, 
welche  von  der  eingeschalteten  Wassermasse  hervorgebracht 
erscheinen  könnten,  während  sie  in  Wirklichkeit  blofs  von 
den  Störungen  des  Apparats  herrührten.  Diese  letzte  Be- 
dingung der  absoluten  Festigkeit  würde  nicht  zu  erreichen 
sejn  bei  der  gewöhnlichen  Construction ,  wo  das  reflecti- 
rende  Glas  und  das  zerlegende  Prisma  von  Metallstiften 
getragen  werden,  die  gesondert  in  einer  und  derselben 
Holztafel  stecken.  Denn  da  diese  Verknüpfung  verschie- 
denartiger Substanzen  bei  Aenderungen  der  Temperatur 
und  des  Feochtigkeitszustandes  der  Luft  ungleiche  Ein- 
wirkungen erleidet,  so  ist  man  oft  genöthigt,  das  Zusam- 
menfallen der  Polarisationsebene  mit  dem  Hanptschnitt  des 
Prisma  zu  berichtigen,  und  wenn  man  diese  Vorsicht  ver» 
nachlässigt,  so  ist  man  durch  die  Verrückung  des  Null- 
punktes des  Apparats  sehr  faeträchllichen  Fehlem  ausge- 
setzt, zuweilen  schon  von  einem  Tag  zum  andern,  und  um 
so  mehr  bei  Versuchen  von  sehr  langer  Dauer.  Dieser 
Uebelstand  ist  nicht  mehr  vorhanden  bei  einem  ganz  me- 
tallenen Apparat,  den  Hr.  Bianchi  im  vorigen  Jahr  für 
mich  verfertigt  hat,  und  ich  Jiebeu  dem  alten  in  einem  Zim- 


572 

mer  des  College  de  France  aufgestellt  habe.  Deun  da  alle 
Theile,  welche  eioander  entsprechen  müssen,  fest  an  einem 
starken  Metallstab  augebracht  sind,  so  bleiben  ihre  relati- 
ven Lagen,  einmal  geregelt,  vom  Wiuter  in  den  Sommer 
und  umgekehrt  vollkommen  unverrtickt,  selbst  bei  anhal- 
tender Prüfung  mit  einer  doppeltdreheuden  Platte  von  der 
empBndlichsten  Construction  '  )• 

Mit  diesem  vervollkommneten  Apparat  habe  ich  den  Ver- 
such angestellt,  von  dem  ich  jetzt  die  Academie  unterhal- 
ten will,  und  ich  glaube  nicht,  dafs  er,  mit  hinreichender 
Sicherheit,  anders  anzustellen  sej.  Die  übrigen  Bedingun- 
gen, deren  Nothwendigkeit  ich  bezeichnet  habe,  waren  er- 
füllt, wie  ich  sogleicli  angeben  werde. 

Das  Beobachtungsrohr  hat  502  Mllm.  LSnge  und  37  Mllm. 
inneren  Durchmesser.  Es  fafst  also  536  Cubikcentimeter, 
wodurch  die  dasselbe  füllende  Wassermenge  grofs  genug 
wird,  um  von  Temperatur- Veränderungen  nur  laugsam  er- 
griffen zu  werden.  Es  ist  inwendig  ganz  versilbert,  so  dafs 
das  Wasser  darin  beliebig  laug  verweilen  kann,  ohne  im 
Geringsten  von  Oxydation  beschmutzt  zu  werden.  Die 
mittlere  Temperatur  dieses  Wassers  wird  in  jedem  Augen- 
blick durch  ein  Thermometer  angegeben,  dessen  cjlindri- 
schcr  Bebälter  gleiche  Länge  wie  die  Röhre  besitzt,  und 
dessen  herausragender  Stiel  rechtwinklig  gebogen  ist,  da- 
mit der  Beobachter  die  mit  Diamaut  aufgetragenen  Cente- 
simalgrade  leicht  sehen  könne.  Der  in  der  Röhre  steckende 
Behälter  geht  durch  ein  kreisrundes  Loch  /(Fig.  11  Taf.  IV) 
in  der  metallenen  Fassung  auf  Seite  des  Auges,  und  wird 
inwendig  gehalten  durch  ein  kleines  Silberrohr  TT  von 
gleichem  oder  wenig  gröfserem  Durchmesser  als  der  seine. 

J)  Diese  Platte,  von  Hrn.  Solei  1  constrairt,  ist  3,745  Mllm.  dick.  DieTs 
ist  (las  erste  Glied  der  Reihe  von  aeqoidistanten  Dicken,  vrelcke  diesen 
Systemen  von  eotgegengesetEten  Drehungen  sukomnit,  um  die  Uebcr- 
gangsfarbe  hervorzubringen,  und  dieses  erste  ist  weit  empfindlicher  als 
*  alle  folgenden.  Für  das  weitere  Detail  sehe  man  die  Analyse  ihrer  op- 
tischen Eigenschaften  in  dem  Compi.  rend,  de  tAcad,  (7.  XXL  p.  452) 
und  in  meiner  Abhandlung  über  die  lichtdrehenden  EigenschaAen  des 
Bergkrystalls  {M^m.  de  VAcad.   7*.  XX,  p.  423). 


573 

Wenn  er  eingesteckt  ist,  verschliefst  man  das  Loch  darch 
einen  zweckinäfsigen  Kitt.  Dieselbe  Fassung  hat  ein  zwei- 
tes Loch  j,  woran  auswendig  ein  kleines  Silberrohr  it  an- 
gebracht ist.  Darin  befindet  sich  eingekittet  ein  rechtwink- 
lig gebogenes  Glasrohr,  das  sich  oben  zu  einein  Gefäfse 
VV  erweitert  und  durch  einen  Stöpsel  B  verschlossen  ist. 
Dieses  Rohr  ist  bestimmt,  den  Uebcrschufs  des  Wassers 
aufzunehmen,  wenn  es  sich  ausdehnt,  und  das  Fehlende  zu 
ergänzen,  wenn  es  sich  zusammenzieht.  So  vorgerichtet 
wird  die  Metallröhre  in  die  gleichfalls  metallene  Rinne  ge- 
legt, die  in  Richtung  des  durchgehenden  Lichtstrahls,  im 
Polarisationsapparat  befestigtest,  und  eine  solche  Conve- 
xität  hat,  dafs  dieser  Strahl  längs  ihrer  Axe  selbst  durch 
die  Röhre  geht,  wenn  sie  hineingelegt  ist.  Nur  habe  ich 
zu  bemerken,  dafs,  beim  Experimentiren,  das  Ausflufsgc- 
fäfs  und  der  Thermometerstiel  nicht  in  Einer  Verticalebene 
liegen,  wie  in  der  Figur  angegeben  ist,  um  sie  gesondert 
zu  zeigen,  sondern  dafs  sie  von  der  Gesichtslinie  RO  ab- 
weichen, das  erstere  rechts,  der  andere  links  vom  Beob- 
achter, so  dafs  die  Linie  li,  welche  die  beiden  Durch- 
schnittspunkte enthält,  horizontal  ist,  wodurch  die  Licht- 
strahlen ungehindert  durch  das  Centrum  der  Endgläser  GG 
gehen.  Der  Nullpunkt  des  Polarisationsapparats  ist  zuvor 
geregelt  durch  eine  doppeltdrehende  Platte,  welche  wäh- 
rend des  ganzen  Versuchs  in  der  Bahn  des  Lichtstrahls  be- 
festigt bleibt;  und  wenn  man  sonach  die  Beobachtung  be- 
ginnt bei  einer  beträchtlich  höheren  Temperatur  als  der, 
bei  welcher  man  die  Effecte  speciell  studiren  will,  z.  B. 
bei  11  oder  12"  C,  so  erkennt  man,  dafs  dabei  die  ein- 
geschaltete Wassermasse  die  Polarisationsebene  der  durch« 
gelassenen  Strahlen  nicht  wahrnehmbar  ablenkt.  Kaum  habe 
ich  nöthig  zu  sagen,  dafs  der  Nullpunkt  des  Thermome- 
ters nicht  vor,  sondern  nach  dem  es  gekrümmt  worden,  be- 
stimmt werden  mufs,  und  dafs,  wegen  seiner  ungewöhnli- 
chen Form,  diese  Bestimmung  lange  nach  seiner  Anferti- 
gung, oder  besser  noch,  sogleich  wie  man  sich  desselben 
bedient,  vorgenommen  werden  mufs. 


574 

Der  mit  allen  80  eben  beschriebeneu  Vorsichtsinafsregeln 
angestellte  Versuch  wurde  am  16.  Oct.  1849  bei  11^5 
Tempcralur  des  Innern  Wassers  begonnen  und  bis  zum 
19  Febr.  dieses  Jahres  forlgesetzt.  An  jenem  ersten  Tage 
ivurde  das  mit  Wasser  gefüllte  Bohr  an  dem  in  einem 
schwarzen  Kasten  (cabinet  noir)  stehenden  Polarisations- 
Apparat  befestigt  und  blieb  so  die  ganze  Zeit  hindurch  un- 
verrückt.  Der  Kasten  selbst  stand  gegen  Mittag  in  einem 
kleinen  von  Niemand  betretenen  Zimmer,  dessen  Fenster 
Tag  und  Nacht  offen  blieb.  Ich  selbst  trat  nur  ein,  um 
das  Thermometer  und  den  Zustand  des  durchgelassenen 
Lichtes  mittelst  der  doppeltdrehenden  Platte  zu  beobachten. 
Diefs  geschah  au  jedem  Tage  zu  bestimmten  Stunden,  und 
auch  mehrmals  an  einem  selben  Tage,  wann  die  Tempera- 
tur des  Wassers  sich  den  kritischen  Punkten  näherte,  bei 
denen  man  besonders  die  Polarisations- Effecte  studiren 
sollte.  Am  Schlufse  dieser  Note  werde  ich  die  Zahlen- 
werthe  aller  meiner  Beobachtungen  geben,  hier  will  ich 
nur  die  Besultate  anführen. 

Die  während  dieses  ganzen  Winters  nur  beschränkten 
und  durch  die  Umstände,  unter  welchen  ich  operirte,  noch 
verminderten  Veränderungen  der  Lufttemperatur  bewirkten, 
dafs  sich  der  thermometrische  Zustand  der  in  der  Röhre 
enthaltenen  Wassermasse  nur  äufserst  langsam  änderte  und 
sich  besonders  sehr  lange  innerhalb  der  Gränzen  hielt,  wo 
ich  ein  näheres  Interesse  hatte,  denselben  zu  verfolgen. 
So  z.  B.  schwankte  die  Temperatur  dieser  Masse  vom  23.  No- 
vember bis  zum  l.  Februar  zwischen  -|-6",3  und  — 2°,2. 
Bei  dieser  letzten  Temperatur,  die  am  23.  Jan.  eintrat,  sah 
ich  eine  fast  gleiche  Wassermasse,  die  ich,  mit  einem  Ther- 
mometer darin,  in  einer  offenen  Eprouvette  auf  den  Tisch 
des  Apparates  gestellt  hatte,  plötzlich  zu  einer  festen  Eis- 
masse gestehen,  als  sie  leicht  erschüttert  wurde.  Allein 
da  ich  sehr  darauf  achtete,  weder  meiner  Bohre  noch  dem 
sie  tragenden  Apparat  die  leiseste  Bewegung  mitzulheiien,  so 
hielt  sich  das  Wasser  bei  — 2'',3  flüssig,  wodurch  eine  der 
Bedingungen,  die  ich  am  meisten  zu  verwirklichen  wünschte, 


575 

eritillt  wurde.  Alleio  weddr  an  diesem  Tage,  noch  an  ei-* 
nem  der  andern,  ^n  welchen  die  Temperatur  sich  so  oift 
in  der  Nähe  der  beiden  krisUschen  Punkte  +4"  and  0® 
erhielt,  zeigte  die  doppeltbrechende  Platte  irgend  eine  Spar 
▼on  polarisirender  Wirkung  auf  das  durchgehende  Licht. 
Nach  der  Länge  der  Zeit,  während  welcher  ich  diese  Ef- 
fecte verfolgte,  so  wie  nach  allen  Vorsichtsmafsregeln,  die 
ich  getroffen,  um  sie,  wenn  sie  entständen,  sichtbar  zu 
machen,  glaube  ich  zu  dem  Schlüsse  berechtigt  zu  scyn, 
dafs  das  destillirte  Wasser  weder  in  der  Nähe  seines  Con- 
tractionsmaximums  noch  bei  seinem  Erstarrungspunkt  irgend 
eine  wahrnehmbare  Wirkung  auf  das  polarisirende  Licht 
ausübt. 

(Wegen  dieses  negativen  Resultats  glauben  wir  auch  die 
nun  vom  Hrn.  Verf.  mitgetheilten  Zahlenwerthe  fortlassen 
zu  dürfen).  P. 


IX.    Entgegnung  auf  die  Bemerkung  des 
Hrn.  Miefs;  von  K.  VF.  Knochenhauer. 


Wenn  meine  Ansichten  über  die  Elektricität  bei  ander» 
Physikern  keine  Anerkennung  finden,  so  kann  ich  das  wohl 
bedauern,  ohne  mich  jedoch  weiter  darüber  zu  beklagen, 
wenn  aber  der  abweichenden  Ansichten  wegen  die  von  mir 
angestellten  Versuche  verdächtigt  werden,  als  wären  sie 
verwickelt  und  willkührlich  gedeutet,  so  glaube  ich  es  der 
Wahrheit  schuldig  zu  seyn,  mich  dagegen  auszusprechen« 

Die  Versuche,  die  Hr.  Riefs  Bd.  80,  S.  351,  S.  353 
am  Ende  und  S.  357  anführt,  sind  genau  in  derselben  Zch 
sammensetzung  des  Apparats  angestellt  worden,  wie  ich 
dergleichen  Bd.  7^,  S.  354  mitgetbeilt  habe.  Lasse  ich  also 
aus  meinen  Fortnein  sämmtliche  kleine  Correctionen  fort 
und  übersehe  die  Ungleichheit  der  Flaschen^  so  müssen  sieb 


576 

nach  ihnen  die  von  Hrn.  Riefs  S.  257  beobachteten  Er- 
wärinungcn  wie  1:2:3:4  verhalten,  sofern  der  Wider- 
stand in  der  Kette  derselbe  geblieben  ist.  Da  sich  aber 
nach  den  Beobachtungen  selbst,  verglichen  mit  S.  353,  die 
Schlagweitcn  von  0,8  bis  5,0  Linien  änderten,  so  stieg  der 
Widerstand  (vergl.  Bd.  79,  S.  365  mit  Bd.  78,  S.  52)  vou 
1,06:  1,16:1,34  =  1,60  und  die  Erwärmungen  können  sich 
nur  wie  l :  1,86  : 2,36  : 2,65  verhalten,  woför  Hr.  Riefs  1: 
1,7 :  2,0 :  2,9  beobachtet  hat.  Die  Differenzen  mögen  theils 
in  der  «Ungleichheit  der  Flaschen  liegen,  theils  in  der  Be> 
Stimmung  des  Luftwiderstandes,  tiber  den  ich  im  vorliegen- 
den Falle  nach  Bd.  79,  S.  365  noch  kein  ganz  sicheres  Ur- 
thcil  habe,  jedenfalls  sind  sie  der  Art,  dafs  ich  meine  Beob- 
achtungen  den  neuen  des  Hrn.  Riefs  ohne  Bedenken  ge- 
genöbersetze. 

'  Ferner  giebt  Hr.  Riefs  S.  353  die  Schlagweiten  (bis 
auf  -r*ffl^*"*cn)  zu  0,4  —  1,0 — 1,7  —  2,55  Linien  an,  för 
die  ich  die  Spannungs- Differenzen  11,25  bis  13,25  (wogen 
der  Vn  Linie.)  —  23,25  bis  25,25  —  37,25  bis  39,25  —  54,25 
bis  56,25  X berechne;  sie  sollen  nach  meiner  Formel  im  Ver- 
hältnifs  von  1:2:3:4  stehen,  geben  mir  also  wiederum 
mit  Röcksicht  auf  die  genauere  Weise,  wie  ich  meine  Ver- 
suche angestellt  zu  haben  glaube,  keinen  hinreichenden 
Grund,  die  von  mir  aufgestellte  Formel  zurückzuziehen. 
Endlich  führt  Hr.  Riefs  folgende  zwei  Reihen  von  beob- 
achteten Erwärmungen  an:  24,9—18,2  —  17,1—16,3  und 
24,0  —  18,2  —  16,5  —  15,7,  deren  gegenseitiges  Verhältnifs 
nach  meiner  Formel,  wenn  die  einzelnen  Flaschen  einander 
gleich  sind,  2:14^:14:14  oder  24:18:16:15  ist;  da  hier 
der  Widerstand  der  Luft  der  Reihe  nach  etwas  geringer 
wird  und  demnach  die  letzten  beobachteten  Zahlen  im  Ver- 
gleich zu  den  ersten  gröfser  ausfallen  müssen,  so  finde  ich 
abermals  keinen  Grund,  die  von  mir  zur  Aufstellung  der 
Formel  benutzten  Beobachtungen  zu  verwerfen.  Ich  weifs 
überhaupt  nicht,  warum  Hr.  Riefs  nicht'lieber  unumwun- 
den sagt,  dafs  ich  aus  gleichen  Beobachtungen  vou  ihm 
abweichende  Resultate  ziehe,  einmal  weil  ich  in  der  vom 

Fun- 


577 

Funken  darchbrochenen  Luftschicht  einen  Widerstand  an- 
nehme, denn  weil  ich  die  Spannungs- Differenzen  nicht, 
wie  er,  der  Distanz  der  Kugeln  am  Funkenmesser  propcH*- 
tional  ansetze?  Sollen  denn  die  Beobachtungen  bfifsen, 
.was  die  Berechnung  verschuldet?  ') 


X.     Veber  den  Leuchtenbergit; 
von  August  Breithaupt. 


xxUe  mir  bis  jetzt  zu  Gesicht  gekommenen  Abänderungen 
des  Leuchtenbergits  ^  sind  nicht  im  ursprünglich  frischen, 
sondern  im  weniger  oder  mehr  verwitterten  Zustande.  Diefs 
geht  besonders  aus  dem  Umstairde  hervor,  dafs,  wenn  man 
die  Lamellen  zerbricht,  auf  dem  dichten  Bruche  nicht  der 
geringste  Glanz  mehr  wahrzunehmen  ist,  während  solcher 
bei  allen  frischen  Mineralien  aus  der  Ordnung  der  Glim- 
mer, welche  in  den  dünnen  Lamelle  überhaupt  nur  mehr 
zerrissen  als  zerbrochen  werden  können,  deutlich  existirt 
Die  Stücke  der  Freiberger  Sammlung  zeigen  unverkennbar 
verschiedene  Grade  des  Verwittertsejns,  und  solche  Grade 
dürften  auch  durch  die  chemischen  Analysen  bestätigt  sejn, 
denn  indem  Hr.  Komon^n  den  Wassergehalt  8,62  Proc. 
fand,  giebt  Hr.  Hermann  denselben  zu  12,5  Proc."  an. 
Dessenungeachtet  bleibt  es  sehr  wahrscheinlich,  dafs  ein 
frischer  Leuchtenbergit  existire  und  dafs  solcher  ein  selbst- 
ständiges  Mineral  sej. 

Von  dem  Ripidolith  von  Schwarzenstein  in  Tjrol  will 
ich  noch  anführen,  dafs  hier  ein  Exemplar  existirt,  welches, 
mit  Beibehaltung  der  Kristallisation,  in  eineil  serpeiOim' 
ähnlichen  Körper  umgewandelt  ist,  während  der  Pjroxen, 
welcher  jenem  als  Unterlage  dient,  ganz  frisch  gebliebep. 

1)  Hr.^ßiefs  haft  nidit  die  Richtigkeit  der  Messungen  bestrilten,  sondehi 
nur  ausgesprochen,  dafs  die  Aufgabe,  um  die  es  sich  handelte,  eine  an- 
bestimmte  sey.  *       P, 

Poggendorfi*s  AnnaL  Bd.  hXXX.  37 


578 


XI.      Ueber  Höhenhesiimmungen  durch   den   Sied- 
punkt des  VFassers, 


Xlr.  Wisse  hat  in  der  Provinz  Quito  über  den  Sied- 
punkt des  Wassers  in  Verschiedenen  Höhen,  verglichen  mit 
dem  Barometerstände,  eine  beträchtliche  Reihe  von  Beob- 
achtungen gemacht,  die  in  den  AnnaL  de  chim.  et  de  phys. 
Ser.  IIL  T.  XXVIII.  p.  118  ausführlich  milgelheilt  werden. 
Sie  sind  mit  grofser  Sorgfalt  augestellt  und  die  dazu  ver- 
wandten Thermometer  waren  vorher  im  Laboratorium  des 
College  de  France  aufs  strengste  berichtigt.  Es  ist  also  in- 
feressant,  sagt  Hr.  Regnault  (/6.  p.  123)  diese  Beob- 
achtungen zu  Tergleichen  mit  den  Zahlen  der  frGher  von 
mir  gegebenen  Tafel,  die  tius  directen  Versuchen  über  die 
Spannkraft  des  Wassers  hergeleitet  ist  ^ ).  Ich  habe  die- 
sen Vergleich  mit  einigen,  aufs  Gerathewohl  aus  Hr.  Wis- 
se's Beobachtungen  genommenen  Zahlen  ausgeführt  und 
gebe  ihn  in  folgender  Tafel.  Die  Uebereinstimmung  ist 
so  ▼ollkominen  als  man  es  nur  wünschen  kann,  zumal  HV. 
Wisse  mit  meiner  Tafel  nicht  bekannt  ist'). 


■'■' 

Barome- 
ter, beob- 
achtet von 
Hrn.W. 

Spann- 

Zeil. 

* 

Ort. 

• 

Siedpunkt 

kraft,  be- 

rerhnet 

nach  der 

Tafel. 

unter- 
schied. 

0 

mm 

mm 

mm 

1817  Fcbr.?8 

Gaayaquil 

99,70 

752,10 

751,87 

-+-0,23 

1845  Apr.   12 

Ghorrerita 

97,96 

706,86 

706.24 

-+-0,62 

1845  Apr:   11 

Penita 

97,69 

698.50 

699.36 

—  0;86 

1847  Aug.     3 

Mi'ndo 

95,93 

656,26 

655,85 

-+-0,41 

1817  Aag.  21 

Mindo 

98,00 

657,10 

657.54 

—  0,14 

1845  März  31 

I  barra 

92,96 

587,14 

587,53 

—  0,39 

1848  Apr.   20 

Quito 

90,95 

545,15 

544,75 

-#-0,40 

1849  Mai    26 

Quito 

90,91 

544,18 

543,93 

-+-0,26 

1849  Mai    16 

EI.   Corral 

88,53 

496,87 

496,72 

-#-0.15 

1845  Jan.    15 

Pichincha 

85,16 

4^5,81 

435,78 

-+-0,03 

1849  Mai    15 

dito     Gipfel 

84,83 

430,29 

430,15 

-+-0,14 

1 )  ^nnal  de  Mm.  et  de  phjs,  Ser,  II i.   T.  Xir.  p,  206. 

^)  Wie  es  scheint  ist  indje(s  bei  diesem  Vergleich  die  Berichtigung  wegen 
^er  Schwere  unterlassen,  obwohl  sie  lur  einen  Breiten  -  Unterschied  wie 
der  zwisclien  Paris  und  dem  Aeqnatoroiicht  ganz  unbeträchtlich  ist.     P. 


V  >: 


579 


XIL     Notizei\  über  Höhenmessungen  mit  dem 
Barometer;  i^öm  Academiker  Kupffer. 

(Aas  dem   BulUtin   de  la   C lasse  phjrs,    math,   de  Vacad,   de  Su 

Petersb,  T,  rUL) 


JAegnauIt  hat  durch  seine  Untersuchungen  über  den 
Druck  des  Wasserdampfs  der  Methode,  die  Höben  der  Berge 
durch  den  Kochpunkt  zu  bestimmen,  eine  solche  Sicher- 
heit gegeben,  dafs  wohl  bald  der  transportable  Kochpunkt- 
apparat das  zerbrechliche  Barometer  auf  allen  fteisen  ver- 
drängen wird,  wo  man  nicht  anders  als  zu  Pferde  fortr 
kommen  kann.  Es  wird  deshalb  gewifs  Manchem  willkommen 
sejrn,  hier  eine  Formel  ^n  finden,  nach  welcher  solche  Beob- 
achtungen mit  grofser  Leichtigkeit  berechnet  werden  können. 

Die  Höhenunterschiede  verhalten  sich  wie  die  Unter- 
schiede der  Logarithmen  der  Barometerhöhen.  Dasselbe 
Verhältnifs  hat  nahezu  auch  zwischen  den  Temperatur -Un- 
terschieden und  den  Druckhöhen  des  Wasserdampfes  statt; 
die  Höhenunterschiede  müssen  sich  aber  nahezu  wie  die 
Temperatur- Unterschiede  verhalten. 

Es  sej  f  die  Temperatur,  in  Centesimalgraden  ausgedrückt, 
aber  nicht  von  0^  hinauf,  sondern  von  100°  hinab  gezählt, 
und  z  die  Höhe  des  Standpunkts  über  demjenigen  Punkt, 
wo  der  Kochpunkt  des  Wassers  100^  ist,  oder  wp  die 
Barometerhöhe  auf  0°  reducirt,  =  760  Millm.  ist,  so  hat 
man  ziemlich  nahe,  wenn  die  Höhe  nicht  150  Meter  über- 


steigt 


i5  =  300  t. 


Dabei  ist  die  mittlere  Temperatur  der  Luft  zu  9'\3  an« 
genommen,  die  Barometerhöhen  aber  sind  auf  0"  reducirt 
worden.  Folgende  Tafel  zeigt  die  Uebereinstimmung  der 
empirischen  Formel  mit  der  genauen: 

37* 


"> 


580 


#. 


Höhe  in  Metern 


nach  approp. 
Fonwl. 


genau  be- 
redinet. 


t. 


Höhe  in  Metern 


nach  approp. 
Formel. 


genau  be- 
rechnet. 


1 
2 
3 


300 
600 
900 


295 
594 
894 


4 
5 


1200 
1500 


1196 
1500 


Da,  wo  der  mittlere  Barometerstand  am  Meere  760** 
beträgt,  sind  die  berechneten  Zahlen  die  Höhe  über  der 
MeeresflSche;  wo  das  nicht  der  Fall  ist,  mufs  man  zu  jeder 
berechneten  Höhe  eine  constante  Gröfse  hinzufügen ,  un- 
geKhr  10  Meter  ffir  jedes  Millimeter,  um  welches  der  mitt- 
lere Barometerstand  gröfser  ist  als  760  Millm. 

Nach  der  obigen  Formel  ist  es  leicht,  das  Thermome- 
ter so  zu  theilen,  dafs  es  unmittelbar  die  Höhe  des  Stand- 
punktes über  der  Meeresfläche  angiebt. 


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und  15  Sgr.  und  dazu  gehörige  Tlionsellen  (ur  }  hn  2  Sgr.  werden  von 
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