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PHYSIK UND CHEMIE
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BAND 69.
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ANNALEN
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PHYSIK UND CHEMIR
¥. A. C. ORBN, L. W. eiLBBRT, J. C. POefiENDORFF.
BAND «9.
DSB DBüTSCHEN FHTBIKAliIBOHKN OBSMÜiLBOIUIT
H. PXjAITOK
e. UND E. WIEDEMANS.
LEIPZIG, 1899.
VBKLAQ TON JOHANN AHBR0S1Ü8 BARTH.
LIBRARY OF THE
LELAI4D 8TA/\/F0RD JR. UNIVERSITY.
SEP 6 1900
Inhalt
Neue Folge. Band 69.
Neuntes HefL
Seite
1. W. König. Dispenionsmesanngen am Gyps .* >-...,• 1
2. W. Kösters. lieber die elektrische Ladung elektrolytisch frisch
hergestellter Grase j. -. V • • •] 12
3. G. W. Patte rson. Experimentelle und theoretische Unter-
suchung über das Selbstpotential 34
4. 0. Wiedeburg. Ueber Zustandsgieichungen und Energie-
gleichungen 66
5. J. Elster und H. Geitel. Weitere Versuche an Becquerel-
strahlen 83
6. F. Giesel. Einiges über das Verhalten des radioactiven Baryts
und über Polonium 91
7. W. Kaufmann. Ueber die diffuse Zerstreuung der Kathoden-
strahlen in verschiedenen Gasen 95
8. Eb Riecke. Ueber den in Radiometern auftretenden Druck . 119
9. W. D. Goolidge. Dielektrische Untersuchungen und elek-
trische Drahtwellen 125
10. P. Ewers. Zur Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen . 167
11. H. Ebert Das Entwickelungsgesetz des Hittor fischen Ka-
thodendunkelraumes 200
12. O. Behrendsen. Beitrüge zur Kenntniss der Becquerelstrahlen 220
18. St Meyer. MagnetisirnngsKahlen anorganischer Verbindungen 236
14. R. Emden. Ueber die Ausströmungserscheinungen perma-
nenter Gkhse 264
15. W. Voigt. Bemerkung über die bei dem Zeeman 'sehen Phä-
nomen stattfindenden Intensitfttsverhflltnisse 290
16. W. Voigt. Zur Theorie der Einwirkung eines elektrostatischen
Feldes auf die optischen Eigenschaften der Körper .... 297
Yi Inhalt,
Seite
17. Th. Sundorph. Die Ursache der Veränderang des Leitungs-
yerxnögens in Bleisuperoxyd 319
18. W. Voigt. Erwiderung 324
19. C. H. Wind. Ueber die Deutung der Beugungserscheinungen
bei Röntgenstrahlen 327
Ausgegehen am 14. September 1899,
Zehntes Heft.
1. W. Wolf f. Ueber die bei Explosionen in der Luft eingeleiteten
Vorgänge 329
2. H. Ebert Glimmlichterscheinungen bei hochfrequentem Wechsel-
strome 372
«
8. P. Lewis. Ueber den Einfluss kleiner Beimengungen zu einem
Gase auf dessen Spectrum 398
4. R. Emden. Ueber die Ausströmungserscheinungen permanenter
Gase 426
5. R. Emden. Ueber den Luftwiderstand fliegender Geschosse . 454
6. R. V. Hirsch. Dichtebestimmungen von gesättigten Dämpfen
und Flfissigkeiten 456
7. L. Fomm. Elektrische Abbildungen 479
8. J. Elster u. H. Geitel. Ueber eine zweckmässige Anordnung
des Mac Farlan Moore'schen Vacuumvibrators 483
9. 0. Wiener. Ursache und Beseitigung eines Fehlers bei der
Lippmann'schen Farbenphotographie, zugleich ein Beitrag zu
. ihrer Theorie 488
Ausgegeben am 11. Octoher 1899.
softes Heft
1. A. Heydweiller. Ueber bewegte Körper im elektrischen
Felde und über die elektrische Leitfähigkeit der atmosphäri-
schen Luft 531
2. H. Rubens. Ueber die Reststrahlen des Flussspathes . . . 576
8. S. Simon. Ueber das Verhältniss der elektrischen Ladung zur
Masse der Kathodenstrahlen 589
4. C. Heinke. Zur Messung elektrischer Grössen bei periodisch
veränderlichen Strömen 612
5. R. Koenig. Ueber die höchsten hörbaren und unhörbaren Töne
von €^ » 4096 Schwingungen (ut^ = 8192 9«), bis über P {fa^i\
zu 90000 Schwingungen (180000 v s\ nebst Bemerkungen über
Inhalt. VII
Seite
die Stosstdne ihrer Intervalle, und die durch sie erzeugten
Kundt*8chen Staubfigureu 626
6. C. Christiansen. Experimentaluntersuchungen über den Ur-
sprung der Berührungselektricität. (Vierte Mittheilung) . . . 661
7. J. £ 1 s t e r und H. G e i t e 1. Ueber die Einwirkung von Becquerel-
strahlen auf elektrische Funken und Büschel 673
8. C. Bender. Brechungsezponenten reinen Wassers und nor-
maler Salzlösungen. (IL Abhandlung) 676
9. M. Toepler. Verhalten des Büschellichtbogens im Magnetfelde 680
10. C. Dieterici. Ueber den kritischen Zustand 685
11. W.Voigt. Ueber Hm. Li ebene w*8 thermodynamische Theorie
der Thermoelektricität 706
12. W. Ziegler. Bemerkung zur Abhandlung des Hm. H. Th.
Simon: „Ueber einen neuen Flüssigkeitsuuterbrecher** . . . 718
13. Gr. Jäger. Erwiderung 720
Ausgegeben am 7, November 1899,
Zwölftes Heft.
1. R. Koenig. Ueber die höchsten hörbaren und unhörbaren Töne
von e^ = 4096 Schwingungen (ut^ » 8192 v 8\ bis über P (fo^^),
zu 90000 Schwingungen (180000 r«), nebst Bemerkungen über
die Stosstöne ihrer Intervalle, und die durch sie erzeugten
Kundt'schen Staubfiguren. (Schluss) 721
2. E. Wiechert Experimentelle Untersuchungen über die Ge-
schwindigkeit und die magnetische Ablenkbarkeit der Kathoden-
strahlen 739
8. O. Tammann. Ueber die Abhängigkeit des elektrischen Leit-
vermögens vom Druck 767
4. £L Lecher. Ueber einen experimentellen und theoretischen
Trugschluss in der Elektricitfttslehre 781
5. £. Riecke. Ueber die Vertheilung von freier fUektricitftt an
der Oberfläche einer Crookes'schen Röhre 788
6. K. Mack. Nachweis der in den Glasthränen vorhandenen
inneren Spannungen mit Hülfe des polarisirten Lichtes; ein Vor-
lesungsversuch 801
7. V. T. Lang. Ueber longitudinale Töne von KautschukflKden 804
8. K. Wesendonok. Zur Thermodynamik 809
9. F. Giesel. Ueber die Ablenkbarkeit der Becquerelstrahlen im
magnetischen Felde 834
vm Inhalt
Seite
10. R. von Hirsch. Nachtrag 837
11. J. Zenneck. Eine Methode zur Demonstration und Photo-
graphie von Stromcurven 838
12. J. Zenneck. Ermittelung der Oberschwingung eines Dreh-
stromes 854
13. J. Zenneck. Die Transformation eines Wechselstromes auf
doppelte Wechsekahl mit Hülfe eines ruhenden Transformators 858
14. A. Wehnelt und B. Donath. Photographische Darstellung
von Strom- und Spannungscurven mittels der Hraun*schen
Röhre 861
Ausgegeben am 15. Decetnber 1899.
Nachweis zu den Figurentafeln.
Taf. I. Ewers, Figg. 1—9.
II. Meyer.
III. Emden, Figg. 1—15.
IV. Emden, Diagramme J.—£^.
V. Wolff, Figg. 1-6.
VI. Wolff, Figg. 1-4.
VII. von Hirsch.
„ VIII. Fomm, Figg. 1—5.
1899. Ali^NALEN -« 9.
f
DBB
PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND 69.
1. DispersionsmeHsungen am Oyps;
von Walter König.
Eine Untersuchung über Doppelbrechung, bei der die im
weissen Lichte auftretenden Interferenzerscheinungen photo-
graphisch aufgenommen wurden, führte mich auf das Pro-
blem, die mittlere Wellenlänge des bei der Aufnahme wirk-
samen Strahlencomplexes zu bestimmen. Diese Aufgabe war
für den vorliegenden Zweck am einfachsten dadurch zu lösen,
dass man eine in ihrer Abhängigkeit von der Wellenlänge be-
kannte Interferenzerscheinung photographirte und aus dem
dabei erhaltenen Abstand der Interferenzstreifen einen Rück-
scbluss auf die Wellenlänge machte. Um in den beiden zu
vergleichenden Fällen möglichst gleichartige Verhältnisse zu
haben, wurden die Interferenzen eines Gypskeiles zwischen
gekreuzten und zwischen parallelen Nicols photographirt. Der
Schluss auf die Wellenlänge setzt dann die Kenntniss der .
Dispersionsverhältnisse des Gypses voraus. Ist a der Winkel
des Keiles, d der Streifenabstand für die Wellenlänge A, und
sind n^ und n^ die Brechungsexponenten für einen den Keil
senkrecht durchsetzenden Lichtstrahl von der gleichen Wellen-
länge Ä, so ist X w/ X
Man muss also zur Auswerthung der beschriebenen Versuche
die Abhängigkeit der Differenz n^— n^ von der Wellenlänge kennen.
Da die gebräuchlichen Gypskeile — die im Folgenden benutzten
waren von der Firma Dr. Steeg und Reuter in Homburg —
mit ihrer einen Fläche der Spaltungsebene des Gypses parallel
geschliffen werden, so ist die in Betracht kommende Differenz
des Brechungsexponenten sehr nahe gleich der Differenz
7<j — Wj des grössten und des kleinsten Hauptbrechungsexpo-
nenten des Gypses. Für diese Brechungsexponenten liegen
eine Reihe von Messungen für verschiedene Wellenlängen vor,
^ Ann. d. Phyi. u. Chem. N. F. 69. 1
ff"^, König,
und es konnte daher zunächst der Versuch gemacht werden,
diese älteren Messungen für den vorliegenden Zweck zu benutzen.
Ich gebe in Tab. I eine Zusammenstellung über die Werthe
der DifiFerenz n^ — nj, wie sie sich aus den Messungen von
V. Lang^), Quincke^), Dufet^) und Mülheims*) ergeben,
und bemerke dazu, dass die Brechungsexponenten von v. Lang
Tabelle I.
Werthe von rii — n^ nach den Messungen von
l
V. Lang
Quincke
Dufet
Mülheims
1
A
760
0,00864
a
719
■
—
0,00875
B
687
0,00982
—
0,00883
Li
671
—
—
0,00902
C
656
0,00982
0,00911
0,00905
0,00896
D
589
0,00966
0,00937
0,00916
0,00904
Th
535
0,00923
E
527
0,00986
0,00949
0,00916
b
517
—
—
—
0,00919
F
486
0,00972
0,00964
0,00932
0,00925
0
431
0,00986
0,00997
0,00948
—
und Dufet nach der Prismenmethode, von Quincke und Mül-
heims durch Totalreflexion gemessen worden sind ; dieWellen-
• längen sind im Folgenden immer in Milliontel Millimetern
gerechnet. Nachstehende Figur stellt diese vier Beobachtungs-
reihen graphisch dar. Die Zahlen von v. Lang zeigen einen sehr
unregelmässigen Verlauf ; diejenigen der drei anderen Beobachter
lassen ein stetiges Ansteigen der DifiFerenz mit abnehmender
Wellenlänge erkennen. Einige Unregelmässigkeiten in der Gleich-
förmigkeit des Anstieges rühren wohl von der Unsicherheit der
Beobachtungen her. Man kann sie eliminiren, indem man die Be-
obachtungen durch die Cauchy'sche Dispersionsformel darstellt:
7?j — 7^3 = a + bJAr + c/A* .
1) V. V. Lang, Sitzungsber. der k. Gesellsch. der Wissensch. zu
Wien (2) 76. p. 803. 1877.
2) G. Quincke, Festschr. d. naturf. Gesellsch. zu Halle 1879;
Beibl. 4. p. 124. 1880.
3) H. Dufet, Bull. Soc. Miner. 11. p. 123—143. 1888; Beibl. 18.
p. 225. 1889.
4) A. Mülheims, Zeitschr. f. Krystall. 14. p. 232. 1888.
JDispersionsmessungen am Gyps.
V. V. Lang hat seine Beobachtungen für die einzelnen
Brechungsexponenten nach dieser Formel dargestellt, indem
"er die Constanten nach der Methode der kleinsten Quadrate
ermittelte. Man braucht nur die Constanten flir den grössten
und den kleinsten Hauptbrechungsexponenten voneinander
abzuziehen, um die für die Darstellung der Differenz erforder-
o.ojoo
00095
0.GO3O
V0085 l
'tOO
liehen Constanten der obigen Formel zu erhalten. Für die
drei anderen Beobachtungsreihen habe ich die Rechnung durch-
geführt, und zwar wurden die Constanten für die Reihen von
Quincke und Dufet aus drei einzelnen Beobachtungen, für
diejenige von Mülheims nach der Methode der kleinsten
Quadrate aus allen Beobachtungen berechnet. Tab. II enthält
Tabelle IL
Werthe der Constanten a, h und c, berechnet aus den
Beobachtungen von
a
V. Lang
Quincke
Dufet
Mülheims
0,01009
0,00884
0,00865
0,00772
1
-193
+ 353
+ 184
+ 686
+ 27,79 X 10«
- 9,32 xlO«
- 5,24 X 10«
- 77,66x10«
als Ergebniss dieser Rechnungen die Werthe der drei Con-
stanten a, h und c für die vier verschiedenen Beobachtungs-
reihen. Inwieweit sich die letzteren durch die genannte Formel
mit Hülfe der angegebenen Constanten darstellen lassen, zeigt
Tab. III; sie enthält die berechneten und die beobachteten
Werthe und die DifiFerenzen zwischen beiden. Die Ueberein-
stimmung zwischen Berechnung und Beobachtung ist nament-
* 1*
W, König,
Tabelle IIL
VergleichuDg der berechneten und beobachteten Werthe von n^
1-^3
nach den Beobachtern:
- — —
1. V.
Lang
, Diff.
3. Dufet
1
ber. i
beob.
Li
ber.
beob.
Diff.
1
B \ 0,00981
0,00982
+ 1
0,00903
0,00902
-1
G 0,00979
0,00982
4- 3
C
1
0,00905
0,00905
D 0,00977
0,00966
-11
D
0,00914
0,00916
+ 2
E 0,00976
0,00086
+ 10
Th
0,00923
0,00923
F
0,00977
0,00972
- 5
F
0,00934
0,00932
-2
Q
0,00986
0,00986
0
Cr
0,00948
0,00948
2. Q
luinckc
4. Mülheims
C 0,00911
0,00911
—
A
0,00868
0,00864
-4
D
0,00928
0,00937
+ 9
a
0,00876
0,00375
-1
E
0,00949
0,00949
—
B
0,00883
■
0,00883
0
F 0,00967
0,00964
- 3
C
0,00890
0,00896
+ 6
0 0,00997
0,00997
—
D
0,00905
0,00904
-1
, E
0,00918
0,00916
-2
b
0,00920
0,00919
-1
F
0,00923
0,00925
+ 2
lieh für die Reihen von Dufet und Mülheims eine ganz be-
friedigende. Grössere Abweichungen zeigt die Reihe von
V. Lang. Sie ist aber gegenüber den drei anderen vor allem
dadurch ausgezeichnet, dass die Berechnung ein ganz ab-
weichendes Verhalten der Diflferenz Wj — Wg zur Wellenlänge
ergiebt; diese Diflferenz nimmt erst ab und dann wieder zu.
In denWerthen der Constanten drückt sich diese Verschieden-
heit dadurch aus, dass b und c für die v. Lang 'sehe Reihe
das entgegengesetzte Vorzeichen haben, wie für die drei
anderen Reihen. Diese letzteren stimmen im Gang der Er-
scheinung, dem Vorzeichen der Constanten überein; die ab-
soluten Beträge der Constanten dagegen zeigen beträchtliche
Verschiedenheiten. Auch die Figur liess von vornherein erkennen,
dass die drei Reihen sich um Beträge voneinander unter-
scheiden, die oflfenbar grösser als die Beobachtungsfehler sind.
Aus diesen Abweichungen wird man demnach auf eine ge-
wisse Verschiedenheit des in den drei Fällen benutzten Ma-
teriales schliessen müssen.
Dispersionsmessungen am Gyps. 5
Unter diesen Umständen erschien die Uebertragung der
iilteren Dispersionsbestimmungen auf die von mir benutzten
Gypskeile von zweifelhaftem Werthe. Ich habe es daher vor-
gezogen, die Dispersion der Doppelbrechung, d. h. die Ab-
hängigkeit der Streifenbreite von der Wellenlänge, unmittelbar
an den benutzten Gypskeilen selbst zu bestimmen. Dafür wurde
das folgende, mit einfachen Mitteln und schnell zum Ziele
fuhrende Verfahren benutzt. Der zu untersuchende Gyps-
keil, der in üblicher Weise auf einer stärkeren Glasplatte als
Unterlage aufgekittet und mit einem dünnen Glase überdeckt
war, wurde auf einer in Glas geritzten Millimetertheilung be-
festigt und mit dieser vertical so aufgestellt, dass die Inter-
ferenzstreifen horizontale Lage hatten und die Theilstriche der
Theilung ihnen parallel liefen. Sonnenlicht, durch Spiegel in
horizontale Richtung geworfen, fiel durch ein polarisirendes
Nicol'sches Prisma auf den Gypskeil, hinter diesem in grösserer
Entfernung auf das analysirende NicoTsche Prisma und un-
mittelbar hinter diesem auf einen Projectionskopf, der ein
stark verkleinertes Bild der Millimeterscala und der Interferenz-
erscheinung zugleich auf dem Spalt eines Spectralapparates
entwarf. Der Abstand des Keiles von dem Projectionskopfe
betrug etwa 66 cm, der des Spaltes 18 cm. Die Ausführung
dieser Versuchsanordnung setzt die Anwendung grosser Nicols
voraus, die den ganzen Keil oder wenigstens einen grösseren
Theil auf einmal zu projiciren gestatten; die von mir be-
nutzten, von Schmidt und Haensch für einen grossen Pro-
jectionsapparat angefertigten Prismen hatten eine lange Dia-
gonale von 4 cm Länge. Um eine vollständige Erhellung des
Gesichtsfeldes zu erzielen, wurde vor dem polarisirenden Nicol
noch eine schwache Convexlinse angebracht, die das Strahlen-
bündel auf den Projectionskopf concentrirte. Man könnte
gegen diese Anordnung einwenden, dass dabei die den Gyps-
keil an verschiedenen Stellen durchsetzenden Strahlen nicht
genau parallel waren, die GangdiflFerenz also durch die Neigung
der Strahlen verändert werden musste. Doch ist dagegen zu
bemerken, dass bei dem gewählten grossen Abstände des Keiles
von dem Projectionskopfe diese Difi'erenzen in der Richtung
der Strahlen nur sehr geringfügig sind; da die Ausdehnung
des Gesichtsfeldes 28 mm betrug, so war die Neigung eines
6 fr. König.
Randstrahles gegen den Centralstrahl in der That nicht grösser
als 1,2^ Ausserdem ist zu bedenken, dass von diesem ohne-
hin nur unbedeutenden Fehler alle Farben in nahezu gleicher
Weise getroffen werden; der Einäuss dieses Umstandes auf
die Darstellung dei Dispersionsverhältnisse dürfte daher wohl
zu vernachlässigen sein. Da der Spalt des Spectroskopes
senkrecht zu den Interferenzstreifen verläuft, so erscheint das
Spectrum durchzogen von schwarzen, im violetten Theile fast
horizontal verlaufenden, nach dem Roth zu sich etwas auf-
wärts krümmenden Streifen. Ihr verticaler Abstand, gemessen
längs einer der Fraunhofer'schen Linien des Spectrums,
giebt die Streifenbreite für die Wellenlänge der betreffenden
Linie. Der Abstand kann unmittelbar in Millimetern gemessen
werden, da zugleich mit den Interferenzstreifen die Glasscala
auf den Spalt projicirt wird. Das Spectrum erscheint infolge-
dessen von feinen horizontalen Linien durchzogen, den Bildern
der Millimeterstriche; wurden die verticalen Abstände der
Interferenzstreifen in dieser das ganze Spectrum durchziehenden
Scala gemessen, so stellten die gefundenen Zahlen die
Streifenabstände am Orte des Gypskeiles, in Millimetern aus-
gedrückt, dar.
Bei Anwendung directen Sonnenlichtes unter passender
Abbiendung durch rothes oder blaues Glas konnten in dieser
Weise die Streifenabstände im ganzen Bereiche des sichtbaren
Spectrums von Ä bis H schnell und mit grosser Schärfe er-
mittelt werden. Die Messungen sind an zwei Gypskeilen von
verschiedenem Winkel ausgeführt, und die Ergebnisse in Tab. IV
zusammengestellt. Für jede der angegebenen Linien wurde
der Abstand der äussersten sichtbaren Streifen und die Zahl
der zwischen ihnen liegenden Streifenintervalle sowohl für
parallele wie für gekreuzte Nicols bestimmt. Tab. IV enthält
in Columne 3 und 6 die Gesammtzahl der ausgemessenen
Intervalle, d. h. die Summe der beiden, in den zwei Nicol-
lagen beobachteten Zahlen, desgleichen in Columne 4 und 7
die Summe der beiden gemessenen Abstände in Millimetern;
die mittlere Streifenbreite d in Columne 5 und 8 ist dann
einfach durch Division der Zahlen der beiden vorhergehenden
Columnen erhalten.
Um auch auf , diese Messungen die oben benutzte Dis-
D isper sionsmessunffen am Gyps.
Tabelle IV.
Messung des Streifenabstandes c^ an 2 Gypskeilen.
A
a
B
C
D
E
F
O
A
a
B
C
D
E
F
O
1. Gypskeil
2. Gypskeil
Zahl der
Streifen
760,4
718,6
687,0
656,3
589,4
527,0
486,1
430,7
396,6
24
26
27
29
33
88
41
48
52
Summe
der d
m mm
Zahl der ! Summe
Streifen der d
47,8
48,4
48,0
48,9
49,4
50,2
49,6
50,8
50,4
1,992
1,862
1,778
1,686
1,497
1,321
1,210
1,057
0,969
7
7
8
9
10
12
13
15
16
45,6
42,6
46,3
49,6
48,8
51,8
51,4
52,0
50,2
m mm
6,51
6,09
5,79
5,51
4,88
4,32
3,95
3,47
3,14
Tabelle V.
Vergleichung zwischen Berechnung und Beobachtung.
Ijd beob. Xld ber.
A
381,7
a 1
385,9
B
886,4
C
389,8
D
393,7
E
898,9
F
401,7
0
407,5
H,
409,3
882,8
384,9
386,7
388,6
393,5
398,8
402,5
407,4
409,3
116,7
118,1
118,7
119,1
120,8
122,1
122,9
124,3
126,4
117,4
118,0
118,5
119,0
120,3
121,9
123,1
124,9
126,0
1. Gypskeil.
-M
+ 1,0
-0,3
+ 0,7
+ 0,2
+ 0,1
-0,8
+ 0,1
0,0
2. Gypskeil.
-0,7
+ 0,1
+ 0,2
+ 0,1
+0,5
+ 0,2
-0,2
-0,6
+ 0,4
1,992
1,862
1,778
1,686
1,497
1,321
1,210
1,057
0,969
1,986
1,867
1,777
1,689
1,498
1,321
1,208
1,057
0,969
6,51
6,09
5,79
5,51
4,88
4,32
3,95
3,47
3,14
6,47
6,09
5,80
5,52
4,90
4,32
3,95
3,45
3,15
+ 0,006
- 0,005
+0,001
-0,003
-0,001
0,000
+ 0,002
0,000
0,000
+0,04
0,00
-0,01
-0,01
-0,02
0,00
0,00
+ 0,02
-0,01
8 /^. König,
persionsfoiinel anwenden zu können, wurden zunächst aus den
Beobachtungen die Werthe der Grösse Xjd berechnet. Diese
ist nach der eingangs angeführten Formel der DiflFerenz der
Brechungsexponenten proportional, wird sich also durch eine
Formel
darstellen lassen, deren Constanten sich von den Constanten
a, b, c nur durch einen constanten Factor unterscheiden werden.
Die Durchfiihrung der Rechnung nach der Methode der klein-
sten Quadrate ergiebt folgende Werthe.
Für den ersten Gypskeil:
^ Qßi 7 I 13,962 X 10« 1,0197 X 10^«
_ = dbl,7 + ^ -^ ,
für den zweiten Gypskeil:
X 1 lo Q , 3,3102 X lO'» 0,1796 x 10^«
-^-=ll.,d+ -^, -^
Wie weit sich die Beobachtungen durch diese Formeln
darstellen lassen, lehrt Tab. V. Sie enthält nebeneinander
erstens die aus den Beobachtungen gewonnenen und die nach
obigen Formeln berechneten Werthe von A/^, zweitens die
direct beobachteten und die aus den berechneten Werthen von
A/rf hergeleiteten „berechneten" Werthe von d. Die Columnen,
welche die Differenzen enthalten, zeigen, dass diese im Ganzen
ungleichmässig vertheilt und sehr gering sind; sie gehen für
den ersten Keil nicht über 0.3, für den zweiten nicht über
0,6 Proc. hinaus. Am grössten sind die Abweichungen für
das rothe Ende, besonders für die ^-Linie; für diese waren
aber auch die Ablesungen am ungenauesten, weil die Streifen
diese Linie nicht senkrecht, sondern unter starker Neigung
schnitten, und weil sie ausserdem über die ^-Linie hinaus
kaum noch zu verfolgen waren. Gleichwohl gehen auch diese
Differenzen über die möglichen Beobachtungsfehler kaum hinaus.
Wenn die grösste Differenz r/beob. — ^ber. für den ersten Keil
0,006, für den zweiten 0,04 beträgt, so entspricht dieser Diffe-
renz für den „Mittelwerth der 6/" eine Differenz für die be-
obachtete „Summe der d'^ (vgl. Tab. IV) bei dem ersten Keil
von 24 X 0,006 = 0,144 mm, bei dem zweiten Keil von
7 X 0,04 = 0,28 mm. Die beobachtete „Summe der r/" ist
Dispersionsmessungen am Gi/ps, 9
aber aus vier Ablesungen der Streifenlage auf der Millimeter-
theilung erhalten, und die einzelne Ablesung ist, namentlich
am rothen Ende, höchstens auf 0,1 mm genau. Man kann
also sagen, dass die üebereinstimmung innerhalb der Fehler-
grenzen eine vollkommene ist.
um die hier gefundenen Dispersionsconstauten unter-
einander und mit denjenigen der älteren Beobachter vergleichen
zu können, berechne ich noch die Verhältnisse ßfa und y/ay
sowie dia und c/«, und stelle sie in Tab. VI untereinander.
Tabelle
VI.
•
Dispersionsconstantcn :
Für den 1. Keil
^-- = 38 602
n
^ =- 2819 X 10«
a
Für den 2. Keil
' = 29 485
n
/ =- 1600 X 10«
a
Nach Quincke
- 42 330
a
^ =- 1118 X 10«»
a
Nach Dufet
- - 21270
a
— - - 606 X 10«
a
Nach Mülheims
- - 88 794
a
- =-10057 X 10«
Im allgemeinen Verlaufe der Erscheinung, dem Vorzeichen der
Constanten und der Grössenordnung, ist üebereinstimmung
zwischen den verschiedenen Beobachtern vorhanden. Im ein-
zelnen aber sind die Abweichungen der Constanten vonein-
ander beträchtlich grösser, als aus Beobachtungsfehlern folgen
würde. Auch die beiden von mir untersuchten Keile zeigen
merkliche Verschiedenheit. Sie könnten vielleicht auf einer
Ungleichmässigkeit in der Orientirung der Keilttächen beruhen,
die sich an den Präparaten nicht mehr controliren Hess.
Doch kann auch hier eine Verschiedenheit des Materiales vor-
liegen, da die beiden Keile zu ganz verschiedenen Zeiten von
der Firma Dr. Steeg und Reuter bezogen wurden und daher
sicherlich nicht aus demselben Stück geschnitten sind.
Ich komme endlich auf die im Eingang berührte Frage
zurück, die die Veranlassung zu der vorliegenden Untersuchung
gegeben hatte. Will man aus dem Streifenabstand für einen
Strahlencomplex auf die mittlere Wellenlänge desselben
schliessen, so würde es schwierig sein, aus der Formel zu
10
W. König.
einem gegebenen d den Werth von A zn ermitteln. Am ein-
fachsten ist es, eine Tabelle über den Zusammenhang von d
und J. zu berechnen und aus ihr mittels Interpolation zu ge-
gebenem d das zugehörige X zu entnehmen. Tab. VII ist eine
Tabelle VII.
Tabelle Ober den ZiuammeDhang von X und d fUr die beiden Keile.
1. Keil
2. Keil
*
J_
DiflF.
d:d„
d
Diff.
djd^
800
2,100
0,14S
1,408
e,838
0,459
1,398
750
.,957
n,143
'■"
8,379
0,461
1,302
700
1,814
0,143
1,211
S,918
0,460
1,208
850
1,671
0,143
1,118
5,458
0,461
1,114
600
1,52S
0,142
1,020
4,997
0,461
1,0»
550
1,388
0,928
4,536
0,926
0,140
0,45D
fiOO
1,846
0,137
0,BS2
4,077
0,455
0,832
450
1,109
0.131
0,740
3,832
0,446
0,789
400
0,978
0,120
0,653
9,176
0.427
0,618
SBO
0,868
0,091
0,573
2.749
0,385
0,581
SOO
0,7(57
0,512
2,364
0,433
derartige Tabelle für die beiden von mir untersuchten Keile.
Sie enthält ausser Jl und d noch die Werthe von djdo, d. li.
des Verhältnisses der Streifenbreite d für die Wellenlänge A
zur Streifenbreite für die i)- Linie. Diese letzteren Zahlen geben
noch einmal in anderer Form einen Vergleich der beiden Keile
miteinander. Auch könnte man sie , falls man die Ver-
schiedenheit des Materiales vernachlässigen dürfte, benutzen,
um aus Messungen der Streifen breite an einem beliebigen
Gypskeil Schlüsse auf die Wellenlänge zu macheu. Innerhalb
des ausgemessenen Spectralbereiches stimmen die Werthe von
djda für die beiden Keile sehr nahe Uberein. Bei Extra-
polation in das Ultraviolett treten aber grosse Unterschiede
auf. Allerdings stimmen auch hier beide Keile insofern Uber-
ein, als sie zwischen den Wellenlängen 300 und 200 eine
Umkehrung im Verlaufe der </- Werthe ergeben; doch liegen
die berechneten Umkehrpunkte an verschiedenen Stellen des
Spectrums, für den ersten Keil bei X = 272 (rf = 0,747}, für
Dispersionsmessnngen am Gyps, 11
den zweiten bei A = 236 [d = 2,074). Bei weiterer Extra-
polation über diese Werthe hinaus zeigen die d mit ab-
nehmender Wellenlänge eine starke Zunahme.
Um ein Beispiel für die Anwendung der Tab. VII zu
geben, habe ich von den Interferenzstreifen der beiden Keile
photographische Aufnahmen auf gewöhnlichen Schleussner'-
schen Trockenplatten gemacht. Die Keile waren dabei wieder
auf der gläsernen Millimetertheilung befestigt, sodass im Bilde
die Streifenbreite auf der mitphotographirten Scala unmittelbar
in Millimetern abgelesen werden konnte. Eine grössere An-
zahl von Streifen war allerdings bei der Breite des wirksamen
Spectralbereiches nicht zu beobachten ; von der vierten Ordnung
an waren die Streifen schon ziemlich verwaschen ; konnten
an dem ersten Keil aber noch bis zur zehnten Ordnung verfolgt
werden. Die Streifenbreite ergab sich fiir den ersten Keil
zu 1,04 mm, für den zweiten zu 3,48 mm. Daraus würde
als zugehörige Wellenlänge folgen für den ersten Keil 423,
für den zweiten 433. Im Mittel würde demnach die mittlere
Wellenlänge der Empfindlichkeitscurven der gewöhnlichen
Trockenplatten 0,000 428 mm sein.
Frankfurt a. M., Inst. d. Physikal. Vereins, Juli 1899.
(Eingegangeu 19. Juli 1899.)
2. Ueber die elektrische Ladung
elektrolytisch frisch hergestellter Gase ^);
von Wilhelm Kösters.
Es ist eine seit langem wohl bekannte Thatsache, dass bei
Regenfall oder an Wasserfällen die positive, normale Luft-
elektricität in eine negative übergeht. Lenard^) führte über
diese Erscheinung die erste eingehendere Untersuchung aus
und stellte fest, dass diese negative Elektrisirung der Luft
immer dann eintritt, wenn fallende Tropfen oder ein Wasser-
strahl auf ein Hinderniss treffen. Er erklärt die Erscheinung
durch die einfache Annahme von PotentialdiflFerenzen zwischen
Gasen und Flüssigkeiten. Der Vorgang ist dann folgender:
Während des Tropfenfalles bildet sich zwischen Tropfen und
Luft eine elektrische Doppelschicht (Wasser +, Luft — ), die
beim AuftreflFen auf ein Hinderniss so schnell mechanisch zer-
rissen wird, dass die negative Elektricität der Luft sich mit
der positiven des Wassers nicht ebenso schnell wieder ver-
einigen kann und von der Luft mit fortgenommen wird. Seit
Lenard haben sich eine Reihe Forscher mit der Lenard'-
schen „Wasserfallelektricität" beschäftigt. ^) Lord Kelvin war
der erste, welcher eine Umkehrung des Phänomens ausführte,
indem er Gasblasen durch W^asser treten Hess und eine Elektri-
sirung des Gases und Wassers nach dem Austreten nachwies.*)
Im Februarheft des „Philosophical Magazine" 1898 erschien
nun eine Arbeit von John S. Townsend^) im Anschluss an
1) Auszug aus einer Bonner Inuugural- Dissertation.
2) Ph. Lenard, Wied. Ann. 46. p. 584. 1892.
3j K. Wesendonck, Wied. Ann. 51. p. 353. 1895; H. Usener,
Bonner Diss. Juli 1895; J. J. Thomson, Phil. Mag. 37. p. 341. 1895;
Lord Kelvin, Magnus Maclean, Alesander Galt, Proc. Koy. Soc.
97. p. 835. 1895; F. B. Kenrick, Zeitschr. f. physikal. Chem. 19.
p. 625. 1896: K. A. Holmgrem, Soc. physiograph. de Lund. April 1893.
Xov. 1894; Magnus Maclean, Makita Goto, Phil. Mag. 80. p. 148
bis 152. 1890.
4) Lord Kelvin etc., Proc. Roy. Soc. Ö7. p. 335. 1895.
5) John S. Townsend, Phil. Mag. 45. p. 125. 1898; Proc. Cambr.
phil. Soc. 9. p. 244—258. 1898.
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase, 13
eine frühere Arbeit, in welchen er nachweist, dass bei der
Elektrolyse aufsteigende Gase eine elektrische Ladung mit-
führen, die bei verschiedenen Elektrolyten und Gasen ver-
schieden war. Positive Ladung besass Wasserstoff und Sauer-
stoff aus der Elektrolyse von Schwefelsäure und Wasserstoff
aus Kalilauge; negativ geladen waren Sauerstoff aus Kali-
lauge und Chlor aus Salzsäure. Eigenthümlich verhielt sich der
Wasserstoff aus der Elektrolyse von Salzsäure. Bei Benutzung
von Platinelektroden war er positiv; bei Benutzung frischer
Kohleelektroden war er im Anfang ebenfalls positiv, wechselte
nach wenigen Minuten Stromdurchgang seine Ladung und blieb
sodann negativ. Durch diese Arbeiten veranlasst, hatte ich mir
zur Aufgabe gemacht, den Ursprung dieser Ladung fest-
zustellen. Nach einigen Voruntersuchungen kam uns der Ge-
danke, dass diese Elektricitätserregungen vielleicht nur eine
Form der Lenard'schen Wasserfallelektricität seien, und da-
mit entstand der Wunsch, diese Frage zu entscheiden. Die
vorliegende Arbeit soll ein Beitrag zur Lösung derselben sein.
Townsend stellt über diese Ladungserscheinungen bei
der Elektrolyse, ohne experimentell auf ihren Ursprung zurück-
zugehen, die Hypothese auf, dass die elektrolytischen Ionen
aufsteigen, ohne ihre Ladung an die Elektrode abzugeben.
Es müsste demnach Wasserstoff positive, Sauerstoff negative
Elektricität mitführen. In der positiven Ladung des Sauer-
stoffes aus der Elektrolyse von Schwefelsäure und in dem
Zeichenwechsel beim Wasserstoff aus der Elektrolyse von Salz-
säure zwischen Kohleelektroden liegt jedoch ein Widerspruch
gegen diese Hypothese. Dazu kommt, dass die Richtigkeit
der Townsend*schen Hypothese eine Abweichung des Fara-
day'schen elektrolytischen Gesetzes bedeutete.^) Dies ver-
anlasste mich, die Townsend'sche Hypothese zu verwerfen.
1. Die Versuche Townsend's habe ich in ihrem qualitativen
Theil (so weit es den Zweck meiner Arbeit anging) wiederholt
1) Die Elektricität smengen, welche Wasscratoif aus Schwefelsäure
bei einem Strome von 6 Amp. mitführte, waren, wie sich später zeigte,
von der Grösse, dass sie (nach Berechnung) einen dauernden Strom von
etwa der Ordnung 10-^^ Amp. hätten erzeugen können, der sich eventuell
galvanometrisch hätte nachweisen lassen. Ich hoffe, diesen Nachweis
später führen zu können.
14
fy. Kiiiters.
und ihre Beeultate bestätigt gefuuden. lu Townsend's Ar-
beiten ist bereits erwähut, dass mit steigender Temperatur
des Elektrolyten die Ladung des Gases wächst. ') Diese
Zunahme mit der Temperatur habe ich an Wasserstoff aus der
Elektrolyse Yon Schwefelsäure festzustellen versucht; ich bediente
mich dazu des Apparates Fig. 1. Von dem Entwickelungs-
Pig. 1.
gefäss A, dessen Temperatur durch einen umgebenden Wasser-
behälter constant gehalten wurde, wird der entwickelte Wasser-
stoff oder Sauerstoff mit Hülfe eines isohrenden Paraffin-
rohres durch eine weitere Röhre mit Metallgaze geführt, deren
Ladung mit dem Elektrometer gemessen wurde. Bei den mit
Wasserstoff und Sauerstoff aus Schwefelsäure durchgeführten
Versuchen zeigte sich jedoch, dass die Grösse der Ladung des
Gases noch von einer Reihe von uncontrolirbaren und nicht
1) Vgl. auch H. Da»
p Diss. p. Sä. Juli 189S.
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase. 1 5
zu beseitigenden Factoren abhing, die eine genauere Bestim-
mung der Abhängigkeit von der Temperatur vereitelten. Mit
längerem Stromdurchgang nahm die erhaltene Ladung über-
haupt in den meisten Fällen bis auf Null ab, was, wie sich
experimentell zeigte, von Veränderungen in der Schwefelsäure
herrührte. ^)
2. Die von den Gasen aus der Elektrolyse mitgefuhrten
Elektricitätsmengen konnten noch etwa von einer Reibung des
vom elektrolytischen Gase mitgeftihrten Flüssigkeitsstaubes an
den Wänden der Fortleitungsröhren des Gases herrühren. Um
diese Frage zu entscheiden, wurde die ganze Vonichtung zur
Fortleitung des Gases entfernt und direct über dem Ent-
wickelungsgefass ein Blatt feiner Messinggaze isolirt befestigt,
welches der aus Schwefelsäure entwickelte Wasserstoff und
Sauerstoff passiren musste. Auch in diesem Falle lud sich
bei der Gasentwickelung die Gaze zunehmend positiv. Rührt
die Ladung des Gases überhaupt von einem Vorgang zwischen
Gas und Ableitungsrohr her, so muss dieses die zugehörige
entgegengesetzte — negative — Elektrisirung annehmen. An-
gestellte Versuche zeigten indessen in jedem Falle positive
Elektrisirungen des Auffangesystemes.
3. Die zur Gasladung gehörige, entgegengesetzte Elek-
tricität fand sich vielmehr im Entwickelungsgefäss. Wurde
nämlich dieses (mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt) mitsammt
den Strom liefernden Accumulatoren und den Zuleitungen durch
Paraffin vom Erdboden isolirt mit dem Elektrometer verbunden
und der Strom geschlossen, so lud sich die ganze Vorrichtung
negativ, also entgegengesetzt wie die aufsteigenden Gase
(Wasserstoff und Sauerstoff +). Die Ladungen von Entwicke-
lungsgefäss und Gas waren ausserdem gleich und entgegen-
gesetzt. Bedeckte man das Entwickelungsgefäss mit Pappe
oder besser gut anschliessendem Filz, so wurde der Ausschlag
des Elektrometers fast unmerklich. ^) Versuche mit Kalilauge
und Salzsäure lieferten — auch im Vorzeichen — gleiche
Resultate.
t
1) Vgl. Bonner Dias, des Verf. 1899. Ich vermuthe, dass diese
Verftnderung in der Bildung von Nebenproducten des Stromes Wasser-
stoffsuperoxyd, Ueberschwefelsäure etc. beruht
2) Näheres vgl. die Diss. des Verf.
16
/f. Kösters,
4. Zum Vergleich der Ladungserscheinungen bei der Elek-
trolyse mit der Lenard'schen Wasserfallelektricität wurde nun
folgender Apparat construirt (Fig. 2): In einem Kipp'schen
Apparat entwickelter Wasserstoff passirt zunächst die etwa
15 cm lange Röhre mit feuchter, festgepfropfter Watte £,
welche mit der Erde verbunden ist. Diese dient dazu, das
Gas zunächst vom Flüssigkeitsstaube — der von der Ent-
•'Hl
Fig. 2.
Wickelung in dem Kipp'schen Apparat herrührt — , dann
aber auch von seiner Ladung zu befreien.^)
Es hatte sich herausgestellt, dass die von Gasentwicke-
lungen stammenden Gase durch ein solches Filter vollständig
entladen werden. Von dieser Watteröhre trat das Gas in die
etwa 5 / haltende Sammeltiasche F und konnte von da aus
unter dem von der Wasser enthaltenden Flasche L gelieferten
Druck durch Flüssigkeiten geblasen werden, was durch ein
isolirtes Rohr mit feiner Spitze geschah. Die Flüssigkeiten
1) Der aus Zink und Schwefelsäure entwickelte Wasserstoif führt
«ine positive Ladung mit sieh. Vgl. W. Hankel, Wied. Ann. 22. p. 387.
1884. Vgl. auch die Bonner Diss. des Verf. 1899.
Elektische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase. 1 7
befanden sich in dem isolirten Gefässe K, das mit dem Elektro-
meter verbunden war. Das Sicherheitsrohr des Kipp 'sehen
Apparates war durch ein Rohr mit Hahn ersetzt, wodurch es
möglich war, durch den Druck des sich entwickelnden Gases
das in F befindliche Wasser etwa 2 m hoch bis Z zu treiben.
Es gingen nun die folgenden Operationen der Reihe nach
vor sich:
Die Hähne A und B werden geöflfnet, die Schwefelsäure
im Kipp 'sehen Apparat sinkt herab; A und B werden ge-
schlossen, I) geöflfnet. Der WasserstoflF strömt durch JE in
die Flasche F und drückt das in F befindliche Wasser nach
L. An F befindet sich eine Marke, bis zu der man das Wasser
in F sinken lässt. Jetzt wird 2> geschlossen und A geöflfnet.
Zum Versuch öfifhet man den Hahn / und notirt den Ausschlag
des Elektrometers. Wollen wir mit SauerstoflF arbeiten, so
brauchen wir den Kipp'schen Apparat nur durch eine Sauer-
stoflfbombe zu ersetzen. Die Spitze in AT — auf deren Be-
schaflfenheit es sehr ankommt, worauf ich noch näher eingehen
werde — taucht immer zu gleicher Tiefe (3 cm) in die zu unter-
suchende Flüssigkeit. Das^Gefäss K, etwa 7 cm hoch, besitzt
einen ziemlich engen Hals, welcher etwa zur Hälfte von dem
Rohre N ausgefüllt wird, um ein Umherspritzen der Flüssig-
keit zu vermeiden.
Bevor wir den beschriebenen Apparat zu Messungen be-
nutzen, müssen wir uns vergewissern, ob nicht durch etwaiges
Umherschleudern der Flüsoigkeit in K durch das durchströmende
Gas eine bemerkbare Tropfensammlerwirkung eintritt. Dies
können wir einfach dadurch constatiren, dass wir dem Gefäss K
eine starke Ladung (2 — 5 Volt) mittheilen und beobachten, ob
unter diesen Umständen beim Gebrauch derselben Lösung sich
dieselbe Ladung beim Durchblasen zeigt, als ohne vorher-
gegangene Ladung des Gefässes. Eine Prüfung Hess keinen
Einfiuss dieser vorher mitgetheilten Ladung zu Tage treten.
Der Sicherheit halber wurde jedoch das Luftpotential häufig
mit dem Tropfensammler untersucht; während der Versuche
überstieg es niemals die Grösse von etwa + 2 bis 3 Volt.
Ausserdem versicherte ich mich häufig während der Ver-
suche, dass der aus F kommende Wasserstoflf keine Spur einer
Ladung mehr zeigte, indem ich ihn gegen ein isolirtes Zink-
Ann, d. Phjs. 11. Chem. N. F. 69. 2
18 //'. KÖsters,
blech strömen Hess; bei EinschaltuDg des Wattefilters habe
ich niemals die geringste Ladung bemerkt, während er ohne
Filter in allen untersuchten Fällen positive Ladung zeigte.
5. Es galt nun, mit diesem Apparat, den ich der Kürze
halber als „Ausströmungsapparaf bezeichnen will, die Elektri-
sirungen mit denen bei der Elektrolyse — zunächst dem Vor-
zeichen nach — zu vergleichen. Es waren bei der Elektrolyse
die Ladungsvorzeichen der Gase:
Wasserstoff— Schwefelsäure +
Sauerstoff— Schwefelsäure +
Wasserstoff— K alilauge +
Sauerstoff— Kalilauge —
Wasserstoff— Salzsäure +
Chlor— Salzsäure —
Wasserstoff— Salzsäure + 0 —
Chlor— Salzsäure -
Platinelektroden
Kohleelektroden
I
{
Im „ Ausströmungsapparat'^ war Wasserstoff und Sauerstoff
gegen Schwefelsäure positiv, wie bei der Elektrolyse.
Wasserstoff — Kalilauge war im einen wie im anderen Falle
positiv.
Sauerstoff aus einer Bombe von Dr. Elkan fand sich
dagegen im Ausströmungsapparat gegen Kalilauge positiv, in der
Elektrolyse negativ.
Hier schien ein unlösbarer Widerspruch zu bestehen. In-
dessen existirt doch eine Verschiedenheit zwischen beiden Fällen,
der Sauerstoff aus der Elektrolyse von Kalilauge enthält Ozon.
Um zu prüfen, ob das elektrolytische Gas auch im Aus-
strömungsapparat das verlangte Vorzeichen gebe, wurde der
Sauerstoff aus der Elektrolyse von Kalilauge in die Sammel-
flasche F des Ausströmungsapparates geleitet (ohne Filter).
Zunächst wurde seine Ladung festgestellt, indem ich ihn aus
der Spitze des Apparates auf ein Zinkblech strömen liess, sie
war, wie zu erwarten, stark negativ. Das Gefäss K wurde jetzt
mit derselben Kalilauge gefiillt^ die soeben bei der Elektrolyse
gebraucht war^ und der Apparat in Thätigkeit gesetzt. Das
Resultat war, trotz der im Gase vorhandenen stark negativen
Ladung, die zum grossen Theil an die Flüssigkeit überging,
eine starke positive Ladung des Gefässes £, in üeberein-
stimmung mit der Ladung des Gases bei der Elektrolyse. Diese
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergesteUter Gase, 19
auffällige und prägnante Erscheinung macht es schon sehr
^ wahrscheinlich, dass die bei Gasentwickelungen auftretenden
Elektricitaten mit der Lenard 'sehen „Wasserfallelektricität''
identisch sind. Auffällig war hierbei auch die ausserordentlich
grosse Ladung, die man mit diesem Gase aus der Elektrolyse
im Ausströmungsapparat erhielt. Sie übertraf die von solchen
Lösungen und gewöhnlichen Gasen erhaltenen Werthe um das
5 — lOfache. Ich werde später auf dieses Resultat zurück-
kommen.
Merkwürdig waren noch die Resultate, welche Townsend
erhalten hatte, wenn er Salzsäure einmal zwischen Platin- ein-
mal zwischen Kohleelektroden elektrolysirte. In Folgendem will
ich diese Resultate kurz recapituliren. Benutzt man bei der
Elektrolyse von Salzsäure Platinelektroden, so zeigt der Wasser-
stoff nach dem Aufsteigen positive, das Chlor negative Ladung.
Auch nach längerem Stromdurchgang, wenn also die Salzsäure
durch Platinchlorid und Chlor verunreinigt ist, wechselten diese
ihr Vorzeichen nicht. Gebraucht man dagegen frische Kohle-
elektroden, so zeigt der aufsteigende Wasserstoff zuerst posi-
tive Ladung, die aber bald schwächer wird und schon nach
wenigen Minuten Stromdurchgang in negative Ladung über-
geht, die sodann bestehen bleibt. Das Chlor bleibt während-
dessen negativ. Ich habe diese Versuche wiederholt und ihre
Resultate bestätigt gefunden. Ich vermuthete zunächst, dass
die Veränderung in der Salzsäure durch den Strom diese
Wirkung hervorbrächte, da bei Platinelektroden Chlor und
Platinchlorid, bei Kohleelektroden Chlor allein in der Lösung
gebildet würde. Indessen zeigte sich bald, dass der Zeichen-
wechsel an die Elektroden gebunden war. Hatte man den
Strom längere Zeit mit Platinelektroden durch Salzsäure gehen
lassen, und setzte nun statt der Platinkathode eine schon ge-
brauchte — negative Ladung des Wasserstoffs gebende —
Kohlekathode ein, so wurde der vorher positive Wasserstoff
negativ. Wurde nun wieder die Platinkathode eingesetzt, so
erschien die Ladung des aufsteigenden Wasserstoffs wieder
positiv. Es zeigte sich ausserdem gewöhnlicher Wasserstoff
im Durchströmungsapparat sowohl gegen die zwischen Platin-
ais auch Kohleelektroden elektrolysirt gewesene Salzsäure
positiv. Leider und merkwürdigerweise gelang es mir nur bei
• 2*
20 r. Kösters.
zwei EohleelektrodeupaareD , den Zeichenwechsel hervorzu-
bringen; sämmtliche von mir später benutzten frischen Kohle-
elektroden lieferten auch nach stundenlangem Durchgang von
starken Strömen nur positive Ladung, welche langsam abnahm.
Diese Erscheinung verhinderte mich, näher zu untersuchen,
wie sich dieser Zeichenwechsel im Durchströmungsapparat
verhielt; ich vermuthe, dass der elektrolytische Zeichenwechsel
von Verunreinigungen des Wasserstoffs herrührt, die sich ja
bei Kohleelektroden leicht bilden können. Der von den Platin-
oder Kohleelektroden herrührende positive Wasserstoff zeigte
auch im Ausströmungsapparat das entsprechende Vorzeichen,
auch ergab sich hier wieder mit dem ohne Filter in die Sammel-
flasche geleiteten Wasserstoff eine aussergewöhnlich grosse
Ladung. Ich hoffe, dass es mir später gelingen wird, den
Zeichenwechsel zu beobachten, um die Untersuchung desselben
im Ausströmungsapparat vornehmen zu können.
6. Bevor ich über die nunmehr angestellten quantitativen
Versuche mit dem Ausströmungsapparat berichte, muss ich noch
eines Umstandes oder Uebelstandes bei der Benutzung desselben
erwähnen. Die Versuche mit diesem wurden immer in der
Weise angestellt, dass der Hahn / plötzlich geöffnet und von
diesem Punkte an eine Minute lang alle 15 Secunden der
Stand des Elektrometers abgelesen wurde. Dabei trat die
Erscheinung hervor, dass die in jeder Viertelminute er-
haltenen Werthe mit der Dauer des Durchströmens abnahmen.
Ich gebe hier ein Beispiel:
Es ergab sich bei Benutzung von Schwefelsäure specifisches
Gewicht 1,202 und Wasserstoff:
mf'on
Ablenkung
lUtCll
Seal entheile
0
0
V«
5,2
V,
4,0
'/«
3,3
1
2,7
Diese Abnahme rührt, wie eine nähere Untersuchung er-
gab, von zweierlei Umständen her.
Während des Versuches trat zunächst eine Verminderung
des Druckes ein, unter dem der Wasserstoff ausströmte, da-
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase, 21
durch y dass das Wasser in dem die Gefasse L und P ver-
bindenden Schlauch eine Reibung erfahr und deshalb nicht so
schnell nachströmen konnte, wie der Wasserstoff ausströmte^),
femer dadurch, dass die Höhendifferenz der beiden Wasser-
spiegel Z und J^ durch das Hinabfliessen des Wassers vermindert
wurde. Eine zweite Erscheinung, welche die Wirkung ver-
minderte, war die Absorption von Wasserstoff in der Lösung
während des Durchströmens. Das letztere, d. h. allgemein ge-
sagt, eine Veränderung der Lösung zeigte sich schon dadurch,
dass dieselbe Lösung, zum zweiten Male geprüft, kleinere Werthe
ergab; ich werde später etwas ausführlicher darauf eingehen.
Was die Druckverminderung angeht, so versuchte ich, ob
constanter Ausströmungsdruck gleiche Werthe der Elektri-
sirung pro Zeiteinheit ergab. Zur Herstellung des constanten
Druckes benutzte ich das Ausströmungsdruckregulirventil einer
Elkan 'sehen Bombe mit dem sich nach vielen mühevollen
Versuchen immer für einige Zeit constanter Ausströmungsdruck
herstellen liess, wie mit einem Quecksilbermanometer geprüft
wurde. Bei den Versuchen mit Wasserstoff ergab sich, dass
unter Verwendung einer einige Minuten zu Versuchen ge-
brauchten, oder mit Wasserstoff gesättigten Lösung bei con-
stantem Ausströmungsdruck in der Zeiteinheit gleiche Elektri-
citätsmengen erhalten wurden; andererseits ergab sich, dass
bei Verwendung des Durch Strömungsapparates mit solchen
Lösungen und Wasserstoff in zwei aufeinanderfolgenden Ver-
suchen gleiche elektrische Werthe erhalten wurden. — Bei dieser
Gelegenheit habe ich zugleich den Einfluss des Druckes, unter
welchem das Gas ausströmt, auf die erhaltene Elektricitäts-
menge pro Zeiteinheit festgestellt. ^) Es zeigte sich, dass diese
mit Vergrösserung des Druckes ausserordentlich stark zunahm.
Die Versuche wurden mit Schwefelsäure vom specifischen Gewicht
1,185 und Wasserstoff ausgeführt. Folgende Tabelle enthält
1) Dies wurde später durch einen weiten Schlauch vermieden, wo-
durch die pro Zeiteinheit erhaltenen Werthe bedeutend weniger differirten.
2) Die Geschwindigkeit des ausströmenden Gases nahm mit zu-
nehmendem Drucke in noch geringerem Maasse zu, als wenn [sich die
Spitze in K wie eine Oeffnung in dünner Wand verhalten hätte. Die
AuBströmungsgeschwindigkeiten von H„ 0), CO, verhielten sich bei con-
stantem Druck wie 1 : 0,43 : 0,27.
22
}F. Kösters,
die Resultate, die ans einer Reihe von Beobachtungen graphisch
interpolirt wurden. Die zugehörige Curve zeigt Fig. 3, Ab-
scissen sind die Drucke in cm Quecksilber, Ordinaten die er- ^
haltenen Elektricitätsmengen in Scalentheilen in ^4 Minute:
Druck
Scalen theile
V4 Min.
Druck
cm Hg
Sc&lentheile
cm Ug
V4 Min.
0,0
0,00
7,0
3,17
1,0
0,15
8,0
3,96
2,0
0,43
9,0
4,89
3,0
0,85
10,0
5,97
4,0
1,30.
11,0
7,45
5,0
1,88
12,0
9,55
6,0
2,45
13,0
12,75
Fig. 8.
13 cm ä(f.
7. Ich schritt nun zur quantitativen Vergleichung der
Erscheinung bei der Elektrolyse mit der des Durchströmungs-
apparates. Es Hess sich erwarten, dass bei einem Bestehen
der Identität zwischen L e n a r d 'scher Wasserfallelektricität
und „elektrolytischem Vorgang^' die bei verschiedenen Lösungen
und verschiedenen Temperaturen bei der Üllektrolyse erhaltenen
Werthe denen beim Durchströmen unter gleichen Verhältnissen
erhaltenen proportional seien. Die erwartete Proportionalität
zeigte sich jedoch nicht. Die Versuche wurden mit Schwefel-
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase, 23
säurelösungen vom specifischen Gewicht 1,3 und 1,137 durch-
gef&hrt. Es ergab sich:
Elektrolyse :
Durchstr. :
Scalentheile
Scalentheile
Min.
Min.
4,69
15,92
15,00
11,64
H^SO« specifiBches Gre wicht 1,8
H.SO, „ „ 1,137
Es besteht also nicht nur keine Proportionalität, sondern
die Lösung von geringerem specifischen Gewicht liefert im
Durchströmungsapparat geringere, in der Elektrolyse grössere
Werthe als die conceritrirtere Lösung. Es ist schwer, über die
Erscheinung sich ein Urtheil zu bilden, ich vermuthe, dass
bei der Elektrolyse besonders die Zähigkeit der Lösung eine
grosse Rolle spielt. ^)
8. ßei einer Reihe von Versuchen, die ich nun mit dem
Durchströmungsapparat und Wasserstoff anstellte, fand ich die
meisten Lösungen gegen Wasserstoff negativ. Ausserordent-
liche variable, meist negative Werthe lieferte Alkohol. *)
Lieferungen derselben Bezugsquelle aus verschiedenen Flaschen
ergaben — wohl infolge von geringfügigen fremden Bei-
mengungen — vollständig — auch im Vorzeichen — ver-
schiedene Werthe. Unter anderen fand ich auch einen wässe-
rigen Alkohol, welcher sich gegen Wasserstoff stark positiv
verhielt. Dieser giebt uns ein vortreffliches Mittel an die
Hand, zu erweisen, dass die bei der Elektrolyse erhaltene
Ladung an der Oberfläche des Elektrolyten entsteht und von
der Art der durchströmten Flüssigkeit abhängig ist. Wir
schichten auf die zur Elektrolyse gebrauchte Schwefelsäure
vorsichtig eine etwa 2 cm dicke Schicht dieses Alkohols, welche
mit Magdalaroth gefärbt ist, nachdem wir uns überzeugt haben,
dass die Färbung und ausserdem eine ziemlich starke Ver-
unreinigung des Alkohols mit Schwefelsäure das Vorzeichen
im Durchströmungsapparat nicht ändert. Schliessen wir nun
den Strom, so geschieht folgendes: die aufsteigenden Wasser-
stoffblasen durchbrechen den Alkohol und vermengen ihn
schon nach wenigen Secunden mit der Schwefelsäure. Diese
1) Vgl. über ähnliche Folgen W.Hankel, Wied. Ann. 22. p. 402. 1884.
2) Vgl. auch Ph. Lenard, Wied. Ann. 46. p. 628. 1892.
24 //'''. KÖsters,
knrze Zeit genügt aber schon, dem im Anfange aufsteigenden
Wasserstoff eine negative Ladnng zu geben, welche nach
kurzer Zeit wieder in die gewohnte positive übergeht. Unter- ^
suchen wir nun die benutzte Schwefelsäure im Durchströmungs-
apparat mit Wasserstoff, so finden wir auch hier positive La-
dung des Wasserstoffs.
9, Ein Punkt war an dem Vorgange bei der Elektrolyse
noch besonders auffällig, das war die auserordentliche Grösse
der Ladungen im Verhältniss zu der verbrauchten Gasmenge,
verglichen mit diesem Verhältniss beim Durchströmungs-
apparat. ^) Auch die Annahme, dass infolge der feinen Ver-
theilung des Gases in der Elektrolyse bei gleichem Gasvolu-
men eine hundertmal so grosse Oberfläche beim Platzen der
Blasen verschwindet als beim Ausströmuugsapparat, reicht
nicht vollständig hin, die grossen Ladungen bei der Elektro-
lyse zu erklären. Es war aber, wie schon früher bemerkt (5),
aufgefallen, dass elektrolytische Gase oder Wasserstoff aus
der Entwicklung durch Zink und Schwefelsäure, welche ohne
Wattefilter in den Ausströmungsapparat geleitet wurden, da-
selbst ganz bedeutend grössere Elektricitätsmengen ergaben,
wie filtrirte Gase. ^) Da nun der bei der Eutwickelung von
Gasen aus Flüssigkeiten auftretende feine Flüssigkeitsstaub
vom Wattefilter zurückbehalten wird, so lag es nahe, diesen
für die Grösse der Wirkung bei der Elektrolyse verantwort-
lich zu machen. Eine genauere Beobachtung des Vorganges
bei der Elektrolyse lässt zunächst erkennen, dass aus jeder
an der Oberfläche der Flüssigkeit zerplatzenden Blase ein
feines Wölkchen aufsteigt, während die Blase selbst beim Zer-
platzen gröbere Flüssigkeitstheilchen umherschleudert. Es
scheint daher, dass die Blasen schon beim Aufsteigen mit
Flüssigkeitsstaub beladen sind, zum mindesten ist es plausibel,
1) Die Elektricitätsmenge pro Einheit des Gasvolumens in der
Elektrolyse übertraf denselben Werth bei dem Durchströmungsapparat
um etwa das Tausendfache ; genauere Z<ahlen anzugeben ist nicht möglich
und zwecklos, da, wie wir in 6. fi^esehen haben, das Verhältniss Elektri-
citätsmenge : Gasmenge mit der Geschwindigkeit des Ausströmens be*
deutend variirt, andererseits keine Proportionalität zwischen den beiden
Erscheinungen bestand.
2) Vgl. auch Lord Kelvin, Proc. Roy. Soc. 57. p. 845. 1895.
V
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase, 25
das8 ein grosser Theil des im elektrolytischen Gase suspen-
dirten Staubes durch ,, Znsammenplatzen ^' der kleinen, sich
an der Elektrode zunächst bildenden Bläschen entsteht
flinen ähnlichen Flüssigkeitsstaub suchte ich nun in das
Gas des Ausströmungsapparates zu bringen und dessen Ein-
fiuss auf die erhaltene Ladung festzustellen. Zu diesem Zwecke
wurde zwischen Sammelflasche F und Wattefilter ein Zer-
stäuber eingeschaltet, wie Fig. 4 zeigt. Der- _^ -i
selbe war in ein weites Rohr eingelassen, ^
r
auf dessen Wandung die grösseren Tropfen / \
aus dem Zerstäuber aufprallten, während 11
der feinere Staub in die Sammelflasche ein-
trat. Das Gefäss K und der Zerstäuber ^^'
sind zunächst mit derselben verdünnten Schwefelsäure ge-
füllt. Wir bringen nun etwas Flüssigkeitsstaub in die
Sammelflasche, indem wir durch einen einzelnen Stoss mit
Wasserstoff den Zerstäuber in Thätigkeit setzen. Wir füllen
sodann die Flasche vollständig mit reinem staubfreien Wasser-
stoff. Lassen wir nun diesen durch die Schwefelsäurelösung
in JT strömen, so ergeben sich 10 — 40 mal so grosse La-
dungen als mit staubfreiem Wasserstoff. Vor dem Ver-
suche wurde die Ladung des mit Staub versehenen Gases
constatirt, indem ich es auf ein Zinkblech strömen liess, sie
zeigte sich, wie zu erwarten war, positiv; trotz dieser Ladung
lud sich die Schwefelsäure in K zu den erwähnten grossen
Werthen negativ (H,SO^ spec. Gew. 1,2 bis 4—5 Volt in
der Minute). ^) Die positive Ladung des Wasserstoffs, die von
dem Zerstäuber herrührt, ist deshalb äusserst günstig, weil
die starke beobachtete Ladung des Gefässes niemals der Zer-
stlLuberwirkung zugeschrieben werden kann. Ganz ähnliche
Ergebnisse liefert KOH- Staub in KOH-Lösung, Salzsäurestaub
in Salzsäure, Wasserstaub etc., wobei es im allgemeinen gleich-
gültig ist, ob z. B. das Gas zum Durchblasen durch Schwefel-
säure mit Schwefelsäurestaub oder etwa Salzsäurestaub ver-
setzt wird.
Es giebt noch andere Mittel^ Gase mit feinem Staube
zu versehen, dazu gehört ein glühender Platindraht. *) Wir
1) Vgl. die folgenden Tabellen (10).
2) Vgl E. Nahrwold, Wied. Ann. 81. p. 467 ff. 1887.
26
W, Kösters,
schalten an Stelle des Zerstäubers eine Röhre ein, durch die
ein Platindraht geschmolzen ist und lassen denselben beim
Durchströmen des Wasserstoffs schwach roth glühen. Prüfen ^
>.«.
Ho' vow
XOE/H-HCL/IR
Fig. 5.
23%
lO
^oW
J%Mbv
JOr
9 ■
8 ■
7 -
e -
5 '
♦ -
3 -
1
fooX
Fig. 6.
wir vor dem Versuche die Ladung des so behandelten Wasser-
stoffs, indem wir ihn aus der Sammelflasche auf ein Blech
strömen lassen, so finden -wir ihn für unsere Verhältnisse
ausserordentlich stark positiv geladen ^) (2 — 3 Volt in der
1) Vgl. J. Elster u. H. Geitel, Wied. Ann. 81. p. 123. 1887.
Elektrische Ladwng elektrolytisch frisch hergestellter Gase. 27
Minute bei ungefähr gleicher Ausströmongsgeschwindigkeit, wie
bei den Durchblasangsyersuchen) ; trotzdem ergab sich beim
Durchströmen durch Schwefelsäure specifisches Gewicht 1,2
noch eine beträchtlich grössere negative Ladung, als mit staub-
freiem Wasserstoff. Aehnliche Erscheinungen erhielt man
auch bei den übrigen Lösungen. Ftlllte man K mit destillir-
tem Wasser — welches sich positiv ladet — , so erhielt man
bei Anwendung von Wasserstoff mit Platinstaub ausserordent-
lich grosse Ausschläge (20 Volt pro Minute), da in diesem
tOOAi
Fig. 7.
Falle die positive Ladung des Wasserstoffs durch Platin-
staub sich zu der durch das Durchströmen erzeugten addirte.
10. Ich habe nun eine Keihe von Lösungen auf ihre
elektrische Wirkung im Ausströmungsapparat gegen einfache
reine Oase untersucht. Eine Anzahl derartiger Bestimmungen
liegen schon vor, die jedoch zum grössten Theil mit Luft ge-
macht sind. Vor den Versuchen wurde die Ausströmungs-
spitze noch einmal einer gründlichen Prüfung unterzogen.
Nach vielen Proben erwies sich eine Spitze von 0,3 mm Oeff-
nung als die günstigste. Grössere Oeffungen Hessen das Gas
zu heftig austreten, wodurch die Flüssigkeit leicht umher-
geschleudert wurde, während kleinere Oeffnungen wegen des
langsamen Gasdurchflusses weniger Elektricität lieferten. Bei
den Versuchen wurde nach Oeffnung des Hahnes / immer
eine Minute lang alle Viertelminute am Elektrometer eine
28
W, Kosters.
Ablesung gemacht; zu jedem neuen Versuche wurde in K
frische Lösung eingefüllt, da wie erwähnt, durch Wasserstoff-
absorption in der Lösung eine kleine Verminderung der Wir-
kung eintrat.^) Der mittlere Fehler der angegebenen Mes-
sungen beträgt 2 bis 3 Proc. Folgende Tabelle giebt die
Resultate einiger besonders untersuchter Lösungen. Zur Gon-
struction der Gurven wurde noch eine Anzahl anderer Lösungen
untersucht y die nicht in der Tabelle enthalten sind. Unter
„Proc.-Gehalt" steht bei den Säuren der Gehalt der Gesammt-
lösung in Gewichtsprocenteu wasserfreier Säure; bei Kalilauge
der Gehalt in Gewichtsprocenteu KOH, bei den Salzen der
Gehalt an (bei 20^ gesättigter Lösung. Die Vorzeichen sind
die der Gase.
^
I. WaBseratoff— Schwefelsäure (Fig. 6 u. 7).
Proc-Grehalt
0,000
0,007
0,015
0,080
0,97
10"^ Volt
^U Min.
- 145,10
0,00
+ 1,09
+ 2,66
+ 2,68
Proc- Gehalt
16,14
27,44
39,19
41,44
100,00
10-^ Volt
V4 Min.
+ 2,81
+ 3,05
+ 3,75
+ 3,84
0,00
II. Wasserstoff — Kalilauge (Fig. 5 u. 7).
Proc.-Gehalt
0,008
0,015
0,022
0,34
2,35
4,60
10-2 Volt
V4 Min.
- 3,08
- 0,66
- 0,31
+ 1,78
+ 3,67
+ 4,02
.-2
Proc.-Gehalt
5,75
9,20
11,88
19,18
23,00
10" " Volt
" V4 Min.
+ 4,48
+ 6,67
-^ 5,76
+ 4,33
+ 8,50
III. Wasserstoff— Kupfersulfat (Fig. 6).
Proc.-Gehalt
0,00
1,80
4,49
16,67
10~2 Volt
V4 Min.
- 145,40
0.00
+ 1,19
+ 2,64
Proc-Gehalt
40,78
41,31
66,67
100,00
10- 2 Volt
V4 Min.
+ 4,32
+ 4,29
+ 3,83
0,00
1) Vgl Abschnitt 6.
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase, 29
IV. WasBeretoff— Essigsäure (Fig. 6).
Proc-Gehalt
10- 2 Volt
V'4 Min.
Proc-Gehalt
10-2 Volt
V4 Min.
0,023
-4,62
7,15
-0,09
0,07
- 3,52
16,67
0,00
0,50
- 1,46
33,33
0,00
0,53
- 1,36
66,67
0,00
3,46
-0,47
100,00
+ 2,74
V.
Wasserstoff—
Kalisalpeter (Fig. 6).
Proc-Gehalt
10-2 Volt
V4 Min.
Proc-Gehalt
10-2 Volt
V4 Min.
0,042
- 11,34
40,00
+ 6,77
1,15
- 0,93
50,00
+ 7,94
1,67
- 0,29
83,36
+ 6,58
7,69
+ 1,32
100,00
+ 3,98
VI. Wasserstoff
—Salzsäure (Fig. 5).
Proc-Gehalt
10-2 Volt
V* Min.
Proc-Gehalt
10- 2 Volt
V4 Min.
0,004
0,00
5,52
+ 2,623
0,009
+ 1,16
5,59
+ 2,630
0,028
+ 2,06
7,45
+ 2,73
0,11
+ 2,07
11,18
+ 2,86
0,52
+ 2,12
13,04
+ 2,95
1,87
+ 2,24
22,86
+ 4,47
VII. Wasserstoff— Kochsalzlösung.
Proc-Gehalt
10- 2 Volt
V4 Min.
Proc-Gehalt
10-2 Volt
V4 Min.
1,6
+ 0,62
33,33
+ 3,46
8,3
+ 1,72
50,00
+ 4,92
14,0
+ 2,05
VIIL
W asserstoff-
-Bonner Leitungswasser.
- 4,64 -
10-2 Volt
V4 Min.
IX.
Sauerstoff— 1
Schwefelsäure (Fig. 7)
I.
" Proc-Gehalt
10-2 Volt
V4 Min.
Proc-Gehalt
10-2 Volt
V4 Min.
0,00
- 75,77
13,81
+ 7,63
0,043
- 1,66
20,65
+ 8,11
0,206
+ 2,82
27,10
+ 9,02
0,449
+ 3,86
34,53
+ 11,36
0,52
+ 3,89
41,44
+ 16,19
0,95
+ 4,40
57,78
+ 23,93
6,91
+ 7,18
100,00
+ 7,73
30 /r. Kösters.
X. Sauerstoif— Kalilauge (Fig. 7).
ix. r. u u 10"^ Volt ^ ^ , ,. 10-2 Volt
Proc-Gehalt -^t-tt- — Proc-Gehalt -,7—^7; —
'/4 Min. V4 Min.
0,017 - 0,992 14,50 + 20,47
0,44 + 5,43 29,00 + 12,46
4,92 + 14,60
XI. Sauerstoff — Kupfersulfatlösung.
.«.« T. r^ v 1. r .. 10"^ Volt
13,18 Proc-Gehalt, + 5,14 - rr— ü;
V4 Min.
XI 1. Sauerstoff — Salzs&ure.
Spec. Gew. 1,124, + 11,714 -?rnsT-^
'^ U Min.
Das Verhältniss der Ausströmungsgeschwindigkeiten für
Wasserstoff und Sauerstoff betrug 0,43. In den Tabellen fällt
zunächst die Grösse der Wirkung des reinen Wassers gegen
Wasserstoff auf, ausserdem die ausserordentliche Empfindlich-
keit derselben gegen geringe Beimengung fremder Substanzen.
Schon 0,007 Proc. Schwefelsäure machen die Wirkung zu Null,
während allerdings von den Salzen verhältnissmässig viel grössere
Mengen dazu nöthig sind. Destillirtes Wasser habe ich in
zwei frischen Proben von derselben Firma untersucht, von
denen die eine nur etwa die Hälfte der positiven Elektri-
sirung ergab als die andere. Der in der Tabelle mitgetheilte
Werth ist der von letzterer Lösung, den ich durch vielmaliges
sorgfältiges Beinigen und Ausspülen des Gefässes K erhielt,
der grösste, welcher mit käuflichen destillirtem Wasser zu er-
zielen war. Nach etwa 3 monatlichem Stehen in der Flasche war
der grosse Werth dieses Wassers etwa auf die Hälfte gesunken.
Von der Empfindlichkeit mancher Lösungen gegen einzelne
schwache Verunreinigungen mögen auch folgendes Beispiel
Zeugniss ablegen. Bei einer durch Kochen frisch hergestellten
50 proc. Lösung von Kochsalz fand ich plötzlich die Wirkung
fast gleich Null, während sie nach den vorhergehenden Ver-
suchen etwa
- 10"^ Volt
V4 Min.
ergeben musste. Wie die Untersuchung bewies, rührte die
Wirkungsabnahme von einem winzigen Partikelchen Siegellack
Elektrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase. 31
her^ welches durch Zufall in die Kochflasche gelangt war, und
von dem wahrscheinlich noch winzigere Theilchen in Lösung ge-
gangen waren.
Ein sehr interessantes Beispiel dieser Empfindlichkeit
einzelner Lösungen giebt J. J. Thomson^). Setzte man des-
tillirtem Wasser Spuren von Rosanilin zu, so konnte man eine
Aenderung in der elektrischen Wirkung gegen Luft schon
wahrnehmen, ehe eine Färbung des Wassers erkennbar war.
Die Curven für die Wirksamkeit verschiedener Concen-
trationen anorganischer Säuren und Salze zeigen alle nahezu
den gleichen Verlauf. Interessant ist noch die Eigenthüm-
lichkeit, dass concentrirte Lösungen entweder den Werth Null
ergeben, oder sich doch der Grenze Null nähern. 2)
11. Ausser diesen Bestimmungen habe ich nun noch an
einer Lösung festgestellt, wie die Erscheinung im Durchströ-
mungsapparat sich gegen Temperaturänderungen verhielt. Be-
nutzt wurde hierzu Schwefelsäure, spec. Gewicht 1,300 und Wasser-
stoff. Die Lösung wurde gerade deshalb gewählt, weil sie sich
gegen die im nächsten Abschnitt zu besprechende Absorption
von Wasserstoff während des Versuches als sehr unempfindlich
erwies. Es ergab sich bei diesen Versuchen, dass »ein Tempe-
ratureinfluss innerhalb eines Intervalls von 15 — 75** nicht zu
erkennen war. Der besseren lUustrirung halber und zugleich
zur Beleuchtung der Fehlergrenzen des Apparates gebe ich
hier einige Beobachtungsresultate direct:
_ Scalentheile
iperaiur
V4
Minute
15
11,8
11,9
11,9
19,5
12,2
11,8
—
29
12,0
12,0
11,8
45
11,8
11,7
12,3
60
11,9
—
—
73
11,8
11,9
—
76
11,9
12,3
12. Zuletzt will ich noch einige Beobachtungen besprechen,
die sich auf die Aenderung der elektrischen Wirkung durch
1) J. J. Thomson, Phil. Mag. 37. p. 343. 1894; Discharge of
Electridtj trough Gases p. 20. 1898.
2) lieber diese Eigenthümlichkeit bei Luft vgl. J. J. Thomson,
PhiL Mag. 87« p. 850. 1894; H. Usener, Bonner Dias. p. 88. 1895.
32 ^\ Rösters.
absorbirte atmosphärische Luft, Sauerstoff und Wasserstoff in
der benutzten Lösung beziehen. Wie ich schon früher be- ^
merkte, erhält man geringere Wirkung bei fast allen Lösungen,
wenn man schon einmal zu Versuchen mit Wasserstoff ge-
brauchte Lösung zum zweiten Male benutzt. Ich vermuthete,
dass diese Verminderung der Wirkung in der Absorption von
Wasserstoff seinen Grund hatte. Die Versuche bestätigten
dies. Eiine von allen Gasen befreite öOproc. Kochsalzlösung
wurde mit Wasserstoff gesättigt und untersucht, sie ergab um
rund 10 Proc. geringere Werthe, als gasfreie Lösung. Auf
denselben Werth gelangt auch letztere, wenn man sie längere
Zeit (2 — 3 Minuten genügen schon) im Ausströmungsapparat be-
nutzt. Für Schwefelsäure, spec. Gewicht 1,3, war der Einfluss
der Wasserstoffabsorption nicht mit Sicherheit zu constatiren.
Sättigte man vor dem Versuche 50 proc. Kochsalzlösung mit
atmosphärischer Luft, so ergaben sich in der ersten Minute
des Durchströmens bedeutend grössere elektrische Werthe^ als
in den folgenden. Die mit solcher Lösung in den Verschie-
denen Minuten erhalteneu Werthe verhielten sich wie folgt:
1. Minute
2. Minute
3. Minute
4. Minute
1,85
1
0,99
0,99
Von der vierten Minute an blieb die Ladung constant. Ich
denke mir, dass von dem durchströmenden Wasserstoff die
gelöste Luft ausgetrieben und Wasserstoff absorbirt wird. Aehn-
lich wie Luftabsorption wirkte Sauerstoffabsorption. — Die be-
sproch ene Wirkung der Luftabsorption wird ausserordentlich gross,
wenn man die zu den Versuchen gebrauchte Kochsalzlösung statt
mit Luft zu schütteln, aus gleichen Theilen mit Luft gesättig-
ten Wassers und concentrirter Kochsalzlösung zusammensetzt.
(Das Verhältniss der in der ersten Minute erhaltenen Elektrici-
tätsmenge zu der in der zweiten Minute erreichte den Werth 2:1).
Wahrscheinlich wird durch diese Mischmethode eine übersättigte
Lösung hergestellt^ ich bin jedoch nicht in der Lage, ein be-
stimmtes ürtheil abzugeben, da die Absorption von Luft und
anderen Gasen in solchen Salzlösungen noch nicht bestimmt
ist. Genauere Untersuchungen über die Wirkung der Ab-
sorption von Gasen, besonders Sauerstoff, gedenke ich noch
i
Ekktrische Ladung elektrolytisch frisch hergestellter Gase, 33
anzustellen, da diese Erscheinungen für die Erklärung der
Wechselbeziehungen zwischen Gasen und Flüssigkeiten frucht-
bar zu werden versprechen.
Zum Schluss erfülle ich die angenehme Pflicht, Hm, Prot
Dr. Kayser sowie Hrn. Privatdocenten Dr. Hagenbach für
ihre gütige Unterstützung und freundliche Antheilnahme an
meiner Arbeit meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
(Eingegangen 14. Juni 1899.
▲an. d. Phji. n. Gbam. N. F. 68. 8
3. Experi/nientelle und theoretische TJntersuchMng
über das SelbstpotetUiaV); von G. W. Patter son.
% 1. Einleitung.
Die vorliegende Untersuchung über das Selbstpotential
ist in zwei Abschnitte getheilt, einen experimentellen und einen
theoretischen. In dem ersteren werden die Maxwell'sche und
die Oberbeck 'sehe Methode, zur Bestimmung des Selbst-
potentiales aus Ohm und Secunde, mit besonderer Rücksicht
auf ihre Anwendbarkeit auf kleine Selbstpotentiale, verglichen.
Die Ursachen der jeder Methode anhaftenden Fehler werden
ausführlich besprochen.
Bei der MaxwelTschen Methode habe ich eine etwas aus-
gedehnte Untersuchung über die Anwendung des d'Arsonval-
Deprez'schen Galvanometers als ballistisches Galvanometer
mitgetheilt.
Im zweiten Theile habe ich die Berechnung des Selbst-
potentials von Rollen als Function der Energie, welche in dem
magnetischen Felde vertheilt ist, gegeben. Soviel ich weiss,
ist diese Methode bisher nicht zur Berechnung des Selbst-
potentials angewendet worden, obgleich die Principien, auf
welche sie gegründet ist, in den bekannten Werken über die
Elektricität und den Magnetismus vollständig erklärt sind.
Erster Theil.
Die Vergleichung der Methoden von Maxwell und von Oberbeck.
§ 2. Die Maxweirsche Methode.
MaxwelTs^ Methode, das Selbstpotential aus dem Maass
von Widerstand und Zeit zu bestimmen, ist später von Lord
Rayleigh bei seinen Ohmbestimmungen in verbesserter Form
benutzt worden.
1) Auszug aus der Inaugural-Dissertation.
2) J. C. Maxwell, Phil. Trans. Roy. Soc. 155. p. 475. 1865; J. C.
MaxwelTs Collected Papers. 1. p. 547. 1890.
Untersuchung über das Selbstpotential,
35
Zum Zweck meiner Untersuchung habe ich weitere kleine
Aenderungen an der Methode vorgenommen und habe viel
w grössere Vorsicht angewandt, um eine gleichmässige Tempe-
ratur der Rollen zu erzielen.
§ 3. Versuchsanordnung.
Fig. 1 zeigt die von mir gewählte Versuchsanordnung,
P ist die Rolle, deren Selbstpotential L gemessen werden soll,
Mj, W^j q^ und q^ sind Widerstände, deren Selbstpotentiale
und Capaci täten möglichst klein sind; der Gesammtwiderstand
Fig 1.
von q^ und q^ (parallel geschaltet) ist Q. C^ und C^ sind
Wippen, G ist ein ballistisches Galvanometer, und B ist eine
Batterie, deren elektromotorische Kraft und Widerstand con-
stant sind. Alle vier Widerstände P, Q, /f\, W^ sollen ein-
ander so gleich sein als möglich. Q soll in seinen Ab-
stufungen anpassbar sein. Das wird dadurch erreicht, dass
man zwei Widerstände in Parallelschaltung anwendet Wenn
der Widerstand q^ etwas grösser ist als der gewünschte Werth
von Q {= PH^JW^), so ist es möglich, ein Gleichgewicht in
der Wheatstone'schen Brücke zu erhalten dadurch, dass man
q^ einen passenden grossen Werth giebt. Wegen seines
grossen Werthes ist es möglich, q^ mit grosser Genauigkeit
anzupassen. Ueberdies kann die Wirkung des veränderlichen
Contactwiderstandes zwischen den Stöpseln und den Klötzen
8-
36 G. W. PaUerson,
des Widerstandskastens und zwischen den Leitungsdrähten
und den Klemmschrauben weniger zur Geltung kommen.
§ 4. Beobaohtung^en.
In seiner ursprünglichen Methode beobachtete Maxwell
die Ablenkung a des ballistischen Galvanometers beim Schliessen
des Kreises, wenn die Widerstände so abgepasst waren, dass
sie keinen dauernden Strom durch das Galvanometer gaben,
und die grösste durch den dauernden Strom hervorgebrachte
Ablenkung ß fiir den Fall, dass der Widerstand eines Zweiges
im Verhältniss von 1 zu (> vergrössert wurde. Das Galvanometer
wurde erst einige Zeit eingeschaltet, nachdem die Batterie
geschlossen war. Er giebt die Formel:
p ist das Selbstpotential und P der Widerstand der zu messen-
den Rolle (gleich Q genommen), T ist die Schwingungsdauer
des Galvanometers (Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden
Durchgängen durch die Nulllage), und n die Ludolf'sche Zahl
8,14159.... Um die Wirkung des Widerstandes der Luft zu
eliminiren, sollte ß gleich 2a sein.
§ 5. Lord Rayleigh*B VerbeBsemngen.
Lord Raylei gh lenkt die Aufmerksamkeit auf kleine
Fehler, die. auf der Anwendung von 1 — (> in der Formel (1)
beruhen, und giebt eine andere Formel an ihrer Stelle, nämlich:
(2) L ^L ^^g/^^B^-;
L ist das Selbstpotential der Rolle P\ die Widerstände P und
Q sind hier gleich. A Q ist die Aenderung in Q, um die dau-
ernde Ablenkung 0 hervorzubringen; x i^^ ^i^ Stromstärke in
Q, wenn das Widerstandsgleichgewicht vollkommen ist. T und
a sind wegen der Dämpfung corrigirt. Die Ablenkung a wird
Untersrichung über das Selbstpotential. 87
durch ümkehrung des Stromes der Batterie hervorgebracht
^ JFalls der Stromkreis nnr geschlossen oder unterbrochen wird,
muss ein Factor 2 in den Zähler eingeführt werden.
§ 6. Aenderungen für den Gebrauch des d^Arsonval-
D 6 p r 6 z'sohen Qalvanometers.
Wegen der magnetischen Störungen in dem Laboratorium
fand ich es räthlich, ein d'Arsonval-Deprez'sches Galvano-
meter für meine Arbeit zu verwenden. Die Anwendung dieses
Galvanometers kann eine Veränderung in der Formel (2) ver-
langen ; diese setzt eine zum Cosinus der Ablenkung proportio-
nale Ablenkungskraft und eine zum Sinus proportionale rück-
treibende Kraft voraus.
Der erstere Fall tritt ein, wenn das d'Arsonval-
Deprez'sche Galvanometer ein gleichmässiges Feld senkrecht
zur mittleren Ebene der aufgehängten Rolle hat; und der zweite
tritt mit Annäherung ein, wenn die Aufhängung der Rolle
bifilar ist.
Wenn das Feld gleichmässig ist und die Aufhängung
unifilar und cylindrisch ist, lautet die Formel:
(3) i, = JQ__.___ .
Es ist nämlich die Ablenkungskraft proportional dem Cosinus
des Ablenkungswinkels (beim unveränderlichen Strom), und
die rücktreibende Kraft proportional dem Winkel. Bei den
ballistischen Ablenkungen nimmt man an, dass die Ablenkungs-
kraft zu wirken aufgehört hat, ehe der Cosinus des Ablenkungs-
winkels wesentlich verschieden von Eins ist.
Wenn das Feld nicht gleichmässig und die Aufhängung
bifilar ist» darf man die Formel schreiben:
worin ^0) in der Weise eine Function von 0 ist, das»
0/y^(0) genau proportional zur Stromstärke ist. ^(0) wird
^ gleich Eins für unendlich kleine Ablenkungen.
38 G. JF. Patterson.
Wenn das Feld nicht gleichmässig und die Aufhängung
unifilar und cylindrisch ist, lautet die Formel: %
(5) L.A<i'lJ^^^.
Bei der cylindrischen , unifilaren Aufhängung ist die
Schwingungsdauer unabhängig von der Amplitude; bei der
bifilaren ist sie grösser für grössere Amplituden. Der Werth
für y in den Formeln (2) und (4) ist der Werth für den sehr
kleinen Ausschlag.
Die von mir benutzte Aufhängung war ein feines Kupfer-
band , welches für grosse Amplituden gewissermaassen einer
Bifilarauf hängung glich. Die Gomplicationen, welche diese
Art der Aufhängung bedingen, werden weiter unten besprochen
werden. Vgl. §§ 8 und 17.
§ 7. Annahme einer kleinen Zeitconstante.
In den vorhergehenden Formeln wird angenommen, dass
die Schwingungsdauer des Galvanometers im Vergleich zu der
Zeitconstante L j R des Systems so gross ist, dass der erzeugte
Strom durch das Galvanometer geht, ehe die Rolle in einen
Theil des Feldes gelangt ist, in welchem die wirkende Com-
ponente einen wahrnehmbar verschiedenen Werth besitzt. Wenn
dies nicht so wäre, könnte ein bedeutender Fehler gemacht
werden.^) In den vorliegenden Versuchen konnte dies des-
halb nicht eintreten, weili/Ä immer kleiner war als 0,001,
und die Schwingungsdauer des Galvanometers grösser war als
12 Secunden.
§ 8. Empfindlichkeit und Dämpfung des Galvanometers.
Das Galvanometer, welches ich benutzte, war von Prof.
Edelmann in München. Die Bolle war rechteckig, 8 cm lang
und 2,5 cm breit. Sie bestand aus ungefähr 60 Windungen
von ziemlich starkem Draht und hatte einschliesslich der Auf-
hängung einen Totalwiderstand von 4,24 Ohm. Ohne erhöhten
Widerstand war das Instrument ganz aperiodisch. Bei meinen
Versuchen jedoch wurde es immer mit erhöhtem Widerstände
1) P. H. Ledeboer, La Lumi^re «^lectrique 81. p. 309. 1889.
Untersuchung über das Selbstpotential, 39
angewendet. Um die Schwingungsdauer und die E^pfindlich-
0 Jceit zu vei^össem, ersetzte ich das ursprüngliche Aufhängungs-
rohr durch ein doppelt so langes. Zur Aufhängung benutzte
ich nach Vorversuchen Eupferband; es gab die gewünschte
Empfindlichkeit und war nahezu frei von thermoelektromoto-
riscber Kraft. Besondere Versuche zeigten, dass die Schwingungs-
dauer etwas von der Amplitude abhing. Vgl. § 17.
Wie sich aus der folgenden Darlegung ergeben wird, ist
es nicht räthlich, die Empfindlichkeit des Galvanometers über
einen gewissen Punkt hinaus dadurch zu erhöhen, dass man
die Stärke des Feldes oder die Zahl der Windungen der Rolle
vermehrt, da beides zu vergrösserter Dämpfung der Schwingungen
f&hrt. Wenn ein Galvanometer eigens für einen solchen Zweck
hergestellt würde, sollte es eine Bolle von grossem Trägheits-
moment, aber relativ kleiner Masse an einer langen cylin-
drischen Aufhängung von geringer Torsionskraft besitzen. Die
Zahl der Windungen sollte klein und das Feld stark genug
sein, um die gewünschte Empfindlichkeit zu geben. Diese
Bedingungen widersprechen sich einigermaassen und gestatten
nicht, dass dieses Galvanometer die Empfindlichkeit eines
Nadelgalvanometers erreicht.
§ 9. Theorie des d'Ar8onval-Deprez*8ohen Galvanometera.
Wenn wir annehmen, dass die Luftreibung der Rolle der
Winkelgeschwindigkeit proportional, dass das magnetische Feld
um die Rolle constant ist, und dass die Zeitconstante der Rolle
im Verhältniss zu der Schwingungsdauer gering ist (was der
Forderung entspricht, dass die durch die Bewegung erzeugte
elektromotorische Kraft die gleiche Phase wie der Strom hat),
80 ist die Bewegungsformel der Rolle nach einem Impuls
^^\ ^-d^ + r + -R- ^^' ^jdT + "^ 0 = 0 .
worin K das Trägheitsmoment der Rolle ist, 0 die Winkel-
ablenkung, / die Zeit, F das Luftreibungsmoment bei der Ein-
heitswinkelgeschwindigkeit, H die äquivalente Feldstärke um
die Rolle (wir ziehen in Rechnung, dass die Rolle nicht aus
einer Windung besteht), n die Zahl der Windungen, S die
^ mittlere Windungsfläche, S der Widerstand des Stromkreises
40 G, fr. Patterson.
des Galvanometers, und w das Moment entsprechend der Torsion
der Aufhängung um die Winkeleinheit. Alle diese Grössen ^
müssen einem Einheitssystem angehören.
ü n S cos 0 -r-
d t
ist die von der Bewegung der Rolle erzeugte elektromotorische
Kraft;
HnS ridS
__^_cos0^^
ist der erzeugte Strom von gleicher Phase und
—R- ^^^ ® -dt
ist das Verzögerungsmoment, welches auf die Rolle wirkt und
von dem erzeugten Strom herrührt.
Wenn 0 gering hleibt, so kann der Unterschied zwischen
cos*0 und der Einheit vernachlässigt werden, und die Be-
wegungsgleichung kann geschrieben werden wie folgt:
Unter den Bedingungen, dass
und 0 = 0, wenn ^=0, ist die Lösung der Gleichung (7):
{S)oj = e,e -^^ ^ ^ sin(|/-^--r;^.(^+— ^— ) f
Zur Vereinfachung kann dies geschrieben werden:
;9) 0=0,e' ^isiny.
Dieses ist die Gleichung einer gedämpften harmonischen
Bewegung. 0^ ist eine von Anfangsbedingungen abhängige
Constante. T^ ist die Schwingungsdauer und A das natürliche
logarithmische Decrement. Wenn
Untersuchung über das Selbstpotential, 41
dann hören die Schwingungen auf, und die Bewegung wird
I aperiodisch. Das Galvanometer ist dann für ballistische Zwecke
nicht geeignet.
§10. Correction der Sohwingungsdauer wegen Dämpfung.
Die Schwingungsdauer ist, nach (8) und (9):
\
7' = ^
(10)
' Vi-M'*-i^'
-^]ß{^*M'^-4^'"^-
Wenn es keine Dämpfung gäbe, würde die Schwingungs-
dauer:
(11) ^=''l/?
Deshalb
,12) r,-.(, + -l-(r+^l^)'eto.).
Aus den Gleichungen (8) und (9) ergiebt sich auch, dass
J. [/ J» f2
mithin
(13)
n
m_ rp
^- ^iy„t+^«
Wenn die Dämpfung gering ist, kann der Unterschied
zwischen T und T^ für gewöhnlich vernachlässigt werden. Bei
starker Dämpfung ist es schwierig T mit Genauigkeit zu er-
halten, da die Zahl der Schwingungen, welche man beob-
achten kann, sehr beschränkt ist. Aus diesem Grund habe
ich vorgezogen, die Schwingungsdauer des Galvanometers bei
offenem Stromkreise zu bestimmen, wobei ich eine geringe
Dämpfung und lange andauernde Schwingungen hatte. Der
Werth von T kann dann mit viel grösserer Genauigkeit be-
rechnet werden.
42 G. IT. Fatterson,
Bei dieser Anordnung fand ich
^ = 0,0287 und - ^- =0,999958,
d. h. der Unterschied zwischen T^ und T kann vernachlässigt
werden.
§ 11. Correction der Amplitude wegen der Dämpfung.
Um die erste Ablenkung mit Rücksicht auf die Dämpfung
zu corrigiren, muss man wissen, welcher Bruchtheil 0 einer
Schwingungsdauer zwischen einem Durchgang durch den Null-
punkt und der folgenden Elongation verfliesst. Aus Glei-
chung (9) folgt:
(9) 0 = 00^ ^«sin-^^.
Die Ablenkung ist Null, wenn t Null oder irgend ein
ganzes Vielfaches von T^ ist. Für die Maximal- und Minimal-
werthe muss die Winkelgeschwindigkeit
(1^) -Tt-==^o' ^' (-JT "'•' "7-.' - TT "'" X)
gleich Null sein; oder
(15) (t« x)-''-^ = 0 = *« (" *^ = 1 '
und
TT <rr 7^
(16) 7t 0 = arctg — = arc sin -7:= — = arc sin
A 1/71« + ^» T,
Die Winkelgeschwindigkeit am Anfang ist
(") (-'3?),=.=«.lr-
Wenn & und 0i die Entfernung und die Amplitude mit
eliminirter Dämpfung sind, und die anderen Bedingungen die-
selben bleiben, dann ist
Daraus folgt, dass die erste Ablenkung 0^ wie folgt ausge-
drückt wird:
(19) 0, =0oi?-'^*sin;ra)=01-5-i?-^*sin7ra>=01tf-^*.
Untersuchung über das Selbstpotenäal. 43
Daher ist die erste, wegen Dämpfung corrigirte Amplitude
Wenn Aq, ä^, A^y . . . , A^ die aufeinander folgenden
Amplituden in Scalen theilen (cm) bedeuten, und A die erste,
wegen der Dämpfung corrigirte Amplitude ist, so ist
(21) A^A^l^,
wobei
A = A = A = n^A. (VgL§9.)
Wenn die Dämpfung gering ist, ist ^ beinahe genau 0,5,
und wir können es annähernd schreiben:
(22) A^Aq'}/1=aA\ + ~^ (beinahe) .
§ 12. Qebrauch der Doppelamplitude.
Aenderungen der Temperatur der Rollen und Thermoströme
verursachen eine allmähliche Verschiebung des scheinbaren Null-
punktes des Galvanometers. Die daraus entstehenden Fehler
kann man eliminiren, wenn A (=logA) von den Doppel-
amplituden, welche dasselbe logarithmische Decrement wie die
Amplituden haben, gerechnet wird. Die erste corrigirte Ampli-
tude ist:
(23) A = A±^ A * = (^, + A,) '—-- .
Wenn das Decrement klein ist, kann man annähernd
entweder
(24) ^ = (^0 + ^i) 4
oder
(25) ^ = (^0 + ^i) ^4"^-
setzen.
Bei meinen Versuchen war A zu gross, um diese An-
näherungen zu erlauben.
44 G. }f^, Patterson.
§18. Sohema eines d'ArBonval-Deprez^Bchen Qalvanometers.
Viele der Angaben über den besten Querschnitt der Rolle
des d'Arsonval-Deprez'schen Galvanometers, obwohl schein-
bar von allgemeiner Anwendbarkeit^), gelten für das ballistische
Galvanometer nicht. Die Angabe, dass die Rolle lang und
schmal sein sollte, ist ohne Zweifel richtig für Galvanometer,
welche zu jedem, ausgenommen ballistischem Gebrauche be-
stimmt sind. Eine solche Rolle ist höchst empfindlich, bewegt
sich schnell, und hat starke Dämpfung. Die zwei letzten
Eigenschaften sind bei einem ballistischen Galvanometer zu ver-
meiden; dieses soll empfindlich sein, und grosse Schwingungs-
dauer und massige Dämpfung haben.
Betrachten wir diese drei Forderungen. Die Empfindlichkeit
ist proportional dem Ausdrucke HnSjwR-, die Schwingungs-
dauer ist annähernd proportional YKjWj und die Dämpfung
pro Secunde ist proportional
w-'^'-y
Es ist sofort klar, dass F und w klein und K gross sein
muss. Aenderungen der anderen Grössen bringen wider-
sprechende Erfolge hervor; nämlich: entweder verstärken sie
die Empfindlichkeit und die Dämpfung, oder sie verringern
beide. Jedoch ergiebt sich, dass die Empfindlichkeit unver-
ändert bleiben wird, wenn sowohl der Widerstand R als die
Zahl der Windungen im gleichen Verhältniss verringert werden.
IPn^S^ wird auch in demselben Verhältniss, mit einer ent-
sprechenden Verminderung der Dämpfung, verringert sein.
Es ist vortheilhafter n statt S oder H zu verringern, da
sowohl die Zeitconstante als das Selbstpotential der Rolle n'
annähernd proportional sind. Diese beide Grössen sollten
selbstverständlich klein sein. Eine Verminderung von S hat
eine ähnliche, obgleich kleinere Wirkung auf die Zeitconstante;
sie würde aber auch das Trägheitsmoment zugleich mit der
Masse vermindern, was ungünstig wäre. Wenn es aus irgend
1) A. Gray, The theory and practice of absolute measttrements in
electricity and magnetism, 2. part 2, p. 878, 1898; T. Math er, PhiL
Mag. p. 434. May 1890.
1
Untersuchung über das Selhstpotential, 45
einem Grunde nicht thunlich ist, n oder 8 soviel wie gewünscht
zu vermindern, dann wäre es gut, H zu verringern. Das habe
ich gethan dadurch , dass ich ein paar Magnete von dem
Galvanometer entfernt habe. Nachdem ich. die frühere Em-
pfindlichkeit durch Aenderung des Widerstandes des Galvano-
meterzweiges wieder hergestellt hatte, fand ich, dass die
Dämpfung in dem erwarteten Verhältniss verringert war.
§ 14. Wirkungen der Temperaturänderungen.
Der praktischen Anwendbarkeit der MaxwelTschen
Methode bei kleinen Selbstpotentialen setzen sich wegen der
Fehler bei Temperaturänderungen bedeutende Schwierigkeiten
entgegen. Dies ist besonders der Fall, wenn die Zeit-
constante der Rolle klein ist; denn die zufällige Aenderung
in P infolge Aenderung der Temperatur kann gleich einem
bedeutenden Theile der absichtlichen Aenderung AQ'm Q sein.
um eine merklich constante Temperatur der Kupfer-
rollen zu erhalten, wurden sie in ein grosses Glas gebracht,
welches in ein noch grösseres mit Wasser gefülltes Glasgefäss
gestellt wurde. Das Wasser besass die Temperatur der Um-
gebung, und die Rollen wurden mit Baumwollabfall in einer
Höhe von 15 cm bedeckt.
§ 15. Beobachtungen bei maximalen und minimalen Temperaturen.
Schliesslich wurde zu einem sehr einfachen Hülfsmittel
gegriffen, um die Wirkungen der Temperatur genau zu be-
rücksichtigen. Wenn die Temperatur des Wassers in dem
Gefäss gefallen war, so war die Temperatur der Rolle höher.
Wenn die Luft in der Nähe des Gefässes etwas erhitzt wurde,
80 wurde die fallende Temperatur des Wassers allmählich zum
Steigen gebracht. Die Temperatur der Rolle ging dann sehr
langsam durch einen Minimalwerth. Während die Temperatur
durch dieses Minimum ging, war Gelegenheit zu einer Reihe
von durch eine Temperaturänderung nicht gestörten Beobach-
tungen gegeben.
Nachdem diese Reihe vollendet war, wurde eine andere
angefangen, nachdem entweder die Batterie, das Galvanometer,
oder beide umgeschaltet waren. Diese vier bildeten thatsäch-
lich eine Gruppe, welche von den durch thermische Wirkungen
46 G. W. Patterfton,
verursachten Unregelmässigkeiten und der Asymmetrie des
Galvanometerfeldes etc. frei war. Während der Beobach-
tungen wurde die Temperatur des Zimmers durch einen Gas-^
ofen so geregelt, dass die Maximal- und Minimal werthe der
Temperatur der Rolle einander folgten.
§17. Abhängigkeit der SchwingimgBdauer von der Amplitude
und der Temperatur.
Genaue Versuche ergaben, dass die Schwingungen bei einer
Drahtaufhänguug isochron in den Grenzen von Beobachtungs-
fehlern sind, wenn die Temperatur constant bleibt. Bei einem
Kupferband ist dies nicht der Fall. Glücklicherweise ist für
Amplituden, wie ich sie benutzte (weniger als 22 cm bei einem
Scalenabstand von 270 cm), die Abweichung in der Schwingungs-
dauer gering. Das Kupferband wirkt in gewisser Beziehung
als bifilare Aufhängung, für welche das zurücktreibende Drehungs-
moment dem Sinus der Winkelablenkung entspricht, wenn der
Winkel klein ist, während ein cylindrischer Draht ein dem Winkel
entsprechendes zurücktreibendes Drehungsmoment besitzt.
Die Wirkung der Temperaturänderung auf die Schwingungs-
dauer ist fast eine lineare Function der Temperatur.^) Eine
Temperaturerhöhung bringt eine Ausdehnung sowohl des Quer-
schnitts als der Länge der Aufhängung hervor. Die einander
entgegengesetzten Wirkungen dieser Ausdehnung würden eine
Verminderung der Schwingungsdauer verursachen, wenn nicht
die begleitende Vermehrung des Trägheitsmomentes, welche
auch von der Ausdehnung und der Aenderung in dem Torsions-
modulus des Aufhängemateriales herrührt, es verhinderte.
Diese letzten Wirkungen erhalten das Uebergewicht und daraus
entsteht eine geringe, dem Wachsen der Temperatur propor-
tionale Zunahme der Schwingungsdauer.
Die folgende Tab. 1 (vgl. p. 47) zeigt die relativ kleine
Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der Amplitude und
der Temperatur. Das logarithmische Decrement ist auch
mitgetheilt. Die Entfernung zwischen Galvanometer und Scala
war 270 cm.
Um die Abhängigkeit der Schwingungsdauer von der
Amplitude zu zeigen, fand ich es nöthig, kurze Zwischenzeiten
1) Gr. W. Patterson and K. E. Guthe, Phys. Rev. 7. p. 274. 1898.
Vnterguchung über das Selbstpotential.
47
Tabelle 1.
#4 o ^^
Doppel-
amplituden
Log. Doppel-
amplituden
(Baais 10)
1
Logarithmisches
Decrem ent
Zwischenzeit
sec
1
S) o
1 3
M TS
iperatur
elsius)
lös
(Basis 10)
(Basis e)
1
86,85
1,938770
31
34,80
1,541579
0,013239
0,030484
365,2
12,173
22,0
35
80,93
1,490380
65
12,75
1,105510
0,012829
0,029540
364,6
12,153
22,0
72
10,66
1,027757
100
4,68
0,670246
0,012765
0,029393
364,2 »)
12,140
22,0
1
84,98
1,929317
27
39,55
1,597146
0,012776
0,029418
316,3
12,165
15,9
31
35,22
1,546789
57
16,79
1,225051
0,012374
0,028492
315,6
12,138
16,0
61
14,97
1,175222
87
7,18
0,856124
0,012273
0,028260
315,6
12,138
16,1
93
6,09
0,784617
119
2,97
0,472756
0,011995
0,027620
315,0
12,115
16,2
125
2,50
0,397940
151
1,21
0,082785
0,012121
0,027910
315,0
12,215
16,2
1
93,45
1,970579
1
21
52,88
1,723291
0,012364
0,028469
242,5
12,125
9,15
25
47,30
1,674861
45
27,27
1,435685
0,011959
0,027537
242,0
12,100
9,17
49
24,47
1,388634
i
69
14,24
1,153510
0,011756
0,027069
241,5
12,075
9,20
73
12,77
1,106191
93
7,46
0,872739 0,011673
0,026878
241,5
12,075
9,20
97
6,69
0,825426
1
117 1
3,92
0,593286 0,011607
0,096726 '
241,5 ,
12,075
9,20
ZU bei
lutzen.
Deshalb
können
die Schwi
ngungs<
dauern \
fehler-
haft bis zu 0,1 Proc. sein. Sie zeigen also deutlich, dass die
SchwiDgungsdauer zuerst langsam und darauf schneller mit
der Amplitude zunimmt.
Die Schwingungsdauer nimmt auch mit der Temperatur
deutlich zu, und zwar ungefähr um 0,004 Secunden oder
0,03 Proc. pro Grad.
1) Von der 70. bis zu der 100. Doppelamplitude.
48
G. IV. Patterson,
Wie zu erwarten, ist das logarithmische Decrement grösser,
wenn die Schwingungsdauer grösser ist. Es entsteht auch ein
Zuwachs in dem logarithmischen Decrement mit der wachsen-^
den Amplitude, da grosse Schwingungen mehr und mehr von
einer einfachen harmonischen Bewegung abweichen, nämlich:
die zurücktreibende Kraft wächst in geringerem Grade als die
Abweichung. Das in der angeführten Tabelle gegebene loga-
rithmische Decrement ist in keinem Falle gross genug, um
die Schwingungsdauer wahrnehmbar zu beeinflussen. Vgl. § 10.
§ 18. Correotion wehren Ungleichförmlgkelt des Feldes.
Die Gleichungen (4) und (5) § 6 enthalten eine unbekannte
Function V(0) der Ablenkung, welche experimentell bestimmt
werden muss. Wie in § 6 erwähnt, wird diese Function
gleich cos 0, wenn das Feld gleichförmig ist. In den folgenden
Tab. 2 u. 3 werden die Daten und Resultate für die beiden
Beobachtungsfolgen gegeben. Der Strom wurde in jedem Falle
um bekannte Beträge vergrössert und die Ablenkungen an-
gegeben. Jede Reihe ist der Mittelwerth zweier in entgegen-
gesetzter Ordnung genommener, um fortschreitend verändernde
Wirkungen zu eliminiren, wie allmähliche Veränderung der
Temperatur der Batterie und der Rollen, und die Polarisation
der Batterie. In keinem Falle waren weniger als 10 000 Ohm
im Kreise.
Tabelle 2.
Relativ-
strom
Ablenkung
in cm
Mittlere
Ablenkung
Secunden
-i- Strom
1255,5
WO)
Verhältniss
zum ersten
1,0000
Cosinus
des Ab-
lenkungs-
winkels
linke
rechte
cm sec *)
2
6,56
6,59
6,575 ■ 2511,0
0,9999
3
9,85
9,89
9,870 3768,5
1256,2
1 1,0006
0,9998
5
16,63
16,525
16,477 , 6286,0
1257,2
1,0014
0,9995
7
22,99 1 23,175
23,082 8795,4
1256,5
j. 1,0009
0,9991
9
29,59
29,895 1 29,742 11815,0
1257,2
1,0014
0,9985
11
86,20
36,62
36,410 1 13824,0
1256,7
1,0010
0,9977
18
42,79
43,435
43,112, 16829,5
1256,1
1,0005
0,9969
1) Die Entfernung zwischen Gkilvanometer und Scala war 270 cm.
Untersuchung über das SelbstpotentUU.
49
T
abelle
3.
Relativ-
flxinriTffi
Ablenkung
in cm
Mittlere
Ablenkung
1
Secundeu
-^ Strom
1
VerhältnlBs
zum ersten
Cosinus
des Ab-
lenkungs-
winkels
linke rechte j
1
cm
sec*)
1
4,142 4,092
4,117
•
1572,3
1572,3
1,0000
1,0000
2
8,240 8,230
8,235
3144,6
1572,3
1,0000
0,9999
8
1 12,321 1 12,416
12,368
4720,9
1573,6
1.0008
0,9997
4
16,448 ' 16,573
16,508
6297,7
15T4,4
1,0013
0,9995
5
20,560 20,765
20,662
7876,9
1775,4
1,0020
0,9993
6
24,680 24,96
24,820
9453,9
1575,6
1,0021
0,9990
7
28,835
29,142
28,988
11030,3
1575,8
1,0023
0,9986
8
32,952
33,385
83,168
12606,0
, 1575,7
1,0022
0,9981
9
37,070 37,630
37,350; 14176,6
1 1575,2
1,0019
0,9976
10
41,225
41,925
41,575
i 15756,7
1575,7
1,0022
0,9971
Aus den Tabellen ist ersichtlich, dass die Rolle bei der
Ablenkung sich in ein stärkeres Feld bewegte, weil die Ab-
lenkungen schneller zunahmen als die Str(">me; in einem gleich-
massigen Felde würden die Ablenkungen langsamer zunehmen
als die Ströme, da die Neigung der Rolle zu dem Feld einen
Factor cos 0 einführt. Bei ungefähr 2,5^ erreicht die wirksame
Komponente ihren höchsten Werth, und erfährt jenseits dieses
Punktes eine Abnahme in dein Verhältniss der Ablenkung
durch den Strom.
Da der Nullpunkt nicht genau der gleiche für die ver-
schiedenen Beobachtungen war, so konnte nicht erwartet wer-
den, dass die Resultate genau übereinstimmen würden. Ausser
einer geringen, von Tag zu Tag fortschreitenden Veränderung
veränderte sich der Nullpunkt mit der Temperatur um ^4 cm
pro Grad. Die Einheit des Stromes ist in den zwei Tabellen
verschieden.
Die letzte Tabelle (3) wurde den Correctionen zu Grunde
gelegt, da die Bedingungen, unter welchen man sie erhielt,
f&r günstiger erachtet wurden, als diejenigen der früheren.
V(0) ist das Verhältniss in der Tabelle, so corrigirt, dass
sein Werth, dem unendlich schwachen Strom entsprechend,
gleich Eins war. Diese Function, für 0 = 0, muss durch ein
1) Die Entfernung zwischen Galvanometer und Scala war 270 cm.
Ano. d. PbTB. Q. Ch«m. N. F. 69. 4
60
G. IV, Patterson.
Maximum oder ein Minimum gehen, da sie auf den durch
Plus- und Minusablenkungen erhaltenen Durchschnittswerth a
gegründet ist. Die Ablenkungen als Functionen des Stromes
müssen der Natur der Sache nach durch schwach gekrümmte
Gurven dargestellt sein. Da sich aus den Tabellen ein
Maximal werth zwischen 2^ und 3° ergiebt, so dürfte 0 = 0
dem Minimalwerth des Verhältnisses entsprechen. Es ist bei
dieser Berechnung angenommen worden, dass der Werth des
Verhältnisses thatsächlich nicht zwischen seinem Minimalwerth
für 0 = 0 und dem für die erste Ablenkung (0 = 1572,3")
gegebenen Werth verändert werden kann. Deshalb sind die
in der Tabelle gegebenen Werthe des Verhältnisses für ^^(0)
der Gleichung (25) genommen worden.
§ 19. Messungen nach der Maxwell-Raylelgh*schen Methode.
Ich komme nun zu den Messungen (mit Rolle 1), bei
welchen ich meine Modification der Maxwell-Rayleigh'schen
Methode anwendete. Die Tabellen geben die beobachteten
Grössen und die berechneten Resultate folgen. Der Wider-
stand des Galvanometerzweiges war 24,44 Ohm und die Ent-
fernung zwischen Galvanometer und Scala war 270 cm. Ta-
belle 4 giebt die Ablesungen und Doppelamplituden, welche
Tabe
Ue 4.
Ente Reihe, Rolle
1, 3. Januar 1899
•
(1)
(2)
0
5)
Doppel-
(4)
Ab-
Doppel-
Ab-
Doppel-
Ab-
Ab-
Doppel-
lesung
ampl.
lesung
ampl.
lesung
ampl.
lesung
ampL
(in cm)
(in cm)
(in cm)
45,49 »)
(in cm)
(in cm)
(in cm)
(in cm)
(in cm)
45,11 1)
44,96 »)
—
44,71»)
— —
67,13
23,93
—
23,515
—
66,60
27,22
39,91
63,82
39,89
63,43
39,915
26,76
89,84
60,65
83,43
30,30
83,52
29,40
34,03
60,18
83,42
82,81
27,84
—
57,76
28,36
32,39
27,79
56,10
23,29
34,76
34,45
23,31
55,67
23,28
36,70
19,40
54,18
19,42
53,85
19,40
36,28
19,89
52,93
16,13
37,90
16,28
87,59
16,26
52,58
16,25
89,405
13,525
51,43
13,53
51,13
13,54
39,01
18,52
1):
NfuUpunkt
Untersuchung über da» Selbstpotential.
51
Tabelle 5.
•
(1)
■
(2)
(3) i
(4)
9, {jxk Ohm)
21,1
21,1
21,1 1
21,1
9t T9 7)
1758,8
1771,4
1793,4
1800,7
ft >« »»
1518,8
1581,4
1553,4
1560,7
0 ,y ,»
20,84987
20,85163
20,85464
20,85562
^ 0 „ „
0,08898
1 '
0,08840
0,03740
0,03708
Nullpunkt
, 46,422
44,50
44,81
45,787
Ablesung
87,68
4,515
5,375
84,935
Ablenkung
; 41,258
39,985
38,935
39,148
man bei der Umschaltung der Batterie fllr jede der vier Ver-
tanschungen der Batterie- und Galvanometerverbindungen er-
hält. Tab. 5 giebt die entsprechenden andauernden, durch
die Aenderung des Widerstandes Q in Q + A Q, hervor-
gebrachten Ablenkungen. Q ist der Gesammtwiderstand von
q^ und q^ (parallel geschaltet), und Q + AQ ist der von q^
und q^.
Das logarithmische Decremen t
^ = legi = 0,180253, A= 1,19752, arctg^ =86M2'58",
0 = 0,481 756 ,
A + 1
= 0,59438;
tg2a =
erste mittlere Doppelamplitude gleich Aq+ Ä^=^ 39,889 cm;
erste wegen Dämpfung corrigirte Amplitude
^ = (4,H-^,)A!^^ = 23,715cm,
a = 20 30' 35,3";
erste mittlere Ablenkung
Ä = 39,832 cm, tg2 0= ^^'^^^
23,715
270
270 ' 0 = 4Mr4O,7",
V(0)= 1,002;
Schwingungsdauer T= 12,190 sec,
HtÜfswiderstände der Wheatstone'schen Brücke
rj- ^2= 94,07 Ohm, JQ=0,037965 Ohm, -^ = 0,99966;
Widerstand des Galvanometerzweiges = 44,24 .
A = ^^^ '^iTe^^ = 0,043705 Henry.
52
O. W. Patterson.
Tabelle 6.
Zweite Reihe, Bolle 1, 4. Januar 1899.
0) ;
(2)
(3)
(4)
Ab-
DoppeU
Ab-
Doppel-
Ab-
Doppel-
Ab-
Doppel-
lesang
ampl.
lesung
ampl.
lesung
ampl.
lesung
ampl.
(in cm)
(in cm) j
(in cm)
(in cm)
(in cm)
(in cm)
(in cm)
(in cm)
45,76 »)
46,11»)
—
46,32 >)
—
46,08 >)
—
67,40
24,54
—
24,89
—
67,78
—
27,89
40,01
64,42
89,88
64,83
39,94
27,86
89,92
60,90
38,51
80,94
33,48
31,28
83,55
61,32
88,46
82,96
27,94
58,75
27,81
59,17
27,89
38,48
27,84
56,81
28,35
85,43
28,32
35,78
23,39
56,78
23,30
86,83
19,48
54,83
19,40
55,23
19,45
37,40
19,38
53,10
16,27
38,59
16,24
38,93
16,30
53,62
16,22
89,51
13,59
52,10
13,51
52,48
18,55
40,11
13,51
Tabelle 7.
(1)
(2)
(3)
(4)
9i (in Ohm)
21,1
21,1
^ 21,1
21,1
?j »» »
1792,3
1792,0
1797,9
1803,9
9t » »
1552,8
1552,0
1557,9
1568,9
Q „ „
20,85449
20,85445
20,85525
20,85605
^ e „ „
0,08745
0,03746
0,03720
0,08694
Nullpunkt
45,93
45,513
45,92
46,785
Ablesung
85,43
6,545
7,185
85,75
Ablenkung
89,50
38,968
38,785
88,965
Ä = 1,19755, ^=0,180277, 0=0,48175, f-^ = 0,59439
^0+^=89,9375, ^ = 23,74, a = 2" 30' 39,2", Ä = 39,042
0 = 4« 06' 50,0", V(0)= 1,002, 2"= 12, 190, H'^ = W^ = M,Q'l
'- = 0,99966, G = 44,24, J Q = 0,03726.
ii = 0,04375 Henry.
1) Nullpunkt.
Untersuchung über das SelbstpotentiaL
53
Tabelle 8.
Dritte Reihe, Bolle 1, 4. Januar 1899.
(1)
i (2)
(3)
w
Ab-
Doppel-; Ab- \
Doppel
-, Ab-
1
Doppel -
Ab-
1 Doppel-
lesung
ampl.
lesung 1
ampl.
lesung
ampl.
lesung
ampl.
(in cm) <
(in cm) !i (in cm) ;
(in cm]
1 ,| (in cm)
(in cm) '
(in cm
) \ (in cm)
45,90 »)
] 46,51»);
1 46,63»)
46,275»)
•—
67,60
—
25,21
il 25,11
—
68,19
—
27,79
39,81
' 64,99 !
39,78
,1 64,95
39,84
28,35
89,84
61,21
33,42
• 1 31,51
33,48
31,45
33,50
61,73
33,38
33,43
27,78
\ 59,29 '
27,78
II 59,28
il
27,83 1
33,97
27,76
56,73
23,30
1 35,97
23,32
' 35,94
23,34
57,23
23,26
37,37
19,34
\ \ 55,34 1
19,37
;i 55,32
19,38
i 37,87
19,36
53,63
16,26
39,08
' 1
16,26
,| 39,04
16,28
1 54,11
16,24
40,10
13,58
\ 1 52,59 i
13,51
1 52,55
13,51
40,59
13,52
51,47
1 11,37
! 41,21 1
11,38
Tab
!| 41,20
eile 9.
11,35
51,94
11,35
(1)
1
1
"^ i
(2)
(3)
(4)
qi (inC
)hm)
21,1
Jl,l
21,1
21,1
9s )>
»»
1942,0
1963,9
1977,7
1990,0
9s' »»
>»
1642,0
1663,9
1677,7
1690,0
Q „
»>
10,87321
20,87572
20,877!
26
20,87863
^<? V
»
0,04091
t
0,03994
0,0391
53
0,03882
NuUpu
nkt
47,533
45,63
45,697
47,413
Ablesu
Qg
90,86
4,18
4,88
88,425
Ablenk
:ung
43,327
41,45
40,817
i
41,012
3*+l
A = l,19
752,
^ = 0,180253,
0 = 0,48
1756, ,
1 j^
1
0,59438;
A^ + Ä^^ 89,82 , Ä = 23,67, a = 2^30' 17", B = 41,65,
e=4«23'05,2"; V(0)= 1,002, ?= 12,190, r, = r, = 94,07,
^ = 0,99966 ; J Q = 0,03975, G = 44,24 .
ij = 0,04387 Henry.
Diese drei Resultate zusammenfassend, erhalten wir den
Mittelwerth _ /v/^j«««-' tf
Xj = 0,043 77o Henry.
1) Nullpunkt
54
O, W. Fatterson.
§ 20. Die Oberbeck'sehe Methode.
Die zweite in dieser Untersuchung angewendete Methode \
war die ursprünglich von 0 b erb eck stammende ^), in welcher
die Rolle von unbekanntem Selbstpotential L^, aber bekanntem
Widerstand fF^ einen Zweig einer Wheatstone'schen Brücke
bildete. Eine Rolle (vom Selbstpotential Zq und Widerstand
^q) eines Elektrodynamometers ersetzte das Galvanometer in
dem Galvanometerzweige; ein Sinusinductor I ersetzte die
Batterie. Die anderen drei Zweige bestanden aus so weit wie
möglich von Selbstpotential und Gapacität freien Widerständen.
Die zweite Rolle des Elektrodynamometers war in dem Sinus-
Fig. 2.
inductorzweige. Die Widerstände werden adjustirt, bis die
Ablenkung des Elektrodynamometers verschwindet. Letzteres
beweist nicht die Abwesenheit des Stromes in der Rolle des
Instrumentes, sondern nur einen Phasenunterschied von ^l^n
der Ströme in den zwei Rollen. Die mittlere Ebene der zwei
Rollen sollte senkrecht sein, um ein gegenseitiges Potential
zwischen den Rollen zu vermeiden.
Oberbeck vernachlässigt die Wirkung des Selbstpotentials
Lq. Die vollkommene Z^ berücksichtigende Formel verdanken
wir Troje^, nämlich:
(26)
I^\ +
L.L. =
71« W«
1) A. Oberbeck, Wied. Ann. 17. p. 816 u. 1040. 1882.
2) 0. Troje, Wied. Ann. 47. p. 501. 1892: vgl. auch J. Puluj,
Elektrotechn. Zeitschr. Heft 27. p. 348. 1891.
Untersuchung über das Selbstpotential. 55
n = die Zahl der ümkehrungen pro Secnnde , und n =
3,14159 ....
Dieser Ausdruck kann vereinfacht werden, wenn W^ = /T^.
Unter dieser Bedingung giebt Troje die folgende angenäherte
Lösung für die Gleichung (26):
Ich benutzte die vollständige Lösung, da ich keinen
besonderen Vortheil bei dem Gebrauch der Annäherung sah.
Diese vollkommene Lösung kann eine der beiden folgenden
Formen annehmen. Wenn L^ absolut bekannt ist und W^ = /T^,
so ist
'0 FTo + 2 li^,
Wenn andererseits L^ nicht absolut bekannt ist, kann man
sein Verhältniss zu L^ durch die Maxwell'sche Methode ^) oder
eine ihrer Modificationen *) erhalten. Ist etwa L^^^aL^y
8o ist
(29) A =^, --^j^K ]/(^3 - '^i) ( ,^'^•-^7+ ^^1 + ^.) ■
Ich bestimmte dieses Verhältniss a für Rolle 1 und die
bewegliche Rolle des verwendeten Elektrodynamometers zu
a =0,09470. Für die Versuche mit Rolle 2 gebrauchte ich
den aus dem gemessenen Werth von L^ berechneten Werth
von J/q, und wendete dann die Gleichung (28) an.
Als Quelle der elektromotorischen Kraft benutzte ich einen
Sinusinductor, welcher aus einem sich innerhalb einer Rolle
1) J. C. Maxwell, Elect. and Mag. 2. (2. Ausg.) p. 367. 18S1.
2) H. S. Carhart and 6. W. Patterson, Electr. Measurem. p. 255 ff.
1895.
56 G. IV. Fatterson.
drehenden Stahlmagneten bestand. Der Magnet wurde bei
hoher Geschwindigkeit von einem Elektromotor durch Riemen
und Zahnrad in Bewegung (Uebersetzung 1 : 100) versetzt
Die Geschwindigkeit wurde dadurch berechnet^ dass man mit
einem Chronometer 75 Umdrehungen des ersten Rades maass.
Das entsprach 15 000 Umkehrungen des Stromes. Da der
Motor durch eine mit anderen Stromkreisen in Verbindung
stehende und für allgemeine Zwecke in dem Gebäude benutzte
Accumulatorenbatterie getrieben wurde, war es etwas schwierig,
eine constante Geschwindigkeit zu erhalten. Viele Beobachtungs-
reihen wurden wegen der Inconstanz in der Geschwindigkeit
verworfen, welche sich durch die Instabilität in dem Gleich-
gewicht der Wheatstone'schen Brücke zeigte. Wenn da?*
Gleichgewicht stabil blieb, während die Geschwindigkeit ge-
messen wurde, so sah man die letztere als constant an.
Es sei bemerkt, dass die Formeln den Widerstand H ]^
der Elektrodynamometerrolle enthalten. Da diese Rolle
aus feinem Kupferdrahte war, würde sich ihre Temperatur
durch die Joule' sehe Wirkung erhöht haben, wenn der
Strom dauernd benutzt worden wäre. Das würde eine ent-
sprechende Vergrösserung des Widerstandes hervorgebracht
haben. Da es nicht durchfuhrbar war, den Widerstand Wq
bei jeder Gelegenheit direct zu messen, wurde //'J, ein für alle
Mal gemessen und darnach wurde sein Werth wegen der
Temperaturänderung corrigirt, wobei als Temperaturcoefficient
0,4 Proc. pro Grad^) verwendet wurden. Es wurde ange-
nommen, dass seine Temperatur die der umgebenden Luft sei.
Diese Annahme konnte nicht zu bemerkenswerthen Fehlern
im Endresultat führen, wenn die Temperatur des Raumes con-
stant war, und überdies wurde der Kreis nur kurze Zeit
geschlossen gehalten.
Der Widerstand /f ^ der Rolle von unbekanntem Selbst-
potential wurde durch die gewöhnliche Wheatstone'sche
Brückenmethode sowohl vor als nach jeder Beobachtungsreilie
mit dem Wechselstrome gemessen, wozu ein Element statt des
Sinusinductors eingeführt wurde.
1) A. E. Kennelly u. R. A. Ftssendcii, Phys. Rev. 1. p. 260. 1893.
I
Untersuchung über das Selbstpotential.
57
§ 21. Beobachtungen und Resultate.
\ Unten werden die Beobachtungen und Resultate für die
Rolle 1 gegeben. Zu den Berechnungen wurde Formel (29)
benutzt (vgl. Tab. 10).
Der mittlere Werth ist
Xi = 0,043867 H^nry,
woraus
aXj = X^, = 0,00415 Henry.
Der durch diese Methode gefundene Mittelwerth für Z^
(0,043867) stimmt nahezu mit dem nach der Maxwell-Ray-
leigh' sehen Methode gefundenen (0,043775), § 19, überein.
Tabelle 10.
Reihe 1
16,0° C.i 88,68 Ohm
li
9,6 20,39
16,0 9,443
16,0 i 44,50
a
Zwischenzeit für
15000 Umkehr,
n
0,09470
51,6 sec
290,7 pro aec
0,04404
Reihe 2
Reihe 3
87,96 Ohm
20,55
9,443
43,65
0,09470
52,6 sec
285,2 pro sec
0,04376
17,0* C.
11,5
17,0
17,0
89,04 Ohm
20,57
9,443
43,92
0,09470
52,2 sec
287,4 pro sec
0,04380
§ 22. Vergleich der beiden Methoden.
Wenn man die Vortheile der beiden Methoden bei
ziemlich grossen Selbstpotentialen vergleicht, müssen viele That-
sachen berücksichtigt werden. Die Maxwell-Rayleigh'sche
Methode verlangt genaue Widerstände, ein gutes ballistisches
Galvanometer und constante Temperatur. Die Oberbeck'sche
Methode erfordert nur ziemlich genaue Widerstände (keine
kleinen Aenderungen wie AQ, der anderen Methoden sind er-
forderlich), ein empfindliches Elektrodynamometer von relativ
hohem Widerstände und geringem Selbstpotential und eine
beständige Quelle von elektromotorischer Kraft von Sinus-
gestalt, aber keine grosse Gonstanz der Temperatur. Bei
sehr kleinen Selbstpotentialen sind die von der Joule'schen
68 G. }V, Patterson.
WirkuDg entstehenden Nachtheile zu gross, um die Maxwell-
Bayleigb'sche Methode in Anwendung zu bringen. Daraus
können wir schliessen, dass bei der Wahl der Methode die
Frage der constanten Temperatur gegen die constante sinus-
gestaltige elektromotorische Kraft entscheidend ist.
Die Oberbeck'sche Methode hat den weiteren Vortheil,
in gewisser Beziehung eine Nullmethode zu sein, denn man
muss zwei Gleichgewichte mit dem Elektrodynamometer er-
halten, das eine mit dem Gleich- und das andere mit dem
Wechselstrome, welche den zwei dauernden und ballistischen
Ablenkungen der anderen Methode entsprechen. Diese letzteren
müssen wegen Unregelmässigkeiten in dem Felde^ bez. in der
Dämpfung corrigirt und beide auf eine Function des Winkels,
welche nicht durch directe Beobachtung gegeben ist, zurück-
geführt werden. Es kann auch eine Correction wegen unvoll-
kommenen Isochronismus in der Bewegung der Rolle noth-
wendig werden.
Einen Ersatz für diese Nachtheile bietet die Empfindlich-
keit des Galvanometers, welche die eines Elektrodynamometers
weit übersteigt, wofern dieses nicht einen Eisenkern hat. Ein
Eisenkern bewirkt, dass das Selbstpotential M^'^ eine Function
des Stromes und nicht eine constante Grösse wird, was seiner
Anwendung unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenzusetzen
scheint. Jedoch benutzte Oberbeck^) ein Galvanometer mit
einem Eisenkern wie Puluj.*)
§ 23. Anwendung auf kleine Selbstpotentlale.
Beide Methoden wurden zu der Messung des Selbst-
potentials von noch einer Rolle (Rolle 2) angewendet, deren
Selbstpotential Z^ viel kleiner, etwa 0,00585 Henry, und deren
Widerstand etwa 7,28 Ohm war. Ihre Zeitconstante war etwa
0,0008 Secunde. Bei der Maxwell-Rayleigh'schen Methode
war es noth wendig, einen Werth für JQ von nur 0,003 Ohm
zu benutzen, um eine dauernde Ablenkung zu geben, welche
der durch die ümschaltung der Batterie erzeugten ballisti-
schen entsprach. Wegen des geringen Werthes von L^ wurde es
1) A. Oberbeck, Wied. Ann. 17. p. 816. 1882.
2) J. Puluj, Elektrotechn. Zeitschr. Heft 27. p. 348. 1891.
I
Untersuchung über das SelbstpotentiaL 59
för noth wendig erachtet, den Widerstand des Galvanometer-
zweiges auf den möglich niedrigsten Werth zu vermindern
und die Stromstärke durch die Rolle zu vergrössem. Das
erste verstärkte die Dämpfung und das zweite die Joule'sche
Wirkung. Infolge des sehr geringen Werthes von AQ ent-
stand ein bedeutender Fehler durch von Erhitzung herrühren-
den Widerstandsveränderungen. Der Mittelwerth der Resultate
Ton sechs Beobachtungsreihen war 0,0057, aber die einzelnen
Reihen unterschieden sich bis zu etwa 5 Proc. voneinander.
Ich bin überzeugt, dass die Rolle ein zu geringes Selbst-
potential hatte, um eine befriedigende Anwendung dieser Me-
thode zu gestatten.
Die Oberbeck'sche Methode andererseits gab ziemlich
übereinstimmende Resultate mit einem Mittelwerthe für vier
Reihen von 0,00585 und eine mittlere Abweichung von 0,00025
oder von etwa 0,5 Proc.
Zweiter Theil.
Die Berechnung von Selbstpotentialen in Ausdrücken der Energie
des magnetischen Feldes.
§ 24. Die drei von Maxwell vorgeschlagenen Methoden.
In seiner Schrift „A dynamical Theory of the Electro-
magnetic Field**^) hat Maxwell drei Methoden, um die Coeffi-
cienten der elektromagnetischen Induction zu berechnen, vor-
geschlagen. In der ersten definirt er als das elektromagnetische
Moment (electromagnetic momentum) des einen Kreises, falls
durch den anderen ein Einheitsstrom fliesst:
(30) M=j[Ff,^G^l. + H'/,]äs',
worin Fj G und H die Componenten des elektromagnetischen
Momentes sind, welches dem Einheitsstrom in dem zweiten
Kreise entspringt^ und ds ein Längenelement des ersten ist.
Diese Gleichung kann auch die Form
(31) M=fffA-^^^^cos{ds,ds)
1) J. C. Maxwell, Collected Paper#l. p. 589. 1890; Trans. Roy.
Soc. 155. p. 617. 1865.
■ \
60 G. H\ Patterson.
annehmeii, welche zuerst von Franz E. Neumann gegeben
wurde ^), worin fi die magnetische Permeabilität des isotrop .
und constant vorausgesetzten Mediums ist, und r die Ent-
fernung zwischen ds und dsj welche Elemente der zwei Kreise
sind, und einen Winkel {ds.ds') miteinander bilden. In dem Falle
des Selbstpotentials gehören ds und ds demselben Kreise an.
Mit Ausnahme des Factors ^, entspricht diese Formel dem
früheren Begriff von Fernwirkung. Der Factor ii giebt jedoch
eine Andeutung, dass etwas in dem umgebenden Räume mit
dem Phänomen in Beziehung steht.
Bei der zweiten Methode wird das gegenseitige Potential
durch die Zahl der magnetischen Kraftlinien gemessen, welche
durch den einen Stromkreis gehen, wenn der Einheitsstrom
durch den anderen fliesst. Wenn eine Kraftlinie mehrmals den
Stromkreis schneidet, gilt sie als ebenso viele einzelne Linien;
wenn sie aber nur einen Theil des Stromkreises schneidet, so
gilt sie als die entsprechende Bruchzahl. Sind die zwei Kreise
identisch, so wird das gegenseitige Potential Selbstpotential.
Diese zweite Methode entspricht in ihrem Wesen einer
Anwendung des Farad ay 'sehen Begriffes des elektrotonischen
Zustandes (electrotonic state)*), der Zahl der durch ihn ge-
bundenen Kraftlinien^.
Diese zwei Methoden, und besonders die erste, sind viel-
fach von Physikern zur Berechnung des Selbstpotentials und
des gegenseitigen Potentials der Kreise benutzt worden, so von
Maxwell*), Fröhlich«), Weinstein»*) und Stefan.^
Bei der dritten Methode bezeichnet Maxwell das gegen-
seitige Potential als den Theil der magnetischen Energie des
ganzen Feldes, das von dem Product des Stromes in den
beiden Kreisen abhängt Sind Uj ß, y bez. a, ß", y die Com-
1) F. £. Neu mann. Abhandlung, d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin
p. 8. 1845.
2) M. Faraday, Ezperimental Researches, Art 60. 1839.
3) J. C. Maxwell, Collected Papers. 1. p. 206. 1890; Trans. Camb.
Phil. Soc. 10. part. 1. p. 65. 1849.
4) J. C. Maxwell, Collected Papers 1. p. 593. 1890; Elect and
Mag. (2. Ausg.) 2. p. 316. 1881.
5) J. Fröhlich, Wied. Ann. 19. p. 106. 1883; 22. p. 117. 1884.
6) B. Weinstein, Wiedl Ann. 21. p. 329. 1884.
7) J. Stefan, Wied. Ann. 22. p. 107. 1884.
K
Untersuchung über das SelbstpotenäaL 61
ponenten der magnetischen Intensität, die von dem ersten
\ bez. zweiten Stromkreise herrühren, so ist die Energie des
Elementes des Feldes vom Volumen dF.
(32) g^{(« + «r + 09 + /?•)« + (y + /)» } rf r.
Der TOD dem Prodact der Ströme abhängige Theil ist
(33) JL{aa' + ^^ + y/jdr.
Maxwell macht keinen Gebrauch von diesem Ausdrucke,
and meines Wissens ist er nie zur Berechnung der Potentiale
angewendet worden.
Wenn die zwei Stromkreise identisch sind, so wird dieser
Ausdruck (33) die Basis für die Berechnung des Selbstpotentials
des Kreises. Das magnetische Feld hat als Werth
(34) H^yaa+ßß'-hrr,
und das Selbstpotential wird
00
worin / die Stromstarke ist. Das Integral ist auf das ganze
Feld auszudehnen.
Diese Gleichung kann einfacher gewonnen werden dadurch,
dass man nur einen Stromkreis betrachtet. MaxwelTs Art,
die Methode darzulegen, hat jedoch den Vortheil allgemeiner
Anwendbarkeit auf gegenseitiges und Selbstpotential.
§ 25. Ableitung der Gleichung ^ =* / £j / ) ^ ^'
oo
E^ ist eine Folge von dem G reen 'sehen Satz ^), dass die
aus der magnetischen Polarisation des Feldes entstehende Energie
(36)
'^=87^/'*^*'^^
00
ist. Es ergiebt sich auch aus der Definition des Selbst-
potentials eines Kreises in Ausdrücken von elektromotorischer
1) George Green, Math. PaperS) Essay on the application of Math.
to elect and mag. p. 1. 1871; J. C. Maxwell, Elect and mag. (2. Anag.)
^ 1. p. 127. 1881; 2. p. 249 u. 261. 1881.
62 G. W. Patterson.
Kraft und Stromstärke, dass die zur Erzeugung eines Stromes
im Kreise angewendete Arbeit %
(37) W = \ LP
ist. Aus (36) und (37) ergiebt sich durch Elimination von W
00
wie in § 24 bereits abgeleitet wurde. Die Gleichungen (35)
und (36) sind derselben Bedingung unterworfen wie (31), näm-
lich: dass II die constante magnetische Permeabilität eines
isotropen Mediums ist Wenn diese Bedingung fehlt, ist L
keine bestimmte Grösse des Stromkreises, sondern ist von dem
jeweiligen Zustand des Kreises und des ihn umgebenden
Feldes abhängig.
Wenden wir Gleichung (35) zu der Berechnung der Selbst-
potentiale einiger Kreise an.
§ 26. Anwendung auf ein Solenoid von groBser Länge.
Nehmen wir ein Solenoid von gleichförmigem Querschnitt S
und sehr grosser Länge / an, welches aus n Windungen pro
Längeneinheit aus einem sehr dünnen bandförmigen Leiter
besteht, dessen Dicke vernachlässigt werden kann. Nehmen
wir auch an, dass der Isolationsraum zwischen den einander
folgenden Windungen unendlich klein ist. Wenn man die
Wirkungen der sehr entfernten Enden yemachlässigt, so ist
das magnetische Feld innerhalb des Solenoids constant, und
ausserhalb desselben Null. Also haben wir den bekannten
Ausdruck
(38) ^ = 4;rn.
Woraus folgt, dass
(39) L = 47C(in*fdF=^47ifin*lS.
Das Selbstpotential pro Längeneinheit ist dann, mit Ausnahme
der Enden,
(40) j=^4nfjiSnK
Untersuchung über das Selhstpotentiai.
63
\ § 27. Anwendung auf ein Bingsolenoid von reohteokigem Quer-
schnitt.
Betrachten wir zunächst den Fall eines ßingsolenoids von
rechteckigem Querschnitt. Nehmen wir die in § 26 gegebenen
analogen Bedingungen in Beziehung
auf Form und Stellung der Leiter
an. Mögen die ganze Anzahl der
Windungen N^ der innere Radius r^,
and der äussere r,, und der Axial-
durchmesser a sein. Die Stärke
des Feldes ist dem reciproken
Werthe der Längen der Kraftlinien proportional. Daraus er-
halten wir:
(41)
and
0 r.
Fig. 3.
H . 2N
-=- = 4;rn = — ,
/ r
was bei Durchfährung der Integration
(43)
giebt.
i - 2 a /iiVMog. (^)
§ 28. Anwendung auf ein Ringsolenoid von kreisförmigem
Querschnitt.
Wenn das Ringsolenoid
einen kreisförmigen Quer-
schnitt hat, so wird die For- ^"^ x— B-4— -^-x--/—
mal etwas complicirter. Wie
Torher ist ^„ ^
(41)
S 2N
I - r '
and schreiben wir
^-'•'
-'■" und B- '■•t'"'
2
2
64
G. ^\ Patterson.
worin A der Radius des Querschnittes und £ der Mittelradius
des Ringes ist. Nehmen wir als Volumenelement einen Ring %
von der Dicke dr und Breite
2y^>-{Ä-rj"2 ,
wie in der Figur 4 gezeigt ist, dann ist
(44)
dF=4nr^A^-{B - r^dr.
Indem wir (41) und (44) in (35) setzen, erhalten wir den fol-
genden Ausdruck
r^B + Ä
(45)
Z = [—/'i/a* - (ä - r)2 dr .
r = « - ii
um diese Gleichung für die Integration vorzubereiten, schreibt
man
woraus
y^« - (J? - r)2 = ^ - ;^(Ä - r) ,
JB^r^-^^-, und rfr=-AAil-_g_^A.
1 + /« (1+ /«)«
Wenn wir diese Substitution vornehmen, erhalten wir
f r =: B + A ;f=-l
(46)
V^^(^-^)'^^^
5(1- ~J^ +/')(!+/')*
Z= +1
2 (5« - ^•)
5(1- ^^- + r')
2B _ 4A/
1+/' li +xy
dX .
Dieses können wir integriren, wie folgt:
r = B + ii
(47)
A/it' - (g - r) ' rf^_ _ 2yÄ» - ^^1 arctg |/J~
r = B--ä
+ 25
T + t]
Untersuchung über das SMsipotentiaL 65
Wir haben demnach gesehen, dass diese dritte Methode
^ bei den drei verschiedenen Formen des Solenoids dasselbe ße-
" sultat liefert, wie die gewöhnlich angewendeten.^)
Zum Schlüsse möchte ich Hrn. Prof. Dr. von Lommel,
Hm. Prof. Dr. Graetz und Hrn. Prof. Dr. Seeliger meinen
tiefgefühlten Dank aussprechen.
München, Physikal. Inst d. Univ., 12. Mai 1899.
1) In der Dissertatioii ist auch noch der Fall einer kreisförmigen
Rolle von rechteckigem Querschnitt behandelt Vgl. p. 40 daselbst
(Eingegangen 17. Juni 1899.)
Ann. d. PhjB. o. Ghem. N. F. 69.
4. lieber Zustandsgieichungen und Energie^
gleichfungen; von O. Wiedeburg.
Seitdem einmal der Energiebegriff als der allgemeinste,
auf allen Gebieten der Physik anwendbare aufgefunden worden
ist, benutzt man als Ausgangspunkt theoretischer Herleitungen
mit Vorliebe Gleichungen, die sich auf Energiegrössen be-
ziehen, wie sie in den beiden „Hauptsätzen*' der Thermo-
dynamik und ihrer Erweiterung, der Energetik, ihren all-
gemeinen Ausdruck finden. Und doch zeigt es sich anderer-
seits in so manchen Fällen vortheilhafter, zur Darstellung
der Erscheinungen Gleichungen anderer Art als Grundlage
zu wählen, die keineswegs Gleichungen zwischen Energie-
grössen sind, denen gegenüber die allgemeinen Energie-
gleichungen nur die Rolle von principiell gültigen Relationen
spielen, die bei jedem Ansätze erfüllt sein müssen. Es lohnt
sich wohl, das gegenseitige Verhältniss solcher verschiedenen
Ausgangspunkte theoretischer Herleitungen näher ins Auge zu
fassen und klarzustellen.
In meinen Arbeiten über nicht-umkehrbare Vorgänge und
den sich daran anschliessenden^) habe ich eine bestimmte
Kategorie von Gleichungen in den Vordergrund gestellt, die
nicht selbst Energiegleichungen sind, aber doch zum Energie-
begriff von Haus aus in naher Beziehung stehen, als nach be-
stimmtem Schema gebaute Gleichungen zwischen den ^^FactorerV'^
der verschiedenen Energiearten. Für diese, im allgemeinsten
Falle sich auf nicht- umkehrbare Vorgänge beziehenden Glei-
chungen habe ich die Bezeichnung als ^^Zustandsgleicliungen^''
des betreffenden Körpers angewendet.
• Diese Zustandsgieichungen also stellen die Grundlage der
Rechnung dar, ihnen gegenüber erscheinen die Energie-
gleichungen nur als eine eigenartige Ausdrucksform für die-
selben Erscheinungen. Dieses, den vielfach üblichen Gedanken-
1) 0. Wiedeburg, Wied. Ann. 61. p. 705. 1897; 62. p. 652. 1897;
68. p. 154. 1897; 64. p. 519. 1898; Zeitechr. f. physik. Chem. 29. p. 27. 1899.
<
Zustandsgleiciiungen und Energiegleichungen, 67
gaDg gewissermaassen umkehrende Verfahren möchte ich gerade
^ mit Rücksicht hierauf im Folgenden noch näher erläutern, um
dann einige weitere Bemerkungen über die Formulirung der
Erscheinungen in Zustandsgieichungen und Energiegleichungen
anzuknüpfen.
Snergiecoeffloienten und Factoren der ZuBtandsgleiohungen.
Da der Unterschied zwischen der jetzt üblichen Behand-
lungsweise und der von mir neu vorgeschlagenen überall da
besonders hervortritt, wo thermische Vorgänge mitspielen, so
wollen wir das zur Erläuterung dienende Beispiel derart
wählen, dass auch thermische Zustandsänderungen mit in Be-
tracht kommen: In meiner letzten, speciell die thermischen
Begiiffe behandelnden Arbeit wurde ein Metalldraht betrachtet,
der infolge Aenderung seiner Temperatur & und seiner Span-
nung P Aenderungen seiner Länge / erfährt.
In der thermodynamischen Schluss weise, wie sie von
Clausius, Kirchhoff etc. durchgeführt ist, geht man davon
aus, dass sich bei solchen gleichzeitigen Aenderungen der un-
abhängigen Variabein P und & die „dazu nöthige" Zufuhr an
Wärme (thermischer Energie) Q und mechanischer Arbeit Ä
darstellen lasse in der Form:
(1) \>Q=-XdP + Yd&, bA==MdP + Nd&,
wo die als Functionen von P und i9^ anzusehenden Energie-
coefficienten X, Y, M, N ihrer speciellen Bedeutung nach
leicht charakterisirt werden können.^)
Die beiden Hauptsätze besagen nun in unserem Falle,
dass sowohl die Summe b Q + bA als auch der Quotient b Q/i9",
wenn & die „absolute** Temperatur, vollständige DiflFerentiale
von Zustandsfunctionen sein müssen, nämlich der Energie £
bez. Entropie S des Drahtes:
(2) bQ + bA==d£,
(3) -ir=^^'
1) Zeichen b benutzt zur Unterscheidung der „Diminutive*^ von
^ Differentialen (vgl. Zeitschr. f. physik. Chem. 29. p. 35. 1899).
68 0. W'iedeburg.
und daraus ergeben sich sofort zwei Beziehungen zwischen
den Diflferentialquotienten jener vier Energiecoefficienten nacb^
P und &j nämlich
(A\ aZ dY _dN _ dM
^^ d& dP dP d&
und
,-, dX dY X , , ÖY ^ d (X\
Nun könnte man zu den beiden Grundgleichungen (2) und
(3) eine speciell zu (3) ganz analoge hinzufügen, die sich auf
die mechanische Arbeit bezieht:
(6) ^- = dl,
WO auch / gerade wie S eine Function der Variabein P und
&\ aus ihr würde sich, zu (5) analog, ergeben:
wonach man statt Gleichmig (4) auch schreiben könnte:
(8) ^-^-;-
Führt man die nähere Bedeutung der Grössen M und iV, die
sich aus der Darstellung
bA=:Pdl = P^^dP+PP-d&
0 P Ox^
ergiebt, in Gleichung (7) ein, so reducirt sich diese auf die
als „selbstverständlich^^ angesehene Gleichung
^^ d&dP dPd& '
Also unser Ansatz (6), wonach hA/P ein vollständiges Diffe-
rential, liefert nur ein selbstverständliches Resultat, weil wir
nämlich gewöhnt sind, wenn wir den Zustand unseres Drahtes
beschreiben wollen, die direct anschauliche Grösse / als Function
von P und i9- mit zu benutzen.
Können wir nicht den zu (6) ganz analogen Ansatz (3)
und das, was sich daraus ergiebt, nämlich Gleichung (5), unter
demselben Gesichtspunkte betrachten? Wird es sich nicht
empfehlen, in der Wärmelehre von Haus aus eine Grösse S
mit zu benutzen, die mit der Temperatur & den augenblick-
lichen thermischen Zustand des Drahtes gerade so gut be-
Zustandsgieichungen und Energiegleichungen. 69
schreibt, wie / und P zusammen den elastischen, die von x)-
und P gerade so gut abhängt wie die Drahtlänge /?
Anschaulich wird uns eine solche thermische Grösse S
sofort, wenn wir die alte Vorstellung vom „Wärmestoff*' in
abgeklärter Form wieder aufnehmen, wenn wir dem Körper
eine „thermische Ladung" S zuschreiben, wie wir ohne Be-
denken von einer „elektrischen Ladung" zu sprechen pflegen.
In meiner letzten Arbeit habe ich diese Fragen zusammen-
fassend näher behandelt und ich möchte darauf verweisen.
Hier kommt für uns in Betracht die Grundlage, die wir bei
solcher Anschauungsweise für unsere Darstellung der zu be-
handelnden Vorgänge ohne weiteres gewinnen in den beiden
.yZustandsgleichungen", die lediglich die Abhängigkeit des /
und 5 von P und & constatiren. Dabei ist der Draht als
ein „eindeutiges System" vorausgesetzt, das nämlich nur t^m-
kehrbarer Zustand sänderungen fähig ist. Da wir nur zwei Zu-
standsseiten nebeneinander betrachten, so bestimmen zwei
Variable den Zustand vollständig, insofern die beiden anderen
noch mit benutzten ihren eigenen Werthen nach stets durch
die jeweiligen Werthe jener beiden mit bestimmt sind.
Schreiben wir also die beiden Zustandsgieichungen in
der Form:
j dS:=^(Td& + sdP,
^^^^ \dl ^IdP +tid{^,
wo die Factoren o-, 6, A, i] als Functionen von P und i? an-
zusehen sind^), so sind uns die folgenden beiden Eelationen
zwischen den Differentialquotienteu dieser Factoren als selbst-
verständlich gegeben:
^^^) TP=d» ""^ TF= dp-
1) Oanz entsprechend ist der Ansatz, den G. Lippmann seiner
Zeit machte für das Zusammenwirken von elektrischen und andersartigen
Vorgftngen auf Grund des Satzes von der Erhaltung der Elektricitäts-
mengen (Compt. rend. 92. p. 1049 u. 1149. 1881; Ann. de Chim. et de
Phys. (5) 24. p. 145. 1881).
2) Die zweite der Gleichungen (11), identisch mit (9), stellt die Be-
ziehung dar zwischen der Aenderung des thermischen Ausdehnungs-
coefficienten mit der Spannung und der Aenderung des Elasticitäts-
coefficienten mit der Temperatur, die von G. Dahlauder geprüft
^ worden ist (Pogg. Ann. 145. p. 147. 1872).
70 0. IFiedeburg.
um nuu aus diesem Ansatz mit der Erfahrung überein-
stimmende Schlüsse zu ziehen, ist es noth wendig und hin-
reichend, dass wir zwischen den vier Factoren noch eine einzige
Beziehung als vorhanden ansehen, nämlich die Beziehung
(12) f; = 6,
die die beiden voneinander sonst ganz unabhängigen Zustands-
gieichungen miteinander verknüpft, die gegenseitige Beeinflus-
sung der beiden Zustandsseiten näher formulirt, die Wechsel-
wirkung der verschiedenen „Naturkräfte" enger gestaltet.
Aus dieser Relation ergiebt sich sofort als Folgerung, dass
(13) &dS+ Pdl=^dE
ist, d. h. vollständiges Diflferential einer Function E von P und &y
wir werden dazu geführt, den den verschiedenen Zustands-
seiten gemeinsamen Begriff der Energiegrössen einzuführen,
indem wir
(14) i9'dS=bQ und Prf/=b^
als solche bezeichnen, wir gewinnen die beiden Häuptsätze
der Thermodynamik.
Um zu diesen beiden Hauptsätzen zu gelangen, hatten
wir also nur eine Annahme nöthig (Gleichung 12), nachdem wir
einmal die zu behandelnden Vorgänge unter Mithülfe der in
Anlehnung an die alte Vorstellung veranschaulichten Grösse S
formulirt hatten.
Diejenigen Grössen, durch die wir von unserem Standpunkt
aus den behandelten Körper charakterisiren, seiner speciellen
Natur nach von anderen unterscheiden, sind die vier Factoren
(Tj X, 6, fj der beiden Zustandsgieichungen (10); zwischen diesen
bez. ihren Differentialquotienten bestehen die drei Relationen
(11) und (12); vom thermodynamischen Standpunkte aus spielen
die vier Energiecoefficienten X, Z, Jf, N die Rolle der charakte-
ristischen Grössen, deren Zusammenhang durch die drei Re-
lationen' (4) [bez. (8)], (5) und (7) geregelt wird. Um die eine
Gruppe von Relationen aus der anderen herzuleiten, braucht
man nur die Beziehungen:
zu beachten.
t
ft
Zustandsgieichungen und Energiegleichungen. 71
(Eine Differentialgleichung höherer, nämlich 2. Ordnung,
lässt sich noch ohne weiteres hinschreiben:
(16) ''" '''
dP* ö ^«
und dementsprechend bei Benutzung der Energiecoefficienten:
Können wir annehmen, dass die Factoren unserer Zustands-
gieichungen Constanten seien, so verlieren die beiden Differential-
relationen (11) ihre Bedeutung für uns, es ist das Verhalten
des in zt^etfacher Hinsicht (thermischer und elastischer) seinen
Zustand ändernden Körpers quantitativ völlig bestimmt durch
die drei voneinander unabhängigen Constanten o-, A, 6, von
denen g auf die rein thermische, X auf die rein elastische
Seite der Zustandsänderung, 8 auf die Wechselwirkung zwischen
beiden sich bezieht.
Aufgabe des Experimentes ist es jedenfalls, diese Grund-
grössen für die verschiedenen Körper zahlenmässig zu er-
mitteln, um dann durch Vergleich zwischen ihnen Gesetze für
ihre Abhängigkeit von der Natur des Körpers aufzufinden.
Solche Gesetzmässigkeiten darf man nicht immer gerade bei
den am leichtesten und directesten zu messenden Grössen er-
warten, sondern viel eher bei solchen, die zu einer möglichst
einfachen und systematischen Formulirung der Grunderschei-
nungen dienen, wie wir sie in unseren Zustandsgieichungen
aufzustellen suchten. Warburg ^) hat einmal darauf hin-
gewiesen, dass man, um Beziehungen zwischen der chemischen
Constitution und den physikalischen Eigenschaften bei tropf-
baren Flüssigkeiten zu constatiren, sich nicht auf die Ver-
gleichung der specifischen Wärme bei constantem Druck, der
thermischen Ausdehnung und der isothermischen Compres-
sibilität für die verschiedenen Flüssigkeiten beschränken solle,
sondern auch die specifische Wärme bei constantem Volumen
C und den Ausdruck
V
* m. -
»
1) £. Warburg, Arch. des scienc. phys. et nat. (3) 2S. p. 388. 1892;
Beibl. 17. p. 1031. 1893.
72 0. Wiedeburg.
in Betracht ziehen müsse, die als partielle Differentialquotienten
der Gesammtenergie nach ß- bei constantem v bez. nach v bei ^
constantem & vielleicht in einfacherer Beziehung zur chemi-
schen Constitution ständen als die oben genannten directer
messbaren Grössen. Von unserem Standpunkte aus werden
wir an Stelle dieser Energiecoefficienten noch mehr die Fac-
toren unserer Grundgleichungen in den Mittelpunkt stellen.
Als erstrebenswerthes Ziel muss es uns dabei immer vor-
schweben, diese Grundgleichungen so zu formuliren, dass ihre
Factoren wirklich als Kö'rperconstanten anzusehen sind, nament-
lich also auch unabhängig vom jeweiligen Aggregatzustand. Wie
man dazu vielleicht gelangen könne durch die — zunächst
rein formale — Einführung zweier besonderer Zustandsseiten
(Cohäsion, Constitution), die durch die Veränderlichkeit der
ihnen entsprechenden Zustandsvariabeln den Wechsel der
Aggregatzustände darstellen sollen, das habe ich früher dar-
gelegt. 1)
Das Frinoip der virtuellen Zustandsänderungen.
Kehren wir zurück zum Hauptpunkt unserer Erörterungen,
dem gegenseitigen Verhältniss von Zustandsgieichungen und
Energiegleichungen. Wenn wir den ersteren, die den einfach-
sten Ausdruck der zu behandelnden Vorgänge darstellen (so-
bald wir für die Wärme von Haus aus den anschaulichen
Begriff der thermischen Ladung mitbenutzen), die eine durch
Gleichung (12) gegebene Beziehung hinzufugen, so genügt dies,
wie wir sahen, um die in der üblichen Thermodynamik als
Grundlage benutzte Energiegleichung aus unseren Grundlagen
hei'zuleiten.
Was nun den physikalischen Inhalt dieser Beziehung
(12) n = 6
betrifft, so besagt sie, dass die durch die beiden partiellen
Dift'erentialquotienten
(t?1=* "'^^ (14)^=*'
1) 0. Wiedeburg, Wied. Ann. 64. p. 541. 1898.
I
Zustandsgieichungen und Energiegleichungen, 73
dargestellte Wechselwirkung der beiden verschiedenen Zustands-
seiten nicht eine zweifach verschiedene sei, sondern eine ein-
fach bestimmte:
Rein mathematisch gesprochen ist das, was zu unseren
allgemeinen Zustandsgieichungen als wesentliches Merkmal der
behandelten Zustandsänderungen hinzutritt, nichts Anderes
als die Bedingung der Integrabilität der Productensumme
^dS+Pdl] der erste Hauptsatz, das Energieprincip , in
seiner den zweiten Hauptsatz mitenthaltenden Form:
(13) &dS+ Pdl=^dE
ist seinerseits der directe Ausdruck dieser Integrabilität
Je nach der Wahl der unabhängigen Variabein kann
man ja die Relation (18) auf verschiedene Form bringen: die
vier thermodynamischen Relationen Maxwell's:
(19)
[dSlp" \dp)s' [dl Is^ydSli
besagen im Grunde alle dasselbe, unterscheiden sich nur durch
die physikalische Deutung, deren sie fähig sind, und die durch
Einfuhrung anderer partieller Diflferentialquotienten an Stelle
der direct vorkommenden ja noch mannichfach abgeändert
werden kann.
Es lassen sich nun diese verschiedenen Relationen (19)
zusammenfassen in eine einzige Formel, von der ich glaube,
dass sie in der Allgemeinheit, in der wir sie aufstellen wollen,
noch nicht gegeben worden ist:
Die Energiegleichung (13) gilt für jede mögliche Zustands-
änderung des betrachteten Körpers; kennzeichnen wir also
zwei verschiedene, voneinander unabhängige, mögliche Zustands-
änderungen durch Verwendung des Variationszeichens S mit
verschiedenem Index, so bestehen nebeneinander die Glei-
chungen :
74 0. Wiedeburg.
wir variiren nun die erste Gleichung in der Weise, wie es
durch das Zeichen S^, und umgekehrt die zweite in der Weise,
wie es durch S^ angedeutet ist, und erhalten:
bei der vorausgesetzten gegenseitigen Unabhängigkeit der beiden
Variationen liefert Subtraction dieser beiden Gleichungen:
(22) S^i'hS, 5 + ^2 P*i / = *i ^^^3^8+ d\ PS^l.
Aus dieser allgemeinen Formel ergeben sich sofort die ver-
schiedenen Gleichungen (19), wenn man jedesmal die Variation
S^ einer der vier Grössen und die Variation d^ einer anderen,
der anderen Zustandsseite angehörigen, gleich Null setzt
Wir wollen Formel (22) noch allgemeiner schreiben, näm-
lich bezogen auf einen Körper, an dem wir die gleichzeitigen, um-
kehrbaren Aenderungen irgend zweier beliebiger Zustandsseiten
verfolgen, die wir durch ihre Intensitätsgrössen / bez. J' und
ihre Quantitätsgrössen 3f bez. M' kennzeichnen wollen, sodass
also die Energiegleichung hier lautet:
(23) JdM+J'dM' =-dE\
es ergiebt sich, Gleichung (22) entsprechend:
(24) ä^ J. ä^M+ S^ J\ 8^ W = 8^ J. 8^ M + 8^ J\d\ M' .
Die allgemeine Bedeutung dieser Formel rechtfertigt es wohl,
wenn wir ihr eine besondere Bezeichnung beilegen, sie etwa
nach bekannten Analogien benennen als das Princip der vir^
tuellen Zustandsänderungen,
Es ist Formel (24) zugleich der allgemeine Ausdruck des
von Ostwald*) aufgestellten und verwendeten „Princips der
virtuellen Energien", schliesst auch die von Peddie*) als
„Verallgemeinerung des zweiten Hauptsatzes" aufgestellte For-
mel und ein von Le Chatelier^) gegebenes „Gesetz für das
Gleichgewicht bei physikalischen, chemischen und mechanischen
Erscheinungen" in sich.
1) W. Ostwald, Zeitachr. f. physik. Chera. 10. p. 363. 1892.
2) W. Peddie, Proc. Roy. Soc. Edinb. 19. p. 253. 1892; Zeitschr.
. physik. Chem. 13. p. 128. 1894.
3) H. Le Chatelier, Zeitschr. f. physik. Chem. 1. p. 565. 1887.
ZtjLsiandsgleichungen und Energiegleichungen. 75
Ein Beispiel der leichten Anwendbarkeit unserer Formel
sei hier gegeben. Wir betrachten ein System aus zwei Mengen
desselben Körpers in verschiedenen Aggregatzuständen; hier
kann unter Aufwand von thermischer und mechanischer
Elnergie in zweierlei ganz verschiedener Weise der Zustand
umkehrbar geändert werden:
1. Es wird üebergang einer Menge dn des Stofifes aus
der einen Phase in die andere bewirkt bei constanter Tempe-
ratur ^ ( = /) und constantem Druck p (= — e/') unter
Aenderung des Volumens V und der thermischen Ladung
(Entropie) S:
d.J=Oy &J' = 0, d\M= i^ dn, S,M'^4^dn',
1 ' * '1 dn ' * an '
2. Es wird ohne Stoffübergang durch gleichzeitige Aende-
rung von & und p ein neues Gleichgewicht hergestellt:
S^J=d&, S^r r=. --dp',
unser Princip liefert sofort:
0 = d&-^ - dn — dp -ä— dni
dn ^ dn
eine Gleichung, die durch Einführung der thatsächlich kalori-
uietrisch gemessenen thermischen Energiezufuhr
dS
«„=*
dn
in die bekannte Clapeyron-Clausius'sche Beziehung übergeht.
Wie dies Beispiel schon zeigt, bietet unser so allgemein
gültiges Princip ein bequemes und dabei correct formulirtes
Schema dar, dessen Anwendung die sonst meist unter Behand-
lung passend construirter Kreisprocesse durchgeführten Rech-
nungen wesentlich abzukürzen gestattet.
Man kann auch Gleichung (24) selbst herleiten aus der
Anwendung der in ihrer allgemeinsten Form (23) aufgestellten
Energiegleichung auf einen im Unendlichkleinen durchgeführten
Ereisprocess. Benutzen wir zur graphischen Darstellung der
zweiseitigen Veränderlichkeit im Zustand des Körpers sowohl
die J, M' als auch die /', Jlf'-Coordinatenebene, so ergiebt
sich ja, abgesehen von einem Minuszeichen, dass die in beiden
Ebenen bei einem solchen Kreisprocess von der Bahn des
76 0. Wiedeburg.
darstellenden Punktes umschlossenen Flächen an Inhalt ein-
ander gleich sein müssen:
fjdM= ^ JJ'dM\
Nun sei diese Bahn in der J, Jlf- Ebene — und ganz
entsprechend in der J% JI/'- Ebene — ein Parallelogramm,
dessen Seiten die Projectionen S^M, d\J und ä^M, S^J be-
sitzen; dann ist dessen Inhalt bekanntlich
und man hat also die Beziehung:
(24a) S^ Jd\ M - S^ Jd\ M= -{S, J' 8^ M' - 8^ J' d\ M')
in Uebereinstimmung mit (24). Wir können, worauf ich schon
einmal hinwies, die Wechselwirkung der beiden Zustandsseiten
auch formuliren als eine Abbildung der beiden Coordinaten-
ebenen aufeinander derart, dass einander entsprechende ge-
schlossene Curven in beiden gleichen Flächeninhalt haben.
So findet denn jenes für die Wechselwirkung zweier Zu-
standsseiten charakteristische Merkmal, dem wir ursprünglich
durch das Gleichsetzen zweier Factoren der Zustandsgieichungen
Ausdruck verliehen, noch mannichfach verschiedene Darstellung:
im Energieprincip, im Princip der virtuellen Zustandsände-
rungen, in dessen geometrisch-anschaulicher Deutung.
Sin allgemeiner Satz
über den Sinn der „Gegenwirkung** eines stabilen Systems.
Mit dieser quantitativ festgelegten Gesetzmässigkeit hin-
sichtlich der Wechselwirkung steht nun in naher Beziehung ein
nur qualitativ zu formulirender allgemeiner Satz über das
Verhalten eines im stabilen Gleichgewicht befindlichen, nur um-
kehrbare Zustandsänderungen erfahrenden Systems. Er ist
mit allgemeiner Gültigkeit von Ostwald, Braun, Gouy in
verschiedener Form ausgesprochen worden, von anderer Seite
mehrfach für specielle Gebiete.
um diesen Satz im Anschluss an unsere bisherigen Be-
trachtungen zu formuliren, wollen wir ausgehen von dem
System der Zustandsgieichungen, wie wir es aufzustellen haben
in dem allgemeinen Fall, wo zwei beliebige Zustandsseiten
{cdJ = dM — ci
durch Umformung €
Zustandsffleichunffen und Energiegleichungen. 77
mit den Variabein J, M und c/', jI/' aufeinander wirken, sodass
zwischen diesen vier Grössen zwei Gleichungen bestehen, die
wir als Differentialgleichungen schreiben so, wie es in meinen
früheren Arbeiten geschehen:
cdJ ^dM-'CrdM' ,
rdM\
durch Umformung ergeben sich daraus die Gleichungen:
(1 ''Ccr^dM=^cdJ + ccrdJ\
(1 -'Ccr^)dM'^cdX + ccrdJ,
die Verallgemeinerung der in unserem obigen Beispiel gültigen
Gleichungen (10).
Die für den betrachteten Körper charakteristischen Grössen
c, Cj r, die im allgemeinen als selbst variabel gelten mögen,
sind, wie man sieht, schon derart eingeführt, dass diese Zu-
standsgleichungen der allgemeinen Wechselwirkungsbedingung
[im obigen speciellen Fall Gleichung (12)] genügen.
Hinsichtlich dieser Grössen c, c', r wollen wir nun für
das folgende eine Annahme benutzen, die wohl als selbst-
verständlich gelten darf; wir wollen nämlich annehmen, dass
wir für jede beliebige Zustandsseite die sie kennzeichnenden
Variabein J und M immer so wählen können, dass J gleich-
zeitig mit M wächst und abnimmt, gleichgültig, welche von
den Variabein der fremden Zustandsseiten wir dabei constant
setzen, d. h. es soll
als positiv angesehen werden, ebenso entsprechend
Man braucht sich nur einige Beispiele zu vergegenwärtigen,
um das Zutreffende dieser Annahme zu erkennen: wir setzen
die Temperatur anwachsend durch Wärmezufuhr (in unserer
Auffassung Vermehrung der thermischen Ladung), die Länge
eines Drahtes anwachsend mit seiner Spannung, setzen die
Dielektricitätsconstante, die Magnetisirungsconstante positiv —
Grössen, die nach unserer Darstellungsweise als Differential-
quotienten einer Quantitäts- nach der zugehörigen Intensitäts-
78 0. medeburg.
grosse erscheinen. Auch für das Verhältniss zwischen Druck
und Volumen gilt dies, sobald wir hier nur consequent — p %
als Intensität betrachten.
Danach haben wir also von den Factoren unserer Zu-
standsgleichung c und c als positiv anzusehen und ebenso
den Ausdruck 1 — cc r^ . Für den Wechselwirkungsfactor r
ergiebt sich daraus eine obere Grenze:
CO
Beachten wir das, so kommen wir nun zu folgenden
Schlüssen über das gegenseitige Verhältniss von DifiFerential-
quotienten, die sich nicht wie die obigen auf nur eine Zustands-
seite, sondern auf die Wechselwirkung zwischen zwei solchen
beziehen.
Wir berechnen:
(26)
[dMJj, ""^^ \dM')j
= CTj
und finden also, dass die beiden Grössen
d
(27)
^^1 und (^ ,77] gleiches Vorzeichen, dagegen
\fi Afi ^^^ (^"7~) ß^^ßgöög^setztes Vorzeichen haben.
Durch diese qualitativen Beziehungen ist nun jener all-
gemeine Satz analytisch formulirt, um dessen begrifflich -au>
schauliche Aussprache man sich, wie erwähnt, verschiedent-
lich bemüht hat.
Am nächsten schliesst sich unserer Herleitung an die von
Gouy^) gegebene Darstellungsweise.- Gouy betrachtet ein im
1) Da also 1 — cc'r* < 1 , so folgt:
[ dJ jj'^ \ dJ )m''
d. h. z. B. die isothermische Compressibilität grösser als die adiabatische,
die isothermisch gemessene Dielektricitätsconstaute grösser als die adia-
batisch gemesscDe, die thermische Capacität bei constantem Druck grösser
als die bei coDstantem Volumen, etc. (allgemein formulirt von Cl. Maxwell,
Theory of heat p. 131.
2) Gouy, Compt. rend. 108. p. 341. 1889; auch Jouru. de Phy8.(2)
8. p. 501. 1889.
\
Zustandsgieichungen und Energiegleichungen. 79
I stabilen Gleichgewichte befindliches System, auf das von aussen
^ ein bestimmter Etnfluss ausgeübt wird (action de Top^rateur),
der in einer Aenderung des Volumens oder der Form, in
einer Zuführung von Elektricität oder Wärme, d. h. nach
unserer Ausdrucksweise: in der Aenderung einer bestimmten
Quanätätsgrösse M des Systems besteht. Die Wirkungen (efifets)
dieses Einflusses sind nun zweierlei Art, entweder unbeständige,
wie Aenderungen der Temperatur, des Druckes, des elektri-
schen Potentials, d. h. allgemein einer fremden Intensitäts-
grosse •/', oder beständige, zu denen er Aenderungen der Form,
des Volumens, der chemischen Zusammensetzung etc. rechnet,
d. h. Aenderungen einer fremden Quanätätsgr6sse M\
Es ist diese Unterscheidung und Bezeichnung durchaus
zutrefiFend, denn Aenderungen der Intensitäten können, da die
gleichen Grössen der Umgebung als constant vorausgesetzt
werden, nicht bestehen bleiben, sondern werden wieder zu
verschwinden streben, was für Aenderungen der Quantitäts-
grössen nicht gilt. Aus seinen unter Anwendung des Begriffs
der „nutzbaren^* Energie durchgeführten Betrachtungen er-
schliesst nun Gouy folgenden Satz:
„Die unbeständigen Wirkungen widersetzen sich dem Ein-
flüsse des Experimentators, die beständigen Wirkungen be-
günstigen ihn.''
Wir können darin eine directe Aussprache unserer obigen
Beziehungen sehen; denn denken wir uns die Wirkungen des
äusseren Einflusses d M, d. h. die Aenderungen d J' und ö M\
selbst als Ursache von „Gegenwirkungen" des Systems, von Rück-
wirkungen desselben auf die primär geänderte Grösse M, so
besagen unsere Relationen: Die Rückwirkung d JI/ hat das ent-
gegengesetzte Vorzeichen wie der ursprüngliche Einfluss d M,
wenn sie durch dessen ,junbeständige^^ Wirkung dJ', dagegen
das gleiche Vorzeichen, wenn sie durch die j,beständige^^
Wirkung d M' veranlasst ist — das ist genau der Inhalt des
Gouy 'sehen Satzes.
Einige der bekanntesten Beispiele seien hier angeführt:
Durch adiabatische Volumverminderung erwärmt sich ein Gas,
d. h. [d&jdv)8 < 0, also muss gelten {dvld&)p > 0, d. h. das
Gas dehnt sich bei isobarischer Temperatursteigerung aus.
Andererseits: Die durch Steigerung der Concentration {M)
80 0. Wiedeburg.
einer gesättigten Lösung bedingten Volumenänderungen {dM)
sind immer derart , dass sie selbst ihrerseits eine verstärkte^
Auflösung bedingen würden; das Gleiche gilt für den be-
gleitenden Wärmeaustausch mit der Umgebung (die Aendemng
der thermischen Ladung 8).
Die Herleitung unserer beiden Beziehungen (27) beruht
wesentlich auf jener einen allgemeinen Reciprocitätsbedingung,
die die beiden Zustandsgieichungen miteinander in Verbindung
setzt und in der Einführung des beiden Gleichungen gemein-
samen Factors r ihren directen Ausdruck findet. Die bloss
qualitative Folgerung aus jener quantitativen Festsetzung ist
also auch schon in jeder einzelnen der beiden Beziehungen (27)
enthalten y es lässt sich die andere dann mit Berücksichtigung
unserer als selbstverständlich bezeichneten Annahmen über
die Factoren c und c ohne weiteres herleiten. Dem entsprechend
kommt in der Form, in der Ostwald ^) und Braun ^ den
allgemeinen Satz ausgesprochen haben, auch nur eine unserer
Beziehungen (27), nämlich die zweite, zur unmittelbaren Wieder-
gabe: dJ' IdM^f und dM/dJ'j haben entgegengesetztes Vor-
zeichen.
Ostwald's Formulirung ^) lautet:
„Die correlative Begleiterscheinung bei einer zwangsweisen
Veränderung eines Systems wirkt diesem Zwange entgegen.^'
Dabei muss man also, wenn als das primäre, der Zwang,
die Aenderung einer Quantitätsgrösse bezeichnet wird, unter
der correlativen Begleiterscheinung die Aenderung einer
fremden Intensität verstehen — und umgekehrt.
Braun stellt den Satz in folgender Fassung auf:
„Der üebergang eines Systems in einen neuen Gleich-
gewichtszustand ist immer derart, dass diejenige willkürlich
hervorgebrachte Aenderung der einen Variabein, welche den
üebergang veranlasst, bei dem üebergange von selber ihrem
absoluten Betrage nach abnimmt. Ein stetig stabil ver-
änderliches System ist also gleichzeitig ein sich selbst be-
ruhigendes."
Wenn es sich darum handelt, durch Beispiele, wie sie
1) W. Oatwald, Lehrbuch d. allg. Chemie 2. p. 735. 1887.
2) F. Braun, Zeitechr. f. physik. Chem. 1. p. 269. 1887; Wied.
Ann. 33. p. 337. 1888. .
Zustandsgieichungen und Energiegleichungen, 81
namentlich Braun in grösserer Zahl giebt, diese Sätze zu be-
legen und zu erläutern, so wird vielfach stillschweigend von
unseren ^^selbstverständlichen'^ Voraussetzungen über die
Grössen c Gebrauch gemacht, und der specielle Ausdruck des
Satzes erscheint dann vielfach in einer Form, die sich direct
als eine Anwendung unserer ersten Beziehung (27) erweist:
ÖÄT IdMjf und öMjdM'j haben gleiches Vorzeichen.
Schon bevor der hier behandelte Satz in seiner ganzen
Allgemeinheit — zuerst von Ostwald — aufgestellt wurde,
war er, darauf sei hier kurz hingewiesen, verschiedentlich für
E^nzelgebiete ausgesprochen worden. Lippmann ^) hatte ihn
in seiner Behandlung der Wechselwirkung zwischen elektrischen
und andersartigen Vorgängen als Erweiterung des Lenz 'sehen
Inductionsgesetzes formulirt, van't Hoff^, Le Chiitelier^),
Potier*) zeigten, wie speciell der Sinn umkehrbarer chemi^
scher JReactionen unter Bezugnahme auf die damit verknüpften
thermischen Erscheinungen durch solch ein allgemeines Gesetz
bestimmt sei, das in gewissem Sinne an die Stelle des an
sich unbegründeten Berthelot'schen „Princips der grössten
Arbeit" treten kann.
Einen Punkt möchte ich schliesslich noch hervorheben:
Der von uns behandelte Satz über das gegenseitige Verhält-
niss zweier DifiFerentialquotienten von der Art öM/dJ'j und
dT IöMm' lässt das Vorzeichen des einen bestimmen, wenn
das des anderen bekannt ist. Eine andere Frage ist nun
aber die, ob wir etwa von Haus aus über das Vorzeichen
eines der beiden bestimmte Aussagen machen können. Nach
dem Obigen, Gleichungen (26), kommt dies darauf hinaus, ob
das Vorzeichen des Wechselwirkungsfactors r allgemein be-
stimmt, ob r z. B. als wesentlich positiv anzusehen ist so gut
wie die c. In dem Eingangs benutzten Beispiele der thermisch-
elastischen Vorgänge in einem Drahte ergiebt sich
U/1
1) G. Lippmann, Ann. de Chim. et de Phys. (5) 24. p. 172. 1881.
2) J. H. van*t Hoff, foudes de dynamique chiinique, p. 161.
Amsterdam 1884; Vorles. über theoret. u. phys. Chem. 1. p. 154. 1898.
3) H. Le Chatelier, Compt. rend. 99. p. 786. 1884.
4) A. F^oticr, Joum. de Phys. (2) 5. p. 56. 1886.
% Ans. d. PbTi. a. Chem. N. F. 69. 6
82 0. Wiedeburg. Zustandsgieichungen und Energiegleichungen.
erfahrungsgemäsB als positiv. Aber schon beim Eautschuli
versagt die hier zu vermuthende Regel, insofern bei ihm ?
mit wachsender Spannang sein Vorzeichen wechselt. Aehnlicl:
finden wir auch in anderen Fällen das Vorzeichen des Wechsel-
wirkungsfactors schwankend. Trotzdem glaube ich, dass man
diese Frage im Auge behalten soll. Sie wird neues Interesse
gewinnen, wenn wirklich gelingt, was ich oben als erstrebens-
werth bezeichnete: die Grundgleichungen durch vollständige
Berücksichtigung aller mit ins Spiel tretender Zustandsseiteii
so auszubauen, dass ihre Factoren als wirkliche Constanten
des Körpers erscheinen.
Leipzig, Juli 1899.
(Eingegangen 15. Juli 1899.)
5. Weitere Versuche an Becquerelstrahlen;
van J. Ulster und JET* GeiteL
I. Bemühungen, die Energiequelle der Becquerelstralilen
zu finden.*)
Im Folgenden erlauben wir uns über eine Reihe von Ver-
suchen zu berichten, die das Ziel hatten, die Energiequelle
der von Hm. H. Becquerel entdeckten Strahlen zu finden.
Diese Strahlen werden von dem Metalle Uran und allen seinen
Verbindungen, ferner (nach den Untersuchungen von Hrn. und
Frau Curie und Hm. G. C. Schmidt) auch von allen thor-
haltigen Substanzen ausgesandt; kürzlich haben die erstge-
nannten französischen Physiker in Gemeinschaft mit Hrn.
B^mont^ die Existenz zweier weiterer „radioactiver" StofiFe
als wahrscheinlich hingestellt, die aus dem Uranpecherz von
Joachimsthal in Böhmen gewonnen werden können.
Die Becquerelstrahlen sind am einfachsten zu charakteri-
siren, indem man sie als Röntgenstrahlen geringer Intensität
bezeichnet; wie diese wirken sie auf die photographische
Platte, ertheilen der Luft ein elektrisches Leitungsvermögen
und gehen durch Metallschichten, auch lassen sich Leucht-
erscheinungen an phosphorescirenden Körpern durch sie hervor-
rufen.
Soweit die bis jetzt gesammelten Erfahrungen reichen,
bleibt die Intensität der Strahlung ohne erkennbare Energie-
zufuhr andauernd constant.
Unsere Versuche, die wir zumeist an einem elliptischen
Stücke Joachimsthaler Pechblende von 300 g Gewicht und
etwa 7 cm Länge, 5 cm Breite und 1,5 cm Dicke ausführten.
t
1) Mitgetheilt a. d. XI. Jahreaber. d. Vereins f. Naturwisseusch. in
Braunschweig 1898/99. Sitzung vom 19. Januar 1899.
2) P. Curie, Mme. P. Curie et M. G. B^mont, Compt. rend. 127.
p. 1215. 1898.
6*
84 J. Elster u, U. GeiteL
gingen darauf aus, eine Veränderung in der Intensität der
Strahlen künstlich herbeizuführen. Trotz der negativen Er-^
gebnisse dürften diese Bemühungen nicht ohne Interesse sein,
da hierdurch das Eigenartige jener wunderbaren Erscheinung
deutlich hervortritt.^)
Da, wie bemerkt, die Becquerelstrahlen dem Wesen nach
den Röntgen'schen gleichen, so liegt die Annahme nahe, dass
sie wie diese durch Kathodenstrahlen erregt oder wenigstens
zu grösserer Intensität entfacht werden könnten. Wie andere
Substanzen, so senden auch die Uran Verbindungen , solange
sie von Eathodenstrahlen getroffen werden, Röntgenstrahlen
aus; es kam nun darauf an, festzustellen, ob irgend eine
Nachwirkung dieser Erregung erkennbar sei. Ein Stück üran-
kaliumsulfat wurde eine Zeit lang im Yacuum durch Eathoden-
strahlen in lebhafte Phosphorescenz versetzt, dann heraus-
genommen und auf eine photographische Platte gelegt, die in
lichtdichtes Papier gewickelt war. Zwischen der Platte und
dem üranpräparate befand sich eine durchlochte Scheibe aus
dickem Stanniol, von deren Oeffnungen nach dem Entwickeln
der Platte das Bild erschien. Indessen Hess sich kein unter-
schied in der Stärke des Bildes gegen ein anderes erkennen,
das auf derselben Platte mit demselben Stücke Urankalium-
sulfat in gleicher Zeit (24 Stunden) erhalten war, bevor das
letztere den Eathodenstrahlen ausgesetzt wurde.
Man könnte gegen diese Versuchsanordnung den Ein-
wand erheben, dass eine durch die Kathodenstrahlen hervor-
gerufene Erregung der Uransubstanz vielleicht sehr schnell
abklingen könne, sodass sie schon nahezu unmerklich würde
während der Zeit, die das Herausnehmen aus der Vacuum-
röhre erfordert. Um daher die Untersuchung möglic^ist bald
nach Einwirkung der Kathoden strahlen vornehmen zu können,
construirten wir eine Vorrichtung nach der Art der von Hm.
Lenard angegebenen, durch die wir die Kathodenstrahlen —
allerdings stark mit Röntgenstrahlen vermischt — im freie
Lufträume erhielten. Ein cylindrisches Glasrohr von 54 cm
1) Auch Hr. H. Hccquerel bemerkt am Schlüsse einer inzwischen
erschienenen Arbeit, dass es ihm nicht gelungen sei, durch physikalische
Einflüsse eine merkbare Aenderung in der Intensität jener Strahlen her-
vorzurufen (vgl. Compt. rend. 128. p. 777. 1899).
I
BecquereUtrahlen. 85
•
LäDge und 5 cm Durchmesser ist an beiden Enden durch auf-
gekittete Metallkappen verschlossen. Durch die eine ist ein
Glasrohr geführt, in dem ein Draht entlang läuft, der im
Innern des Rohres die Eathodenscheibe trägt, ein zweites
stellt die Verbindung mit der Pumpe her. Die der Kathode
gegenüber stehende Kappe hat eine kreisförmige Oefihung von
etwa 4 cm Weite, über diese ist ein Drahtnetz von Ya ^is
1 mm Maschenweite gespannt, das am Rande fest mit der
Metallkappe verlöthet ist. Auf das Drahtnetz wird lose ein
Stück Aluminiumfolie (Dicke 0,02 mm) von etwas grösserem
Durchmesser gelegt, seine Ränder werden dann durch einen
leichtflüssigen Kitt (Colophonium und Wachs) auf der Metall-
kappe luftdicht befestigt. Beim Auspumpen legt sich das
Alominiumblatt fest auf das darunter liegende Drahtnetz und
wird von diesem vor dem Zerreissen bewahrt. Das Drahtnetz
dient zugleich als Anode.
Man erkennt in dieser Vorrichtung das Lenard'sche
Bohr wieder, nur mit der Modification, dass statt eines Fensters
mehrere Hundert verwendet werden, allerdings ist zugleich
die Dicke der Aluminiumfolie (da so grosse Flächen sonst
schwerlich lochfrei zu haben sind) wesentlich stärker gewählt.
Schliesst der Apparat luftdicht, so kann man mittels eines
Inductors von etwa 15 cm Schlagweite für kurze Zeit sehr
kräftige Strahlen ins Freie treten lassen, durch die phosphores-
cirende Körper zu einem intensiven Leuchten gebracht werden,
das an Kathodoluminescenz im Vacuum erinnert Wir maassen
nun die durch das oben genannte Stück Pechblende hervor-
gerufene Elektricitätszerstreuung, und zwar zuerst, bevor wir
dasselbe den Strahlen ausgesetzt hatten und dann unmittel-
bar nachher. Aber auch hier war ein Unterschied nicht er-
kennbar. Natürlich wurden diese Zerstreuungsversuche in
einem anderen Räume angestellt, der gegen die Einwirkung
des Inductors geschützt war.
Auch das Sonnenlicht erwies sich als ohne Einfluss auf
die durch die Becquerelstrahlen verursachte Elektricitätszer-
streuung^), dagegen stellte sich bei Beobachtungen im Freien
1) Uebereinstimmend mit uiiaeren früheren Ergebnissen. Versuche
über Hjperphosphorescenz (vgl. X. Jahresber. d. Vereins f. Naturwissensch.
zu BrauDBchweig 1897).
86 e/. Elster u. H. Geüel
*
heraus, dass durch Luftbewegung stets eine Verminderung
dieser Zerstreuung bewirkt wird. Bei diesen Versuchen wurde
das Uranerz entweder direct auf ein kleines, am Elektroskope
befestigtes Metallschälchen oder auf die obere Fläche eines
den Knopf des Elektroskops umschliessenden Drahtnetzes ge-
legt. Wie gross der Radius des von den Becquerelstrahlen
leitend gemachten Luftvolumens ist, erkennt man daraus, dass
ein Anblasen des Uranerzes durch ein Gebläse die Elektrici-
tätszerstreuung viel weniger hindert, wie die gleichmässige,
durch den Wind im Freien bewirkte Bewegung der gesammten
umgebenden Luft. Im ersten Falle werden nur die leitenden
Lufttheilchen in unmittelbarer Nähe des Uranerzes entfernt,
während im zweiten auch die weiter abliegenden bei Seite ge-
trieben werden. Erwähnenswerth ist noch, dass eine künst-
liche Elektrisirung der Zimmerluft (vermittelst einer isolirten,
mit der eine Polstange einer thätigen Influenzmaschine ver-
bundenen Flamme) in gleicher Weise diese Zerstreuung von
dem geladenen Elektroskope zu dem umgebenden Drahtnetze
vermindert. Es liegt hier offenbar die von deij Herren
J. J. Thomson und E. Rutherford beobachtete Erscheinung
vor, dass die durch Röntgenstrahlen leitend gemachte Luft
diese Fähigkeit eben dadurch wieder einbüsst, dass sie eine
Elektricitätsübertragung vermittelt.
Ein Einfluss der Temperatur auf die Emission der Bec-
querelstrahlen liess sich mit Sicherheit nicht feststellen. Die
experimentellen Schwierigkeiten sind in diesem Falle beson-
ders gross, da bei der elektrischen Methode der Messung der
Einfluss der Wärme auf die Elektricitätszerstreuung in An-
• rechnung zu bringen und bei der photographischen die Tempe-
ratur der Platte constant zu halten wäre.
In Betreff der von Hm. und Frau Curie angekündigten
neuen Elemente können wir bestätigen, dass in der That das
nach den Angaben jener Forscher aus der Joachimsthaler
Pechblende auf chemischem Wege abgeschiedene Wismuth
Becquerelstrahlen von weit grösserer Intensität aussendet, als
irgend eine Uran Verbindung. Da das reine Wismuth keine
Strahlen giebt, so muss die Wirkung einer noch unbekannten
Beimengung zugeschrieben werden. Unter der Voraussetzung,
dass sie von einem Elemente ausgeht, haben Hr. und Frau
Becquerelstrahlen. 87
Carle für diesen noch nicht isolirten Stoff bekanntlich den
Namen Polonium vorgeschlagen.
Bei diesen chemischen Arbeiten fiel es uns auf, dass auch
das aus demselben Uranerze (durch Fällen der salpetersauren
Lösung mit Schwefelsäure) gewonnene Bleisulfat kräftige
Strahlen aussandte, während reine Bleiverbindungen unwirk-
sam sind. Durch Ammoniumtartrat lässt sich das inactive
Bleisulfat ausziehen und ein Rückstand von sehr hohem
Strahlungs vermögen gewinnen. Wie Hr. und Frau Curie
und Hr. B^mont in der schon erwähnten, soeben erschie-
nenen Arbeit mittheilen, haben sie aus der Pechblende einen
zweiten „radioactiven** Körper gewonnen, der in seinem chemi-
schen Verhalten dem Barium nahe steht und für den sie den
Namen Radium gewählt haben. Wir können daher nach
unseren Erfahrungen die Existenz eines unlöslichen Sulfates
bestätigen, das sehr intensive Becquerelstrahlen aussendet Ob
dieses einem neuen Elemente angehört, wird mit Sicherheit auf
spectroskopischem Wege feststellbar sein. Sehr interessant ist
daher die Angabe des Hm. Demar9ay^), dass er bei einer
ihm von Hm. und Frau Curie übersandten Substanzprobe
neben den Spectrallinien des Baryums eine neue nicht mit
anderen bekannten zu identificirende gefunden habe.
Hr. F. Giesel hat den Weg eingeschlagen, die Rück-
stände von der Urangewinnung auf solche radioactiven Be-
standtheile zu verarbeiten. Es ist ihm gelungen, auf diese
Weise geringe Mengen einer Substanz zu erhalten, die den
Barj'umplatincyanürschirm zu deutlichem Leuchten bringt, wie
es auch die französischen Forscher an ihren Präparaten ge-
funden haben. Diese Lichtentwickelung ohne irgend eine bis
jetzt bekannte Energiequelle ist sehr merkwürdig. Von weit
geringerer Intensität, aber dem im Dunkeln vollständig aus-
geruhten Auge deutlich sichtbar, ist das andauernde Leuchten
eines mehrere Millimeter dicken Kuchens von Urankalium-
sulfat. Vorherige Belichtung oder monatelanges Halten im
Dunkeln ist anscheinend ohne jeden Einfluss auf diese schwache
Lichtentwickelung, die demnach der Phosphorescenz des Uran-
kaliumsulfats unter der Einwirkung der von derselben Sub-
stanz ausgesandten Becquerelstrahlen zuzuschreiben ist.
1) E. Demaryay, Compt. rend. 127. p. 1218. 1898.
88 J. Elster u, H, GeiteL
Da die Eigenschaft, Becquerelstrahlen auszusenden, wie
es scheint, allen chemischen Verbindungen eines wirksamen ^
Elementes zukommt, so kann sie nicht wohl als Begleit-
erscheinung eines im eigentlichen Sinne chemischen Vorganges
gedeutet werden, man wird vielmehr aus dem Atome des be-
treffenden Elementes selber die Energiequelle ableiten müssen.
Der Gedanke liegt nicht fem, dass das Atom eines radio-
_ ■
activen Elementes nach Art des Molecüles einer instabilen
Verbindung unter Energieabgabe in einen stabilen Zustand
übergeht. Allerdings würde diese Vorstellung zu der An-
nahme einer allmählichen Umwandlung der activen Substanz
zu einer inactiven nöthigen und zwar folgerichtiger Weise
unter Aenderung ihrer elementaren Eigenschafben. Ob diese
gewagte Annahme aufrecht erhalten werden kann, wird zu-
nächst von dem Erfolge der Bemühungen abhängen, die
Energie der Becquerelstrahlen auf eine bekannte Quelle zu-
rückzuführen.
II. neber den Einfluss eines magn^ettschen Feldes auf die durch
die Becquerelstrahlen bewirkte Ijeitfähigkeit der Luft.^)
Es ist bekannt, dass der elektrische Widerstand einer
Strecke verdünnten Gases durch die Erregung eines magne-
tischen Feldes beeinflusst wird, und zwar beobachtet man im
allgemeinen eine Zunahme des Widerstandes, sofern nur nicht
die Stromesrichtung mit der der magnetischen Kraftlinien zu-
sammenfällt. Sehr deutlich zeigt sich diese Wirkung bei der
durch Belichtung einer photoelektrisch empfindlichen Kathode
oder vermittelst glühender Elektroden eingeleiteten Gasentladung,
sobald der günstigste Druck (etwa 0,5 — 1,0 mm) hergestellt
ist. Auch die gewöhnliche Elektricitätszerstreuung in einem
verdünnten Gase wird, wie Hr. A. Righi gefunden hat, inner-
halb eines magnetischen Feldes verzögert.
Es schien uns nun von Interesse festzustellen, ob auch
die durch die Becquerelstrahlen einem Gase mitgetheilte Leit-
fähigkeit durch magnetische Kräfte verändert werden kann.
Der Ausführung des Versuches steht die Schwierigkeit gegen-
über, dass dies Leitvermögen bei so niedrigen Gasdrucken,
1) Aus den Verhandl. der Deutschen Pbysikal. Gesellsch., I. Jahrg.
Nr. 7. 5. Mai 1899 mitgetheilt.
i
Becquerelstrahlen, 89
wie sie für den zu erwartenden magnetischen Effect erforder-
^ lieh sind, ohnehin sehr gering wird. Es gelang uns daher
auch nicht, mit den doch nur schwach wirkenden Uran-
präparaten unzweideutige Ergebnisse zu erzielen. Dagegen
versprach die weit intensiver strahlende Substanz, die man
nach dem Verfahren von Hrn. und Frau Curie und Hm.
Bömont aus der Pechblende als Begleiter der Baryumver-
bindungen gewinnen kann, denen sie in äusserst geringer Menge
anhaftet, viel eher einen Erfolg. Wir verdanken der Freund-
lichkeit des Hm. Giesel in Braunschweig ein Präparat,
das sich chemisch wie Chlorbaryum verhält, aber in Berührung
mit der Luft wie eine Flamme diese leitend macht und
selbst durch eine 4 mm starke Messingplatte hindurch noch
eine entladende Wirkung äussert. Baryumplatincyanür sowie
krystallisirtes Urankaliumsulfat werden in einigen Centimetern
Entfernung, selbst bei Einschaltung eines metallenen Schirmes,
zu deutlicher Phosphorescenz erregt.
Wir füllten mit diesem „radiumhaltigen** Salze ein kleines
Aluminiumschälchen von etwa 10 mm Durchmesser und 2 mm
Tiefe, das innerhalb eines Glasrecipienten von etwa 30 mm
Weite von einem eingeschmolzenen Platindraht getragen wurde.
Etwa 2 cm über der Substanz befand sich die zweite, durch
eine aufgekittete Ebonitplatte geführte Elektrode. Wurde nun
der Recipient auf etwa 1 mm Druck evacuirt, und das Schälchen
durch eine Zamboni'sche Säule auf ein Potential von etwa
500 Volt geladen, während die darüber befindliche Elektrode
mit einem Bohnenberger'schen Elektroskop in Verbindung
stand, so liess sich, bei Aufhebung der Erdleitung des Elektro-
skops an der Bewegung des Blättchens dieses Instrumentes der
infolge der kräftigen Strahlung sehr merkliche Elektricitäts-
übergang von der Schale zur Elektrode beobachten. Brachten
wir nun einen Hufeisenelektromagneten so an, dass die Ver-
bindungslinie seiner Pole senkrecht zu der von Schale und
Elektrode verlief, so bewirkte seine Erregung sofort eine be-
trächtliche Verlangsamung in dem Gange des Blättchens, die
mit dem Erlöschen des Magnetfeldes verschwand.
Indessen ist hierbei die Möglichheit nicht ausgeschlossen,
dass die von dem Salze ausgehenden Becquerelstrahlen selbst
in dem verdünnten Gase durch das Magnetfeld eine Ablenkung
90 J. Elster u. H. GeiteL Becguerehirahlen,
erlitten hätten, der zufolge sie yielleicht aus dem Baume zwischen
Elektrode und Schale herausgedrängt wären. Auch so konnte ^
eine Verminderung der Entladungsgeschwindigkeit zu Stande
kommen, indem nun das Gas vorzugsweise an solchen Stellen
leitend gemacht wäre, wo das elektrische Potentialgefälle ver-
hältnissmässig gering war.
Um die hier hervortretende, ganz abgesehen von der vor-
liegenden Untersuchung bedeutungsvolle Frage zu entscheiden,
ob die Becquerelstrahlen eine Ablenkung durch magnetische
Kräfte erfahren, benutzten wir die Phosphorescenz des Baryum-
platincyanürs. Wir brachten wiederum die Substanz in das
erwähnte Schälchen, schlössen nun aber den Recipienten in
etwa 15 mm Höhe über diesem durch eine 0,1 mm starke
Aluminiumplatte, durch die wir die Strahlen ins Freie treten
Hessen, luftdicht ab, und stellten durch Evacuireu den gleichen
Druck, wie bei dem oben beschriebenen Versuch her. Legten
wir nun auf die Aluminiumplatte einen kleinen Leuchtschirm
aus Baryumplatincyanür, so war auf diesem im völlig dunkelen
Zimmer ein LichtÜeck, herrührend von der Strahlung des In-
haltes der Schale, deutlich sichtbar. Bei Erregung des Magnet-
feldes behielt er seine Lage unverändert bei, auch wenn wir
den Gasdruck soweit erniedrigten, dass in einem zugleich an
die Pumpe angeschlossenen G ei ssler 'sehen Rohre durch die
Entladung eines Inductoriums lebhafte Kathodenstrahlen ent-
wickelt wurden.
Die Becquerelstrahlen erfahren demnach keine Ablenkung
durch magnetische Kräfte, die mit der der Kathodenstrahlen
vergleichbar wäre, stimmen also auch in dieser Beziehung —
wie in allen übrigen bis jetzt bekannten Eigenschaften — mit
den Röntgenstrahlen überein.
Die durch sie bewirkte Leitfähigkeit der Luft wird, wie
in anderen Fällen der Entladung durch verdünnte Gase, bei
einem Druck von etwa 1 mm durch Erregung eines magne-
tischen Feldes vermindert.
(EingegaDgen den 5. August 1899.)
6. Hin4ge8 über das Verhalten
des radioactiven Baryts u/nd über Polonium;
von F. Oiesel.
Im Anschlüsse an die vorstehende VeröfiFentlichung von
Elster und Geitel halte ich es für angezeigt, einige Beob-
achtungen; welche ich bei Darstellung radioactiver Präparate
aus Uranerzen gemacht habe, anzufügen, weil mir dieselben
unsere Eenntniss der Becquerelstrahlen wesentlich zu erweitern
scheinen.
Ich hatte zu gleicher Zeit und unabhängig von P. und
S. Curie aus Producten der Uransalzfabrikation, die ich der
Freundlichkeit des Hm. de Haen (chemische Fabrik in Han-
nover) verdankte, einen wesentlich aus schwefelsaurem Baryt
bestehenden Körper isolirt, der stark Becquerelstrahlen ausgab
und den Baryumplatincyanürschirm zum Leuchten brachte.
Der Körper erwies sich als identisch mit der von Curie dar-
gestellten, das sogenannte Radium enthaltenden Substanz, ob-
wohl nicht Pechblende, sondern andere Uranerze das Aus-
gangsmaterial bildeten. Das gereinigte Chlorid ergab ein sehr
wirksames Präparat, welches Elster und Geitel benutzten
und welches auch der Deutschen Physikalischen Gesellschaft
vorgelegen hat.
Da es nicht ausgeschlossen schien, dass eine noch weiter
gehende Anreicherung der activen Substanz unter Verwendung
grösserer Mengen, als mir darzustellen möglich war, zu er-
reichen sein würde, veranlasste ich die genannte Fabrik,
.grosse Erzquantitäten auf diesen StofiF zu verarbeiten. Ich
erlangte auf diese Weise soviel der nur in äusserst geringen
Mengen in den Uranerzen vorkommenden Substanz, dass ich
bereits etwas eingehender die Eigenschaften studiren konnte.
Folgende Thatsachen sind bis jetzt von mir beobachtet
worden:
92 F. Giesel
1. Die radioactiven Barytsalze (also die radiumbaltigeu)
zeigen, frisch aus Wasser krystallisirt, anfangs nur ganz ge-
ringe Activität. Dieselbe nimmt aber im Laufe einiger Tage
bis Wocben immer mebr zu, bis ein Maximum der Wirkung
erreicht ist, um dann constant zu bleiben.
2. Eine concentrirte Lösung des activen Chlorids in Wasser
giebt anfangs fast dieselbe Strahlung wie das feste Salz. Nach
einiger Zeit aber nimmt die Activität immer mehr ab und
verschwindet fast vollständig. Die aus der Lösung abge-
schiedenen Krystalle gewinnen, gerade wie es unter 1. geschil-
dert ist, ihre Activität allmählich wieder.
3. Alle radioactiven Barytsalze, die ich untersucht
habe (etwa ein Dutzend), besitzen in den ersten Krystallisa-
tionen die stärkste Wirkung, während aus der Mutterlauge
successive immer weniger wirksame Präparate erhalten werden.
Je concentrirtere Laugen hergestellt werden können, um
so schneller und vollständiger ist der gewünschte Effect zu
erreichen,
4. Das Chlorid, besonders aber das Bromid (auch das
Jodid) zeigt eine von einer etwaigen Vorbelichtung unab-
hängige Phosphorescenz in den eigenen Strahlen, die beson-
ders stark bei den (durch Erhitzen der Krystalle) entwässerten
Salzen hervortritt Das wasserfreie Bromid phosphorescirt sehr
kräftig in blaugrünlichem Lichte. An feuchter Luft zieht es
Wasser an und die Phosphorescenz wird geringer, lässt sich
aber beliebig oft durch erneutes Erhitzen zur gleichen Li-
tensität bringen. Die Phosphorescenz verschwindet in der
Hitze und tritt nur in der Kälte hervor.
Diese Eigenphosphorescenz des Bromids tritt nach dem
Entwässern sofort in voller Stärke auf, noch bevor sich die
Becquerelstrahlung desselben voll entwickelt hat. Je stärker
die Phosphorescenz an ein und demselben Präparate ist, desto
geringer scheint die Becquerelstrahlung zu sein.
5. Das aus activem Baryumchlorid und Kaliumplatin-
cyanür unter Zusatz von wenig Cyankalium dargestellte grüne
Doppelsalz von Baryumplatincyanür phosphorescirt, wie zu er-
warten war, sehr stark von selbst. Das Leuchten wird aber
mit der Zeit schwächer, weil allmählich durch die fortgesetzte
Einwirkung der eigenen Strahlen das grüne Salz zunächst in
Verhalten des radioactiven Baryts und Poloniums, 93
das weniger empfindliche gelbe und schliesslich in das braune
übergeht, analog dem Verhalten des gewöhnlichen Baryum-
platincjanürs bei andauernd intensiver Einwirkung von Röntgen-
strahlen. Durch Auflösung des braunen Salzes und erneute
ELrystallisation ist das grüne Salz wieder darstellbar.
6. Ein sehr stark wirksames Chlorbaryum, welches an-
fangs farblos war, färbte sich mit zunehmender Activität mit
einem Stich ins Gelbliche. —
Die Hauptfrage, yne weit die Radioactivität überhaupt
gesteigert werden kann und ob eventuell der eigentlich active
Stoff vom Baryum getrennt und isolirt werden kann, ist noch
nicht erledigt Nur soviel scheint sicher zu sein, dass durch
fractionirte Erystallisation allein, auch bei der jetzt möglichen
Verwendung weit grösserer Quantitäten, als früher, eine noch
weiter gehende Verbesserung der Präparate, als im Anlange
schon erreicht worden ist, nicht möglich ist.
Mit der Untersuchung der neben Radium gleichzeitig, aber
in geringeren Mengen gewonnenen, stark activen, polonium-
haltigen Stoffe bin ich noch beschäftigt. Ich habe aber aus
ihnen durch Schwefelwasserstoff einen Niederschlag erhalten,
der an Wirksamkeit das beste Baryumpräparat noch übertrifft.
Ebenso wirksam ist das aus dieser Schwefelverbindung dar-
gestellte Chlorid, sowie das aus der Lösung des letzteren
durch metallisches Zink oder den galvanischen Strom sich ab-
scheidende freie Metall.
Ein auffallender Unterschied tritt bezüglich des Durch-
dringungsvermögens der von den beiden chemisch sich unter-
scheidenden radioactiven Körpern ausgesandten Strahlen hervor.
Während die Strahlen des Radiums z. B. einen Silberthaler noch
ziemlich durchdringen, werden die Strahlen des Poloniums,
obgleich dieselben intensiver sind, schon von erheblich dünneren
Metallplatten vollständig zurückgehalten. Das Schattenbild
der Hand, eines Metallgegenstandes etc. erscheint daher durch
Poloniumstrahlen weit intensiver und contrastreicher auf dem
Schirme, als durch Radiumstrahlen.
Ueber etwaige, den Radiumpräparaten ähnliche Verände-
rungen der Activität sind bei den Poloniumpräparaten nur
wenige Versuche angestellt und will ich nur erwähnen, dass
zwei vor einigen Monaten erhaltene geringe Mengen von gut
94 F, OieseL Verhalten des radioactiven Baryts etc.
wirksamen SchwefeIwasser8tofffä.llungen gegenwärtig ihre Acti-
vität vollkommen verloren haben. Dieselbe Hess sich durch
erneutes Lösen der Substanz und Fällen mit Schwefelwasser-
stoflF nicht wieder regeneriren.
Im Uebrigen habe ich die Angaben der französischen
Forscher über Polonium und Radium bestätigen können.
Braunschweig, August 1899.
(EiDgegangen 5. August 1899.)
7. Ueber die diffuse Zerstreuung
der Kathodenstrahlen in verschiedenen Gasen;
van TT. Kaufmann.
(Göttinger Habilitationsschrift.)
1. Einleitung.
Von Hrn. Ph. Lenard^) ist gezeigt worden, dass Kathoden-
strahlen, welche ein Gas durchsetzen, in diesem theils absorbirt,
t/ieüs diffus zerstreut werden, und zwar so, dass einer grösseren
Absorption auch stets eine grössere Zerstreuung entspricht.
Femer hat Hr. E. Goldstein*) in einer neueren Arbeit
dargelegt, dass das Licht der dritten Kathodenschicht, auch
Glimmlichtstrahlen genannt, von dem Zusammentreffen der
Kathodenstrahlen mit den Gastheilchen herrühre und* dass
jedes Volumenelement des Gases der Ausgangspunkt eines
nach allen Seiten sich ausbreitenden secundären Strahlen-
bündels sei, das seinerseits auch wieder längs seiner Bahn
Glimmlicht erzeuge. Hr. Goldstein lässt es hierbei vorläufig
unentschieden, ob die secundären Strahlen qualitativ mit den
eigentlichen Kathodenstrahlen identisch sind oder nicht. Doch
macht die magnetische Ablenkbarkeit , sowie die sonstigen
Eigenschaften der secundären Strahlen die erstere Annahme
mindestens recht wahrscheinlich, wobei natürlich eine etwaige
Aenderung dieser Eigenschaften in quantitativer Hinsicht
nicht ausgeschlossen ist. Man kann also wohl mit Recht von
einer diffusen Zerstreuung der Kathodenstrahlen an den Gas-
theilchen sprechen.
Zweck der vorliegenden Untersuchung ist, die erwähnte
Erscheinung in einigen Gasen quantitativ zu untersuchen und
daraus eventuell Schlüsse auf ihren Mechanismus zu ziehen.
2. Methode der Untersuchung.
Es boten sich zwei principiell verschiedene Wege zu einer
Messung der Zerstreuung. Die erste Methode ist eine optische
•
1) Ph. Lenard, Wied. Ann. 56. p. 255. 1895.
2) £. Goldstein, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Berlin 40«
p. 905. 1897.
96 /F. Kaufmann,
und würde der von Hrn. Lenard angewandten durchaus ent-
sprechen; sie besteht darin, dass man von dem diffus zer-
streuten Strahlencomplexe durch Diaphragmen ein engest
Bündel herausschneidet und dessen Intensität mit Hülfe eines
fluorescirenden Schirmes photometrisch bestimmt.
Als zweite Methode bietet sich die von Hm. Perrin^)
zuerst angegebene Anordnung, die Menge der Kathodenstrahlen
durch Messung der mitgeführten Elektricitätsmenge zu be-
stimmen. *)
Es ist von vornherein klar, dass beide Methoden nicht
zu demselben Resultate zu fuhren brauchen. Denkt man sich
nämlich zwei Kathodenstrahlenbündel von gleichem Querschnitte,
welche zwar elektrisch gemessen gleich stark, aber bei ver-
schiedenem Entladungspotential erzeugt sind, so entspricht
dem höheren Entladungspotential stets eine grössere Fluores-
cenzhelligkeit. Man kann also nur dann nach beiden Methoden
dasselbe Resultat erhalten, wenn sämmtliche Eigenschaften
der Strahlen bei der Zerstreuung unverändert bleiben; dass
letzteres aber nicht der Fall ist, folgt aus den Versuchen
Lenard 's, welcher nicht nur eine diffuse Zerstreuung, sondern
auch eine Absorption der Kathodenstrahlen in Gasen feststellte
(vgl. p. 115).
Ich habe schon der viel grösseren erreichbaren Genauig-
keit wegen die elektrische Methode vorgezogen.
Das Princip derselben ist folgendes: Ein durch geeignete
Diaphragmen abgeblendetes Kathodenstrahlenbündel durchsetzt
einen Metallcylinder, der durch ein Galvanometer zur Erde
geleitet ist, und zwar ohne die Wände des Cylinders zu
treffen; das Bündel trifft jenseits des Cylinders auf einen
ebenfalls durch ein Galvanometer zur Erde geleiteten Metall-
schirm. Beobachtet man nun, dass von dem Cy linder aus ein
negativer Strom zur Erde fliesst, so kann dieser nur von
Kathodenstrahlen herrühren, die entweder diffus zerstreut oder
innerhalb des Cylinders von dem Gase absorbirt sind. Nach
dem Gesetze der Erhaltung der elektrischen Quantität kann
1) J. Perrin, Ann. de Chim. et de Phys. (7) 11. p. 496. 1897.
2) lieber quantitative Messungen mittels dieser Methode vgl. die
Arbeiten von J. J. Thomson, Phil. Mag. 44. p. 293. 1897; H. Starke,
Wied. Ann, 66. p. 49. 1898.
i
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen.
97
unter Absorption der Kathodenstrahlen nur eine Vernichtung
ihrer Energie verstanden werden, während die mitgeführten
Elektricitätsmengen, da sie sich nicht bis zu beliebiger Dichte
anhäufen können, auf irgend einem Wege, sei es durch
Leitung, sei es durch Convection, die Wand des Cylinders er-
reichen müssen.
Man misst also auf diese Weise die diffuse Zerstreuung
und Absorption der Eathodenstrahlen zusammen. Nimmt man
fiir die letztere die von Lenard angegebenen Zahlen als
richtig an, so sieht man aus den weiter unten folgenden Be-
obachtungsresultaten leicht, dass nur ein minimaler Bruchtheil
des beobachteten Stromes von Absorption herrühren kann;
ich werde daher im Folgenden stets nur von der Zerstreuung
der Eathodenstrahlen sprechen.
3. Beschreibung des Apparates.
Nachdem durch eine Reihe von Vorversuchen, über welche
weiter unten noch kurz berichtet werden soll, über die nöthigen
Dimensionen des Apparates Klarheit erlangt war, wurde fol-
gende, zu den definitiven Messungen benutzte Anordnung ge-
troffen (Fig. 1).
L
->^ — j.
G
±
->
s
<-2
2 V
^1
rr«
.*^
Erde
OJi
fclili
Fig. 1.
Das von einer in der Figur nicht gezeigten Aluminium-
kathode ausgehende Kathodenstrahlenbündel passirte zuerst
einen 2 cm langen, 0,2 cm breiten Canal in dem Messing-
klotze Äj welcher zur Erde geleitet war und als Anode diente.
Der enge Canal hat hauptsächlich den Zweck, die Kraftlinien
des eigentlichen Entladungsraumes abzufangen, sodass man
jenseits des Canals wirklich „reine** Kathodenstrahlen hat,
ohne Ueberlagerung eines Leitungsstromes. ^)
1) Ich verdanke diese Anordnung einer liebenswürdigen Mitt Heilung
meines Collegen, des Hrn. H. Starke.
Ann. d. Phji- u. Chem. N. F. 69. 7
98 /^. Kaufmann,
Da das Bündel, infolge mehrfacher diffuser Reflexionen
an den Wänden des Canals, diesen sehr stark diffus verlässt,
so ist in 2, cm Entfernung ein 0,2 cm weites Diaphragma ß ^
angebracht, welches mit Ä durch das Rohr C metallisch ver-
bunden ist. Jenseits dieses Diaphragmas gelangen die Strahlen
in den eigentlichen, zur Messung der Zerstreuung dienenden
Apparat, Derselbe besteht aus einem Messingcylinder I) mit
den axialen Oeffhungen E und F\ die Dimensionen dieser Oeff-
nungen (-B=0,3 cm, JP=0,4 cm Durchmesser) sind so ge-
wählt, dass das sie durchsetzende Strahlenbündel ihre Ränder
keinesfalls treffen kann. Schliesslich gelangen die Strahlen in
den Hohlraum H, wo sie von der Verschlussplatte / aufge-
fangen werden; letztere ist aus Aluminium hergestellt behuis
möglichster Verminderung der Reflexion (vgl. weiter unten).
Mit H metallisch verbunden ist noch ein Cylinder ff, welcher
den Cylinder D concentrisch umgiebt und von ihm durch ein
dünnes Glimmerblatt isolirt ist; er dient nur als Stütze für JD,
Ebenfalls durch Glimmer ist die Isolation zwischen I) bez. G
und B hergestellt, und zwar ist das Blatt zwischen den
beiden Diaphi*agmen E und B so dünn gewählt als irgend
möglich. Die Blechdicke sämmtlicher Cylinder betrug etwa
0,5 mm.
Der ganze Apparat war in eine ihn eng umschliessende
Glasröhre eingeschlossen, welche ausserdem noch eine Alu-
miniumkathode von etwa 1 cm Durchmesser enthielt.
Da es schwer ist, die Kathode, so genau zu centriren,
dass das Strahlenbündel genau axial verläuft, so wurde das
letztere mit Hülfe eines Magneten in die richtige Lage ge-
bracht.
Ausser dem soeben beschriebenen wurde noch ein anderer
Apparat benutzt, der sich von dem obigen hauptsächlich durch
die grössere Länge des inneren Cylinders (9,65 cm) unter-
schied. Ausserdem hatte bei diesem, nur zu den Vorver-
suchen benutzten Apparate der innere Cylinder keine End-
platten; es ging infolge dessen ein nicht unbeträchtlicher Theil
der zerstreuten Strahlen dadurch wieder verloren, dass die-
selben an den Wänden des Cylinders reflectirt wurden und
durch die Endöffnungen nach aussen gelangten. Man erhielt
deshalb mit diesem Apparate zu kleine Werthe, und zwar be-
I
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen,
99
trug die Abweichung gegenüber den definitiven Zahlen bei
StickstoflF etwa 16 Procent.
Die elektrische Anordnung zeigt Fig. 2. Von den Polen
(P, P) einer 20 plattigen Influenzmaschine, die durch einen
Elektromotor angetrieben wurde, ist der positive zur Erde ge-
leitet, der negative ist mit demBraun'schen Elektrometer (^) ^),
einem Jodkadmium widerstand (R) und durch einen Ausschalter (^)
mit der Kathode (AT)
verbunden. Die punk-
tirten Linien stellen eine
zur Erde abgeleitete
Schutzhülle dar, welche
sämmtliche Hochspan-
nungsleitungen , sowie
die Maschine selbst um-
giebt. Diese Vorsichts-
maassregel ist zur Er-
zielung zuverlässiger
Resultate unbedingt er-
forderlich , weil ohne
dieselbe infolge von
Spitzenausströmungen
leicht E^ektricität durch
die Luft in die weiter
unten zu beschreibende
Galvanometerleitung übertritt und auf diese Weise falsche Aus-
schläge des Galvanometers hervorruft.
Zur Messung der Zerstreuung diente folgende Einrichtung:
Von dem inneren Cy linder (i?, Fig. 1) und von der Endplatte
(e/, Fig. 1) fuhrt je eine Leitung durch die Stöpselwider-
stände W bez. w zur Erde; die dem Apparate zugewandten
Enden der Widerstände sind durch ein d'Arsonval-Galvano-
meter {G) miteinander verbunden. Ist J^ der gesammte Kathoden-
strom, der in den Cylinder eindringt, i der durch Zerstreuung
Fig. 2.
1) Das Brau nasche Elektrometer war, abweichend von der ge-
wöhnlichen Form, mit einer Gradtheilung versehen; es ist von Hrn.
A. Orgler gelegentlich einer von ihm im hiesigen Institut ausgeführten
Arbeit mittels einer Hochspannungsbatterie und einer elektrostatischen
Waage geaicht worden.
1 00 M^. Kaufmann.
an den Cylinder gelangende Theil^ so trifft anf die Endplatte
noch der Strom {J^ — i); wie leicht einzusehen, bleibt das
Galvanometer in Ruhe, wenn t /{Jq -- i) — w j W.
Von den beiden Widerständen betrug der eine, IF, con-
stant 10000 Ohm, während w variirt wurde. Das Galvano-
meter^) war von Siemens & Halske gebaut und hatte eine^
Empfindlichkeit von 5 . 10-^^ Amp. pro Sealentheil bei einem.
Widerstände von ca. 10000 Ohm.
Die Stärke des in den Cylinder gelangenden Kathoden-
Stromes betrug 10-® bis IQ-^ Amp. Da bei der vorzüglichen^
Buhelage des Instrumentes Ausschläge von Y20 ScalentheiL
noch sicher bemerkt wurden, so war die Einstellung bei starkem.
Entladungen auf etwa 1 — 2 Proc, bei schwächeren auf etwit»
3-1-5 Proc. sicher.
Der Flüssigkeitswiderstand R bestand aus einer 10 proc-
Lösung von Jodcadmium in Amylalkohol, die durch Zusatz
von Benzol in geeigneter Weise verdünnt worden war. Durch
Verschieben der mit der Erde verbundenen beweglichen Elek-
troden konnte das Potential der Kathode in beliebigen Grenzen
variirt werden.
Evacuirt wurde mittels einer automatischen Pumpe vom
SprengeTschen Typus; zur Druckmessung diente ein Mac
Leod'sches Manometer. Sämmtliche Glastheile waren ent-
weder miteinander verblasen oder durch gute Schliffe ver-
bunden; die Dichtigkeit des Apparates konnte als eine abso-
lute bezeichnet werden. Wegen der grossen Länge der
Glasleitungen wurde das Trockengefäss an der Luftpumpe für
nicht ausreichend gehalten und in unmittelbarer Nähe des
Manometers ein zweites mit PgOg gefülltes Gefäss angebracht.
Ohne diese Vorsicht kann man unter Umständen sehr falsche
Angaben des Manometers erhalten.
Zur EinfüUung der untersuchten Gase diente ein Baro-
meterrohr, in welches eine in eine feine Spitze ausgezogene
Glasröhre von unten eingeführt wurde; die vorher gereinigten
und getrockneten Gase stiegen aus der Spitze in einzelnen
Blasen durch das Quecksilber auf.
1) Nach d^Arsonval.
I
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen, 101
4. Berechnung des Zerstreuungscoeffioienten.
Id Fig. 3 ist der innere Gylinder noch einmal schematiscb
dargestellt. Derselbe werde durchsetzt von einem unendlich
düDnen Strahlen bündel, dessen elektrisch gemessene Intensität
beim Eintritt gleich «^ sei; von diesem Bündel werde längs
l '3.13
CT
^ JC- — ■
— in 1ii:::r-^^^sxd.si^.
Fig. 3.
des Wegstückes dx der Betrag Jhdx zerstreut, wobei / die
Intensität im Punkte x und h den j^Zerstreuungscoefficienten^^
darstellt, welch letzterer abhängig ist von der Natur und dem
Drucke des Gases, sowie von dem Entladungspotential, bei
welchem die Strahlen erzeugt werden. Es ist also
(1) 1^ = -«^*
oder
(2) /=e/o^-^',
folglich wird die auf der Strecke dx zerstreute Menge gleich
J^be^^" dx.
Nimmt man die Oeffnuiigen des Cylinders als unendlich klein
an, so gelangt die ganze zerstreute Menge an die Cylinder-
wandung und es ist
i ^ Jj^b e-^^ dx = J^{1 ^ e-^^) .
u
(2 a) 4- = (1 -e-^').
Thatsächlich gelangt ein Theil der zerstreuten Strahlen durch
die Oeffnungen nach aussen und zwar namentlich von den
nahe den Enden gelegenen Funkten aus. Dieser Verlust wird
jedoch dadurch compensirt, dass für jede von irgend einem
Punkte nach aussen gelangende Menge eine fast genau gleiche
von dem symmetrisch gelegenen Punkte jenseits der OefiEhung
102 fF. Kaufmann.
nach innen gelangt. Diese Compensation wird erst dann un-
vollkommen, wenn die Zerstreuung so stark ist, dass das directe
Strahlenbündel auf dem Wege von dem inneren zum äusseren
Punkte (oder umgekehrt) bereits merklich geschwächt ist.
Zum genaueren Nachweis des Gesagten soll im Folgenden
die Rechnung für die thatsächlich vorhandenen Dimensionen
der Oeffnungen durchgeführt werden. Zu diesem Zwecke
werde die Annahme gemacht, dass die Zerstreuung von jedem
Punkte nach allen Seiten gleichmässig erfolgt.
Bezeichnet man den körperlichen Winkel, unter dem vom
Punkte X aus die Cylinderwandung erscheint, mit cö^, so ist^
demnach die gesammte, an den Cylinder gelangende Strahlen-
menge:
(3) i = Jo 4^ f '».'-"' dx.
Es erübrigt noch die Grenzen des Integrals festzustellen; derr"
äusserste Punkt {xq) auf der nach der Kathode zu gelegeneiB.
Seite, von dem aus noch die Innenwand des Cylinders ge —
sehen werden kann, ist durch die Gleichung gegeben:
/^\ ~ ^0 __ ~ ^0 "^ ^ .
nun ist für die rückwärts gelegenen Punkte, wie leicht ziz
sehen, für q^ nicht der Radius der Cylinderöffnung selbst,
sondern der des Diaphragmas B (Fig. 1) einzuführen, d. h.
Pj = 0,1; Q^ ist = 0,2, sodass ar^^ = — /= —3,13. Die obere
Grenze ist die Entfernung der Endplatte vom Eintrittspunkte,
also gleich / + 3 = 6,13.
Es ist also:
6,13
(5) i=^jQ-^a)^e-^dx.
- 3,13
Nun ist:
(6) 0,, = 2;r
sodass:
6,13
X __ (l-x)
n) _i = A f(—^— + ^-^-5^—1 e-^' dx
-3,13
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstralden, 103
Es werde dieses Integral in drei Theile zerlegt zwischen den
Grenzen:
- 3,13 bis 0 [5J
0 bis 3,13 [Äg]
3,13 bis 6,13 [S,]
sodass:
(8) Ai- = 5, + 5, + 53.
Von diesen drei Intergralen ist S^ das bei weitem grösste,
während die beiden anderen nur Correctionsglieder darstellen.
Da eine genaue Berechnung nur mittels einer höchst un-
bequemen Reihenentwickelung möglich ist, so soll im Fol-
genden eine angenäherte Berechnung unter Berücksichtigung
der durch Vorversuche ermittelten thatsächlichen Werthe von
h ausgeführt werden:
Es werde für die Rechnung eine Genauigkeit von 2 Proc.
verlangt.
Dann kann man für :r ^ 1 bez. (/ — ^) ^ 1 setzen :
X U - X) ^
mit einem Fehler von 1 Proc. bez. 2 Proc.
Ferner kann man, da nach den Vorversuchen b den Werth
0,1 im allgemeinen nicht übersteigt, für ar ^ 1 bez. (/ — ^) ^ 1
setzen
e-^^=l — bx
und
mit einem maximalen Fehler von 0,5 Proc.
Auf Grund dieser Betrachtungen können die Integrale in
folgender Weise berechnet werden:
Es ist:
i i
0 0
Setzt man in dem zweiten Theile von 5^:
(/ — x) = u,
104 //'. Kaufmann,
(11)
so erhält man:
i i
0 0
Beide Integrale werden auf Grund der obigen numeris
Ausführungen nochmals zerlegt in je eines von 0 bis 1
eines von 1 bis /, wobei im ersten Theil e-^' = 1 — bx
= 1 + ^ u zu setzen, im zweiten Theile der Bruch glei
zu setzen ist. Es ist demnach:
11 1
^ r xdx . r x^dx .. C udu , ji.i
^ J VqI-^x^ J VQi + «?• J Vofi^ J
0 0 0 0
l l
+ le-'^'dx + e-^^ /«*" du,
1 1
Die Integration bietet keine weiteren Schwierigke
setzt man noch:
so erhält man unter Vernachlässigung der höheren Gliec
(^2) i'Sa = 2,97 Ä - 4,60*« + 1,24 Ä».
Auf ganz ähnliche Weise erhält man
(13) i-Si = 0,06 * - 0,0035 Ä» ,
(14) y ^3 = 0, 10 * - 0,345 b^ + 7,45 b^
und durch Addition der drei Gleichungen:
(15) 4- = 3^13 * - 4,95 b^ + 8,7 b^ .
Wären die Oeffnungen im Cylinder nicht vorhanden, S(
alle zerstreuten Strahlen aufgefangen würden, so hätte
erhalten (vgl. Gleichung 2a):
oder unter Vernachlässigung der höheren Glieder:
(16) 4- = 3,13 b - 4,90 b^ + 5,1 b^ .
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen, 105
Beide Grössen unterscheiden sich selbst flir ^ = 0,1 — grössere
Werthe wurden nur wenige beobachtet — nur um etwa
1,5 Proc, man kann also für die Verwerthung der Beobach-
tungen thatsächlich die Gleichung (2a) benutzen.
Bei den Beobachtungen wird nicht ijJ^ bestimmt, sondern,
wie bereits erwähnt, eine im Folgenden mit A bezeichnete Grösse :
Ja - *
Aus Gleichung (2a) folgt:
oder: ^/ = log„at(l + ^),
(17) ^/= 2,303 log ,J1 +Ä),
und da / = 3,13 ist:
(18) * = 0,737 . log,, [\+A).
Es ist noch zu untersuchen, inwieweit das Resultat durch
die Reflexion der Strahlen an den Wänden des Cylinders bez.
an der Auffangeplatte beeinflusst werden kann. Nach den
Versuchen von Starke ^) beträgt die Reflexion an Messing
etwa 40 Proc. Von diesen reflectirten Strahlen gelangt ein
tleiner Theil durch die Cylinderöffnungen nach aussen. Eine
ungefähre Berechnung zeigt, dass selbst von den am un-
günstigsten gelegenen Punkten der Cylinderwandung höchstens
1 Proc. der auftreffenden Strahlung nach aussen gelangen kann ,
der Gesammtfehler beträgt also weit unter 1 Proc. Ebenso
ergiebt sich, dass die von dem Aluminiumblech in den Cylinder
zurückreflectirten Strahlen selbst bei den schwächsten be-
obachteten Zerstreuungen höchstens 1 Proc. Fehler ver-
ursachen können.
5. Ausführung der Versuche.
Als wesentlichste Fehlerquelle bei der Ausführung der
Versuche erwies sich die durch den Strom bewirkte Lösung
occludirter Gase aus den Metalltheilen des Apparates. Eine
völlige Beendigung dieser Gasentwickelung (das entwickelte
Gas bestand grossentheils aus Wasserstoff, wie sich durch
spectroskopische Untersuchung ergab) konnte selbst nach etwa
sechstägigem, fast ununterbrochenem Betriebe der Röhre und
mehrmaligem gänzlichen Evacuiren nicht erreicht werden. Es
blieb deshalb nichts übrig, als ihre Einwirkung auf das Re-
1) H. Starke, 1. c.
106 fy. Kaufmann.
sultat dadurch möglichst zu beseitigen, dass der Strom imme
nur ganz kurze Zeit, etwa 10 — 20 Secunden, geschlosse
wurde und nach je zwei bis drei Messungen durch Aus
pumpen bis auf etwa V2000 ^^ ^^^ Einfüllen neuen Gase
bis auf etwa 1 mm der Grasinhalt gereinigt wurde. Da da
auszupumpende Volumen etwa 600 ccm betrug und die Pump
nur massig schnell arbeitete, so erforderte auf diese Weis
jede einzelne Messungsreihe bei einem bestimmten Druc
einen Zeitaufwand von etwa Yg bis */^ Stunde.
Es war ursprünglich meine Absicht, eine möglichst gross
Zahl von Gasen zu untersuchen, doch wurde ich durch ausser
Gründe daran verhindert, sodass ich im Folgenden nur die a
folgenden fünf Gasen gewonnenen Resultate mittheilen kam
Es wurden untersucht: StickstoflF, Kohlendioxyd, Kohlen
oxyd, Wasserstoff, Stickoxydul, und zwar wurde Stickstoff i
beiden — eingangs beschriebenen — Apparaten untersuch
Kohlendioxyd, Kohlenoxyd und Stickoxydul nur in dem defin
tiven Apparate, Wasserstoff nur in dem zu den Vorversuche
geltenden. Eine Wiederholung der Wasserstoffversuche m
dem Hauptapparate unterblieb hauptsächlich wegen der völlige
Unmöglichkeit, den occludirten Wasserstoff auch nur einigei
maassen wieder zu entfernen. Es hätte wochenlangen ununtei
brochenen Betriebes der Röhre bedurft, um dieselbe für ander
Gase wieder brauchbar zu machen.
6. Versuchsresultate.
a) Stickstoff.
(Ng wurde bereitet durch Erhitzen einer Lösung voi
(NHjgSO^ und 2(NaN0j); getrocknet wurde vor dem EinfüUei
durch HaSO^.)
Um die Abhängigkeit der Zerstreuung vom Drucke un
vom Potential einzeln zu untersuchen, war es nöthig, bei cod
stantem Druck das Potential zu variiren. Dies gelingt nu
innerhalb ziemlich enger Grenzen (durch Aenderung de
Flüssigkeitswiderstandes), denn unterhalb eines gewissen Werthe
hört die Entladung überhaupt auf, über eine gewisse Grenz
steigt das Potential selbst bei den stärksten Strömen nicht ai
In den Tabellen bedeutet F das Entladungspotential i
Volt, A die p. 105 definirte Grösse, b den daraus berechnete
Zerstreuungscoefficienten, p den Gasdruck in mm Hg.
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen, 107
Tabelle I.
Stickstoff.
V Ä b p.lO^ — - 5Proc.
P
4700 0,120 0,0362 1 / 5065 - 10
4600 0,128 0,0886 \ 38,6 \ 5280 - 6,6
4350 0,143 0,0428 ' I 5540 - 2,0
2550 0,40 0,1072 43,0 6360 +12,6
2580 0,38 0,1028 1 ^^ 1 6530 +15,6
2800 0,825 0,0898 J ' 1 631Ö +11,7
2930 0,27 0,0768 1 ^^ ^ 1 5860 + 3,7
3200 0,245 . 0,0700 J ' 15830 + 3,2
3130 0,235 0,0673) ^^ ^ f 5830 + 3,2
8400 0,220 0,0634 J ' \ 5950 + 5,3
4600 0,180 0,0390 1 ^^ ^ f 5540 - 2,0
3550 0,185 0,0541 J ' \ 5930 + 5,0
3000 0,255 0,0725 1 ^^ f 5780 + 1,4
3300 0,280 0,0660] ' \ 5730 + 1,4
5900 0,092 0,0281 i 1 5300 - 6,2
4100 0,137 0,0409 i 31,3 | 5350 - 5,3
5650 0,099 0,0301 ) 1 5430 - 3,9
5200 0,110 0,0333 » | 5270 - 6,7
5270 0,110 0,0333 i 32,9 | 5340 - 5,5
3430 0,180 0,0528) 1 5500 - 2,7
4400 0,125 0,0376 1 ^^ ^ 1 5290 - 6,4
5970 0,091 0,0278 J ' 15300 - 6,2
6970 0,072 0,0222) ^^ ^ f 5210 - 7,8
7450 0,069 0,0213 J ' 15840 - 5,5
3950 0,164 0,0485 1 ^g ^ (5280 - 6,6
8700 0,177 0,0521 J ' 1 5310 - 5,5
3300 0,22 0,0635 85,5 5900 + 4,4
2600 0,895 0,1062 43,6 6830 +12,0
6120 0,088 0,0269 1 f 5820 + 3,0
6120 0,091 0,0278) ' \ 6010 + 6,4
7200 0,068 0,0210 26,1 5790 + 2,5
Mitterr~665Ö~
108 ^. Kaufmann.
Eine Betrachtung der fünften Spalte zeigt, dass •
Grösse bF/p annähernd constant ist; doch bemerkt man
einer Ordnung der Tabelle nach steigendem b einen deutlicl]
Gang, in dem den grössten b auch die grössten b Fjp entsprecb
Dieser Gang dürfte jedoch zum Theil davon herrühren, di
bei den zu den grössten b gehörigen grossen Drucken der Leituni
Strom trotz der Diaphragmen noch nicht ganz beseitigt war
Von etwa 3500 Volt an aufwärts ist der Gang nur nc
unbedeutend, sodfiss man das empirische Resultat der obi§
Tabelle wohl in der folgenden Gleichung aussprechen kann:
(19) *i^ = ^ =t const.
Der Werth von ß hängt hierbei noch von der Natur des Gases \
(Eine mit dem provisorischen Apparate gemachte Versucl
reihe ergab ein ganz ähnliches Resultat, doch war, wie seh
eingangs erwähnt, der Werth von ß um etwa 16 Proc. kleine
b) Rohlendioxyd.
(COj wurde bereitet aus Marmor und reiner HCl
Kipp 'sehen Apparate. Trocknung durch HgSO^.)
Tabelle IL
Kohleodiozyd.
V A b p.W — d Proc.
P
2650 0,27 0,0763 \ 1 7350 + 7,6
4100 0,155 0,0460 J ' \ 6850 + 0,3
2100 0,425 0,113 31,8 7470 + 9,4
2550 0,250 0,0712^ r 6960 +1,9
2950 0,205 0,0595 \ 26,1 \ 6770 - 0,9
I
4060 0,146 0,0435 ) 1 6770 - 0,9
I 23,9 j
4400 0,115 0,0348 1 1 6410 -6,2
6130 0,087 0,0266 J ' \ 6830 ± 0,0
2550 0,34 0,0935 \ ( 6970 + 2,1
3100 0,265 0,0751 j ' 16810 -0,3
6200 0,097 0,0295 25,9 7060 + 3,4
5050 0,103 0,0313 \ f 6370 - 6,7
5300 0,099 0,0301 J ' I 6430 - 5,9
7800 0,057 0,0177 \ f 6540 - 4,3
8270 0,056 0,0173/ ' \ 6790 -0,6
Mittel: 6830
I
I
Diffuse Zerstreuung der KathodenstraJden, 109
Das Resultat ist dem für Stickstoff erhaltenen ganz analog;
auch hier liegen die grössten positiven Abweichungen bei den
grössten Werthen von b bez. den niedrigsten von F; doch ist
der &ang viel weniger ausgeprägt als bei Stickstoff.
c) Kohlenoxyd.
(CO wurde dargestellt durch Erhitzen von K^Fe(CN)g in
der zehnfachen Menge concentrirter H^SO^. Reinigung durch
NaHO und Trocknung durch H^SO^.)
Tabelle III.
Kohlenozyd.
hV
V A b p.lO« — - 5Proc.
P
2530 0,44 0,1 165 45,4 6500 + 1,9
4030 0,155 0,0460 31,3 5940 - 6,9
2420 0,425 0,113 40,3 6780 + 6,3
4150 0,162 0,0480 32,5 6130 - 3,9
3370 0,222 0,0640 84,1 6330 - 0,8
5870 0,092 0,0281 26,3 6270 - 1,7
4800 0,116 0,0350 27,4 6130 - 3,9
3550 0,197 0,0574 30,9 6600 + 3,4
5270 0,105 0,0319 26.7 6300 - 1,3
2330 0,44 0,1164 42,0 6470 + 1,4
7380 0,065 0,0201 22,1 6710 + 5,2
Mittel: 6380
d) Wasserstoff.
(H, wurde dargestellt aus chemisch reinem Zink und HCl,
getrocknet durch H^SO^.)
Die Versuche mit Wasserstoff wurden, wie bereits oben
erwähnt, nur mit dem provisorischen Apparate ausgeführt;
es ist anzunehmen, dass der erhaltene Werth von b V jp in
demselben Maasse zu klein ist wie der für Stickstoff ge-
bundene; demnach wäre die gefundene Zahl mit 1,16 zu
^ultipliciren.
Man erhält dann als wahrscheinlichen Mittel werth:
-- = 780.
P
Ich führe diese Zahl hier in Ermangelung einer besseren vor-
läufig mit an, doch schätze ich ihre Genauigkeit nicht be-
sonders hoch.
110
W, Kaufmann.
e) Stickozydul.
(NjO wurde dargestellt durch Erhitzen von geschmolzenem^
(NHJNO5. Reinigung durch FeSO^ und NaHO, Trocknung ^
durch H2SO4.)
Die mit diesem Gase erhaltenen Zahlen waren ausser-
ordentlich schwankend, ohne dass es mir geluiq^ wäre, den
Grund hierfür aufzufinden. Vielleicht wird das Gas durch
den Strom zersetzt. Der Mittelwerth von bVjp liegt in der
Nähe von 6900.
6. Vergleich der mit verschiedenen Qasen erhaltenen Hesultate.
Die für die ersten drei Gase erhaltenen bez. Mittel-
werthe sind:
ß =
CO,
CO
hV
p
5650
6880
6880
Mol.-6ew. = Mq
28
44
28
Wie man sieht, ist das ,,specifische Zerstreuungsver-
mögen** {ß) weder der Dichte des Gases proportional, noch
auch entspricht gleicher Dichte (N, und CO) ein gleiches /?,
doch kommen Abweichungen von gleichem Betrage auch bei
Lenard (1. c.) vor, wie dort ausdrücklich bemerkt
Bezeichnet man mit q den Radius der Wirkungssphäre
des betrefifenden Gasmolecüls, so erhält man für die drei genau
beobachteten Gase die einfache Beziehung:
(20) -^- = const.,
wie aus folgender Tabelle hervorgeht:
Gas
ß
M^
2.^.10»
ß
2.3foe.lO»
CO,
CO
5650
G830
6380
28
44
28
17
13
19
11,85
11,95
11,60
Die Uebereinstimmuug der letzten Columne ist besser, als
sie bei der Unsicherheit der p-Werthe eigentlich sein dürfte.
Die Angaben der einzelnen Autoren in Betreff der Molecular-
radien schwanken um mehr als 50 Proc. Ich habe, um wenig-
f
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen, 111
stens Willkürlichkeiten nach Möglichkeit auszuschliessen , die
O. R Meyer 'sehen Zahlen bei allen drei Gasen benutzt, wie
* sie in den Tabellen von Landolt und Börnstein (1894) an-
gegeben sind.
7. Versuch einer Erklärung der beobachteten Erscheinungen auf
Grund der Emissionstheorie.
Ich habe bisher absichtlich mich mit der blossen Be-
schreibung der Versuchsergebnisse begnügt, ohne Bezugnahme
auf irgend welche Hypothesen über den Mechanismus der be-
obachteten Zerstreuung.
Die ausserordentlich günstigen Erfolge, welche die An-
wendung der Emissionstheorie zur Erklärung der Eigen-
schaften der Kathodenstrahlen gezeitigt hat, legen es nahe,
auch die oben beschriebenen Erscheinungen von diesem Stand-
punkte aus zu erörtern, obgleich, wie ich gleich vorweg be-
merken will, die folgenden Betrachtungen zu keineswegs wider-
spruchsfreien Resultaten fuhren. Immerhin dürften die aus
einer consequenten Durchführung molecularer Vorstellungen
gewonnenen Folgerungen nicht ganz ohne Interesse sein.
Denkt man sich das Gas entsprechend den Anschauungen
der kinetischen Gastheorie aus einzelnen Molecülen bestehend,
so ergiebt sich unmittelbar, dass ein Theil der Kathodenstrahl-
theilchen mit den Molecülen zusammenprallen muss. Man
kann demnach die Zerstreuung durch directe Zusammenstösse
mit den Gasmolecülen erklären. Da bei einem derartigen Zu-
sammenstösse nothwendigerweise ein Theil der Energie des
Theilchens an das Molecül abgegeben werden muss, so erklärt
sich die sog. „Absorption" gleichzeitig. Aus dieser An-
schauung folgt weiter, dass ein anfangs homogenes Strahlen-
bündel, d h. ein solches, in welchem alle Theilchen dieselbe
Geschwindigkeit haben, wenn es irgend einen Körper passirt,
nothwendigerweise inhomogen werden muss, da ja keinesfalls
alle austretenden Theilchen dieselbe Anzahl Zusammenstösse
erlitten haben. Dies würde durchaus den Beobachtungen
Lenard's^) entsprechen, welcher fand, dass bei der magneti-
schen Ablenkung eines Strahlenbündels, das ein Metallhäutchen
1) F. Lenard, Wied. Ann. 52. p. 23. 1894.
112 fK. Kaufmann,
passirt hat, dasselbe in ein breites Band auseinander gezogen
wird, und zwar scheint nach den Ausführungen Lenard's
diese Dispersion viel grösser zu sein, als die auch innerhalb
der Röhre zu beobachtende, welche von den Partialentladungen
des Inductoriums herrührt. Genauere Beobachtungen über
diesen Punkt wären sehr wünschenswerth.
Die nächste zu beantwortende Frage ist die, woher die
Abhängigkeit der Zerstreuung vom Entladungspotential, d. h.
von der Geschwindigkeit der Strahlen stammt.
Es ist von vornherein klar, dass man hier die Trans-
lationsgeschwindigkeit der Gasmolecüle ganz ausser Acht lassen
A
'V
y
JL
Fig. 4.
kann, da dieselbe nur einige hundert Meter beträgt, während
die Strahlen eine Geschwindigkeit von etwa 50 000 km be-
sitzen. Man kann also die Molecüle einfach als ruhend be-
trachten.
Wenn nun keinerlei Femwirkung zwischen den Strahlen
und den Molecülen bestände, so wäre der Zerstreuungs-
coefficient offenbar gleich dem Gesammtquerschnitt der in
einem Cubikcentimeter enthaltenen Molecüle unabhängig von
der Geschwindigkeit der Strahlen.
Ich mache deshalb die Annahme, dass zwischen den
Strahltheilchen und djsn Molecülen eine Attraction stattfindet,
welche proportional ist der Masse des Molecüls und irgend
einer Function f{r) der Entfernung r zwischen dem Strahl-
theilchen und dem Molecül. Dann wird offenbar jedes Theil-
chen in der Nähe eines Molecüls aus seiner Bahn abgelenkt
werden, und zwar umsomehr, je langsamer es sich bewegt.
Es wird sich in einer hyperbolischen Bahn um das Molecül
herumbewegen und wird mit demselben zusammenstossen,
wenn sein kürzester Abstand vom Mittelpunkt des Molecüls
f
Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen, 118
— dem Perihel eines Kometen entsprechend — kleiner oder
gleich dem Radius des Molecüls ist.
Es beende sich bei O (Fig. 4) ein Molecül mit der Masse
M^ die Curve stelle die Bahn des Strahltheilchens dar. Es
sei femer A 0 eine der anfänglichen Bahn parallele Gerade
und y die Entfernung derselben von der anfänglichen Bahn^
welch letztere mit einer Asymptote der Hyperbel zusammenfällt.
Bezeichnet man mit r den Radius vector, mit (p den
Winkel zwischen diesem nnd dem Perihel, mit v^ die Anfangs-
geschwindigkeit des Theilchens, mit m seine Masse, so ist
nach dem Flächensatze:
Die anziehende Kraft sei gegeben durch den Ausdruck:
hmMf{r\ wobei A eine Constante (analog der Gravitations-
constante) darstellt.
Dann wird das Energiegesetz ausgedrückt durch die
Gleichung:
r
(22) ^-^^=hmMJar)dr.
CO
Im Perihel [r = r^] ist
dq>
sodass man durch Combination von (21) und (22) und Elimi-
nation von dq)jdt erhält:
(23) !/' = rl + 2^rlJf{r)dr.
OD
Ist o der Radius eines Molecüls, so findet ein Zusammenstoss
statt, wenn
oder
(24)
^0 ^ i'
Q
Bezeichnet man den durch Gleichung (24) gegebenen Grenz-
werth von y mit y^, so werden alle Strahlen, die ursprünglich
innerhalb eines um Ä 0 als Axe gelegten Cylinders vom Ra-
^ Ann. d. Phjt. a. Chem. N. F. 69. 8
114 }r, Kaufmann,
dius y^ gelegen sind, mit dem üfolecül zusammenprallen. Ist
also N die Zahl der im Cubikcentimeter vorhandenen Molecüle.
so ist Nny\ =i b der ^jZerstreuungscoefficient^^; also: ^
(25)
Q
b = I/jtQ* + 2n/i-^Q* j'f(r)dr.
00
Nun ist NM^Dj wenn unter D die Dichte des Gases
verstanden wird, und femer, nach der Emissionstheorie:
(26) "0 = 2:^ r,
folglich :
Q
(27) b^Nn(>*+n^^-(,*Jnr)dr.
00
Bezeichnet man, wie früher, mit Mq das Moleculargewicht,
mit p den Druck des Gases in Millimetern Hg, so ist:
(28) i? = J^_J^ 895.10-'.
Folglich :
e
(29) b = N7to^ + n — ^-^ f-Q^Jf(r)dr.
Empirisch war dagegen gefunden (vgl. Gleichung (20):
b = const. X ' rT- 9'
Es würde also, um Uebereinstimmung zwischen dem em-
pirischen Resultat und Gleichung (29) zu erzielen,
1. das erste Glied in (29) zu vernachlässigen sein.
o
2. (f*jf{r)dr = i> oder f{r)=^
sein. Was die erste Forderung anbetrifft, so ist nach der
kinetischen Gastheorie für Stickstoff: o = 8,5 . 10-^ und N bei
1000 mm Druck etwa 10*^ also bei 30.10-3 mm Druck
^=3.10^5, folglich
iV;r(>a = 0,68,
f
DifftLse Zerstreuung der Kathodenstrahlen. 115
d. h. viel grösser als die grössten beobachteten Werthe von b\
man müsste also annehmen, dass die Grösse, welche wir als
Radius des Molecüls bezeichnen, für die Wechselwirkung
zwischen Strahltheilchen und Molecül einen kleineren Werth
hat, als f&r die gegenseitige Einwirkung zwischen den Mole-
cülen selbst.
Die Bedingung f{r) = 1/r* dagegen ist von etwas zweifel-
haftem Werthe; denn wenn überhaupt q nicht identisch ist
mit dem aus der kinetischen Gastheorie berechneten Werthe,
so braucht es auch nicht mit demselben proportional zu sein,
und es kann die für die drei Gase gefundene üeberein-
stimmung, wie bereits oben angedeutet, eine zufällige sein;
es bliebe dann immer noch die Beziehung zu p und V, sowie
die angenäherte (etwas anderes behauptet auch Lenard be-
züglich der Absorption nicht) Proportionalität mit der Masse,
wenn man q bei den einzelnen Gasen als nur wenig ver-
schieden betrachtet.
(Setzt man versuchsweise f[r)=i 1/r*, nimmt man femer
an, dass c gleich der Ladimg eines elektrolytischen Ions, also
m ungefähr 1800 mal kleiner als die Masse eines Wasserstofif-
atoms sei, und setzt o etwa gleich 10-^^, um Forderung I zu
erfüllen, so erhält man für h eine Zahl von der Ordnung 10*®,
während die Newton'sche Gravitationsconstante nur 6,5.10"^
beträgt.)
Es erübrigt noch, sich eine Vorstellung von dem Me-
chanismus der sogenannten „Äbsarpäon^^ der Eathodenstrahlen
zu machen. Dieselbe ist quantitativ nur von Lenard^) unter-
sucht worden, und zwar auf photometrischem Wege. Vom
Standpunkte der Emissionstheorie kann unter der j,Äbsorption^^
consequenterweise nichts anderes verstanden werden als eine
Energieverminderung der Strahlen durch die Zusammenstösse
mit den Molecülen. In der That, betrachtet man ein Strahlen-
büschel, das von einem Lenard'schen Fenster allseitig aus-
strahlt, so kann dasselbe durch die Zerstreuung allein nicht
geschwächt werden, da jeder Punkt das, was ihm an directen
Strahlen verloren geht, durch zerstreute ersetzt bekommt.
Nimmt man dagegen an, dass bei jedem Stosse ein gewisser
1) F. Lenard, 1. c.
I 8'
116 IF, Kaufmann,
Bnichtheil an Energie verloren geht, so muss man einen Ab-
sorptionscoefficienten erhalten, der bei einem bestimmten Gase
dem jeweiligen Zerstreuungscoefficienten proportional ist.
Es stelle in Fig. 5 M ein Gastheilchen, m ein Strahl-
theilchen dar mit den Massen M bez. m, wobei M sehr gross
gegen m angenommen werde; die
0 Verbindungslinie der Mittelpunkte
im Momente des Stosses bilde
mit der ursprünglichen Bewegungs-
richtung den Winkel (p ; dann wird
^ nach dem Stosse nur die normale
Fig. 5. Componente der Geschwindigkeit
eine Abnahme erfahren haben, die
tangentiale Componente dagegen unverändert sein. Bezeichnet
man die Bewegungsenergie des Theilchens mit E^ so ist
(30)
E = -"*- »2 (cos« m + sin* a) = Ä + ^
Nach dem Stosse hat E^ abgenommen und zwar nach den Ge-
setzen des elastischen Stosses um
^KZ = 4~^cos>.
Es mögen auf eine zur Beweguugsrichtung der Strahlen
senkrechte Flächeneinheit n-Theilchen auftreffen, dann treffen
auf einen fUng von der Breite Qdtp und dem Radius q sin ^:
2'jinQ^ sin (jp cos tpdtp
Theilchen; es ist also der gesammte Energieverlust sämmt.-
licher das Molecül treffenden n;r(>^-Theilchen:
(31) AE^S-'^Enno^ fcos^ cp sin q. d(f
0
und der mittlere relative Energieverlust eines Theilchens:
(32) V = -^- -.-=2-it-
^ ' E nn{)* M
Die relative Zahl der Zusammenstösse pro Centimeter
t
a =
^^ M
m
M
a
~ 2b'
Diffuse Zerstreuung der KatkodenstrMen. 117
WegläDge ist gleich dem Zerstreuungscoefficienten b, sodass der
Absorptionscoefficient
(33)
wird, oder
(34)
Setzt man nun sowohl b wie M proportional dem Molecolar-
gewichte, so würde sich a unabhängig von demselben ergeben,
was den Beobachtungen Lenard's widerspricht; man muss
vielmehr, um mit der Erfahrung im Einklang zu bleiben, M
constant setzen. Der absolute Werth von M folgt aus Glei-
chung (34) unter der schon oben gemachten Annahme, dass
die Ladung des Strahltheilchens gleich der eines Ions sei, also:
(35) m = '
1,8 . 10^
und, da für Stickstoff
€ = -ry- Mif (ify = absol. Masse eines N- Atoms),
Andererseits erhält man aus Gleichung (32) unter Zugrunde-
legung der von Lenard bei etwa 40000 Volt gefundenen
Werthe von a, und der von mir angegebenen Werthe von b:
(37) ^ = 14.10-3,
woraus folgt:
(38) 4- = 2,7.10-3.
Es liegt nahe, die Masse M als diejenige eines „Uratoms^^
anzusehen, aus welchen nach der Prout'schen Hypothese die
chemischen Atome zusammengesetzt sein sollen; es würde dann
die beim Zusammenstosse von dem Strahltheilchen abgegebene
Energie sich nur zum Theil in fortschreitende Energie der Gas-
molecüle (Temperaturerhöhung des Gases), zum anderen Theil
in Schwingungsenergie der „ Uratome^^ verwandeln, was mit der
Annahme Goldstein's^) durchaus im Einklang ist, dass das
1) £. Goldsteio, 1. c.
118 W. Kaufmann. Diffuse Zerstreuung der Kathodenstrahlen.
negative Glimmlicht durch Absorption der Kathodenstrahlen
entstehe. ^
(Zu einer ähnlichen Auffassung ist, wenn auch auf etwas
anderem Wege, auch schon J. J. Thomson^) gelangt.)
Es beträgt nach den Gleichungen (37) und (38), bezogen
auf die Masse des H- Atoms als Einheit:
1. die Masse eines Uratoms M= 0^038:
2. die Masse eines Strahltheilchens m = 0,00053.
Ein H-Atom würde demnach aus etwa 26 Uratomen zu-
sammengesetzt sein.
Berlin, Physikal. Institut, Juni 1899.
1) J. J. Thomson, 1. c.
(EingegaDgen 19. Juli 1899.)
^
8. lieber den in Madiometem auftretenden Druck;
von Eduard Riecke.
(Aus den Nachr. d. Kgl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen p. 166. 1899.
mit einigen Aenderungen abgedruckt.)
In einer Arbeit, welche ich am 15. August 1877 der Kgl.
G-es. d. Wissensch. vorgelegt hatte ^), habe ich eine Methode
beschrieben, mit deren Hülfe der in Radiometern auf die
Flügel des Rädchens ausgeübte Druck in verhältnissmässig
sehr einfacher Weise bestimmt werden kann. Ich habe in der
Arbeit hervorgehoben, dass die von mir angegebenen Zahlen-
werthe nur die Grössenordnung jenes Druckes wiedergeben;
zu einer wirklichen Berechnung des Druckes ist die Kenntniss
des Trägheitsmomentes nöthig, welches das Flügelrädchen be-
sitzt; dieses aber hatte ich nur geschätzt und nicht gemessen.
Ich bin an diese weit zurück liegenden Beobachtungen durch
eine neue Arbeit von Donle*) erinnert worden. Donle hat
mit Hülfe von Bifilarwaagen Druckmessungen ausgeführt^
welche unter sich eine recht gute Uebereinstimmung zeigen.
Aus dem Vergleiche seiner Zahlen mit den von mir früher an-
gegebenen zieht er den Schluss, dass meine Werthe 40 — 60 mal
grösser seien als die seinigen. Aus einem Fehler der Schätzung
konnte ich mir eine so grosse Differenz nicht erklären; ich
musste also fürchten, dass meiner Methode ein principieller
Fehler anhafte. Nun hatte ich dieselbe Methode benutzt, um
den Reactionsdruck der Eathodenstrahlen zu bestimmen; es
lag mir also daran, den Grund der Differenz aufzuklären. Zu-
nächst ergab sich nun, dass bei der Reduction der von mir
seiner Zeit benutzten Maasse auf cmgsec ein Versehen ge-
macht worden war. Die von mir gefundenen Werthe sind
thatsächlich nur 4 — 6 mal grösser als die Werthe Donle *s.
1) £. Riecke, Göttinger Nachr. p. 500. 1S77.
2) W. Donle, Wied. Ann. 68. p. 306. 1899.
120 E. Blecke.
Eine solche Differenz aber konnte immerhin durch Fehler in
meiner Schätzung erklärt werden. Ich habe daher nachträg- ^
lieh die Trägheitsmomente der bei den Beobachtungen be-
nutzten Radiometerkreuze gemessen; die damit berechneten
Werthe der Drucke stimmen mit den von Do nie gefundenen
recht wohl überein, wie sich aus dem Folgenden ergiebt.
In der angeführten Arbeit habe ich für den Drehungs-
winkel (p des Flügelrädchens in seiner Abhängigkeit von der
Zeit den folgenden Ausdruck abgeleitet:
Der Anfangspunkt der Zeit fällt zusammen mit dem Mo-
mente, in dem das Licht auf das Radiometer zu wirken be-
ginnt; cc ist der constante Endwerth der Winkelgeschwindig-
keit; die Bedeutung von r ergiebt sich aus der Bemerkung,
dass für grosse Werthe der Zeit i an Stelle der obigen Glei-
chung die einfachere gesetzt werden kann:
(p ==1 a{t — t).
Bezeichnen wir ausserdem das Trägheitsmoment des Radio-
meters durch K, die Gesammtfläche der Flügel durch Q, den
Abstand zwischen der Drehungsaxe und der Mitte der Flügel
durch /, so ergiebt sich zur Berechnung des auf die Flügel
ausgeübten Druckes die Gleichung:
« K
Die Bestimmung der Trägheitsmomente K erfolgte nach
der Gau SS 'sehen Methode. Es wurde dabei als Träger der
Radiometerkreuze ein biiilar aufgehängter Aluminiumcylinder
benutzt, dessen Trägheitsmoment K^ aus den Dimensionen und
aus dem Gewichte berechnet werden konnte. Es ergab sich
K^ = 0,335. Das Gewicht des Aluminiumcylinders betrug 1,847 g.
Radiometer L
Für dieses Radiometer war Q = 6,20 qcm., / = 1,87 cm.
Die Masse des Kreuzes betrug 0,108 g. Um das Trägheits-
moment zu finden, wurde zuerst die Schwingungsdauer T^ des
lieber den in Eadiometem auftretenden Druck, 121
Aluminiumcyliuders zweimal gemessen. Bei aufgelegtem Flügel-
I radchen wurden die Schwingungen stark gedämpft und die
Genauigkeit der Beobachtungen wurde dadurch erheblich ver-
mindert. Bei aufgelegtem Rädchen wurden daher 10 Messungen
der Schwingungsdauer T ausgeführt. Zum Schluss wurde noch
zweimal die Schwingungsdauer des Aluminiumcyliuders allein
beobachtet. Die Resultate der Beobachtungen sind im Folgen-
den zusammengestellt.
Schwingungsdauer des Aluminiumcylinders:
2,644 2,664 2,667 2,674
Im Mittel:
Tq = 2,662.
Bei aufgelegtem Kreuze ergaben sich die Schwingungs-
dauern:
3,533 3,500 3,500 3,442 3,500
3,448 3,448 3,500 3,500 3,517
Im Mittel:
r ==•3,489.
Bei diesen Schwingungen ist aber die Directionskraft nur
zu einem Theile durch die Bifilarsuspension, zu einem anderen
Theile durch die Torsion der Coconfäden gegeben. Um den
letzteren Antheil berechnen zu können, wurde der Aluminium-
cvlinder schliesslich noch an einem einzelnen Coconfäden auf-
gehängt, welcher dieselbe Länge besass, wie die bei der Bifilar-
suspension benutzten. Es ergaben sich jetzt die folgenden
Schwingungsdauern :
7,22 7,28 7,23 7,24
Im Mittel:
T = 7,242 sec.
Wir bezeichnen die Directionskraft der Bifilarsuspension
durch öj,, wenn sie nur durch den Aluminiumcylinder, durch
D, wenn sie ausserdem durch das Flügelrädchen belastet ist;
femer verstehen wir unter A die Directionskraft, welche der
Torsion eines Coconfadens entspricht, unter m^ das Gewicht
des Aluminiumcylinders, unter m das Gewicht des Rädchens.
Wir haben dann die Gleichungen:
122
•
E. Rieche.
r» K^ + K
n« •" D + 2J'
^^0 = AK + 'w)-
Daraus ergiebt sich:
1 + 2 ^ ^'*«
iC . , r« Wo + /w Z>o /Wo + w Z>o T«
Setzt man in diesen Gleichungen die früher angegebenen
numerischen Werthe ein, so findet man:
K = 0,265.
Mit Hülfe dieses Werthes ergiebt sich aus den in der
früheren Arbeit mitgetheilten Beobachtungsreihen die folgende
Zu sammenstellung :
Abstand der Flamme
von dem Radiometer
•
T
P
80 cm
0,203
11,2
0,000 417
70 cm
0,303
11,8
0,000 586
Als Lichtquelle diente eine voll brennende Argandlampe.
Bezeichnen wir den Abstand der Lichtquelle von dem Radio-
meter mit e, so ergiebt sich aus der ersten Beobachtungsreihe:
/?«2 = 2,67,
aus der zweiten
p«2 = 2,87.
Im Mittel wird
pe^ = 2,n .
In einer Entfernung von 50 cm wird daher der Druck
der Lichtstrahlen auf die Radiometerflächen gleich
0,00111 g.cm-i.sec-2.
Dieses Resultat stimmt mit den von W. Do nie gegebenen
Werthen von 0,0007 — 0,0008 Dynen pro Quadratcentimeter so
weit überein, als es bei der Verschiedenheit der Versuche er-
wartet werden kann.
lieber den in Radiometern auftretenden Bruch. 123
Badiometer II.
Bei diesem Kadiometer war Q = 6,76 qcm, / = 1,67 cm.
Die Masse des Kreuzes betrug 0,106 g. Für die zur Be-
rechnung des Trägheitsmomentes nöthigen Schwingungsdauern
wurde mit Benützung einer etwas anderen Suspension gefunden:
?;, = 2,737 und r= 3,352.
Die Schwingungsdauer T war wie zuvor gleich 7,242 See.
Daraus ergab sich für das Trägheitsmoment der Werth
K = 0,188. Die Normalen der Flügelflächen waren gegen die
Horizontale geneigt; für die Neigungswinkel ergaben sich die
Werthe: 40 ^ 23 ^ 21<>und36^. Bezeichnet man diese Winkel
mit ^j, (f^^ (f^j (p^, so erhält man zur Berechnung des auf die
Flügel ausgeübten Druckes die Formel:
_ « Ä^ 4
" Q It cos (pi + C08 <p2 + cos gpg + cos 9)4
Auf Grund der früher mitgetheilten Beobachtungen er-
giebt sich nun die folgende Zusammenstellung:
Abstand der Flamme
von dem Radiometer
40 cm
0,455
28,6
0,000 808
40
0,494
28,9
0,000 882
40
0,528
25,0
0,000 406
37
0,720
28,8
0,000 600
87
0,690
17,9
0,000 747
87
0,770
18,7
0,000 800
Zu einem Vergleiche mit anderen Messungen sind die mit
dem zweiten Radiometer angestellten Beobachtungen wenig
geeignet. Bei den verhältnissmässig kleinen Abständen zwischen
Lampe und Badiometer musste die Lampe kurz geschraubt
werden, um die Botationsgeschwindigkeit in schicklichen
Grenzen zu halten. Daher wechselte die Intensität der Licht-
quelle von Versuch zu Versuch in einer nicht weiter zu be-
stimmenden Weise. Aber auch das Radiometer selbst genügte
nicht den bei der Ableitung der Formel gemachten Voraus-
I Setzungen, sofern die Reibung des Bädchens auf der Spitze
124 E. Riecke, lieber den in Eadiometem auftretenden Druck,
mit der Rotationsgeschwindigkeit zunahm. Nimmt man an.
dass die radiometrische Wirkung dem Quadrate des Äbstandes ,
umgekehrt proportional sei, so ergeben sich für einen Abstand
von 50 cm die folgenden Drucke auf die Flügel des zweiten
Radiometers:
0,000 197 0,000 212 0,000 264
0,000 329 0,000 409 0.000 437
Sie liegen zwischen den Drucken, welche Donle für eine
Stearinkerze und für einen Auerbrenner bei 50 cm Abstand
gefunden hat.
(Eingegangen 10. August 1S99.)
\
Dielektrische Untersuchungen und elektrische
I>rahtW€llen; van W. JD. Coolidge.
Einleitung.
Im Folgenden ist eine Methode zur Untersuchung kleiner
ibstanzmengen vermittels elektrischer Drahtwellen beschrieben,
liehe eine grosse Genauigkeit in der Bestimmung der Di-
tktricitätconstanten und der elektrischen Absorption erreichen
st. Diese Methode ist eine Modification des von Drude ^)
gewandten Verfahrens, nach welchem die Itesonanzlänge
es Drahtsystemes aufgesucht wird, welches einen kleinen
t der zu untersuchenden Substanz gefüllten Condensator
hält. Hier dagegen wird dieser Condensator in das Erreger-
tem eingeschaltet und die dadurch herbeigeführte Aende-
ig der Wellenlänge bez. der Dämpfung bestimmt. Dadurch
'd die Genauigkeit erheblich gesteigert und es lassen sich
ßh viel schwächere Absorptionen noch deutlich constatiren.
Experimenteller Theil.
I. Benutzung der Bio ndlo tischen Wellenerregxing.
1. Die Versuchsanordnang.
Die specielle Anordnung des Apparates war folgende
[1. Fig. 1). Die 2 mm dicken Erregerdrähte E, E des
c B,
S)
4
\r
o
Fig. 1.
on dl 0 tischen Erregers umschlossen einen Kreis von 5 cm
irchmesser. Die Empfängerdrähte waren von Kupfer und
1) P. Drude, Zeitschr. f. phjsik. Chem. 23. p. 282. 1897; Wied.
n. 61. p. 466. 1897.
126
JF. D. Goolidge.
hatten einen Durchmesser von 1 mm und eine gegenseitige
Entfernung von 1,9 cm. C war ein kleiner mit Platinelektroden
versehener Glaskolben, welcher mit der zu untersuchenden^
Substanz beschickt wurde. Wo es auf eine genaue Eenntniss
der Temperatur ankam, oder wo dieselbe verschieden von der
Zimmertemperatur sein sollte, wurde ein Kolben von der Ge-
stalt (Fig. 2) angewandt — der Kolben hing dann in einem
Oelbad. Wo dieses aber nicht der Fall war, wurde ein Kolben,
wie der in Fig. 3 abgebildete, benutzt. Für kleine Capacität
bestanden die Elektroden aus einfachem Platindraht, f)lr
'/« nat Grösse
'/4 nat Grösse
Fig. 2.
Fig. 8.
grössere Capacität wurden Platinplatten (p p \n den Figuren)
an die Drähte {dd) geschweisst. In beiden Fällen lagen die
Elektroden zu einander in der aus den Figuren ersichtlichen
Weise, sodass durch einfache Biegung der die Elektroden
tragenden Drähte die Capacität geändert werden konnte. Als
Wellenindicator diente eine Zehnder'sche Röhre i)Ä, welche
stets ^4 Wellenlänge hinter der ersten Brücke (vom Erreger
aas gerechnet) aufgestellt wurde. Bei meinen ersten Versuchen
wurden immer durch Verschiebung einer hinteren Brücke jS,
fünf Resonanzlagen bestimmt, bei denen die Röhre R gut auf-
leuchtete. Die Distanz zwischen den Resonanzlagen ist die
halbe Wellenlänge ^/^A der Erregerschwingung, in Luft ge-
messen. Vermittels der Methode der kleinsten Quadrate wurde
die halbe Wellenlänge ^j^ X berechnet. In der Weise war es
möglich, YgA etwas genauer zu ermitteln, als wenn nur die
1) L. Zehnder, Wied. Ann. 47. p. 82. 1892; die Röhre war hier
in vereinfachter Form angewendet, indem die hier üherflüssigen Elektro-
den der Röhre fortgelassen waren.
Dielektrische Untersuchungen, 127
ersten zwei Elnoten beobachtet wurden. Wegen zweier Um-
stände ist dieser Vortheil aber viel geringer , als man er-
warten sollte: erstens ist man beim Beobachten der letzten
Knoten nothwendigerweise so weit von der Röhre entfernt.
dass das Aufleuchten derselben sich nicht so genau beurtheilen
lasst, und zweitens nimmt mit wachsendem Abstand vom Er-
reger der Unterschied zwischen Knoten- und Bauchstärke ^)
ab, dementsprechend wird die Genauigkeit der Beobachtungen
kleiner. Zur Erhöhung der Genauigkeit der Einstellungen der
Brücke B^ achtet man zweckmässig nur auf das Leuchten in
dem kleinen Ansatzstück Ä (Fig. 1) der Zehn der 'sehen Röhre.^)
£s genügt dann vollkommen, wenn man mit der Brücke B^
den ersten und den zweiten Knoten bestimmt, deren Lagen
sich bei den von mir angewendeten Wellenlängen (A = 1 m
bis 1,5 m) mit 0,2 mm Genauigkeit messen Hessen. Man
nähert die Brücke dem Knoten von beiden Seiten desselben
und nimmt den Mittelwerth von diesen Einstellungen, bei denen
das Ansatzstück Ä anfängt aufzuleuchten. Durch Aenderung
der Entfernung der Ansatzröhre A von den Drähten kann die
Entfernung zwischen den zwei Einstellungen beliebig klein
gemacht werden. Wenn diese Entfernung gross ist (besonders
bei beträchtlicher Dämpfung), so stimmt der Mittelwerth nicht
genau mit dem Knoten überein. Der hierdurch gemachte
Fehler ist aber gering, wenn man zwei aufeinanderfolgende
Knoten beobachtet. ^) Jedenfalls darf die Röhre, wenn nur
eine Knotenlage gemessen werden soll, während der Messungen
1) Unter Knoten- und Bauchstärke ist zu verstehen die Intensität
der Schwingungen bei der Röhre, wenn die zweite Brücke auf einem
Knoten bez. Bauch der elektrischen Kraft liegt.
2) Wird die zweite Brücke in die Nähe einer Knotenlage geschoben,
so leuchtet die Zehnder'sche Röhre zunächst nur in dem Haupttheile
auf; das Ansatztück A leuchtet erst bei stärkerer Erregung, d. h. bei
weiterer Annäherung von B^ an diesen Knoten. Die dementsprechende
Brückenlage lässt sich viel schärfer bestimmen als die Lage, in der eine
starke Aenderung in der Intensität des Aufleuchtens der Hauptröhre ein-
tritt. Die zwei Theile der Röhre können als zwei verschiedene Röhren
aufgefiasst werden; die kleinere wird durch die andere angeregt, und eine
Röhre, welche so angeregt wird, ist bekanntlich empfindlicher und functio-
nirt viel regelmässiger, als ohne Nebenerregung.
3) Für absorbirende Substanzen ist dies unbedingt nothwendig.
128 r. L. Coolidge.
nicht mehr verschoben werden. Die erste Brücke B^ war
zur Erde abgeleitet und war gerade oder gebogen, je nachdem
weniger oder mehr Energie über die Brücke B^ herübergehen*
soUte. Die zweite Brücke B^ war 1,9 cm lang und war mit
einem schweren zugespitzten Metallstück, welches als Zeiger
diente und über einer Millimetertheilung spielte, verbunden.
Die Wellenlänge ist von der Capacität des Kolbens, d. h. von der
Dielektricitätsconstante der ihn erfüllenden Substanz abhängig.
Den elektrischen Absorptionsindex derselben findet man aus
der zeitlichen Dämpfung der Wellen, welche man aus
der Anzahl der hinter B^ zu beobachtenden Knotenzahl er-
schliessen kann.
Die quantitativen Verhältnisse sollen später im theore-
tischen Theile berechnet werden. Zur Ermittelung der Di-
elektricitätsconstanten im Condensator C ist es am genauesten
und bequemsten, wenn man durch Füllung mit verschiedenen
Aichflüssigkeiten die Abhängigkeit der Wellenlänge von den
Dielektricitätsconstanten ermittelt. Bei den hier zunächst zu
beschreibenden Messungen ist jede Substanz mit drei Aich-
flüssigkeiten verglichen. Als Aichflüssigkeiten wurden Mischungen
von Benzol und Aceton benutzt und deren Dielektricitäts-
constanten nach den Bestimmungen von Drude (1. c.) an-
genommen. Deren Fehler wird wohl kleiner als 1 Proc. sein.
2. Controlversuche.
Die Tab. I zeigt die Brauchbarkeit der Methode. In der
ersten Columne 6, befinden sich die nach der beschriebenen
Methode ermittelten Dielektricitätsconstanten. Die zweite Co-
lumne «2 enthält die für dieselben Präparate vermittels des
Drude'schen Apparates gewonnenen Werthe. Dieser Apparat
wurde auch benutzt zur Ermittelung der in der dritten Co-
lumne 63 sich befindlichen Werthe für frischere Präparate.
Die vierte Columne a^ enthält die von Drude ^) angegebenen
Dielektricitätsconstanten. Die beigefügten Zahlen in kleinerer
Schrift sind die Beobachtungstemperaturen in Graden Celsius.
Die letzten vier Columnen enthalten die gemessenen Dielektri-
citätsconstanten auf die Temperatur & = 15,0^ umgerechnet;
1) P. Drude, Zeitechr. f. physik. Chem. 23. p. 2. 1897.
Dielektrische Untersuchungen.
129
ich benutzte die von Löwe ^) ermittelten Temperaturcoefficienten.
I Die Beobachtungen für Aethylacetat zeigen, dass in diesem
Falle das ältere Präparat eine Aenderung erlitten hatte, aber
die Beobachtungen für ein und dasselbe Präparat stimmen gut
miteinander überein.
Tabelle 1.
Substanz
e, 1 ßj
1
ej €4 ßj her.
e, ber.
e, ber.
«4 ber.
Aethylacetat
6,28i« 6,28i7
5,89i7
5,8520 6,80
6,81
5,92
5,92
Isobutylacetat
5,81 le 1 5,82i7
—
5,27i» 1 5,83
5,35
—
5,34
Butylacetat
4,98i& 5,0l30
5,02ai
5,00i9 4,98
5,08
5,10
5,05
Amylacetat
4,76iB i —
—
4,79i« ! 4,76
4,83
Phenyiacetat
5,26i7 1 —
—
5,29i» 5,27
—
5,32
Amylbenzoat
4,95i5 5,02i7
4,9930
4,99i9 4,95
5,03
5,02
5,02
Isobutylbenzoat
5,43ii ' 5,40i7
—
5,43i8 5,42
5,42
5,4H
3. Dielektricitätsconstanten einiger verflüssigter Gase.
Für diese Bestimmungen wurde ein Kolben von der in
Fig. 3 abgebildeten Form benutzt. Derselbe wurde aus einer
Glasröhre, welche einen äusseren Durchmesser von 7 mm und
eine Wandstärke von 2 mm hatte, gefertigt. Der untere Theil
des Kolbens hatte einen Durchmesser von 1,5 cm und eine
Wandstärke von etwa 2,5 mm. Der Hals wurde sehr lang
(25 — 30 cm) gemacht, und sicherheitshalber Hess ich den ganzen
Kolben nach dem Blasen in heisser Asche abkühlen. Zum
Füllen wurde der Kolben in eine Kältemischung gebracht;
das zu untersuchende Gas wurde durch eine dünne Glasröhre
in den Kolben geleitet. Nachdem sich eine genügende Flüssig-
keitsmenge gesammelt hatte, wurde der Hals des Kolbens zu-
geschmolzen. Der Kolben wurde jetzt aus der Kältemischung
genommen und einige Zeit stehen gelassen. Nachdem er seine
Fähigkeit, den Druck auszuhalten, gezeigt hatte, wurde er,
wie gewöhnlich, auf die parallelen Drähte gelegt und Y2 ^^ ^®"
stimmt. Zur Bestimmung der Temperatur wurde ein Thermo-
meter ganz in der Nähe des Kolbens aufgehängt. Dann
wurde der Kolben wieder in die Kältemischung gebracht. Nach-
dem der Druck sich genügend erniedrigt hatte, wurde das
l) K. F. Löwe, Wied. Ann. 66. p. 390. 1898.
Ann. d. Phjs. a. Cbem. N. F. 69.
130
r. B: Coolidge.
obere Ende des Halses abgeschnitten und die Flüssigkeit aus-
gegossen. Dann konnte der Kolben mit verschiedenen FüILa,
flüssigkeiten geaicht werden. In den folgenden Tabellen II,
in und IV beziehen sich die Nummern in der ersten Columne
auf diese Füllflüssigkeiten (Benzol — Acetongemische). Die
Werthe von ^2 ^ sind in Centimetern angegeben. Die Tabellen
geben auch die Reihenfolge der Messungen.
Schwefeldioxyd, Dasselbe wurde durch Behandlung von
Kupfer mit heisser concentrirten Schwefelsäure dargestellt und
wurde zum Trocknen durch concentrirte Schwefelsäure geleitet.
Die Absorption wurde nicht gemessen, aber, da die Zehn der '-
sehe Röhre hell aufleuchtete, so war sie sicher nicht bedeutend.
In Tab. II wurden die zwei Bestimmungen für SO^ bei zwei
verschiedenen Füllungen des Kolbens gemacht.
Tabelle IL
Substanz
*'• iL
Temp.
£
BCDZOl
49,28
16,0
2,27
Schwefeldioxyd
60,99
15,0
13,75
Beozol
49,44
15,0
2,27
Schwefeldioxyd
61,00
14,0
13,75
7
61,86
16,0
14,5
6
57,25
15,2
10,4
8
65,68
15,0
17,6
Ammoniak. Das Gas wurde durch Erwärmung von
Ammoniakwasser dargestellt. Zum Trocknen wurde es durch
lange Röhren geleitet, die mit Kalihydrat und gebranntem
Kalk gefüllt waren. Als Kältemischung dienle ein Brei von
fester Kohlensäure und Aether. Absorption war leicht zu con-
statiren; dieses liess sich aber erwarten, da flüssiges Ammoniak
eine bedeutend grössere Leitfähigkeit als Wasser zeigt. Die
Absorption ist also keine anormale.
Tabelle III.
Substanz
V.2^
Temp.
Ammoniak
6
8
65,62
58,72
67,66
14,0
14,2
14,3
16,2
10,45
17,7
Dielektrische Untersuchungen.
131
Chlar, Das Gas wurde durch Einwirkung von Salzsäure
I anf Chlorkalk gewonnen, und mit ein wenig Wasser gereinigt.
Dann wurde es durch ein wenig Kupfersulfatlösung geleitet,
um Salzsäure zu entfernen, und endlich mit concentrirter
Schwefelsäure getrocknet. Es war kein Angreifen der Platin-
elektroden zu bemerken ; das Chlor befand sich allerdings etwa
nur eine Stunde im Kolben.^)
Tabelle IV.
Substanz
V,x
Temp.
e
7
63,49
14,0
14,7
8
67,45
14,2
17,7
6
58,49
14,4
10,45
Chlor
49,50
U,l
1,88
Chlor
49,47
14,3
1,87
Benzol
49,80
14,5
2,27
1
50,52
14,2
2,99
Kohlendioxyd. Ein Kolben wurde mit festem Kohlendioxyd
gefüllt und, wie gewöhnlich, zugeschmolzen. Bevor die Mes-
sungen fertig waren, platzte der Kolben unter dem grossen
Druck. Die Messungen, die ich schon gemacht hatte, zeigten
nur, dass die Dielektricitätsconstante bei Zimmertemperatur
bedeutend kleiner als die des Benzols, also weniger als 2,2 ist.
Linde^) hat vermittelst der N er ns tischen Methode die
Dielektricitätsconstanten von Schwefeldioxyd, Chlor und Kohlen-
dioxyd gemessen, mit Ammoniak ist es ihm wegen Leitfähig-
keit nicht gelungen. In Tab. V stelle ich seine Werthe, 6£,
neben die meinigen, b^
Tabelle V.
Substanz
e.
fii
Schwefeldioxyd
Ammoniak
Chlor
Kohlendioxyd
13,75u,5
14,8280
16,2i4o
l,88u,i
l,93uo
< 2,2u,o
1, 53150
1) Linde giebt an, dass Platin unter diesen Umständen angegriffen
wird; vielleicht erklärt sich dies dadurch, dass seine Versuche bedeutend
länger dauerten.
^ 2) F. Linde, Wied. Ann. 56. p. 546. 1895.
9*
132 //'. B. Coolidge.
Für Chlor stimmen die Messungen leidlich überein. Für
Schwefeldioxyd ist der Unterschied beträchtlicher; aber vor^
meinen Messungen halte ich gerade die für Schwefeldioxyd für
die zuverlässigsten.
Goodwin und Thompson^) haben in der letzten Zeit
die Dielektricitätsconstante von flüssigem Ammoniak bei seinem
Siedepunkt, ?^ = — 34^0.. bestimmt und zwar mit dem Drude'-
schen Apparat. Sie fanden c = 22. Vermittelst dieses und
des von mir gemessenen Werthes würde sich die Aenderung
Je von 6 mit der Temperatur ergeben zu Ja = 0,121 pro
Grad und ^6/6 = 0,54 Proc. pro Grad in der Nähe von
i9^ = -34'>C.
Meine Methode erwies sich als eine sehr bequeme zur
Untersuchung von vertiüssigten Gasen. Wollte man den Ein-
fluss des Druckes studiren, so würde man einen Kolben von
der Form Fig. 2 und ein Oelbad benutzen.
4. Temperaturcoefficient des Wassers.
Drude*) findet für Wasser in der Nähe von 17®,
Je/ € = — 0,450 Proc. pro Grad, einen Werth, welcher mit
dem von Heerwagen') nach der elektrostatischen Methode
ermittelten Werth (j€/€ = — 0.443 Proc. pro Grad bei 17^
sehr gut übereinstimmt. Fl. Ratz*) findet durch Capacitäts-
messungen zwischen 10^ und 20" J 6/6 = — 0,62 Proc. pro
Grad, und dieser Werth stimmt mit dem von Franke^) auf
olektrometrischem Wege gefundenen gut überein. Da diese
zwei Paare von Beobachtungen stark voneinander abweichen,
so schien es wünschenswerth, die Werthe zu controliren.
Es wurde nur die erste Knotenlage bestimmt. Damit
keine Verschiebung der ersten Brücke stattfinden konnte, wurde
dieselbe an die Drähte festgelöthet. Ein Kolben von der Form
der Fig. 2 wurde benutzt. Die Vorrichtung zur Ermittelung
1) H. M.Grood win u. M. de K. Thompson, Phys. Review, 8. Nr. 40.
Januar 1899.
2) P. Drude, Wied. Ann. 59. p. 49. 1890.
3) F. Heerwagen, 1. c. 49. p. 272. Iö93.
4) Fl. Ratz, Zeitschr. f. phys. Chem. 19. p. 94. 1896.
5) A. Franke, Wied. Ann. 50. p. 169. 1893.
DieUktritche Vntertuchungen.
133
einer beliebigen constanten Temperatur warfolgende (vgl. Fig. 4):
L Ein Becherglas wurde zuerst mit Asbestpapier ainwickelt;
^eusilberdraht wurde darüber spiralig aufgewunden, dann wurde
noch eine Schicht von Asbestpapier und zuletzt dicker Haar-
filz umgewickelt. Eine abgesprengte Frobir-
r&hre R wurde Jetzt an eine enge Olasröhre G
gescbmolzen und diese in einem grossen Kork A',
Welcher unten in das Becherglas genau passte,
festgehalten. Das Ganze konnte unter die
parallelen Drähte gebracht werden. Paraffinöl
*urde in die Probirröhre gethau und Wasser
in das Becherglas. Das letztere wurde ver-
mittelst S gerührt. Da die Oberfläche des
Wassers sich ca. 1 cm unter den Drähten
befand, so übte das Wasser sehr wenig Ein- '^'^- *■
fluss auf die Wellenlänge aus. Damit dieses aber ganz ohne
Einfluss auf das Endresultat war , wurde die Wasserhöhe
sowohl, als die Höhe des Oelbades constant gehalten. Die
Neusilberspirale wurde in den Stromkreis eines Accumulators
mit Widers tan dskasten eingeschaltet. Um eine beliebige Tem-
perstur des Oelbades und des in dasselbe tauchenden Kolbens zu
erlangen, wurde Wasser von dieser Temperatur in das Becher-
glas gethan und die Stromstärke in der Heizungsspirale durch
Stöpseln des Widerstandskastens so regulirt, dass der Wärme-
verlust gerade ersetzt wurde. In dieser Weise konnte die
Temperatur sehr constant gehalten und zwischen weiten Grenzen
variirt werden. Für höhere Temperaturen, 50" und mehi-,
empfiehlt es sich, ein wenig Paraffinöl über die Oberfläche
des Wasserbades zu giessen — dieses verhindert das Entweichen
TOD Wasserdampf, welcher sich sonst auf der OberHäche der
parallelen Drähte in kleinen Tropfen verdichtet und so eine
geringe Erhöhung der Wellenlänge herbeiführt. Für die Tem-
peratur 3,5" wurde fein zerstosaenes Eis in das Becherglas
gethan und darüber Eiswasser. Das Eiswasser wurde benutzt
damit die Dielektricitätsconatante der oberen Schichten und
deshalb der Einflnss derselben auf die Wellenlänge ungefähr
constant bleiben sollte. Die Zuführungsdrähte zum Kolben,
die sich in dem Paraffinöl befanden, hatten eine gewisse
Capacität, und diese hängt von der Dielektricitätscoustante
134
//'. B, GooUdge,
des Paraffinöls ab. Da diese Capacität aber sehr klein war,
80 liess sich erwarten, dass die geringe Aenderung der Dielektri-
citätsconstante des Paraffinöls mit der Temperatur zu ver-'
nachlässigen war. Dieses wurde auch direct durch Beobach-
tungen nachgewiesen. Zur Ermittelung der Temperatur wurde
ein mit einem Normalthermometer verglichenes Thermometer,
dessen Quecksilbergefäss sehr klein war, zuerst annähernd auf
die Temperatur des Oelbades gebracht und dann in der Weise
in das Oelbad getaucht, dass das Gefäss des Thermometers
sich in derselben Höhe wie der untere Theil des KolbeDS
befand und zwar in Berührung mit demselben. Die Reihen-
folge der Beobachtungen war die in Tab. VI angegebene.
Unter der ersten Knotenlage darf man nicht ^a^ verstehen;
der Nullpunkt der Scala war nicht unter der ersten Brücke,
sondern ca. 9 cm weiter (vom Erreger aus gerechnet), d. h.
^j^X war ca. 75 cm. Auf eine genaue Kenntniss der halben
Wellenlänge kommt es hier nicht an.
Tabelle
VI.
Substanz
Temperatur
1. Knoten läge
B
Wasser
13,6
66,986 ± 0,019
1 82,9
»>
89,0
63,692 ± 0,045
78,6
»
3,5
68,289 ± 0,022
86,7
»
24,7
65,464 ± 0,019
78,6
»»
19,0
66,211 ± 0,017
[80,9
CuS04-Lö8ung
19,2
66,202
—
l
19,9
61,315
66,7
2
19,7
68,543
: 73,2
Als Aichflüssigkeiten dienten Wasser bei 19,0^ und Flüssig-
keiten 1 und 2; die letztgenannten Substanzen waren Gemische
von 24,93 bez. 13,92 Proc. Aceton in Wasser. Wasser be-
sitzt eine gewisse Leitfähigkeit, welche sich von 3,5 — 39,0®
um ca. 90 Proc. ändert. Um sicher zu sein, dass die Ee-
sultate nicht durch diese wechselnde Leitfähigkeit beeinflusst
wurden, wurde auch eine Kupfersulfatlösuug benutzt. Die ab-
solute Leitfähigkeit derselben war 6,05. 10-^^ d. h. ca. 6,5 mal
so gross als die des Wassers. Nun liess Wasser bei 19,2*^
einen Werth von 66,184 für die erste Knotenlage erwarten.
Bielektrische Untersuchungen. 135
Die Kupfersulfatiösung gab den Werth 66,202, d. h. einen nur
^ um 0,2 mm grösseren Werth. Man kann deshalb wohl sagen,
" dass eine Störung durch wechselnde Leitfähigkeit des Wassers
nicht zu befurchten war.^) Die Zehnder'sche Röhre wurde
immer in derselben Lage gehalten; aber in dem Maasse, wie
die Wellenlänge sich ändert, ändert sich auch die Lage der
Röhre relativ zum Schwingungsbauch. Nun wirkt die Röhre
genau so, wie ein kleiner, angehängter Condensator, und, wie
von vornherein ersichtlich ist, übt ein solcher am meisten
Einfluss auf die Resonanzlagen aus, wenn er auf einem Bauche
der elektrischen Kraft liegt. Um zu sehen, ob diese Fehler-
quelle zu vernachlässigen war, wurde die erste Knotenlage
einmal gemessen, während die Röhre auf dem Schwingungs-
bauche, und einmal, während sie 5 cm davon entfernt lag.
Im ersten Falle lag der erste Knoten bei 66,045, im zweiten
bei 66,073. Die Temperatur hatte sich inzwischen nicht ge-
ändert. Wie zu erwarten, war die erste Knotenlage im zweiten
Falle weiter von der ersten Brücke entfernt als im ersten
Falle. Aber der Unterschied war sehr gering, nur 0,3 mm;
ausserdem handelt es sich bei den in der Tab. VI angeführten
Messungen um eine Verschiebung der Röhre relativ zum
Bauche von nur 2 cm, sodass der durch diese Ursache hervor-
gerufene Fehler nicht zu berücksichtigen ist. Zwischen 3,5
und 24,7^ ist der Verlauf der Dielektricitätsconstante (vgl.
Curve [Fig. 5]) innerhalb der Beobachtungsfehler vollkommen
linear, und A c pro Grad = — 0,353. Es ist also in der Nähe von
17^^ Jsle= — 0,432 Proc. pro Grad. Dieses stimmt mit dem
Ht erwägen* sehen fVerthe, — 0,443 und mit dem Drude'schen
H^erthe, — 0,450 ^ gut überein. Für Temperaturen hoher als
24,7^ fand ich, wie Drude, einen etwas kleineren Temperatur-
roefficienten,
5. Genauigkeit der Resultate.
Es soll nun die nach dieser Methode erreichbare Ge-
nauigkeit betrachtet werden. Diese Betrachtungen schliessen
sich am besten an die letzte Tabelle an, da die Bedingungen
hier am besten waren — es sind aber Bedingungen, die bei
1) Unten wird theoretisch gezeigt, dass Leitfähigkeit überhaupt
keinen Einfluss auf die Wellenlänge hat, solange sie gering ist.
136
ff. D. Coolidge.
alleu nicht zu stark absorbirenden Substanzen durcbaas reali-
sirbar sind. Man bat nur dafllr zu sorgen, das3 die Böbre^
und der Erreger während einer Bestimmung ungestört bleiben
und hat einen Kolben von passender Capacität zu wählen.
Die Wahl des Kolbens hängt von der Grösse des Erregers
ab. Bei dem von mir benutzten Erreger erwies sich als sehr
günstig ein Kolben, welcher, mit der zu untersuchenden Sub-
stanz geMlt, die Capacität >) c'C^ = 3,l (im absoluten elektro-
Tempermtar
Fig. 5.
statischen Maasssystem) besass. Neben den Enotenlagen in
Tab. VI stehen die wahrscheinlichen Fehler derselben. Ob-
gleich die gegebenen Knoteniagen die Mittelwerthe von nur
fünf Messungen darstellen, sind doch die wahrscheinlichen
Fehler sehr klein — ein Mittelwertb derselben ist 0,024 cm.
Der entsprechende Fehler in « ist {dies ist von Curve I direct
abzulesen) 0,066 oder, bei e = 80, nur 0,082 Proc. Bei Ver-
gleichung einer Substanz mit zwei ÄichäUssigkeiten ergiebt
sich der wahrscheinliche Fehler in e (für t = 80) zu 0,10 Proc
Nach dieser Methode ist es also möglich und zwar mit wenigen,
z. B. nur fünf Messungen, die Dielektrieit'ätsconatante mit einem
wakrscheinlicken Fehler von nur 0,1 Proc. relativ^ zu bestimmen.
1| Die Capacität ist aus der Formel (20), p. 156, leicht zu berechnen.
2) d. h. im Vergleiche zu Aichflüsaigkeiten vou genau bckannler
Dielektricit äteconstanle.
Dielektrische Untersuchungen, 137
Die wahrscheinlichen Fehler der einzelnen Beobachtungen der
Knotenlage waren im Durchschnitt 0,053 cm. Daraus ergiebt
eich, dass der wahrscheinliche Fehler in 6, falls nur eine Be-
Stimmung der Knotenlage gemacht wird, nur 0,23 Proc, beträgt.
6. Die elektrische Absorption des Wassers.
Wasser zeigt für elektrische Schwingungen kurzer Periode
(^ = 10 cm) anormale Absorption.^) Bis jetzt ist eine anormale
Absorption bei längeren Wellen nicht beobachtet worden. Ver-
mittelst der hier angewandten Methode, nach der die Anzahl
der beobachtbaren Knoten festgestellt wurde, kann man eine
Absorption bei der Wellenlänge A=147cm constatiren und
messen.
Apparat: Um etwas stärkere Schwingungen zu haben, als
mit dem Apparate, welcher zur Bestimmung von Dielektricitäts-
constanten diente, zu erzeugen waren, wurde der Erreger
modificirt. Der Secundärkreis wurde ebenso gross im Durch-
messer als der Primärl^reis gemacht und lag gerade darunter.
Zwischen beide wurden Glimmerblätter geschoben. ^) Der Kolben
besass die in Fig. 8 angegebene Form. Da die Anzahl der
beobachtbaren Knoten festgestellt werden sollte, und da die-
selbe erheblich ist, so mussten die Lee her 'sehen Drähte etwa
20 m lang sein. Da nun das
Zimmer viel kürzer war, so &^*= g
mussten die Drähte im Zick- t^ K
zack geführt werden. Zuerst I ^
wurde die Leitung in einer Q
einzigen horizontalen Ebene O
geführt; aber die Symmetrie-
störung war zu gross; eine
sehr erhebliche Reflexion fand an jeder Biegungsstelle statt,
sodass die Anordnung aufgegeben werden musste. Mit gutem
Erfolge aber wurde die Leitung wie in Fig. 6 (von der Seite
gesehen) geführt. Die zwei parallelen Drähte liegen wie zuvor
in derselben horizontalen Ebene, aber nach jeder Biegung
Fig. 6.
t
1) A. D. Cole, Wied. Ann. 57. p. 290. 1896; P. Drude, Wied. Ann.
65. p. 499. 1898.
2) Nfthere Beschreibung dieses Erregers vgl. W. D. Coolidge,
Wied. Ann. 67. p. 579. 1899.
138 r. B. Coolidge.
setzen sie sich in einer tiefer liegenden Ebene fort. Die Drähte
wurden durch Hartgummistäbe gehalten. Der Draht wurde
zuerst sorgfältig ausgeglüht und durch das Gewicht G straflf'
gebalten. Die Entfernung zwischen einer Hin- und Bück-
leitung war ca. 12 cm; bei dieser Entfernung war kein Ein-
fluss der Eückleitung auf die Hinleitung zu beobachten. Die
Zehnder'sche Eöhre befand sich, wie immer, ca. Y4 Wellen-
länge hinter der ersten Brücke.
Die Methode. Wenn in dem überbrückenden Condensator C
(Fig. 1 auf p. 1 25) ^ektrische Absorption auftritt, so muss sich
dies in einer Vergrösserung der zeitlichen Dämpfung der
Schwingungen zeigen. P. Drude^) hat die zeitliche Dämpfung
eines Blond lot' sehen Erregers in der Weise gemessen, dass
er bestimmte, bei welcher Entfernung der zweiten Brücke von
der ersten Brücke der Unterschied zwischen Knoten- und
Bauchstärke unmerklich würde (unter Knoten- und Bauchstärke
sind zu verstehen, wie vorher, die Intensität der Schwingungen
bei der Röhre, wenn die zweite Brücke auf einem Knoten bez.
Bauch liegt). Mit seinem Erreger war diese Entfernung gleich
30 halben Wellenlängen, oder, in anderen Worten, es waren
30 Knoten zu beobachten. Durch theoretische Betrachtungen
rechnete er die entsprechende Dämpfung aus. Meine erste
Absicht war, in derselben Weise zu verfahren. Versuche aber
lehrten, dass es sehr schwer wäre, bei meiner Versuchs-
anordnung mit Genauigkeit zu entscheiden, wie viele Knoten
zu zählen waren. Anders war es aber, als ich eine kürzere
erste Brücke (ihre Länge betrug 5,1 cm) und geringere Inten-
sität der Wellen wählte — die Röhre leuchtete dann nur auf,
wenn die zweite Brücke auf einem Knoten lag, und bei einer
gewissen Knotenzahl hörte sie ganz auf zu leuchten. Diese
Knotenzahl war leicht und genau zu bestimmen. Dass diese
Bestimmung leichter zu machen war als die vorher erwähnte,
lässt sich ja erwarten, da in einem dunklen Zimmer, wenn
man mehrere Meter von einer kleinen Röhre entfernt steht,
viel leichter das Aufleuchten der Röhre überhaupt zu con-
statiren ist, als Unterschiede in der Intensität seines Aufleuchtens
1) P. Drude, Abhandl. d. K. S. Gesellsch. d. Wissench. 40«
p. 95 ff. 1896.
Bielektrische Untersuchungen.
139
festzustellen. In der Weise fand ich. dass, wenn ein Benzol-
condensator auf die Drähte wie gewöhnlich gelegt war,
18 Knoten zu beobachten waren. Mit einem Luftcondensator
gleicher Capacität Hessen sich auch 18 Knoten zählen. Aber
der Wasserkolben, dessen Capacität ebenfalls gleich der des
Benzolcondensators war, Hess nur 13 — 14 Knoten beobachten.
Dieses Verhalten ist an verschiedenen Tagen mit verschiedenen
Erregungsstärken stets bestätigt worden, wie folgende Tabelle
Ta
belle
VIT.
Benzol
19
19 18
20
19
20
14
16
20 +
Wasser
15—16
15 13
13
15
14—15
10
12
15—16
Benzol
16
20
20 18 !
21
16
18
18
18,J
\ Mittel
Wasser
12
16
13—14
15
16 <
11
11
13
13,€
( Mittel
lehrt, in der die beobachtbare Knotenzahl angeführt ist. Stets
Hessen sich also bei Benutzung des Wassercondensators etwa
5 Knoten weniger beobachten, als bei Benutzung des Benzol-
condensators gleicher Capacität. Da alle anderen Bedingungen
gleich geblieben waren, ^) so musste also durch die Eigen-
schaften des Wassers ein Energieverlust hervorgerufen werden.
E^ handelt sich nun darum, ob die Energieabsorption durch
die elektrische Leitfähigkeit des Wassers zu erklären ist, oder
ob sie durch anormale Absorption zu Stande kommt. Um
dieses zu entscheiden, destillirte ich etwas von dem zuerst
gebrauchten gewöhnUchen destilHrten Wasser und Hess kohlen-
säurefreie Luft durch dasselbe einige Zeit strömen. Die Leit-
fähigkeit des so behandelten Wassers war ca. halb so gross
als vorher, aber seine Absorption war nicht merklich geringer
— es waren immer nur 13 — 14 Knoten zu beobachten, während
mit dem Benzol- oder Luftcondensator 18 Knoten, wie zuvor,
zu zählen waren. Die Absorption schien sich daher nicht
durch Leitfähigkeit erklären zu lassen. Dieser Schluss lässt
sich auch durch theoretische Betrachtungen bestätigen, die
weiter unten ausgeführt werden sollen. Es wird dort auch der
Absorptionsindex x^) der anormalen elektrischen Absorption
1) Die Form der Condensatoren hatte auf das Resultat keinen Ein-
tluss, wie direkt constatirt wurde.
2) X ist dadurch definirt, dass die elektrische Energie nach Durchlaufen
einer Wellenlänge in der Substanz im Verhältniss l.e^.-tx geschwächt ist.
140 r. D. Coolidge.
des Wassers berechnet werden. Es ist für Ä = 147 cm:
X = 0,0082. Wenn man die Leitfähigkeit des Wassers durch ^
zugesetztes Kupfersulfat erhöhte, so nahm die Anzahl der be-
obachtbaren Knoten natürlich noch weiter ab. Diese Abnahme
der Knotenzahl wird unten theoretisch berechnet werden. Die
Theorie steht mit der Erfahrung im Einklang.
7. Anormale Absorption einiger Ester.
Die Dielektricitätsconstanten der betreffenden Ester sind
von Löwe^) mit langsamen Schwingungen (jr = 0,67. 10~*) und
von P. Drude^) mit schnellen Schwingungen (7'= 25.10""*®)
bestimmt worden. Ausserhalb der Fehlergrenze dieser Messungen
ist keine anormale Dispersion zu constatiren. Wenn diese
wirklich nicht vorhanden wäre, so müsste man den Schluss
ziehen, dass auch die anormale Absorption für diese Sub-
stanzen gleich Null ist. Dieser Schluss folgt aus der von
P. Drude^) abgeleiteten Relation:
a> . ^ 1
(a) X = tg y, wo tg 0 = - ^^e)(B^B^),
wobei € , € und e^ die Dielektricitätsconstanten für die Wellen-
längen oo, A und 0 bedeuten, x den Absorptionsindex. In der
That beobachtete P. Drude bei den betreflfenden Substanzen
keine Absorption, nur bei Amylbenzoat einen sehr geringen
Absorptionsindex [x = 0,02).
Die Thatsache aber, dass die letztgenannte Substanz
anormale Absorption zeigte, Hess erwarten, dass auch die
anderen Ester, wenn sie nach einer empfindlicheren Methode
untersucht würden, auch anormale Absorption nachweisen
lassen würden. Diese Erwartung wurde, wie das Folgende
zeigen wird, in einzelnen Fällen erfüllt. '^)
1) K. F. Löwe, Wied. Ann. 66. p. 390. 1898.
2) P. Drude, Zeitschr. f. phys. Chem. 23. p. 2. 1897.
3) P. Drude, Wied. Ann. 64. p. 131. 1889.
4) In dieser Thatsache liegt kein Widerspruch mit der Gleichung (a),
denn die gemessene Absorption ist immer so klein, dass der entsprechende
Werth von a^ — Sq sich nicht nach den ^bisher angewandten Methoden
zur Ermittelung von Dielektricitätsconstanten constatiren lässt. Für L^o-
Dielektrische Untersuchungen. 141
Mein Verfahren war das folgende: Der Wasserconden-
sator, mit destillirtem Wasser beschickt, wurde auf die Drähte,
wie gewöhnlich, gelegt, und ^/j A sorgfältig bestimmt; dann
wurde dieser Condensator durch einen anderen, den Messcon-
densator, ersetzt, welcher mit der zu untersuchenden Substanz
beschickt wurde. Die Capacität dieses Messcondensators wurde
nun so lange geändert (durch Biegung der Elektroden), bis dass
^2 ^ denselben Werth hatte, wie beim Gebrauch des Wasser-
condensators, d. h. bis seine Capacität gleich der des letzteren
war. Die zu beobachtende Knoten zahl k wurde jetzt bestimmt
und falls dieselbe kleiner war, als beim Gebrauch des Wasser-
condensators, wurde der Wassercondensator mit Kupfersulfat-
lösungen von verschiedenen bekannten Leitfähigkeiten beschickt,
bis eine Lösung gefunden war, für welche k denselben Werth
hatte als für die zu untersuchende Substanz. Die Erregungs-
stärke kann ziemlich constant gehalten werden, aber, damit
keine Täuschung durch eine Aenderung derselben herbeigeführt
werden kann, empfiehlt es sich, die verschiedenen Kupfer-
sulfatlösungen immer mit der zu untersuchenden Substanz direkt
zu vergleichen. Dann wurde vermittelst derKohlrausch*schen
Methode die Leitfähigkeit der Substanz gemessen, um zu sehen,
ob dieselbe Einfluss auf k haben könne.
Die Gesammtcapacitäten des Mess- und Wasserconden-
sators waren gleich; da nun die zwei Kolben von derselben
Form und die Capacitäten der ausserhalb der Flüssig-
keit liegenden Theile sehr gering waren (für den Wasser-
condensator waren die Capacitäten der innen und aussen
liegenden Theile 3,06 bez. 0,08), so ist anzunehmen, dass die
Capacitäten der innerhalb der Flüssigkeit sich befindlichen
Theile auch gleich waren. Wenn nun beide Condensatoren die
gleiche Knotenzahl k ergeben, so müssen die Absorptions-
indices der beiden Füllflüssigkeiten gleich sein. Dieselben
setzen sich zusammen aus dem Absorptionsindex x der
anormalen elektrischen Absorption und dem Absorptionsindex x,
welcher durch die Leitfähigkeit a nach absolutem elektro-
\
butylbcnzoat z. B., welches von den untersuchten Verbindungen die
st&rkste Absorption (x ^=^ 0,028) zeigt, ergiebt sich aus (a), dass sich bei
Z B« 70 cm 6 nur um 0,6 Proc. von e^^ unterscheiden würde.
142
W, D, Coolidge,
magnetischen Maasse der Substanz herbeigeführt wird. Eis
besteht nun bei kleinem x' die Relation'):
X =
£
WO e die Dielektricitätsconstante und c die Lichtgeschwindig-
keit im Vacuum ist. Bezeichnen wir daher die Zugehörigkeit
zu den beiden verschiedenen Flüssigkeiten durch untere Indices 1
und 2, so ist
Falls, me es thatsächlich der Fall war, die Leitfähig-
keit (T^ des Esters gleich Null zu setzen ist, so ergiebt sich
daher sein Absorptionsindex x^ aus dem x^ des Wassers und
der Leitfähigkeit Cj, sowie der Dielektricitätsconstante (c^ = 81)
der Lösung aus der Formel
ck
Es ist aber, wie unten berechnet werden wird: x^ = 0,0082,
«1 = 81 für Wasser und die Kupfersulfatlösungen zu setzen,
daher folgt
x^ = 0,0082 + ö-j |[ .
Mit dieser Formel wurden die Werthe von x in Tab. VIII
berechnet, 2) A betrug 147 cm.
Tabelle VIIL
1
X
X 1
X
X
Substanz
Prä-
Prä-
Substanz
Prä-
Prä-
parat 1
0,017
parat 2
0,017
parat 1
parat 2
Methylbenzoat
Amylacetat
0
.i— -
Aethylbenzoat
0,018
0,018 i
Pbenylacetat
0,012
Amylbenzoat
0,023
0,028
Methylformiat
—
0
Isobutylbenzoat
0,028
0,028 '
Propylformiat
0,008
Methylacetat
0
i
Isobutylformiat
0,008
• •—
Aethylacetat
0
— .
Amylformiat
0,009
—
Propylacetat
0
—
Aethylpropionat
0
—
Butylacetat (n)
0
— '
Aethylbutyrat
0
—
Isobutylacetat
0
*^"" 1
Aethylvalerat
0
—
1) P. Drude, Wied. Ann. 61. p. 495. Formel (38). 1897.
2) Im theoretischen Theil wird gezeigt werden, dass der Absorptions-
index einer Substanz aus der beobachtbaren Knotenzahl auch ohne Ver-
gleich mit einer leitenden Lösung bestimmt werden kann. ä
Dielektrische Untersuchungen. 143
Die Ester wurden von Kahlbaum bezogen; die Prä-
I parate 2 waren ganz frisch, die Präparate 1 nicht. Die ersten
Präparate von Methyl-, Aethyl- und Amylbenzoat wurden alle
gemessen, bevor die zweiten Präparate vorgenommen wurden,
deshalb musste der Kolben aufs neue regulirt werden; dass
sowohl dieses, als auch das Aufsuchen von einer Kupfersulfat-
losung gleicher Dämpfung keine grossen Schwierigkeiten macht,
ist aus der üebereinstimmung der Werthe ftir die Präparate 1
tind 2 zu ersehen. Die Leitfähigkeit war bei allen Ester,
Isobutylformiat ausgeschlossen, zu klein, um berücksichtigt zu
werden. Der gemessene Widerstand zwischen den Elektroden
des Messcondensators bei Füllung mit Isobutylformiat war
^ast gleich dem Widerstand zwischen den Elektroden des
Wassercondensators bei Füllung mit destillirtem Wasser, und,
^'^ die zu beobachtende Knotenzahl dieselbe war, wie für
^asser, so ist anzunehmen, dass die anomale Absorption des
Isobutylformiats gleich der des Wassers ist.
II. Benutzung der Lech er 'sehen Wellenerregung.
1. Die Versuchsanordnung.
In dem Blondlot'schen Erreger ist immer nothwendiger-
^eise sehr viel Selbstinduction im Secundärkreise vorhanden,
t^ies ist für Messzwecke einerseits günstig, da die Dämpfung
dadurch klein gemacht wird; andererseits ist es aber un-
günstig, da die Wellenlänge mehr von der Capacität beein-
flusst wird, wenn die Selbstinduction möglichst klein ist. Des-
halb schien die Lecher'sche Anordnung Vortheile zu bieten.
Wegen der gesteigerten Dämpfung wurde aber diese Hoffnung
nicht erfüllt; die Genauigkeit war ungefähr dieselbe wie beim
Gebrauche des Blondlot'schen Erregers. Die Anordnung
War aber bequem und für nicht absorbirende Substanzen sehr
zweckmässig; sie wurde deshalb für alle folgenden Messungen
benutzt.
Die Drähte Zi des Erregers (vgl. Fig. 7) sind knapp in
zwei Löcher eines rechteckigen Stückes Hartgummi geschoben
und mit Siegellack festgekittet. Wie aus der unteren Zeich-
nung ersichtlich ist, sind die Drähte in einer Verticalebene
144
jr. D. Coolidge.
nach unten umgebogen, damit die Funkenstrecke Fj welche
sich zwischen den unteren kugeltragenden Enden befindet, in
ein Petroleumbad hineintaucht. Dicht an die Drahtenden
schliessen sich die Zufuhrungsdrähte zum Inductorium an. Bei»?
befindet sich eine Zuleitungsfunkenstrecke. Die Drähte L'Z' sind
ebenfalls eingekittet; diese Drähte setzen sich als Lecher'sche
Paralleldrähte fort. Ihre gegenseitige Distanz beträgt 1,8 cm
(vgl. Fig. 7). Die erste Brücke B^ ist zur Erde abgeleitet.
Die zweite Brücke (nicht auf der Zeichnung ersichtlich) ist
verschiebbar und wie oben für das Blondlot'sche System
mit einem schweren, zugespitzten Metallstücke verbunden,
^
I
*/»/rf. Grösjtit^
Fig. 7.
welches über einer Millimetertheilung spielt. Die Drähte L L
und L L' müssen nun leitend verbunden werden mit den
Elektroden zweier Condensatoren CC, die mit den zu unter-
suchenden Substanzen beschickt wurden. Um dieses bequem
bewerkstelligen zu können, ragten die Drähte LL und L L
in vier kleine, in das Ebonitstück von oben gebohrte Löcher
hinein, welche mit Quecksilber gefüllt wurden. In diese Queck-
silbemäpfchen ^) tauchten die zu den Elektroden der Con-
densatoren führenden Platindrähte. Als Condensatoren dienten
zwei kleine Glaskolben. Zuerst probirte ich Condensatoren
der in Fig. 2 angegebenen Form; diese aber erwiesen sich als
unbrauchbar, da eine zufällige Biegung ihrer Zuleitungsdrähte
1) Dieselben waren klein, der Durchmesser der Löcher betrug
nur 2 mm.
Dielektrische Untersuchungen, 145
eine bedeutende Aenderung in der Wellenlänge verursachte.
H Es mussten daher Condensatoren von der in Fig. 7 ange-
I deuteten Form benutzt werden. Um Verdunstung der zu
untersuchenden Substanz und eine dies bedingende Abkühlung
derselben zu vermeiden, wurden die Kolben immer gut zu-
gestöpselt. Ein Thermometer, welches unmittelbar in der
Nähe des Erregers hing, wurde am Anfange und Ende einer
Messungsreihe abgelesen. Für die folgenden Versuche kam
es nicht auf eine sehr genaue Eenntniss der Temperatur an.
Die Vortheile der Anordnung lassen sich etwa so zusammen-
fassen:
1. Der Apparat ist sehr leicht zu construiren.
2. Eine Aenderung in der Länge der Hauptfunkenstrecke
übt keinen bemerklichen Einfluss auf die Wellenlänge aus.
3. Mit ein und demselben Erreger kann die Wellenlänge
zwischen fast beliebigen Grenzen variirt werden durch Ver-
schiebung der Brücke B^ und Elektrodenbiegung.
4. Da die Primär- und Secundärkreise starr zusammen
verbunden sind, so ist durch zufällige, auch unsanfte Berührung
keine Aenderung in der Wellenlänge zu befürchten.
5. Wenn die erste Brücke, wie es in meinen Versuchen
<ler Fall war, in der Nähe des Erregers liegt, so ist die
Aichungscurve (Coordinaten 6 und ^g ^) zwischen weiten Grenzen
f^t vollkommen geradlinig.
Als Nachtheile müssen erwähnt werden:
1. Die zu untersuchende Substanz wird als Dielektricum
bei grosser Erregungsstärke stark beansprucht und kann, wenn
sie ein Elektrolyt ist, eine geringe Zersetzung erleiden. Dies
war bei verdünnten Eupfersulfatlösungen und sogar bei un-
destillirtem Wasser zu beobachten.
2. Bei stark absorbirenden Substanzen tritt wegen der
Energieabsorption eine bemerkliche Temperaturerhöhung ein.
Man kann die Abhängigkeit der Wellenlänge von der
Capacität der Condensatoren, d. h. der Dielektricitätsconstante
der Flüssigkeit theoretisch angeben (dies soll unten geschehen).
Genauer ermittelt man aber die Dielektricitätsconstante einer
Substanz, indem man durch Aichflüssigkeiten diese Abhängig-
keit des X von 6 feststellt.
' Aan. d. Phyi. a. Chem. N. F. 69. 10
146
W. D. Coolidge.
Um die Brauchbarkeit der Methode zu zeigen, gebe icH
in Tab. IX die gewonnenen Werthe von 6 für drei Ester uad
daneben (€/)) die Drude 'sehen Zahlen; die in kleiner Schrift'
beigefügten Zahlen sind die Beobachtungstemperaturen in Graden
Celsius. In der letzten Columne {bd her.) sind die Drude'schen
Zahlen vermittelst der von Löwe^) angegebenen Temperatur-
coefficienten auf i^* = 14^ umgerechnet.
Tabelle
IX.
Substanz
«0
^D
ep ber.
Isobutjlbenzoat
Amylbenzoat
Methylbenzoat
5,44i4
5.0114
6,68i4
5,48i8
4,99i9
6,62i8
5,47u
5,02u
6,66u
Jetzt sollen einige Anwendungen der Methode besprochen^
werden.
2. DielektricitfttscoDBtante von Mischungen von Aetbylftthec^
und Cbloroform.
Philip*) hat gefunden, dass Gemische von Aethyläther'
und Chloroform in jedem Mischungsverhältniss eine grössere
Dielektricitätsconstante aufweisen, als jeder ihrer Bestandtheile*
Seine Messungen wurden mit langsamen Schwingungen nach^
der N ernst 'sehen Methode angestellt. In Tab. X sind meine
Messungen für solche Gemische angef&hrt.
Tabelle X.
Aethjläther und Chloroform.
Procentgehalt
V.i
an Aether
*U,Oo
100
46,67 '
4,89
56,26
52,66
5,81
26,87
54,59
6,28
9,94
52,15 i
5,69
0,0
49,27
5,01
1) K. F. Löwe, Wied. Ann. 66. p. 890. 1898.
2) J. C. Philip, Zcitschr. f. phys. Chem. 24. p. 29. 1897.
DieUktrUche Untertvehunffen. 147
CoTTe I (Fig. 8) stellt meine Beobaclituugen bei & = 14,0"
^dar, und Curve II (Fig. 6) die von Philip bei 19^=18,0°.
"^^Vie ein Vergleich lehrt, stimmen die Messungen qualitativ
Bbtrein — die Dielektricit&tsconstsnte der Gemische ist immer
gröSBer als die der Bestandtbeile und beide Gurren erreichen
itir Uaximum bei ca. 32 Proc. Aether. Ea findet beim Mischen
Acthylfither und Chloroform.
1
'>^
-
■5s,
^
^^
51-
T'^
<
k
i
\
J
\
)
«
j
1
"
•
^
/
S^
1_
u
Lj
L
m
_
u
L
J
Fig. 8.
der Componenten eine erhebliche TemperatDrerhöhung statt.
Dm diese und das Verhalten der Dielektricitätsconstanten zu
erklären, meinte Philip, es finde hier wahrscheinlich eine
iDtramoleculare Reaction statt. Dies erkl&rt vielleicht auch,
warum die zwei Curven in der Mitte, wo der Einfluss der
Reaction am stärksten hervortritt, soweit auseinander liegen —
die Reaction wird vielleicht von der Temperatur und anderen
Nebenumständen stark beeinflusst.
8. Untersuchung von AethyUthec.
Aethyläther wird als AichöUssigkeit vielfach benutzt. Die
von verschiedenen Beobachtern angegebenen Werthe aber
schwanken. Drade') findet bei 18,0": e = 4,36; Nernst'} bei
1) P. Drude, Zeitochr. f. phya. Chem. (2) 28. p. 808. 181)7.
2) W. Nernst, I. c. 14. p. 622. 1894.
148
r. B, CooUdge.
18,0^:4,25; Thwing^) bei 15,0^:4,27 und Linde*) bei
16,0^:4,40. Ich benutzte wasserfreien Aether, in welchem
mehrere Tage Natriumdralit gelegen hatte. Die Resultate Yoa^
vier verschiedenen Messungsreihen sind in folgender Tabell
enthalten. Es wurden wiederum als Aichflüssigkeiten di
Mischungen von Aceton und Benzol benutzt.
Tabelle XL
V,^
Temperatur
B
41,41
17,6
4,35
41,89
17,8
4,84
41,42
17,8
4,85
41,40
18,0
4,85
Der Mittelwerth e = 4,35 stimmt mit dem Drude'schen
Werth € = 4,86 sehr gut überein.
Um zu sehen, ob das Wasser in wasserhaltigem Aether
sich ausfrieren lässt, wurde eine dünne Probirröhre mit solchem
Aether beschickt und in eine Kältemischung (feste Kohlensäure
und Aether) getaucht; der obere Theil wurde nach einiger
Zeit sorgfältig abgegossen und beobachtet. Die Dielektricitäts-
constante, vorher gemessen, war 4,50, nachher ergab sich 4,51,
d. h. innerhalb der Beobachtungsfehler war keine Aenderung
wahrzunehmen. Der Zusatz von Natriumdraht zeigte auch
durch lebhafte Blasenentwickelung, dass der Aether Ton Wasser
keineswegs befreit worden war.
4. Benzol.
Um zu sehen, ob Benzol im Stande sei, Wasser genug
aufzunehmen, um seine Dielektricitätsconstante merklich zu
beeinflussen, wurde Benzol mit Wasser durchgeschüttelt und
drei Wochen stehen gelassen. Die Dielektricitätsconstante des
Benzols hatte sich dadurch nicht geändert, d. h. die Aenderung
war weniger als 0,5 Proc. (eine bedeutend höhere Genauigkeit
1) Ch. B. Thwing, 1. c. p. 286. 1894.
2) F. Linde, Wied. Ann. 56. p. 559. 1895.
I
JJielektrücJie Untersuchungen, 149
wäre hier erreichbar gewesen, nur wegen der kleinen Dielektri-
jl^ citätsconstante des Benzols hatten die benutzten Kolben eine
2a kleine Capacität).
5. DielektricitfttscoDstante verschiedener Alkohole in
verdünnter Lösung.
Philipp) hat gefunden, dass die Dielektricitätsconstanten
^OQ Mischungen annähernd durch die Formel
J^. 100 = J^.;,,+ -1^(100-;,.)
ausgedrückt werden können. Hier bedeuten «, 6^, «^ die Di-
elektricitätsconstanten der Mischung, der ersten und der zweiten
Componenten, </, d^^ d^ die Dichten derselben und p^ die Ge-
wichtsmenge der ersten Componente in 100 Theilen der Mischung.
Philip hat die Formel angewandt zur Bestimmung der Di-
elektricitätsconstante Cj einiger Alkohole in verschiedenen
Lösungsmitteln. Seine Messungen wurden vermittelst einer
Modification der Nernst'schen Methode gemacht, also mit
langsamen Schwingungen. Es ergab sich, dass e^ bei ab-
nehmender Concentration abnahm und sich einem gewissen
Grenzwerth näherte.
Da nun die Alkohole bedeutende Dispersion zeigen, so
schien es wünschenswerth, diese Messungen von Philip mit
schnellen Schwingungen zu controliren. Dies geschah ver-
mittelst des oben beschriebenen Lech er 'scheu Systemes mit
einer Wellenlänge von ca. 82 cm. Die Dichte der Alkohole
und der Lösungsmittel wurde gemessen, die der Mischungen
aber aus diesen berechnet. Bei grosser Verdünnung ist dies
gestattet. Die Dichte ist auf Wasser bei 19,0^0. bezogen.
1) J. C. Philip, ZeitBchr. f. phys. Chem. 24. p. 18. 1897. Die Formel
e - 1 100 Ci - 1 Pi , «« - 1 100 - jo,
+
e + 2 d Ci+2c?i «, + 2 rf,
ist ebenfalls von Philip geprüft worden. Diese Formel steht auf sichererem
Boden ab die andere; trotzdem aber sprachen die von Philip angegebenen
Messungen entschieden zu Gunsten der yT— 1 /(/-Formel. Ich habe
.diese deshalb so wie er benutzt.
150
W. D. CooUdge.
Tabelle XII.
1
Proc.-Alkohol
Dichte 19 00
«19,0«
'Alkohol (bor.)
Benzol + Methylalkohol
5
0,8749
2,930
28,26
4
0,8758
2,767
26,64
8
0,8766
2,608
24,00
2
0,8775
2,469
21,22
1
0,8784
2,856
19,22
0,5
0,8788
2,806
18,26
0
0,8792
[2,260]
—
Toluol + Methylalkohol
4,009
0,8668
2,889
29,19
8,004
0,8670
2,690
26,87
2,001
0,8678
2,557
24,84
1,000 '
0,8685
2,440
21,04
0,500
0,8689
2,890
18,92
0
0,8692
Benzol + Ac
2,347
Äthylalkohol
6,978
0,8726
2,969
19,18
4,978
0,8745
2,732
18,05
2,977
0,8764
2,508
15,68
1,982
0,8773
2,417
14,85
0,990
0,8783
2,327
12,40
0
0,8792
[2,260]
—
Toluol + Ac
Äthylalkohol
5,051
0,8651
2,787
15,22
4,088
0,8659
2,673
13,95
3,025
0,8667
2,577
12,71
2,015
0,8675
2,488
12,09
1,006
0,8684
2,425
11,04
0
0,8692
Benzol 4- Pi
2,363
'opylalkohol
^^^
9,783
0,8725
2,999
18,58
7,324
0,8741
2,765
12,50
4,878
0,8758
2,574
11,80
8,895
0,8764
2,503
11,41
1,945
0,8778
2,369
10,37
0,972
0,8785
2,311
9,72
0,485
0,b788
2,285
9,63
0
0,8792
.2,2G0;
—
Dielektrische Untersuchungen,
151
Tabelle XII (Fortsetzung).
PrOC-Alkohol I Dichte 19 00 l «19,00 «Alkohol(ber.)
Benzol + Amylalkohol
28,13
18,55
9,98
7,13
5,09
2,54
0
0,8681
0,8697
0,8721
0,8741
0,8756
0,8774
0,8792
3,198
2,761
2,641
2,509
2,410
2,843
[2,260]
7,097
6,734
6,980
6,588
5,765
6,265
0,801 5
0,7950
0,8152
0,8182
Dielektricitätsconstanten
Die gemessenen Dichten der Alkohole waren, bei i9'=19,0^:
Methylalkohol . . .
Aethylalkohol . . .
Propylalkohol . . .
Amylalkohol . . .
j Grenzwerthe der berechneten
• Alkohole, d. h. die Werthe, die diese erreichen wurden
der Concentration Null (aus den Curven extrapolirt), gebe
in Tab. XIII neben den yon Philip angegebenen Zahlen.
der ersten Zahlencolumne sind meine Werthe, in der zweiten
von Philip.
Tabelle XIII.
Grenzwerthe der Alkohole
Methylalkohol in Benzol
17,5
16,0
Methylalkohol in Toluol 17,0
—
Aethylalkohol in Benzol 10,5
11,0
Aethylalkohol in Toluol ] 10,0
^^^
Propylalkohol in Benzol 1 9,0
8,5
Amylalkohol in Benzol
6,0
6,0
Man gelangt also mit schnellen und langsamen elektrischen
wingungen zu denselben Grenzwerthen der DielektricitätS'
stante der Alkohole , dieselben sind also frei von elektrischer
persion, während die Dielektricitätsconstante concentrirter Zo-
ffcn oder der Alkohole selbst sehr starke Dispersion zeigen.
152 r. L. CooUdge.
Theoretischer Theil.
1. Allgemeine Grandlage.
Es soll zunächst das System der Fig. 9 betrachtet werden,
welches aus zwei parallelen Drähten besteht, die durch zwei
Capacitäten (C und C) und eine Metallbrücke [B) miteinander
verbunden sind. ^) Wir wollen die Eigenschwingungen des
Systemes berechnen. Es bedeute t
— Z7^ -Lc /s die Zeit, z die Axenrichtung der
./ aX. 4 a.-=/ parallelen Drähte, y die zeitliche
Dämpfung der Schwingungen des
'^* Systemes, A = c T die Wellenlänge
dieser Schwingungen (c ist die Lichtgeschwindigkeit im Vacuum),
e die elektrische Ladung pro Längeneinheit des Drahtes, i die
Stromstärke in einem Drahte; C, C die Capacitäten der Con-
densatoren. Alle Grössen seien nach elektromagnetischem
Maasse gemessen. Es besteht dann zunächst die Gleichung:^
In den Drähten pflanzen sich Wellen nach der positiven
und negativen z-Axe fort, wir wollen daher setzen:
(2) j , . , .
worin a = — y + 271 }/— 1 bedeutet, i und i" die Stromstärke
in a bez. a, und die A complexe Grössen sein können. Die
physikalische Bedeutung der Gleichungen (2) ist eigentlich die,
dass I und i' nur gleich den reellen Theilen der hier ge-
schriebenen complexen Grössen sein sollen; da aber alle zu
benutzenden Gleichungen linear sind, können wir zur Ver-
einfachung der Rechnung i und i' den complexen Grössen zu-
nächst direct gleich setzen.
1) Die Capacität C wird nur der Allgemeinheit halber einfi:efÜhrt.
Wird sie unendlich, dann geht das System in das Blond lot 'sehe System
über, und wird (7 = 0, dann liegt ein Lecher'sches System vor.
2) G.R. Kirchhoff, Pogg. Ann. 100. p. 193, 351; 102. p. 529. 1857;
P. Drude, Phys. d. Aethers. p. 376. 1894. Dort enthält die rechte Seite
der Gleichung den Factor 1 c, weil e elektrostatisch definirt ist.
Dielektrische Untersuchungen, 1 53
An der Stelle z = a tritt eine Stromverzweigung ein, da
in den Condensator ein Strom der Stärke i" eiufliesst. Nennt
man die Potentialdifferenz der Gondensatorplatten ^1 — ^9
und w den galvanischen Widerstand zwischen denselben, falls
die den Condensator füllende Substanz Leitfähigkeit hat, so ist
(3) r = C ^ ^^' " ^ + Jj^lJj- ;
^ * dt w
femer ist nach den Stromverzweigungsgesetzen
(4) I = r + t" .
Die Potentiale V^ und V^ auf den Gondensatorplatten sind
identisch mit den auf den Drähten stattfindenden Potential-
werthen an der Stelle z = a. Nun ist ^)
(5) ?^, = -r2 = 2ecMog4»
falls d die Entfernung zwischen den parallelen Drähten und
R ihren Radius bedeutet, es ist daher nach (3) und (5)
(6) r = 4cMog|(c|j + ^).
Für dtjdt muss man entsprechend (1), sowohl — dijdz,
als auch -^di'jdz setzen können, sodass nach (4) die bei.
z s a zu erfüllenden Bedingungen lauten:
(8) Ji = Ji', flir^ = a.
^ * 0X0%
An der Stelle z = 0 ergiebt eine ähnliche Betrachtung
sofort:
falls w der galvanische Widerstand zwischen den Elektroden
des Condensators C ist An der Stelle z = a + a muss die
Ladung e verschwinden, d. h. es ist
(10) -|^ = 0 für z = a + a.
•
1) G. R. Kirchhoff, Pogg. Ann. 100. p. 193. 351; 102. p. 529. 1857;
P. Drude, Phys. d. Aethers p. 379. 1894.
154
(11)
^'l D. Coolidge.
Nun ist d ijd t^ aij T, setzt man daher
A\.e "i
a
+ a-
80 folgt aus (2) und den Bedingungen (7) bis (10):
(12) A, . e
-'-^ + A^-e^"' -{A-; + A'i) = h!^{A': - A',y
(13) A^.e"^ -A-.e*"^ =A';-A''
A^ + A^ = -5'"('^. -^j)-
<.c""^ -.i';.«"^"^ -0.
(14)
(15)
Durch Addition bez. Subtraction, von (12) und (18)
giebt sich:
2 Jj.r""^' = A'[ (2 + Ä ^) - ^;'.A^,
2J,./"'^=<.A" +j;'(2-Ay),
oder, da nach (15) ^;' = ^;'.<?2«(a';A) igt;
a
2a-r-
= A^.e
2a
o'
^ + *t(>--"'-))
a
2^3.<? ^=<
2a
tt'
= A
ff
Durch Division dieser beiden letzten Gleichungen fol
-2a-^
^ =<?
2 a -r
2 - Ä . I 1 - c ^
2.C
2a
a
2«4
A +Ap|e"" ^ -1
2 + A«U""a-1
Dielektrische Untersuchungeju 1 55
Setzt man zur Abkürzung
(16) —-;A^ - <P
2o
6 ' -1
50 lässt sich die letzte Gleichung umformen in
.2a4 v + i+A-J
a
a m 4. 1 4. A
Da nun nach (14)
^o ergiebt sich, falls man noch die Abkürzung einführt:
e ^ - 1
Xur Berechnung von a/X die Gleichung
(18) 1+ (A-f +9p)(5r|- +r) +//7y -0.
Es ist zu berücksichtigen, dass nach Gleichung (11) auch
die Grössen g und h die Grösse cc enthalten. Im allgemein-
sten Falle, d. h. wenn die Widerstände w und tr' der Con-
densatoren C und C nicht unendlich gross angenommen werden,
ist ff und h complex; die Gleichung (18) zerfällt dann durch
Trennung der reellen und imaginären Bestandtheile in zwei
Gleichungen, aus denen sowohl die zeitliche Dämpfung y als
die Wellenlänge X zu berechnen ist. Wird w = w' = oo ge-
setzt, so ist ff und h reell. Es ergiebt sich dann aus (18),
dass y = 0 sein kann, was von vornherein klar ist, wenn wir
keinen Energieverlust durch Strahlung oder durch Joule 'sehe
Wärme in den Drähten annehmen. In diesem Falle ist
a=2;i;]/— 1, daher nach (17) und (16), da die Formel
besteht:
,'V-T ^ 1
= - V - 1 cotg l-
2 na ,/ T ^ 2nä
, ^ www«. X :
(19) x=-y-l ■ cotg ^, y = - y - 1 . cotg
156 r. B, Coolidge.
Betrachten wir specieller den Fall, dass die Drähte bei
z = 0 anstatt durch einen Condensator durch eine Metall- ^
brücke leitend verbunden sind, so wirkt diese Brücke so, als
ob die Capacität des Condensators C unendlich gross ge«
worden wäre. Für ff = od wird dann (18) zu
(20) 2 ^A = _AA = cotg ^7 + cotg ?^ .
c* C ist die elektrostatisch gemessene Capacität des Con-
densators C; die Gleichung (20) ist von Morton^) auf anderem
Wege abgeleitet. Aus dieser Gleichung ergiebt sich, dass ein
Condensator bei vorgeschriebener a + a am meisten Einfluss
auf A hat, wenn a — d ist, d. h. wenn er in der Mitte zwischen
beiden Brücken angelegt ist.
An einer Brücke selbst, d. h. für a = 0 oder d = 0, hat
das Anlegen eines Condensators natürlich keinen Einfluss auf h
2. Verification der Formel für die Wellenlänge.
Der auf p. 125, Fig. 1, beschriebene Apparat entspricht
nicht genau der der Formel (20) zu Grunde liegenden An-
nahme: ein Condensator zwischen zwei Brücken. Diese Formel
wird aber auch für die Anordnung der Fig. 1 anzuwenden
sein, wenn wir nur die Constante a aus den Versuchen selbst
bestimmen, während d die Entfernung des Condensators C von
der Brücke B^ bedeutet (Fig. 1). Es soll wenigstens geprüft
werden, inwieweit diese Ueberlegung richtig ist.
Zuerst wurde d geändert, C blieb dabei constant. Ohne C
war ^/jA = 45,3 cm, daher ist a -^r d ^ 45,3 zu setzen. Da
der wahre Knoten annähernd eine halbe Brückenlänge hinter
der Brücke liegt, so muss d gleich der gemessenen Entfernung
zwischen dem Condensator und der Brücke, vermehrt um die
halbe Brückenlänge, genommen werden. In Tab. XIV hat d
diese Bedeutung, und es ist a = 45,3 — a. ^g^ wurde ver-
mittelst Gleichung (20) berechnet, indem der Werth für die
1) W. B. Morton, Phil. Mag. 43. p. 383. 1897. Er hat die Verh<-
nis9e nur verfolgt für den Fall, dass der Widerstand zwischen den Con-
densatorplatten unendlich ist.
Dielektrische Untersuchungen.
157
Capacität C aus den Versuchen selbst entnommen wurde. ' Da
C constant blieb, so war zu schreiben:
X cotg -j- + cotg — ^
= i:.
K wurde für jeden Werth von a' berechnet und der Mittel«
werthy 172,2, wurde zur Berechnung von ^s^ benutzt. Alle
Grössen sind in Centimetem ausgedrückt.
Tabelle XIV.
a'
a
V,i
v, ;i ber.
3,45
41,85
47,6
47,6
10,05
35,25
60,1
60,0
10,45
34,85
61,1
60,6
11,46
33,85
62,6
62,1
12,05
33,25
63,0
62,9
14,05
31,25
65,1
65,4
16,05
29,25
66,7
67,3
18,05
27,25
68,0
68,6
Die Uebereinstimmung zwischen den beobachteten und
berechneten Werthen von ^2^ ^^^ sehr befriedigend.
Dann wurde a' constant, und zwar gleich 21,85 cm, ge-
halten und die Capacität des Condensators geändert. Als
Condensator wurde ein Kolben (vgl. Fig. 2) benutzt. Als Füll-
flüssigkeiten dienten Gemische von Benzol und Aceton, femer
von Aceton und Wasser. ^) Ohne Capacität war Y2 ^ = 45,67 cm
und deshalb a = 45,67 - 21,85 = 23,82 cm.
Nun ist c*C gleich k^ + ehj wo e die Dielektricitätscon-
stante der Füllflüssigkeit ist und k^ und k zwei Constanten
sind, welche nur von den Dimensionen des Kolbens abhängen.
Deshalb ist, nach (20)
l \ . 2na , . 2na'
2 [ ^^*8 -r + ^^^ -r-
4n{kQ + ek) log j^ = 3^ + 6 0,
wo
Jq = 4 ;i log -g- . k^ und J = 4 ^ log - . A .
Sq und 8 kann man aus zwei beobachteten X bei zwei
verschiedenen e berechnen. Es ergiebt sich ^ = 4,08. Der
1) lieber Dielektricitätsconstanten und Temperaturcoefficienten
sicher Gemische vgl. P. Drude, Zeitschr. f. phjs. Chem. 28. p. 288. 1897.
158
W. D. Coolidge.
Unterschied zwischen den einzelnen Bestimmungen und diesem
Mittelwerth ist ca. 1 Proc. Der Mittelwerth für Sq ist 7,27 ;
auf seine Genauigkeit kommt es nicht so sehr an. Vermittelst
dieser Werthe von 8 und 8q wurde '/, X berechnet. In der
Tab. XV beziehen sich die Nummern in der ersten Columne
auf die benutzten Aichflüssigkeiten.
Tabelle XV.
Subst.
e
50,97
V, l ber.
50,9
: Subst.
1
6
VW
68,41
' \,Aber.
1
2,27
, "
17,56 1
' 68,5
2
2,98
52,11
51,8
' 8
20,97
72,29
71,9
3
3,57
52,81
52,6
! 9
23,88 '
74,90
i4,<
4
6,98
56,34
56,7
10
26,59 '
77,26
77,8
5
8,53
58,03
58,5
! 11
■
31,77 .
82,02
81,9
6
10,35
60,47
60,6
.
Die Uebereinstimmung ist hier wieder eine recht gute.
Andererseits konnte man aus den beobachteten Weiüien für
^/g X die entsprechenden Werthe von % berechnen, aber es ist
viel genauer, wenn man die zu untersuchende Substanz mit
Substanzen von bekanntem 6 direct vergleicht, wie oben ge-
schehen ist.
3. Die Dämpfung der Schwingungen.
Falls die Drähte bei ? = 0 durch eine Metallbrücke leitend
verbunden sind, ist C und deshalb g gleich cx). Dann wird
(18) zu
(21) ä" +(f +/ = 0.
Wenn auf erste Ordnung in y entwickelt wird, ergiebt sich
aus den Gleichungen (16) und (17) (hier ist i=sy.iri gesetzt)
q)^ — i cotg
2nn'
1-1
2y
a'
sin
4 7ia'
. 2 71 a
/ = - i cotg - ^-
1-1
2r
a
sin
Ann
I
Nun ergiebt sich aus Gleichung (11), wenn man die Leitfähig-
keit der Füllsubstanz des Condensators C als so klein an-
Dielektrische Untersuchungen, 159
nifflmt, dass man in dem bei h auftretenden Terme Tjaw
f&r a den Näherungswerth c^ = 2 ;i; t benutzen kann
|»-4.-<71ogi(.-.-,^).l|i(. + .7-)
Daher ist nach (21)
/ lZLc«(7loff — fl 4-2^^-1 ^ \
(22)
= COtg — T I 1 — t
sin
2r —
+ COtg -y- . I 1 — I
4 na'
a
X
Ana
sin
Daraus ergiebt sich durch Trennung der Reellen und
Imaginären
(23)
und
-j- C^Clog -^- = COtg — ^ + COtg —J--
(24)
sin 2 71 a'/^ , sin 2 na/ Jl
£j ^ (j —
^ 2?! 8in2na/)l Bin 2 n a' jl
1 + ~j~* ^ . V
sin 2 TT
tt?C
Nun isti)
Ctl7 =
e
4n ffc^
(falls man A^ in der Gleichung C = A^ + A 6 vernachlässigt, was
annähernd gestattet ist, da k^ stets klein gegen h b war), daher
ergiebt sich zur Berechnung der zeitlichen Dämpfung aus der
Leitfähigkeit im Condensator
(25)
1 +
8in2na7^ , 8in2na/il
271 8in2 7Ta/Ä 8in2 7TaV^
• o o + a'
8in 2 TT — —
= 4 TT A
e
Die rechte Seite dieser Gleichung hängt nicht von der
absoluten Grösse der Capacität C des Condensators ab, ihr
1) P. Drude, Wied. Ann. 61. p. 488. 1897. Formel (24).
160 r. 1). Coolidge.
Einfiuss ist aber in der linken Seite der Gleichung enthalten,
da nach (23) eine Relation zwischen a, d und C besteht« ^
Will man den Zusammenhang zwischen der zeitlichen
Dämpfung y und dem Absorptionsindex x der Condensator-
iiüssigkeit feststellen^ so ist zu berücksichtigen, dass bei kleinem
x^) die Beziehung besteht
X =
6
Es ist daher
(26)
8iu2 na^jl , 8in27ra/A
O — ; — ;r -rr- + tt
-2 71 8in2 7ia/i. 8in2 7ia'/i.
sin 2 n ; —
= 4 ;rx.
Diese Beziehung gilt auch, wenn die elektrische Absorption
der Condensatorflüssigkeit nicht durch Leitfähigkeit herbei-
geführt ist, sondern falls sie anormale elektrische Absorption ist
Wenn schon ohne angehängten Gondensator eine zeitliche
Dämpfung der elektrischen Wellen vorhanden ist, so wird durch
den Gondensator dieselbe vergrössert, falls im Gondensator
elektrische Energie absorbirt wird. Falls alle in Betracht
kommenden Dämpfungen nicht sehr gross sind, so wird der Zu'
wachs y der durch den Condensator herbeigeführten zeitlichen
Dämpfung immer noch durch die Formeln (25) bez. (26) zu Äe-
rechnen sein.
Die zeitliche Dämpfung y^ welche mit dem Benzol-
condensator im System vorhanden ist, wurde bei der Blondlot*-
schen Wellenerregung auf dem von Drude beschriebenen Wege*)
etwa zu 0,15 bestimmt. Auf die absolute Grösse dieser Zahl
kommt es übrigens nicht genau an, da es sich im Folgenden
nur um Aenderungen von y handelt.
Wenn nun die Stärke der Wellenerregung in der Weise
regulirt wurde, dass eine bestimmte Knotenzahl k mit dem
Benzolcondensator zu beobachten wai*, während mit dem Mess-
condensator eine kleinere Zahl k' zu beobachten war, so habe
1) P. Drude, 1. c. p. 495.
2) F. Drude, Abhandl. d. sächs. Gesellsch. d. WiBsensch. 28«
p. 95. 1896. Ich habe dabei Rücksicht genommen auf die verschiedene
Länge der Brücken B^ und B^.
i
Dielektrische Untersuchungen. 161
ich zunächst mit dem Werthe / = 0,15 die Stärke des A>ten
Knotens auf dem von P. Drude (1. c.) angegebenen Wege be-
rechnet und dann y in der Weise abgeändert zu y', dass die
Starke des A'-ten Knotens gleich war dem vorhin berechneten
Werthe des A-ten Knotens. Es ist dabei die Intensität der Wellen
an der Erregungsstelle (nicht an der ersten Brücke) als constant
angenommen. Die so zu berechnende Differenz y' — y ist die
Dämpfungszimahme dy^ fiir welche die Formeln (25) und (26)
gelten.
4. Die anormale Absorption des Wassers.
Wenn mit dem Benzolcondensator die Knotenzahl A == 18 zu
beobachten war, so betrug diese Knotenzahl mit dem Wasser-
condensator A' = 13 (vgl. oben p. 189). Daraus berechnet sich^
falls y= 0,150 gesetzt wird, /' = 0,191, d. h. rfy = 0,041.
Nun war A = 147 cm, a = 18,2 cm, und a (aus der beob-
achteten Wellenlänge ohne Condensator berechnet) = 19,7 cm.
Daher wird der Factor von y in den Formeln (25) und (26)
gleich 2,62. Die elektrische Absorption der Wellen rührt zum
rheil von der Leitfähigkeit {a betrug 0,93. 10- ^^j, zum Theil
ron anormaler Absorption. Neunen wir letzteren Absorptions-
ndex X, so ist nach (25) bez. (26)
dy
Bin27ra7^ j^ / »in 2 naß
, , 2n ^ sin 2 n aß sin 2 ti a'ß
1 H j— — ;
A , ^ a + a
sin 2 n —
/ , eol\
•der
0,041 . 2,62 « 4 ;r X + 4r- • 3 . lO^o . 0,93 . lO-i* . 147,
Ol
L h.
X = 0,0082.
Es ist interessant, zu untersuchen, für welche Schwingungs-
Periode eine maximale Absorption bei Wasser zu erwarten ist.
jn Falle dass nur auf eine absorbirende Molekülgattung im
Nasser Rücksicht zu nehmen ist, hätte man die folgenden
leiden Gleichungen^):
1) P. Drude, Wied. Ann. 64. p. 131. 1898.
Ann. d. PbjB. a. Chem. N. F. 69. 11
162 IT. D. Coolidffe.
(27) * = "*^^ -«*) = «»-
*X ~ ®0
00
1 +
(-5)'
(28) 2 n»x =--""*'
1 +
(7) "
worin bedeuten: n der Brechungsexponent, 6^ die Dielektrici-
tätsconstante fUr grosse T, %q das Quadrat des optischen
Brechungsindex, e die Dielektricitätsconstante bei der Periode T^
und a eine Constante, die von der Dämpfung der Molecül*
Eigenschwingungen abhängt; x ist ein Maximum bei der Periode
(29) y = a' 1/^
Aus (27) und (28) folgt, falls x^ gegen 1 vernachlässigt;
wird
(30) a'=-^^*«'' - 2Ae^x
Aus (30) berechnet sich nun mit Hülfe von «^^ = 1,8,
«^ =81, x = 0,0082 und A=147 cm der Werth von a' zu a'
= 0,82.10-^^. Hieraus ergiebt sich nach (29) die maximale
Absorption bei r=12,1.10-i^ d. h. A = 3,6 mm. Dort
würde x = 0,74 sein.
Für r= 3,33. 10-10 (A = 10 cm) ergiebt sich aus (27)
und (30) 6 = 76,5, x = 0,12. In der That hat Drude *) bei
Wellen dieser Periode eine sehr merkbare Absorption ge-
funden.
Für T= 0,67 . 10-10 (;t = 2 cm) würde sich aus (27) und
(28) ergeben *): 6 == 33,5, x = 0,46, also ein sehr grosser Werth
von X schon bei einer Periode, welche vermittels eines Righi'-
sehen Erregers leicht zu realisiren ist.
5. Die Absorption von Salzlösungen. ^
Um zu zeigen, dass die gegebene Theorie sich der Er-
fahrung gut anschliesst, habe ich für wässerige Eupfersulfat-
lösungen verschiedener Leitfähigkeit die Anzahl k der be-
1) P. Drude, Wied. Ann. 65. p. 499. 1898.
2) Dabei ist x streng berechnet, d. h. ohne Vemacblässigung von
X* gegen 1.
Dielektrische Untersuchungen.
163
obachtbaren Knoten auf dem oben genannten Wege berech-
net und beobachtet. Die Dämpfungszunahme gegenüber der
Dämpfung beim reinen Wasser ergiebt sich nach Formel (25),
allerdings nur fiir massige Leitfähigkeiten, d. h. falls y noch
klein bleibt.
' Tabelle XVI.
Substanz
a (absolate)
bei 17*
IT'
bei 17«
f bor.
k ber.
Benzol
Wasser
CDSO4-
Losnngen
0,0
0,93.10-14
16,6 .10-14
34,9 .10-14
58,8 .10-14
QO
229,0 .1012
12,77 . 1012
6,09 . 1012
3,62 . 1012
296,0 . 10-14 i 0,72.1012
0,150
1
18
1
0,191
13 ;
0,232
9
0,280
6 '
0,341
4 '
0,954
ü '
1
[18]
[13]
9
6
4
0
>•
Um zu illustriren, in welcher Weise die Tabelle berechnet
^urde, soll ein Beispiel herausgegriffen werden. Es wurde
die Dämpfung der Schwingungen ohne absorbirenden Con-
^ensator zu y = 0,15 angenommen (vgl. oben p. 160). Dann
berechnet sich auf dem oben (p. 160) genannten Wege die
Stärke des 18. Knotens zu 1,841, falls die ausgesandte Ampli-
tude des Erregers gleich 1 gesetzt wird, während der 19. Kno-
ten sich zu 1,830 ergiebt. Für die Stärke 1,841 sprach also
<lie Zehnder'sche Röhre noch an, für die Stärke 1,830 nicht
^ehr, da 18 Knoten bei «?' = 00 (Benzol) zu beobachten waren,
^ür CuSO^- Lösung Nr. 3 berechnet sich nach (25) die
Oämpfungszunahme gegenüber reinem Wasser zu 0,152; da
letzteres aber schon die Dämpfungszunahme 0,039 gegenüber
ßenzol zeigte (vgl. oben p. 161), so ist für Lösung Nr. 3
y = 0,341 zu setzen. Die Stärke des 4. Knotens berechnet
^ich damit zu 1,977, während die Stärke des 5. Knotens zu
1,820 folgt. Da nun 1,841 und 1,830 die Grenzen für das
Ansprechen der Vacuumröhre sind, so musste der 4. Knoten
noch beobachtbar sein, der 5. dagegen nicht mehr.
Die Tab. XVI zeigt eine sehr gute Uebereinstimmung
zwischen Theorie und Beobachtung. Auf die Lösung Nr. 4
ist übrigens nicht viel Gewicht zu legen, da ihre Leitfähigkeit
11
1 64 W. D. Coolidge.
schon zu gross ist, als dass die Formel (25) noch gültig sein
konnte.
6. Die anormale Absorption der Ester.
Die anormale Absorption einiger Ester ist oben, p. 142,
aus dem Vergleiche mit CuSO^ -Lösungen bestimmt worden.
Allein aus der Abnahme der beobachtbaren Knotenzahl ohne
Zuhülfenahme von Vergleichssubstanzen kann man aber auch
die Dämpfungszunahme ermitteln und dann aus ihr mit Hülfe
der Formel (26) den Index x der anormalen elektrischen Ab-
sorption. Es ergab sich z. B. für Propylformiat ä = 13 und
für Benzol A = 18. Hieraus berechnet sich (vgl. oben p. 160)
die Zunahme dy der zeitlichen Dämpfung zu 0,041. Es be-
trug A =« 147 cm, a = 18,2 cm, a' (berechnet aus der beob-
achteten Wellenlänge ohne Condensator nach der Formel [20])
= 19,7 cm. Dann wird der Factor von rfy in Formel (26)
gleich 2,62. Daraus berechnet sich x zu 0,008, während
durch Vergleich mit wässrigen Lösungen (vgl. oben p. 142) sich
X = 0,008 ergeben hatte. Die Uebereinstimmung ist zufälliger-
weise vollkommen. Mehr Beispiele kann ich leider nicht geben,
da ich bei den anderen Estern nur auf die Vergleichsmethode
mit leitenden Lösungen hingearbeitet hatte und die Differenz
der beobachtbaren Knotenzahl gegen Benzol nicht bestimmt
habe. Die Beobachtungen nach dieser Methode sind natürlich
schneller zu erledigen als beim Vergleiche mit den wässerigen
Lösungen. Aber die Methode des directen Vergleiches mit
leitenden wässerigen Lösungen ist genauer, weil man bei
dieser Methode nicht nur auf gleiche Anzahl der beobachtbaren
Knoten achtet, sondern, falls man möglichst genau arbeiten
will^ auch auf gleiche Stärke des zuletzt beobachtbaren Knotens.
Es ist allerdings durch Benutzung der abgeleiteten theoreti-
schen Resultate nicht noth wendig, dass die Capacitäten des
mit der Lösung und des mit der zu messenden Substanz ge-
füllten Condensators gleich sind, es genügt schon, wenn nur
die Stärke des letzten beobachtbaren Knotens in beiden Fällen
gleich ist. Das letztgenannte Verfahren bietet experimentelle
Einfachheit, führt dafür aber rechnerische Unbequemlichkeiten
mit sich.
Dielektrische Untersuchungen, 1 65
Schluss.
Die Hauptergebnisse der vorliegenden Arbeit sind fol-
gende :
1. Vermittelst der im ersten Theile beschriebenen An-
ordnung ist die Dielektricitätsconstante von nicht zu stark
absorbirenden Substanzen mit einem wahrscheinlichen Fehler
von 0,1 Proc. relativ zu messen. Falls der Fehler 0,23 Proc.
sein darf, genügt es schon, wenn man f&r die zu untersuchende
Substanz und zwei Aichfiüssigkeiten eine Bestimmung von
einer einzigen Knotenlage macht.
2. Die im zweiten Theile beschriebene Anordnung ist
für absorbirende Substanzen nicht zu empfehlen, wohl aber
für nichtabsorbirende, besonders dann, falls die letzteren mit
Schwingungen sehr verschiedener Wellenlänge untersucht wer-
den sollen. Die erreichbare Genauigkeit ist ungefähr dieselbe,
wie bei der ersten Methode.
3. Die Dielektricitätsconstanten von einigen verflüssigten
Gasen sind bei Zimmertemperatur bestimmt worden.
4. Der Temperaturcoefficient der Dielektricitätsconstante
des Wassers ergab sich zu — 0,432 Proc. pro Grad, bei 17.0^.
Diese Zahl stimmt mit den von Heerwagen und Drude
gefundenen Werthen gut überein.
5. Wasser zeigt anormale Absorption. Bei A = 147 cm
ist der Absorptionsindex x = 0,0082. Daraus lässt sich die
Wellenlänge, für welche x einen maximalen Werth annehmen
würde, zu A = 3,6 mm annähernd taxiren.
6. Die Indices der anormalen elektrischen Absorption von
einigen Fettsäure- und Benzoesäureestern sind bestimmt
worden.
7. Die Dielektricitätsconstante der Alkohole in verdünnter
Lösung nehmen mit der Verdünnung ab und nähern sich
einem Grenzwerthe. Für die untersuchten Alkohole stimmen
die ermittelten Grenzwerthe mit den von Philip vermittelst
langsamer Schwingungen gefundenen Werthen gut überein;
die Grenzwerthe sind also frei von elektrischer Dispersion im
Gegensatze zu den concentrirten alkoholischen Lösungen.
8. Die für den Blondlot'schen Erreger gegebene Theorie
schliesst sich sowohl hinsichtlich der Wellenlängen als der
166 W, D, Coolidge, Bielektrische Untersuchungen.
zeitlichen Dämpfungsconstanten der Erfahrung gut an. Daher
kann man aus der Anzahl der beobachtbaren Knoten den
elektrischen Absorptionsindex berechnen. ^
9. Bei beiden der oben erwähnten Methoden zur Be-
stimmung der Dielektricitätsconstante wird die zu unter-
suchende Substanz dielektrisch stärker beansprucht als nach
den Drude 'sehen Methoden, wo die Substanz sich hinter der
ersten Brücke befindet. Ob diese stärkere Beanspruchung
für die in Frage kommende Substanz nachtheilig ist, lässt sich
durch Controlirung mit anderen Methoden entscheiden.
Die vorliegenden Untersuchungen sind auf Anregung des
Hm. Prof. Dr. Drude im Physikalischen Institute der Uni-
versität Leipzig angestellt worden, und der Verfasser kann
es nicht unterlassen, zum Schluss sowohl Hm. Prof. Dr. Drude
für die Anregung zu dieser Arbeit und für die vielfachen
fördernden Rathschläge während der Untersuchungen als auch
dem kürzlich verstorbenen, ehemaligen Director des Physika-
lischen Instituts, Hm. Geheimrath Prof. Dr. 6. Wiedemann,
für das Interesse, mit dem er den Fortgang der Arbeit ver-
folgte, seinen herzlichsten Dank abzustatten.
(Eingegangen 19. August 1899.)
(
►
10. Ztir Mechanik der Canal^ und Kathoden^
strahlen^); van Paul Ewer 8.
(Hl0na TAf. I, Flg. 1—9.)
Eine grosse Reihe wichtiger Untersuchungen hat in neuerer
Zeit die Ansicht bestätigt, dass sowohl die Canalstrahlen
wie die Eathodenstrahlen aus fortgeschleuderten materi-
ellen Theilchen bestehen. Die Bedingungen für das Auftreten
von Canalstrahlen, sowie die Haupteigenschaften derselben,
sind schon von Hm. Gold stein*) untersucht worden. Dass
die Canalstrahlen, obwohl sie Ton der Kathode auszugehen
scheinen, positive Ladung mit sich führen, ist von Hm. W. Wien^
festgestellt worden; derselbe berechnet auf Grund der elek-
trischen und magnetischen Ablenkbarkeit derselben für das Ver-
hältniss der Ladung eines geschleuderten Theilchens zur Masse
desselben bei einer Eisenkathode den Werth: 312,5 [cmVtgVt/g]
im E. M. S., sowie für die Geschwindigkeit, mit der die Theil-
chen den Gasraum durchfliegen, den Werth: 3,6.10^[cmsec— ^].
Analog liegen die Verhältnisse bei den Kathodenstrahlen.
Dass dieselben negative Ladung mit sich führen, ist schon
seit längerer Zeit bekannt und neuerdings von J. J. Thomson*)
genauer festgestellt. Als Verhältniss der Ladung eines ge-
schleuderten Theilchens zur Masse desselben hat Hr. J. J.
Thomson etwa 5.10® [cm*/« g*/«/g] pro Gramm gefunden, und
zwar unabhängig vom Kathodenmaterial und von der Gas-
filUung. Dieselbe Grösse wurde neuerdings von Hm. Kauf-
mann*) zu 1,86.10^ bestimmt. Für die Geschwindigkeit giebt
Hr. Thomson 1,5.10« [cm sec-i], Hr. W. Wien») ein Drittel
Lichtgeschwindigkeit an. Etwas abweichende Werthe erhielt
Hr. P. Lenard®), der für das Verhältniss der Ladung eines
I
1) Auszog aus der München er Inaugural-Dissertation des Verfassers.
2) £. Qoldstein, Sitzungsber. der k. Akad. d. Wissensch. zu
Berlin, p. 691 ff. 1886; Wied. Ann. 64. p. 38. 1898.
8) W. Wien, Wied. Ann. 65. p. 445 ff. 1898.
4) J. J. Thomson, Phil. Mag. 44. p. 293. 1897.
5) W. Kaufmann, Wied. Ann. 65. p. 431 ff. 1898.
6) P. Lenard, Wied. Ann. 64. p. 279ff. 1898.
168 F. Ewers.
Theilchens zu seiner Masse den Werth 6,4.10® angiebt, und
für die Geschwindigkeit 0,67 bis 0,81 . 10 ^^ [cmsec-i].
Während nun bei den Canalstrahlen die erhaltenen Werthe
mit der Annahme geschleuderter Atome ganz gut in Einklang
zu bringen sind, stösst man bei den Eathodenstrahlen auf
Schwierigkeiten. Es müsste nämlich hier entweder die Masse
eine etwa 2000 mal kleinere sein, als die eines H- Atoms,
oder es müsste an einem gewöhnlichen Atom eine etwa 2000
mal so grosse Elektricitätsmenge haften, als man sie bisher
bei dem Vorgange der Elektrolyse als an einem Atom sitzend
bestimmt hatte.
Abweichend von diesen Resultaten findet Hr. P. Villard^),
dass man die Kathodenstrahlenerscheinungen als durch Wasser-
stoff bedingt ansehen müsse. Da in elektrodenlosen Röhren
Eathodenstrahlen mit denselben Eigenschaften zu Stande kom-
men wie in Röhren mit Elektroden, so ist man jedenfalls be-
rechtigt, die Eathodenstrahlen als nicht aus dem Eathoden-
materiale bestehende Theilchen anzunehmen.
Wie man sieht, waren zur Elärung der Frage, was es
eigentlich für Theilchen sind, welche in den Canal- und
Eathodenstrahlen bewegt werden, weitere Versuchs- und Mes-
sungsreihen anzustellen. Vor allem war die Schwierigkeit zu
heben, welche der Ansicht, dass die genannten Strahlungen
auf fortgeschleuderten materiellen Theilchen beruhen, von jeher
entgegenstand; denn wenn diese Entladungen mit dem Trans-
port von Massen, wenn auch noch so kleinen, verbunden sind,
so müssen sich doch dort, wo sie auftreffen, die geschleuderten
Partikelchen ansammeln und als solche nachweisbar werden.
Zur Beantwortung dieser und verwandter Fragen sollen
die nachfolgenden Messungsreihen Beiträge liefern.
Bisher hat man die Geschwindigkeit der in den Canal-
und Eathodenstrahlen geschleuderten Theilchen hauptsächlich
durch Ablenkungsbeobachtungen ermittelt. Bei der grossen
Wichtigkeit gerade dieser Fortpflanzungsgeschwindigkeit beider
Strahlengebilde w^ar es wichtig, nach anderen Methoden zu
suchen, welche dieselbe physikalische Grösse zu ermitteln ge-
statten. Es lässt sich leicht übersehen, dass man bei Zu-
1) P. Villard, Compt. rend. 126. p. 1564—1566. 1898.
Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen, 169
grundelegung der aus der Elektrolyse folgenden Werthe für
das Verhältniss der Ladung eines materiellen Theilchens zu
seiner Masse: e/m, aus der Combination einer Messung der
Elektricitätsmenge mit einer Energiemessung; d. h. einer calori-
metrischen Messung, diese Werthe erhalten kann. Ich bin
fär Canalstrahlen auf diesem Wege zu fast denselben Werthen
wie Hr. W. Wien gekommen, während ich bei den Kathoden-
strahlen meine Rechnungen bezüglich der Geschwindigkeit
unter der Annahme irgend welcher, vorlaufig noch unbestimmter
fortgeschleuderter Theilchen durchgeführt habe.
I
Nach bekannten Gesetzen der Elektrolyse ist 1 g-Aequi-
yalent jedes Stoffes mit einer bestimmten Elektricitätsmenge,
nämlich mit 96540 Coulomb, verbunden, d. h. 108 g Ag oder
1 g H würden im lonenzustande diese Elektricitätsmenge über-
tragen. Bezeichnet 6[cmVfgVt] die Ladung, die an der
Masse m[g] haftet, so ist für ZT: «/m = 9,654 . 10' [cm V.gV./g]
pro Gramm. Füi» iV-werthige Atome vom Atomgewichte Ä ist:
Diese Betrachtung soll nun auf die Vorgänge in Entladungs-
gef&ssen übertragen werden, und zwar wird hier der Factor
der Geschwindigkeit, mit der die Atome begabt sind, eine viel
grössere- Rolle spielen, als im Gebiete der Elektrolyse, wo die
Geschwindigkeiten der Ionen sehr klein sind. Nimmt man an,
dass die Canal- und die Eathodenstrahlen aus fortgeschleu-
derten Partikelchen, etwa Atomen, die geladen sind, bestehen,
und die sich geradlinig fortbewegen, ist n die pro sec fortge-
schleuderte Anzahl derselben und trägt jedes die Elektricitäts-
menge 8 mit sich fort, so ist die pro sec fortgeführte Elektri-
citätsmenge:
(2) 9 = n.€[cmV.gV.],
woraus sich ergiebt
(3) n = |W.
Bewegen sich diese n Massentheilchen von der Masse m mit
der Geschwindigkeit v geradlinig fort, so enthalten sie die
170 P. Eioers.
kinetische Energie: n,m,^l^v^. Würden diese Theilchen
auf ein Hinderniss stossen, und würde der Stoss Tollkonune:
unelastisch stattfinden, so würde diese kinetische Energie toI]
kommen in Wärme verwandelt werden; ihr Betrag sei a a1
solute mechanische Einheiten (1 cal. = 4,189. 10^[cm^gsec""^^
Wir hätten dann die Formel
(4a) a = n. Y^*[c^^ gsec"^].
Es ist aber jedenfalls ganz unzweifelhaft, dass beim Auf-
treffen dieser Theilchen auf einen festen Widerstand nur ein
Theil dieser Energie in Wärme verwandelt wird, da in Folge
elastischen Stosses viele Theilchen in den Gasraum zurück-
fliegen werden. Wir wollen diesen Umstand in der Formel
(4 a) dadurch ausdrücken, dass wir auf der linken Seite einen
Factor a* hinzufügen, wo a durch die folgenden Versuche
noch geeignet zu bestimmen sein wird. Dann nimmt unsere
zuletzt hingeschriebene Formel die Gestalt an:
(4 b) a^*a = n' — v\
dt
Aus der Vereinigung der Gleichungen (3) und (4 b) folgt:
(5) -^-.yr2 = a2.ß^^.y.^ ^,2,
Hr. W. Wien hat für Canalstrahlen bei einer Kathode
aus Eisen für die geschleuderten Theilchen, die er annimmt,
als Werth lür e/m pro g 312,5 [cm*« g*i:jg] erhalten. Fasst
man die fortgeschleuderten Theilchen als Eisenionen auf, so
müsste sich unter Zugrundelegung von zweiwerthigen Eisen-
atomen ergeben haben:
cm Vt g */t
' ^ 9,654.10^ = 345
g
prog
m 55,9
Es findet sich hier eine Abweichung von 9,4 Proc, die
aus dem Grunde wohl für unwesentlich gehalten werden darf,
weil bei den Versuchen W. Wien*s nur eine Gesammtab-
lenkung von 6 mm beobachtet wurde, sodass eine Abweichung
von 9,4 Proc. einem Ablesefehler von nur etwa ^2 °^^ ^^^
sprochen haben würde, und da ja auch die Canalstrahlen
ebenso wie die Kathodenstrahlen aus verschieden ablenkbaren
i
i
Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen. 171
Strahlen bestehen, somit eine scharfe Grenze zum Ablesen der
-Ablenkung von vornherein nicht erwartet werden darf.
Der JFien^ seile JFerth ist also vollständig mit der Annahme
vereinbar^ die wir hinfort machen wollen^ dass die Canalstrahlen
aus fortgeschleudertem Kathodenmaterial bestehen,
Apparate.
Als Elektricitätsquelle diente eine 40plattigey sich selbst
erregende Töpler'sche Influenzmaschine mit 20 beweglichen
und 20 feststehenden Scheiben aus dem mechanischen Institute
von Oskar Leuner in Dresden, und zwar eine Maschine der
neueren Construction dieses Institutes. Die beweglichen Scheiben
der Maschine machten bei den folgenden Versuchen pro Secunde
8 Umdrehungen, und die entwickelte Elektricitätsmenge betrug
3,1 . 10~* Coulomb pro Secunde. Bei keinem der Versuche
wurden Leydener Flaschen angewendet, und es wurden irgend
welche Funkenstrechen mit grö'sster Sorgfalt vermieden. Die Zahl
der Entladungen, die die Maschine in einer Secunde durch
ein Entladungsrohr schickt, wurde mit Hülfe eines kleinen
Geisslerröhrchens mittels Drehspiegels gemessen und zu etwa
60 000 pro Secunde bestimmt, wenn das Geisslerröhrchen und
ein Canalstrahlenrohr vor die Elektricitätsquelle in Serie ge-
schaltet waren. Wie gross die Entladungszahl war, wenn das
Geisslerröhrchen fortgelassen wurde, konnte nicht bestimmt
werden, da die Dimensionen des Entladungsrohres senkrecht
zur Rohraxe für Beobachtungen mit dem Drehspiegel zu gross
waren, und in Folge dessen die Helligkeit zu schwach war,
um, wenn ein Schirm mit schmalem Spalt vor dem Kohre an-
gebracht war, die räumlich nebeneinander geschichteten Spalt-
bilder als voneinander getrennte Linien deutlich erkennen
und ihre Abstände messen zu können.
Zum Evacuiren der Entladungsgefässe wurde eine Geissler-
pumpe mit zweifach durchbohrtem Hahn mit vorgelegter Wasser-
strahlpumpe verwendet.
Der im Entladungsrohre herrschende Druck wurde aus
der Zahl der Evacuationen und der Eenntniss des Verhältnisses
des Volumens der Luftpumpenkugel zum Volumen der übrigen
mit dem Entladungsrohre communicirenden Theile der Pumpe
berechnet.
172
P, Ewerf,
Die Eniladungsgefdsse wurden entsprechend den Zwecken,
denen sie dienen sollten, in drei Formen verwendet.
Fig. 1 giebt ein Canalstrahlenrohr in der Form wieder,
wie es bei einigen Wärmemessungen angewendet wurde. Die
Anode befindet sich hier in einer seitlich angeblasenen Kugel
des Theiles Ä und besteht aus Aluminium. Ihr Durchmesser
beträgt 14 mm. Die untere Verengung des Theiles B hatte
den Zweck, dass bei der Wärmemessung ein möglichst kleines
^ i '•
C-'
y
^ ^
• X
^ ^
^
•
B
Fig. 1.
Kri.
Fig. 2.
Calorimeter verwendet werden konnte. Beide Theile, A und
j?, wurden mit Siegellack auf der jeweiligen Kathode festge-
kittet, die rings den umgelegten und abgeschliffenen Rand der
Glasröhre um einige Millimeter überragte. Das Rohr P führte
zur Luftpumpe. Die lichte Weite des Rohres A^ sowie des
oberen Theiles von B betrug 3 cm, die des unteren Theiles
2,2 cm. Eine durch die Mitte der Anode senkrecht zu dieser
gelegt gedachte Axe schnitt die Axe des Rohres A in einem
Abstände von 11 cm von der Kathode und hatte selbst eine
Länge von 3,7 cm. Der Boden des Rohres B war 4,5 cm von
der Kathode entfernt.
Eine zweite Form der Canalstrahlenröhren, wie sie be-
sonders zum Messen von Elektricitätsmengen, aber auch für
Energiemessungen benutzt wurde, ist in Fig. 2 veranschau-
Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen,
178
licht. Der Theil A war derselbe, wie in Fig. 1 . In den Boden
L des Rohres £ war eine Auffangelektrode (Kn) von 11 mm Durch-
P messer eingeschmolzen, die, wenn das Rohr ebenfalls mit
1 Siegellack verkittet war, von der Kathode 4 cm entfernt war.
I Zur gleichzeitigen Untersuchung der Kathoden- und Canal-
strahlen wurde das Entladungsgefäss, Fig. 3, verwendet. In
einer seitlich angeblasenen Kugel des ^^,
Bohres A befindet sich die Anode (+), /H^
eine Aluminiumelektrode mit einem
Durchmesser von 26 mm. Der Ab-
stand einer auf der Anode errichteten
Normalen von der Rohraxe von A be-
trägt 5 cm, der senkrechte Abstand
der Anodenmitte von der Ebene der
6'
p.
Fig. 3.
Kathode beträgt 3 cm. Bei B be- /^"^^ i rV^
findet sich ein Diaphragma aus Alu- -»- l ^ [
miniumblech mit einer Oeffnung in \~ r\ a
seiner Mitte von 9 mm Durchmesser, ^^-^
zu dem durch einen seitlich ein-
geschmolzenen Platindraht eine me-
tallische Leitung von aussen her-
gestellt war. Dieses Diaphragma war
4,7 cm von der Kathode entfernt an-
gebracht. Die Elektrode {KtK) hatte
einen Durchmesser von 26 mm und
ihr Abstand von der Kathode betrug 13 cm. Den Theil B
des Entladungsgefässes bildete ein analoger Rohrtheil, wie er
schon bei Fig. 3 beschrieben ist.
Die benutzten Kathoden^ von der
Form, wie in Fig. 4 wiedergegeben, be-
standen aus einem 2 mm dicken Alu-
miniumbleche, in welchem in der Mitte
eine Oe£fnung von 18 mm Durchmesser
ausgedreht war. Nahe am Rande dieser
Oeffnung waren einige Löcher gebohrt,
um mittels derselben die jeweils in Ge- ^*^* ^•
stalt feiner Drahtnetze benutzten Kathodenmateriale durch
dünne Drähte befestigen zu können. Die Netze überrtigten
den Rand der Aluminiumkathode rings um etwa 2 mm, sodass
174 R Ewers,
der Raum Ä (Fig. 1 — 3) nur durch die engen Maschen des
Metallgewebes mit dem Räume B communicirte. ^
Es wurden die folgenden Drahtgewebe mit quadratischer
Structur verwendet:
1. Ein Drahtgewebe aus Aluminium. Die Drähte des-
selben hatten einen Durchmesser von 0,25 mm und die Draht-
axen einen Abstand von 1 mm voneinander.
2. Ein Drahtgewebe aus Eisen. Die Drähte desselben
hatten einen Durchmesser von 0,17 mm und die Drahtaxen
einen Abstand von 0,83 mm voneinander.
3. Ein Drahtgewebe aus Platin. Die Drähte desselben
hatten einen Durchmesser von 0,14 mm und die Drahtaxen
einen Abstand von 0,67 mm voneinander.
Die calorimetrischen Messungen wurden mit zwei cylinder-
fbrmigen Calorimetem aus dünnem Messingblech ausgef&hrt
Als Calorimeterflüssigkeit diente immer Terpentinöl. Das be-
nutzte Thermometer war in Vs Orade getheilt, sodass noch
^/gQ Orade ziemlich genau geschätzt werden konnten. Die
Calorimeter hatten einen Wasserwerth von 7,208, bez. 18,147.
Zum Messen der an die Auffangelektrode (Fig. 2) zuge-
strahlten Elektricitätsmenge wurde ein Wiedemann'sches
Galvanometer verwendet, für welches eine mit Schellack vor-
züglich isolirte Drahtrolle augefertigt wurde. Die Aichung
ergab, dass ein Ausschlag von einem Scalentheile (= 2 mm)
auf einer etwa 2 m vom Galvanometer entfernten Scala einem
Strome von 1,7 . 10~^ Amperes entsprach, oder einer pro Se-
cunde abgeflossenen Elektricitätsmenge von 1,7 . 10""^ Coulomb.
Die PotentialdifFerenzen zwischen Anode und Kathode
wurden mittels eines Ebert-Hoffmann'schen') PlcUtenvoU-
meters bestimmt. Seine Aichung wurde mit Hülfe des Bichat*
Blondlot'schen*) absoluten Cylinderelektrometers ausgeführt
Es zeigte sich, dass die Wurzel werthe, die den Spannungen
proportional sind, sehr nahe auf einer geraden Linie liegen.
Die Entladungen wurden in drei verschiedenen G€uen
1) H. Ebert u. M. W. Hoffmann, Zeitschr. f. Instrumentenkunde 18*
p. 1. 1898.
2) Bichat-Blondlot, Compt. rend. 102. p. 758—756. 1886.
•
Mechanik der CanaU und Kaihodenstrahlen, 175
untersucht, and zwar wurden Wasserstoff, Stickstoff und Kohlen-
säure verwendet.
Bei den Rechnungen wurde eine Reihe von Zahlenwerthen
benutzt, die im Folgenden zusammengestellt sind.
Eine Hg-Säule von 1 mm Höhe übt bei 20 ® einen Druck
von 1329 Dynen pro cm^ aus.
Die molecularen Weglängen ^) A^^^ und \ bei dem Druck
760 mm und 1 mm Hg, und der Querschnitt sämmtlicher
Molecüle im cm^ q bei 760 mm Hg sind:
H, 1855.10-8 1,41.10-2 9500
N, 986.10-8 7,5 .10-3 17900
CO, 680.10-8 5,16.10-3 26000
Das Gewicht eines Atoms Wasserstoff*) ist 8,3.10-25 g.
Das Gewicht eines Atoms eines Elementes vom Atomgewicht
J beträgt: ^.8,3.10-25 g.
An einem einwerthigen Atom sitzt eine Elektricitätsmenge :
8,0. 10"2i [cm*'« gVt], An einem n-werthigen Atom sitzt daher
die Elektricitätsmenge: w . 8,0 . IO-21 [cm' « g^«].
I. Versuche mit Canalstrahlen.
a) MesBungen von Elektricitätsmengen.
Wurde die Kathode der Entladungsröhre (Fig. 3) zur Erde
abgeleitet, so trat nichtsdestoweniger in dem die Anode nicht
enthaltenden Theil B der Röhre Elektricität positiven Zeichens
von dem Momente an über, wo das Auftreten von Canalstrahlen
bemerkbar wurde. Beim Gang der Maschine wurde bei Kn
ein continuirlicher Zufluss von positiver Elektricität constatirt,
welcher einen am Galvanometer leicht zu messenden und in
Coulomb pro Secunde auszurechnenden Strom lieferte. Dieses
bestätigt zunächst die von Hm. W. Wien zuerst gemachte
Entdeckung, dass in der That in den Canalstrahlen Partikel-
chen, die mit freier positiver Ladung begabt sind, transportirt
werden.
1) Sämmtliche Zahlen wer the, die sich auf das Gebiet der molecu-
laren Physik beziehen, wurden den physikalisch-chemischen Tabellen von
Landolt-Börnstein entnommen und im besonderen die Angaben von
O. E. Meyer den Berechnungen zu Grunde gelegt.
2) Vgl. W. Kernst, Theoretische Chemie 2. Auflage, p. 394. 1898.
176
P. Ewers,
Es zeigte sich nun aber weiter die sehr bemerkenswerthe
Thatsache, dass sowohl der Moment des Auftretens dieser Er-
scheinung, als auch der gesanimte Verlauf von der Natur der^
Gasfdllung abhängt. Um dieses näher zu erläutern erlaube
ich mir, für eine Keihe von Fällen die entsprechenden Messungs-
resultate in extenso mitzutheilen.
Wie Hr. Goldstein schon beobachtet hat, gehen die
Canalstrahlen anfänglich von der ganzen durchbrochenen Eji-
thodenfläche aus; mit abnehmendem Drucke entfernen sie sich
dagegen beständig vom Rande der Kathode (Fig. 5), und das
Canalstrahlenbündel zieht sich immer mehr nach der Axe des
Hohres zusammen.
I. YerBuche mit der AlumiDiumkathode in H^.
In den folgenden Tabellen bedeutet L den in mm Hg
gemessenen Druck und C die pro Secunde abgeflossene Elek-
tricitätsmenge in Coulomb gemessen.
1
2
1
8 !
1
4
D 1 C
t
D
C
D C
D
C
0.39 0
0,39
0
0,392 0 0,39
0
0,249 1 9,5 . 10-7
0,249
9,5 .10-7
0,250 9,5 .10-7
0,249
1.8 .10-«
0,131 1,71.10-5
0,131
1,71 . lO-ö
0,132 1,71.10-5
0,131
1,71 . 10-6
—
"~~ 1
0,044
5,5 .10-5
— —
: 0,044
5,5 .10-6
—
1 0,0148
7,6 . 10-5
— —
0,0148
7,3 .10-6
— —
0,00498
9,1 .10-5
t
0,00498
9,1 .10-5
—
—
0,00168
9,5 .10-5,
1
1 1
; 0,00168
9,5 .10-5
Hieraus ergeben sich die folgenden zusammengehörigen
Mittel werthe :
0,0148 1 ,
7,5 . 10-5 I «*^-
D 0,39 0,249 0,131 0,044
C 0 1,04.10-6 1,71.10-5 5,5.10-6
Diese Werthe wurden graphisch in der Tafel I, Fig. 1
aufgetragen, indem auf der Abscissenaxe die einzelnen
Evacuationen , denen die Drucke zugeschrieben sind durch
äquidistante Strecken dargestellt wurden. Als Ordinaten
wurden dann die zugehörigen, pro Secunde fortgeleiteten
Coulomb eingetragen. Es lässt sich nun mit grosser Sicher-
heit eine wahrscheinliche Curve durch die Endpunkte der
Ordinaten legen, mittels derer das Eintreten der Canalstrahlen
Mechanik der CanaU und Kathodenstrahlen,
177
bei einem Drucke von 0,26 mm Hg extrapolirt werden konnte
(wobei natürlich dem Umstände Rechnung getragen wurde,
^ dass in der Figur äquidistante Abscissenpunkte einer Druck-
abnahme nach einer geometrischen Reihe entsprechen). Also
ist bei der hier verwendeten Elektrode bei einer H,-Ftillung
das Auftreten der Canalstrahlen bei einem Drucke von 0,26 mm
Hg = 345 Dynen pro cm^ zu suchen. Natürlich ist dieser
Werth auf einen Abstand der Auffangelektrode Kn von der
Kathode, der 4 cm beträgt, bezogen; es würden sich ohne
Zweifel für einen anderen Abstand andere Werthe ergeben
haben, da ja nach der Angabe des Hm. Goldstein die
Canalstrahlen sich erst mit wachsender Gasverdünnung stetig
verlängern, also nicht schon bei ihrem ersten Eintreten bis
an die Auffangelektrode Kn gelangt sein können.
Bei einem Drucke von 0,26 mm Hg ergiebt sich für H,
die moleculare Weglänge 0,542 mm und der Querschnitt
sämmtlicher Molecüle im cm^: 3,25 cm^. Es haben also im
vorliegenden Falle die Canalstrahlen auf ihrem 4 cm langen
Wege pro cm* Erzeugungsfläche einen Gesammtquerschnitt
der H,-Molecüle von 13 cm' passiren müssen. In derselben
Weise sind die entsprechenden Grössen bei den späteren Ver-
suchen berechnet und in der Tabelle p. 178 zusammengestellt.
II. Versuche mit der Aluminiumkathode in N«.
D
0,39
0,131
0,0U
0,0148
C
D
3
0 0,39
2,1 . 10-6 i| 0,131
8,0.10-6 I 0.044
7,6.10-5 ij 0,0148
— ]| 0,00497
— !i 0,00168
0
2,29. 10-6
3,1 . lO-o
7,5 . lO-ö
8,9 . lO-ö
9,5 . 10-'>
D
0,39
0,131
0,044
C
2,1 . 10-6
3,05.10-5
Aus dieser Tabelle ergeben sich die folgenden Mi ttelwerthe:
D
C
0,39 0,131
0.044
0,0148
0,00497
etc.
0 2,16.10-6 3,05.10-6 7,55.10-6 8,9.10-6
Diese Werthe wurden in der Tafel I, Fig. 2 aufgetragen^
aus der sich durch Extrapolation für das Eintreten der Canal-
strahlen der Werth 0,140 mm Hg ergiebt.
V Ann. d. Phyi. o. Chem. N. F. 09. 12
178
P. Ewers.
III. Versuche mit der Aluminiumkai hode in C0|.
1
2
8
D
C
D
C
D
0,132
0
1 0,131
; 0
0,131
0,0845
4,7 .10-6
0,084
1 '
3,8.10-6
0,084
4,2
0,044
2,09.10-5
0,044
1 1,9.10-5
1 0,044
2,09
0,0149
5,5 .10-5
0,0149
5,7.10-5
0,0148
6,1
0,005
7,6 .10-5
1 0,00499
1 8,3 . 10-5
0,00497
' 8,7
0,00169
9,1 . 10-5
0,00169
9,1.10-5
' 0,00168
9,6
0,00057
9,5 . 10-5
0,00057
9,5.10-5
0,00057
I 9.8
Zieht man das Mittel aus diesen Beobachtungen,
hält man die folgenden sich entsprechenden Werthe:
/; 0,131 0,0842 0,044 0,0149 0,00491
C 0 4,2.10-6 2,03.10-5 5,8.10-5 8,2.10
Diese Werthe wurden auf der Tafel I, Fig. 3 gra
aufgetragen.
Extrapolirt man den Werth, wo die entstandene
die Abscissenaxe schneidet, so kommt man in diesem
auf den Werth 0,095, d. h. bei einem Drucke von 0,0{
Hg erreichen die Canalstrahlen gerade die Auffangelc
Kn, falls das Rohr mit COj gefüllt ist.
Die auf diese Weise gewonnenen Resultate sind
gender Tabelle zusammengestellt. In derselben bede
den Druck, bei dem die Canalstrahlen einsetzen, in m
/r die moleculare Weglänge in mm beim Drucke P,
den Querschnitt sämmtlicher Molecüle im cm^ in cm
Drucke P,
Die Kathode bestand aus Aluminium.
Gasfüllung
H,
N«
CO,
P
0,26
0,14
0,095
W
0,542
0,535
0,544
Q
3,25
3,30
3,25
Man ersieht sofort^ dass das Eintreten der Canalstrafi
der mulecidaren H^eglänge des Gases, mit dem das Rohr
Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen.
179
^
t
wurde, also auch vom Querschnitt sämmtlicher Molecüle im an^
abhängig ist, und zwar erkennt man, dass hei Gasen die Canal-
strahlen auftreten bei um so höheren Drucken, je grösser die freie
Weglänge ist, sodass also überhaupt Canalstrahlen von bestimmter
lange erst dann erzeugt werden, wenn die mittlere freie V eg^
länge der verschiedenen Gasfüllungen beim Evacuiren dieselbe
geworden ist.
Als Mittelwerth für die moleculare Weglänge ergeben sich
0,540 mm und der Querschnitt sämmtlicher Molecüle im cm^
ist im Mittel 3,27 cm^.
Eine weitere Aufgabe bestand nun darin, zu untersuchen,
ob das Kathodenmaterial einen Einäuss auf das Eintreten der
Canalstrahlen ausübt. Zu diesem Zwecke verwendete ich die
Kathode in der Form, dass auf dem Aluminiumträger statt
des Äluminiumnetzes das p. 174 erwähnte Drahtnetz aus Eisen
befestigt wurde. Ich hielt mich hierzu aus dem Grunde be-
rechtigt, weil die Canalstrahlen ja nur von den Oeffnungen
der Kathode ausgehen, also jedenfalls unbeeinflusst bleiben von
den entfernt sich befindenden undurchbrochenen Kathoden-
theilen aus Aluminium (vgl. oben p. 173).
I. Versuche mit der Eisenkatbode in H«.
1
2
8
Z) , c
D C
D
C
0393
0,251 !
0,132
0,0443
0,0149
0,00502
0
1,0.10-6
9,0.10-6
5,3.10-6
8,4.10-5
9,5.10-6
1 0,393 1 0
0,251 ' 1,1.10-6
j 0,132 j 1,0.10-5
1
1
1
1
0,393
' 0,251
1 0,132
1
0
9,0.10-7
1,0.10-5
Fasst man diese drei Beobachtungsreihen wieder zu einer
zusammen, so ergiebt sich:
D
C
0,393 0,251 0,132 0,0443 0,0149
0 1,0.10-6 9,7.10-6 5,3.10-5 8,4.10-5
0,00502
9,5.10-5.
Die Tafel I, Fig. 4 stellt diese Werthe graphisch aufgetragen
dar. Durch Extrapolation ergiebt sich als Druck, bei dem die
Canalstrahlen einsetzen, wieder etwa der Werth 0,261 mm,
.also derselbe Druck, wie bei der Aluminiumkathode.
% ' 12*
180
P. Ewers.
II. Versuche mit der Eisenkathode in N,.
D
D
D
0,396
0,133
0,0447
0,015'
0,00503
0,00169
0
2,0.10-6
1,7.10-5
4,0.10-5
6,5.10-5
8,8.10-5
0,896
0,133
! 0,0447
0,015
0,00503
0,00169
0
2,0.10-6
2,7.10-5
6,6.10-5
8,5.10-5
9,5.10-5
0,396
0,133
0,0447
0,015
0,00503
0,00169
0
1,5.10-6
1,7.10-5
5,0.10-5
7,6.10-5
9,8.10-5
Hieraus ergeben sich die folgenden Mittel werthe:
D 0,396 0,138 0,0447 0,015 0,00503 0,00169
C 0 1,8.10-6 2,0.10-5 5,2.10-6 7,5.10-5 9,35.10-5,
die in der Tafel I, Fig. 5 aufgetragen wurden.
Durch Extrapolation ergiebt sich der Werth 0,140; es
treten also in N, bei einer Eisenkathode die Canalstrahlen bei
demselben Drucke ein, wie bei einer Aluminiumkathode.
III. Versuche mit der Eisenkathode in CO}.
Es ergaben sich die folgenden zusammengehörigen Werthe:
D 0,132 0,0845 0,0443 0,0149 0,005 0,00169
C 0 2,0.10-6 1,0.10-5 4,4.10-5 8,0.10-5 9,3.10-5,
die in der Tafel I, Fig. 6 aufgetragen sind.
Als Druck, bei dem die Canalstrahlen in diesem Falle
eintreten, wurde 0,093 mm Hg extrapolirt, ein Werth, der mit
dem bei einer Aluminiumkathode gefundenen Drucke in gutem
Einklang steht.
Aus diesen Versuchen folgt also, dass das Auftreten und
die Enticickelung von Canalstrahlen^ was ihre Abhängigkeit wm
Druck betrifft^ nicht von dem Kathodenmateriale abhängt^ sondern
von den molecularen Eigenschaften der Gasfüllung bedingt ist
Das schliesst natürlich nicht aus, dass es Metallionen sind,
die fortgeschleudert werden, im ersten Falle also Aluminium-,
im zweiten Eisenionen ; denn die gewonnenen Zahlen (0,095 mmHg
für CO2 , 0,14 mm Hg für N,, 0,26 mm Hg für H,) geben die
Druckwerthe an, bei denen die schleudernden Kräfte bei den
hier verwendeten Spannungsdifferenzen im Stande sind, die
Ionen des Elektrodenmateriales von der Netzkathode bis zur
Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen. 181
Aoffangelektrode ; d. h. um dieselbe Strecke von 4 cm, durch
das Gas hindurchzuschleudern.
Da die Atomgewichte von Fe = 56 und AI = 27 nicht
allzusehr voneinander verschieden sind, so war es von Wich-
tigkeit, noch ein Elektrodenmaterial mit wesentlich höherem
Atomgewicht hinzuzuziehen. Ich benutzte dazu Pt = 194.
Ein Drahtnetz aus Platin von den p. 13 angegebenen
Dimensionen wurde in gleicher Weise wie die Drahtnetze aus
Aluminium und Eisen auf der Aluminiumkathode befestigt.
I. Versuche mit der Platinkathode in H,.
D
0,896
0,254
0,183
0,0446
0,0150
C
0
4.10-6
7,4 10-5
1,8.10-4
2,0.10-4.
Extrapolirt man in der Taf. I, Fig. 7 den Punkt, in dem
die Curve die Abscissenaxe schneidet, so kommt man auf den
Werth 0,262, es treten also auch bei einer Platinkathode in
H, die Canalstrahlen bei einem Drucke von 0,262 mm Hg auf.
II. Vcrsucke mit der Platinkathode in N,.
D 0,384 0,137 0,129 0,0432 0,0145
C 0 4.10-6 9,0.10-6 1,08.10-* 1,96.10-4.
Durch Extrapolation findet man aus den in der Taf. I, Fig. 8
aufgetragenen Werthen als Druck für das Eintreten der Canal-
strahlen 0,142 mm Hg.
III. Versuche mit der Platinkathode in CO).
D 0,129 0,0779 0,0432 0,0145 0,00485
C 0 1.10-6 4,1.10-0 1,3.10-* 2,2.10-*.
Taf. I, Fig. 9 giebt diese Werthe graphisch wieder, und es
extrapolirt sich für das Eintreten der Canalstrahlen der Druck
von 0,095 mm Hg.
Stellen wir die gewonnenen Resultate noch einmal für die
verschiedenen Metalle zusammen, so ergiebt sich die folgende
Tabelle. In derselben bedeutet K das verwendete Kathoden-
material, G die Gasfüllung und p den Druck in Dynen pro cm*,
l>ei dem die Canalstrahlen einsetzen.
182 F. Eicers.
K AI Fo Pt
Q H^ % COj l57 Na CO2 H^ % CO,
P 0,26 0,U 0,095 0,261 0,14 0,093 0,262 0,142 0,095
Mittelwert he
P 0,261 0,141 0,094
p 347 187 125
W 0,5 JO 0,533 0,549
Q 3,26 3,23 3,22
Hieraus ergeben sich schliesslich die folgenden Mittel-
werthe :
\V 0 541 ) ^^ ^^ Eintreten der Canalstrahlen,
' unabhängig vom Kathodenmateriale
för beliebige Gase.
<? 3,24
Hieraus folgt:
Das Avftreffen der Canalstrahlen auf die Auffangelektrode
Kn bei abnehmenden Drucken ist unabhängig von dem Materiak,
aus dem die Kathode besteht. Bei den Dimensionen des ver-
wendeten Rohres und einem Abstände der Auffangelektrode
Kn von der Kathode von 4 cm erreichen die Canalstrahlen
dieselbe bei einem Drucke von
0^261 n,m Hg | ^^ 0 141 mm Hg | ^
347 Dynen pro cm* J ^187 Dynen pro cm* J
0 094 mm Hg j f,, cü«.
125 Dynen pro cm* J
Es sind dann nämlich die molecularen Weglängen der
betreflfenden Gase einander gleich geworden und betragen iö
Mittel 0,541 mm.
Interessant war auch noch ein Gasgemisch zu prüfen; als
solches wurde Luft verwendet. Dieselbe gab sehr genau die-
selben Resultate wie Ng, was insofern zu erwarten war, als
ja die bisherigen Beobachtungen zeigen, dass die Eutwickelung
der Canalstrahlen mit der molecularen Weglänge, bez. mit der
Querschnittsumme der Gasmolekeln zusammenhängt. Diese
Grösse ist ja in der That bei Luft fast die gleiche wie bei N,.
Führt man noch mit Rücksicht auf die Beobachtungen
den Querschnitt sämmtlicher Molekeln in 4 cm^ ein, so mussten
die Canalstrahlen, bevor sie zur Auffangelektrode Kn gelangen
Mechanik der CanaU und Kathodenstrahlen. 183
;onnten, von 1 cm* Kathodenfläche ausgehend so viele Gas-
Qolekeln passiren, dass dieselben, wenn man sie in eine
ibene ausbreiten könnte, eine Fläche von 12,96 cm* be-
lecken würden.
b) EnergiemessuDgen.
Wir gehen jetzt zu den Messungen der durch das Auf-
reffen der Canalstrahlen erzeugten Wärme ^) über, welche uns
a nach den Ausführungen auf p. 170 die Geschwindigkeit der
)rtge8chleuderten Theilchen berechnen lassen, wenn wir vor-
Qssetzen, dass es Ionen des Elektrodenmateriales mit ihren
alenzladungen sind, welche fortgeschleudert werden. Gleich-
Jitig wurden die Spannungen gemessen, weil ja die Ab-
nkungsversuche der Herren Kaufmann, W. Wien u. a. ge-
ligt haben, dass die Geschwindigkeit von dem Potentialgefälle
1 der Kathode in erster Linie bestimmt ist.
Die Spannung wurde an der Anode des Canalstrahlen-
hres gemessen, und die Kathode war auch hier stets zur
rde abgeleitet. Zunächst wurden mehrere Wärmemessungen
It der Aluminiumkathode vorgenommen, und zwar wurde
imer die Energiemenge bestimmt, die während 5 Min. von
n Canalstrahlen an den 4 cm von der Kathode entfernt sich
findenden Boden des Glasrohres (Fig. 1) abgegeben, d. h. hier
Wärme umgesetzt wurde.
In den folgenden Tabellen bedeutet Sp die Spannung an
r Anode in Volt, E die dem Rohre pro Secunde zugeführte
lergie und A die pro Secunde an das Calorimeter abgegebene
ärmemenge, die beiden letzteren Werthe in absolutem Maass
n*gsec~2] gemessen.
In der letzten Zeile ist sodann in Procenten der ge-
mmten zugeführten Energie die durch die Kanalstrahlen über-
führte Energie angegeben.
Versuche mit der Aluminiumkathode.
12 3 4 5
Sp
E.IO'
iä.lO«
3580
1,11
1,205
3450
1,07
1,19
3330
1,04
1,175
4600 4100
1,43 1,27
1,6 1,44
F
10,9%
0,0078
11,1 7o
11,3%
0,0024
11,2 •/, 11,3 »/o
1) Vgl. auch Arnold, Wied. Ann. 61. p. 325 ff. 1897.
184 F. Moers.
Es folgt somit, dass als Mittel aus diesen 6 Versuchen.
von der dem Kohre zugeführten Energie mindestens 11,15^/^^
für die Ausbildung der Eanalstrahlen verwendet werden, die
diese sodann beim Auftreffen auf die Glaswand als Wärme
wieder abgehen.
Während der ersten drei Messungen, die in N^ aus-
geführt wurden, repräsentirten die Canalstrahlen einen Strom,
von der Stärke 8,7. 10- ß Amp. (vgl. Taf. I, Fig. 2).
Für die beiden letzten Beobachtungen ergiebt sich aus
Taf. I , Fig. 2 als zugehörige Stromstärke der Canalstrafalen.
9,37.10-0 Amp.
Bemerkens werth ist, dass, wiewohl nicht ausgepumpt wurde ^
doch durch den Gebrauch des Rohres einerseits die Spannung ^
andererseits aber auch sowohl die im Ganzen consumirte Watt —
zahl, als auch die durch die Canalstrahlen überführte Energie
bei den aufeinander folgenden Versuchen immer um einen ge —
ringen Betrag abnahm.
Sieht man nun die Canalstrahlen als geschleuderte, positiv
geladene Ionen des Aluminiums an, so kann man mit deno.
nunmehr zu Gebote stehenden Beobachtungsmateriale die Ge-
schwindigkeit der Aluminiumatome berechnen.
AI besitzt das Atomgewicht = 27. Nimmt man das Ala-
miniumatom als dreiwerthig an, so bekommt man als Werth für
e/m: 1070 [cmVtgVi/g] pro Gramm. Nach Formel (5) ergiebt
sich für Vj d. i. die Geschwindigkeit der fortgeschleuderten
A luminiumatome :
(6) --j/f^
Es ergeben sich somit die folgenden fünf mittleren Ge-
schwindigkeiten:
v^ = e^.l,73.107 [cmsec-i] bei 3580 Volt Spannung.
^2 = £^.1,72.10^ [cmsec-^] bei 3450 Volt Spannung,
üg = a. 1,71 . 10^ [cmsec-^] bei 3330 Volt Spannung,
ü^ = e^. 1,91 . 10^ [cmsec-^] bei 4600 Volt Spannung,
Vg = a. 1,81 . 10^ [cmsec-^] bei 4100 Volt Spannung.
Die Geschwindigkeit, mit der die Atome durch die Kathode
hindurchgeschleudert werden, nimmt also mit der Spannung
zu. Es würde sich etwa bei einer Spannung der Anode von
e
m
Mechanik der Canal-' und Kat/iodenstrahlen. 185
5000 Volt, die vom Drucke abhängig ist, im Mittel eine Ge-
schwindigkeit der Aluminiumatome von er. 2. 10^ [cmsec^^]
ergeben.
Bei den folgenden Versuchen mit der Eisen- und der
Platinkathode wurde das Canalstrahlenrohr so benutzt, wie es
bei den Messungen der Elektricitätsmengen gebraucht wurde;
es wurde also das die Auffangelektrode Kn enthaltende Rohr
(Fig. 2) angekittet gelassen und bei der Wärmemessung ent-
sprechend berücksichtigt Infolge dessen musste auch das p. 174
genannte zweite Galorimeter mit einem Wasserwerthe 18,147
verwendet werden.
In den folgenden Tabellen bedeutet S die direct am Rohre
bei den betreffenden Spannungen gemessene Stromstärke der
Canalstrahlen in Ampere.
Versuche mit der Eisenkathode.
(1-4)
5
Sp
5200
5800
E.W
1,61
1,82
A.IO^
1,66
3,27
S
8,0.10-5
1,55.10-*
10,3^0
18 %
Da das Atomgewicht des Eisens = 56 ist, so erhält man
^nter der Annahme zweiwerthiger Eisenionen für
* :345
m
g
I
^s ergeben sich somit für v nach Formel (6) die folgenden
>»^erthe:
t?j = a.1,2 .10^ [cm sec-^] bei 5200 Volt Spannung,
t?, = a. 1,21 . 10^[cm sec-^] bei 5880 Volt Spannung.
Der Grössenordnung nach stimmen diese Werthe genau
mit den von Hm. W. Wien gefundenen überein; Ueberein-
stimmung auch der Ziffern ist von vornherein überhaupt
nicht zu erwarten, weil ja gewiss nur ein Theil der in den
Canalstrahlen enthaltenen kinetischen Energie als Wärme auf
der Auffangfläche und im Galorimeter wieder erhalten wird.
J86 P. Ewers.
Wir finden, dass etwa nur ^/^ der Energie bei unseren Rohr-
dimensionen und der Dicke des verwendeten Glases erhaltei^
wird. Wir wollen diesen Reductionsfactor («* = 9) benutzen ^
um die aus unseren Messungen resultirenden Geschwindigkeiterx
auf ihre wahren Werthe zu reduciren.
Versuche
mit
der Platinkathode.
1
2
Sp
5070
5350
E,W
1,57
1,66
A.XO^
1,91
1,98
S 1,97.10-4
12,2% 11,9%
Das Atomgewicht des Platins beträgt 194; nimmt ma^i
— :199
m
cm Vi g */V
das Atom als vierwerthig an, so ergiebt sich als Werth
g J '^^^ ^
Es folgen somit für v die folgenden Werthe:
v^ = c^.6,2. 10«[cmsec-i] bei 5070 Volt Spannung.
i?2 = c^.6,3. 10^[cm8ec-i] bei 5350 Volt Spannung.
Es haben sich somit für die drei Metalle Aluminium, Eisen und
Platin die folgenden Geschwindigkeiten ergeben ^ falls ihre Ionen
als Canalstrahlen bei sehr geringen Drucken die Kathode zu durch-
fliegen gezwungen werden:
AI Fe Pt
Direct bestimmte 6e- \ ^ «,, .^, . « .^7 «« ..v*r n
V. • j- u * ,xM'^^ I *uNf a. 1,97.10^ 0.1,2.10^ a.6,3.10«[cm sec-l]
schwmdigkeit (Mittelwerth) J ^ •■
W^aÄre Geschwindigkeit 5,9 .10^ 3,6.10^ l,9.10^[cm sec-i]
Während bisher durch die von Hrn. W. Wien ange-
stellten Versuche allein für Eisenelektroden die Geschwindig-
keit der Canalstrahlen bekannt war, so ist hiermit auch die
Geschwindigkeit für Aluminium und für Platin gefunden worden.
Wie man sieht, liegen alle drei Werthe in derselben Grössen-
ordnung. Die Zahlen werthe verhalten sich etwa wie 3:2:1.
Im Folgenden soll die von den als Canalstrahlen pro cm^
wirksamer Kathodenfläche fortgeschleuderten Atomen ausgeübte
{
Mechanik der CanaU und Kathodenstrahlen. 187
Beicegujiffsffrö'sse mit der BcwegungsgrÖsse in Beziehung gebracht
Verden, weiche die als Gasfullung das Entladungsgefäss erfüllen'
den Molecüle auf 1 cm^ Fläche ausüben. Da diese Grösse mit
der bei einer einzigen Entladung fortgeschleuderten Anzahl von
Atomen zusammen hängen wird, so habe ich, nur um ein
üesultat in der Grössenordnung zu erhalten, als Entladungs-
zahl pro Secunde den Werth 60000 (vgl. p. 171) beibehalten, der
zwar in der Grössenordnung von dem wahren Werthe nicht
sebr verschieden sein wird, aber ohne Zweifel zu klein ange-
nommen ist.
Da es nur auf die Grössenordnung ankommt, so benutzen
^ir die Formel (4 a), welche unseren directen Beobachtungen
tspricht.
Aus der Formel (3) n = q/e erhält man die Anzahl der
•0 Entladung fortgeschleuderten Atome, aus n,m die pro
*^iitladung fortgeschleuderte Masse in Gramm.
Es ist
n n,m
AI Fe Pt AI Fe Pt
fJ,5.1ü« 1,62.10*<> 1,03.10»<> 1,46.10-13 7,51.10-13 1,66.10-12
Man sieht, dass die pro Entladung fortgeschleuderte
Menge ausserordentlich gering ist. Haben wir auch in der
Secunde 60000 Einzelentladungen, so werden in dieser Zeit
doch nur z, B. 8,75.10~'^g AI geschleudert; von diesen
8,75. 10- 9g fliegt aber der grösste Theil infolge elastischen
Stosses wieder in den Gasraum zurück. IfHl man angenähert
die Zeit bestimmen, die man brauchte, um nur t mg des Metades
auf der der Kathode gegenüberliegenden Wand niedergeschlagen
zu erhalten, so muss man den Factor u = 3 berücksichtigen; man
kommt dann auf eine Entladungszeit von etwa 288 Stunden bei
ununterbrochener Fersuchsdauer. Berücksichtigt man diese Zahlen-
ergebnisse, so fällt, wie man sieht, der oben auf p. 6 ange-
deutete Einwand, der gegen die Canalstrahlen als ein Bombardement
von Theilchen zu sprechen schien,
Haben wir die geschleuderten Mengen, so können wir die
Bewegungsgrössen berechnen, da uns die Geschwindigkeiten
aus unseren Messungen ja direct bekannt sind.
188 P. Ewers.
Bei den Versuchen, aus denen die obigen Zahlen werthe
sich ergeben haben, gingen die Canalstrahlen von etwa 0,4 cm'
Eathodenfläche aus, d. h. es ist hier als Kathodenfläche der
Flächenraum gerechnet, der übrig bleibt, wenn man von der
Erzeugungsfläche der Canalstrahlen den Flächenraum abzieht,,
den das Drahtgewebe, welches ja die Kathode bildet, für sicli^
einnimmt, und von dem aus ja nach der Rückseite kein^!^
Canalstrahlen entsandt werden. Es wurde demnach von de
Ionen der verschiedenen Metalle pro 1 cm ^ pro Entladun
auf die darüber befindliche Gasmasse folgende Bewegungs —
grosse ausgeübt, wenn wir noch n.m = M setzen :
Für AI: ^.r = 1,46. 10-18.1,91. 10^2,5 = 6,95. 10-^ [cm gs-i
Für Fe: JI/.r = 7,51. 10-13.1^2 . 10^2,5 = 2,26.10-6 [cm gs-i
FürPt: 3/.r = 1,66. 10-12. 6,3. 10«.2,5 = 2,62.10-ö[cmg8-i
Würde man nicht von unserer Formel (4 a) ausgegange
sein, sondern von der Formel (4b). welche den Factor a eni
hält, der sich aus dem Vergleich mit den Wien' sehen Ef-
gebnissen zu rund = 3 ergab, so würde an der Grössenord-
nung der Bewegungsgrösse nichts geändert, zumal ja die obeu
gefundenen Werthe für M schon in Folge der sicherlich viel
grösseren Entladungszahl zu gross erhalten sind.
Da die Canalstrahlen, bevor sie zur Auffangelektrode Kn
gelangen konnten, einen Weg von 4 cm zurücklegen mussten,
sie also pro cm* Erzeugungsfläche einen Raum von 1cm*
Grundfläche und 4cm Höhe, das sind 4cm^, passirt haben
mussten, so wollen wir mit der von ihnen pro Entladung aus-
geübten Bewegungsgrösse, die gleichsam den Druck darstellt,
den die geschleuderten Theilchen auf das sich ihnen wider-
setzende Gas ausüben, den sie gerade überwinden müssen,
diejenige Bewegungsgrösse vergleichen, welche die in 4 cm*
des betreffenden Gases, in dem die Entladungen vor sich
gehen, enthaltenen Molecüle in der Richtung senkrecht zur
Kathode, in der die geschleuderten Theilchen geflogen kommen,
ausüben. Ich zerlege zu dem Zwecke die Molecüle in dreiTheile,
die wegen der gleichmässigen Vertheilung der Gasmolecüle
und wegen der Ausübung eines von der Richtung unabhängigen
I
Mechanik der CanaU und Kathodenstrahlen. 189
Druckes einander gleich sein müssen, und fasse als einen Theil
die senkrecht zur Kathode sich bewegenden Molecüle näher
ins Auge.
Man bekommt für H^:
1 cm» bei 760 mm Hg und 0^ enthält 5,4 . 10 ^^ Molecüle.
Demnach haben wir bei dem Drucke, bei dem unsere Canal-
stirahlen in dem hier betrachteten Gase auftreten und an der
A^xiffangelektrode Kn bemerkbar werden:
4 cm» bei 0,261mm Hg und 20^ enthalten 6,92. lO^» Mol.
^ Atom H wiegt 8,3 . lO--^ g, also wiegen 6,92 . 10" Moleküle
a^ M5. 10-10 g.
Die mittlere Geschwindigkeit der H^-Molecüle beträgt
^ >698.10*[cmsec"i], also ist n.m.r = 1,95. 10"^[cmgsec-i],
^Cimit die Bewegungsgrösse pro cm^:
— . 71 . TU . ü = 6,52 . 10-ß [cm g sec"-^].
Für CO, ergiebt sich:
-lern» bei 0,094 mm Hg und 20^ enthalten 2,82. 10 ^^ Molecüle.
1 Molecül CO, wiegt 44. 8,3. 10-26 g = 3,65 . 10-28 g. Es
wiegen somit 2,82 . 10 1» Molecüle CO, 1,03 . 10-^ g. Die mittlere
Geschwindigkeit der CO^-Molecüle beträgt 3,61 . 10*[cmsec-i],
es ergiebt sich somit als Bewegungsgrösse pro cm^:
— n.m .V = 1,08 . 10"^ [cmgsec-^].
Für Nj ergiebt sich schliesslich:
4cm3 bei 0,141 mm Hg und 20^ enthalten 3,73 . 10 ^^ Molecüle.
1 Molecül Ng wiegt 28.8,3. 10-2ög = 2,32. 10-28 g. Es
wiegen also 3,73. 10 1» Molecüle 8,64.10-iög. Die mittlere
Geschwindigkeit der Ng-Molecüle beträgt 4,53 . 10*[cmsec-i],
es ist also die Bewegungsgrösse pro cm*:
— n,m,v= 1,30 . 10"^ [cm g sec-^].
>
190 P. Ewers.
Stellt man diese Werthe zusammen und vergleicht sie
mit den Zahlen p. 188
für H2:-^3/.i? = 6,52.10-6[cmgsec-5].
fürCOgi g ilf.r= 1,08. 10-5 [cm gsec-i].
für Ngi If.v = 1,30. 10-^ [cmgsec-^],
80 kommt man zu folgendem Satze:
Die BeweffungsgrÖsse, welche die in 4 cm^ vorhandenen Mole-
cüle, die als Gasfüllung das Entladungsrohr erfüllen, nach einer
Richtung ausüben, muss von derselben Grössenordnung geworden
seiuj wie die schliesslich bei den Messungen sich ergebende Be-
wegungsgrÖsse des zerstäubten Kathodenme tolles. In dem Augen'
blicke nämlich, wo mit der Evacuation soiceit fortgeschritten ist,
dass die BewegungsgrÖsse des fortgeschleuderten Metalles gleich
oder grösser getcorden ist als die BewegungsgrÖsse der den Gas-
rnum erfüllenden Molecüle, beginnen die Canalstrahlen eine be-
stimmte Entfernung zu erreichen. Natürlich kommt die in den
Canalstrahlen aufgespeicherte Energie anfänglich nicht voll-
kommen zur Geltung, da viele Ionen von den Gasmolecülen
zurückgehalten werden. Erst wenn die mittlere freie Weg-
länge sehr gross geworden ist, der moleculare Querschnitt
also sehr gering, ist auch die BewegungsgrÖsse des Gases
verschwindend klein geworden gegen die BewegungsgrÖsse
der Ionen, sodass man dann keine nennenswerthe Be-
einflussung der Ionen durch die Molecüle mehr anzunehmen
braucht
Noch eine weitere sehr interessante Erscheinung hatte
ich bei meinen Versuchen zu beobachten Gelegenheit. Hr.
H. Ebert^) hatte bei Wechselstromentladungen die Erscheinung
untersucht, dass bei einem für jedes Gas bestimmten Drucke
eine Umkehr in der Spannung und der Stromstärke derart
stattfindet, dass die Stromstärke dort einen maximalen Werth
hat, wo die Spannung ein Minimum hat, und zwar treten diese
Urakehrerscheinungen für beliebige Gase dann ein, wenn die
molecularen Weglängen derselben einen bestimmten Werth er-
1) H. Ebert, SiüsuDgsber. d. k. baycr. Akad. d. Wissensch. 28.
p. 497 ff. 1898.
Mechanik der Canal' und Kathodenstrahlen, 191
laDgt haben. Dieses ist in der oben citirten Arbeit ungefähr
der Augenblick, wo die vorderen Bänder der Glimmlicht-
' strahlen sich in der Mitte des Entladungsrohres begegnen.
Ich habe bei meinen Versuchen Entladungen nur in einer
Richtung durch das Canalstrahlenrohr gesandt, musste also
schon aus dem Grunde zu anderen Zahlenwerthen gelangen.
Die Spannungsumkehr wird durch die folgenden Zahlen er-
läutert, bei welchen noch die durch Canalstrahlen in der Zeit-
einheit an die Auffangelektrode übertragene Coulombzahl = C
gesetzt ist:
Kathode aus Fe in H,.
1,17 0,393 0,251 0,132 0,0443
552 496 543 1020 3380
— — 1,0.10-6 9,0.10-6 5,3.10-5.
Kathode aus Fe in CO,.
1,17 0,398 0,132 0,0845 0,0443
750 595 665 865 1400
— — — 2,0.10-6 1,0.10-5.
Kathode aus Pt in CO,.
1,14 0,884 0,129 0,0779 0,0432
701 552 643 1050 1620
— — — 1.10-6 4,1.10-5.
Kathode aus Pt in N,.
0,384 0,129 0,0482 0,0145
585 886 3300 5600
— 9,0.10-6 1,08.10-4 1,96.10-4
Wie man sieht, fällt der ümkehrdruck nahezu auf den Druck,
wo die ersten Spuren von positiv geladenen Ionen, die bei fort-
schreitender Druckerniedrigung dann die regelmässigen Canal-
strahlen bilden, durch die Kathode hindurchfliegen.
In jedem der angeführten Fälle liegt das Minimumpotential,
also der Ümkehrdruck, etwa bei dem Drucke, bei dem die Canal-
strahlen in messbarer IFeise auf die Auffangselektrode Kn einzu-
wirken beginnen.
Da nun, wie Hr. H. Ebert^) gezeigt hat, der ümkehr-
druck U eines Gases direct mit dem Radius der molecularen
Wirkungssphäre q und umgekehrt mit der Werthigkeitssumme s
des Molecularcomplexes des Gases nach der Formel:
U^K.qIs
1) H. Ebert, Wied. Ann. 67. p. 008 ff. 1899.
p
3,49
Sp
968
c
—
p
3,49
Sp
1150
G
—
P
3,41
Sp
1090
c
—
p
1,14
Sp
736
G
—
192 P. Ewers.
zusammenhängt, wo K eine bestimmt dimensionirte Constante
Yorstellt, so musste sich letztere direct berechnen lassen, da
die übrigen Grössen bekannt sind. Es ist nach den Bestim-
mungen des Hm. 0. E. Meyer:
(> für COa = 0,13 jUju, p für Ng =0,17jUjU,
p für Hj = 0,10 ^ju.
Die Werthigkeitssumme ist filr COg = 8, für N^ = 6, für HT^
= 2; es ergiebt sich somit für
00^: qIs = 0,0162 juju = 1,62 . lO-^ cm ,
N, : e/« = 0,0284 jUjU = 2,84 . 10-» cm ,
Hg : p/ä = 0,050 ym, = 5,00 . 10-» cm .
Diese Werthe verhalten sich nun in der That nahezu wie dxe
Umkehrdrucke, denn es ist
, Verhfiltniss
^' der Umkehrdmcke
1,62. 10-9 cm 1,8
2,84 . 10-9 cm 2,7
5,0 .10-9 cm 5,0
Diese Werthe sind also mit Rücksicht auf die doch
immerhin sehr hypothetische Grösse des Molecüldurchmessers
als die gemachte Voraussetzung vollkommen bestätigend an-
zusehen. Man kann nun die Constante K sofort berechnen;
es ergiebt sich sodann aus den Versuchen mit
Hg: 347 = ä:. 5. 10-^; also ^= 6,94 . 10^« [cm-2 g sec-2] ;
N,: 187 = iS:. 2,84. 10-9; also JC= 6,6.10^« [cm-2gsec-2];
CO3: 125 = K. 1,62. 10-9; also ä: = 7,7 . 10^« [cm-2 g 8ec-2].
Dieses liefert im Mittel einen Werth von 7 . 10^®[cm"-2 g sec-^]
für K.
Man ist nun umgekehrt im Stande^ bei Gasen, deren Molecül^
durchmesser man kennt und deren IVerthigkeitssumme ja immer
bekannt ist, unter Benutzung dieses Jferthes für K den Umkehr^
druck in absolutem Maasse anzugeben , oder umgekehrt, wenn man
den Umkehrdruck bestimmt hat, kann man den Radius der mole^
cularen llirkungsphäre für ein Gas, dessen IFerthigkeitsumme be-
kannt ist, sofort angeben.
Gas
Umkehrdruck
in Dynen pro cm'
CO,
125
N.
187
H.
347
>
Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen, 198
Der Ursprung der Canalstrahlen ist, wie Versuche des
Hrn. A. Wehnelt^) gezeigt haben, in einer endUchen Ent-
fernuDg vor der Kathode anzunehmen, da sie einen Schatten
auf dieselbe werfen. Wahrscheinlich entstehen sie im dunklen
Kathodenraume, und zwar in der Nähe der Glimmlichtschicht,
also in der Gegend, wo die blauen Kathodenstrahlen und die
röthlich-gelben Canalstrahlen durch den Dunkelraum getrennt
erscheinen. Dass die Canalstrahlen nicht aus fortgeschleuder-
ten Anodenth&Hchevi bestehen, dafür scheint mir der umstand
2a sprechen, dass bei verschiedenem Kathodenmateriale und
tierselben Anode doch verschiedene Elektricitätsmengen mittels
^Jer Canalstrahlen fortgeführt wurden, und dass auch die Energie-
Abgabe eine verschiedene war. Ich habe auch die Wehnelt'-
*che Angabe geprüft, da die Canalstrahlen eine oxydirende
•Wirkung ausüben sollen, ob es vielleicht SauerstoflFtheilchen
^'S.ren, die die Canalstrahlen bilden. Diese Annahme würde zwar
^it meinen Messungen verträglich sein, doch müssten noch weitere
^ersuche in dieser Richtung angestellt werden, da die Vorder-
seite der Kathode an den Stellen, die in der rüchläufigen Verlängerung
der Canalstrahlen lagen, bei meinen Versuchen blank, also nicht
oxydirt war. Hiergegen wäre vor allem einzuwenden, dass der
0 bei der gewöhnlichen Elektrolyse elektronegativ ist. Da die
Metalle bei der gewöhnlichen Elektrolyse elektropositiv sind,
so wäre es wohl begreiflich, dass die positiv geladenen Canal-
strahlen-Ionen aus Metalltheilchen bestehen, und deshalb möchte
ich mich der Ansicht anschliessen , die Canalstrahlen als ge-
schleuderte Metall-Ionen des Kathodenmateriales anzusehen
und also für jedes Metall eine verschiedene Geschwindigkeit
der Ionen anzunehmen.
II. Versuche mit Kathodenstrahlen.
Um unter ziemlich identischen Bedingungen die Canal-
strahlen mit den Kathodenstrahlen vergleichen zu können,
wurde auch noch die durch die Kathodenstrahlen übertragene
Elektricitätsmenge sowie die durch dieselbe hervorgerufene
Erwärmung 2) an einem und demselben Rohre gemessen. Es
1) A. Wehnelt, Wied. Ann. 67. p. 421 ff. 1899.
2) Vgl. auch E. Wiedemann u. H. Ebert, Sitzungsber. d. phys.-
med. Societät in Erlangen. Heft 24. 1892; namentlich auch J. J. Thomson;
vgl. E. Wiedemann u. G. C. Schmidt, Wied. Ann. 66. p. 314. 1898.
Ann. d. Phxi. a. Chem. N. F. 69. 13
194 . P. Ewers.
wurde wiederum das Elektrodenmaterial ausgewechselt n
verschiedene Gasfiillungen benutzt.
Die folgenden Versuche wurden mit dem EntladuU;
gefässe, Fig. 3, unter Anwendung derselben Kathoden, wie
bei den Canalstrahlen benutzt waren, angestellt. Wurden •
Eathodenstrahlen beobachtet , so war die Anode (+), so^
das Diaphragma D zur Erde abgeleitet Um die der Eli
trode Kth zugestrahlte Elektricitätsmenge zu messen, war d
selbe mit dem Galvanometer verbunden und dann zur Ei
abgeleitet. Die Spannung wurde an der Kathode (— ) |
messen. Die Elektrode Kn blieb isolirt. Wurden die Can
strahlen beobachtet, so war die Kathode (— ) zur E^de abi
leitet. Die Spannung wurde, wie in Theil I, an der Anc
gemessen. Die Auffangelektrode Kih, sowie das Diaphragma
blieben isolirt.
A. Versuche mit der Aluminiumkathode.
a) Messung von Elektricitätsmengen.
I. In Luft.
In der folgenden Tabelle sind die bei den betreffend
Drucken durch Kathoden- und Canalstrahlen fortgeführt
Elektricitätsmengen, sowie die herrschenden Spannungen ei
getragen :
Kathodenstrahlen Canalstrahlen
P C Sp C Sp
0,06 6,8.10-6 3 800 6,2. 10- ß 2620
0,021 1,07.10-* 6 280 7,3.10-5 3300
0,0074 keine Entladungen mehr 7,6.10-6 3500
0,0026 „ „ „ 8,2.10-6 3850
0,00091 „ „ „ 9,8.10-6 4860
0,00032 „ „ „ 1,03.10-4 6100
Das Maximum der mittels der Kathodenstrahlen fortf
führten negativen Elektricität hat, abgesehen vom Vorzeichc
denselben Werth, wie das Maximum bei den Canalstrahlen, näi
lieh etwa 1,05 . 10~* Coul. pro Secunde, aber bei verschieden
Drucken, nämlich bei 0,021 mm Hg für die Kathodenstrahl
und bei 0,00032 mm Hg für die Canalstrahlen. Es wurd
noch fünf Versuche derselben Art angestellt, die dasselbe Result
lieferten.
Mechanik der Canal- und Kathodenstrahlen.
195
IT. In CO,.
Kathodenstrahlen
Canalstrahlen
p
C Sp
C Sp
0,00705
7,95. 10- ß 3440
6,7.10-6 2630
0,00248
1,03.10-4 4860
7,8.10-6 3440
0,00087
keine Entladungen mehr
p
0,0207
0,00725
0,00254
lU. In 0,.
Kathodenstrahlen
C Sp
6,05.10-6 2950
1,08.107* 4950
keine Entladungen mehr.
b) Energiemessungen.
Die folgende Tabelle enthält die Energieverhältnisse, die
sich auf die drei Gasfüllungen Luft, COj, Og bei einer Alu-
nuDiumkathode beziehen.
Luft
CO,
c.
1
2
1 2
Sp
4320
4700
4940
4660 4600
E. W
1,34
1,46
1,53
1,45 1,43
J..10«
1,69
2,33
2,46
2,41 2,41
12,6 Proc.
15,9 Proc.
16,5 Proc.
Die vorhergehenden Versuche zeigen zur Genüge, dass die
übertragene Elektricitätsmenge von der Gasfüllung gänzlich
unabhängig ist. Deshalb wurde bei den folgenden Kathoden-
niaterialien immer nur je ein Gas zum Vergleich herangezogen.
I
P
0,0204
0,00715
0,0025
0,00088
B. Versuche mit der Eisenkathode.
In Luft,
a) Messung von Elektricitfitsmengen.
Kathodenstrahlen
Canalstrahlen
C Sp
G Sp
1,0 .10-4 3440
— —
1,25.10-4 5060
9,9 .10-6 3440
keine Entladungen mehr
1,17.10-4 4030
>» » >»
1,22.10-4 4440
13*
196
P. Ewers.
b) Energiemessongen.
1 2
Sp
5470 4940
E. W
1,7 1,53
A . 10«
2,99 2,81
{
17,9 Proc.
C. Versuche mit der Platinkathode.
In Luft
a) Messung von Elektricitätsmengen.
a) für die Energiemessungen der Versuche I und II:
Kathodenstrahlen Canalstrahlen
P C Sp C Sp
0,0049 8,15 . 10-5 5520 1,38 . 10-4 > 6500
ß) für die Energiemessungen des Versuches III:
Kathodenstrahlen
P C Sp
0,0020 1,78 . 10-4 6300
b) Energiemessungen.
1
2
s
Sp
5550
5180
5900
J57.10'
1,72
1,61
1,88
Ä . 10«
2,1
2,11
4,2
12.6 Proc.
23 Proc.
Wie sich schon bei den Canalstrahlen gezeigt hatte, dass
für ein bestimmtes Metall, das als Kathodenmaterial verwendet
wird, die bei geringen Drucken sich ergebenden Werthe f&r
die übertragene Elektricitätsmenge von dem Gase, das in dem
Entladungsrohre enthalten ist, unabhängig sind, so ergiebt
sich dasselbe auch bei den Kathodenstrahlen; dagegen ist, wie
man augenscheinlich sieht, die Energiemenge eine verschiedene,
was mit Rücksicht auf die Ausführungen auf p. 190 nicht
verwunderlich sein kann, da für dieselbe ja ausser den Gre-
schwindigkeiten auch die Momente maassgebend sind.
Unter der Annahme des von Hrn. Kaufmann bestimmten
Werthesfür e/m = 1,86 . 10'' [cm ''«g V^/g] pro Gramm kann di^
Mechanik der CanaU und Kaihodenstrahlen, 197
Seschwindigkeit der fortgeschleuderten materiellen Theilchen
nach der Formel
y q m
berechnet werden. Setzt man die bei den Versuchen mit der
lUnminiumkathode in Luft gewonnenen Werthe ein, so er-
lält man
,; = ]/^'^-^f-j^' . 1,86 . 107 = 2,57 . 10» [cm sec-^].
Dieser Werth ist von derselben Grössenordnung, wie der
3n Hm. W. Wien angegebene, er stimmt mit demselben
twa Ys Lichtgeschwindigkeit) bis auf den Factor von unge-
ir 4 überein.
Meine Versuche erlaubten mir weder «, noch wi, noch
Jren Verhältniss «/wi zu messen; ich musste mich daher
imer auf die nach anderen Methoden gewonnenen Resultate
^ziehen. Nahm ich für c/m die aus der Elektrolyse be-
tnnten Werthe für eins der als Kathodenmateriale verwen-
Jten Elemente, so ergab sich eine Geschwindigkeit, die von
ir aus Ablenkungsbeobachtungen gewonnenen Geschwindig-
lit um eine etwa 1000 mal kleinere Grössenordnung diflferirte.
iter der Annahme geschleuderter H- Ionen differirte die
'össenordnung etwa um das Hundertfache.
Im letzten Falle ergab sich das merkwürdige Resultat,
SS in der von Hrn. Kaufmann angegebenen Formel die
erthe von € F^ für das betreffende Kathodenmaterial mit
1 Werthen von a^{mj2)v^ für geschleuderte H-Ionen fast
lau übereinstimmen. Ich will diese üebereinstimmung nicht
einen Beweis für die Richtigkeit, dass die Kathodenstrahlen
3 geschleuderten Wasserstoffionen bestehen, hinstellen, zumal
in sich die Entstehung der Kathodenstrahlen dann durch
le ziemlich complicirte Energieübertragung erklären müsste,
) bisher nicht bewiesen werden konnte, aber immerhin bleibt
anderen Falle die Schwierigkeit bestehen, ob wir es bei
a Kathodenstrahlen mit den hypothetischen Mikroionen zu
in haben.
198 P. Ewers.
Resultate.
A. Für Canalstrahlen.
I. Bei gleichmässig fortschreitender Evacuation und con-
stanter Elektricitätszufuhr ist der Augenblick des ersten nach-
weisbaren Auftretens der Canalstrahlen vom Kathodenmaterial€
(AI, Fe^ Pt) unabhängig; er ist dagegen von dem Druck, dec
die Gasfüllung im Entladungsrohre ausübt, in der Weise ab-
hängig, dass die molecularen Weglängen der verschiedenen Gase
(Hg, N3, COg) einen bestimmten gleichen Werth erhalten haber
müssen, der für meine Röhren 0,541 mm beträgt, bei einem Ab
stand der Auffangelektrode von der Kathode von 4 cm; derselbi
liegt bei H^ bei 0,261 mm Hg = 347 Dynen pro cm^ bö
Ng bei 0,141mm Hg = 187 Dynen pro cm^ und bei CO3 be
0,094 mm Hg = 125 Dynen pro cm*. Bei denselben Druckei
haben auch die Qaerschnitte sämmtlicher Molecüle im cm.
den gleichen Werth, nämlich 3,24 cm*.
II. Dieses ist zugleich etwa der Augenblick, wo die Span
nungsdiflferenz zwischen der Anode und Kathode, die vorden
beständig abnahm, wieder zu wachsen beginnt.
III. In dem Augenblicke, wo mit der Evacuation sowei
fortgeschritten ist, dass die Bewegungsgrösse des geschleudertei
Metalles gleich oder grösser geworden ist, als die Bewegungss
grosse der den Gasraum erfüllenden Molecüle, beginnen di«
Canalstrahlen eine bestimmte Entfernung zu erreichen.
IV. Die Canalstrahlen bestehen wahrscheinlich aus posi
tiven Ionen des Kathodenmateriales.
V. Für die Geschwindigkeit r, mit der die fortgeschleudertei
materiellen Theilchen den Gasraum durchfliegen, haben sich di<
Werthe ergeben:
AI V bei 4600 Volt Spannung 5,73. 10^[cmsec-i]
Fe V bei 5200 Volt Spannung 3,6 . 10^[cmsec-i]
Pt V b^i 5350 Volt Spannung 1,69 . 107[cmsec-i].
VI. Hingegen wird durch die Canalstrahlen der aufifangen
den Wand zu wenig Materie zugestrahlt, als dass dieselb(
nachgewiesen werden könnte, da bei den hier gegebenen Be
dingungen schon ein Absetzen von nur 1 mg AI etwa 288 Stunder
ununterbrochener Versuchsdauer erfordern würde.
Mechanik der CanaU und Kaihodenstrahlen, 199
Vn. Von der dem Entladungsrohre zugeflihrten Energie
r werden etwa 11 Proc. bis 18 Proc. von den Canalstrahlen als
Wärme wieder abgegeben.
B. Für KathodenstrahleD.
L Die übertragene Elektricitätsmenge ist bei sehr ge-
ringen Dmcken von der Gasftillung des Rohres ToUkommen
unabhängig.
II. Von der dem Entladungsrohre zugeführten Energie
wurden durch die Kathodenstrahlen etwa 16 Proc. als Wärme
wieder abgegeben.
Zum Schlüsse möchte ich mir noch erlauben , Hrn. Prof.
Dr. H. Ebert für die vielseitigen Anregungen und freund-
lichen Unterstützimgen meinen verbindlichsten Dank auszu-
sprechen.
München, Physikal. Institut d. Techn. Hochschule.
(Eingegangen 8. Jani 1899.)
\
11. JDas JEntwickelti/ngsgesetz
des Hittorf^ sehen Kathodendunkelratt/mes;
von JSr. Ehert.
Seit Hr. Hittorf im Jahre 1868 sich dem eingehenderen
Studium der Eathodenerscheinungen zuwandte und entdeckte,
dass die die negative Elektrode bekleidende, von der Säule
des Anodenlichtes durch den Faraday'schen „Trennungsraum'*
gesonderte Lichthülle wiederum durch einen dunkleren Raum,
den wir den „Hittorf'schen Kathodendunkelraum" nennen
wollen, in zwei Lichthüllen von im allgemeinen verschiedener
Farbe geschieden wird, sind zahlreiche yMafftaftü« Untersuchungen
über die hierdurch nachgewiesenen drei Schichten an der Ka-
thode angestellt worden. Man erfuhr durch dieselben, dass
der Dunkelraum zwischen der dünnen, der Elektrode unmittel-
bar anliegenden, sogenannten ersten Schicht (Goldstein) und
der anderen leuchtenden sogenannten dritten Schicht (der
Dunkelraum selbst als zweite gezählt) an Dicke zunimmt mit
abnehmendem Drucke, und dass er bei denselben Drucken in
verschiedenen Gasen verschieden stark entwickelt ist.
Sehr wenige und nur gelegentliche Untersuchungen be-
schäftigen sich indessen mit der quantitativen Seite dieser Ent-
wickelung und doch muss gerade in ihr der Weg erblickt
werden, über die Natur dieses eigenartigen Gebildes näheren
Aufschluss zu erhalten. Hr. Puluj ^) suchte nach einer Be-
ziehung der Dicke d des Dunkelraumes zu der mittleren,
freien Weglänge X des Gases, in dem die Entladung vor sich
ging; er fand aber weder bei Wasserstoff noch bei Kohlen-
säure eine einfache Beziehung zu derselben. Zu gleichem
Zwecke hatte Hr. Crookes^) einige Messungen angestellt, aber
ebenfalls ohne EJrfolg. Hr. Wehnelt^) zeigte, dass in weiteren
Röhren (bei Elektrodenscheiben, welche den Querschnitt fast
1) Puluj y Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien. Mathem.-
phys. Cl. II. (1). 81. p. 874. 1880.
2) W. Crookes, Phil. Trans. 170. I. p. 188— 189. 1879.
3) A. Wehnelt, Wied. Ann. 65. p. 529. 1898. ^
Hittorf scher Kathodendunkelraum, 201
Toilkommen ausfüllten) der dunkle Raum etwas grösser ist als
in engeren; welchen Einfluss hierbei die Sivomdichte gehabt
hat, bleibt unentschieden. Die für dasselbe Gas bei demselben
Drocke gemessenen cf-Werthe stimmen bei den drei genannten
Forschem durchaus nicht überein; offenbar hat bei allen die
•Porm des Entladungsgefässes, insbesondere die nicht um-
gangene Wirkung der Wandladungen einen sehr grossen Ein-
finss gehabt. Das gleiche gilt für die zahlreichen gelegent-
lichen Angaben über die Dicke der vorhandenen Dunkelräume,
"wie sie häufig gegeben worden sind, um den Grad des Va-
cuums angenähert zu charakterisiren. Untereinander genau
vergleichbare, systematische Messungen über die Art und Weise
wie sich in verschiedenen Gasen die Dicke d des Hittorfschen
Dimkelraumes mit abnehmendem Gasdrucke p entwickelt, liegen
meines Wissens seither noch nicht vor. Nachdem man über
iie Natur der Eathodenstrahlen und damit über einen der
öigenartigsten Vorgänge bei den Gasentladungen in der neue-
sten Zeit durch eine Reihe gut zusammenstimmender quanti-
tativer Untersuchungen Aufschluss erhalten bat, scheint aber
gerade die Deutung des Dunkelraumes, der den Entladungs-
rorgang bei den höheren Gasdrucken charakterisirt, das nächst
wichtige Problem zu sein. In ihm gerathen offenbar die Vor-
ige an der Kathode mit dem umgebenden Gase in Wechsel-
wirkung. Dasselbe reagirt mit gewissen seiner Eigenschaften
luf die an der Kathode ausgelösten Bewegungen, einfache Be-
ziehungen der Entwickelung des Dunkelraumes zum Gasdrucke
ind zu bestimmten Constanten des Gases stellen einen tieferen
Einblick in den ganzen Entladungsmechanismus selbst in Aus-
sicht. Gerade hierfür scheint das Studium der Kathoden-
Erscheinungen bei den höheren Drucken besonders geeignet zu
sein, da hier die Materie uns in Zuständen entgegentritt, die
uns auch anderweitig zugänglich und in ihren Gesetzmässig-
keiten von anderen Erscheinungsgebieten her vertraut sind.
Eine grosse Reihe von Voruntersuchungen an sehr ver-
schieden gestalteten Entladungsröhren und mit den verschie-
denen Erregungsquelleu hatten ergeben, dass es zur Auffindung
einfacher Beziehungen zur Gasnatur unerlässlich ist, sowohl
bezüglich des Entladungsraumes und der Anordnung der Elek-
troden in ihm, als auch in Bezug auf die zur Erzeugung der
202 H. Ehert
Entladung nötbigen elektrischen Erregungen die folgenden Be-
dingungen zu erfüllen: ^
1 . Der Entladungsraum. Die Ausgestaltung der Eatbfoden-
erscheinungen ist in hohem Grade abhängig von festen Körpern,
Leitern oder Nichtleitern, die sich in der Nähe befinden. Durch
die Grlimmlichtstrahlen, bei tiefen Drucken von den Eathoden-
strahlen werden auf die Wände des Entladungsgefässes sehr
starke Ladungen übertragen. Befinden sich daher die Wände in
der Nähe der metallischen Kathode, so wird die Entwickelung
des Dunkelraumes stark gestört. Man muss daher sehr weite
Entladungsgefässe anwenden und die Kathode in ihnen so
aufstellen, dass sie von den Wandladungen ganz unbeeinfiusst
bleibt; dann erst entwickelt sich das Phänomen völlig rein
und frei. Ich verwendete bei meinen Messungen eine ca. 4 Liter
fassende grosse Vacuumfiasche mit eingeschliffenem Glas-
stöpsel, der durch Quecksilber gedichtet wurde; die nur 20 mm
im Durchmesser haltende Kreisscheibenkathode befand sich
in der Mitte der Flasche, allseitig um mindestens 6^/, cm
von der Wand entfernt.
2. Die Stromform. Noch viel wichtiger zur Gewinnung
genau vergleichbarer Resultate ist eine geeignete Erregung der
Entladungen. Erhöht man die durch das Entladungsrohr hin-
durchgehende Stromstärke, so zieht sich der Dunkelraum zu-
sammen und behält dann ein bestimmtes Minimum von Aus-
dehnung bei verhältnissmässig grossen Stromdichten an der
Kathode bei. Dabei ist vorausgesetzt, dass keine Funken-
strecken in dem Schliessungskreise auftreten; denn werden
solche etwa den Entladungen der Influenzmaschine vorgelegt,
so geht die Entladung von der „normalen Form*^ (E. Wiede-
mann) mit verhältnissmässig grossem Dunkelraume zu einer
Form mit immer enger anschliessender Glimmlichtschicht über.
Bei grossen Stromstärken verdichtet sich das ganze Kathoden-
gebilde und die Dicke der zweiten Schicht erreicht ein Mi-
nimum, welches dann aber von der Stromstärke und Span-
nung innerhalb weiter Grenzen unabhängig ist. Will man
also Dunkelräume studiren, deren Entwickelung sich möglichst
unabhängig von den Entladungsbedingungcn vollzieht und folg-
lich eine einfache Beziehung zum Druck und der Gasnatur
vermuthen lässt, so muss man starke Entladungsströme ver-
Hittorf ^ scher Kathodendunkelraum. 203
wenden, Elektricitätsquellen, welche nach einmal eingetretener
Entladung noch genügende Elektricitätsmengen nachschaffen.
Solche Ströme erhitzen aber die Elektroden ziemlich stark
and flihren einen Theil des umgebenden Gases in einen anderen
Zustand über, den man heute fast allgemein als einen Zustand
mehr oder weniger fortgeschrittener Dissociation ansieht. Es
müssen also Polarisationen (Pringsheim) und dergl. eintreten,
welche durch den Stromvorgang selbst das Medium, dessen
Reaction gegen die Entladung studirt werden soll, unter den
Händen des Beobachters verändern. Es war daher abzusehen
von starken, längere». Zeit in einer Richtung circulirenden Strö-
men. Wie man sich nach dem Vorgange von Hrn. F. Kohl-
rausch bei der Bestimmung der Leitfähigkeit der Elektrolyte
frei macht von den störenden Einflüssen der Polarisation an
den Elektroden durch Verwendung von Wechselströmen, so
mussten auch die einseitigen Veränderungen an der Kathode
vermindert und die Kathodenerscheinungen reiner und klarer
erhalten werden, wenn man Ströme verwendete, bei denen die
eine Stromphase nach kurzer Pause von einer darauf folgenden,
möglichst gleichen, aber von entgegengesetztem Zeichen ab-
gelöst wurde. Ich habe schon bei früherer Gelegenheit darauf
hingewiesen, dass man in der That bei Anwendung hoch-
frequenter, hochgespannter Wechselstromentladungen überaus
glänzende und prägnante Kathodenerscheinungen erhält. Für
den vorliegenden Zweck habe ich einen mehr als halbpferdigen
Gleichstrom -Wechselstromumformer, System Hummel, ver-
wendet; durch Ein- und Ausschalten von Regulirwiderständen,
sowohl im Gleichstromkreise wie im primären Wechselstrom-
kreise, konnte hier die Stromstärke, Spannung und Entladungs-
zahl pro Secunde innerhalb der weitesten Grenzen und zwar
unabhängig voneinander nach Belieben verändert werden; die
Dicke des Dunkelraumes erwies sich von allen den genannten
Grössen als völlig unabhängig, falls mit Strömen oberhalb
einer gewissen Stärke, die bei den Messungen nie unterschritten
wurde, gearbeitet wurde.
Bei den grossen Energiemengen, die bei Einführung des
Wechselstromes verwendet werden konnten, waren alle elektri-
schen Vorgänge auch in dem den Entladungsapparat enthaltenden
secundären Wechselstromkreise bequem und sicher messbar.
204
H. Mert.
Die genamiten Gesichtspunkte 1. und 2. waren für die
folgenden Untersuchungen maassgebend. Eine genauere Ver-
folgung der Dicke des Dunkelraumes, welche rasch mit ab-^
nehmendem Drucke wächst, schien, abgesehen von ihrer rein
elektrischen Bedeutung, auch mit Rücksicht auf die eigen-
thUmlicben Abweichungen vom Boyle-Hariotte'schen Gesetze
bei tiefen Drucken von Interesse, auf welche die Arbeiten
der Herren Siljeström, Mendeiejeff, Amagat, Bohr,
Fuchs, £. van der Yen, sowie Baly und Ramsay die Auf-
merksamkeit gelenkt haben.
Apparate,
I. Das Entladungsgefdss. In die 23 cm hohe, 15 cm
weite, sehr dickwandige Flasche A (Fig.l) aas schwer schmelz-
barem Kaliglas war oben der weite
Glasstopfen B sorgfältigst eingeschUf-
fen. Auf den über den Hals der
Flasche geschobenen Gummiring CC
war der kurze, weite Glascylinder BD
geschoben; die Dichtung wurde ohne
Fett durch Quecksilber hergestellt,
welches in den durch CC und DJ)
gebildeten Becher eingefüllt wurde.
Der Glasstopfen trug oben drei Rohr-
ansätze, von denen der linke, E, die
Verbindung mit der Quecksilberlult-
pumpe (Töpler- Hagen' sehe Con-
struction) herstellte; F und G trugen
die Elektroden. Die Elektrode a, an
der die Dicke der Dunkelräume ge-
messen wurde, war eine Kreisscheibe
von 20,0 mm Durchmesser aus Alu-
miniumblech von 0,51 mm Dicke. Sie
war mittels einus rechteckigen Fort-
satzes in einen Sägescbnitt am unteren
Ende des Ü mm dicken Messingstabes b
festgeklemmt. Damit die Entladung
nur auf die Obertiäche der Ereis-
Fig. 1.
Hittorf scher Kathodendunkelraum, 205
Scheibe beschränkt blieb, war der Stab b von dem eng an-
schliessenden Glasmantel c umschlossen, in den der Stab oben
mittels Siegellack eingekittet war. Der Stab b wurde mit
seinem Glasmantel c von dem Glasrohre d getragen, welches
in den mittelsten Rohransatz F oben festgekittet war. um
jegliche Funkenbildung in den Zuleitungen zu vermeiden, war
auf den Stab b oben ein kleines eisernes Quecksilbemäpfchen
aufgeschraubt, in das das amalgamirte Ende des kupfernen
Zuleitungsdrahtes eintauchte. Eine seitlich eintretende Klemm-
schraube hielt den Draht im Näpfchen fest, sodass er nicht
heraus federn konnte; da mit lebensgefährlichen Wechsel-
stromspannungen geai'beitet wurde, war diese Vorsicht ge-
boten.
Die andere Elektrode f wurde von einem 4 mm dicken
Messingdraht y getragen, der durch den Rohransatz G hin-
durchging. Da viele Vorversuche gezeigt hatten, dass zu einer
völlig symmetrischen Ausbildung der Kathodendunkelräume
auf beiden Seiten der Kathodenplatte unerlässlich ist, die
Anode vollkommen symmetrisch in Bezug auf die Kathode
anzuordnen, so wurde als zweite Elektrode ein Ring aus einem
Aluminiumblechstreifen gewählt, welcher die Zuleitung zur
Elektrode a völlig conaxial umgab, von dieser selbst durch
die doppelte Glasumhüllung cc, dd getrennt. Damit beide
Elektroden gleiche Fläche hatten, musste der Blechstreifen
bei 3 mm Höhe 105 mm lang gewählt werden. Auch er war
in der Mitte mittels eines rechteckigen Fortsatzes am Ende
seiner Zuleitung g festgeklemmt. Diese selbst war bis an das
Ende von dem Glasmantel li umgeben, der selbst wieder in
seinem oberen Theile in den Rohransatz G eingekittet war.
Da bei dem engen Rohranschluss der Theil fgi nicht als
Ganzes durch G eingeführt werden konnte, war g aus zwei
Theilen bei h zusammengeschraubt. Zuerst wurde der obere
Theil mit seinem Glasmantel durch G eingeführt, dann der
untere von unten her mit seinem Glasmantel herangehoben,
und in ihn der obere eingeschraubt. Sodann wurde ii in G
festgekittet. Dabei blieb freilich bei h in dem Glasmantel ein
schmaler unbedeckter Spalt übrig, da im Innern des Ent-
ladungsraumes jedes Kittemittel vermieden werden sollte. In-
dessen nur bei ganz niederen Drucken leuchtete das Gas bei h
206 H. Ebert.
m
mit auf; ein Einfluss auf die zu messenden Grössen war nicht
zu erkennen. ^
Die Zuleitung vermittelte ein zweites Eisenquecksilber-
näpfeben e mit Klemmschraube. Durch Anwendung von Zu-
leitungen von so grossem Querschnitte war jede merkliche Er-
wärmung in diesen selbst während sehr langer Versuchsreihen
ausgeschlossen.
Die Wände waren bei den hier verwendeten Gasdrucken
so weit von den Elektroden entfernt, dass die Glimmlichter mit
ihren vorderen Spitzen nur in einigen Fällen bis an die Glas-
wand heranreichten. Dementsprechend waren auch die Wand-
ladungen von sehr geringem oder keinem Einflüsse.
Die Bestäubung mit einem Mennige-Schwefelpulver, wie
es jüngst Hr. Riecke mit Glück zum Nachweise der Wand-
ladungen der Entladungsröhren verwendete, liess hier keine
Spur einer solchen Ladung erkennen.
Dass an der Elektrode a sich rasch hintereinander
Anoden- und Eathodenerscheinung übereinander lagerte, hatte
auf die Messungen keinen störenden Einfluss, denn wie schon
frühere Untersuchungen gelehrt hatten, kommt in einem solchen
Falle nur die Kathodenerscheinung zur Geltung.
Damit die Gasflillung und das Innere der Vacuumflasche
immer möglichst trocken blieb, war ihr Boden ganz mit
Phosphorpentoxyd bedeckt.
2. Die ElektricitätsqueUe. Als Wechselstromgenerator ver-
wendete ich bei den definitiven Versuchen einen vierpoligen,
schnelllaufenden Gleichstrom- Wechselstrom-Umformer, System
Hummel, und zwar eine grössere Type als die von mir früher
bereits verwendeten Umformer. ^)
Die Maschine beanspruchte ca. 450 Watt Gleichstrom-
leistung, welche bei einer Spannung von 126 bis 128 Volt
an den Klemmen des Gleichstromkreises der Centrale (Drei-
1) Die Maschine ist von Hrn. Ingenieur G. Hummel construirt
worden und wurde mir von den jetzigen Inhabern der Hummerschen
Fabrik, den Herren £. Wagmüller u. J. Hackl in liebenswürdigster
Weise tür meine Versuche zur Verfügung gestellt; ich nehme die Gre-
legenheit wahr, den genannten drei Herren aucli öffentlich meinen besten
Dank auszusprechen. ^
Hittor f scher Kaihodendunkelraum, 207
leitersvstem) der kgl. Hochschule entnommen wurde; die
Maschine war an die beiden Aussenleiter des Beleuchtungs-
netzes angeschlossen. Hier hielt sich bei der geringen In-
anspruchnahme der Anlage im Sommer die Spannung hin-
reichend constant.
Der Maschine war ein Anlasswiderstand beigegeben, der
Tor die Ankerwickelung gelegt, zunächst die Feldmagnete
allein speisen liess. Durch Auskurbeln einer entsprechenden
Menge von Yorschaltwiderstand konnte die Tourenzahl, sowie
die in der Zeiteinheit geschnittene Eraftlinienzahl, d. h. die
Wechselstromspannung innerhalb sehr weiter Grenzen, variirt
werden. Bei den unten angeführten Messungen lag die Gleich-
stromintensität meist um 3,4 Amperes herum.
Zur Erreichung der nöthigen Spannungen wurde ein Igel-
tnmsformaior verwendet; ein Regulirwiderstand im Nieder-
spannungskreis liess im Verein mit dem erwähnten Anlass-
widerstand leicht eine bestimmte Spannung bei gegebener
Stromstärke, oder umgekehrt eine bestimmte Stromstärke bei
bestimmter Spannung erreichen.
3. Die Messinstrumente, — a) Messung der Dicken der
Dunkelräume. Bei mehreren ausgedehnten Vorversuchsreihen
wurden die Dunkelräume photographirt und die Photogramme
dann ausgemessen. Bei den unten mitgetheilten Messungen
konnte wegen der sehr grossen Constanz der Erregungs-
bedingungen, die mit der neuen Maschine erreichbar war, ein
directes Messverfahren angewendet werden. Auf dem Schlitten
einer Theilmaschine war ein Femrohr mit nicht zu entferntem
Nahepunktdes Accommodationsgebietes und mit schrägliegendem
Fadenkreuze so befestigt, dass es beim Drehen der Theil-
schraube parallel mit sich selbst, senkrecht zur Schraubenaxe
stehend bewegt werden konnte. Die Schraube war genau auf
periodische und fortschreitende Fehler hin durchuntersucht
worden; ihre Ganghöhe betrug in dem bei den Messungen be-
nutzten Bereiche 0,8520 mm. Es wurde mit dem Fadenkreuz
erst auf den einen, dann auf den anderen äusseren Rand des
Dunkelraumes eingestellt; wurde dann von der Differenz der
Ablesungen die Plattendicke (in Messschraubenumgängen aus-
gedrückt) abgezogen, halbirt und das Resultat in Millimeter
umgerechnet, so wurde die Dicke des Dunkelraumes erhalten;
208 K Ebert
diese Zahl ist in den folgenden Tabellen unter d eingetragen.
Hierbei wurde freilich die innerste leuchtende Schicht mit in
den Dunkelraum einbezogen; dieselbe legt sich indessen immer ^
sehr dicht an die Elektrodenäächen an. Durch die Vernach-
lässigung der Dicke dieser Lichthaut erscheinen die Dicken
zu gross, was aber höchstens bei den kleinen Dicken einiger-
maassen in Betracht kommt, während der Fehler fiir die
grossen Dicken verschwindend klein ist, da die erste Schicht
nicht angenähert so rasch wächst, wie die beiden anderen.
Ein anderer Umstand muss hier erwähnt werden: Man war
genöthigt, die zu messende Strecke durch die Glaswand der
Vacuumflasche hindurch anzuvisiren. Dadurch, dass man bei den
Vorversuchen eine Scala an die Stelle, wo später der Dunkel-
raum erzeugt wurde, brachte und diese ausmaass, konnte
man sich davon überzeugen, dass der entstehende Fehler nicht
gross war, wenn man diejenige Seite der Flasche ausgesucht
hatte, welche ganz besonders rein war. Dass die Ablenkung
des Strahlenganges durch die Cylindermantelfläche des Vaeuum-
gefässes bei den hier in Betracht kommenden Dimensionen des
im Inneren befindlichen, zu messenden Gegenstandes keinen
störenden Eintiuss über die Grenze der unvermeidlichen Ein-
stellungsfehler hinaus ausüben konnte, zeigt eine einfache
Rechnung.
Dabei war bei den kleinen, scharf begrenzten Dunkel-
räumen eine Genauigkeit von ^j^^ bis Yg^ mm in der Dicken-
messung zu erreichen. Bei grösseren Dunkelräumen lag die
Grenze der unvermeidlichen Messungsfehler innerhalb 0,1 mm,
bei den ganz grossen Dunkelräumen, die auch hier verhältniss-
raässig sehr verwaschen gegen das dififus begrenzte Glimmlicht
absetzten, konnte der Fehler einer Messung mehrere Zehntel
Millimeter erreichen; letztere sind übrigens wegen dieser ihnen
unvermeidlich anhaftenden Ungenauigkeit nui' in einzelnen
Fällen mit in die unten angeführten Tabellen aufgenommen
worden, wenn sie auch stets mit gemessen wurden.
Eine bequeme, bei allen Beobachtungen angewendete Con-
trole der Einzeleinstellungen ergab sich dadurch, dass, wenn
das Mittel aus den beiden Ablesungen genommen wurde,
immer wieder dieselbe Zahl, nämlich die der Mittelebene der
Platte entsprechende Einstellung erhalten werden musste. Die
t
Hittorf scher Kathodendunkelraum, 209
Abweichungen von dieser Mittelstellung lagen immer inner-
halb der Beobachtungsfehler.
b) Die Druckmessung, Zur Messung der Gasdrucke wurde
ein Mac Leod'sches Manometer Kahlbaum'scher Construc-
tion^) von Kram er in Freiburg i. B. mit doppeltem Mess-
bereiche verwendet. Durch Zusammendrücken des Gasrestes
auf ^I^QQ Volumen konnten an einer Steigröhre direct die
Hundertstel Millimeter Hg -Druck, durch Zusammendrücken
auf V2000 *° einer zweiten die Tausendstel abgelesen werden;
die Zahlen sind unter p in den folgenden Tabellen auf-
geführt.
Dass das Manometer den durch die stufenweisen Evacua-
tionen herbeigeführten Druckerniedrigungen wirklich genau
folgte, wurde durch besondere Versuchsreihen geprüft. Die
Herren E. C. C. Baly und W. Eamsay^ haben schon früher
auf eine Reihe von Fehlerquellen aufmerksam gemacht, welche
genaue Druckmessungen mit dem Mac Le od -Manometer bei
tiefen Drucken sehr gefährden können, namentlich auf die
Veränderungen der Capillareigenschaften des Quecksilbers dem
Glase gegenüber bei Veränderung des darüber liegenden Gas-
druckes.
Da man diesen Veränderungen gegenüber ziemlich macht-
los ist, wurden tiefe Drucke (unter 0,10 mm) überhaupt nur
ganz ausnahmsweise verwendet, zumal dann die Dunkelräume
meist schon so verwaschen sind, dass eine scharfe Einstellung
auf ihre Begrenzung kaum mehr möglich ist. Da bei dem
Manometer immer mindestens auf das Hundertfache zusammen-
gepresst wurde, so kam man bei der Messung selbst ganz
ausserhalb jener Druckgrenzen, unterhalb deren die Gültig-
keit des Boyle-Mariotte'schen Gesetzes Zweifeln unter-
liegen könnte. Ausserdem hatte man in der Constanz der
Druckverhältnisse bei gleichmässig von Pumpenzug zu Pumpen-
zug fortschreitender Evacuation des constanten Gesammt-
volumens eine genügende Controle.
Vor jeder Messungsreihe wurden sämmtliche Vacuum-
1) G. W. A. Kahlbaum, Zeitschr. f. Instrumentenkunde 15.
p. 191. 1895.
^ 2) E. C. C. Baly u. W. Ramsay, Phil. Mag. (5) 38. p. 301. 1894.
" Ann. d. Phft. u. Chem. K. F. 69. 14
210 ü. Ebert
theile, die Pumpe, sowie das Manometer mit dem sorgfältig
gereinigten und durch Schwefelsäure und Phosphorpentoxyd m
getrockneten Gase mehrere Male ausgespült. Dann verblieb
die betreffende Gasfüllung bei etwa Va Atmosphären druck
während mehrerer Tage in dem Apparate, wobei sich Alles
mit dem Gase selbst sättigen und dieses selbst die letzten
Spuren Wasserdampfes an das in der Vacuumflasche ausge-
breitete P3O5 abgeben musste. lieber die Reinheit der Gase
wurden während der ganzen Messungsreihe sorgfältigste spectro-
skopische Prüfungen unterhalten.
Es wurde zwischen jedem einzelnen Pumpenzuge und vor
jeder neuen Messung immer solange gewartet, dass in dem
allerdings etwas weit verzweigten Röhrensysteme sich der
Druck und die Temperaturen vollkommen ausgeglichen haben
mussten.
Bei den sehr niederen Drucken beeinäusste mitunter eine
Erscheinung die genaue Messung nicht unerheblich, welche
ich eine f^Selbstevacuaäon^^ des Vacuumapparates nennen möchte.
Unter dem Einflüsse der Entladung selbst veränderte sich der
Gasinhalt in einer Weise, welche einer fortschreitenden Evacua-
tion entsprach; die Dicke der Dunkelräume wuchs während
des Strom durchganges, wiewohl vor dem Beginne dieser Ver-
suche bei tiefen Drucken immer ganz besonders lange ge-
wartet wurde. Ferner stieg die Spannung, desgleichen der
Wattconsum im Entladungsapparate, wiewohl die Stromstärke
fortwährend sank. Dabei war an dem Manometer direct
fast nie eine wirkliche Druckverminderung nachweisbar. Aus
diesem Grunde sind die den niederen Drucken entsprechen-
den Zahlen Mittelwerthe von geringerem Gewichte als die
den hohen Drucken entsprechenden Werthe, ganz abgesehen
davon, dass die Einstellungen auf die Grenzen des Dunkel-
raumes bei den tiefen Drucken an sich unsicher wurden.
c) Die elektrischen Mess Instrumente, Durch Vorversuche
war, wie schon oben erwähnt, nachgewiesen worden, dass bei
der hier getroffenen Anordnung die Dicke des Dunkelraumes
sich weder mit der Periodenzahl des Wechselstromes, noch
mit dessen effectiver Spannung oder Stromstärke merkUch
änderte. Wii* haben hier also in der That ein Phänomen
vor uns, welches nur noch vom Gasdrucke und der Gasnatur ^
Hiüorf scher Kathodendunkelraum. 211
abhängt. Nur um jederzeit einen Vergleich zu ermöglichen,
I sind in die Tabellen die elektrischen Daten des Vorganges
mit aufgenommen worden und zwar für den
Gleichstrom: Spannung S (Voltmeter von Reiniger, Geb-
bert und Schall in Erlangen), Stromstärke -4 (Weston-Amp^re-
meter);
Nieder spannungswechselstrom: Spannung v (Hitzdraht- Volt-
meter nach M. W. Hoffmann), Stromstärke / (Hitzdraht-
Amperemeter von Hartmann und Braun);
llochspannungswechselstrom: Spannung V (Plattenvoltmeter
nach Ebert-Hoffmann, verbessert von Prof. Dr. Th. Edel-
mann), Stromstärke z (Hitzdraht - Milliamperemeter eigener
Construction).
Den später mitgetheilten Tabellen ist noch die Grösse ^= V,i
beigefiigt worden; sie bedeutet die durch die Entladung con-
sumirte Wattzahl, abgesehen von der durch die Phasenver-
schiebung bedingten Abänderung dieser Grösse.
Sämmtliche Instrumente mussten möglichst zu der gleichen
Zeit (während die Einstellungen an der Theilmaschine aus-
geführt wurden) abgelesen werden, wozu zwei Hülfsbeobachter
^öthig waren.
Resultate.
Ehe die einzelnen Messungsreihen für die verschiedenen
Gase mitgetheilt werden, müssen einige allgemeine Resultate
sämmtlicher Messungen vorangestellt werden, damit die Ein-
richtung der folgenden Tabellen und graphischen Darstellungen
verständlich wird.
Bei jedem der untersuchten sechs Gase (Og, H^, Ng, CO,
COj, Luft) ergab sich folgendes Entwickelungsgesetz der Dicke
des Hittor f sehen Kathodendunkelraumes mit fortschreitender
Gasverdünnung :
Nimmt die Verdünnung in gleichem Verhältnisse zu,
so nimmt auch die Dicke des Dunkelraumes in gleichem
Verhältnisse zu.
Oder anders ausgedrückt:
Schreitet die Evacuation des Entladungsraumes nach
einer geometrischen Reihe fort, so wächst auch der Dunkel-
^ räum nach einer geometrischen Reihe.
^ 14*
212 H. Ebert
Bemerkenswerth ist aber, dass die Wachsthumsverhält-
nisse oder die Exponenten der beiden einander parallel gehenden ^
Reihen von Zahlenwerthen nicht einander gleich sind, sondern
die Dicke d der Dunkelräume im allgemeinen langsamer wächst
als die Verdünnungen fortschreiten. Den Evacuationen und
damit diesen Verdünnungen sind die Gasdrucke p reciprok;
bezeichnen also p^ und p^ zwei beliebige Gasdrucke, bei denen
Entladungen durch den Gasraum hindurch gehen, und die
Kathode vollkommen gleichmässig mit allen drei Kathoden-
schichten bedeckt ist, und d^ und d^ die zugehörigen Dicken
der Dunkelräume, so ist
<') i - m
wo m, eine reelle positive Zahl, im allgemeinen kleiner als
1 ist:
0 < m^l.
Da in unsere Relation nur das Verhältniss der Drucke
bez. der Dicken eingeht, so muss diese von dem Maasse, in
welchem die genannten Grössen gemessen werden, unabhängig
sein ; m ist also eine nur von der Gasnatur abhängige Grösse,
deren Werth sich nicht ändert, wenn man p oder d durch
andere Einheiten ausdrückt.
Für je zwei beliebige Punkte der Druckscala ist also
(2) d,,p-^d^,p^.
Es ist folglich im allgemeinen nicht d,p eine Constante
und die Dicke des Dunkelraumes umgekehrt proportional dem
Drucke, sondern
(3) d . />'" = const. ,
wo m eine für das betreffende Gas charakteristische Zahl ist,
deren physikalische Bedeutung wir weiter unten kennen lernen
werden.
Den Gleichungen (1) bis (3) kann man durch Logarith-
miren eine Gestalt geben, in der sie sich zur graphischen
Bar Stellung der Messungsergebnisse besonders eignen. Es ist
(4) log rfj - log d^ = m (log;?a - log;?i) ,
Hittorf scher Kaihodendunkelraum, 213
und
(5) m = M^LHi^iA ,
(6) log d^+m. \ogp^ = log d^ + m log;?, ,
(7) log d + m logp = const.
Trägt man also in ein rechtwinkliges Coordinatensystem
die Logarithmen der Drucke p als Abscissen x (positiv für
Drucke > 1, negativ für Drucke < 1), die Logarithmen der
zugehörigen rf-Werthe als Ordinaten y auf, so erhält man
gerade Linien als Beobachtungscurven. Die negativ genommene
Zahl in stellt, da nach (7)
?/ -j- TW .r = const. ,
sAso dyjdx = — TW ist, augenscheinlich die Steigung der Geraden
dar. In dieser Weise sind die Curven (Fig. 2 und alle
folgenden) mit log p [p in Mfllimeter Quecksilbersäule) als Ab-
scissen, log d als Ordinaten [d in Millimetern gemessen) für
die verschiedenen Gase erhalten worden; wegen der übersicht-
lichen Form, welche bei Einführung der Logarithmen die ge-
fundene Relation annimmt, sind ausser den Verhältnissen
pJP2 und djd^ auch die Logarithmen von p und d mit in
die Tabellen aufgenommen worden.
Der Verlauf einer geraden Linie ist ausser durch ihre
Neigung gegen die Axen noch durch ihre relative Lage zu
diesen, also z. B. durch einen der beiden Axen abschnitte be-
stimmt. In der That enthält unser Gesetz (3) noch eine Con-
stante, über die wir weiter verfügen müssen.
Anknüpfend an die graphische Darstellung empfiehlt es
sich, für diese Constante denjenigen absoluten Dickenwerth
d^ in Millimeter zu wählen, der für die einzelnen Gase er-
scheint bei dem bestimmten Drucke />= 1 mm Hg, für den
also log /? = 0 ist; log d^ ist also das Stück, welches die
geraden Linien auf der positiven Ordinatenaxe unserer gra-
phischen Darstellungen abschneiden. Dadurch erhält das Ge-
setz die Gestalt
(I) d.p"> = d^
Aus dem Verlaufe der nach den Messuugsreihen con-
struirten geraden Linien für die Logarithmen von p und d
214 H, Ebert
werden die graphisch ausgeglichenen Werthe von m und d^
abgeleitet. Die Abweichungen der mit diesen in jeder Tabelle
beigefügten Werthen nach der Formel (I) fiir ein jedes p
berechneten c?- Werthe von den beobachteten sind in den
folgenden Tabellen unter 8 ^ d berechnet — d beobachtet auf-
geführt; diese Differenzen liegen überall durchaus innerhalb
der Grenze der unvermeidlichen Beobachtungsfehler.
Bestätigt sich somit das gefundene Gesetz (I) durchaus,
so muss ein Umstand sehr auffallend erscheinen, der sich bei
allen untersuchten sechs Gasen wiederholt und der für die
Deutung des ganzen Phänomens von der grössten Wichtigkeit
erscheint:
Sämmtliche Beobachtungscurven zeigen bei einem ganz
bestimmten, für jedes Gas verschiedenen Druck U einen
Knick; die Beziehung zwischen p und d enthält also für
alle untersuchten Gase eine Discontinuität; vor und nach
der Discontinuitätsstelle folgen sie alle einem Gesetze von
der Form (I), nur mit plötzlich umspringenden Werthen der
Constanten.
Ein Blick auf die Curvenfiguren zeigt, dass sowohl vor
wie nach dem Knick die den einzelnen Messungen entsprechenden
Punkte sich genau je einer geraden Linie anschliessen. Die
Curvenneigung geht nicht allmählich aus dem Anfangswerthe
in den Endwerth über, sondern von einem bestimmten Drucke
an folgen die einzelnen Curvenpunkte plötzlich einem anderen
Gesetze; dasselbe fügt zwar die Logarithmenwerthe wieder zu
einer linearen gegenseitigen Abhängigkeit zusammen, aber die
m- sowie die d'^,- Werthe sind andere: M und Bq geworden.
Auf diese Discontinuität, ihre Lage in der Druckscala,
sowie ihre Beziehung zu anderen physikalischen Erscheinungen
soll in der Folge besonders hingewiesen werden.
1. Sauerstoff.
Der allgemeine Verlauf der Erscheinungen, vor allem die
Discontinuität der Beziehung zwischen p und d wird am besten
durch das Verhalten des Sauerstoffs erläutert Für dieses
Gas (aus chlorsaurem Kali und Braunstein entwickelt) liegen
zwei in Fig. 2 durch Punkte bez. Kreuze dargestellte Messungs- .
Hittorf icker Kalhodenduttkelraum. 216
en vor, die, wie man sieht, untereinander sehr gut Uber-
ümmende Werthe ergeben.
\
rrt--¥-
X
s,
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3*0
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V Q
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'W
f) OpO tQK) qSD QM (IM <m
Fig, 2.
Bezüglich der Bedeutung der Buchstabeu in allen folgen-
Tabellen vgl p. 212 und 214.
Tabelle 1.
Sauerstoff, 1. Reihe.
ra = 0,459, rf, = 1,80.
P VPsI rf
'(i,,'d,' logp logd d
±1'
0,072|0,215J+0,O3|il29|8,6,l5|2,4, 378'o,0174l 6,6
i .i-^-fi I ! II M' I
I 2,09' l-0,l.')7|0,820|-0,0l||l2g|3,e|lö[2,3 488lo,01T3| 7,6
= 0,788, i>o=l,62. DisconÖnBitÄt bei iZ=0,70.
29
1,40'
-0,347'O,467|-O,O2"i:iH:i,G, 162.8 .^4BÜ,0n2| 9.4
.80,6181-0,12 129!3,5 16 2,3:] 676:0.0171,11,5
62,2, 8ls'o,0165,13,5
-0,351 27
4,'n 2,2'1023
4,18 2.2'1299
II y
I,ll676
0,0161.16.5
0.0157 '20,4
0,0150,25,1
äs' ' 110,43! ■ i-l,08l'l,018'-0,27!'l27
IMS] ;i,37| ' I |l ,
,-l,292;l,155[ + 0,2 '.1273,3|
Die Abweichungen 3 zwischen den nach der Formel (I)
dineten und den beobachteten Werthen liegen bis herab
c=0,45 in den Hundertsteln, von da ab in den Zehnteln
meter.
216
H. Ebert.
Hierbei war der Dunkelraum durchaus nicht völlig dunke
vielmehr war er vou einem blassvioletten Lichte erf&llt, desse
Intensität nach aussen zu gegen die dritte Schicht hin, merl
lieh wuchs. Nichtsdestoweniger war die innere Grenze dt
weisslich violetten dritten Schicht, namentlich bei den höhere
Drucken, sehr deutlich. Die innerste erste Schicht war b(
den höheren Drucken fast bräunlich und wurde dann röth
lichbraun. Bei 0,45 mm war die erste Schicht röthlich, di
zweite violett, die dritte weiss geworden.
Zeigt diese Beobachtungsreihe I, bei der zwischen jede:
Messung je dreimal ausgepumpt Wiirde, wie sich die Dick*
des Dunkelraumes bis zu den tiefsten Drucken hin, bei dene?
noch scharf eingestellt werden konnte, vergrössert, so soll dl
folgende, bei der die einzelnen gemessenen Dicken viel dichte
aufeinander folgen und jedesmal (ausser zwischen den letzte
beiden Messungen) nur je einmal evacuirt wurde, namenl
hch den Curveuknick recht deutlich hervortreten und de
Discontinuitätsdruck 11 möglichst genau bestimmen lassen
Diese Reihe begann bei sehr hohen Diiicken; aber erst vo.
p = 2,8 au war die Platte vollkommen gleichmässig vou de
Eathoden schichten bedeckt.
Tabelle 2.
Snuerstoff, II. Reihe.
m = 0,453, d|,= 1,80.
P PilPi <i <kldt;
gp \log'l\ 3
Vi'
53 j 2,6'!
I 1 ''"*■
öt|2,26 |i,a
1 1.19
&&"l,eDl |l,3
II 1 1.17 1
S6 ! 1,113
0,426!o,ü72 -0,02
&7 Ii.bt;
1 1,1
1,16,
11,56 I
ll.Oii
0,354
0,379
0,212
0,197
0.072
0,093| + 0,Ü1
0,143' -0,0*
0,161,-0,01
Ü,1H3|±0,00
0,2171+0
iSa
0,017;
&9,! 1,18
59, 0,99- 'l,7ö I ,-0,004'o,250; + 0,ü;iI
I' ' 1.1^ < i>o» ' I ! Ii I II I li I
600,86 |l,94l -0.066,0,2»6!-0,01 127l3,5'l6,2,34270,O171 7
2,z!'351
2,4j|351
2,2|l415 0,
0,0173' 6
2,4,.384l0.O172
2,4|397 0,Onil
0,0172!
I ST 3,6}iI6i2,3ll409
I i i' i il
Il27l3,5 16,2,3 427
6l'0,71i ' '2,13! ' -O,li9iO,328|-0,03| 127;3,5;il6i2,8i|454 0,Ono] 7
Hittorf scher Katkodendunkelraum.
Tabelle 2 {Fortsetzung}.
Sanerstoff, II. Beihe.
= 0,821, Z),-l,58. DiBcoationitat bei 77=0,70.
^i,n
p\lp%
d lrf,/d.
logp logi^i fl s ^ ji'p ,/,ir
(■ ' E
1
1,1M
1,1-4
1' 1
'
M 0,SO
l,tB
■iA'i
1,12
-0,22310,38«
-0,02, 127|8,4!l5
2.1
i76
0,015«' 7,*
-0,292:0,435
+ 0,03| 1273,516
2,a
&2Ü
0,0170, 8,8
M . 0,4a'
1,IS
3,16
1,lfi
-0,387 0,000
+ 0,02 ia7i3,5il6
...
561
0,0169' fl,5
1
es 0,36
S.B8
-0,44*0,5B6
-0,01 12713,4 17
2,3l!6H
X0168'lÜ,2
,.H.S
i,aK
4,6M
-0,569'0,B6e;+0,0i; 127.3,4,17
2,3"712
0,Oir,7'li,3
Hier ist die Debereinstimmung zwischen Rechnung und
^obachtung eine noch vollkommenere als bei Reihe I; 0,04 mm
ist die grösate vorkommende Abweichung. Der Curvenknick
''ßgt genau bei 0,70 mm Druck {\og p = — 0,155); vgl. auch
namentlich die Fig. 2.
Hr. C. Bohr') fand das bemerk enswerthe, von den Herren
"aly und Ramaay*) vollkommen bestätigte Resultat, dass
■•er Sauerftoff bei niederen Brüchen sehr wesentlich von dem
^oyle-Mariotte'schen Gesetze abweicht; er wies auf eine sehr
eiRenthümliche Diacontinuität in den Beziehungen zwischen
Druck p und Volumen v hin. Dieselbe tritt bei einem Drucke
Ton 0,70 mm Hg ein und scheidet deutlich Gebiete von
höheren Drucken von solchen von niederen, in denen die Ab-
hängigkeit der beiden Grössen « und p verschiedenen Gesetzen
folgt. Die diese Beziehungen darstellende Curve (p etwa
als Abscisse, v als Ordinate gewählt] besitzt bei 0,70 einen
Knick. Oberhalb desselben folgt das Gas dem Gesetze (vgl.
1. c. p, 479)
(p + Ü,109)f = A,
ftlr niedrigere Drucke als 0,70 dem Gesetze
(p + 0,070)« = A.
1) C. Bohr, Wied. Ann. 2Ü
2) E. C. C. B«ly u. W. Eai
p. 459. 1886.
say, PhU. Mag. [5} 38. p. 307. 1894.
218 H. Ehert
Für die Steilheit der beiden Garvenäste leitet man hieraus ab:
für die höheren Drucke:
für die tieferen Drucke;
-dp (p + 0,109)«
dv __ k
-rfjö" "■ (p + 0,070)«
und an der Knickstelle selbst geht die Curvenneigung von
dem kleineren Werthe A/(0,809)^ plötzlich in den grösseren
Ä/(0,770)2 über. Das Volumen wächst also bei;? = 0,70 plöt^
lieh stärker, als bei abnehmendem Drucke dem Mariotte'schen
Gesetze entspricht.
Dass die beiden genannten Discontiuuitäten, die von Hrn.
Bohr entdeckte zwischen;? und v und die hier hervortretende
zwischen p und d, genau an dieselbe Stelle der Druchcala
fallen, kann kein Zufall sein, sondern muss einen tiefereu
physikalischen Grund haben. Dass nicht etwa unser Knick
unmittelbar durch die Bohr'sche Discontinuität veranlasst
war, ergiebt eine einfache Betrachtung: Erstens könnte man
an einen directen Einfluss auf die Druckmessung selbst denken^
In der That wird ja bei dem Mac Leod 'sehen Manometer
das Bojle-Mariotte'sche Gesetz als gültig vorausgesetzt.
Da aber bei meinem Exemplare auf das Hundert- bez. Tausend-
fache comprimirt wurde, lag selbst bei Drucken weit unter-
halb 0,70 der Druck, mit dem thatsächlich gemessen wurde,
weit oberhalb jener Stelle, wo Unregelmässigkeiten eintreten.
Vergleicht man hiermit die wirklich erhaltenen Druckverhältnisse
PilPi ^^^ ^^^ nach dem Passiren der ünstetigkeitsstelle, welche
ja, da sie dem constant verbleibenden Verhältnisse von Reci-
pientenvolumen und Gesammtvolumen entsprechen, constant
sein müssen, so erkennt man in der That keine grösseren
Abweichungen, als sie unvermeidlich auftreten, weil die beim
Evacuiren zusammengepressten Gasblasen bald mehr bald
weniger vollkommen entfernt werden; jedenfalls ist in den
p^ / p^-Werthen keine Unstetigkeit zu bemerken, dieselbe
haftet vielmehr der d^/d^-Reihe allein an. Zweitens könnte
man hinweisen auf den von Hrn. Bohr gleichfalls ent-
deckten Einfluss der Zeit, demzufolge das normale Verhältniss
zwischen Druck und Volumen sich bei verdünntem Sauerstoff
in der Nähe von p = 0,70 erst allmählich herstellt. Aber
Hittorf scher Kathodendunkelraum, 219
ich dieses kann nicht die Ursache der Discontinuität bei
18 sein, denn die Messungen wurden zwar überall un-
ittelbar, nachdem der Druck p hergestellt war, angestellt,
ibei wurde aber immer von höheren zu niederen Drucken
)ergegangen. Für diesen Gang hat aber Hr. G. Bohr (1. c.)
ichgewiesen, dass die bei der Druckerniedrigung mit
im Sauerstoff etwa vor sich gehende Zustandsänderung
omentan oder nur in sehr kurzer Zeit vor sich geht, während
r die Veränderungen im entgegengesetzten Sinne allerdings
ehrere Stunden nöthig gewesen wären. Hieraus etwa resul-
rende Fehler waren also vermieden.
Auf den möglichen Zusammenhang dieser und analoger
recheinungen bei anderen Oasen kommen wir bei der „Dis-
ission" zurück.
(Fortsetzung und Schluss folgt in einem der nächsten
efte.)
(Eingegangen 30. Juli 1899.)
12. Beiträge zur Kenntniss der Becquerelstrahlen,
von O. Behrendsen.
Seit der Entdeckung der Uranstrahlen durch Becquere
wurde über deren Wesen und Eigenschaften namentlich nad
zwei Richtungen hin weiter gearbeitet. Einmal gelang e
6. C. Schmidt^), die nämliche Strahlung an Thorverbindunger
sowie dem Ehepaar Curie^) an neuen, ganz besonders radic
activen Substanzen, dem Polonium und Radium nachzuweisei
Andererseits bemühte man sich, die Energiequelle für die s
räthselhafte Strahlung ausfindig zu machen; in dieser Richtun
haben die Herren Elster und GeiteP) Versuche angestell
Meine hier mitzutheilenden Versuche sollten hauptsäcl
lieh den Einfluss der Temperatur auf die Intensität der Bei
querelstrahlen studiren, um dadurch zur Lösung der Energie
frage einen geringen Beitrag zu liefern. Doch sollen auc
noch einige andere, die Strahlung betreffende Fragen im Fo
genden berührt werden.
I. Fluorescenzerregung durch Beoquerelstrahlen und Polariflir
barkeit derselben.
Eine Reihe von Vorversuchen, die ich mit Becquerelstrahlc
vornahm, bestätigten wiederum, dass sich dieselben ganz w
Röntgenstrahlen verhalten. Dies zeigte sich auch darin, das
die von Joachimsthaler Pechblende ausgesandten Strahlen i
einer Fiussspathplatte Fluorescenz zu erregen vermochte]
ähnlich wie Winkelmann*) dies bei Röntgenstrahlen zuer«
nachgewiesen hat.
Dazu wurde ein Blatt sehr empfindlichen Bromsilber
papiers (Negativpapier von Moh) mit der Schichtseite auf eim
grosse Fiussspathplatte gelegt. Auf die Rückseite des Papierx
legte ich ein Stück Joachimsthaler Pechblende so, dass es
1) G. C. Schmidt, Wied. Ann. 65. p. 141. 1898.
2) P. Curie, M«"« Curie et B^mont, Compt. rend. 127. p. 1215. 1898.
3) J. Elster u. H. Geitel, Wied. Ann. 66. p. 735. 1898.
4) A.. Winkelmann, Wied. Ann. 59. p. 324. 1896.
Beiträge zur Kenntniss der Becquerehtrahlen. 221
itwas über den Rand der unter dem Papier liegenden Platte
inau8ragte. Nach 45 Stunden Belichtung zeigte sich dort,
ro die Bromsilberschicht dem Flussspath aufgelegen hatte,
ine sehr viel intensivere photographische Wirkung, als da,
ro dies nicht der Fall gewesen war; es hob sich infolge
essen die Contour der Platte deutlich auf dem Bilde ab.
Liess man die Strahlen der Pechblende auf der Rück-
eite des Papiers durch die Schicht desselben hindurch auf
ie Bromsilberschicht wirken, während diese dem Flussspath
uflag, so erhielt man schon nach sechs Stunden (bei gleicher
Intwickelungsdauer) die nämliche Schwärzung, wie in 24 Stunden,
^enn die empfindliche Schicht nur einer Glasplatte auflag.
In einer seiner ersten Abhandlungen über Uranstrahlen
atte BecquereP) auf photographischem Wege eine Polarisa-
ion der Uranstrahlen nachgewiesen. Nachdem G. C. Schmidt^
ezeigt, dass ihm eine Polarisation bei Thorstrahlen nicht ge-
mgen und auch Ruther ford*) dieselbe nicht bei Uranstrahlen
'halten, berichtete Becquerel*), dass spätere Versuche, die
' sowohl mit Uran- als Radiumpräparaten ausgeführt habe,
^enfalls erfolglos verlaufen seien. Er schliesst daraus auf
a verschiedenes dichroltisches Verhalten der Turmalinplatten,
ö zur Verwendung kommen. Jch habe den Versuch viermal^
lesmal mit ganz verschiedenen Plattencombinationen, ohne
Un Erfolg wiederholt. Ich möchte demnach doch annehmen,
88 Becquerel strahlen überhaupt nicht polarisirbar seien und
88 es nicht an einer abweichenden Beschaffenheit mancher
irmaline liegen kann, wenn der Versuch nicht gelingt,
übrigens giebt Becquerel nicht an, ob er später andere
irmalin platten verwandt habe, wie bei seinen ersten Ver-
chen.
II. EinfluBS der Temperatur auf die Strahlungsintensität.
A. Untersuchte Substanzen.
Zur Verwendung kamen als strahlengebende Substanzen
nächst zwei tiefschwarze, sehr reine Stücke von Joachims-
1) H. Becquerel, Compt. rend. 122. p. 767. 1896.
2) G. C. Schmidt, Wied. Ann. 65. p. 141. 1868.
3) £. Rutherford, Phil. Mag. 47. p. 109. 1898.
4) H. Becquerel, Compt. rend. 128. p. 771. 1899.
222 0, Behrendsen.
thaler Uranpecherz, das eine 96,5 g, das andere 125 g
schwer; diese Stücke sollen im Folgenden als Stein I und D^
bezeichnet werden. Stein III ist ein unreines, von Gang-
gestein durchsetztes Stück Joachimsthaler Pechblende.
Stein IV hat eine Masse von 38 g, Stein V von 30 g,
Stein VI von 26 g. Diese drei letztgenannten Stücke sind
weniger glänzend, mehr grauschwarz; ihr f\indort ist unbe-
kannt. Einen Theil dieses Materials verdanke ich den Herren
Prof. Dr. Liebisch und Dr. v. Braun in Göttingen, denen
ich hiermit verbindlichst danke, ebenso Hrn. Dr. Goldschmidt
in Essen, der mir ein 24 g schweres Stück von üranmetall
gütigst zur Verfügung stellte, welches Moissan in Paris ia
einem elektrischen Ofen durch Reduction von üranoxyd mit
Knochenkohle hergestellt hat. Diese Darstellung gestattet die
Annahme, dass das Uranmetallstück keine Spur der Curie' *
sehen Substanzen mehr enthält, welche schon bei viel niedri-
geren Temperaturen, als sie im elektrischen Ofen auftreten,
flüchtig sind.
Eine Substanz, die in weit höherem Maasse radioacti^
sich zeigte, als das wirksamste Uranpecherz, wurde dadurch
erhalten, dass in einem Tiegel ein nicht zu grosses QuantuiD
möglichst sorgfältig gepulverten Pecherzes geglüht wurde j
während der Tiegel sorgfältig mit einem Metallschälchen be^
deckt war, welches Wasser enthielt und folglich keine höhere
Temperatur als 100® annahm.
Es setzte sich dann an der Deckfläche eine bald schwarz^
braune, bald mehr gelbliche oder röthliche Substanz an, die
sehr radioactiv war und off'enbar eine oder beide der Curie*-
schen Substanzen (Polonium, Radium) enthielt. Wir wollec
im Folgenden diese Substanz mit dem Namen „X-Sublimat*
bezeichnen.
Die Intensitäten der von diesen drei Substanzen, üran-
metall, Joachimsthaler Pechblende, X- Sublimat, ausgehen-
den Strahlungen wurden gemessen und verhielten sich wi6
1 : 8,47 : 52,24.
Ich möchte hierbei bemerken, dass es keineswegs allein
die Joachimsthaler Pechblende ist, welche diese radioactiven
Substanzen liefert. Auch die Schneeberger und eine andere
Pechblende unbekannter Herkunft (der die Stücke IV — VI.
Beiträge zur Kenntnüs der Becquerelstrahlen* 223
angehören) gaben das „X-Sublimat", wenn auch nicht so rein,
I sondern namentlich mit arseniger Säure vermengt.
B. Methode der Messung.
Zur Untersuchung der Intensität der Becquerelstrahlung
und der Beeinflussung derselben durch Temperatur Veränderungen
der strahlenden Substanz wurde die Entladungsmethode ver-
wandt Dabei wurde die Zeit gemessen , welche verfloss, bis
die Blättchen des Elektroskopes um zwei bez. einen Theil-
strich einer willkürlichen Scala unter dem Einflüsse der Strah-
lung zusammengingen. Dieser Entladungsvorgang wird be-
tanntlich durch eine lonisirung der Gasart erklärt, in welcher
die Strahlung stattfindet.
Zur Verwendung kam ein Goldblattelektroskop E mit nur
12 mm langen und 1,8 mm breiten Blättchen, welche an einem
dünnen Drahte sitzen, der oben in ein kleines Kügelchen von
nur 3 mm Durchmesser endet. Der obere Theil des Drahtes
ist horizontal zur Seite gebogen. Das
ßanze sitzt in einem Metallgehäuse H,
dessen Deckel eine über dem Kügelchen
I^efindliche Oeffnung 0 von 15 mm Durch-
'öesser besitzt und unten mit zwei seit-
^chen, diametral angebrachten Löchern 0^
^^ Beobachtung der Blättchen versehen
^t. Das Instrument hat nur geringe Ca-
P^cität, allerdings ist auch die Eigenent-
^^dung desselben verhältnissmässig erheb-
'^^h. Dicht hinter einer der seitlichen
^^ffiiungen steht eine Mattscheibe mit
^^Tier aus verticalen Theilstrichen bestehenden Scala; vor die
'•^dere Oeffnung ist in einiger Entfernung eine Linse gestellt
'^r genauen Beobachtung der dadurch vergrösserten Blättchen
^d der Scalenstriche. Um eine Parallaxe zu vermeiden,
^rd durch einen wenige Centimeter vor der Loupe stehenden
Diopter gesehen. Geladen wurde das Elektroskop durch eine
^ambonisäule.
Auf die Oefl'nung, welche durch eine aufgesetzte, mit
^inem Loche versehene Bleischeibe noch verkleinert werden
Fig. 1.
\
Ironnte, wurde die strahlende Substanz stets mit derselben
224 0, Behrendsen,
Fläche gelegt. Die EnÜaduugszeiten wurden in Secunde:
iiotirt, wobei zur Messung bei grösseren Zeiträumen di
Taschenuhr, bei kürzeren ein Secundenpendel benutzt wurde
das hörbar die Secunden angiebt.
Den von den Herren Elster und GeiteP) zuerst an
gegebenen, bei Versuchen mit Becquerelstrahlen gewöhulicl
gebrauchten Apparat, bei welchem die strahlengebende Sub-
stanz auf die untere zweier Platten in pulverformigem Zu-
stande gebracht wird, während die obere mit einem Elektro-
meter verbunden ist, glaubte ich bei meinen Versuchen nichi
verwenden zu können. Einmal durfte ich manche der mi:
zur Verfügung ' stehenden Substanzen nicht pulverisiren, dani
aber schien mir die Oberfläche eines pulverformigen Ma.
teriales viel zu variabel zu sein und von zu vielen Nebem
umständen abzuhängen, als dass sie für vergleichende Mea
sungen hätte wünschenswerth sein können.
Vor allem aber hätte eine Erwärmung bez. Abkühluni
der unteren Platte eine Convection der ionisirten Luft nacJ
oben bez. unten zur Folge gehabt, welche eine Beschleuniguai
oder Verzögerung der Entladung mit sich gebracht hätte
derart, dass man kein rechtes Urtheil über den Einfluss de
thermischen Variation hätte gewinnen können. Bei meine
Anordnung zeigt aber eine infolge von Erwärmung der strahlen
den Substanz auftretende Beschleunigung der Entladung, ode
eine Verlangsamung derselben bei Abkühlung an, dass trot
der Convection eine wirkliche Variation des Strahlungsvermögea
eintritt.
C. Eigeneutladung uud Correction der zu beobachteten
Zeiten.
Die schon vorher erwähnte Selbstentladung des Elektro-
skopes musste bei den beobachteten Entladungszeiten selbst-
redend mit in Rechnung gezogen werden, um die wirklichen,
der Strahlung allein zukommenden Zeitwerthe zu ermitteln.
Bezeichnet a die Zeit der Eigenentladung des Instrumentes, t die
beobachtete Entladungszeit unter dem Einfluss der Strahlung,
1) J. Elster u. H. Geitel, Wied. Ann. 44. p. 722. 1891.
Beiträge zur Kenntniss der Becquerelstrahlen. 225
80 ist die allein den Becquerelstrahlen zukommende Entladungs-
I zeit X durch die Gleichung gegeben:
1 + ^ =-,
X a t ^
mithin ist
X = t -■'
a — t
I Vermittelst dieser Formel wurden im Folgenden die beob-
achteten Zeiten sämmtlich umgerechnet. Die Zeit a der EHgen-
! entladung des Elektroskopes wurde durch zahlreiche Versuche
fiir trockenes und feuchtes Wetter bestimmt. — Um auch zu
erfahren, ob dieselbe durch TemperaturdiflFerenzcn in dem Luft-
raum alterirt wurde, in dem sich die Strahlung geltend macht,
wurde unterhalb des Elektroskopkügelchens eine feine Platin-
spiraJe (Fig. l, JD) in das Gehäuse eingeftlhrt, welche zu einem
fiinge gebogen war. Durch diese Spirale wurde der Strom
eines Bunsenelementes geleitet. Infolge der Erwärmung des
Drahtes trat auch oberhalb des Knopfes Erwärmung der Luft
ßin, die in der Strecke zwischen dem Knopf und der über ihm
iiegenden DeckelöflFnung 35—43^ betrug. Die Zeiten der Eügen-
entladung sind für diese Fälle aus folgender Tabelle ersichtlich.
t
trockene Luft i feuchte Luft
20° 55—630; 20'
3
2
1
615 619
350 358
. 600
330
In dieser und allen folgenden Tabellen bedeuten die Zahlen
^ti der Reihe mit t die Temperaturen, in der Golumne vor
^em Verticalstrich stehen die Scalentheile, rechts davon die
^ntladungszeiten in Secunden.
Es zeigt sich somit, dass bei einer Erwärmung des
Strahlungsraumes keine wesentliche Aenderung der Eigen-
entladung eintritt. Auch bei feuchtem Wetter ist der Einfluss
desselben auf die Eigenentladung nicht erheblich.
D. Erwärmung und Abkühlung der strahlenden Substanzen.
Die untersuchten Stücke von üranpecherz wurden, nach-
^dem ihr Verhalten bei Zimmertemperatur beobachtet worden
Ann. d. Phjn, u. Chem. N. F. 69. 15
226
0, Behrendsen,
war, in einem Trockenschranke erwärmt; ein das Stück jedes-
mal berührendes Thermometer zeigte wohl mit ziemUcheri
Sicherheit die Temperatur, bis zu welcher das Pecherzstück
erwärmt worden war. Dasselbe wurde dann mit Watte be-
deckt auf die ElektroskophüUe über die Oeffnung gelegt und
zwar stets mit der nämlichen Fläche. Die Stücke III — IV
wurden ausserdem in einem Gasgebläse bis zum Rothglühea
erhitzt und dann hinsichtlich ihrer Strahlungsfähigkeit beob«
achtet. Jeder weiteren Beobachtung ging ein erneutes Glühen
des Stückes voraus.
Das Uranmetallstück wurde in ein weites Beagenzrohr
gebracht, in welches gleichzeitig ein Thermometer hinein-
gesteckt war; das Reagenzrohr wurde dann in heisses Gel ge-
taucht und gewartet bis das Thermometer die gewünschte
Temperatur anzeigte. Darauf wurde das Uranstück mit Watte
überdeckt auf die Elektroskopöffnung gelegt.
Um die Erwärmung des A[^-Sublimats vornehmen zu können,
wurde ein röhrenförmiges, 20 cm langes und 3,5 cm breites,
unten geschlossenes Gefäss aus Weissblech benutzt, welches
unten mit etwas übergreifendem Rande auf einen Tiegel passte.
So wurde auf die äussere Bodeufläche ein üeberzug von
Z-Sublimat niedergeschlagen. Zur Erwärmung wurde heisses
Gel in das Gefäss gegossen. Die strahlende Fläche erhielt
auf diese Weise (vielleicht bis auf eine geringe Differenz) die
Temperatur des Oeles.
Zur Abkühlung wurde für das Pecherz ein cylindrisches
Metallgefäss construirt, 20 cm im Durchmesser und 15 cm
hoch, in dessen Mitte ein kleineres, nur
6 cm im Durchmesser haltendes, und 5 cm
hohes Gefäss a eingefügt war. Durch den
Deckel desselben ging ein Toluolthermo-
meter für tiefe Temperaturen hindurch. Im
Boden dieser inneren Zelle befand sich
eine 2 cm grosse Oeffnung o, durch welche
die Strahlung hinaustreten konnte. In der
Zelle wurde ein Stück Pechblende nebst
einem Stück Chlorcalcium untergebracht; die BodenöffDung
wurde über die Oeffnung der ElektroskophüUe gestellt
Die Abkühlung wurde zunächst durch eine KältemischuDfc
Fig. 2.
Beiträge zur Kenntmss der Becquerehtrahlen. 227
salz und Eis, dann durch feste Kohlensäure besorgt,
er die innere Zelle umgeben wurde,
din Beschlagen der strahlenden Fläche thunlichst zu
1, wurde bei der Abkühlung mit fester Kohlensäure,
er die Temperatur des Uranpecherzes auf —63 bis
ik, der ganze Apparat in einen Olaskasten (kleiner
estellt, dieser überall möglichst luftdicht gemacht.
3ste eine Oeffnung zum Durchstecken der Hand ge-
rden, die indessen durch eine doppelte Sammetdecke
blossen und jedesmal nur wenige Secunden geöffnet
n dem Glaskasten befanden sich vier grosse, flache
mit Schwefelsäure, auch das Kühlgefäss mit der
le stand stets auf einer solchen; sie wurde nur auf
)Zeit von derselben abgehoben, während sie zurStrah-
achtung über das Elektroskop gesetzt wurde. —
die Strahlungsversuche mit abge-
Dranmetali und X-Sublimat wurde
zur Verhütung eines Beschlagens
lenden Fläche folgende Einrichtung
In ein grosses cylindrisches Stand-
1 Glas G wurde das Elektroskop E
i Glasfuss F gesetzt, welcher von
äure S umHossen war (vgl. Fig. 3).
3 Oeffnung des Standgefässes wurde
B von Gummizeug gebunden; in
ren durch zwei Löcher hineingesteckt
falls fest und luftdicht eingebunden,
ne dickere Glasröhre R, in welche
i Uranmetaii eingekittet war, sodass
ne, metallische Oberdäche U unten
te, zweitens eine ganz dünne Glas-
in die ein mit zwei Kügelchen
Platindraht eingeschmolzen war, zur
les Elektroskopes bestimmt.
der Urauröhre wurde das oben er-
•öhrenförmige Metallgefäss in den
3k eingefügt, als es sich um Abkühlungsversuche des
ates handelte, welches ja als Niederschlag auf der
Bodenfläche sich befand. In dieses Metallrohr, bez.
15*
^
' . .1.-.
- r-
--* —
Fig. 3.
228
0, Behrendsen,
m
die Glasröhre mit dem eingekitteten Uranmetall wurde
feste Kohlensäure hineingestopft — bei der X-Sublimatunte^^
suchung noch mit Aether vermischt — sodass die Temperatur
hier bis auf — 80^ sank. Vorher wurde jedoch der Apparat jedes-
mal 48 Stunden stehen gelassen, ehe er zur Messung gebraucht
wurde. E^ konnte dann auf ein völliges Trockenwerden der
Luft gerechnet werden.
£. Messungsresultate.
1. Uranpecherz.
Die einzelnen Stücke wurden stets bei ZimmertemperatiLac
(17 — 21^ untersucht, dann erwärmt beobachtet und wiederuna
erkalten gelassen, wobei oft mehrere Tage zwischen Erwärmung
und darauffolgender Wiederabkühlung lagen. Die hier mit>-
getheilten Zahlen sind Mittelwerthe aus einer ganzen Reih^
von gewöhnlich sehr gut untereinander stimmenden Zahlen. B^^
der Erwärmung der Pechblende auf 110 — 130^ wurde mei»^
ein leichter Geruch nach schwefliger Säure bemerkt; derselbe
steigerte sich zunächst beim Glühen der Steine erheblich, woba»i
dann ausserdem meist noch eine durch ihren EnoblauchsgerucK
sich verrathende Ausscheidung von arseniger Säure auftra^:^
Nach längerem Glühen verschwand beides.
a) Erwärmungen.
Stein I.
Stein IL
Stein TTT.
t
20<> 110* 18«
20^^ 110» 20^
20«
130» glühend
3
2
1
63 53 60
36 32 34
57 51 58
32 29 31
100
58
79 99 105 119
44 57 62 77
108
64
Stein IV.
3
2
1
20 <*
101
52
135® glühend
88
45
188
104
181
104
20 <> glühend 20'
142
75
162
80
90
51
Beitrete tvr Kenntniti der Becquereittrahlen. 229
Stein V.
*
IV 130«
16"
giahend
3
2
»2 BS
&B 44
»1 181
49 88
Stein VI.
206 213
104 111
2M
149
1 ' 19" 20" glüh. 20»
glfih. 21' gWh.
20" gWh, 20"
glah. 20»
'i 162
i\ 93
1
les 169 169
93 99 86
174 167 182
91 B8 100
167 189 191
M7 97 101
223 ise
113 89
b) Äbkflhlangeo.
Stein I.
t
+ 19»
-16°
-16»
-16,0"
-17"
-17"
+ 20»
s
60
64
66
65
69
76
67
I
1
34
40
39
77
86
62
40
Stein n.
i
IB"
lö»
-68"
-61-
-68' -58°
16»
16°
-57'
-65'
-66«
S
e
1
122
691
124
71
236
120
B20
128
215 195
121 H5
109
60
I2B
77
113
100
169
95
180
91
FOr diese letzte Beobachtungsreihe ist zu bemerkeD, dass
«abei die Ehitfemnug der strahlenden Fläche vom Elektroskop-
«Ügelchen grösser war als bei der ersten (Stein I).
Faeeen wir die in den obenstehenden Tabellen zum Ans-
drack kommenden Erscheinungen zusammen, so ist folgendes
hervorzuheben: Bei tieferen Temperaturen (—60") findet eine
anfi^lige Verminderung der Strahlungswirkung statt. Bei
darauffolgender Erwärmung auf normale Temperaturen (+20")
erbebt sie si<äi wieder auf ihre alte Intensität Findet eine
abermalige Steigerung um etwa 80 — 100" statt, so pflegt eine
Erhöbung der Strabtungsfähigkeit einzutreten. Dieselbe sinkt
aber bei einer Steigerung der Temperatur bis zum RothglUhen
230
0. Behrendsen,
nicht allein auf die alte Grösse, sondern oft noch wesentlich
weiter. Angesichts der Curie 'sehen Entdeckung lässt sich
vermuthen, dass heim Glühen der Pechblende eine Ausscheidung
der so viel radioactiveren Substanzen eintritt und hierauf da&
Herabgehen der Strahlungsfähigkeit beruht.
c) Convectionseinflüsse bei der Strahlung der Pechblende.
Durch die Erwärmung der strahlenden Substanzen mus^
eine Convection der ionisirten Luft nach oben hin zu Stande
kommen, welche eine Verlangsamung der Strahlungswirkung
zur Folge haben muss. Um über dieselbe wenigstens bis z^ia
einem gewissen Grade ein Urtheil zu gewinnen, wurde durcli
die oben erwähnte Platinschlinge (i>, Fig. 1) wiederum ein
Strom geleitet, während gleichzeitig eine Entladung durch die
Strahlen der Plechblende vorgenommen wurde.
Die Erwärmung der Luft im Strahlungsraume betro-g
ca. 40^. Dieser aufsteigende warme Luftstrom brachte daa.^
freilich bei längerer Bestrahlungszeit ein Erwärmen der strahler:^^-
den Fläche zu wege, ein Umstand, der möglicherweise seinei^r-
seits wieder eine beschleunigte Strahlung zur Folge hab^^
konnte, die der Convectionswirkung wieder entgegen wirk^^Ji
mochte. Andererseits könnte auch nach längerer Zeit iX3i
Elektroskopgehäuse ein Ausgleich der Temperatur und danB.:it
ein Aufhören der Convection auftreten.
Stein I.
/
20«
60
70
67
6S
63
65 6
•* mit Convection
3
4 62 61
61 62
64
63
62
2
35
40
38
38
37 36 33 33
34 33
34
36
35
1
1
■
Stein IL
'
t
3
1
T ~
1
20«
59° mit Convection
55
69 64
63
2
27
35 36
35
1
— —
—
Es tritt also zunächst beim Einsetzen der Convection
eine deutliche Verzögerung ein. — Allmählich geht dieselbe
I
i
Beiträge zur Keiintnüs der Becquerehtrahlen, 231
aber zurück, theils weil die Convection geringer wird, theil»
auch wegen eintretender Erwärmung der strahlenden Fläche,
obschoQ dieser letztgenannte Einfluss nicht erheblich sein kann.
2. Uranmetall,
a) Erwärmung.
Da die 15 mm im Durchmesser haltende Oeffnung im
£lektroskopgehäuse als zu gross für das Uranmetallstück sich er-
wies, wurde eine Bleiplatte mit einer nur 7,5 mm grossen
Oeffnnng daraufgelegt. Wegen der grösseren Bestrahlungszeit
boten die Beobachtungen hier eine gewisse Unsicherheit dar,
obschon nur die Entladung um einem Theilstrich (3 — 2) in Be-
tracht gezogen wurde. Folgende Tabelle giebt die beobachteten
Zeiten zweier Versuchsreihen, I nicht corrigirt, II corrigirt.
1 direct beobachtet II I corrigirt II
^ Ib^ 120« 130*> 150° '200 iöqo 15® 120* 130« IbO^ \ 20*^ 150»
S 153 120 130 137 ,180 178 iiSöl 218 254 274 | 558 514
Es lässt sich aus diesen Zahlen eine ganz sichere Ver-
itiehrung der Strahlungswirkung zwar nicht entnehmen, doch
glaube ich mich ohne weiteres nicht zu dem Schlüsse be-
rechtigt, dass bei dem regulinischen Uran infolge der Er-
wärmung eine solche nicht einträte. Man könnte sich vor-
stellen, dass bei den langen Entladungszeiten eine Convection
der erwärmten, ionisirten Luft sich besonders fühlbar macht
und die etwaige Erhöhung der Strahlung ausgleicht. — Bei
den Versuchen mit Uranpecherz wurde ja dieser Convections-
eintiuss thatsächlich gefunden. Die entsprechenden Versuche
mit Uranmetall zeigten keine Verlangsamung durch Convection.
Es scheint eben bei der verhältuissmässig grossen Dauer der
Entladung eine so complicirte Wechselwirkung zwischen Con-
vection, Erwärmung der strahlenden Fläche und Eigenentladung
des Instrumentes aufzutreten, dass eine sichere Beurtheilung
der Erscheinungen einstweilen nicht möglich wird. Indessen
möchte ich doch aus dem Umstände, dass 1. eine Zunahme
der Entladungszeit bei der Strahlung des erwärmten Uran-
metalles nie wahrgenommen wurde, 2. eine deutliche Verlang-
282
0, Behrendsen.
samung der Entladung infolge künstlich eingeleiteter Convection
sich bei Uranpecherz zeigt, den Schluss nicht für unberechtigt
erachten, dass auch bei Uranmetall eine, wenn auch nicht er-
hebliche Erhöhung der Strahlungswirkung bei gesteigerter
Temperatur des Metalles auftritt.
b) Abkühlung.
Hier wurde ebenfalls nur die Entladungszeit um einen
Sealentheil (3 — 2) beobachtet. Die Temperatur der strahlen»
den Fläche lässt sich nicht bestimmen; doch mag sie, da di&
feste Kohlensäure im Oefässe die Temperatur von —62^ be*
sass, immerhin auf etwa — 50^ geschätzt werden.
t
19®
circa — 50
3
2
615
677
660 657 502
677
758
Es tritt zunächst eine, wenn auch nicht sehr erheblich
Verzögerung auf, die wohl sicher der Abkühlung zuzuschreiben
ist, dann infolge gesteigerter Convection (nach unten) ein Aus^
gleich zwischen Convectionsbeschleunigung und Strahlung^
Verminderung, endlich nach Aufhören (bez. Abnahme) der Coim.
vection eine wieder hervortretende Verlangsamung.
S. JC-Sublimat.
a) Erwärmung.
21® 125'^ 118<> 100« 96°
8
2
1
52
33
46
30
47
28
44
27
49
31
Diese Zahlen wurden bei Anwendung der engen Oeffiiung
(7,5 mm) beobachtet. Bei Anwendung der weiten Oefifhung
(15 mm) konnte nur die Entladung um das Intervall von zwei
Scalentheilen (3 — 1) beobachtet werden. Bei 21 ^vollzog sich
diese Entladung in 11,2 sec. Bei einer Erwärmung der strahlen-
Fläche auf 100^ vollzog sich die Entladung schon in 10 sec.
Es nimmt also in beiden Fällen die Intensität um 9 — 10 Proc,
zu. Allerdings ist hierbei die Convectionsverzögerung nicht
berücksichtigt. Um von dem Einflüsse derselben auch hier
Beiträge zur Kermtniss der Becquerelstrahlen. 283
«n Bild zn erhalten, wurde wieder die oben erwähnte strom-
dorchflossene Platinspirale benutzt. Die Erwärmung im
Strahlungsraum betrug im Mittel 33^.
Anfangs trat Zunahme der Entladungszeit ein. Durch Ab-
nahme der Convection und auch durch Erwärmung der strahlen-
den Fläche geht diese Verlangsamung wieder zurück. Wurde
in das Gtofäss (dessen äussere Bodenseite den radioactiven
Niederschlag trägt) eine genügende Menge Wasser von Zimmer-
temperatur gegossen, sodass eine Erwärmung seitens des auf-
steigenden, warmen Luftstromes ausgeschlossen war, so blieb
die Verzögerung fast constant.
t
21«
Convection 54®
Conv. +540, strahl. Flache +21^
3
2
1
46
27
57 50 49
82 28 29
55 55 55 58 55
32 29 29 29 29
b) Abkühlung.
t
20 0
- 81 bis - 76®
3
46
59
57 59 56 53
46
42
2
25
34
33 33 32 30
28
27
1
—
—
— — — —
—
I
Eine deutliche, anfängliche Verzögerung wird durch fort-
^hreitende Convection ausgeglichen.
F. Kurze Uebersicht der beobachteten Erscheinungen.
Bei UranpecJierz tritt ein Einfluss der Temperatur auf
die Strahlung besonders deutlich hervor. Bei Abkühlung auf
— 50 bis — 60^ eine Verminderung der Strahlung, bei Er-
wärmung auf Temperaturen von 100^ — 130 eine Erhöhung
der Intensität. Ein Rothglühen der Substanz bringt ein er-
hebliches Zurückgehen der Strahlung mit sich. Hierbei treten
augenscheinliche, chemische Zersetzungen auf.
Uranmetall zeigt zwar auch eine Abnahme der Strahlung
bei tieferen Temperaturen (—50^?), eine Erhöhung der In-
tensität bei Erwärmung lässt sich nicht ganz sicher beob-
achten, ist aber unter Berücksichtigung der Convections-
wirkungen nicht unwahrscheinlich.
234 0. Behrendsen,
Bei dem X-Sublimat tritt die nämliche Temperatnrbeein-
flussung auf wie bei dem Uranpecherz.
G. Schlussbemerkungea
Das Uranpecherz scheint ein Körper zu sein, dessen^
Molectile die Atome des Urans, der Curie'schen Elemente (?^
des Sauerstoffes und anderer in wahrscheinlich instabiler Ver^
bindung enthält. Die langsame Umwandlung in einen stabilereix.
Zustand ist Quelle der Strahlungsenergie. Durch thermische
Variation wird dieser Umwandlungsprocess beeinflusst.
Vielleicht kann dies Verhalten mit dem der bekannteK^
Balmain'schen Leuchtfarbe und sonstiger verwandter Sub«
stanzen verglichen werden, deren Phosphorescenz durch eia^
ähnliche Annahme erklärt wird. Auch hier ist eine deutlich.«
Beeinflussung der Strahlung durch die Temperatur zu be-
merken (Thermoluminescenz), d. h. eine Erhöhung der Irk-
tensität der Strahlung durch Erwärmung (schon durch die
Hand), Abnahme durch Abkühlung, völliger Erlöschung b^i
sehr niedrigen Temperaturen (flüssige Luft). Gleichgültig ist
es für diese Analogie mit dem Verhalten der Pechblende, ol
der instabile Zustand schon lange Zeiten hindurch bestanden
hat (wie beim Uranpecherz) oder erst durch Belichtung hex"-
vorgerufen wird, wie bei der Leuchtfarbe, und dann verhälti-
nissmässig schnell unter Abgabe von Strahlungsenergie rück-
gängig gemacht wird.
Beim Uranpecherz, welches doch seit langen Zeiträumen im
Schosse der Erde geruht hat, scheint es freilich schwer begreif-
lich, dass der stabile Zustand noch immer nicht eingetreten ist
Das Ehepaar Curie ^), sowie die Herren Elster und
GeiteP) sind der Ansicht, dass bei der Becquerelstrahlong
kein Chemismus mitspiele, sondern dass sie, weil eben die
Strahlungstähigkeit allen Verbindungen zukomme, eine Atom'
eigenschaft der strahlenden Elemente sein müsse. Das ÄUm
eines radioactiven Elementes sei nach Art der Molecüle einer
instabilen Verbindung gebaut, derart, dass es unter Energie-
abgabe in einen stabilen Zustand übergehe.
1) P. Curie u. Mn^e Curie, Compt. rend. 127. p. 1225. 1898.
2) J. Elster u. H. Geitel, JÄhresber. d. ver. Naturw. Braun-
scbweig. 1899.
t
Beiträge zur Kenntniss der Becqucrelstrahlen, 235
L Gegen diese Ansicht scheint mir vor allem zu sprechen,
dass die Annahme eines instabil gebauten ,,Atomes'^ nicht
mit dem Atombegriflf als solchem vereinbar sein dürfte. Auch
würde es, wenn jeder Chemismus ausgeschlossen wäre, nicht
verständlich sein, wie eine Verbindung des Urans, etwa des
ürankaliumsulfat, welches nach Elster und GeiteP) sogar
iichibore Strahlen abgiebt, so wesentlich höhere Strahlungs-
intensität besitzen sollte, wie das metallische Uran selbst,
wenn eben nur das Uranatom als solches Quelle der Strahlungs-
energie wäre. Diesem Einwurf begegnet die Annahme, dass
derartige Verbindungen eben nicht reine Uranverbindungen
seien, sondern neben Uran noch radioactivere Elemente ent-
^'elten, etwa Polonium oder Radium und dass auf die Atome
dieser StoflFe die erhöhte Strahlung zu schieben wäre.
Hätte man die Strahlung der vier radioactiven Elemente
'Wirklich schon genau untersucht und sie mit der ihrer sämmt-
^^hen Verbindungen verglichen, und hätte es sich dabei er-
8^ben, dass keine der Verbindungen wirksamer wäre als das
^ ihr enthaltene Element — dann stünden die Chancen für
^ine Negirung des Chemismus und für die „Atomtheorie" etwas
ßünstiger. Thatsächlich aber wissen wir noch sehr wenig davon.
Nur bei dem einzigen Uranmetall ist bislaug die Strahlung be-
obachtet und diese ist verhältnissmässig gering. Die Elemente
Stadium und Polonium sind noch nicht dargestellt.
Sollte sich aber das von mir eben präcisirte ünter-
Suchungsresultat wirklich ergeben, so braucht auch dann noch
nicht an ein labil gebautes Atom gedacht zu werden.
Immer bliebe noch die Vorstellung (die an Bekanntes
anknüpft), dass die Atome der radioactiven Elemente die
Fähigkeit besässen, miteinander und auch mit fremden Atomen
zu instabil gehaxiten Molecülen zusammmen zu treten. — Ich
erinnere an die offenbar labilen Molecüle mancher AUotropien
von bekannten Elementen (Schwefel, Selen).
Eine thermische Beeinflussung wäre mit dieser Annahme
wohl zu vereinbaren.
Göttingen, August 1899.
3) J. Elster u. H. Geitel, I. c.
(Eingegangen 10. August 1899.)
•
18. MafftietiBirv/ngazahlen anorganischer Ver-
hi/ndungen; van Stefan Meyer.^)
(HIem TAf. U.)
Nachdem ich vor kurzem die Susceptibilitätscoefficienten
zahlreicher Elemente bestimmt habe*), habe ich nun in gleicher
Weise mittels der Waage eine Reihe anorganischer Verbin-
dungen in Pulverform untersucht, wobei wieder Quecksilber
als Bezugssubstanz diente.
Die angewandte Methode giebt freilich nur vollständig
richtige Resultate, solange die Substanzen, welche im Gläschen
in das Feld hineinhängen, selbst schwach magnetisch sind und
die magnetische Kraftlinienvertheilung nicht wesentlich ver-
ändern. Bei stärker magnetischen Körpern wird das Feld
wohl etwas geändert, ich habe aber dennoch bei einigen Sub-
stanzen, wie den Verbindungen von Erbium, Gadolinium etc.
dieselbe Anordnung beibehalten, in der Ueberzeugung, dass
die eventuellen uncontrolirbaren Verunreinigungen der Sub-
stanzen von weit grösserem Einflüsse sein können, als die
durch die Versuchsanordnung bedingten Fehler.
Die Susceptibilitätscoefficienten der stark paramagnetischen
Verbindungen machen sonach bezüglich ihrer absoluten Grösse
keinen Anspruch auf völlige Genauigkeit, doch genügen eben
bei diesen Substanzen die Werthe auch ohne diese Ekactheit,
um ein deutliches Bild ihres magnetischen Wesens zu er-
halten.
Bei der Auswahl des Versuchsmateriales habe ich in
erster Linie die Oxyde, Sulfide und Halogenverbindungen,
d. h. Verbindungen aus bloss zwei Componenten berück-
sichtigt, dann aber auch complicirtere Salze untersucht. Die-
#selben wurden zum Theil von Merck- Darmstadt bezogen.
1) In Betreff der von früheren Forschern erhaltenen Resultate,
soweit sie nicht citirt sind, sei auf die Elektricitätslehre von G. W lede-
rn an n verwiesen.
2) St. Meyer, Wied. Ann. 68. p. 325. 1899.
t
MagnetUirungszahlen anorganischer Verbindungen. 237
I
theils mir freundlichst von den Herren Prof. F. Exner-Wien,
ll Prot 6. Goldschmiedt-Prag und Prof. M. Bamberger- Wien
überlassen. Einige besonders reine Präparate aus der Gruppe
der seltenen Erden verdanke ich der Liebenswürdigkeit des
Hm. Prof. B. Brauner-Prag, einige Kupferverbindungen Hm.
K Murmann-Wien. In der Zusammenstellung bedeuten in
der letzten Rubrik die Anfangabuchstaben M., E., 6., B., Br.
luid Hu. die Herkunft.
Die folgenden Tabellen enthalten zunächst das gesammte
gewonnene Material nach den Elementen, aufsteigend mit dem
Atomgewicht, geordnet. In denselben bedeutet /i das Molecular-
gewicht, g die zur Verwendung gelangte Gewichtsmenge Sub-
stanz in Grammen, a die Anzahl von Grammen, die bei
Speicher Raumerfullung auf 1000 cm^ kämen, n die Zahl der
G^rammmolectile im Liter; femer ist p der direct an der
^aage abgelesene Zug in Grammen, x die Magnetisirungszahl,
^ der Molecularmagnetismus für ein Grammmolecül, beide
'^tzteren Werthe in absoluten Einheiten, und t die Versuchs-
^mperatur.
Die Feldstärke betrug in allen Fällen mnd 10000 (C.G.S.).
Bei Stickstoff, Sauerstoff und den Halogenen sind die
Verbindungen nicht unter diesen Elementen, sondern vertheilt
t>ei den zweiten Bestandtheilen eingetragen.
Beifügung eines Stemes * zur Formel besagt, dass die
Substanz vor der Messung über Schwefelsäure getrocknet wurde,
Kwei Sterne ** bedeuten, dass die Verbindung in Form kleiner
Kryst&llchen vorlag. Ein Fragezeichen deutet an, dass ver-
muthlich Verunreinigungen das Resultat beeinflusst haben.
Substanz
/*
9
a
n
P
x.lO«
ik.lO«
- 0,009
t
2(f
«1
Li,0
20,1
0,795
753
37,5
-0,0120
-0,350
M.
LiCl*
42,5
1,020
973
22,6
-0,0154
-0,449
-0,020
17
B.
Li,CO,
74,0
/0,817
)0,519
788
494
10,7
6,7
- 0,0069
-0,0041
- 0,230
-0,119
- 0,022
-0,018
15
16
E.
G.
Li^SO^*
110,1
1,430
1362
12,4
-0,0164
-0,478
-0.039
15
G.
LijSO^ \
+ H,0'*J
128,2
1,053
1005
7,8
-0,0114
- 0,338
-0,043
17
M.
LiNO,
69,1
1,046
991
14,3
-0,0135
-0,367
- 0,026
19
B.
238
St. Meyer.
Substanz
/*
9
a
n
P
x.lO«
^^10•
1
Her-
kunft
BeO
25,1 i0,242
' 1
230 9,2
±0 |±0
±0
16«
G.
BeÜJI,
43,1 j0,334
318
7,4
±0 1±0
±0 16
G.
BeCJ,
79,8; 1,020
983 i 12,3
-0014
-0,463
-0,038 17 j M.
BeCO, C?)
69,1 ,0,375
357 5,2
+ 0,0031
+ 0,000
+ 0,017 j 16 i G.
BeCO,.2BeO
119,3*0,207
197
1,7
-0.0020 1 -0,058
- 0,035
15 JE«)
BeSO/
105,2
0,9475
906
8,6
-0,0108 -0,326
- 0,038
18 ' M.
BeSO^ 1
+4H,0**J
177,2
0,815
780
4,4
1
-0,010 t-0,314
1
-0,071
1
17 ' M.
1
B»0,
70
1,026
977
14,0
-0,014
-0,418 1 -0,030
14
G.
B4AI. (?)
98,2
0,776
740
7,5
+ 0,218
+ 6,4 +0,86
15 1 G.
BN
25 0,202
400
16
±0 ±0 \±0
15 G.
B(OH),*
62
0,74«
710
11,5
-0,010 ' -0,293 '-0,026 j 16 B.
NaOH*
40,1 ; 1,002
954
28,8
-0,0155 -0,451
-0,019
17
B.
NaFl
42,1 1,415
1285 30,5
-0,015
-0,502
-0,017
21
M.
NaCl**
58,5 11,346
1288 |22,0
-0,0174
-0,521
-0,024
19
B.
NaBr*'
103 .1,424
1 356 13,2
-0.0174
- 0,506
-0,038
18; B.
NaJ**
150 1,934
1833; 12,2
-0,0106
-0,572 -0,047
21 ' M.
Na^CO,
Na,CO, 1
+ 10H,O»*J
106,1
0,748
716
6,8
-0,00^4 -0,132 '-0,020
; 1
17 M.
286,3
0,946
905
3,2
-0,0140 -0,420
-0,133; 17, M.
MgO
40,4
0.238
274
6,8
-0,0018
-0,055
- 0,008
17 B.
MgCl,
MgCl, 1
+ 6H,0**J
95,3 0,9545
913 9,6
1
-0,0140-0,420
1
- 0,044
18 M.
203,3
0,8015
766
3,8
r
-0,0115 1-0,347 '-0,092
18- M.
1
MgBr,'*
184,3
1,050
995
5,4
-0,0154 1-0,449 -0,083
20 M.
MgCO,
84,4
0,997
950 11,3
1
-0,013
-0,381
-0,034
15 G.
MgSO,
MgSO, 1
+ 7H,0**)
120,4
0,987
944' 7,8
-0,0110
-0,340
-0,043:18 M.
240,5
0,879
840 3,4
1
-0,010 -0,303 -0,089 20 M.
:
AI,0,
102,2
0,743
708 6,9
1
-0,0095 -0,279 --0,040
14; M.
AlCI,*
133,2 =0,9093
876
6,6
-0,012« -0,416 -0,063
19
E.
AlBr,
257,0-1,232
1168
4,54
-0,010 -0,289
- 0,064
19
M.
A1,B,(?)**
98,2 0,77«
740
7,5
+ 0.21« +6,4
+ 0,86 15
G.
AU(SO,),
342,5
0,989
946
2,8
-0,012
-0,361 1
-0,130 1
18
M.
1) Besonders rein, stammt von Hrn. L. F. Nilson und trftgt die
Notiz: gereinigt von Krüss.
MoffnetUiningszcthlen anorganischer Verbindungen. 239
k Substanz
/*
9
a
n
P
x.lO«
it. 10«
1
t
1
Her-
kunft
SO, ')
60,8
1
0,0748
1
72 1,2 -0,0004
-0,012
-0,01 15 1 G.
ao,«,
60,3
1,302
1254 20,8 -0,0012
-0,086
-0,004
15 1
SCa(?)
91,5
0,795
766 8,4 +0,0451 +1,492
+ 0,178 15 M.
P,Cn,
252,8
1,341
2680 10,6
-0,010 1-0,50
- 0,047
18
Mu.
f.o. •)
H2
0,4359
415' 2,9
-0,0051 -0,149
-0,051 18 B.
95,7
/1,706
10,930
1631
886
17,0
9,3
+ 0,3026
+ 0,054
+ 9,07
+ 1,572
+0,532 18' M.
+ 0,170 15 G.
SCu,
159,3
2,935
2665
16,7
-0.0115 -0,388
-0,023 18 Mu.
8« As,
246,2
2,190
2086
8,4
-0,0014
-0,041
-0,005 18
M.
S,Mo
192,2
f 0,8 11
)1,470
772 4,0
1400' 7,3
-0,007
-0,0123
- 0,205
-0,361
-0,051 16
-0,050 15
B.
G.
150,6
2,393
11,268
2279 15,1
1208: 8,0
+ 0,270
+ 0,0016
+ 7,85
+ 0,227
+ 0,519! 15
+ 0,026 15
G.
M.
6Ba
169,4
1,736
1653 9,8 -0,014
-0,410 -0,042 1 18
B.
8Hg
232,4
2,914
2775
12,0-0,016 -0,465
-0,039 16
G.
KPl
58,2
1,271
1205
20,7
-0,015
-0,437
-0,021 ! 21
M.
KCl
74,6
1,245
1186
15,9
-0,0194
-0,566
-0,035 ' 17 B.
KBr
119,1
1,626
1477 12,4
-0,0155
-0,515
-0,042 18
B.
KJ
166
1,742
1666 10,0
1
-0,0174 -0,521
-0,052! 17
1
M.
CaO
56
1,287
1226 '21,9
-0,0105 -0,310
-0,015' 16
B.
Ca(OH),
74
0,752
716' 9,5
-0,0094 -0,275
-0,029 1 16
B.
CaFl,
78
1,173
1111 14,2
-0,011 1-0,320
-0,023 19
M.
CaCI,
110,9
1,240
1184 10,7
-0,0149-0,442
-0,043' 17
M.
CaCl, \
+ 6H,0**J
218,9
1,115
1067 4,9
-0,0154 !- 0,461 -0,094 . 17
M.
CaSO^
136,1
1,227
1173 8,6
-0,0115-0,447.1-0,052 17
1
M.
CaSO^ \
+ 2H,0 J
172,1
0,836
800
*,i
1
-0,0094 1-0,290
-0,062! 17
M.
Sc,0, *)
136,2
0,081
1 ■ ! 1
185 1,4 1-0,0001 i- 0,006 -0,004 ■ 17
E.
Sc(NO.), *)
230
0,03
±0
±0 1
±0
21
E.
1) Künstlich. 2) Natürlich.
3) Hier, wie bei einigen anderen hygroskopischen Substanzen wurde
das Gifischen mit einem kleinen Korke zugestöpselt und bei der Be-
stimmung von p der magnetische Werth des Stöpsels entsprechend
berücksichtigt
4) Vgl. St. Meyer, Wied. Ann. 68. p. 331. 1899.
5) Formel unsicher, die Substanz ist sehr hygroskopisch, wurde aus
der vorhergehenden gewonnen.
240
St. Meyer.
Substanz
/*
9
\ a n
+
P \ i
IC. 10«
1
k.lO«
t
all
TiO,
80, li 1,000
_. ....
952ill,9
0,0126
+
0,37
+
0,031 15
M.
Ti,oC,Na(?)
617,8
2,472
2843| 3,80
!
+ 14,49
+420,9
+ 117,5
20
E
v,o.
182,4 1,785
1692
9,28
+
0,055
+
1,60
+
0,173:20
' 1
B.
VOsNH,
117,3
0,821
782
6,7
+
0,0022
+
0,064
+
0,010 15
G.
Cr,0,
152,2
1,8115
1725
11,3
+
1,408
+
41,0
+
8,62
17
B.
CrO.H,**
118,l| 1,185
1129; 9,6
+
0,0214
+
0,623
+
0,065
17
B.
CrCI,
133,0] 0,710
685
5,2
+
0,975
+
31,8
+
6,18
19
M.
CrjCl,
210,6
1.136
1032
4,9
+
1,0625
+
35,48
+
7,24 18|M.
1
MnO,
87
2,078
1979
22,6
+
1,846
+
53,75
+
2,38
1
17 R
FeO»)
72
0,612
860
12
+
157
+ 6474
+ 540 17 E.
Fe.O,
160
f0,542
10,939
519
890
3,2
5,6
+
+
1,963
4,42
+ 56,9
+ 128,8
+
+
17,6 18 E.«)
23,0 21 M.
FeSO^ 1
+ 7H.0
278,1
1,135
1076' 3,87
+
1,60
+
46,5
+
12,0 19
1
M.
CojO,
166
1,563
1482 8,9
+
2,17
+
62,9
+
1
7,05 '21: M.
C03O4
241
2,288
2179: 9,0
+
6,70
+ 195,0
+
21,6 15 B.
NiO
74,7
0,691
655
8,8
+
1,04
+
30,1
+
8,44 21 |M.
Nl,0,»)
165,4
2,475
2357
14,3
+
0,763
+
22,2
+
1,55
15 B.
CuO (?)
79,6
0,981
934
11,7
+
0,0986
+
2,90
+
0,247
16 M.
Cu,0 (?)
148,2
1,733
1650
11,5
+
0,0416
+
1,21
+
0,105
16 M.
CuS (?)
95,7
n,706
io,930
1631
886
17,0
9,3
+
+
0,3026
0,054
+
+
9,07
1,572
+
+
0,532
0,l70i
18 M.
15' G.
Cu,S
159,3: 2,935
2665|16,7
—
0,0115
—
0,388
—
0,028;i8 Ma.
CuSi (?)
91,5' 0,795
766 8,4
+
0,0451
+
1,492
+
0,178
15,11
CujSe
206,3| 3,393
3082 14,5
—
0,0135
—
0,450
—
0,081
18,
Mu.
Cu,P,
252,8! 1,341
2680
10,6
—
0,010
—
0,50
—
0,047 18
Mu.
CuClg 1
+ H,0(?)(,
170,5; 1,434
1371
8,0
+
0,2766
+
1
8,29
+
1,031
1
1
17
M.
CuBr, (?)
223,5 2,624
2509
11,2
+
0,204
+
6,13
+
0,546
18 M.
1) Die Messungen in dieser Gruppe sind durch die eingangs er-
wähnten Mängel der Versuchsanordnung stark beeinflusst, doch haben
die Werthe mit Rücksicht auf die Vergleichbarkeit mit den übrigen stark
miigneti sehen Substanzen hier Platz gefunden.
2) Durch starkes Glühen an der Luft aus dem FeO erhalten, welches
besonders rein war.
3) Vermuthlich ein Gemenge verschiedener Oxyde.
Mapnetinrungszahlen anorganischer Verbindungen, 241
1 Substanz
445,3
159,7
9
1,954
1,336
a
n
+ 0,055
+ 0,222
1
x.lO« i ik.lO«
i -
+ 1,601 1+0,383
+ 6,47 1+0,81
1
t
SC j4
CaClj.SCuOl
+ 4H,0(?)|
CaS04 (?)
1861 .4,2
1272 8,0
1
18 B.
13 ;G.
CoSO^ \
+ 5H,0(?))
249,7
1,378
1313 5,2
+0,208
+ 6,23 1 + 1,19
18 |M.
ZoO
ZnOjH,
ZnBr,
81,4
99,4
225,3
1,567
1,326
2,025
1492 18,3
126913,8
1919 8,52
1-0,0132
-0,0194
-0,021
1
- 0,3881-0,021 , 16 B.
- 0,583-0,042 j 18 B.
- 0,613 -0,072 19 B.
' 1 1
HS,
198
246,2
2,522
2,190
2402 12,1
20861 8,4
-0,017
-0,0014
- 0,494 -0,042
- 0,041-0,005
18 M.
18 'M.
SeCu,
206,3
129,1
3,393
2,098
3082 14,5
1998 15,5
1
-0,0135
-0,019
- 0,450! -0,031
- 0,55 -0,036
18 Mu.
18 B.
RbCl
120,6
1,002
1293 10,3
1
-0,010
- 0,381-0,037
19 M.
SrO
SrO^-
SrFl,
SrCl,
SrBfj
SrJ,
103,6
103,6
125,6
158,5
247,5
341,3
1,032
1,259
1,642
1,246
1,851
1,770
983i 9,5
1193111,5
155612,4
1132i 7,1
1754! 7,1
1678 4,92
-0,0159
-0,019
-0,014
-0,015
-0,019
- 0,020
- 0,463-0,049
- 0,550-0,048
- 0,408,-0,033
- 0,502 -0,070
- 0,5541-0,078
- 0,5821-0,118
18 B.
20 B.
19 M.
20 M.
19 iM.
19 Im.
YCl,
226
195,2
fl,1796
10,303
1,189
1137 5,03 +0,1745
288 1,28+0,115
1146! 5,4 +0.5146
1
+ 5,77 +1,15
+ 3,34 +2,61
+ 17,02 +3,18
15 Br.')
20 B.
17 M,
Y,(CO,), 1
+ 3H,0 J
412
0,393
372' 0,90j +0,073
1
+ 2,70 '+3,0
20 B.
1
1
ZrO,
ZrCNO«), 1
+ 5H,0«))
122,4
428,8
2,5336
fl,337
11,405
2441 19,9
12891 3,0
1354 3,16
-0,0020
-0,0064
-0,0070
- 0,066 -0,003
- 0,21l' -0,070
- 0,232' -0,073
1
l5iBr.>)
18 E.
16 Br.
1
Nb,0,
268
0,1846
613| 2,3
■
-0,0010
- 0,051,-0,022
1
20 M.
1
Mo,0,**
MoO^U,*»
MoS,
240
162
192,2
1,455
1,249
ro,8ii
11,470
1386
1190
772
1400
5,8
7,3
4,0
7,3
-0,0076
- 0,0004
-0,007
-0,0123
- 0,39 !- 0,067
- 0,012-0,002
- 0,2051-0,051
- 0,361-0,050
16 |G.
14 |G.
16 ,B.
15 ,G.
1) Vor der Messung im Platintiegel frisch geglüht.
2) Die Formel ist nicht ganz sichergestellt.
Ami. d. Phyi. u. Chem. N. F. 69. 16
242
St. Meyer.
Substans
^
9
1
a ; n
1
P
1
x.lO*
kAO^ i
OC Her-
kunft
*
AgCl**
143,4
2,462
.234516,4
-0,0226
- 0,658
-0,040
17
AgBr
187,5
2,444
235512,6
-0,0184
-0,610
-0,049 1 19 IE.
AgJ
234,8
2,651
2512 10,7
- 0,0260
-0,726
-0,068 ' 19 M.
1
CdO
128
2,881
2791 21,8
-0,023
-0,670
-0,031
15
B.
CdCl,
182,9
8,180
3040
16,6
- 0,0254
-0,761
- 0,046
18 |E.
CdBr,
271,9
1,912
1828
6,7
-0,0184
- 0,552
- 0,082
18 ;E.
CdJ,
365,7
2,884
2758' 7,5
1
-0,0896
-0,675
-0,090
18 ;E.
InCl«
219,8
0,8660
990 4,5
- 0,0084
-0,310
- 0,069
18
M-
In,S,
324,2
0,136
530 1,64
-0,0014
-0,080
- 0,049
20
B-
SnO
134,5
1,818
1727 12,9
-0,0054
-0,158
-0,012- 17 M.
SnO.,
150,5
2,083
1984! 13,2
- 0,0028
- 0,082
-0,006 1 15
G.
SnjOs
285
2,411
2296 8,1
-0,0214
-0,614
-0,076] 16
G.
/^ r^ ^cw
•« fer /v /i
|2,393
11,268
227915,1
+ 0,270
+ 7,85
+0,519! 15, a.
SnS (?)
150,6
1208 8,0
+ 0,0016
+ 0,227
+ 0,026 ' 15 Bi-
SnCl,
189,4
1,217
1159
6,1
-0,0114 1-0,334
-0,055
18 jB.
SnJ^**
372,2
1,726
1644; 4,4
- 0,006
-0,176
-0,040
15 i&.
SnSO*
214,6
2,080
1989 9,3
-0,0154
-0,461
-0,050
18
M.
Sb,Os
288
2,412
2297
8,0
-0,0114
-0,384
-0,042
14
B.
TeO,
159
1,737
2069^13,0
-0,0064
-0,230
-0,018
18
B.
TeOa (?)
175
1,207
1150, 6,6
+ 0,058
+ 1,679
+0,256 17 j G.
TeOsH,
177
2,813
2679 15,1
-0,0174 -0,506
-0,034
15 6.
TeO^H,
19.S
1,962
1876 9,7
-0,0214.-0,642
- 0,066
18 B.
CsCI
165,5
1,744
1680,10,0
-0,014
-0,47
-0,047
17 M.
C8,(S04) \
+Al,(S04),*j
704,6
1,381
1268, 1,80
-0,0174
- 0,506
-0,281
15. G.
1
C8,(S0«) 1
1
+ A1,(S0«), [
1137,1
1,084
1032 0,91
-0,0138
-0,404
-0,444
14 G.
+ 24H,0"I
■
BaO
153,4
2,515
2285il4,9
-0,008 1-0,236
-0,016 20
M.
^^ y^ y^^^
(1,297
11,6745
1235 7,3
+ 0,0086
+ 0,252
+0,085 18
B.
BaOs (?)
169,4
1601 9,45
+0,009
+ 0,270
+0,029
18 IM.
Ba(OH),
171,4
1,536
1470 8,58
-0,0120
-0,361
-0,042
18 !M.
BaFl,
175,4
2,183
2070 11,8
-0,009
-0,260
-0,022
19 'M.
BaCl^'
208,3
2,140
2046 9,8
-0,0217 -0,648
-0,066 17
M.
+ 2H,0** j
244,3
1,910
1826
7,1
-0,0184
-0,552
-0,078
17
Magnetitirungazaklen attorganUcher Verbindungen. 248
, x.io' ' t.iü» ( 's g
UCI,'
^- 2 (NH,)NO,*
CeO,
CeCI,'
-t- 2(NH0NO,'
PfCI,
>ld,0,
NdiNO.),
+ 2(NHjN0,'
Nd(NOA
+ 2(NH,)N0,
+ i H,0-
DiCI,-
2,191 i2on;7,0 l-0,0220i- 0,688:-0,091| SOiM.
2,27S '21ö4|5,04 -0,022 ,- 0,6381-0,127: Is'm.
1,186 'ie53| »,8'-0,014 j- 0,410,-0,042, 18|B.
I ' I ' I ! I
(1,027 |U47<,5 1+0,0024.+ 0,098, +0,0231 | ^
(l,024 14434,4 ,+0,0027 + 0,111! +0,025!r* ^'■■
1,278 ,12310,0 1+0,1626,+ 5,38 1 + 1,07 ' IB.E.
I I i
1,31ÜG, 1268.2,7 ,
■ 0,2971-0,108, IftlE.')
ra 1,760 |noo,n,9 +0,0034 + o,ii3|+o,oii 15 Br.
(6,2 1,117411077.4,4 [+0,15731+ 5,20 j + 1,19 ! 19|M.
)0 0,750 I 714'l.B '+0,175 '■+ 5,10 [ + 8,28 | 15iG.
iO 1,072 ;1016;3,9 [ + 0,094 ,+ 2,73 ,+0,698; 20[B.
i3,3 1,252 |U87;2,1 '+0,264 |+ 7,68 +3,68 ' 20,B.
;8,3' 1,345 [l296|2,B +0,12961+ 4,28 [ + 1,53 , 16|E.
12 t,3e82'l319 1,96| + 0,512 j + 16,95 +8,64 | 15:Br.*)
18,4 0,226 i 697 1 2,83] +0.194 ,+ 9,52 +3,36 | 19|E.*)
i- < I , < I
}6 0.302 I 524il,56l+0,29ll' + l3,e8 ,+8,9 16 Er.')
»,4i 1,3205 n99!2,45[ +0,3125, + 10,43 ' + 4,27 , 18.E.')
}|562,4'
,166 |1059l,88
i , I I
!248,3i 1,S95 |l344!5,4
+ 0,220
+0.331
+ 7,345+3,90
+ 10,93 1+2.02
18 EL*)
15 M.')
1) Die zweite Angabe bezieht Bich ouf nnmittelbar vor der MessuDg
Docbmala im l'Uniiitiegel frisch f;enliilil" Substanz (weiaaea Pulver).
2) Diese Wabs lau z wuniy Vöti deu Herren F. Kiner und E. üascbelc
auf ihr Fuijkeii»|>i'CtrLim iintcrsiicht und erwies sieb als nahe absolut rein.
) Schwi
» Pulve
4) Ana einem Oxyd, das von Hrn. L. F. Nileon stammte.
6) WtiMH'.i l'iilvor, enthält nach An^be des Hrn. Brauner noch
1 3 Pioc. Pr,Ü,.
6) Die Formel ist nicht ganz sicbeTgestellt.
7) Nach den Ergebnissen der Spectraluntenuchung stark lanthanhaltig.
244
St Meyer,
Substanz
a
n
x.lO«
I S_3
I
Sa^Oa
Gd(NOa),**«)
Er,Oj
Er^Oa (?)
Er(NOa)a
+ 5H,0(?)**
Er(NO,)a 1
+ 5H,0**«)J
YbjOa
YKNOg),***)
WO, (?j
WOa
WO4H,
PtCl,
AuCla *♦
HgO
HgCl
HgCl.
HgBr,
HgJ,
HgS
348 1,20211160
336 0,212! 610
'360,3 0,366.1344
342 0,111 439
380 |0,949:i998
380 '0,387| 812
442 ,1.202 1158
3,33| + 2,023
1,82+0,433
+ 66,8
+ 21,9
+ 20,1
17 . E. «)
3,73+2,65 +172,0
1,28+0,422 i+ 24,7
+ 12,1 120 E.»)
+ 46,3 18 E»)
+ 19,3 21;E.-j
5,26+8,64
2,14 +0,1318
2,62 +0,5040
442
0,475
+ 417,8
+ 63,8
+ 16,67
+ 79,4 15
1+29,8 '17
E*)
970' 2,2 +2,225 + 97,9
394 2,6762549
359 0,215 717
6,471 + 2,66 + 77,46
2,0 +0,204 1+ 10,85
+ 6,36 16 M.«)
+ 44,5 20 E.^
+ 11,97 ;i7 E»)
+ 5,43
482
216
232
1,673 1586 3,29+0,0125;+ 0,864 + 0,111
1,975.1881
1,834 1747
250 i 1,920, 1829
265,711,646 1568
303,6:0,853
216,34,760
235,8:3,550
1351
8,71 +0,0136+ 0,398
7,53 -0,0066 - 0,193
7,32 -0,0056 - 0,164
5,9 -0,0010- 0,029
4,45 -0,0116 - 0,455
21 E.')
20 B.
I
17 G.
17 G.
4533 21,0 I
3384 14,35
271,2 3,626 3468:16,5
0,0299
0,0210
0,027
0,015
0,0264
232,4 2,914 2775 12,0 -0,016
360,2 1,872 1783
454 3,173 3022
5,0
6,7
0,869
0,613
0,654
0,487
0,771
0,465
+ 0,046
- 0,025
- 0,022 16 G.
- 0,005 15 G.
I
- 0,10221 M.
- 0,042 16 G.
- 0,043 19 M.
- 0,040 17 M.
- 0,088 15 G.
- 0,116 17 G.
- 0,039 16 : G.
1) Gelbes Pulver, stammt von Hm. P. T. Cleve.
2) Aus dem vorhergebeuden gewonnen.
3) Gelbes Pulver, stammt von Hrn. L. F. Niison, der ee selbst
von H. Marignac erhielt.
4) Hellrosa Pulver, stammt von Hrn. P. T. Cleve.
5) Altes Präparat, Gemiscb verwandter Erden, gelbes Pulver.
6) Enthält vorzüglich Yttrium.
7) Aus dem Er^Oj von H. Cleve.
8) Weisses Pulver, stammt von Hrn. L. F. Nilson.
9) Formel nicht ganz sicher.
Magnetisirungszahlen anorganischer Verbindungen. 245
inz
/^
9
a
i ' 1 1 • «ä
n p : x.lO* ifc.lO* t ® §
1 ' =^^
1
456,2 1 2,0035
1930
4,23
+ 0,0030, +0,009
+ 0,023
17
M.
239,6 1 0,550
1240
5,22
-0,0044, -0,193
- 0,037
20
B.
310,5 , 0,439
1108
3,57
-0,0040; -0,195
-0,055
20
B.
»
504,3, 1,286
2760
5,47
-0,0120,-0,541
- 0,099
20
B.
K
266,1 ^ 2,598
2463
9,26
-0,0140,-0,408
- 0,044
20
B.
:n
505,3 ' 0,273
783
1,55
- 0,0040
-0,205
-0,132
20
B.^)
229 ö •3»662
3488
15,7
-0,0130
-0,381
-0,024
18
B.
^CCyV
14,091
3896
17,5
-0,0154 -0,449
-0,026
18
E.«)
684,7
3,026
2882
4,2
-0,01641-0,478
-0,114
18
B.
238 d
(3,095
13,350
2948
12,34
+ 0,1026
+ 3,02
+ 0,245
18
B.
fiOO,«J
3175
13,3
+ 0,036
+ 1,05
+ 0,079
19
M.
244,9
2,933
2792
11,4
-0,0178
-0,519
- 0,046
16
B.
277,8
2,306
2196
7,9
-0,0184
-0,535
-0,068 i 15
G.
436,8
2,541
2409
5,52
-0,0180 -0,525
-0,095,20
M.
460,6
2,547
2414
5,24
-0,0215 -0,623
-0,118 19
1
M.
497 3,342
3183
6,4
-0,0138 -0,404
—0.063 ' 15
B.
241,5 j 2,397
2283
9,5
-0,0184 -0,390
-0,041 ' 15
B.
589,1
3,754
3558
6,04
-0,048 -1,39
-0,230 20 M.
8
597
1,719
1637
2,74
- 0,0074
-0,217
-0,079 ' 15 B.
264
(1,1064
|l,86l
1066
3,8
-0,0028
- 0,092
-0,024 1 18 IE.
1793
6,8
-0,0027 -0,089 '-0,013
15
Br.
u
480,2 1,7412
1678
3,5
-0,0112 -0,180
-0,051 ' 18
M.
271,5
2,904
2766
10,2
+ 0,08461 + 2,46
+ 0,243 1 16
G.
846,5 ' 1,485
1 p
1414
1,67
+ 0,012 1+0,351
+ 0,210
16
G.
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Formel nicht ganz sichergestellt.
Schwefelgelbe Modification.
Stammen von Hrn. Curie- Paris.
246 St. Meyer.
Im Anschlüsse folgen noch einige Nachtragsbestimmungen
an Elementen.
Substanz \ fi \ g n n p x.lO* ' ifc.lO* f
Rother Phosphor
tier Phosphor 1
(amorph) \f' ''''^^
Schwefel \
(gepulverte Krystalle)] ^^'^
1706 55,0 -0,013 -0,392 -0,007 | l.s
1,320 1263 39,4-0,144 -0,431 -0,011 1?*
Silicium (Kryatalle) j28,4 0,970, 933 32,9 +0,0002 +0,006+0,0002 16
Magnesium i)(Kry8talle)|24,4|o,718| 758|31,l | +0,012 +0,435+0,014 , 20
Ferners wurde Kohlenstoff in Form von Diamanten unter-
sucht, von denen mir vier grössere Exemplare, drei helle und
ein gelblicher, zur Verfügung standen. Für das specifiscbe
Gewicht y = 3,52 ergiebt sich n = 293 und fand ich in der
Weise, wie dies für kleine Stückchen bereits beschrieben wurde^),
bei 13« C:
x = - 1,14.10-6, Ä=- 0,0039. 10-<^.
Aus dieser Zusammenstellung lassen sich die folgenden
allgemeinen Schlüsse ziehen.
A. Qualitative Beziehiingen.
1. Die Verbindung aus zwei diamagnetischen Elementen
ist immer diamagnetisch.
Scheinbare Ausnahmen hiervon bilden bloss eine Reihe
von Kupferverbindungen und Zinnsulfid (Musivgold). Die Kupfer-
verbindungen sind nun im Handel niemals frei von Beimen-
gungen der benachbarten stark magnetischen Metalle, ins-
besondere von Nickel, erhältlich. Die thatsächlich nahezu
absolut reinen Verbindungen, die ich von Hrn. E. Murmann
erhielt, sind dagegen sämmtlich unzweifelhaft diamagnetisch.
Dass man es bei den genannten paramagnetischen Substanzen
1) Stammen von einer Argondarstellung, wobei sich grössere Mg-
Kryställcheu ausbilden.
2) St. Meyer, 1. c. p. 329. 4.
Magnetisirungszahlen anorganischer Verbindungen, 247
Terauthlich nicht mit einheitlich definirten Körpern zu thun
^iiat, geht übrigens auch daraus hervor, dass man für die
Y gleiche Verbindung, wenn sie aus verschiedener Quelle stammte,
[ sehr stark verschiedene Werthe erhielt, wie bei CuS und
SnS, während andere Materialien wie Li^COj, M0S3, SrO,
Zr(N03)^ + öHjO, ^^0 recht gute Uebereinstimmung zeigen.
Man kann sonach annehmen, dass überall, wo der an-
geführte Satz nicht zutrifft, die Abweichungen sich auf Ver-
unreinigungen zurückfiihren lassen.^)
2. Die Verbindung zweier paramagnetischer Componenten
ist in der Regel gleichfalls paramagnetisch. Bei schwach
inagnetischen Elementen kann jedoch hier auch Diamagnetis-
ßius entstehen.
Beispiele hierfür bilden
Be,03, MgO, Al,03, SiO^, Mo^Og, WO3 und ThO„
^obei zu bemerken ist, dass aus später zu erörternden Gründen
^icht anzunehmen ist, dass die positiven Ergebnisse der
Magnetisirungszahlen der Metalle in obigen Oxyden durch Ver-
unreinigungen hervorgerufen seien.
Diese Erscheinung scheint mit der Vergrösserung des
Atomvolumens bei Eintritt in die Verbindung zusammen-
zuhängen, worauf später noch näher eingegangen werden soll.
Ein directer Rückschluss auf die Qualität eines Elementes
ist also aus der Qualität der Verbindung nur bedingungsweise
gestattet.^
3. Es giebt ausser der Gruppe Cr, Mn, Fe, Co, Ni eine
Reihe von stark magnetischen Elementen und zwar La, Ce,
Pr, Nd, Yb, Sa, Gd, Er in aufsteigender Folge stärker werdend.
In analogen Verbindungen sind die letztgenannten Elemente
von Praseodym angefangen ebenso stark, oder sogar stärker
magnetisch als diejenigen der erstgenannten Gimppe. Erbium,
1) Immerhin wäre es möglich, dass für Rupfer ganz besondere Ver-
hältnisse vorliegen und hoffe ich aus den im Zuge befindlichen Unter-
suchungen an Lösungen und Amalgamen bestimmte Resultate zu erhalten.
2) Die Schlüsse des Hm. J. Rönigsberger, Wied. Ann. 66. p. 732
sind demnach für Li, Na, K, Rh, Ca, Sr, Ba und Mg nicht ohne weiteres
zulässig und ergeben für Mg wahrscheinlich ein unrichtiges Resultat.
248 St Meyer.
das den Höhepunkt erreicht, ist im Er^Og etwa viermal so
stark als EJisen in FegOj. ^)
Dass das früher untersuchte metallische Erbium kaum
stärker magnetisch war als das Oxyd, erklärt sich daraus, dass
mir damals nicht reines Er, sondern eine Legirung von ver-
wandten Elementen vorlag. Wie nun bekanntlich Zusatz vor
Mangan oder eines anderen paramagnetischen Elementes das >
des reinen Eisens sehr beträchtlich herabdrückt, so liegei
oöenbar ähnliche Verhältnisse auch hier vor. Die inzwischei
erfolgte Untersuchung des Funkenspectrums dieses Metalle.«
durch die Herren F, Exner und E. Haschek hat übrigem
ergeben, dass dieses Material vorzüglich Yttrium und Ytterbiun
enthielt.
4. Von Polonium und Radium lagen mir Spuren in Forn
von Doppelsalzen, die Hr. Curie an die Wiener kais. Akademie
der Wissenschaften geschickt hatte, vor. Beide erwiesen siel
unzweideutig als paramagnetisch, die quantitativen Angabei
sind freilich mit Bücksicht auf die ausserordentlich geringei
Mengen nur ganz approximative.
B. Quantitative Beziehungen.
1. Der Molecularmagnetismus k der paramagnetischet
Verbindungen ist kleiner als die Summe der Atommagnetismeii
der Bestandtheile.
Als auflfallende Beispiele hierfür dienen die Oxyde der
Gruppe Ti, V, Cr, Mn, Fe, Co und Ni.
Die diamagnetischen Substanzen scheinen sich hingegen
in erster Annäherung additiv zu verhalten, wie aus der Tab. 1
(vgl. p. 249) hervorgeht, in der A.IO® die gefundenen Werthe,
Ä'. 10® die aus der Summe nÄj.lO® + m Ag.lO® berechneten
bedeuten, wenn wir die Verbindung in der Form C=nJ^+mA^
schreiben. Hierbei wurden der Berechnung diejenigen Werthe
von Ä.IO® für Ag, Cd, Hg, Pb, Bi, Br und J zu Grunde ge-
1) Wäre Erbium als reines Metall in gleichem Maasse stärker mag-
netisch als Eisen, wie es die Oxyde sind, und berücksichtigt man, dass
das specifische Gewicht nur etwa -/, desjenigen von Eisen ist, so Hessen
sich aus Erbium Dynamomaschinen und andere Apparate bauen, die
sich bei gleicher Leistung auf etwa ^'5 des Gewichtes derjenigen aus
Eisen reduciren würden.
Magnetisirungszahlen anorganischer Verbindungen. 249
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250 St. Meyer.
legt, die in der kürzlich gegebeDen Tabelle der Atommagneti
rnen^) angeführt sind, für S der oben gewonnene Werth ui
für Cu —0,006 gewählt.
In der Zusammenstellung bezeichnen y die Dichte, fi di
Moleculargewicht, a das Molecularvolumen {a^ und a^ be
für nA^ und mÄ^),
Man erkennt, dass, wo eine auffallige Vergi'össerung dt
Volumens bei der Verbindung eintritt, wie bei AgJ, HgX
PbJ,, die Summe der Atommagnetismen noch hinter dem direc
gefundenen Werthe des Diamagnetismus zurückbleibt. Wismuth
trijodid folgt dieser Regel nicht, allerdings lässt sich nicb
erweisen, ob das Resultat für diese Substanz nicht durch Ver
unreinigungen beeinflusst wurde.
In den Fällen hingegen, in denen die Summe der Atom
Volumina grösser ist, als das thatsächliche Volumen der Ver
bindung, wird die Additivität ziemlich gut erfüllt.
2. Die Halogenverbindungen zeigen ganz bestimmte Regel
mässigkeiten der Susceptibilitätscoefficienten, indem, wie au
der Tab. 2 (vgl. p. 249) ersichtlich ist, das k für Verbindunge
desselben Metalles mit steigendem Atomgewicht wächst
Es erscheint mir beachtenswerth, dass sich in sämmt
liehen Fällen in besserer (Na, K, Ba, Ag, Pb) oder rohere
Annäherung die k der Fluoride, Chloride, Bromide und Jodid
verhalten wie 2:3:4:5.
Auch für gleiche Halogenverbindung verschiedener Metall
lassen sich Gesetzmässigkeiten erkennen. So ergiebt
LiCl NaCl KCl RbCl CsCl
-Ä:.10* 0,020 0,024 0,035 0,037 0,047
Mit steigendem Atomgewicht des Alkalimetalles steigt auc
hier die Magnetisirungszahl.
Es ist fraglich, ob in diesem Falle gleichfalls eine ein
fache Zahlenbeziehung existirt, doch möchte ich darauf hin
weisen, dass für die Relation 2:3:4:5:6 die Reihe
0,016 0,024 0,032 0,040 0,048
entstände. Der zu grosse Werth bei LiCl und KCl Hesse sie)
eventuell dadurch erklären, dass die Substanzen nicht gan
wasserfrei gewesen sein mögen.
1) St. Meyer, 1. c. p. 332.
Magneünrungszahlen anorganischer Verbindungen, 251
Regelmässiges Ansteigen des k lässt sieb auch sonst, z. B.
in der paramagnetischen Gruppe der seltenen Erden zeigen:
LaCls CeCla PrCla
+ ifc.lO« 1,07 1,19 3,36
3. Mit Bücksicht auf die nahezu erfüllte Additivität lassen
sich in erster Annäherung Schlüsse für den Atommagnetismus
von Fl und Cl, dann Li, Na, K, Rb, Cs, ferners Ca, Sr, Ba
^d auch In, für welche Elemente keine directen Angaben
vorliegen, ziehen.
So berechnet sich das A.IO® für Chlor aus
AgCl zu
— 0,023
HgCI zu
— 0,013
CdCl, zu
— 0,016
AuClg zu
— 0,024
HgCl, zu
— 0,005
PbCI, zu
— 0,021
Die Werthe aus den Quecksilberverbindungen dürften zu
gering sein, worauf auch die vorerwähnte Zahlenbeziehung
deixtet.
In erster Annäherung genügt demnach der Werth —0,02.
Aehnlich erhält man für Fluor in erster Annäherung aus
dem Bleifluorid Ä. 10« = - 0,01.
Berechnet man unter Zugrundelegung dieser Zahlen und
der für Brom (-0,033), Jod (-0,040) und Schwefel (-0,011)
direct gefundenen Werthe nunmehr weiter die Näherungswerthe
der oben angeführten Metalle, so ergiebt sich — Ä.IO^ aus
der Verbindung mit
Li
Na
K
Hb
Ce
Ca
Sr
Ba
In
4. In der nachstehenden Tabelle (vgl. p. 252 u. 253) sind
^ die Magnetisirungszahlen der Oxyde, und zwar immer auf ein
Fl
Cl
Br
J
S
Mittel
für -Ä.IO«
—
sehr schwach
—
sehr schwach
0,007
0,004
0,005
0,007
—
0,006
0,011
0,015
0,009
0,012
—
0,01
—
0,017
—
0,02
—
0,027
—
—
0,03
0,008
0,003
—
—
0,003
0,018
0,030
0,012
0,038
0,02
0,002
0,026
0,010
0,023
0,026
0,02
—
0,016
—
0,009
0,01
252
SL Meyer.
Molecularmagnetismen der Oxyde v
"
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Li
Be
B
-™
—
+0,72
+ 0,05
iLl^O
BeO
JB,0,
-0,010
±0
-0,015
Na '■
Mg '
AI
Si
1
1
1
- 0,005
+0,014
MgO
+
iAl.0,
+0,00
SiO,
Ti
V
- 0,008
- 0,020
-o,oa
K
Ca
8c 1
Cr
Mn
Fe
-001
- 0,003
?
+0,09
+0,17
+
+
+
CaO
iSc,0,
TiO,
iVA
iCr,Os
MnO,
FeO
-0,015
-0,002
+ 0,031
+ 0,086
+ 1,81
+ 2,38
+ 540
JrFe,(
+ 10,J
Rb
Sr
Y
Zr
Nb
Mo
Ra
-0,02
-0,02
+ 3,2(?)
-0,014
+ 0,49 (?)
+0,024
+
SrO
iYA
ZrOj
+ NbA
J^Mo,Oa
-0,019
+0,58
-0,003
-0,011
-0,034
Cs
1 Ba
La
Ce
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Nd
Sa
-0,03
-0,02
+ 13,0
+ 34,0
+
; +
+
BaO
iLa^Os
CIO,
IPrA
iN.O,
iSa,0,
-0,016
+0,013
+ 0,011
+ 2,16
+ 4,6
+ 10,1
BaO,
+ 0,029 (?)
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1
+ 0,24a
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+ 0,027
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+ 0,07
1) In erster Annäberung unter Abzug des Werthes von Wasser aus SeOJfc
2) In erster Annäherung unter Abzug des Werthes von 2 H,0 aus Ta^Oy!^
MagnetisirungszaMen anorganischer Verbindungen.
nmagnetismen der Elemente.
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+ 0,55
-0,016 -0,015
-0,01
+ 0,004 (?)i -0,069
- 0,039
-0,040
CdO
SnO
JSb,0,
TeO,
-0,031
-0,012
-0,042
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iSn,0,
- 0,038 (?)
SnO,
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PbO
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-0,042
-0,012 (?)
- 0,025
-0,063
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PbO, ,
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1
1
+ 0,08 (?)
|() Die durch den Druck gekennzeichneten Werthe sind nicht direct be-
at, sondern berechnet.
254 St. Meyer.
Atom des Metalles reducirt, eingetragen und mit den Atom-
magnetismen der Elemente zusammengestellt.^] ^
Oxydation ganz scheint allgemein das k des Elementes her-
unterzudrücken, und zwar soweit, dass paramagnetische Metalle
diamagnetische Oxyde liefern können, wie dies schon oben
erwähnt wurde. Die negativen Susceptibilitätscoefficienten von
P, Zn, Cd, Hg, Pb werden noch stärker negativ, trotzdem die
positive Natur des Sauerstoffs feststeht.
Ein unmittelbarer Kückschluss lässt sich also aus den
Oxyden auf die Elemente nicht ziehen und es ist daher z. B«
die Annahme^); dass Scandium diamagnetisch sei, weil Sc,03
einen negativen Werth ergab, nicht berechtigt gewesen.
Hingegen zeigen die Oxyde untereinander deutliche Be-
ziehungen.
Je mehr Einheiten Sauerstoff auf eine Einheit des Metalles
kommen, desto stärker wird der Werth des k vermindert.
Bezeichnet M das Metall, so nimmt demnach der Molecular-
magnetismus in der Beihe
MO, ^MjO,, iMjO,, MO3
von links nach rechts ab.
Besondere Begelmässigkeiten zeigen die Sesquioxyde ins-
besondere bei den seltenen Erden. Beachtet man, dass nach
dem Gesagten der Susceptibilitätscoefficient von ^Ce^Oj grösser
sein muss als derjenige von CeOj, so giebt die Folge der
Oxyde von La, Ce, Pr, Nd, Sa und 6d eine regelmässig an-
steigende Reihe. Speciell lässt sich daraus schliessen, dass das
Gadolinium sehr gut an die Stelle eines oder mehrerer Ele-
mente der Triade unterhalb der Ru-, Rh-, Pd-Gruppe passt
C. EinflusB des Krystallwassers.
Um den Einfluss des Krystallwassers auf das k zu studiren,
habe ich die Magnetisirungszahlen einer Reihe von Salzen mit
verschiedenem Gehalte an HgO bestimmt.
1) Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, dass in vielen
Lehrbüchern der Chemie, wie demjenigen von Damm er, Kraft u. a.
die Robaltoxyde immer ausdrücklich als unmagnetisch bezeichnet werden,
wozu gar keine Veranlassung vorliegt.
2) St. Meyer, 1. c. p. 331. g
MagnetUirungszahlen anorganischer Verbindungen, 255
In einem Liter sind (1000/18) = 55,56 g-Molectile H,0
^enthalten. Das x.lO^ desselben ist für Zimmertemperatur
-0,67^), also die molecuiare Magnetisirungszahl für Wasser
1^.10«= -0,012 (C.G.S.).
Bezeichnet n die Zahl der Erystallwassermolecüle, so ist
demnach w.Ah^o <ier magnetische Werth des Wassers in der
Verbindung, wenn dasselbe sich im Salze so verhielte, als ob
es frei wäre.
Die folgende Tabelle ergiebt die gewonnenen Resultate,
h. bedeutet den Susceptibilitätscoefficienten des wasserhaltigen,
A] denjenigen des wasserfreien Salzes. A ist die Differenz
zwischen dem thatsächlich gefundenen Werthe k und dem be-
rechneten Äi + nÄH,0 7 -^/w diese Differenz für ein Molecül
Wasser.
Tabelle 3.
Wasser- >
bltige -Jfc.lO«
Sabstanz i
Wasserfreie
Substanz
-/;,. 10«'-n.A:H^Q. 10* - ()fci -hn A-^^q). 10*
n
SO, \ I
„ Q I 0,043 ! LiSO^
Q I 0,062 CaSO^
0,078 BaCl,
2H
\ \
2H,0 J
4H,0 J
5H,0 1] ^'
J H,0 I "'
i
0,
10 H
0,071 I BeSO^
092 MgCU
094 CaCl,
MgSO,
m.
] I
^ } 0,133 j Na,COj
0,039
0,052
0,066
0,038
0,044
0,034
0,043
0,020
O4
^* Y (CSSO4 Jl
ÄMSOJ, 0.444 g(), 0,281
24H,0 j 1/ »^ *^'^
0,012
0,024
0,024
0,048
0,072
0,072
0,084
0,120
0,288
0,051
0,076
0,090
0,086
0,116
0,106
0,127
0,140
0,569
0,008
0,007
0,006
0,004
0,004
0,002
0,005
0,001
0,005
>
1) G. Jäger u. St. Meyer, Wied. Ann. 67. p. 712. 1899.
256 St Meyer.
Wäre die Magnetisirungszahl der Substanzen eine reirm
additive Eigenschaft derselben, so müsste sich der Wasser-^
werth zu dem Molecularmagnetismus des . wasserfreien Salz
einfach addiren. Es lässt sich aber ganz allgemein au
der vorstehenden Zusammenstellung constatiren, dass d
Krystallwasser den Diamagnetismus um weniger als den volle
Betrag, der dem freien Wasser zukäme, erhöht.
Es liegt daher der — auch anderweitig wohlbegründete
Schluss nahe, dass hier das Wasser nicht einfach eingeschlossen,
sondern in thatsächlich chemischer Gebundenheit vorhanden sei.
Leider versagt die Genauigkeit der angewendeten Methode
zur quantitativen Bestimmung der hier herrschenden Ver-
hältnisse, doch scheint der Werth J/zi, wenigstens der Grössea-
ordnung nach, untereinander übereinstimmende Zahlen zu liefern.
Eine wesentlich andere Wirkung zeigt das Wasser, wean
es wirkhch in eine Verbindung eintritt und Hydroxylgruppen
bildet.
So ist zum Beispiel für
CaO A-.iO»- - o,oin
CaO.H^ Je . 10« = - 0,030 J ^ " ~ ^'^^^
ZnO Ä;.10« = - 0,02n
ZnOjHj Ä . 10* = - 0,042 J ^ = " ^'^^^
TeO, Ä.IO*» = - 0,018)
TeOsH, ik . 10« = - 0,034 j ^ = "" ^'^^^
BaO A:. 10« = - 0,016 1
BaOjH, Ä . 10« = - 0,042 ] ^ ^ " ^»^^^
Dies besagt, dass in diesen Fällen die Differenz grösser
zu sein scheint, als der Wirkung eines Wassermolecüles(— 0,01 2)
entspricht.
Die Erklärung ist vermuthlich darin gegeben, dass H i^
ÜH für ein Atom Wasserstoff stärker diamagnetisch ist als
in HjO und dass der Paramagnetismus von 0 im Oxyde durch
die Bindung an H geschwächt wird.
D. Abhängigkeit des k von der Feldstärke.
Dass auch stark magnetische Lösungen sich von der Feld-
stärke unabhängig erweisen, ist bekannt, hingegen die Frage
bezüglich fester Verbindungen noch eine offene. ^
Vaffnetigirunffszahlen anorganischer Verbindungen, 257
besondere hat Hr. J. Königsberger flir das Gebiet
1 1800 und 2200 (C.G.S.) an einer Reihe paramagne-
Verbindungen eine solche Abhängigkeit erhalten, i)
habe daher eine grössere Anzahl von Bestimmungen
lintensitäten im Intervalle von rund 6000 bis 10 000
gemacht und im Folgenden zusammengestellt, wobei
üblich die stark paramagnetischen Substanzen heran-
wurden, und im Anschlüsse hieran die Resultate für
shes Beryllium und Bor gegeben,
den Tabellen bedeutet M^ das Feldstärkenquadrat,
rect abgelesenen, der Magnetisirungszahl proportionalen
Grammen. Die Angabe für die grösste Feldstärke
D.G.S.) ist aus Messungen mit einer Wismuthspirale
und eine bloss approximative, die übrigen Werthe für
den aus dem Verhältnisse der Stromstärken des den
nagneten magnetisirenden Stromes unter Zugrunde-
einer für die Mitte des Feldes bestimmten Magneti-
urve gefunden.
stanz
-=:.
io-ß..v«
P
'^-^'
Bemerkungen
100
1,408
1
1,4 1
xyd
80
60
1,12
0,82
1,4
1,3
Nicht remanent
88
0,53
1,4
>
*
99
1,85
1,9
■
oxyd
80
60
1,51
1,12
1,9
1,9
Nicht remanent
38
0,73
1,9
.
•
101
2,64
2,61
Chlorid
80
2,08
2,60
Enthielt Krystallwasser
60
1,55
2,59
Nicht remanent
88
1,02
2,61
1
101
1,60
1,59
Ifat
-7H,0
82
61
1,28
0,96
1,56
1,57
Nicht remanent
39
0,62
i 1,57
r. Königsberger, Wied. Ann. 66. p. 734. 1898.
. Phyi. o. Chem. N. F. 96. 17
St. Meyer.
Snbriuu
10-6.«'
P
1,96
2,08
2,38
3,16
Bemerkungea
Eiaenoiyd
Fe,0,
100
ei
38
1,96
1,68
1,45
1,20
Ana be«oiidera reii
Eisenpulvor durch
geruGlDlienanderl
erhalten, dunkeiro
Eiaenoiyd
Fe,0,
100
61
61
S6
MS
8,B0
3.21
2.52
*<* 1
4,7 1
5,3
6,6
Käufliches S«squioi
rothbmuu. Remw)>
oxyd
Co,0,
100
80
80
SS
2,17
1.75
1,33
0.88
2.n
2,19
2.21
2.3
o.yd
Co.O.
101
81
61
38
6,70
5,50
4,34
3,10
6.7
6,8
7,2
7,1
Vielleicht vermiacht
anderen Oxydatioi
stufen.
Xielit reinaiient.
Kobaltchlörid
CoCl,
100
60
60
38
1,43
1,13
0,83
0.53
1,43 '
1.41
1,39
1,40
Enthielt Ki^-atellwat
Nicht rerotiiient
Nickeloxydul
NiO
100
80
eo
39
1,04
0,82
0,61
0,40
1.04
1,03
1,01
1.04 j
EulhBlt wahrachein
Doch andere Oxydati
Btufen.
Nickebiyd
Ki,0.
100
80
60
38
0.763
0,575
0,430
0,291
0,76
0,72
0,71 ;
0,76 ;
Wie oben.
OroamoDDitr&t
Ce(NO.).
+ 2 (SHJNO,
100
80
60
38
0,130
0,102
0,076
0,050
0,13 1
0,13 {
0,18 ,
o,,8 ;
Nicht remanent.
oiyd
Pr,0,
100
80
60
0,512
0,392
0,298
0,51
0,49
0.50
Nicht remaaent.
MagneHnrungizalden anorganUcHer Ferbinduftfftn. 259
ibrisns
10-6. itf'. p
iiw-jI.
Bemerkungen
jmoxjä
100
79
S8
38
1 0,291
1 0,217
j 0,167
1 0,111
0,29
0,28
0,29
0,29
Entbült Dscb der Angabe
des Hm. B. Brauner
noch etwa 3 Pnie, Pr,0,.
WfiiBBBs i-ulver.
Nicht remanent
■at
0,).
101
82
61
3&
1 0,313
1 0,2*4
1 0,183
1 0,128
0,31
0,30
0,90
0,82
Rosa Pulver.
Nicht remanent.
moiyd
100
80
60
38
B,82
' 5,n
, 3.35
8,8
8,7
8,«
Besonders rein. Präparat
voQ Hrn. P. T. Cleve.
Rom Pulver.
moryd
100
80
z
0,132
) 0,102
0,077
0.052
0,13
0,13
0,18
0.14
Altes Präparat, GemUch
verwanrtWr Erden,
Gelbbraunes Pulver.
Nicht remanent.
ffloitrat
H.0
100
»0
60
2,23
' 1,78
■0,78
2,2
2,2
2,2
2,2
Ana dem Oiyd von Hrn.
P. T. Cleve.
Rosa Kryetalle.
unoiyd
101
81
61
88
1 0,175
1 0,136
i 0,101
1 0,066
0,17
0,17
0,17
0,17
Weises Pulver von Hrn.
B. Brauner.
WttnKijyd
99
86
72
SS
[2,66
,2,17
!l.88
ll,83
|0,98
2,6
2,5
2,6
2,5
2,6
Weisses Pulver, etammt
vonHm. L. F. Nilaon.
Nicht remanent.
Mum-
100
80
60
86
! 0,204
[ 0,166
\ 0,114
1 0,068
0,20
0,1»
0,18
0,18
Farblose, sehr hygrosko-
pische Krystttllchen ans
Nicht remanent.
linimn-
d
100
82
62
12,66
'2,11
1.69
2,7
2,7
2,6
9. f,
Gelbes Pulver, stammt
von H. Marignac,
Nicht remanent.
260
St. Met/er.
Substanz
10-6. If*
P
^^^-/«
Bemerkungen
■
Gadolinium-
nitrat
Gd(N0a)3 (?)
100
80
60
38
0,422
0,330
0,249
0,161
0,42
0,41
0,42
0,42
( Aus dem vorhergehoa-
den gewonnen.
Weisse, nadelformige
Rryställchen.
Nicht remanent
' Aus dem Sa,0,, das
'
101
0,438
0,43
von Hm. P. T. Cleve
Samariumnitrat
81
0,388
0,42 1
stammte.
Sa(NO,), (?)
60
0,250
0,42
Weisse Rryställchen
.
38
0,163
0,43
mit gelblichem Stich.
Nicht remanent.
Metallisches graues
Beryllium
100
1,021
1,02
Pulver von Merck in
Be
72
0,817
1,13
Darmstadt
38
0,577
1,52
Nicht merklich
remanent
Amorphes dunkel-
Bor
100
0,067
0,067
braunes Pulver von
B
71
0,053
0,074
H. Moissan-Paria.
u
38
0,039
0,103
Nicht merklich
remanent
Die MagnetisiruDgszahl erweist sich sonach bei den an-
geführten sehr stark magnetischen Verbindungen im allgemeinen
als von der Feldstärke im Bereiche von rund 6000 bis 10000
(C.G.S.) völlig unabhängig.
Die einzige Ausnahme bildet Eisenoxyd (Fe203), das eine
entschiedene Abnahme von k mit wachsender Feldstärke an-
zeigt. Bei den Kobaltoxyden scheint ebenfalls eine Andeutung
gleichen Ganges vorzuliegen, doch fallen hierbei die Werthe
zu nahe den Fehlergrenzen, als dass sich ein bestimmter
Schluss ziehen Hesse.
Das Eisenoxyd zeigte sich auch etwas remanent magnetisch,
während alle übrigen Verbindungen nicht die geringste Ver-
schiedenheit vor und nach der Magnetisirung mit der Waage
erkennen Hessen.
Im Gegensatze hierzu macht sich deutliche Abnahme des k
I
Moffneäsirunffszahlen anorganischer Verbindungen. 261
bei den Elementen Beryllium und Bor bemerkbar. Freilich
Jässt sich hier nicht erweisen, wie stark dieselben durch Bei-
mischungen yerunreinigt waren, doch scheint die Aenderung
mit der Intensität des Feldes so gross zu sein, dass sie wohl
den Elementen selbst zukommen dürfte.
£. MagnetiBiriingBzahl und Atomvolumen.
Es wurde bereits vielfach vermuthet, dass eine Abhängig-
keit der Susceptibilität vom Atomgewicht der Elemente existire,
so insbesondere von L. Meyer und Th. Carnelley^) und
speciell auf die Möglichkeit eines Zusammenhanges mit dem
Atomvolumen hat neuerdings Hr. J. Königsberger ^ hinge-
wiesen.
Das nunmehr vorliegende Material über das magnetische
Wesen der Elemente ermöglicht es bereits, genauere Beziehungen
aufzustellen. In der beigegebenen Taf. II habe ich die Cnrve
der Atomvolumina aufgezeichnet und zwar bezeichnen die
punktirten Theile diejenigen Gebiete, für die nähere Anhalts-
punkte fehlen. L. Meyer lässt hierbei die aufsteigende Spitze
bei dem Atomgewicht von ca. 175 weg, doch sprechen viele
periodische Eigenschaften (insbesondere auch die Linienzahlen
in den Spectren der Elemente), sowie die kürzlich von mir
vorgenommene Bestimmung des Atomvolumens des Erbium^,
welche allerdings infolge sehr starker Verunreinigung des
Materiales ziemlich unsicher ist, entschieden dafür, dass eine
solche ünterabtheilung im Gebiete der seltenen Erden zu
machen sei.
Die + und — Zeichen geben den Para- bez. den Dia-
magnetismus an, die Pfeile das Anwachsen der betreffenden
Eigenschaft.
Es fällt sofort auf, dass die stark magnetischen Elemente
stets und nur in den Minimis und den diesen vorangehenden
Theilen der Curve Platz finden. Eine bemerkenswerthe Aus-
nahme bildet bloss der Sauerstoff, der sich aber, wie aus den
t
1) Vgl. Lothar Meyer, Die Atome und ihre Eigenschafteo, 6. Aufl.
p. 151.
2) J. Königsberger, Wied. Ann. 66. p. 731. 1898.
8) St. Meyer, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien
8. Juni 1899.
262 St. Meyer.
früher mitgetheilten Thatsachen hervorgeht, in den Verbindungen
gerade so verhält, als wäre er ein diamagnetischer Körper. ^
Die Stellen grossen Atomvolumens entsprechen diamagne-
tischem Verhalten. Die Maxima beider magnetischen Qualitäten
scheinen aber gegenüber den Extremen der Atomvolumencurve
ein wenig nach links verschoben zu sein.
Bei dem Atomgewicht von 75, 118, 207 zeigen sich Un-
regelmässigkeiten (secundäre Minima) der Curve. Die an diesen
Stellen befindlichen Elemente sind entweder auffallend schwach
diamagnetisch oder vielleicht ganz schwach paramagnetisch (Sn).
In der Gruppe der seltenen Erden wächst der Para-
magnetismus allerdings regelmässig bis zum Gadolinium, aber
auch noch darüber hinaus, im Erbium und Ytterbium ist gleich-
falls stark magnetisch. Es ist wahrscheinlich, dass diese letzten
Substanzen wechselseitig stark vermengt oder überhaupt noch
nicht einheitlich sind und es können sehr wohl, trotz der er-
haltenen Resultate, die Elemente mit dem Atomgewicht zwischen
160 und 180 thatsächlich diamagnetisch sein.
Auch für das Yttrium^) liegt nach seinem magnetischen
Verhalten die Annahme nahe, dass die untersuchten Substanzen
keine einheitlichen waren.
Bezüglich der Gesammtgruppen der paramagnetischen
Elemente scheint es, als wäre die 1. 3. 5. 7.(?) Abtheilung
stärker magnetisch als die 2., 4., 6.
Mit der allgemeinen Abhängigkeit vom Atomvolumen steht
es in Einklang, dass der Magnetismus mit sinkender Tem-
peratur (Verkleinerung des Atomvolumens) zunimmt, sowie
dass in Verbindungen, wo das Volumen zunimmt, die Suscep-
tibüität fällt.
Vor kurzem*) haben die Herren F. Exner u. E. Haschek
mitgetheilt, dass aus ihren Messungen der Funkenspectra der
Elemente eine deutliche Abhängigkeit der Linienzahl vom
Atomgewicht erkennbar ist. Die gewonnene Curve, welche
auch einen Zusammenhang mit dem Atomvolumen annehmen
lässt, hat überall dort Maxima, wo das Atomvolumen gering.
1) Vgl. St. Meyer, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien
8. Juni 1899.
2) F. Exner u. E. Haschek, XVI. Mitth. 1. c. -
Maffneäsirunffszahlen anorganischer Verbindungen. 263
MiDima, wo das letztere gross ist. Es scheint mir besonders
beachtenswerth, dass auch hier die Extreme etwas nach links
verschoben sind, das heisst, die Maxima und Minima der
Linienzahlen gerade mit denjenigen des Magnetismus zusammen-
fallen.
Wie aus jeder periodischen Eigenschaft, so lassen sich
auch aus dem magnetischen Verhalten Wahrscheinlichkeits-
rückschlüsse auf das Atomgewicht der Elemente machen.
So lässt sich schliessen, dass entsprechend den neueren
Bestimmungen das Atomgewicht von Neodym ^) grösser sei, als
dasjenige von Praseodym, dass hingegegen dasselbe von Nickel
entgegen den neueren Angaben grösser sein sollte als das-
jenige von Kobalt.^ Gadolinium passt unter die Triade Ru,
Rh, Pd.
Polonium und Radium erwiesen sich in den Verbindungen
als magnetisch. Wenn diese Ergebnisse nicht auf Verun-
reinigungen mit einem bekannten paramagnetischen Element
zurückzuführen sind, so wäre zu vermuthen, dass diese beiden
in einem Minimum des Atomvolumens Platz zu finden hätten,
dass heisst ein Atomgewicht zwischen 180 und 190 oder von
230 aufwärts haben könnten.
Weiteren Einblick in das magnetische Wesen der Elemente
versprechen die im Zuge befindlichen Untersuchungen an
Lösungen und Amalgamen.
Wien, Physikal. Inst. d. Univ., Juni 1899.
1) Vgl. C. Jones, Beibl. 23. p. 205. 1899.
2) Vgl. hierzu die Einwände gegen diese Bestimmungen, welche
Gl. Win kl er, Zeitschr. f. anor^an. Chem. 17. p. 236, macht.
(Eingegangen 10. Juli 1899.)
14. Veher die Ausströrnungserschelm/wngen pernior
nenter Gase; von Robert Emden.
(Hlem Taf. III M, Flg. 1—16 ond Taf. IT, DUgramme A—H.)
(Auszug aus meiner Habilitationsschrift.)
Die eigenthümlichen Schliereugebilde, welche in einem
unter geeignet grossen Drucke ausströmenden Gasstrahle auf-
treten, sind zuerst von E. Mach und P. Salcher^) beschrieben,
eingehender untersucht und als stationäre Schallwellen be-
zeichnet worden. L. Mach^) hat diese Untersuchungen weiter
fortgesetzt, ohne aber im wesentlichen über den Standpunkt
seiner Vorgänger hinausgekommen zu sein. Unabhängig von
diesen Arbeiten wurden die betreffenden Erscheinungen auch
von anderen Beobachtern entdeckt. Bereits vor einer Reihe
von Jahren wurden sie von B. v. Siegsfeld, mit Versuchen
über Druckluft in der Maschinenfabrik von Riedinger in
Augsburg beschäftigt, wahrgenommen, photographisch fixirt
und ebenfalls als stationäre Schallwellen erkannt. Ich selbst
beobachtete sie mit unbewaffnetem Auge, als ich einen Strahl
ausströmender Luft sehr nahe an der Pupille vorüberstreichen
liess. Und von neuem entdeckte sie L. Sohne ke, mit Schlieren-
beobachtungen beschäftigt, im Herbst 1897. Welche An-
sichten sich Sohncke über diese Erscheinung, die er ledig-
lich constatiren, aber nicht mehr messend verfolgen konnte,
gebildet hatte, ist mir nicht bekannt geworden.*) Ein ein-
gehenderes Studium der Erscheinung erschien selbst mit Rück-
sicht auf die oben erwähnten vorliegenden Arbeiten um so mehr
am Platze, als L. Mach selbst seine Untersuchungen als vor-
1) Die Erklärung der Taf. III befindet sich am Schluss des Heftes.
2) £. Mach u. P. Salcher, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch.
in Wien. Mathem.-naturw. Klasse 98. Abth. II. 7. Novbr. 1889; Wied.
Ann. 41. p. 144. 1890.
3) L. Mach, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. in Wien. Mathem.-
naturw. Klasse 106. Abth. II. Dec. 1897.
4) In neuester Zeit hat auch Parenty, Ann. de Chimie et de
Physique (7) 12. p. 289. 1897, in Strahlen ausströmenden Dampfes
periodische Dichteänderungen nachgewiesen. ^
Ausströmung ser scheinungen permanenter Gase. 265
wiegend qualitative bezeichnet. Die Versuche von L. Mach
^beschränken sich auf atmosphärische Luft. Von mir wurden
^ie ausserdem noch auf zwei weitere sich möglichst verschieden
^erhaltende Gase, Kohlensäure und Wasserstoff, ausgedehnt.
Bevor wir ins Detail eingehen, erscheint es mir ange-
tiracht, unsere Aufmerksamkeit auf eine andere Naturerschei-
nung zu richten, welche uns die im Luftstrahl auftretenden Er-
scheinungen gleichsam im Modell versinnbildlicht. In Flüssen
mmd Canälen nehmen wir oft wahr, wie sich nach Hinder-
iiissen, die das strömende Wasser zu überwinden hatte,
stationäre Wellen bilden, Stellen angehäufter potentieller
Energie, die, quer über den Fluss gelagert, ruhig an ihrem
Orte verharren, während das Wasser durch sie hindurchströmt.
Bedingung hierfür ist offenbar die, dass sich diese Wellen in
solcher Gestalt entwickeln können, dass sie sich im ruhenden
Flusse mit derjenigen Geschwindigkeit fortpflanzen würden,
mit welcher derselbe in Wirklichkeit durch sie hindurchströmt.
Wir werden sehen, dass auch der Luftstrahl von einem ge-
wissen Ueberdrucke an stets mit derjenigen Geschwindigkeit
strömt, mit welcher eine Schallwelle sich in ihm fortpflanzt.
Im Luftstrahle sind dann die Bedingungen gegeben, dass sich
stationäre Luftwellen, entsprechend den geschilderten Wasser-
wellen, bilden können. Dass sie dann auch wirklich auftreten,
zeigt die Beobachtung.
I. Versuche und deren Ergebnisse.
Die Druckluftanlage des physikalischen Institutes besteht
aus dem durch einen Gasmotor getriebenen Compressor, welcher
die comprimirte Luft in zwei eisernen, unter sich communi-
cirenden Cylindern von je 300 1 Inhalt aufspeichert. Sie dürfen
bis 10 Atmosphären Ueberdruck beansprucht werden. — Aus
den Reservoiren wurde die Luft in ein grosses Reducirventil
geleitet, das den Druck von 10 Atmosphären bis auf Bruch-
theile einer Atmosphäre hinunter constant zu halten und zu
messen gestattet, und gelangte von da durch ein kurzes, 30 cm
langes Schlauchstück zur Ausflussdüse.
Versucht man die Entwickelung der im Strahl auftreten-
den Schlierengebilde in ihren ersten Stadien zu verfolgen, so
ergiebt sich bald, dass zu diesem Zwecke die photographische
266
R. Emden.
Platte dem Auge ausserordentlich überlegen ist. Die Platte
lässt bei so kleinen Ueberdrucken , dass an einem objectiy^
entworfenen Strahlbilde längst keine Structur mehr zu er-
kennen ist, solche noch deutlich wahrnehmen. Die im Folgen-
den wiedergegebenen Messungen der Wellenlänge wurden des-
halb ausschliesslich auf photographischen Platten (18 X 18 cm)
ausgeführt, die ca. 800 an Zahl zu den definitiven Messungen
hergestellt wurden.
Behufs objectiver Darstellung des Strahlbildes wurde
eine Methode angewandt, die, wie ich nachträglich bemerkte,
s
Fig. 1.
im wesentlichen (für Sonnenlicht) bereits von Dvotä^k^) be-
schrieben wurde. Lässt man die parallel gemachten Strahlen
einer elektrischen Lampe auf eine Sammellinse oder ein photo-
graphisches Object 0 fallen, in dessen Brennpunkt A sie sich
weiterhin kreuzen, so kann man auf dem also beleuchteten
Projectionsschirme S schon die Schlieren ausströmenden Gases,
heisser Luft etc. beobachten. Diese Versuchsanordnung (vgl.
Figur 1) kann ganz ausserordentlich empfindlich gemacht
werden, indem man im Brennpunkt A eine Blende mit kleiner,
kreisförmiger OeflFnung anbringt und so für möglichst punkt-
förmige Beleuchtung des schlierengebenden Gebildes sorgt. Die
Empfindlichkeit kann leicht so weit gesteigert werden, dass man
von den Fingerspitzen der Hand erwärmte Luft aufsteigen sieht.
Brennweite des Objectivs, OeflFnung der Blende bei A, Ent-
fernung Objectiv — Projectionsschirm (in meinen Versuchen
1) V. DvorÄk, Wied. Ann. 9. p. 502. 1879.
Äusstromungserscheinungen permanenter Gase, 267
I
6 — 10 m) muss der zur Verfügung stehenden Lichtmenge, der
erforderlichen Helligkeit etc. angepasst werden, was ohne jede
Schwierigkeit in kürzester Zeit gelingt. Von grösstem Einfluss ist
aber der Abstand des schlierengebenden Gebildes vomProjections-
8chirm. Am schärfsten erscheint die Zeichnung des Luftstrahles,
wenn derselbe sich nur wenige, 5 — 15, Centimeter vor dem
Schirme befindet. Das hat zwar den Vortheil, dass die Länge
des Strahls in natürlicher Grösse sich abbildet, lässt aber aus
eben diesem Grunde diese Anordnung zur Demonstration einem
grösseren Auditorium gegenüber nicht zu. (Ein Verfahren für
7 Meiere
A
D
Fig. 2.
diesen Zweck wird weiter unten angegeben; vgl. auch L. Mach,
1. c. p. 1028.) Unterbricht man den Strahlengang durch
einen Momentverschluss, so können nach diesem Verfahren
auch photographische Aufnahmen gemacht werden (ein Theil
der WasserstofiFstrahlbilder wurde so hergestellt). Man kann
zu diesem Zwecke aber weit einfacher verfahren, indem man
alle Linsencombinationen bei Seite lässt und dadurch eine hin-
reichend punktförmige Beleuchtung des Strahles zu Stande bringt,
dass man in grösserer Entfernung von demselben den kurzen
Funken einer Leydenerflasche springen lässt. Zweckmässig
springt der Funke in Richtung des Strahles. Die im Handel
befindlichen Platten sind hinreichend empfindlich^) und man
erhält so mit den allereinfachsten Hülfsmitteln Bilder, die in
Bezug auf Schärfe und Klarheit der Zeichnung den weit-
gehendsten Anforderungen genügen. Auf diese Weise (vgl. Fig. 2)
wurden die im Folgenden zu beschreibenden Strahlbilder fast
sämmüich (die Ausnahme ist bereits erwähnt) hergestellt; also
%
1) Zur Entwickelung leistet starker Uydrochinonentwickler vorzüg-
liche Dienste.
268 R. Emden.
bei A der elektrische Funke, bei P, in einem Abstände von ca.
7 m, die photographische Platte im Formate 13 x 18 cm, und^
in einem Abstände von 5 — 15 cm vor derselben der zu unter-
suchende Strahl D, Diese günstigste Entfernung des Strahles
von der Platte, der abhängt vom Durchmesser der Düse, bez.
des Strahles, kann sehr leicht ermittelt werden, indem man von
Ä aus den Strahl mit dem divergirenden Lichtbündel einer
Bogenlampe beleuchtet und die schärfste Zeichnung der
Schlieren auf einem an Stelle der Platte P gesetzten weissen
Schirme sucht. Der Gang der Versuche war demnach fol-
gender: Für einen mittleren üeberdruck, ca. 3 — 4 Atmosphären,
wurde für eine bestimmte Düse auf die eben geschilderte Art
und Weise der günstigste Abstand des Strahles vom Schirme
bestimmt. An Stelle des Schirmes wurde dann die Platte ge-
bracht, was am zweckmässigsten mit Hülfe einer gewöhnlichen
Kasette und eines photographischen Apparats geschieht, dessen
Rückseite dem Strahle zugekehrt wird, und wurden dann mit
Hülfe der Funkenbeleuchtung Serienaufnahmen gemacht, indem
man mittels des Reductionsventiles von grösseren zu kleineren
Drucken in immer enger werdenden Intervallen herabstieg.
Die Ausmessung der entwickelten Platten ergab dann den
gegenseitigen Abstand der längs des Strahls periodisch auf-
tretenden Schlierengebilde in (bis auf einen verschwindend
kleinen, nicht messbaren Fehler) natürlicher Grösse.
Betrachtet man das nach der eben geschilderten Schlieren-
methode entworfene Bild eines Strahles von Luft, oder noch
besser Kohlensäure oder Leuchtgas, der nur mit wenigen Milli-
meter üeberdruck einer Düse entströmt, so sieht man den-
selben als schlanke Säule vom Durchmesser der DüsenöflEnung
emporsteigen, unter günstigen Umständen bis zu einer Höhe von
30 — 40 Centimetern. Manchmal verschwindet diese Säule ohne
jede Begleiterscheinung in der Luft, meistens ist sie von einer
kleinen Wirbelsäule gekrönt. Bei weiterer Steigerung des Druckes
wird die Gassäule kürzer, bis schliesslich die Wirbel unmittelbar
der Düsenmündung trichterförmig entquellen, Ist der Druck
auf circa ^6 Atmosphäre gestiegen, so kommt wieder ein 2 bis
3 Centimeter langer, meistens sich ganz allmählich verjüngender
Strahl zum Vorschein. Steigt der Druck weiter, so wird der
Strahl deutlicher und länger und plötzlich sieht man in ihm
AusMirÖmungserscheinungen permanenter Gase. 269
in ziemlich gleichen Abständen helle, leuchtende; dünne Scheib-
chen auftreten, die den Strahl senkrecht durchsetzen^ oft 10
bis 12 an Zahl. Die ersten Scheibchen haben genau den
Durchmesser der Düse; wie der Strahl sich verjüngt, werden
sie schmäler. Die Untersuchung mit der photographischen
Platte zeigt, dass diese Scheibchen schon bei Drucken vor-
handen sind, bei denen sie das Auge noch nicht wahrnimmt.
(Vgl. Taf. lU, Fig. 1 u. 5.) Wir benutzen zur weiteren Beschrei-
bung die Figuren der Tafel III. Bei weiterer Drucksteigerung
wächst der gegenseitige Abstand dieser Scheibchen und gleich-
zeitig nimmt man wahr, dass der Strahl zwischen je zwei auf-
einander folgenden Scheibchen sich schwach ausbaucht, während
sein Querschnitt an den der Düse zunächst liegenden Scheib-
chen dem Düsendurchmesser gleich bleibt, gegen das Strahl-
ende hin aber kleiner wird. Diese Ausbauchungen nehmen
immer mehr zu, und bald treten zwischen den Enden je zweier
Scheibchen, sowie zwischen dem ersten und der Düse zwei
gerade, dunkle Linien auf, die sich gleichsam wie die Diago-
nalen eines Vierecks kreuzen (Taf. III, Fig. 2 u. 6). Die
Ausbauchungen nehmen nun immer mehr zu, gleichzeitig
krümmen sich diese erst gerade auftretenden Linien immer mehr
nach aussen, wodurch ihr Schnittpunkt dem nächstfolgenden
Scheibchen näher rückt; das kleine Dreieck oberhalb des
Schnittpunktes scheint sich seinem Umfange nach mit Licht
anzufüllen. (Taf. III, Fig. 3 u. 7.) Im weiteren Verlaufe
schneiden sich die erwähnten Linien nicht mehr, sondern sind
an Stelle eines Schnittpunktes durch eine gerade (Taf. III,
Fig. 4 u. 8) Linie verbunden, die sich, wie die Betrachtung
der Vacuumstrahlen (Taf. III, Fig. 14 u. 15) zeigt, später in
Richtung des Strahles schwach auszubiegen scheint. Der Cha-
rakter dieser bei den höchsten angewandten Drucken auf-
tretenden Schlierengebilde wird durch die beigefügten Strahl-
bilder deutlicher zur Anschauung gebracht, als es die Be-
schreibung vermag. Alle diese Erscheinungen treten, wie schon
bemerkt, nicht nur zwischen dem ersten Scheibchen und der Düse
auf, sondern wiederholen sich in anfangs gleicher Grösse, bis
der Strahl durch Reibung an der ihn umgebenben Luft Wirbel
veranlasst und sich in diesen auflöst. Lässt man den Druck
allmählich sinken, so wiederholen sich alle diese Erscheinungen
270 7?. Emden.
4
in umgekehrter Reihenfolge, und dadurch, dass die Scheibcheu
sich gegenseitig nähern, hat man, wie auch L. Mach bemerkt^
den Eindruck, als würde der Strahl in die Düse zurückkriechen.
Die Erscheinungen sind also im wesentlichen dieselben,
wie in den Arbeiten meiner Vorgänger, müssen aber nach meiner
Auffassung in einem Punkte anders ausgelegt werden. Es kann ja
wohl kein Zweifel herrschen, dass diese merkwürdigen, im Strahl-
bilde in regelmässiger Folge auftretenden Gebilde durch pe-
riodische Dichteänderungen des Strahles verursacht sind*), so-
dass wir, dem allgemeinen Sprachgebrauche folgend, sagen
können, es treten in dem Strahle Schallwellen auf. Da diese
ihre Stellung im Räume nicht ändern (wie die Untersuchung
des Strahles bei Dauerbeleuchtung zeigt), so specialisiren wir
sie als stationäre Schallwellen, als welche sie E. Mach schon
erkannt hat. Ihre Wellenlänge wird gemessen durch den Ab-
stand zweier aufeinander folgender, sich entsprechender Punkte
des Strahlbildes, also durch den Abstand zweier Scheibchen.
Ueber die Form dieser Wellen bin ich jedoch anderer Mei-
nung, wie E. und L. Mach, welche conische Schallwellen an-
nehmen. Ich halte vielmehr dafür, dass wir es im Strahle mit
ebenen stationären Schallwellen zu thun haben, die denselben
in gleichen Abständen quer zu seiner Strömungsrichtung durch-
setzen, wie die oben geschilderten stationären Wasserwellen
den Fluss. Denn eine stationäre Wellenbewegung kann nur
zu Stande kommen in einem Mittel, das sich an jeder Stelle
mit einer Geschwindigkeit bewegt, die genau gleich und ent-
gegengesetzt derjenigen ist, mit welcher sich an jenen Stellen
die Wellen durch das ruhende Medium fortpflanzen würden.*) Wie
wir die Erschütterungs welle, die sich längs eines gespannten
Drahtes fortpflanzt, stationär, d. h. im Räume feststehend,
machen, wenn wir den ganzen Draht mit der Fortpflanzungs-
geschwindigkeit der Welle dieser entgegen bewegen, so können
wir auch die in einer Luftsäule sich fortpflanzenden Schall-
wellen stationär machen, indem wir jene, in unserem Falle
den Strahl, mit der betrefi'enden Schallgeschwindigkeit ihnen
1) Dass wir es nicht mit blossen Trübungen des Strahles zu thun
haben, wird später gezeigt werden.
2) Vgl. H. Lamb, Einleitung in die Hydrodynamik. Deutsch v.
Reiff. Cap. VIII. § 152. p. 258. ^
ÄusstrÖmungserscheinungen permanenter Gase. 271
ren bewegen. Der Umstand, dass wir im Luftstralile
\äre Schallwellen wahrnehmen, ist ein directer Beweis
y dass er an jeder Stelle mit der dort herrschenden
Geschwindigkeit strömt. Durch eine einfache Trans-
sbewegung des Mediums, als welche wir den Luftstrahl
«en, können aber nur solche Wellen stationär gemacht
n, die sich nur in einer Eichtung fortpflanzen, also ebene
n, nicht aber conische, die sich im Baume ausbreiten,
üeberlegungen machen es äusserst wahrscheinlich, dass
s im Strahle mit ebenen, nicht conischen Wellen zu thun
i, und die Wellenlänge, die wir auf Grund dieser An-
im II. Abschnitt berechnen, beweist durch ihre Ueber-
mmung mit den Messungen diese Annahme.
Die im Strahlbilde auftretenden, sich kieuzenden Linien
ich für eine Linsenwirkung des Strahles, bei der es auf
II äussere Form nicht weniger ankommt als auf seine
3 Structur; sie kommen auf ähnliche Weise zu Stande
die Brennlinien einer Sammellinse. Die Wirkung des
les als Cylinderlinse mit variablem Querschnitt und
blem Brechungsexponenten wird durch folgende Ver-
bewiesen. Wir beleuchten den Strahl aus grosser Ent-
Qg mit einer kleinen Lichtquelle. Bücken wir mit dem
le dem Projektionsschirme immer näher, so müsste das
wenn es ii^end wie einem Schatten entspräche, immer
fer und deutlicher werden. Das ist keineswegs der Fall;
i wir mit dem Strahl bis auf 1 cm Entfernung an den
m heran, so ist auf demselben von einem Strahlbilde über-
; nichts mehr Wahrzunehmen. (Es beweist dies zugleich,
diese verschieden hellen Partien des Strahlbildes nicht
hren von Trübungen des Strahles, etwa durch Konden-
1 von Wasserdampf.) Bückt man mit dem Strahle vom
me weg, so fängt der Strahl bei etwa 2 cm Entfernung
mz schwach mit seinem charakteristischen Bilde sichtbar
erden. Vergrössert man den Abstand continuirlich, so
it das Bild immer deutlicher zum Vorschein um dann
»r verschwommener zu werden und wieder zu ver-
inden. (Dies Erscheinen des Bildes wurde durch eine
hl Photographien deutlich zur Anschauung gebracht.)
\ Erscheinungen können nur durch eine Linsenwirkung
272 B. Emden.
des Strahles erklärt werden. Ebenso deutlich tritt dies
bei folgendem Versuche hervor. Von einer hellen, kleines^
Lichtquelle fällt das Licht in 1 — 2 m Abstand auf ein photo-
graphisches Objectiv von 45 cm Brennweite; hinter demselben
befindet sich ausserhalb der doppelten Brennweite der Auf-
fangsschirm mit grossem, hellem Gesichtsfeld. Es gelingt
natürlich leicht, auf der anderen Seite des Objectivs die Ebene
zu finden, die zur Auffangsebene conjugiert ist. Bringen wir in
diese Ebene den Strahl, so erscheint auf dem Schirme die Um-
grenzung der Düse in grösstmöglicher Schärfe, von einem Strahle
aber ist keine Spur wahrzunehmen. Rücken wir den Strahl eine
Kleinigkeit aus dieser Ebene heraus, und zwar vom Objectiv
weg, so erscheint er (stark vergrössert) genau so wie im Dvof&k'-
schen Verfahren, sodass sich diese Versuchsanordnung zur
Demonstration des Strahles in einem grösseren Auditorium
sehr wohl eignet. Auch wenn wir den Strahl in Kichtung auf
das Objectiv zu etwas aus jener Ebene verschieben, erscheint
wiederum ein Strahlbild, aber mit dem Unterschiede, dass
die Vertheilung von Hell und Dunkel gerade entgegengesetzt
ist, wie im ersten Falle. Einer Linsen Wirkung des Strahles
haben wir es auch zuzuschreiben, dass wir das charakteristische
Strahlbild mit unbewaffnetem Auge wahrnehmen, wenn wir ihn
sehr nahe oder weit entfernt von der Pupille vorbeistreichen
lassen , während wir dasselbe in einer Entfernung gleich der
deutlichen Sehweite nicht wahrnehmen. Da es unmöglich ist,
aus einem Linsenbild Gestalt und Brechungsexponent der
Linse zu bestimmen, so ist die einzig zulässige Interpretation
der Strahlbilder folgende: Wir sehen im Sti?ahlbilde längs dessen
Axe ein und dieselbe Schlierenfigur in gleichen Abständen auf-
treten; es wird deshalb auch im Strahle längs dessen Axe dieselbe
Dichteänderung sich periodisch wiederholen, und die Länge dieser
Periode, die Wellenlänge dieser stationären Schallwellen, ist
bei der von mir getroffenen Anordnung, aus grosser Entfer-
nung punktförmig beleuchteter Strahl wenige Centimeter von
der Platte entfernt, gleich dem in Strahlrichtung gemessenen
Abstand gleicher Punkte der aufeinander folgenden Schlieren-
bilder, speciell der Scheibchen. Denn diese Stellen grösster
Helligkeitsdifferenzen, die den Strahl senkrecht durchqueren^
dürfen wir ansehen als eine Wirkung der Stellen grösster
•
Ausströmung ser scheinungen permanenter Gase. 273
Dichteänderung im Strahl^ den Wellenbergen der den Strahl
quer durchsetzenden, ebenen Schallwellen, deren erste sich in
der DüsenöflFnung oder deren nächster Nähe bildet.
Wir gehen nunmehr über zur Darstellung des gewonnenen
Beobachtungsmaterials. In allererster Linie ist die Wellen-
länge der im Strahle auftretenden Schallwellen zu bestimmen
als Function des Ausflussdruckes und des Düsendurchmessers
für verschiedene Gase, bei meinen Versuchen für atmosphärische
Luft, Kohlensäure und WasserstoflF. Von fundamentaler Be-
deutung für die Theorie der Erscheinung ist ferner die Be-
stimmung des Ausflussdruckes, bei dem sich diese Schall-
wellen zu entwickeln beginnen. Beide Aufgaben sind mit
genügender Genauigkeit gelöst worden.
Die Wellenlänge X bestimmt sich in Millimetern durch
den ebenfalls in diesem Maasse gemessenen Abstand zweier
Scheibchen auf der photographischen Platte. Es wurde in
der Regel der Abstand einer Anzahl aufeinander folgender
Scheibchen von der Düse gemessen und man erhielt so Werthe
für A, 2 X A, 3 X A etc. Aus diesen wurde dann das Mittel
genommen und dabei alle Scheibchen bis zu demjenigen in
Rechnung gebracht, bei dem die Wellenlänge deutlich ab-
nahm, was früher oder später in jedem Strahle eintritt und
wohl auf Reibung des Strahles an der umgebenden Luft zu-
rückzufuhren ist. Es zeigte sich ferner, %ass der gegenseitige
Abstand der Scheibchen gleich ist demjenigen des ersten
Scheibchens von der Düsenmündung, sodass man berechtigt
ist, dorthin den Ort des ersten Wellenberges zu verlegen.
Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen zeigte es sich, dass der-
selbe etwas weiter in der Düse zurück oder mehr vor der-
selben gelegen war; in letzterem Falle war er natürlich direct
zu beobachten. In beiden Fällen wurde nicht an der Düsen-
mündung, sondern am ersten Scheibchen gemessen. Da diese
Scheibchen manchmal nicht ganz senkrecht zur Strahlaxe lagen,
wurden diese Messungen stets an beiden Scheibchenenden aus-
geführt. Ich gebe ein Beispiel. Düse A. Unter 0, I, II etc.
ist die Lage der Düsenmündung und des rechten, bez. linken
Endes des 1., 2. etc. Scheibchens in Millimetern angegeben.
Ann. d. Phyi. a. Chem. N. F. 69. 18
274 R. Emden.
Die Ausmessung der Platte, Nr. 62, /? = 8 Atm. (üeber
druck), ergab:
0 I II III IV V
7,65 4,4 12,05 9,05 16,7 13,35 21,0 17,35 25,0 21,45 29,1 mm,
12,8 4,4 18,2 9,1 22,9 13,2 27,0 17,2 31,0 21,7 35,5 mm,
;L = 4,4 2 ;L = 2 . 4,55 3 X = 3 . 4,4 4 X « 4 . 4,3 5 i =* 5 . 4,3 mm,
X = 4,4 mm.
Man kann wohl annehmen, dass die Fehler der Wellen —
längenmessungen wenig mehr als 0,1 — 0,2 mm betragen. Nicht.^
so genau scheinen die Druckbestimmungen zu sein, da das durch _
Federkraft regulirte Reducirventil sich bei den höheren Drucken
nicht immer gleich einstellte. Durch die grosse Zahl der Beob-
achtungen ist dieser Fehler so gut wie möglich eliminirt worden.
Für jede Düse wurde die Abhängigkeit der Wellenlänge vom
Ausflussdruck durch ein Diagramm Taf. IV (Diagramme A—H)
dargestellt. Als Abscissen sind die Angaben des Beducirventils^),
um 1 erhöht, also der in demselben wirkende Druck, aufge-
tragen; 1 Atm. = 1 cm. (In den folgenden Beobachtungstabellen
sind unter p die direct abgelesenen üeberdrucke angef&hrt
Um die Curve der Wellenlänge auf diese zu beziehen, muss
deren Abscissenaxe um die Einheit nach rechts verschoben
werden.) Die X sind in lOfachem Maassstabe als Ordinaten
aufgetragen,^ Die so erhaltenen Curven werden später dis-
cutirt werden. Aus den Diagrammen ist ersichtlich, dass
durch eine äusserst geringe, 0,1 Atm. = 1 mm kaum über-
steigende Extrapolation der Schnittpunkt dieser Curven mit der
Abscissenaxe, der Ort der Wellenlänge Null, sehr genau be-
stimmt werden konnte, also auch der Druck, bei dem sich
die Wellen im Strahle zu entwickeln beginnen. Zur Sicher-
heit wurden stets noch photographische Aufnahmen bei einem
0,05 — 0,1 Atm. niederen Drucke gemacht, aber in keinem
Falle konnte eine Andeutung von Wellen wahrgenommen
werden. Dieser kritische Druck spielt in der Theorie eine
fundamentale Rolle; durch das geschilderte Verfahren konnte
er mit grösster Genauigkeit ermittelt werden.
Zur Verwendung kamen acht verschiedene Düsen. Die
Düsen A, B, C, D sind schwach conische, vorne mit scharfem
1) Der Nullpunkt des Manometers liegt bei /> = 1.
2) Taf. IV giebt die Originalcurven stark verkleinert wieder.
Ausströmungserscheinungen permanenter Gase, 275
^fiande versehene Messingdüsen von den Durchmessern 3,63,
-2,65, 1,48 u. 0,3 mm.
EvL F sind Flachdüsen. Die Deckplatte bei E ist 0,1 mm
starkes Eisenblech, der Durchmesser der Oeflfnung 3,95 mm.
IBei/'ist die Deckplatte ein bedeutend dickeres, 0,75 mm starkes
Messingscheibchen, der Durchmesser der Oeffnung 2,72 mm. Die
Düsen G u, //, die bei den Vacuumstrahlen in Verwendung
kamen, sind wiederum conische Düsen von den OeflFnungsdurch-
messem 3,5 u. 2,9 mm.
I. Atmosphärische Luft, Angewandt wurde gewöhnliche
atmosphärische Luft. Ein Trocknen derselben war in Anbetracht
der ausserordentlich grossen zur Verwendung kommenden Luft-
mengen nicht gut möglich. Doch war vor den grösseren
Reservoiren ein kleineres eingeschaltet, in dem sich mitgerissenes
Oel der Pumpe und wohl auch ein Theil der Feuchtigkeit
niederschlagen konnte. Eine Trübung des Strahles durch
condensirtes Wasser oder gar Eis war nie bemerkbar.
In den Diagrammen der Wellenlänge sind die Messungen,
die sich auf atmosphärische Luft beziehen, mit liegenden
£[reuzchen x eingetragen; jedes Ereuzchen ist durch Aus-
messung einer photographischen Platte gewonnen. Jedes
Diagramm ist mit dem Buchstaben der entsprechenden Düse
gekennzeichnet. Die Messungen ergaben:
Diagramm A,
DüsendurchmesBer 3,63 mm. Entfernung Düse-Platte =15 cm.
Nr.
p (Ueberdruck)
X mm
Nr.
p (Ueberdruck)
X. mr
Platte
in
Atm.
der Platte
in Atm.
n UIL
56
7
7,0
68
1,9
2.85
57
6
6,8
69
1,8
2,55
58
5
6,32
70
1,7
2,58
59
4,5
6,06
71
1,6
2,15
60
4
5,67
72
1,5
1,9
61
3,5
5,28
73
1,4
1,42
62
3,0
4,4
74
1,3
1,15
63
2,8
4,8
75
1,2
0,7
64
2,6
4,05
76
1,1
?
65
2,4
3,8
77
1,0
*
66
2,2
3,28
78
0,9
*
67
2,0
2,95
I
Nichts mehr wahrzunehmen.
18*
276 R. Emden.
Die Curve schneidet die Abscissenaxe bei einem Druck
von 2,2 Atm. = 1,2 Atm. Ueberdruck.
Diagramm B,
Düsendurchmesser d » 2,65. Entfernung Düse-Platte — 15 cm.
Die Cnrve der Wellenlängen schneidet die Abscissenaxe
bei 1,9 Atm. = 0,9 Atm. ueberdruck.
Diagramm C,
Düsendurchmesser 1,48 mm. Enfemung Düse-Platte 5 cm.
Die Curve der Wellenlängen schneidet die Abscissenaxe
bei 1,9 Atm. =0,9 Atm. Ueberdruck.
Diagramm D.
Düsendurchmesser 0,3 mm. Entfernung Düse-Platte 6 cm.
Die Curve der Wellenlänge schneidet die Abscissenaxe
bei 1,9 Atm. =0,9 Atm. Ueberdruck.
Diagramm E,
Flache Düse d ~ 3,95 mm. Entfernung Düse- Platte =15 cm.
Die Curve der Wellenlängen schneidet die Abscissenaxe
bei 2 Atm. = 1 Atm. Ueberdruck.
Diagramm F.
Flache Düse rf = 2,72 mm. Entfernung Düse-Platte = 15 cm.
Die Curve der Wellenlängen schneidet die Abscissenaxe
bei 1,9 Atm. =0,9 Atm. Ueberdruck.
Diese Wellenlängen für atmosphärische Luft wurden durch
Ausmessung von 104 photographischen Platten gewonnen; für
die später zu besprechenden Vacuumstrahlen kommen noch
28 Platten hinzu.
//. Kohlensäure. Zur Verwendung kam die gewöhnliche
flüssige Kohlensäure des Handels. Es erwies sich als nicht
praktisch, dieselbe mit Hülfe des Reducirventils direct den
Cylindern, in denen sie geliefert wird, zu entnehmen. Auch
wäre die gasförmige Kohlensäure dann sicherlich unter anderen
Temperaturbedingungen gestanden, wie die erst verwendete
atmosphärische Luft. Deshalb wurden die grossen Luftreservoire
mittels einer Wasserstrahlpumpe möglichst evacuirt, mit etwas
ÄusstrÖmungserscheinungen permanenter .Gase. 277
Kohlensäure angefüllt und dieser Ausspülungsprocess zweimal
^ederholt. Schliesslich Hess ich Kohlensäure bis zu 10 Atm.
^ruck einströmen und stellte, so oft als nöthig, diesen Druck
^eder her. Im übrigen wurden die Messungen auf dieselbe
^rt und Weise vorgenommen, wie bei Luft. In die bereits
ir Luft vorgelegten Diagramme sind die für Kohlensäure er-
mittelten Wellenlängen mit senkrechte Kreuzchen + eingetragen,
^s ergaben sich:
Diagramm A.
d =s 3,63 mm.
Entfernung Düse-Platte =
- 15 cm.
Nr.
p (üeberdruck)
l mm
Nr. p
(üeberdruck)
l mn
er Platte
in Atm.
der Platte
in Atm.
211
7,5
7,95
216
2,1
2,9
212
6
6,8
217
1,6
1,75
218
5
6,1
218
1,3
1
214
4
5,5
219
1,1
—
215
3,1
4,5
220
0,9
—
Die Curve dieser Wellenlänge fällt vollständig zusammen mit
ierjenigen, die wir bereits für atmosphärische Luft gefunden.
Die Wellenlänge der in Kohlensäure und Luft auftretenden
tationären Schallwellen ist dieselbe unter gleichen Bedingungen.
)iese Schallwellen beginnen sich bei beiden unter Benutzung
ler Düse A bei 1,2 Atm. üeberdruck zu entwickeln.
Diagramm B,
Düsendurchmesser d = 2,65 mm. E = 1 cm.
Die Curve der Wellenlänge fällt wiederum vollständig mit
ler für Luft gefundenen zusammen; ihr Schnittpunkt mit der
Ibscissenaxe liegt ebenfalls bei 1,9 Atm. = 0,9 Atm. üeber-
[ruck.
Da sich für Kohlensäure und Luft diese völlige üeberein-
timmung der Wellenlängen ergeben hatte, wurden die Mes-
ungen für Kohlensäure an den übrigen Düsen nicht mehr
oit dieser Vollständigkeit durchgeführt. Es wurden die Mes-
ungen nur noch bei tieferen Drucken vorgenommen, um die
ür die Theorie in erster Linie maassgebende Grösse, den
(chnittpunkt der Wellenlänge mit der Abscissenaxe zu prüfen.
278 R. Emden.
Diagramm (7.
d » 1,48 mm. E - 2,5 cm.
Diagramm D.
d = 0,8 mm. E « 2,5 cm.
Diagramm F,
Ebene Dflse, d « 2,72 mm. E — 2,5 cm.
In allen drei Diagrammen ist dieselbe Uebereinstimmung
zwischen Kohlensäure und Luft vorhanden, und der betreffende
Schnittpunkt liegt bei 1,9 Atm. = 0,9 Atm. Ueberdruck.
Zu diesen Messungen wurden 33 Aufnahmen gemacht
und ca. 20 Kilo Kohlensäure verbraucht.
IIL Wasserstoff, Derselbe war nicht chemisch rein, hatte
aber immerhin ein specifisches Gewicht von nur 0,12 (statt
0,069). Aus den schon bei den Versuchen mit Kohlensäure
auseinandergesetzten Gründen war es nicht angezeigt, denselben
direct den Stahlcylindem, in denen er unter 150 Atmosphären
Druck geliefert wurde, zu entnehmen. Vielmehr wurden wie
dort die Luftreservoire ausgepumpt, mit Wasserstoff ausgespült
und schliesslich bis 10 Atmosphären Druck mit demselben an-
gefüllt. Die Resultate der Messungen sind in den bereits für
Luft und Kohlensäure angelegten Diagrammen mit kleinen
Kreisen eingetragen.
Diagramm
B.
d =
2,65 mm.
^:
= 25 cm.
Nr.
V
(Ueberdruck)
l. mm
Nr.
p (Ueberdruck)
X roi
der Platte
in Atm.
der Platte
in Atm.
243
6,5
5,75
248
2,1
2,75
244
5
5,0
249
1,85
2.31
245
4
4,5
250
1,6
1,80
246
8.1
4,0
251
1,35
1,0
247
2,6
3,4
252
1,1
*
* Platte
verunglückt.
Die so erhaltenen Photogramme unterscheiden sich von
den entsprechenden bei Luft insofern, als der Strahl von
kräftigen Wirbeln umhüllt ist, die der grossen Dichtigkeits-
diflferenzen wegen hier besonders stark hervortreten. Diese
Wirbelbilder, die schon bei Kohlensäure sehr kräftig hervor-
treten, sind hier so stark entwickelt, dass sie das eigentliche A
Ausströmung ser scheinungen permanenter Gase, 279
Strahlbild fast vollständig verdecken und nur wenige Wellen
^ zu deren Längenmessung frei lassen. E. und L. Mach haben
nun ein sehr sinnreiches Mittel angegeben, den Strahl aus
dieser Umhüllung herauszuschälen. Vergrössert man die Be-
lichtungsdauer, so integrirt man gleichsam über diese rasch
und regellos wirbelnden Gebilde, während das stationäre Strahl-
bild darunter nicht leidet. Es wurde deshalb die bereits früher •
beschriebene Versuchsanordnung gewählt, der Funke durch
das auf eine kleine Blende concentrirte Bogenlicht ersetzt und
das Lichtbündel durch einen sehr raschen Momentverschluss
unterbrochen. Dadurch werden die Wellen auf eine bedeu-
tend längere Strecke hin messbar gemacht; die Wirbel sind
verschwunden.
Die Messungen ergaben in diesem Falle:
Nr.
der Platte
p (Ueberdr.)
in Atm.
k mm
Nr. p (Ueberdr.)
der Platte in Atm.
253
6,5
5,9
257
2,1 2,7 1
254
5
5,o[i7=15
258
1,6 2,38 Ii7=15
255
4
4,6 f cm
4,0J
259
1,35 1,82 1 cm
256
3,1
260
1,1 0,8-0,9
Die Wellenlängen stimmen für Dauerbeleuchtung und
Funkenbeleuchtung so sehr überein, dass 2 mal zwei Kreis-
chen zur vollständigen Deckung gelangen. Femer wird be-
stätigt, was wir schon nach dem Verhalten der Kohlensäure
zu seh Hessen erwarten konnten: Die Curve der Wellenlängen
fällt auch für Wasserstoff vollständig mit derjenigen für Luft
und Kohlensäure zusammen^ wie bei jenen ist auch ihr Schnitt'
punkt mit der Äbscissenaxe bei 1,9 Atm, Unter gleichen Be*
dingungen besitzen die in Luft-, Kohlensäure- und Wasserstoff-
strahlen auftretenden stationären Schallwellen dieselbe Wellenlänge,
Was fiir diese eine Düse gefunden, bestätigt sich auch bei den
übrigen.
Diagramm C
d = 1,48 mm. £" = 20 cm.
Die Curve Cällt vollständig mit der für Luft und Kohlen-
säure zusammen; der betreffende Schnittpunkt liegt auch bei
^1,9 Atm. = 0,9 Atm. Ueberdruck.
280 R. Emden.
Diagramm D,
d *= 0,3 mm. £ = 17 cm.
Verhältnisse dieselben wie bei Luft und Eohlensäu
Schnittpunkt bei 1,9 Atm.
Diagramm A,
d = 3,63 mm. i? = 40 cm.
Dieselben Verhältnisse wie bei Luft und Kohlensäuren
Schnittpunkt bei 22 Atm. = 1,2 Atm. Ueberdruck.
Zur Verwendung kamen ca. 15 000 Liter WasserstoflT^
dabei wurden 36 photographische Wellenlängebestimmungen
vorgenommen.
Wir haben somit zwei Hauptresultate unserer Unter-
suchungen gewonnen:
1. Strömt Luft, Kohlensäure oder IVasserstoff unter gleichem
genügend grossen Ueberdrucke aus, so haben bei derselben Düse
und demselben Drucke die in den Ausflussstrahlen auftretenden
stationären Schallwellen in diesen Gasen dieselbe ff ellenlange.
2. Der Ausflussdruck, bei dem sich diese stationären Schall'
wellen zu entwickeln beginnen, ist für Luft, Kohlensäure und
Wasserstoff derselbe und zwar gleich 0,9 Atm, Ueberdruck gleich
1,9 Atm, Ausflussdruck,
Ordnen wir die Gase nach der sie in erster Linie cha-
rakterisirenden Grösse, der Dichte, oder was beinahe aut dasselbe
hinaus kommt, der Schallgeschwindigkeit, so erhalten wir eine
Reihe, an deren Enden Kohlensäure und Wasserstoff stehen,
während Luft ungefähr in der Mitte liegt. Mit grösster Wahr-
scheinlichkeit können wir wohl die für diese drei Gase gefundenen
Gesetze auch auf die übrigen Gase ausdehnen und erhalten
das Gesetz, das wir im folgenden Capitel theoretisch ableiten
werden :
Die in den Ausflussstrahlen aller Gase auftretenden, stationären
Schallgebilde haben innerhalb der Beobachtungsgrenzen unter sonst
gleichen Umständen dieselbe ff ellenlange und beginnen sich bei
denselben Ausflussdrucken von 1,9 Atm, = 0,9 Atm. Ueberdruck
zu entwickeln, m
AusstrSmungserscheinungen permanenter Gase. 281
Wir gehen über zur analytischen Formulirung dieser
W'ellenlängencurven, und werden, um uns später nicht wieder-
holen zu müssen, die für Vacuumstrahlen erhaltenen Curven
(^ und H in diese Betrachtungen einschliessen. Sie entsprechen
zwei conischen Düsen von 3,5 bez. 2,9 mm Durchmesser. Als
A^bscissen sind aufgetragen der Quotient des Druckes (nicht
Ueberdruckes) im Reductionsventil und des Aussendruckes, der
init abnehmendem Ausflussdrucke sich rasch dem Normal-
drucke 1 näherte (darüber siehe später). Auch die beiden
Curven G und H schneiden die Abscissenaxen bei 1,9 Atm.
Es zeigt sich nun, dass die sämmtlichen Curven Ä bis H
Parabeln sind und sich mit grösster Genauigkeit darstellen
lassen durch die Gleichung
}. == Z.^p — p^ {X in Millimetern, die p in- Atm. gemessen)
wenn wir mit /?k' den kritischen Druck bezeichnen, welcher der
Wellenlänge Null entspricht, den Schnittpunkt derCurve mit der
Abscissenaxe. Die Constante Z wechselt selbstverständlich mit
der Düse. Ich berechnete diese Constante so, dass die Wellen-
längencurve für eine bestimmte Düse sich den Beobachtungen
möglichst gut anschmiegend gezeichnet und unter Benutzung
der Parabelgleichung aus einer Anzahl Punkten derselben Z be-
stimmt wurde; aus diesem Z warde schliesslich das Mittel
gebildet. Wie die folgende Tabelle lehrt, ordnen sich diese Z
in derselben Reihenfolge, wie die Durchmesser d der zugehörigen
Düsen. Wir zerlegen deshalb ^ in ^.d und schreiben die
Gleichung der Wellenlänge
l = J^d^p -^pv
und machen die Gleichung stimmend in Bezug auf die Dimen-
sionen, indem wir rechts durch ]/jö7> /^i = 1 Atm. dividiren und
j als reine Zahl betrachten. Wir erhalten
= aV"'
und stellen die Werthe von d^ Z^ j und p^ in einer kleinen
Tabelle zusammen.
282
R, Emdefim
äse
e^mm
Z
h
Pv Atm.
(Ueberdr.)
p^iPty
Ä
3,63
8,20
0,88
1,2
2,2
B
2,65
2,46
0,93
0,9
1,9
C
1,48
1,52
1,02
0,9
1,9
D
0,3
0,285
0,93
0,9
1,9
E
3,95
3,16
0,80
1,0
2,0
F
2,72
2,46
0,91
0,9
1,9
0
3,5
2,85
0,79
0,9
1,9
E
2,9
2,34
0,77
Mittel 0,88
0,9
1,9
Mit Hülfe dieser Werthe von j und pi,* sind unter Zu-
grundelegung der angegebenen Gleichung für X die in die
Diagramme A und H eingezeichneten Curven construirt.
Die X werden so selbst bis zu Drucken von 18 Atm. hinauf
mit grosser Genauigkeit wiedergegeben. Eine Abhängigkeit
der Coefficienten j vom Düsendurchmesser ist nicht er-
kennbar, trotzdem diese von 0,8 mm bis beinahe 4 mm, die
Düsenö£fnungen wie die Quadrate dieser Grössen variiren.
Dieser Coefficient scheint deshalb in seiner Abweichung von
dem Mittelwerthe nicht sowohl von dem Durchmesser der Düse,
als von der Gestalt derselben beeinflusst zu sein, von der Politur
derselben etc. Rechnen wir mit dem Mittelwerthe j = 0,88.
so erhalten wir noch immer sehr annehmbare Werthe für il,
die sich von %den wirklich beobachteten nur um wenige Zehntel
Millimeter unterscheiden.
Der kritische Druck 7?^/ hat bei sechs Düsen denselben Werth,
1,9 Atm., bei den zwei grössten Düsen 2.0 und 2,2 Atm. Die
Theorie ergiebt, wie sich zeigen wird, den Werth 1,90 Atm.,
der bei den verschiedenen Gasen nur in ganz geringem, bei den
Messungen verschwindendem Grade noch von dem Verhältniss
der specifischen Wärmen abhängt, nicht aber vom Düsendurch-
messer. Die beiden nur unbedeutend grösseren Werthe von
/?k', die wir bei den grössten Düsen finden, sind wohl dadurch
beeinflusst, dass wir die Oeffnungen derselben gegen die
Durchbohrungen und Canäle des Reducirventiles nicht mehr
ganz vernachlässigen dürfen. Diesem Umstände ist es zuzu-
schreiben, dass unmittelbar hinter der Düsenöfifnung ein etwas
kleinerer Druck herrscht, als im Eeducirventil, wir also durch ^
Ausströmung ser scheinungen permanenter Gase. 283
^ ^ie Angabe des letzteren etwas zu grosse Werthe flir /? — p^.
pP^fhalten, ein Fehler, der sich nur bei den kleinsten Werthen
f ^on l bemerkbar macht. Dass die Flachdüse vom Durch-
messer 3,95 mm ein kleineres p^' (2 Atm.) liefert als die conische
I)üse von Durchmesser 3,63 mm (;?*/ = 2,2 Atm.), rührt daher, dass
Ausflussversuche, auf die wir im nächsten Capitel zu sprechen
kommen werden, ergaben, dass Flachdüsen unter ganz denselben
l)rucken ausserordentlich viel weniger Gas ausströmen lassen,
als conische Düsen, so dass die oben erwähnte Fehlerquelle
sich bei letzteren stärker fühlbar macht.
Da die DiflFerenz p^pv dieselbe bleibt, wenn wir jedes
Glied um die Einheit erhöhen oder vermindern, so ist es gleich-
gültig, ob wir für p und pyf die üeberdrucke oder die wirklichen
Ausflussdrucke einsetzen. Wir erhalten so für A die genügend
genauen, bequemen Formeln
A.= 0,88 (/j/p- 0,9
A = 0,88 £/]//? - 1,9,
je nachdem wir unter p den Ueberdruck oder Ausflussdruck
verstehen. Für kleine \ sind für die Düse A und E statt 0,9
und 1,9 einzusetzen 1,2 und 2,2, bez. 1,0 und 2,0.
Wir haben bis jetzt die Wellenlängen betrachtet in ihrer
Abhängigkeit vom Druck und Düsendurchmesser. Es wäre
nun sehr wohl denkbar, dass diese Schwingungen im Strahl
beeinflusst sind durch Schwingungen der Düse selbst und es
bleibt deshalb noch zu prüfen, ob die Wellenlänge abhängt
von der Art der Düsenbefestigung und dem Materiale, aus
dem die Düse gearbeitet ist. Zu diesem Zwecke wurden die
photographischen Aufnahmen Nr. 281 — 304 gemacht, mit Luft
und Dauerbeleuchtung, da diese Versuchsanordnung von den
Versuchen mit WasserstoflF noch aufgestellt war. Düsen,
genau gleich der Messingdüse A von 3,63 mm Durchmesser
wurden aus Holz, Hartgummi und Blei hergestellt, also Stofi'en,
die sich in Bezug auf Dichte, Elasticität und Schallgeschwindig-
keit sehr verschieden verhalten. Ferner wurde eine gleiche
Messingdüse an ihrer Mündung mit 2 Kilogramm belastet.
Aus diesen Messungen ging mit aller Sicherheit hervor,
^dass weder das Düsenmaterial noch die Art der Befestigung
284 R. Emden.
von Einfluss auf die Wellenlänge ist. Uebrigens hatten bereits
die Düsen E und F^ Flachdüseu mit Deckplatten bei der eine^
aus Eisen, bei der anderen aus Messing, Werthe für X ge-
liefert, die gleich gut durch die Gleichung der X dargestellt
werden.
Wir gehen über zur Betrachtung der Temperaturverhält-
nisse im Strahl. Die Temperatur an jeder Stelle des Strahles,
namentlich den Stellen grössten und geringsten Querschnittes zu
kennen, wäre von ausserordentlicher Wichtigkeit für die theore-
tische Betrachtung. Aus Neusilber- und Kupferdrähten von
0,1 mm Durchmesser wurden feinste Thermoelemente hergestellt,
die quer durch den Strahl gezogen werden konnten; sie waren
gerade noch widerstandsfähig genug, um vom Strahle nicht
zerrissen zu werden. In dem gleichzeitig objectiv entworfenen
Strahlbilde konnte der Ort der Löthstelle des Thermoelementes
bestimmt werden. In der Arbeit von E. Mach und Salcher
ist in Bezug auf dieStrahltemperaturangegeben: „DieTemperatur
im Strahl ist eine sehr niedere (nach Schätzung von Mach
auf Grund von Versuchen mit einem Thermoelement bis lOO^C.
unter jener der Umgebung).** Zu meinem giössten Erstaunen
kam ich zu einem vollständig anderen Resultate. Die Angaben
des Thermoelementes waren sehr schwankend, stets aber wurden
Temperaturen gefunden, die höchstens 15 — 23® unter der
Temperatur der Luft in den Reservoiren lagen; dabei war es
gleichgültig ob die Löthstelle in einem Welleuknoten oder
ausserhalb desselben, unmittelbar an der Düsenmündung oder
in einigen Centimetern Entfernung von derselben lag. Selbst
bei Ausflussdrucken von lU Atm. Ueberdruck zeigte das Thermo-
element keine grössere Temperaturerniedrigung an als 15 — 23 ^
Ein Quecksilberthermometer mit ganz kleinem, cylindrischem
Gefäss zeigte noch höhere Temperaturen an, sie lagen höchstens
etwa 15® unter der Umgebungstemperatur. Als ich mit Hin-
blick auf jene Bemerkung von Mach nach eventuellen Fehlem
meiner Versuchsanordnung forschte, fand ich, dass bereits im
Jahre 1853 W. Thomson und J.P. Joule ^) Messungen über die
Temperaturen ausströmender Luft angestellt haben. Sie bedienten
1) W. Thomson u. J. P. Joule, Phil. Trans. Roy. Soc. 143. p. 357.
1853. ^
AtustrÖmunffserscheinunffen permanenter Gase. 285
sich hierzu eines kleinen Quecksilberthermometers. Ihre
.Wahlen sind
Druck der Luft Temperaturemicdrt^Mn^
Pfund auf Quadratzoll im Strahl
124 (8,45 Atm.) 13,42» C.
72 (4,9 Atm.j 10,35
31 (2,1 Atm.) 5,75
also nicht entfernt mit jener Mach'schen Angabe übereinstim-
mend, wohl aber mit den von mir beobachteten Temperaturen.
Da die Temperaturen im Strahle nach den Regeln der Thermo-
dynamik zweifellos bedeutend niedriger sind (vgl. das folgende
Capitel), geben Thomson und Joule für die Abweichung der
Messungen eine Erklärung, die ich mir ebenfalls bereits zurecht-
gelegt hatte für den ^all, dass meine Beobachtungen sich be-
stätigen sollten. Durch das Thermoelement oder Thermometer
wird der Strahl gestört', die Luft staut sich und erwärmt
sich; würde sie an diesen vollständig zur Ruhe kommen,
so müsste sie wieder ihre Ausgangstemperatur annehmen. In
grossartiger Weise haben sich Thomson und Joule dies bei
ihrem berühmten Versuche über die Elasticitätsgleichung
der Gase zu Nutzen gemacht, indem sie bei der Ausdehnung
comprimirter Kohlensäure deren lebendige Kraft der Strömung
durch einen porösen Pfropfen vernichteten und dadurch voll-
ständig in Wärme umsetzten. (Vgl. E. Mach, Die Prin-
cipien der Wärmelehre, p. 310.) Ich verliess deshalb diese
Temperaturmessung, da ich eine von dieser Fehlerquelle freie
Methode nicht ausfindig machen konnte.
Wir wenden uns nun zu einer weiteren Klasse von Messungen,
welche die Bestimmung der Dicke des Luftstrahles bezwecken,
welche Grösse bei der theoretischen Betrachtung dieser Er-
scheinungen eine hervorragende Rolle spielt. Messungen hierüber
liegen von E. u. L. Mach nicht vor und waren auch bei den Verhält-
nissen, unter denen sie arbeiteten, nicht anstellbar. Wir haben ge-
sehen, dass der Strahl bei steigendem Drucke erst mit gleich-
förmigen Querschnitte fliesst, diesen aber periodisch mehr und
mehr zu ändern beginnt von dem Momente an, wo die Scheibchen
aufzutreten beginnen, mit denen die Querschnittsminima zu-
286 R. Emden.
sammenfallen. Nach Helmholtz ^) ist ein Strahl von demMediom,
durch das er fliesst, durch eine scharfe Discontinuitätsfläcb^
getrennt. Diese ist auf den photographischen Bildern an-
gedeutet. Man kann sich aber von deren Vorhandensein noch ver-
gewissem, indem man eine feine Nadelspitze dem Strahle nähert
Ist man in unmittelbarer Nähe des Strahles angelangt, so ge-
nügen minimale Verschiebungen der Nadel, um im Strahl-
bilde eine Schliere entstehen und verschwinden zu lassen.
Selbst einige Centimeter von der Mündung der Düse entfernt,
wo der Strahl schon von Wirbeln bekleidet ist (bei Funken-
belichtung nachweisbar), hat er noch eine deutlich ausgeprägte
Trennungsfläche , sodass wir annehmen können, dass die
Wirbel den Strahl gleichsam nur Schicht für Schicht aufzehren.
Das Auftreten solcher ^^Berührungsschlieren'*^ gestattet den Strahl
abzutasten und seine Dicke zu messen. Zu diesem Zwecke
wurden von einem kleinen Funkenmikrometer die Kugeln ent-
fernt und durch kleine Messingkegel ersetzt, die sich zwei
scharfe Spitzen zukehrten. Zwischen diese wurde der Strahl
gebracht und durch die Mikrometerschraube die Spitzen ein-
ander bis auf Strahldicke genähert. Diese Einstellung wurde
angezeigt durch das Auftreten zweier Randschlieren, die in
dem Strahlbilde auftraten, welches auf einem Schirme ent-
worfen war, der, um die Berührungsstelle zu constatiren, mit
Millimeter-Coordinaten-Papier überzogen wurde. Gemessen
wurde bei Verwendung der Düsen Ä und C.
1 . Düse Ay d=:^ 3,63mm,/? = 5 Atm. (üeberdruck), 7. == 6 muL
Vorversuche lehren, dass der Strahl einen periodisch mit dem
Abstände von der Düse sich ändernden Querschnitt hat; die
Stelle geringsten Querschnittes fällt mit den Scheibchen zu-
sammen, der grösste Querschnitt liegt ziemlich in der Mitte
zwischen zwei Scheibchen. Die Einstellungen des Mikrometers
ergeben am Orte des ersten Scheibchens 6,94, 6,98, 7,30, 7,30,
7,20, 7,40, 7,30, 7,00, 7,10mm, seine Nullstellung ist bei 3,40 mm.
'Der Durchmesser des ersten Scheibchens ergiebt sich als
Mittelwerth zu 3,75 mm. Für das zweite Scheibchen wurde er-
halten (Nullstellung des Mikrometer = 3,52): 7,30, 7,30, 7,15, 7,20,
7,30, 7,40, 7,30 mm, im Mittel sein Durchmesser = 3,78 mm.
1)U. V. Helmholtz, lieber discontinuirlicbe Flüssigkeitsbewegungen.
Gesamm. Abhaudl. 1. p. 146. 1868.
ü»
ÄusstrÖmungserscheinuTigen permanenter Gase. 287
Die Beobachtung des Strahlbildes ergab ftir jedes ScheibcheD
einen Durchmesser von 3,7 mm. Die Scheibchen haben des-
halb innerhalb der Beobachtungsfehler denselben Durchmesser
wie die Düsenöffnung.
Die Messungen für das erste Querschnittsmaximum (zwischen
Düse und erstem Scheibchen) ergaben (Nullstellung des Mikro-
meters 3,44): 7,62, 8,10, 8,00, 8,10, 8,00, 8,00, 7,80, 7,90,
8,00, 7,95; sein Durchmesser berechnet sich daraus zu 4,53 mm.
Für das zweite Querschnittsmaximum wurde mit ähnlicher Ge-
nauigkeit erhalten 4,81 mm. Das Mittel beider Messungen
ist 4,67 mm. Im Strahlbilde waren an diesen Stellen die
Strahlgrenzen nicht mit der zu einer Messung nöthigen Ge-
nauigkeit wahrzunehmen.
Düse 6', fl? = 1,48 mm, /? = 7 Atm. (Ueberdruck), X = 3,5 mm.
Die Durchmesser des ersten u. zweiten dünnen Scheibchens ergaben
sich mit ähnlicher Genauigkeit wie oben zu 1,67 und 1,39 mm,
im Mittel 1,53 mm, also beinahe genau der Düsendurchmesser.
Im Strahlbilde erschienen sie 1,50 mm breit. Die beiden
ersten Querschnittsmaxima ergaben sich zu 1,97 und 2,07 mm,
im Mittel zu 2,02 mm. Im Strahlbilde waren sie nicht deut-
lich sichtbar.
Diese Messungen lehren zur Evidenz, dass, wie es die
Theorie erfordern wird, der Strahl nicht mit constanten, son-
dern mit periodisch wechselnden, regelmässig sich wiederholen-
den Querschnitten Üiesst; nach jeder Anschwellung zieht sich
der Strahl auf einen Querschnitt gleich dem der Düsenmündung
zusammen. Diese periodischen Querschnittsänderungen scheinen
bisher nicht beobachtet worden zu sein, wenigstens geben so-
wohl E. Mach und Salcher, als L. Mach an, dass nur gleich
nach der Mündung der Strahl sich erweitert, dann aber
cylindrisch weiterfliesst. Mit dieser Auffassung stimmt auch
der schematische Durchschnitt, den L. Mach in seiner Ab-
handlung wiedergiebt (dort Fig. 12). Nach L. Mach hat der
Strahl folgenden Querschnitt (vgl. Fig. 3):
Fig. 8.
288 S. Emden.
Dies steht in vollständigem Widerspruche mit den oben an-
geführten Querschnittsbestimmungen, welche das StrahlprofiJ
vielmehr so ergeben (vgl. Fig. 4): ^
Fig. 4.
also eine regelmässige Wiederholung aller Verhältnisse schon
von der Düsenmündung an. In einem Strahle vom Quer-
schnitte a sind, wie die Theorie ergeben wird, keine stationären
Schallwellen möglich. Uebrigens ist schon ohne weiteres er-
sichtlich, dass bei dem Profil a, bei constanter Stromgeschwiu-
digkeit, wie sie auch L.Mach annimmt, keine Dichteänderungen,
also Schallwellen, vorkommen können. Denn bei stationärem
Zustande muss der Constanz der Masse wegen das Product
aus Geschwindigkeit, Querschnitt und Dichte unverändert
bleiben; sind also zwei dieser Grössen constant, so muss es
auch die dritte sein.
Durch die bisherigen Untersuchungen sind die im aus-
strömenden Strahle auftretenden Erscheinungen experimen-
tell verfolgt worden; wir haben dadurch die Grundlagen ge-
wonnen, auf denen eine Theorie aufgebaut werden kann.
Wir stellen in Kürze die Resultate unserer Untersuchung zu-
sammen :
1. In einem unter genügend grossem Drucke ausströmenden
Gasstrahle treten periodische, stationäre Dichtigkeitsänderungen
auf, die wir als stationäre Schallwellen zu bezeichnen be-
rechtigt sind. Mit grösster Wahrscheinlichkeit können wir sie
als stationäre, ebene Schallwellen betrachten.
2. Diese stationären Wellen beginnen bei allen perma-
nenten Gasen bei dem kritischen Drucke pj^/ = 1,9 Atm. sich
zu entwickeln. (Für 6 Düsen ist dies in aller Strenge be-
wiesen, für die bei 2 Düsen auftretenden kleinen Abweichungen
haben wir eine vollständig befriedigende Erklärung.)
3. Die Wellenlänge dieser Wellen ist bei gleicher Düsen-
ölTuung unabhängig von der Befestigungsart und dem Material
der Düse, und ist durch deren Form nur in sehr geringem,
nicht näher angebbarem Maasse beeinflusst.
Ausströmungserscheinungen permanenter Gase, 289
4. Die Wellenlänge ist bei gleicher Düsenöffnung und
gleichem Ausfiussdrucke unabhängig vom Moleculargewichte
des Gases.
5. Die Wellenlänge X wächst mit steigendem Drucke j)
und wachsendem Durchmesser d der Düsenöfihung. Ihre Ab-
hängigkeit von beiden wird mit äusserster Genauigkeit für alle
Gase wiedergegeben durch die Formel:
X mm = 5 . dmm . y^H^- , p^ = 1 Atm.
y Pi
6. Der Coefficient j ergiebt sich für alle Gase im Mittel
für 8 Düsen zu 0,88. Mit diesem Coefficienten erhält man
für alle 8 Düsen sehr befriedigende Werthe für X.
7. Von dem Ausflussdrucke an, bei dem sich diese statio-
nären Wellen im Strahle zu entwickeln beginnen, ändert der
bis dahin mit gleichem Querschnitte fliessende Strahl diesen
periodisch, und zwar so, dass sein engster Querschnitt mit
den Scheibchen zusammenfällt und an Grösse stets gleich der
Düsenöflhung bleibt, sein grösster Querschnitt mit steigendem
Drucke zunimmt und ungefähr in der Mitte zwischen zwei
Minimas liegt.
Diese Gesetze sind lediglich der Ausdruck rein experi-
mentell ermittelter Thatsachen. Neue Ergebnisse sind sämmt-
liche numerischen Beziehungen, die Gesetze Nr. 2, 4 und 7 und
theil weise Nr. 3, sowie der Nachweis derselben qualitativen
und quantitativen Beziehungen für Luft, Kohlensäure und
Wasserstoff, die wir infolge dessen mit grösster Wahrschein-
lichkeit auch bei den übrigen permanenten Gasen voraus-
setzen dürfen. Dieser Schluss wird durch die folgenden theo-
retischen Betrachtungen, welche dieselben quantitativen Ge-
setzmässigkeiten ergeben werden, bestätigt.
München, Physik. Institut der Egl. techn. Hochschule,
(Schluss im nächsten Heft)
(Eingegangen 19. März 1899.)
Ann. d. Phjs. u. Chem. N. F. 69. 19
15. Bemerkung über die bei dem Zeeman^schefi
JPhänom^en stattfindenden Intensitätsverhältnisse;
von W. Voigt.
Während die allgemeinen Gesetze der Zerlegung von
Spectrallinien durch die Wirkung eines Magnetfeldes auf ver-
schiedenen Wegen in mit der Erfahrung übereinstimmender
Form gewonnen sind, ist doch ein specieller Punkt, soweit
mir bekannt, bisher unaufgeklärt geblieben, nämlich das eigen-
thümlich wechselnde Verhältniss zwischen den Intensitäten der
aus derselben Spectrallinie entstehenden Componenten. Um
nur von der einfachsten (normalen) Zerlegung zu sprechen, so
zeigen die zahlreichen Triplets des Eisenspectrums nach den
photographischen Aufnahmen des Hrn. Zeeman, von denen
Exemplare durch des Herstellers Güte in meinem Besitz sind,
in dieser Hinsicht die aufifallendsten Verschiedenheiten, vom
Ueberwiegen der inneren bis zum Dominiren der äusseren
Componenten.
1. Die einfachste Form der Theorie, die ich entworfen
habe^), führt zu einem starken Ueberwiegen der inneren Com-
ponente über die äusseren, wie im Folgenden darzulegen ist.
In der Nähe einer Spectrallinie (1) gelten nämlich f&r
die complexen Geschwindigkeiten o^ und o^ der parallel und
der normal zu den Kraftlinien polarisirten Schwingungscom-
ponenten einer normal zu den Kraftlinien des Magnetfeldes
fortgepflanzten ebenen Welle die Formeln*)
(1) (:V=i +
6i e &^ t? 0» ^*
(^) (.:)■-'+■■«'■•
wobei V die Lichtgeschwindigkeit im leeren Räume, 2 ;r «?• = t
die Schwingungsperiode und e^ eine für die elektrische Erreg-
1) W. Voigt, Wied. Ann. 67. p. 345. 1899.
2) 1. c. p. 356. Formel (44) und (45).
i
Intensitätsverhältnisse bei dem Zeemaneffect. 291
barkeit der ponderabeln Materie charakteristische Constante
bezeichnet; ferner ist
(3) e = &^+i&&^^&l, 0=^cX^
und es bedeuten 0-^^ ä-^, c gleichfalls der betreffenden Materie
individuelle Constanten, R aber die magnetische Feldstärke.
Setzt man
(4) &-», = d
und betrachtet S als klein neben &Qy so nimmt bei Beschränkung
auf die erste Ordnung des Verhältnisses S/d-Q Formel (2) die
Gestalt an
(5) {£'=' + J^h;-
Nun gilt
(6) ' = '--- '■ * ,
unter x den Absorptionsindex, unter co die reelle Fortpflanzungs-
geschwindigkeit verstanden ist; es wird also bei Einführung
des Brechungsindex vjcd = n
Das Maximum von 2n]x^ liegt bei ^=0, und es ist ftlr
diesen Werth
;8) 71^(1 -xp=l, 2n5x, = -'^^.
Wir wollen annehmen, dass der letztere Ausdruck als eine
Grösse erster Ordnung gelten, die Absorption also schwach
sein soll; es gilt dann gleiches von x^, und n^ ist an der Stelle
des Maximums von 2 n^ x^ bis auf Grössen zweiter Ordnung
gleich Eins.
Für die Beobachtung maassgebend ist das Product nx
(der Absorptionsmodul), das innerhalb der eingeführten An-
näherung für die normal zu den Kraftlinien polarisirte Com-
ponente gegeben ist durch
WjXj verhält sich also wegen der Kleinheit von «^ «'•j)/??'^ merk-
lich wie n] x, . Der Gleichung (2) entspricht demnach ein
Absorptionsstreifen bei ä = 0.
19*
292 r. roigt
Die aus dem Ausdruck (1) für {v/o^)^ folgenden Absorp-
tionsstreifen der parallel zu den Kraftlinien polarisirten Com-
ponente liegen nahe bei S ^ ±\c R. Sollen dieselben sicir
deutlich von dem durch (2) gegebenen unterscheiden, so muss
jedenfalls n^x^&r 3 = ± ^cB klein gegen seinen Maximal werth
B^&^l 2 &^ sein. Hieraus folgt aber, dass c R gross gegen &^
sein muss, und wir wollen festsetzen, dass zwischen diesen
beiden Grössen dasselbe Ordnungsverhältniss besteht, wie
zwischen &^ und e^ d-^.
Unter Benutzung dieser Resultate findet sich das letzte
Glied der Formel (1) in der Nähe des Absorptionsstreifens als
von dritter Ordnung, und bei seiner Vernachlässigung erhält
man, wenn man (1) schreibt:
(10) (i)'=i+i«i'^* (0-^0+ -§-*)•
für die Umgebung des oben betrachteten Streifens
(11) n\^l + \e,&.
2d + cR 2ö - cR
1 1
(12) 2n]x,^\e^&^ x^, |^_____ _ 4. ________^ ^^ .
Für 23 = ± cE, d. h. für den Ort der Absorptionsstreifen,
wird
(13) «J = l + #wVTf'
n^ ist also hier nur um eine Grösse zweiter Ordnung von Eins
verschieden, und wir erhalten innerhalb der festgesetzten An-
näherung für beide Absorptionsmoduln die Maximalwerthe
(14) 'H*i=-j|f. «;*, = ^-
Der dem mittleren Absorptionsstreifen zugehörige Werth nx
findet sich somit doppelt so gross, als der den beiden äusseren
entsprechende.
2. Nach dem im Eingang Gesagten finden sich aber in
Wirklichkeit bedeutende Abweichungen von diesem Verhältniss;
es scheint, dass der Quotient n^x^jn^x^ immer grösser ist,
als es nach der Formel (14) sein sollte, ja n^x^ ist mitunter
sogar kleiner als tu x, .
Intensitätsverhältnisse bei dem Zeemaneffect 293
•
Um zu entscheiden^ in welcher Hinsicht die aufgestellten
I Differentialgleichungen zu erweitem sind, um diese Mannich-
faltigkeit zu erklären, hat man nur zu beachten, welche Rolle
die in (14) auftretenden Parameter 6j, i?-^, &^ in der Theorie
spielen. Dieselben treten allein in den Formeln^) auf, welche
die Erregung von Schwingungen des f&r die absorbirende
Substanz und speciell für den betrachteten Absorptionsstreifen
charakteristischen Vectors ffi^ mit den Componenten X^ , ?)i , 3i
durch die elektrische Kraft K mit den Componenten X, Z, Z
bestimmen und in diesen Parametern lauten, wenn die
Z-Coordinatenaxe der magnetischen Feldstärke R parallel liegt,
3i + .^ '// + ^n ^■- = e, Z.
Die beschriebenen Beobachtungen verlangen nun offenbar,
dass von den Parametern in den eisten beiden Gleichungen
einer oder mehrere von den mit gleichen Buchstaben bezeich-
neten in der letzten Gleichung verschieden sind. Eine solche
Verschiedenheit kann bei dem an sich isotropen Körper natürlich
nur als Folge des ausgeübten Feldes eintreten; die betreffenden
Parameter müssen also in den verschiedenen Gleichungen ver-
schiedene Functionen der magnetischen Feldstärke sein.
Die 61 als von der Feldstärke erheblich abhängig anzu-
nehmen, erscheint unzulässig, weil damit eine Abhängigkeit
der statischen Dielektricitätsconstante fi = 1 + 2 ^;» von dem
Magnetfelde eingeführt werden würde, die nicht beobachtet ist.
Ebenso unzulässig erscheint die analoge Annahme in Bezug
auf t9-jj; denn sie würde eine die Zerlegung begleitende Ver-
schiebung der Spectrallinien ergeben, die der Beobachtung
widerspricht.
Dagegen steht nichts im Wege, den Parameter iJ-j, der
den Widerstand misst, welchen der Vector ffj bei seinen
Schwingungen findet, mit der Feldstärke wechselnd anzunehmen,
und es entspricht den Symmetrieverhältnissen des Vorganges,
für i^j in den beiden ersten Gleichungen eine, in der letzten
1) W. Voigt, 1. c, vgl. Formelaystem (6) und (15).
294 W. Voigt
eine andere gerade Function der Feldstärke zu setzen. Auch
die Gleichung der Energie ist mit dieser Erweiterung voU«^
kommen vereinbar.
Die nächstliegende Annahme wäre , i^^ = a^ + ß^ R^ zu
setzen (unter a^ und ß^ Constanten verstanden), wo dann ß^
in den ersten beiden Gleichungen (15) einen anderen Werth
haben müsste, als in der letzten. Ein positives ß^ würde aus-
drücken, dass die Absorptionsstreifen mit wachsender Feld-
stärke an Intensität verlieren^ ein negatives, dass sie getoinnen.
Wenn es richtig ist, dass, wie behauptet wird, im Magnetfeld
Streifen sichtbar werden, die ausserhalb desselben nur un-
merkliche Intensität besitzen, so wird man das letztere Vor-
zeichen als das wahrscheinlichere betrachten müssen. Der
Wahrnehmung, dass n^x^ j ri^x^ immer grösser zu sein scheint,
als nach der Theorie bei constant genommenen d^ sein sollte,
könnte man dann am einfachsten dadurch entsprechen, dass
man ß^ in den ersten zwei Gleichungen (13) negativ = — ;,
in der letzten aber gleich Null annähme, also setzte:
(16) «1 *i = äiaT^^Ä^y ' "2** = -^
3. Noch sei auf eine interessante Folgerung aus diesen
Resultaten hingewiesen. Nach früher von mir Gegebenem^) ist
das Emissionsvermögen E einer homogenen planparallelen und
in parallelen Ebenen cohärent schwingenden Schicht von der
Dicke / für Licht von der Wellenlänge A bei schwacher Ab-
sorption gegeben durch die Formel
(17) j:=>-^^~.nx,
in der k eine universelle Function der Temperatur bezeichnet.
Diese Formel lässt sich auf den Fall incohärenter
Schwingungen jedenfalls soweit übertragen, dass man für sehr
wenig verschiedene Farben:
(18) E=k',nx
setzen darf, wo dann k' nur noch von der Dicke der leuchtenden
Schicht und von der Temperatur abhängt Ist nx nur für
einzelne Farben von merklicher Grösse, so kann man die
Emission der übrigen ignoriren.
1) W. Voigt, Wied. Ann. 67. p. 380. Formel (63) 1899.
I
Intensitätsverhältnisse bei dem Zeemaneffect, 295
Das gesammte Emissionsvermögen einer im Magnetfeld
befindlichen monochromatischen Flamme zerfällt hiemach in
die zwei Theile:
(19) E,==2k\n,lc,, U^^k'.n^x,,
die den parallel und normal zu den Kraftlinien polarisirten
Schwingungen entsprechen. Da die ersteren in zwei für unsere
Betrachtung identischen Spectrallinien vorhanden sind, so tritt
in dem Ausdruck für E^ der Factor 2 auf.
Ist der Parameter i^-^ eine Constante, so ist nach (14j
d. h. das prismatisch nicht zerlegte Licht der Flamme verhält
sich wie natürliches Licht.
Wechselt dagegen Z)-^ wie oben gesagt, gelten also die
Formeln (16), so ist
und zwar wird der Unterschied zwischen beiden Grössen mit
wachsender Feldstärke zunehmen. In diesem Falle wird das
prismatisch nicht zerlegte Licht der im Magnetfeld befind-
lichen Flamme sich als theilweise nach den Kraftlinien polari-
sirt darstellen, und der polarisirte Antheil wird mit wachsen-
der Feldstärke selbst zunehmen.
Diese Resultate stimmen mit den bekannten Beobachtungen
der Herren Egoroff und Georgiewsky ^) überein und können
wohl als eine einfache Erklärung derselben gelten.^
Resultate.
Die erweiterten Hertz 'sehen Gleichungen geben von den
wechselnden Intensitätsverhältnissen des Zeem an 'sehen Tri-
plets') Kechensehaft. wenn man nur die Widerstände, welche
I
1) N. Egoroff 11. X. Georgiewsky, Compt. rend. 124. p. 949. 1897.
2) In etwas anderer Weise werden die betr. ErscheiuuDgeD von
Hm. H A. Lorentz (Zittingsverl. Kon. Akad. v. Wet, Amsterdam.
1897/98. p. 193) aufgefasst. Die von ihm herangezogene Absorption in
der Flamme ist in der Formel (17) bereits berücksichtigt; sie scheint mir
aber für sich allein zur Erklärung der Beobachtungen nicht auszureichen.
3) Zu einer theoretischen Untersuchung der complicirteren normal zu
den Kraftlinien entstehenden Zerlegungen nach Seite der Intensitäten fehlt
68 noch an Beobachtungsmaterial.
296 W, Voigt Intensitätsverhältnisse bei dem Zeemaneffect
den Schwingungen der für die einzelnen Spectrallinien cha-
rakteristischen Vectoren &^ entgegenwirken, gemäss den Sym-
metrieverhältnissen des Magnetfeldes mit der Feldstärke variabel ^
annimmt. Es scheint, dass diese Annahme zugleich die Beob-
achtung erklärt, dass im Magnetfelde Spectral- bez. Absorptions-
linien sichtbar werden, die ausserhalb des Magnetfeldes nicht
erkennbar sind.
Auch die Beobachtungen der Herren Egoroff und
Georgiewsky über die theil weise Polarisation des nicht
spectral zerlegten Lichtes einer im Magnetfelde befindlichen
und normal zu den Kraftlinien betrachteten monochromatischen
Flamme werden durch sie verständlich.
Göttingen, Anfang August 1899.
(Eingegangen 21. August 1899.)
6. Zur Theorie der Einwirkung eines elektro^
iHscJien Feldes auf die optischen Eigenschaften
dei^ Körper; von W. Voigt.
Obwohl zahlreiche Beobachtungen^) über die optische
irkung eines elektrostatischen Feldes vorliegen und für
hrere der wahrgenommenen Erscheinungen sogar Formeln
Tgestellt worden sind, hat doch, soviel ich sehe, noch niemand
I Differentialgleichungen für diese Vorgänge in der vollen
Igemeinheit aufzustellen versucht.^ Es ist daher vielleicht
i auf einfache Hypothesen gegründetes Gleichungssystem,
Iches die Beobachtungen zu erklären vermag, nicht ohne
Deresse, und dies um so mehr, wenn dasselbe Erscheinungen
Tialisirt, die bisher noch nicht wahrgenommen sind.
Die Grundlage des Folgenden bilden die Gleichungen
r elektromagnetischen Lichttheorie in der Erweiterung, die
len Hertz t\ir die Darstellung der Dispersionserscheinungen
geben hat. Da die Krystalle bei den zu erörternden Vor-
ngen ganz besonders in Betracht kommen, so sollen diese
1) J. Kerr, Phil. Mag. (4) 60. p. 337. 1875; 8. p. 85. 1880; (5) 9.
159. 1880; 13. p. 153. 1882; 20. p. 363. 1885; W. C. Röntgen,
ied. Ann. 10. p. 77. 1880; H. Brongcrsma, Wied. Ann. 16. p. 222.
B2; G. Quincke, Wied. Ann. 10. p. 536. 1880; 19. p. 729. 1888;
Blondlot, Compt rend. 106. p. 349. 1888; W. C. Röntgen, Wied.
in. 18. p. 213 und 534. 1883; 19. p. 319. 1883; A. Kundt, Wied.
m. 18. p. 228. 1883; Fr. Pockels, Preisschrift d. k. Gesellsch. d.
issensch. zu Göttingen, Abb. 39. p. 1. 1893.
2) Die theoretischen Ueberlegungen des Hm. Fr. Pockels in seiner
irten schönen Preisschrift gehen nicht von Differentialgleichungen aus,
Qdem ruhen auf der Hypothese, dass auch fQr die einem elektrischen
!lde ausgesetzten Körper die Fresnel'schen Gesetze der Doppelbrechung
;ltnng besitzen. Es wird sich zeigen, dass diese Annahme keineswegs
selbstverständlich ist, wie man zunächst vermuthen möchte, durch die
fEOstellenden Differentialgleichungen auch nur als angenähert richtig
wiesen wird. Auch spätere von Hrn. Pockels angestellte theoretische
sberlegungen (Gott. Nachr. p. 102. 1896) ruhen auf speciellercr Grund-
B^e, als die folgenden Entwickelungen ; es wird hierauf weiter unten
rückzukommen sein.
298 Jr. Voigt
Formeln von allem Anfang an in einer Gestalt benutzt werden,
die solchen Körpern entspricht; indessen wollen wir uns dabei^
um zunächst unnöthige Complicationen zu vermeiden, aut
Krystalle beschränken, deren optische Symmetrieaxen für edle
Farben zusammenfallen. Es werden demgemäss also — wenig-
stens soweit verschiedene Farben und Absorptionen in Frage
kommen — die Repräsentanten des monoklinen und des triklineu
Systemes ausser Betracht bleiben.
1. Legen wir dieCoordinatenaxen in die optischen Symmetrie-
axen und bezeichnen mit K {X, 7, Z)^ P (Z, M, iV) das System
der elektrischen und der magnetischen Kräfte, mit $f (£, % 3)
dasjenige der elektrischen Polarisationen, mit t; die Licht-
geschwindigkeit im leeren Baume, so lautet das zu Grunde
gelegte System von Gleichungen
... dL IdY dZ\ dH _ jdX dM\
^^^ ~dt^''['dx dy)' ~dt '^''\dy"'TV)'
Dabei sind die Polarisationscomponenten X, f), 3 definirt
durch
(2) 3E = X+23E*, ?) = r+2?)*. 3 = -2^+23*,
worin X^, ^^, 3* diö Componenten elektrischer, aber für den
Zustand der ponderabeln Theile charakteristischer Hülfsvectoren
ffj^ darstellen, die mit K[X, Y, Z) durch die Gleichungen
(3)
5) + a'^ ^1- + ^. _^•l^ _ e^ Y
Q A- nh -^ 3^ 4- M A' _% = *fc i^
verbunden sind, in denen die ö, b, t positive Constanten
darstellen. Dei' Exponent h oder k bezeichnet dabei j wie hier,
so im Weiteren^ jederzeit einen Index,^) Diesem Gleichungssystem
1) Wo im Folgenden einer der Vectoren Stk für sich betrachtet
wird, ist er stets mit dem Index h versehen; Gleiches gilt von den ver-
schiedenen ihm zugeordneten Constanten; unter dem Summenzeichen ist
ihm dagegen immer der Index k gegeben. AVe vorkommenden Sum-
mationen begehen sich auf diese Variable k, m
Optische IVirkungen eines elektrischen Feldes. 299
entspricht ein Antheil in der elektrischen Energie der Volumen-
1^ einheit von dem Betrag ^)
(4)
O 71
+ -y
^(«+^(4^)')^^.(,j^^(«..)')
+
Mi^'^<'m
Zur Darstellung des Einflusses des elektrischen Feldes
wollen wir nun diesen Ausdruck durch die allgemeinsten Glieder
erweitern, die homogene Functionen zweiten Grades der Vec-
torcomponenten IS^y ^j^, 3* si^^^ ^^^ dabei die Componenten
A, By C der Feldstärke in den niedrigsten^ mit den Symmetrie-
Verhältnissen des Körpers vereinbaren Potenzen enthalten.
Hierdurch wird ausgedrückt, dass wir erstens die Wirkung
des Feldes von der Anwesenheit ponderabler Theile abhängig
machen, zweitens die stattfindenden Kräfte als conservativ be-
trachten, die Erregung einer Absorption in einem zuvor durch-
sichtigen Körper also ausschliessen ; dass wir drittens die
Gleichungen der elektrostatisch beeinflussten Lichtbewegung
als homogen-lineare ansetzen und somit die Superposition ver-
schiedener Wellen annehmen, und dass wir viertens in Bezug
auf den Einfluss des Feldes uns auf die erste Annäherung
beschränken.
2. Mit den Symmetrieverhältnissen acentrischer Krystalle
ist ein in den Feldcomponenten J, B, C linearer Antheil e'
der Energie verträglich, und wir setzen demgemäss hier
(5)
+ 2rf*.?),3. + 2rf,\ ?,,\ + 2dl',X,%)
+ B^{d,\Xji + dl^m + d^,3l
+ c^{di,r, + di^m + d,\sii
+ 2 d,\ %S,-\-2 rf,\ 3* X* + 2 d,\ X, ?)»)
1) Vgl. W. Voigt, Wied. Ann. «8. p. 354. 1899. Dort ist, da es
nicht auf den absoluten Werth der Energie ankam , der Factor 1 / 4 n
^ ausgelassen.
300 W. Voigt
wobei die d^^ dem Vector ^^ zugeordnete Constanten be-
zeichnen. Wie sich dieser Ansatz für die einzehien Erystall-gk
gruppen ohne Symmetriecentnim specialisirt, habe ich an einer
anderen Stelle mitgetheilt^); für alle centrisch symmetrischen
Erystalle, wie auch für isotrope Körper, verschwinden nach
Symmetrie sämmtliche d * .
Nach dem Ansatz (5) nehmen nun die erweiterten Glei-
chungen (3) folgende Gestalt an:
(6)1 ?)* + «?Tt +*?^?- +i\A*.+2>A^.^+3*2>*, = eJ2',
wobei ist
(7) D,% = A d,\ + Bd>>^ + Cd,\ , B,, = D,, =Ad,\ + £d,\ +Cd,\,
I 2),» = A rf,* + B d^\ + Cd,\ , B,, = i)„ = ^rf » + Bd^\ + Cd,\ ;
die Formeln (1) und (2) bleiben angeändert Rechnet man
mit complexen Lösungen und setzt periodische Schwingungen
voraus, so folgt aus (6)
(8) \ \ B,\ + \ {i>* + B,\) + 3, B,\ = 6* r ,
X. D,\ + % D,\ + 3. {Di + D^) = ^IZ,
wobei
,Ä ih ' ^h J.Ä j ^h \,h
gesetzt ist, unter 2:;n9" = t die Schwingungsperiode verstanden.
Die Grössen D^ sind hiernach im allgemeinen complex;
nur in Spectralbereichen, die frei von Absorptionsstreifen sind,
kann man das in i multiplicirte Glied vernachlässigen und die
I>^ als reell betrachten. Dann sind auch für X, ¥, Zj X^, g^, 3*
reelle Lösungen zu setzen.
3. Wir wollen uns zunächst nur mit diesem Fall be-
schäftigen, der der wichtigste ist, weil über ihn allein — d. h.
1) W. Voigt, Compend. d. theor. Physik 1. p. 139 ff. Leipzig 189&
f
OptUehe Wirkungen eines elektrischen Feldes.
301
I
über sogenannte durchsichtige Körper — Beobachtungen vor-
liegen. Dabei wollen wir der Erfahrung entsprechend weiter
Toraussetzen, die Wirkung des elektrischen Feldes sei so
schwach, dass die von ihr abhängigen D ^ als klein neben
den ly^ betrachtet werden dürfen.
In diesem Falle kann man die Gleichungen (8) mit Hülfe
der Näherungswerthe
(10) x,i)f = e*x, D,i>* = «jr, 8,öf = «*^
angenähert nach Xj^, 9^, 3« auflösen und demgemäss schreiben:
(11)
3e,z>f=+«?x 1-
2)f
-«?r
D/
D?
-tiZ
Dl
D*
D,2>J = - efZ-^J + «J 7(1 - -^f ) - «Jif^
8,2)f = -«*2:^'
Z)?
+ «f^|i- ^f
Hiemach nehmen die Componenten X, ^^ 3 der Gesammt-
polarisation gemäss (2) die Werthe an
X L r/i a- '^** 'V-iLP/i) y'^ßf^A y'S^**^'*»
;i2)
fc
23
efZ>
-/V
2Z
D.
(13)
Schreibt man diese Formeln kurz
X = Zeil + r€i, + ^6^3 ,
^ = Xa^i + r«3, + ^€,3 ,
und setzt diese Werthe in die Gleichungen (1) ein, so erhält
man ein System, das dem nach der elektromagnetischen Licht-
theorie für einen beliebig orientirten merklich durchsichtigen
Erystall gültigen durchaus conform ist.
Fehlt die Wirkung des elektrischen Feldes, so werden die
9^n für iw^n gleich Null, die fi^n nehmen die Werthe
k
(14)
C. = '/„ = 1 +
2
n
K
302 }K Voigt.
an und gehen in die ,. dynamischen^' Hauptdielektricitäts*
Constanten des Erystalles über, die bei Schwingungsvorgängen
an die Stelle der für die Gleichgewichtsvorgänge maassgebenden
,,statischen^^ Hauptdielektricitätsconstanten
(15) «„=1+2*-
treten. Die «„„ repräsentiren somit die allgemeinen dynami-
schen Dielektricitätsconstanten des durch das Feld veränderten
und daher nicht mehr auf seine Hauptaxen bezogenen Krystalles.
Nur ein interessanter Unterschied besteht. Zwischen den
verallgemeinerten Dielektricitätsconstanten c^^ gelten nicht die
Beziehungen c^^ = 6^^, und somit folgen acentrische Krystalle
im elektrischen Feld nicht mehr den FresneT sehen Gesetzen
der Doppelbrechung.
Indessen ist die Differenz zwischen €„„ und €„„ in Wirk-
lichkeit äusserst gering , denn die beiden (an sich ungemein
kleinen) Grössen unterscheiden sich nur durch die Factoren
c'l, b\ oder e^, welche durch die Beziehungen (15) die Haupt-
dielektricitätsconstanten i^j €2, €3 des Krystalles bestimmen;
da nun die €,, b^^ €3 sich im allgemeinen nur wenig unter-
scheiden, so darf man Gleiches für die €^, 6*, c^ annehmen
und kann daher mit grosser Wahrscheinlichkeit die Beziehung
6^^ = €^^ für die Vergleichung der Theorie mit der Beob-
achtung als merklich erfüllt ansehen.
In der That haben sich die Beobachtungen des Hm.
Pockels^) an durchsichtigen Krystallen mit der von ihm als
Grundlage seiner Berechnungen eingeführten Annahme, es
bleiben im elektrischen Felde die Fresnel'schen Gesetze
gültig, verträglich erwiesen.
Führt man die Beziehung €^,„ = €^„ ein, so ist eine weitere
Entwickelung der Formeln unnöthig, denn die Gewinnung jener
Gesetze aus den Gleichungen der elektromagnetischen Licht-
theorie ist bekannt. Indessen soll doch wenigstens so viel
gegeben werden, dass der Anschluss der vorstehenden all-
gemeinen Darlegungen an die von Hrn. Pockels abgeleiteten
Formeln und ausgeführten Beobachtungen hergestellt wird.
Hierzu ist es am bequemsten, die Formeln (12) in der
Gestalt zu schreiben:
1) Fr. Pockels, Preisschrift p. 4.
Optische Wirkungen eines elektrischen Feldes.
303
4m
wobei gilt
(17) '^.= 1 + 2'^
3 = - -^^81 - 5^^M + -^(»^S - ^33)»
6
mn
nm
6*;, 6*, €^ ein mittlerer Werth e^ ein-
mn
und in den S^^ für t\^ i\
geführt ist, um sie dann unter der Annahme, dass die 8^
klein nehen den ri^ seien, durch Annäherung nach J, 7, Z auf-
zulösen.
Man erhält auf diese Weise:
(18)
X=X
Vi Vi <?!
Vi '/« Vi V»
v«Vi V Vi
'st \
wofiar wir kürzer schreiben:
(19) lV = Xfl2,+?) 022+3^3^
I ^ü2 = Xa3i +?)a32 +3fls3-
Die Gleichungen (1) nehmen bei Einführung dieser Werthe
und bei Elimination von L, Mj N die Gestalt an:
(20)
dt ~ ^ d^ dx[dx dK '^
wobei J die gewöhnliche Abkürzung ist und ausserdem gilt:
Die Gleichung des dem Medium im elektrischen Felde
zugehörigen FresneTschen Ovaloides lautet dann:
(22) r^ = a^,a^ + a„ ß^ + a,, y^ -}- 2a,3 ßy + 2^3, ya + 2a,^aß ,
wobei a, /9, ^^ die ßichtungscosinus des Radiusvector r be-
zeichnen. Von den Parametern a^^^ nehmen die Entwickelungen
des Hm. Pockels^) ihren Ausgang. Da für verschwindende
1) Fr. Pockels, Preiaschrift p. 6.
«83
^
s
+
Sa
s=
>
304 r. Foüjt
Feldstärke die S^^ gleich Null sind, so ist dafür das System
der Parameter:
( u v^ 0 t'* 0 «»•
(23) ' '' »/i 1' 22 r;, -»33 ,.^ 3 7
und es gilt allgemein:
«n = «1 + > » ""aa = "'» ■"" "^
(24) { . ,
"l8 ■" t,« I "31 "" „t >
WO die Werthe der S^^ aus (17) zu entnehmen sind. Diese
Werthe zeigen, dass der Einfluss des elektrischen Feldes
besonders stark wird, wenn eines der B^^ klein ist; solches findet
bekanntlich in der Nähe eines der für den Vector S^ charakte-
ristischen Absorptionsstreifen statt.
4. Um den vollen Änschluss an die Pockels'schen Re-
sultate zu gewinnen, wollen wir jetzt die denkbar einfachste
Annahme machen, dass das optische Verhalten des benutzten
Erystalles ausserhalb des elektrischen Feldes durch einen ein-
zigen Hülfsvector 9! dargestellt werde, also z. B. ein einziger
Absorptionsstreifen, ausserhalb des sichtbaren äpectrums liegend,
existire. Ferner wollen wir annehmen, dass in den stets kleinen
^mn ^®^ Unterschied zwischen dem optischen Verhalten in der
Richtung der drei Symmetrieaxen vernachlässigt, somit
(25) V = V = 63' = «', B;^B; = B; = D\ a,=a, = a,=a
gesetzt werden könne.
In diesem Falle wird einfach:
(26) *„„ = '-^7" '
und es gilt, falls e a^/iy^v^ =ä gesetzt wird, unter Benutzung
der Werthe (7):
^11 — Ol = Äi>jj = k{Ad^j^ + ^^31 + C^/jj),
Nun ist bei Voraussetzung eines einzigen Hülfsvectors 9
(28) l+6'=t, l + ^ = /=„»,
Optische fVirkungeii eines elektrischen Feldes, 305
unter t die mittlere Dielektricitätsconstante, unter n den mitt-
leren Brechungsindex des Krystalles verstanden.
Es gilt demgemäss auch
und wenn man
(30) 4 « »« -^"-T^ • rf«„ = «,„
setzt, 80 stellen die e^^ dieselben Parameter dar, die Hr.
' mit '
Pockels eingeführt hat. Seine Beobachtungen bestimmen
für eine Reihe von Körpern specieller die Aggregate
wobei x=(€— l)/4;r die mittlere Elektrisirungszahl des Kry-
stalles bezeichnet. Die Grössenordnung der elektro-optischen
Wirkung ist nach diesen Bestimmungen derart, dass gilt
(32) -Slf:^) ''«-(=) '0-«.
wobei das Zeichen (=) die Grössenordnung angeben mag.
Diese Grössenordnung hat ein weitergehendes Interesse.
Falls nämlich der Ansatz (5) der Wirklichkeit entspricht,
so erfordert die elektrische Influenz eines acentrischen Kry-
stalles, wenn er von einer Lichtwelle durchsetzt wird, eine
andere Arbeit, als wenn dies nicht geschieht. Der Krystall
muss also durch das Licht elektrostatisch erregt werden, und
zwar ergeben sich die Momente a, b, c der Volumeneinheit
nach bekannten Grundsätzen bez. gleich ^de^jöA, ^de'ldBy
— de'jdC. Ist nur ein Hülfsvector ft' vorhanden, so folgt
aus (10) und (28) angenähert
(33) X' = (n2 - 1) X, ?)' = (w2 - 1) r, 3' = («a - \)Z.
also aus (5)
(34) +2d^,ZX+2d,,XY),
Nun kann man den Energiefluss j parallel der Fort-
pflanzungsrichtung einer ebenen Welle jedenfalls als von der
Grössenordnung von
V
(X2+ r^+ z^),
Sn
W Ann. d. Phjs. u. Chem. N. F. 69. 20
806 W. Voigt
also X*, r*, Z^ von der Grössenordnung von Snj/v betrachten.
Die Momente a, i, c sind daher von der Ordnung von jd^Jv.^
Weiter lässt sich der Energiefluss des Sonnenlichtes nach
den Beobachtungen über die dadurch bewirkte Erwärmung
etwa von der Grössenordnung 10® schätzen; da aber nach (32)
die d^^ von der Ordnung 10""^ sind, und v von der Ordnung 10**
ist, so erhält man a, A, c als von der Ordnung 10"^^.
Trägt der Krystall normal zu der elektrischen Axe Be-
legungen von zusammen 100 cm* Fläche — was natürlich
einen besonders günstigen Fall darstellt — , so wird auf den-
selben bei der Erregung durch Sonnenlicht eine Ladung von
10"^^ absoluten Einheiten frei werden, und wenn die Capacität
der Belegungen mit den angehängten Quadrantep des Elektro-
meters gleich 100 ist, so wird eine Potentialdifferenz von 10"*^
auf ihnen entstehen.
Bis hierher sind elektrostatische Einheiten benutzt Gehtman
zum elektromagnetischen Maasssystem über, so erhält mau als
Grössenordnung dieser Potentialdifferenz 10~ ^ absolute Einheiten.
Unter den angenommenen günstigen Umständen müssten also
eine photoelektrisch erregte Potential differenz von ca. 10~^^Volt
zwischen den Belegungen des Krystalles eintreten. Es scheint
an sich nicht unmöglich, einen so kleinen Betrag zur Wahr-
nehmung zu bringen; jedenfalls sind aber die von Anderen
an acentrischen Krystallen aufgefundenen und als photo-
elektrische Wirkungen gedeuteten Erscheinungen von einer ganz
anderen Grössenordnung und somit durch die vorstehende,
höchst allgemeine Theorie nicht zu erklären. Da jene Effecte
zum Theil mit den Symmetrieverhältnissen, die bei photo-
elektrischen Vorgängen herrschen müssen, im directen Wider-
spruch stehen, so hat die bereits mehrfach vertretene Auf-
fassung, dass sie pyroelektrischen Ursprung besitzen (dies Wort
im allgemeinen Sinne benutzt), eine hohe Wahrsclieinlichkeit.
5. Im Vorstehenden ist der Fall vorausgesetzt, dass die
betrachteten Krystalle von Natur nur die gewöhnliche Doppel-
brechung zeigen, also inactiv sind. Die Berücksichtigung der
Activität, welche bei gewissen acentrischen Krystallen nach
den Symmetrieverhältnissen möglich und nach der Erfahrung
auch thatsächlich vorhanden ist, erfordert eine Erweiterung
der obigen Formeln, Da die Activität zweifellos durch be-
f
t
Optische Wirkungen eines elektrischen Feldes, 307
stimmte Eigenschaften der ponderabeln Theile bedingt wird, so
erscheint es sachgemäss, auch ihre Darstellung durch Modifica-
tion der Formeln (3) zu versuchen, die das Verhalten der für
den elektrischen Zustand der ponderabeln Materie charakte-
ristischen Vectoren S^ bestimmen.
Eine einfache Erweiterung, die den betrefifenden Symmetrie-
verhältnissen entspricht, besteht darin, auf den rechten Seiten
der Gleichungen (3) bez. (6) die Ausdrücke
.ÖL .dM j^dN
^^ dt ^^ dt ^» dt
zuzufügen, in denen die y^ Constanten von beiläufig stets
äusserst kleinem Betrag bezeichnen.
Indessen genügt dies nicht, wenn, was plausibel ist, die
Ursachen der Activität als conservative Vorgänge betrachtet
werden; denn diese Glieder liefern in der Gleichung der
Energie, wo sie mit d^Jdt, d^Jdt^ ^Shl^^ multiplicirt
auftreten, keinen DifiFerentialquotienten nach der Zeit. Um
mit derartigen Gliedern conservative Wirkungen zu erhalten,
ist es vielmehr nöthig, auch noch das erste System der Glei-
chungen (1) durch Hinzufügung der Ausdrücke
^rl^^ ^rl^'^ Vii^^-
1 3 3
zu erweitern. Dann liefern die zugesetzten Glieder, wie leicht
zu sehen, einen Antheil an der elektromagnetischen Energie
von der Form
1 -^(r1 ö3e» yj- ö». yj BZ.
TU 2. l li" TT ^ + "P" -yr "^ + TF -TT ^
^^ \ 1 2 8
Entwickeln wir zunächst die Formeln für den einem
elektrischen Felde nicht ausgesetzten Krystall. Wir haben
hier nach dem eben Gesagten
dt "" '^[dy d» )' dt " ^[dx
(35)
dy
rföx
s = x+2'7f-öf x = ^ + 23£.,
(36) 3e,+ «?^ + if^-|^ = «J'X-y?^|.
20'
308
fF. Voigt
Wie X als Componente der elektrischen, so lässt sich 2
als diejenige der magnetischen Polarisation auffassen, und die
in den Formeln enthaltenen Annahmen lassen sich dahin aus-
sprechen, dass in activen Körpern nicht nur örtlich wechselnde
elektrische Kräfte magnetisch, örtlich wechselnde magnetische
Kräfte elektrisch wirken, sondern schon eine nur zeitliche Ver-
änderung der einen Componente die parallele andere erregt.
Für periodische Schwingungen folgt aus dem System (35)
und (36) bei Vernachlässigung der in den y^ quadratischen
Gliedern
(37)
V
1 dt
= 1?»
x\dx dxj dy\dx dyj\
, o d^ (dZ _ dj
'^ P^'dt^[dy dz
wobei
i?,= l+ "^
Je
^ flT'
A-^»2S-
ist.
Dies (angenäherte) Formelsystem fallt bei durchsichtigen
(insbesondere isotropen) Körpern mit dem in diesem Fall zm-
Erklärung der Activität von Hrn. Drude^) gemachten Ansatz
zusammen.
Gehen wir nun zu der Wirkung des elektrischen Feldes
auf den natürlich activen Krystall über, so führt die p. 301
benutzte Annäherung statt auf die Formeln (11) einfach auf
das folgende System
(38)
-6*r
Du
.IdZ dY\
' Di
1) P. Drude, Gott. Nachr. von 1892, p. 402. Der von Hm. Drade
gemachte Ansatz scheint mir übrigens, entgegen einer von dem Hm. Autor
gemachten Bemerkung, doch keinen streng consurvativen Vorgang dar-
zustellen.
Optische fFirkungen eines elektrischen Feldes. 309
und für die elektrischen Polarisationen gilt statt (13) nunmehr
• (39) X = Za^, + J«,, + ^a„ - |/?, (|^ - ^^}
Dies zeigt, dass innerhalb der eingeführten Annäherung die
Wirkung der Activität und die des elektrischen Feldes sich
einfach supeiponiren, wie das auch Hr. Pockels in der oben
citirten Arbeit % wenngleich in anderer Weise, verwerthet hat.
6. Besondere Erscheinungen signalisiren die vorstehenden
Ansätze für die Fälle, dass das Absorptionsspectrum des
dem elektrischen Feld ausgesetzten Krystalles schmale und
intensive Absorptionsstreifen zeigt und in deren unmittelbarer
Umgebung beobachtet wird. Hier ist die auf p. 301 eingeführte
Annäherung nicht zulässig, die -ö^ können von derselben
Grössenordnung werden, wie die D^ , die y^ wie die e^n» Es
ist dann auf die strengen Formeln (6) oder (8) (eventuell unter
Heranziehung der zur Darstellung der Activität dienenden Er-
gänzungsglieder) zurückzugreifen.
Lassen wir die Berücksichtigung der Activität bei Seite,
was auch bei activen Krystallen, die nicht dem regulären
System angehören, für die meisten Fortpflanzungsrichtungen
unbedingt zulässig ist, so zeigen die Formeln (8) , dass Wellen
möglich sind, in denen die elektrische Kraft der X-Symmetrie-
axe parallel schwingt, falls nur nach der Symmetrie des Kry-
stalles die Parameter D^^ und B^^ verschwinden. Dann
nimmt die erste Gleichung (8) die einfache Form
(40) 3£,(i)f + 2?,'',) = £jA'
an, aus der sich ergiebt, dass durch die Wirkung des elektri-
schen Feldes die solchen Wellen eigenen Absorptionsstreifen
Verschiebungen erleiden. Denn die Lage eines dem Vector IS^
zugehörigen, sehr feinen Absorptionsstreifens ist durch die
Schwingungsdauer bestimmt, für welche der Factor von 3b\ bei
in D^ verschwindend gesetztem a\ selbst verschwindet, und
diese ist nach (38) von I)\ abhängig.
Hier wird also ein elektrisches Analogon zu der magne-
tischen Einwirkung auf die Lage der Absorptionsstreifen
signalisirt, die als inverses Zeeman- Phänomen bekannt ist.
1) Fr. Pockels, Preisschrift p. 30.
310
W. Voigt.
Da indessen acentrische Krystalle mit hinreichend feinen Ab-
soi'ptionsstreifen, um solche Verschiebungen sichtbar werden zu
lassen, nicht bekannt sind, so hat die weitere Erörterung dieser
und ähnlicher Erscheinungen kein Interesse.
Aus dem gleichen Grunde mag auch die Erörterung der
Veränderungen unterbleiben, welche die für active KLrystalle
oben abgeleiteten Resultate in der Nähe feiner und intensiver
Absorptionsstreifen erleiden.
7. Mit den Symmetrieverhältnissen aller ^ auch der centrisch-
symmetrischen Krystalle und ebenso der isotropen Körper ist
ein in den Feldcomponenten J, Bj C quadratischer Antheil e''
an der elektrischen Energie verträglich, den wir schreiben
wollen
(41)
<? =
8n
+ 2«,* D»3» + 2.,* 3»3c, + 2«.* X,D,)
+ 2 ^* D, 3. + 2 e,\ 3.Xt + 2 e,\ I,^ J
hierin sind die ej^ dem Vector S^ zugeordnete Constanten. Wie
sich dieser Ansatz für die einzelnen Krystallgruppen speciali-
sirt, ist an einer anderen Stelle auseinander gesetzt worden.^)
Wir beschränken uns hier auf den bisher allein inter-
essirenden Fall isotroper Körper, wo der Ansatz (41) folgende
Gestalt annimmt:
e =
(42) \ +B* ^ (4 n + «» Di + 4 31)
+ 2B0 2*i'D*3* + 26'^2«*3t3Efc+2^52e»3£»S»
und e^ =z ßj, — e\ ist.
Unter Rücksicht auf diesen Werth lauten nun für einen
isotropen Körper die wegen der Wirkung des elektrischen
Feldes erweiterten Gleichungen (3):
1) W. Voigt, Komp. der theor. Physik. !• p. 142. 1895.
Optische Wirkungen eines elektrischen Feldes, 311
(43) JS» + «»-^T^ + ^-^f + i\*\*, +Dft^^ +3»^*. =6.r,
wobei ist:
(44) E,\ = ^»<+ ^»e, + C'e,'. E,\ = i?.* = CAe,",
Die Formeln (43) gehen dem System (6) genau parallel
und gestatten die analoge Behandlung. Insbesondere gelten
tinter der p. 301 gemachten Voraussetzung, dass ein merklich
absorptionsfreies Spectralbereich untersucht wird, den Glei-
chungen (16) analoge, die wir schreiben:
(45) ?l = - Xfi,, + r(fj - 71,,) - ^1^33 ,
^ 3 = - -^^81 - y^si + z[f] - 1^33),
wobei
= ., = V*'^.
Di
A = 1 - h
(46) 17=1+2^' '?-=*/.« = 2^
ist; ebenso bleiben die Formeln (20) und (21) gültig, wenn
nur an Stelle von (24) die Beziehungen treten:
(47)
a"
«11 = « + Vn -^
a
22
= a +
'/« a*
r'
a
'/88 «*
33
= « + -bi
V'
«23 =
J7„a«
«31 =
«12 =
J7i,a'
Da man ohne Beschränkung der Allgemeinheit die Richtung
der Kraftlinien mit der Z-Axe zusammenfallen lassen, also
J=0, i? = 0, C = B setzen kann, und da a das Quadrat der
dem betrachteten Körper ausserhalb des elektrischen Feldes
eigenen Lichtgeschwindigkeit w bedeutet, somit t7*/a = n^,
d. h. das Quadrat seines Brechungsindexes darstellt, so resul-
tirt unter der gemachten Annahme:
(48)
«33 = «^»^ (1 + ^ 2' '^7) ' "as = «31 = «12 = 0-
312 /T. Voigt
Die Wirkung des elektrischen Feldes erscheint wiederum
am grössten in der Nähe eines Absorptionsstreifens, wo eines^
der L^ seinen kleinsten Werth annimmt.
Nach Beobachtungen von Kerr^) (welche übrigens die
im Vorstehenden zum Ausdruck kommende Proportionalität
der Wirkung mit dem Quadrat der Feldstärke bestätigen) scheint
die Geschwindigkeit der ordinären Welle durch das Feld nur
sehr wenig geändert zu werden; dies erklärt sich am ein-
fachsten durch neben den e^^ kleinen Werthen der e'j^. Die
Constanten e^^ besitzen nach den Beobachtungen für verschiedene
Körper verschiedenes Vorzeichen. —
Bei Benutzung der vorstehend festgestellten Lage des Co-
ordinatensystemes und bei Voraussetzung merklicher Absorption
und periodischer Schwingungen geben die strengen Formeln (43):
(49)
3,(2), + R'e,) = ,,Z, wobei Z), = 1 + ^ - -J.-.
Sie verlangen, gemäss dem p. 309 Gesagten, für die beiden
normal zu den Kraftlinien fortschreitenden ebenen Wellen Ver-
schiebungen der Absorptionsstreifen von verschiedener Grösse,
also unter günstigen Verhältnissen schmaler und intensiver
Absorptionsstreifen eine Art von inversem Zeeman-EfiFect,
insofern eine einfallende Welle natürlichen Lichtes statt jedes
ursprünglich vorhandenen Absorptionsstreifens im elektrischen
Felde deren zwei liefern muss. Eine parallel den Kraftlinien
fortschreitende ebene Welle müsste im elektrischen Felde nur
eine einfache Verschiebung der Absorptionsstreifen erleiden.
Da leuchtende Dämpfe isotrop sind, so müssen auf sie
die obigen Resultate anwendbar sein; nach dem Kirch -
hoffschen Gesetz müsste überdies dem inversen Zeeman-
EfiFect ein directer parallel gehen.
Obwohl alle diese Erscheinungen noch nicht beobachtet
sind, so kann an ihrem Vorhandensein doch nicht wohl ge-
zweifelt werden. Denn sie sind durch die Theorie mit der von
Kerr entdeckten elektrisch erregten Doppelbrechung in ganz
derselben Weise verknüpft, wie die Zeeman-Eflfecte mit der von
Farad ay aufgefundenen magnetischen Drehung der Polarisa-
tionsebene. Versuche zum Nachweis derselben sind im Gange. —
1) J. Kerr, Phil. Mag. (5.) 37. p. 380—394. 1894. |
Optische Wirkungen eines elektrischen Feldes, 313
Ganz analog, wie p. 305 aus dem Ansatz (5), so kann
ich aus dem neuen Ansatz (41) bez. (42) für die Energie e'
^schlössen werden, dass zur Influenzirung eines beliebigen
trchlichteten Körpers eine andere Arbeit erforderlich ist, als
1 der des unbelichieten, und dass demgemäss im ersteren
alle durch das Licht elektrische Momente von der Starke
= — de* jd Ä, Ä = — de' jd By c = — de' jdC erregt werden.
>a diese Ausdrücke in A, B, C linear sind, so stellt sich das
»esultat als eine Abhängigkeit der Elektrisirungszahl des
Körpers von der Durchlichtung dar.
um die Grössenordnung dieser Abhängigkeit zu schätzen,
ahmen wir, wie früher, an, dass der betrachtete Körper durch
inen einzigen Hülfsvector S' charakterisirt wäre, und wir uns
iif das Spectralbereich merklicher Durchsichtigkeit beschränken,
lassen wir dann eine ebene homogene Welle parallel zur
-Axe fortschreiten, setzen also 3' = ö, und bestimmen das
[oment in der Richtung der X-Axe, so erhalten wir aus (42)
^4na=^ Ä{er^ + eW%
Führen wir wieder den EnergieflussJ der Lichtwelle ein, so er-
alten wir nach p. 305 für die Aenderung der Elektrisirungszahl
es Körpers infolge der Durchstrahlung die Grössenordnung Je/t?.
Aus Beobachtungen von Hrn. Quincke darf man für
chwefelkohlenstofiF die Grössenordnung von e auf etwa 10 ~^
shätzen; combinirt man hiermit die für Sonnenlicht etwa an-
iinehmende Grösse y* = 10®, hierzu i; = 3.10-^^, so gelangt
lan zu einem Einfluss der Durchlichtung auf die Elektrisirungs-
bJiI, der kaum 10~^^ erreichen dürfte. Auch diese reciproke
^Tirkung ist also ungemein klein.
8. Die vorstehend entwickelte Theorie ist insofern die
enkbar allgemeinste, als sie zwischen den Parametern der An-
ätze (5) und (41) bez. (42) keine anderen Beziehungen ergiebt,
Is die sich aus den Symmetrieverhältnissen des Körpers er-
ebenden. Man kann indessen eine sehr plausible specielle Hypo-
liese einfuhren, aus welcher noch weitere Beziehungen folgen.
Die oben gemachten Ansätze stellen sich dar als Er-
reiterungen des Ausdruckes für die Energie eines von Schwin-
lingen erfüllten, selectiv absorbirenden Körpers, bei denen
ie den Körper charakterisirenden Constanten mit Functionen
er äusseren, constanten, elektrischen Feldstärke vertauscht sind.
314
JF. Voigt
Sie führen also neben der periodischen Feldstärke der Schwingung
diese coustante äussere Feldstärke in wesentlich anderer Wirkungs-^
weise ein und entfernen sich dadurch im Grunde etwas von den
allgemeinen Vorstellungen der elektromagnetischen Lichttheorie,
die nur eine Art elektrischer (bez. magnetischer) Felder anerkennt
Dagegen scheint die Annahme eines verschiedenen Verhaltens der
schwingenden, inneren und der constanten, äusseren elektrischen
Feldstärke jenen specielleren Theorien der Elektrodynamik, welche
von der Vorstelllung positiv oder negativ geladener kleinster
Theilchen ponderabler Materie ausgehen, sehr wohl zu entsprechen.
Man stellt sich durchaus auf den Boden der allgemeinen
Theorie, wenn man annimmt, dass der gebräuchliche Ansatz
für die elektrische Energie nur eine erste Annäherung ist,
und dass derselbe bei grossen Feldstärken durch Glieder
höheren Grades vervollständigt werden muss. Der Werth der
elektrischen Energie e würde dann etwa zu schreiben sein
(50)
wobei
(51)
(52)
e = «1 + «j + «8 + "4 '
8«.,= V
m + *? i^iff)
8
(3* + '! m)
die früher allein benutzten Glieder, und
j 12 ;rc3 = 2 [b* n + b *, D,» + b*3 32
+ 3 X, (b *, n + b.", 3*") + 3 % (b »3 3»' + b *, nV)
I +3 3* (b *, n + K\ m) + 3 b ae, D, 3*] ,
(53)
f 16 5r *, = 2 [f n ^i + e '. ?)* + «,,*. 3t'
(54)
+ 4Xnef.?)l + e*3 32+e*D,3t)
+ 4D^(e*.3^ + e*,a-J+e*3*3e»)
+ 4 3Me,*,X^ + e*,?)| + e*3X,D^]
Ergänzungsglieder darstellen.
Zerfällt nun die Feldstärke in einen sehr grosse con-
stanten und einen viel kleineren periodisch wechselnden Theil,
so ist in diesen Ausdrücken
Optische Wirkungen eines elektrischen Feldes,
315
(56)
an die Stelle von X, 7, Z, X^^, 2)^^, 3^ zu setzen und eine Ent-
^ wickelang nach Potenzen der kleinen Grössen vorzunehmen.
Für den Schwingungsvorgang sind die in den letzteren
Grössen constanten oder linearen Glieder ohne Einfluss; die
Glieder zweiten Grades liefern die oben entwickelte Theorie
der elektro- optischen Vorgänge in etwas specialisirter Form.
In der That, da aus den Gleichungen (3) für die con-
stanten Antheile die in den Gliedern dritten Grades als an-
genähert richtig zu benutzenden Beziehungen folgen
(55) % = t\Ä, ©, = «*5, e^ = «*(7,
so liefert e^ den folgenden Antheil zur Energie
+ 5«*(b*.x»' + b*,?)2 + b*,3^
+ c«* (b,* n + \\ m + b *, 31
+ 2b*,D,3.+ 2b»33,X,+ b''X, ?),)],
der dem Ansatz (5) gleich gestaltet ist, aber statt 18 nur 10
voneinander unabhängige Constanten besitzt.
Bezüglich der Entwickelung von e^ wollen wir uns, wie
oben, auf den Fall eines isotropen Körpers beschränken, also
von dem Ansatz ausgehen
(57) UTte, = 2^fc(3£^ + m + 3^)*.
Dann erhält man als Glied zweiten Grades bei Einführung
der wiederum angenähert richtigen Beziehungen
(58) \ = h^' »A = «*^> ^H = hC
das folgende
f 8«< = 2«*«^ [4»(3X^ + Wk + SD
+ B^ {n + 3 D,» + 3*^)
+ c (3e^ + Wk + 3 3*0
+ 4(^CD,3, + (7^3»S, + AB\%)\.
Dies Resultat entspricht genau dem Ansatz (42), wenn
man dort die Eelation e^ = 3 «L einführt. Für die Parameter
(59)
316 }F. Voigt.
des Fresnerschen Ovaloides würde nach (48) hieraus die
Beziehung folgen: ,^
«11 - «* = «22 - ö>« = y (033 - (o) .
Die oben citirten Kerr 'sehen Beobachtungen scheinen diese
Beziehung nicht zu bestätigen; indessen sind die Resultate
keineswegs sehr sicher, z. B. nicht von der secundären Wir-
kung des elektrischen Feldes durch die begleitende Elektro-
striction befreit. Bemerkenswerth ist immerhin, dass sie die
e'h weit kleiner, als die e^ zu ergeben scheinen.
Die vorstehenden Entwickelungen gehen nahe parallel
dem Versuche einer Theorie der elektro-optischen Wirkungen
auf Grund der Annahme von mit der Feldstärke variirenden
Dielektricitätsconstanten, den Hr. Pockels^) mitgetheilt hat
Indessen sind in jeuer Arbeit noch die gewöhnlichen „sta-
tischen" Dielektricitätsconstanten als für die optischen Phä-
nomen maassgebend betrachtet, was sich nicht halten lässt,
während hier der moderne Begriff der „dynamischen** Dielektri-
citätsconstanten benutzt ist.
9. W^as das p, 305 erörterte reciproke Phänomen, das
Entstehen eines elektrostatischen Feldes in einer Lichtwelle,
betrifft, so wird dasselbe auch durch die modificirte Theorie,
wenngleich in etwas anderer Weise, gefordert.
Der Ansatz (53) liefert nämlich bei der oben beschriebe-
nen Operation ein Glied, welches von dritter Ordnung in
X^, 2),^, Sh is^ ^^^ ^i^ ^^^ i^ (53) hingeschriebenen Ausdruck
selbst übereinstimmt. Ihm entsprechen dann in den erweiterten
Gleichungen (6) Glieder zweiten Grades in 3£^, g^, 3^» z. B.
in der ersten die folgenden
Solche Glieder geben bei einer Lichtbewegung einen von Null
verschiedenen Mittelwerth und demgemäss auch einen con-
stanten Antheil an X^, ^f^, 3/,? der sich in einem elektrosta-
tischen Feld geltend machen muss.
An den Ansatz (54) bez. (57) kann man eine ähnliche
Betrachtung anknüpfen. —
1) Fr. Pockels, Göttinger Nachr., Math.-physik. Klasse p. 102. 189
%
Optische Wirkungen eines elektrischen Feldes. 317
Auch die früher von mir ^) zur Erklärung des normalen
2 Z e e m an - Effectes aufgestellten Differentialgleichungen gestatten
die gleiche Behandlung.
Hier war an Stelle des Systems (3) für isotrope Körper
das folgende geschrieben
(60) 3E, + «/^ + K "^ + c, ( 6-4f. - ^ 4-3^) = e,X,
wobei die c^ Constanten bedeuten, und unter A, B, C die Com-
ponenten des äusseren magnetischen Feldes verstanden sind.
1S& entspricht dem in diesem Abschnitt angenommenen, in die
letzteren Grössen auch die bei der Lichtschwingung veränder-
lichen Antheile Z, M, N der magnetischen Componenten ein-
zubeziehen; da die in c^ multiplicirten Glieder keinen Antheil
zur Energie liefern, so erleidet deren Werth hierdurch keine
Veränderung.
Wirkt dann kein äusseres Feld, so lauten nach dieser
Annahme die vorstehenden Formeln
(61) 3E. + «.^*f +*,.^ + c.(iV^^-lf^^f) = a,J,
die in c^ multiplicirten Terme geben bei periodischen Schwin-
gungen im allgemeinen einen von Null verschiedenen Mittel-
werth, verlangen somit in 3£^, ^J)^, 3;» einen constanten Antheil
und daher in der Lichtwelle ein coustantes elektrisches Feld.
Es möge erwähnt werden, dass nach dem Inhalt dieser
Formeln ein magnetisch-activer, absorbirender, isotroper Körper
bei der Durchstrahlung ein elektrisches Moment annehmen
muss, dessen Axe mit der Fortpflanzungsrichtung des Lichtes
zusammenfällt. Der Sinn des Momentes wird durch das Vor-
zeichen der c^, d. h. durch den Sinn der magnetischen Drehung
der Polarisationsebene in dem Körper bestimmt. Auch diese
lichtelektrische Wirkung ist ausserordentlich schwach.
Resultate.
Die Hertz'schen Gleichungen der elektromagnetischen
Lichttheorie sind im Vorstehenden behufs Darstellung der
1) W. Voigt, Wied. Ann. 67. p. 347. 1899.
318 W, Foigt, Optische Wirkungen eines elektrischen Feldes.
optischen Wirkungen eines elektrischen Feldes nach folgenden
Grundsätzen erweitert: 1. die Wirkung des Feldes wird alw
von der Anwesenheit ponderabler Theile abhängig betrachtet;
2. die Vorgänge werden als conservativ angenommen; 3. die
Superposition verschiedener Schwingungen bleibt erhalten; 4. die
Feldcomponenten werden in der niedrigst möglichen Potenz
eingeführt. Diese Potenz ist bei den acentrischen Krystalien
die erste, bei den centrischen Krystalien und den isotropen
Körpern die zweite.
Die so gewonnenen Formeln liefern, die Gesetze der be-
sonders von Hrn. Pockels untersuchten elektro-optischen Phä-
nomene in acentrischen Krystalien, sowie der von Hm. Kerr
entdeckten elektrischen Doppelbrechung in isotropen Körpern.
Auch die Berücksichtigung der bei gewissen acentrischen
Krystalien auftretenden natürlichen Activität bietet keine
Schwierigkeit.
Für Medien mit scharfen Absorptionslinien ergeben die
Formeln als Wirkungen des elektrischen Feldes Zerlegungen
oder Verschiebungen dieser Linien , also eine elektrische
Analogie zum Zee man -Effect.
Den elektro-optischen Wirkungen ordnet die Theorie merk-
würdige reciproke Vorgänge zu, nämlich die Erregung eines
Constanten elektrischen Feldes in acentrischen Krystalien, sowie
die Veränderung der Elektrisirungszahlen von centrischen
Krystalien und von isotropen Körpern durch das Licht.
Die allgemeinen Ansätze der Theorie erleiden eine Spe-
cialisirung, wenn man gemäss der Vorstellung von der Einheit
der elektrischen Kraft die Annahme einführt, dass das con-
stante elektrische Feld in den Formeln nicht anders auftreten
dürfe, als die in der Lichtwelle schwingende elektrische Kraft
Auch bei dieser Auffassung ordnen sich den elektro-
optischen Wirkungen reciproke zu. Dasselbe gilt bei Be-
nutzung der gleichen Vorstellung über die magnetische Kraft
nach der früher entwickelten Theorie auch von den magneto-
optischen Vorgängen.
Göttingen, Anfang August 1899.
(EiDgegaDgen 15. August 1899.)
17. Die Ursache der Veränderung
des Leitunfjsvermögens i/n Bleisuper oxyd;
von Th. Sundorph.
Einzelne Stoflfe, wie PbOg und CuS^), haben die Eigen-
laft, ihr Leitungsvermögen zu vermindern, wenn sie von
ktrischen Wellen getroffen werden. Ich habe wiederholt
t Bleisuperoxyd Versuche angestellt, indem ich erst auf fol-
ade Weise untersuchte, welche Wirkung ein gewöhnlicher
•om ausübt. In einen Glascylinder C, welcher Bleisuper-
jrd enthielt, waren zwei genau gleich grosse Messingstangen Ä
d B gesteckt, welche von Korken an den beiden Oeflfnungen
3 Cylinders gehalten wurden; ihre Entfernung betrug ca.
\ cm; das Pulver hatte eine Höhe von ca. 2,5 cm. Ein
i zwei Millimeter von jeder Metallstange und ebenfalls in
r Mitte des Pulvers brachte ich ein Thermometer an. Ä und
verband ich mit zwei Schiebern, welche nach einem Neu-
berdrahte, dessen Enden einen Spannungsunterschied von
0 Volt hatten, bewegt werden konnten. Die Stromstärke
llte ich durch ein eingeschaltetes 6al-
lometer fest. Verschob ich die Schieber,
konnte ich untersuchen, wie sich das
Iver verhielt, wenn der Spannungsunter-
lied zwischen A und B^ welcher in jedem
izelnen Versuche constant gehalten wurde,
ischen 5 und 110 Volt variirte. Bei
lern Versuche verwendete ich neues Pulver
d reinigte die Messingstangen sorgfältig.
genügt, das Resultat eines Versuches
zufuhren; da sie alle, was Stromstärke und Temperatur an-
langen, einer wie der andere verliefen. In nachfolgendem
iszuge einer Tabelle bedeutet M die Zeit in Minuten,
lie Stromstärke in Ampere, t^ den Stand des Thermometers an
r positiven Elektrode, t^ den Stand des Thermometers an der
i'i I''
^^™m
1) E. Branly, Lura. ^lectr. 40. p. 511. 1891; E. AschkinasSy
led. Ann. 66. p. 288. 1898.
320
Th, Sundorph,
negativen Elektrode. Der Spannungsunterschied zwischen Ä
und B beträgt 33 Volt.
M 0
8
ix
0,4
0,9
20
91
20
70
2
3
4
5
10
20
45
50
55
1,1
0,425
0,275
0,225
0,175
0,125
0,125
0,125
0,125
170
240
251
245
226
190
160
160
160
105
122
105
94
73
60
48
46
46
Das sich in der Mitte des Pulvers befindende Thermo-
meter zeigte eine Temperatur, welche zwischen t^ und t^ liegt
Die Tabelle zerfällt in drei Theile. Im ersten Theile
wächst die Stromstärke bedeutend und nähert sich einem
Maximum, im zweiten nimmt sie ab und nähert sich einem
Minimum, im dritten hält sie sich annähernd constant. Die
Ursache dieser Erscheinung ist die von dem Strome hervor-
gebrachte Wärme, die den Widerstand vermindert und theil-
weise PbOg in das schlecht leitende PbO umbildet. Eine Be-
stätigung hierfür sind theils die von mir angestellten chemischen
Untersuchungen, bei welchen ich feststellte, dass ein beträcht-
licher Theil des Pulvers in PbO umgebildet war und zwar,
wie zu erwarten, am meisten derjenige, welcher der wärmsten
Stange am nächsten war; theils wird es durch folgende Ver-
suche bestätigt. Um den Cylinder C7, den ich nebst einem
Galvanometer in die Leitung einiger Elemente eingeschaltet
hatte, leitete ich einen warmen Luftstrom; innerhalb 40 Mi-
nuten stieg die Temperatur des Pulvers auf 116® und behielt
dieselbe bei. Bei jedesmaligem Ablesen der Stromstärke
schloss ich den Strom nur einen Augenblick; in den ersten
Minuten wuchs er stark, nahm allmählich ab und blieb dann
bei fallender Tendenz ziemlich gleich. Bei den Stromstärken
gingen also genau dieselben Veränderungen vor, wie bei den
oben angeführten Versuchen. Dasselbe Resultat erzielte ich,
wenn ich den Cylinder mit 100® heissem Wasser umgab.
Die angeführte Tabelle zeigt das Verhältniss, wenn der
Spannungsunterschied zwischen Ä und B gleich 33 Volt ist;
die anderen, unter möglichst denselben Verhältnissen ange-
stellten Versuche ergaben folgende Resultate. Ist der Span-
nuugsunterschied zwischen A und B kleiner als 33 Volt, so
hält der Zeitraum, in welchem die Stromstärke wächst, läng&l
%
Veränderung des Leitung svermögens in Bleisuperoxyd, 321
an; höchstens ungefähr eine halbe Stunde; ist der Spannungs-
^ unterschied zwischen A und B grösser als 33 Volt, so wird
• der Zeitraum kürzer und kürzer und ist zuletzt gleich Null.
Der dazu nothwendige Spannungsunterschied hängt in hohem
Grade von dem Zusammenpressen des Pulvers ab. Bei den
Versuchen, in welchen der Widerstand des Pulvers, bei einem
hohen Spannungsunterschiede zwischen A und By augenblick-
lich wächst, war die Veränderung des Pulvers im Verhältniss
zur Widerstandsvergrösserung klein, ebenso war die Tempe-
ratursteigerung klein. Ich führe hier einen Versuch an, in
dem die Stromstärke sofort von 2 Ämp. auf 0,1 Amp. sank
und diesen Werth während den folgenden 8 Secunden behielt,
wonach der Versuch abgebrochen wurde. Das Thermometer
der einen Metallstange stieg \^\ das der anderen 3^; das
Pulver enthielt nach dem Versuche 91,10 Proc. PbO,, während
es vor dem Versuche 95,80 Proc. enthalten hatte.
Eine Erklärung hierfür liegt nach meiner Ansicht in dem
Temperaturunterschiede, indem die eine Metallstange (meistens
die positive) immer bedeutend wärmer als die andere war
(vgl. die Tabelle).
Dieser Temperaturunterschied entsteht sofort, nachdem
der Strom geschlossen ist. Die grösste Wärmeentwickelung
findet unmittelbar bei der einen Metallstange statt, was dar-
aus hervorgeht, dass die positive Stange sich bei der Berührung
sehr warm erwies, wenn ihr Thermometer z. B. 60^ zeigte;
die negative Stange aber fiihlte sich nicht warm an, wenn später
ihr Thermometer 60*^ zeigte. Hieraus folgt, dass sich, gleich
nachdem der Strom geschlossen ist, unmittelbar bei der einen
Stange viel PbO bildet, wodurch der Widerstand und eben-
falls die Wärmeentwickelung ausnahmsweise gross wird. Die
Bildung von PbO bei der einen Stange mag hauptsächlich
bei höherem Spannungsunterschiede zwischen A und B statt-
finden, wodurch die grosse Zunahme des Widerstandes trotz
der geringen Umwandelung des Pulvers ihre Erklärung findet
Da nun ferner die Temperätursteigerung bei den Ver-
suchen, in welchen der Widerstand sofort wächst, sehr klein
ist (^2 — 3^, wenn der Versuch nach einigen Secunden unter-
brochen wird, während die Widerstandsvergrösserung gross
ist, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Funken zwischen
^ Ana. d. Phyt. u. Chem. N. F. 69. 21
322 Th. Sundorph.
Metall und Pulver die Umbildung erzeugen. Solche Funken
konnte man wahrnehmen, wenn man das Pulver schüttelte.
Die Einwirkung elektrischer Wellen auf Bleisuperoxyd^
untersuchte ich, indem ich den Cyliuder C zusammen mit einem
Galvanometer in die Leitung einiger Elemente einschaltete. Den
Strom schloss ich nur bei jedesmaligem Ablesen der Strom-
stärke; das Pulver war keinen sonderlich starken elektrischen
Wellen ausgesetzt Die Versuche zeigten, was Stromstärke
anbetriflft, denselben Verfauf, wie wenn die Metallstangen in
den früher erwähnten Versuchen einem so hohen Spannungs-
unterschiede ausgesetzt wurden, dass der Widerstand sofort
vermehrt wurde. Von einem der Versuche führe ich einzelne
Daten an. Bevor das Pulver den elektrischen Wellen aus-
gesetzt war, betrug die Stromstärke 8,5 Milliamp., nach zwei
Minuten 6,25 Milliamp., nach zwanzig Minuten 5 Milliamp.;
auf dieser Höhe hielt sich die Stromstärke während den fol-
genden fünfzig Minuten ziemlich gleichmässig; das Pulver ent-
hielt nach dem Versuche 92,23 Proc. PbOj, vor dem Versuche
93,21 Proc. Da diese ümwandelung nun von den kurzen
Stromschlüssen, welche zum Ablesen der Stromstärke statt-
fanden, herrühren konnten, so unternahm ich einige Versuche,
wobei der Cylinder C mit den Metallstangen elektrischen Wellen
ausgesetzt wurde, ohne dass durch das Pulver ein Strom ge-
leitet wurde; das Pulver zeigte sich andauernd ein wenig ver-
ändert. Als Beispiel führe ich einen Versuch an, in welchem
das Pulver, ca. 1 m von der Funkenbahn entfernt, während
zwei Stunden elektrischen Wellen ausgesetzt war. Ein viertel
Theil des Pulvers und zwar derjenige, welcher den Messing-
stangen am nächsten war, enthielt 87,10 Proc. PbOj, während
der mittlere Theil 94,00 Proc. enthielt. Vor dem Versuche
hatte das Pulver 95,80 Proc. PbO^ enthalten.
Es ist also wie bei den Versuchen mit Strömen von
grosser Spannung eine im Verhältniss zur wahrscheinlichen
Zunahme des Widerstandes geringe Veränderung vor sich ge-
gangen, und diese Veränderung des Pulvers findet hauptsäch-
lich bei den Metallstangen statt. Wie vorher bemerkt, ist es
wahrscheinlich, dass die ümwandelung von Funken herrührt,
welche am kräftigsten bei den Metallstangen auftreten und
dort eine schlecht leitende Schicht bilden. Bei diesen Ver-
FeränderuTUf des Leitungsvermögens in Bleisuperoxgd. 323
suchen fand keine oder nur eine äusserst geringe Temperatur-
steigerung statt.
Die Ursache, warum bei gewöhnlichen Strömen die eine
Stange wärmer als die andere ist, geht aus meinen Versuchen
nicht hervor. Chemische Processe (PbOj enthielt etwas Feuch-
tigkeit) können nicht die Ursache sein, da sonst immer die-
selbe Stange am wärmsten sein musste, ebenso wenig konnte
sie in den Metallstangen zu suchen sein, da diese regelmässig
gereinigt und umgetauscht wurden. Der Grund liegt auch
nicht in der verschiedentlichen Zusammeupressung des Pulvers
bei den Metallstangen, noch in der verschiedentlichen Strom-
dichte bei diesen; man könnte annehmen, dass die positive
und negative Stange sich gleichmässig erhitzen würden, wenn
die Spannung bei A und B numerisch dieselbe wäre; dieses
findet aber nicht statt. Wahrscheinlich wird eine schlecht
Leitende Schicht mit verschiedenem Widerstand bei beiden
Stangen gebildet.
Kopenhagen, Seeofficierschule, Juni 1899.
(EingegaDgcn 3. August 1899.)
21
18. Erwiderunff ; von W. Voigt.
In einer „Zur kinetischen Theorie der Flüssigkeiten"
überschriebenen Notiz kommt Hr. G. Jäger ^) nochmals auf
seine gegen drei Arbeiten von mir erhobenen Einwände zurück;
aber ich muss das jetzt von ihm Beigebrachte nicht minder
nachdrücklich zurückweisen, als das Frühere.
1. Hr. Jäger behauptete anfangs, dass meine kine-
tischen Betrachtungen für die Flüssigkeiten überhaupt nur das
Mariotte-Gay Lussac'sche Gesetz lieferten. Jetzt beschränkt
er die gleiche Behauptung auf die ersten beiden Arbeiten, in
denen allerdings die Grösse der Molecüle nicht in Rechnung
gezogen ist. Da aber die Wechselwirkung zwischen den Mole-
cülen berücksichtigt ist, so ergiebt sich dort das van der
Waals'sche Gesetz zwar mit verschwindendem b, keineswegs
aber das Mariotte-Gay Lussac'sche.
In Abschnitt 11 meiner zweiten Arbeit ist hierüber aus-
führlich gesprochen. Das dort Gesagte ergiebt zugleich, dass
der Weg, auf welchem Hr. Jäger in seiner letzten Notiz deü
Wanddruck der Flüssigkeit berechnen und hierdurch seine
Behauptung beweisen will, unrichtig ist.
2. Hr. Jäger nimmt femer an dem Resultat Anstoss,
dass die Anwendung der Reibungsformeln der kinetischen
Theorie auf Flüssigkeiten für dieselbe Substanz im gasförmigen
und im flüssigen Zustand sehr verschiedene „Moleculargrössen"
liefert, und behauptet, dass dies Resultat meine Entwickelungen,
welche die Molecüle als starre Kugeln behandelten^ in directen
Widerspruch mit den Anschauungen der kinetischen Theorie
setze.
Demgegenüber begnüge ich mich mit der Wiederholung
einiger Sätze aus dem III. Abschnitt meiner zweiten (allein
auf die Frage der inneren Reibung eingehenden) Arbeit, aus
denen hervorgeht, dass die Annahme starrer Kugeln eine
1) G. Jäger, Wied. Ann. 68. p. 615. 1899.
. Enoiderung, 325
Hypothese ist, die zwar Hr. Jäger heranzieht, die ich aber
^ gerade mit Nachdruck abweise.
Meine Definition der „Stosskugei**, die ich mit gutem Be-
dacht an Stelle des „Volumens** des Molecüles gesetzt habe,
beschreibt diese im engen Anschluss an von Claus ins ver-
tretene Anschauungen ^) als „eine um ein Molecül construirte
Kogely in welche bei der Bewegung der Schwerpunkt eines
anderen Molecüles nicht zu dringen vermag, ohne eine merk-
liche Ablenkung zu erfahren^» — was schon deutlich genug
die Annahme starrer Kugeln ablehnt.
Aber ganz unmissverständlich lautet der Satz, den ich
dort an die Constatirung des mit dem Aggregatzustande
wechselnden „Stossradius" anschliesse.
„Dies Resultat würde gegen unsere gesammte AutYassung
sprechen, wenn wir die Molecüle als elastische Kugeln auf-
zufassen gezwungen wären. Hält man dagegen die viel plau-
siblere Vorstellung fest, dass die Molecüle für die Zwecke der
kinetischen Theorie als blosse Kraftcentra betrachtet werden
dürfen, so lässt sich das Ergebniss wohl begreiflich machen; . . .^*
Im IV. Abschnitt derselben Arbeit beschäftige ich mich
dann mit der Veränderung der inneren Energie eines mehr-
atomigen Molecüles beim Passiren der Grenze Dampf —Flüssigkeit,
was auch mit der mir von Hrn. Jäger beigelegten Auffassung
des Wesens der Molecüle in hinreichend deutlichem Wider-
spruche steht.
Dass ich in der dritten Abhandlung an einer Stelle, wo
die Verschiedenheit der Auffassungen keine Rolle spielt, (wie
dort ausdrücklich hervorgehoben), bloss im Interesse der Ein-
fachheit die Molecüle wie starre Kugeln behandelt habe, steht
hiermit nicht im Widerspruche; die dort gewonnenen Resul-
tate lassen sich auch, wenngleich weniger einfach, mit Hülfe
von Kraftcentren und Stosskugeln ableiten.
3. Noch muss ich Einspruch dagegen erheben, dass Hr.
Jäger meine, gegen seine Entwickelungen gerichteten Ein-
wände mit der Bemerkung abthut, „es seien sämmtliche
1) Wie Hr. Jäger demgegenüber unter Nr. 4 seiner letzten Notiz
behaupten kann, dass die Auffassung der Molecüle als Kraftcentren im
Widersprach mit der Festsetzung eines „Stossradius** stände, ist mir nicht
^ventändlich.
326 /r. Voigt. Erwiderung.
biHher gelieferte Arbeiten über die kinetische Theorie der
Flüssigkeiten nicht völlig einwurfsfrei/^ Bei meinen Einwändeo^
handelt es sich nicht etwa um zur Vereinfachung gemachte
Hypothesen oder um angenäherte Bechnungen, sondern um
schwerwiegende principielle Fehler.
Um dies darzuthun, genügt es, die betreffende Stelle aus
meiner ersten Abhandlung^) zu wiederholen.
„Wenn in der ersten Arbeit*) (des Hm. Jäger) die
Dampfspannung bei verschiedener Temperatur einfach der
Anzahl der während der Zeiteinheit aus der Flüssigkeit in
den Dampfraum austretenden Molecüle proportional gesetzt
wird, so kann ich dem nicht beistimmen und halte, abgesehen
von anderen Einwänden, schon deshalb die so gewonnene, der
Beobachtung merkwürdig entsprechende Gleichung nicht für
kinetisch begründet. Nicht minder anfechtbar scheint mir in
der zweiten Arbeit^) das Verfahren, die aus der Flüssigkeit
in den Dampfraum austretende Masse gleich q^' zu setzen,
wobei Q die Dichte der zum Austreten fähigen Theile in der
Flüssiffkeity u ihre zur Grenze normale Geschwindigkeit im
Bampfraum bezeichnet.
Mit diesen Grundlagen dürften aber alle Resultate der
beiden Arbeiten hinfällig werden.**
Göttingen, Juli 1899.
1) W. Voigt, Nachr. v. d. Götl. Gesellsch. d. Wissensch. von
1896, p. 342.
2) G. Jftger, Sitzungsber. dor k. Gesellsch. d. Wissensch. zu Wien
99. p. 679. 1890.
3) G. Jäger, 1. c. p. 860.
(Eingegangeu 24. Juli 1898.)
1 9. lieber die Deutung der Beuf/ungserscßiei/ntingen
bei Röntgenstrahlen; von C H. Wind.
Berichtigung
zu dem Aufsätze in diesen Annalen 68. p. 896 ff. 1899.
Man lese:
p. 898, Z. 5 V. u. I
p. 899, Z. 1, 9, 10, 11, 14 \ überall ^l statt X\
p. 900, Z. 8, 10, 16 V. u. j
und statt der Gleichungen auf p. 899 die folgenden:
^^ Oll -k I 3ry 2vn dJ\
dj _ _ 3 y
dn 2 n
Die pun kürten Linien der Figur müssten ein wenig ge-
ändert werden, entsprechend der neuen Form der letzten
Gleichung.
Das hiermit berichtigte Versehen ist auf die Richtigkeit
der Schlussfolge ohne Einfluss gewesen.
(Eingegangen 14. August 1899.)
Erklärung der Tafel III
zur Abhandlung Robert Emden, p. 264.
Fig. 1. Luftßtrabl. Durchmesser d der conischen Düse B = 2,65 mm.
Ausflussdruck p = 2,3 Atm. Wellenlänge A = 1,75 mm.
Fig. 2. Lnftstrahl. Durchmesser d der conischen Düse B = 2,65 mm.
Ausflussdruck p = 2,9 Atm. Wellenlänge X = 2,65 mm.
Fig. 3. Luftstrahl. Durchmesser d der conischen Düse B = 2,65 mm.
Ausflussdruck p — 3,85 Atm. Wellenlänge l =■ 3,65 mm.
Fig. 4. Luft^trahl. Durchmesser d der conischen Düse B = 2,65 mm.
Ausflussdruck j9 = 5 Atm. Wellenlänge X = 4,4 mm.
Fig. 5. Luftstrahl. Durchmesser d der conischen Düse Ä = 3,63 mm.
Ausflussdruck p = 2,6 Atm. Wellenlänge A = 1,9 mm.
Fig. 6. Luftstrahl. Durchmesser d der conischen Düse Ä s= 3,63 mm.
Ausflussdruck p = 3,3 Atm. Wellenlänge l = 3,28 mm.
Fig. 7. Luftstrahl. Durchmesser d der conischen Düse A = 3,63 mm.
Ausflussdruck p — b Atm. Wellenlänge X = 5,67 mm.
Fig. 8. Luftstrahl. Durchmesser d der conischen Düse A » 3,63 mm.
Ausflussdruck p = ^ Atm. Wellenlänge X = 6,32 mm.
Fig. 9. Kohlensäurestrahl. Durchm. d der conischen Düse A = 3,63 mm.
Ausflussdruck /) = 5 Atm, Wellenlänge X = 5,5 mm.
Fig. 10. Luftstrahl. Durchmesser d der Flachdüse F=2y'i2 mm. Aus-
flussdruck p = 4,1 Atm. Wellenlänge X = 4,0 mm.
Fig. 11. Luftstrahl. Durchmesser d der conischen Düse D » 0,3 mm.
Ausflussdruck p = 1 Atm. Wellenlänge X = 0,55 mm.
Figg. 12 — 15. Vacuumstrahlen.
Fig. 12. Düsen durchmesser = 2,9 mm. Ausflussdruck Pi = S Atm. Ausscn-
druck Pq = 57,2 cm. PiIpq = 3,6 Atm. Wellenlänge X = 3,3 mm.
Fig. 13. Düsendurchmesser = 2,9 mm. Ausflussdruck Pi = i Atm. Aussen -
druck Pq = .50,3 cm. PiJpQ = 4,7 Atm. Wellenlänge X = 4,7 mm.
Fig. 14. Düsendurchmesser = 2,9 mm. Ausflussdruck Pi = 6 Atm. Aussen-
druck Pq — 39,8 cm. PilpQ = 10,8 Atm. Wellenlänge X = 6,8 mm.
Fig. 15. Düsendurchmesser = 3,5 mm. Ausflussdruck />, = 0,6 Atm. Aussen-
dnick pQ = .30,8 cm. Pi/Pq = 15,3 Atm. Wellenlänge X = 10,1 mm.
Druck von Metzger A Wittig In Leipzig.
1899. ANNALEN -^^ 10.
DBB
PHYSIK UND CHEMIK
NEUE FOLGE. BAND 69.
1. Ueber die bei Explosionen i/n der lAift ei/n-
geleiteten Vorgänge; von W. Wolf f.
(HIeno Taf. T, Fiir9* 1—«« «nd Taf. YI, Fi^. 1—4.)
I.
Die bei der Explosion eines SprengstoflFs frei werdende
Energie IS ist durch das Gewicht ca des explodirenden Stoffs
und durch seine Ebcplosionswärme Q gegeben. Sie beträgt in
Arbeitsmaass ausgedrückt
wo A das mechanische Wärmeäquivalent bedeutet. Explosions-
wärme heisst die bei der explosiven Umsetzung der Gewichts-
einheit des betreffenden Stoffs frei werdende Wärmemenge.
Die verfügbare Energie kommt zum Ausdruck in der Zer-
störungsarbeit im Explosionsherde, als fortschreitende Erd-
erschütterung, in der Bewegung von Sprengstücken etc. und
in der Bewegung von Luft. Trifft die bewegte Luft einen
Körper, so hängt es von der Beschaffenheit dieses Körpers
ab, wieviel Energie er aufnimmt. Ist der Körper absolut fest
und starr, so nimmt er gar keine Energie auf, sondern re-
flectirt die gesammte, ihn treffende Luftmenge, ist er sehr
träge, so nimmt er nur wenig Energie auf, und zwar um so
mehr, je mehr sich seine Trägheit derjenigen der ihn treffen-
den Luft nähert, und die umgebende Luft übernimmt die ge-
sammte auf sie übertragene Energie von Schicht zu Schicht,
ohne dass diese dadurch wesentlich abgeschwächt würde; die
einzige dämpfende Kraft ist die Reibung der Luft, die hier
vollkommen zu vernachlässigen ist.
Messungen über die Grösse der Wirkung der bei der Ex-
plosion grösserer Sprengstoffmengen frei werdenden Energie
auf bestimmte in der Umgebung befindliche Körper, konnten
in der Literatur nicht gefunden werden und sind wohl bisher
330 JT. tfolff.
auch nicht angestellt worden. Die zahlreichen Beobachtungen,
die an den Wirkungen zufälliger Explosionen gemacht worden
sind, bedürfen in mancher Beziehung der Aufklärung, zumal ^
über die relative Abnahme der Wirkung mit der Entfernung
und über den zeitlichen Verlauf der auftretenden Kräfte that-
sächliche Angaben fehlen.
Auf Veranlassung des kgl. preussischen Eriegsministeriums
seitens der Artillericprüfungscommission auf dem Schiessplatze
Cummersdorf in der Zeit vom October 1896 bis Mai 1897
vorgenommene Sprengungen boten Gelegenheit, Versuche in
dieser Richtung anzustellen.
Bei den gewaltigen Energiemengen, welche hier frei wurden,
und in Berücksichtigung der Unklarheit, welche noch hinsichtlich
des Verhältnisses bestand, in welchem die von einem Körper auf-
genommene zu der bei einer Explosion erzeugten Energie steht, lag
eine Schwierigkeit in der Wahl geeigneter Beobachtungs verfahren,
sodass man auf zum Theil unerprobte Methoden angewiesen war.
Die Versuche erstreckten sich im wesentlichen auf
Messungen:
1. der Geschwindigkeit, mit welcher sich die ICxplosions-
wirkung fortpflanzt;
2.^) der Energie, welche von bestimmten Körpern in ver-
schiedenen Entfernungen aufgenommen wird;
3. des zeitlichen Verlaufes des Explosionsstosses in ver-
schiedenen Entfernungen vom Explosionsherde.
Da keine Versuchsbedingungen geschaflfen werden konnten,
welche den späteren Verhältnissen auch nur annähernd ent-
sprachen, so wurden Vorversuche nur in geringem umfange
angestellt Falls daher die beabsichtigten Messmethoden ver-
sagten, sollte aus dem Grade der Zerstörung von — 9 qm
grossen — Bretterwänden und der Zersplitterung von Fenster-
scheiben, die um den Explosionsherd herum gruppirt waren,
eine ungefähre Anschauung über den relativen Verlauf der
Kraftabgabe mit der Entfernung gewonnen werden.
Die Messgegenstände wurden an starken, in die Erde ge-
grabenen Pfählen oder Bohlen befestigt. Diese waren strahlen-
förmig um den Explosionsherd gruppirt. In den einzelnen
1) Von diesen werden am Schlosse nur kurz die Resultate mit-
getheilt werden.
Explosionen in der Luft 881
Strahlen waren sie 25, 50, 7ö und so fort bis zu 250 m vom
Explosionscentrum entfernt aufgestellt. Die Zahl der Strahlen
war von Versuch zu Versuch verschieden und richtete sich
nach der BeschaflFenheit des Geländes und nach der Grösse
des Kreissectors, über welchen sich die Messungen erstreckten.
Die Vertheilung der Messstationen bei den verschiedenen
Sprengungen zeigt Taf. V, Fig. 1. Die aus leichten Bau-
stoffen (Hartgypsdielen oder Monierconstruction) errichteten
Sprengstoffmagazine 1 — 4 waren auf zwei aneinander stossenden
Seiten mit einem Wall umgeben, dessen Lage aus den Zeich-
nungen hervorgeht. Das Magazin 5, welches zuletzt gesprengt
wurde, war aus sehr festem Material (Kiesbeton) gebaut und
nur mit einem kurzen Wall versehen, der den Zweck hatte,
eine schwere eiserne Doppelthür aufzufangen.
Bei den beiden ersten Versuchen waren die Apparate
hauptsächlich auf einem relativ kleinen Sector der wall/rciVw
Seiten aufgestellt. Dies geschah deswegen, weil die zu den
Vorbereitungen und zu den nachherigen Aufnahmen noth-
wendige Arbeit wuchs mit der Grösse des mit Messinstrumenten
zu versehenden Feldes, und daher zunächst Erfahrungen über
die zweckmässigste Arbeitsvertheilung hierbei gesammelt werden
mussten, und weil angenommen wurde, dass die Tauglichkeit
der gewählten Beobachtungsverfahren auf den wallfreien Seiten
am sichersten erprobt werden könnte. Erst nachdem über
diese Dinge Klarheit geschaffen war, wurden die Versuchö-
objecte, welche direct zur Kraftmessung dienten, im ganzen
Umkreise gleichmässig vertheilt. Bei der 5. Sprengung war dies
wegen der geringen Ausdehnung des Walles nicht erforderlich.
Für die Vorbereitungen standen immer zwei Tage zur
Verfügung. Am ersten Tage wurden die Plätze für die In-
strumente ausgewählt, die Entfernungen mit Hülfe der Mess-
kette abgesteckt, die die Apparate tragenden Pfähle und Sta-
tive eingegraben und die nothwendigen Schutzhütten errichtet.
Am zweiten Vorbereitungstage, der stets dem Versuchstage
unmittelbar voranging, wurden die erforderlichen elektrischen
Leitungen ausgelegt, die Apparate, welche Nachts im Freien
bleiben konnten, aufgestellt und eingerichtet, während die Vor-
richtungen, welche Registrirungen aufzunehmen bestimmt waren,
und die feineren Instrumente erst am Morgen des Versuchs-
882 F; Wolff.
tages angebracht wurden. Die Sprengungen fanden, je nach-
dem die Vorbereitungen fertig gestellt werden konnten, zwischen
10 und 12 ühr Vormittags statt, worauf die an Ort und Stelle^
auszuführenden Aufnahmen und Messungen erledigt, die die
Begistrirungen enthaltenden Gegenstände verwahrt und der
gesammte Versuchsapparat gesammelt und in Sicherheit gegen
die Witterung gebracht wurden.
In der Zwischenzeit von einer zur anderen Sprengung
wurden die Beobachtungen einer überschläglichen Berechnung
unterworfen, um etwaige Hinweise für die späteren Versuche
zu gewinnen, die Apparate wieder in Stand gesetzt, ergänzt
und nöthigenfalls abgeändert.
2.
Für die Beurtheilung der Natur der in der Umgebung
eines Explosionsherdes hervorgerufenen Erscheinungen von
hervorragender Wichtigkeit ist die Kenntniss der Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit der Explosionswirkung.
lieber den Gegenstand liegen bereits eine Reihe von
Untersuchungen^), dieE. Mach mit seinen Schülern ausführte,
vor. Für den vorliegenden Fall von Interesse sind be'sonders
die von ihm ausgeführten Messungen über die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit der von explodirenden Zündhütchen und von
elektrischen Funken hervorgerufenen Schallwellen. Es wurde nur
i&it ganz geringen Ekplosiystofimengen gearbeitet, sodass sich
grosse Schwierigkeiten boten, die Erscheinungen in klarer mess-
barer Form herzustellen. Alle Wirkungen der Explosionswellen,
die zur Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit verwendet
werden können, äusserten sich bei den Mach 'sehen Versuchen
nur auf geringe Entfernungen (einige Centimeter) von der
Wellenquelle, und die Eigenthümlichkeiten der Explosions-
wellen, welche dieselben von gewöhnlichen Schallwellen unter-
scheiden, verschwanden schon nach einer kurzen Wegstrecke.
Die Einzelheiten der höchst interessanten Arbeiten müssen in
den Originalen eingesehen werden. Die hierher gehörigen
DE. Mach u. J. Wosyka, Sitzungsber. der k. Gesellach. der
VVissensch. zu Wien. 72. 1875; W. Rosicky, 1. e. 78. 1876; E. Mach
u. J. Sommer, 1. c. 75. 1877; E. Mach, 0. Tum Urz u. C. Kögler,
1. c. 77. 1878.
Explosionen in der TmfL 833
Resultate sind bereits in der Arbeit von Mach und Sommer
znsammengefasst und haben sich auch bei den späteren Ver-
%suchen bestätigt. Sie gipfeln in Folgendem: ^)
1. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der von Explosions-
wellen ausgehenden Bewegung, mag man sie als Schallbewegung
auffassen oder nicht, ist jedenfalls von derselben Ordnung wie
die Schallgeschwindigkeit.
2. Diese Fortpflanzungsgeschwindigkeit hängt von der Art
und Intensität der Explosion ab und nimmt mit der Heftig-
keit der letzteren zu. Sie beträgt bei stärkeren Zündhütchen
bis 700 m und übersteigt bei elektrischen Entladungen noch
400 m.
3. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit nimmt mit der Ent-
fernung von der Explosionsstelle ab.
Femer hat sich de Waha^ experimentell mit Funken-
wellen beschäftigt; indessen liefern seine Untersuchungen
gegenüber den Mach 'sehen Arbeiten nichts Neues.
Als diese Arbeit bereits druckfertig vorlag, erschien eine
Mittheilung von Vieille ^), welche sich mit der Fortpflanzungs-
geschwindigkeit der Explosionswellen in einem abgegrenzten
Räume befasst. (In einer 4 m langen Stahlröhre von 22 mm
Weite wurde Jagdpulver und Knallquecksilber zur Explosion
gebracht.) Da sich die Drucklegung verzögerte, kann auf
diese Arbeit sowie eine „die Explosion unter Wasser" betitelte
Abhandlung von R. Blochmann*) noch hingewiesen werden.
Auf die Vorgänge in der Umgebung eines Explosions-
herdes treflPen theilweise die Voraussetzungen zu, welche Rie-
mann*) seiner Theorie über die Fortpflanzung ebener Luft-
wellen von endlicher Schwingungsweite im Jahre 1860 zu
Grunde gelegt hat. Mach*^) spricht schon in der Arbeit,
welche er mit Sommer zusammen veröff'entlichte, die Ver-
muthung aus, dass er es wahrscheinlich mit einer Art Rie-
1) E. Mach u. J. Sommer, 1. c. 75. p. 127. 1877.
2) M. de Waha, Publ. de Tlnst. de Luxembourg. 1877.
3) P. Vieille, Compt rend. 126. p. 31. 1898.
4) R. Blochmann, Marinerundschau. Heft 2. p. 197—227. 1898.
5) B. Riemann, Abh. d. k. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingeu.
18B0; Riemann's gesammelte mathematische Werke p. 145 ff. Leipzig 1876.
6) £. Mach u. J.Sommer, 1. c. p. 128. 1877.
834 #'. »'olff.
manu 'scher Wellen zu thun hatte. Eine spätere Abhand-
lung ') lässt darüber keinen Zweifel, dass der Verfasser der
Ansicht iat, dasa Funkenwellen und Explosionswellen akustisch^
Erscheinungen im Sinne der Riemann'Bchen Theorie sind.
Die nachfolgend zu besprechenden Versuche werden zeigen,
dass die oben angeführten, von Mach fiir ganz minimale
Sprengstoffmengen erhaltenen Resultate anch auf grosse Spreng-
stofTmassen auszudehnen sind. Natürlich ist das Wirkungs*
bereich hier ein weit grösseres.
Es soll versucht werden, zu zeigen, dass auch die Mach'-
scbe Anschauung, dass man es bei Explosionen mit Riemaon'-
schen Wellen zu thun hat, zutreffend ist, und dass die Folge-
rungen aus der Riemann'scheu Theorie den Thatsachen ent-
sprechen und die Beobachtungen zu erklären im Stande sind.
Um die Zeit zu messen, in welcher die durch die Ex-
plosion in dem Grleichgewicht der Luft hervorgerufene Störung
um eine bestimmte Strecke vorwärts gerUckt ist, wurden mit
dem Namen Luftstossanzeiger bezeichnete Apparate verwendet,
Fig. I. Fig. 2.
die ursprünglich für die Messung von Oeschossgeschwindig-
keit«n construirt waren. Als Chronographen dienten le Bou-
lengS -Apparate und später eine Registrirtrommel.
Die Luftstossanzeiger (Figg. l u. 2) bestehen aus elektri-
schen Gontacten, welche durch den Ausschlag einer Metall-
1) E. Maub, L c "i. 1878,
Explosionen in der Luft 385
membran geöfihet oder geschlossen werden, sobald diese ein
LuftstosSy z. B. die Stirnwelle eines Geschosses trifft. ')
Der Gontact wurde bei den verwendeten Apparaten ge-
bildet durch eine mit Platinspitze r versehene, verstellbare
Schraube L, gegen die ein um eine Axe drehbarer Hebel H
mit Hülfe einer Spannfeder J angedrückt wird, welcher der
Platinspitze gegenüber ein Stück Platinblech aufgeiöthet ent-
hält. Die Contactschraube ist von dem Hebel und den übrigen
Metalltheilen des Apparates durch Ebonit E isolirt, sodass
der Gontact ausschliesslich durch die beiden Piatintheile her-
gestellt wird. Gegen den Contacthebel drückt ein mit der
Stahlmembran Z verbundener Stift i>, der den Hebel von der
Platinspitze abdrückt, sobald auf die Membran ein Druck aus-
geübt wird. Die Empfindlichkeit des Apparates kann mit
Hülfe der Spannfeder / variirt werden und ist durch ein be-
sonderes Verfahren justirbar. Bei diesen Apparaten ver-
ursacht ein Luftstoss eine kurz andauernde Stromöffnung,
worauf der Gontact automatisch wieder hergestellt wird. Durch
geringe Abänderungen kann sowohl der automatische Strom-
schluss verhindert, als auch das Instrument in ein solches
verwandelt werden, bei welchem der Ausschlag der Lamelle
einen Stromschluss herbeiführt. Alle drei dieser Modificationen
kamen bei den Versuchen zur Verwendung.
Da die Apparate auch auf starke Erderschütterungen
reagiren können, mussten namentlich die in der Nähe des
Explosionsherdes aufgestellten Luftstossanzeiger vor solchen
besonders geschützt werden. Zu diesem Zwecke wurden als
Stative eiserne Füsse von Strassenlaternen (Fig. 3) benutzt,
an deren oberem ringförmigen Rande drei Strähnen von Heft-
gam befestigt wurden, welche eine etwa 40 kg schwere Blei-
platte als Aufstellungstisch für die Luftstossanzeiger in der
Schwebe hielten.
Die Chronographen standen 300 bis 700 m bei den ein-
zelnen Sprengungen von der Sprengstelle entfernt und waren
1) £^ ist vielleicht nicht uninteressant, daran zu erinnern, dass die
so berühmt gewordenen Versuche Mach 's, Projectile im Fluge zu photo-
graphiren, welche ihn zu der militürtechnisch nicht unwichtigen Ent-
deckung der Stirnweile der Geschosse führten, ihren Ausgangspunkt in
den oben citirten Untersuchungen über Explosionswellen hatten.
336 r. Wolff.
entweder durch besondere Schwebegerüste oder — wenn die
Grösse der Entfernung dies überäilssig erscheinen liess —
durch untergelegte Kautschukscheiben gegen Erderschütte-^
rungen geschützt.
Die Flugzeiteumesser le Bouleng6 bestehen bekanntlich
aus zwei durch getrennte elektrische Ströme gespeisten Elektro-
magneten, an denen je ein Btah-
förmiger Anker hängt. Der eine,
der „Zeitmesser", wird mit einer
Zinkbulse versehen und fällt, nach-
dem sein magnetisirender Strom
geöffnet ist, frei herab. Während
seines Falles empfängt er durch
ein von dem nach Unterhrechang
des zweiten Stromes herabfallen-
den zweiten Anker, dem „Ge-
wichte", ausgelöstes Messer eine
scharfe Marke. Die Entfemnng
derselben von einer Marke, die
erzeugt wird, wenn beide Ströme
ichzeitig geöfbet werden, ist
das MaasB f^r die gesuchte Zeit-
differenz,
Die Apparate sind also nur für die Bestimmung einer
einzigen ZeitdifTerenz eingerichtet, die bei den übÜcheo Di-
mensionen dieser Apparate kleiner sein muss als 0,3 Secunden.
Sie bedürfen zur Messung derselben je zweier vollständig ge-
trennter Stromkreise, in welchen sich je eine die Stromöfihung
herbeiführende Vorrichtung befindet.
Ferner verbietet es die Einrichtung der Apparate, die
Vorrichtung, welche das Scblusssignal einer Strecke bei einem
Flugzeitenmesser giebt, gleichzeitig für die Abgabe des An-
fangssignals der nächsten Strecke bei einem anderen Chrono-
graphen zu verwenden, weil die Ströme für das erste Signal
etwa 6 mal so stark sein müssen, wie die für das zweite —
im vorliegenden Falle etwa 1 bez. 0,15 Amp, E^ konnten
daher mit den verfugbaren 10 Luftstossanzeigem nur fünf
Zeitdifferenzeii gemessen werden, für welche verhältnissmässig
viel Leitungs- und Batteriematerial erforderlich war.
Explosionen in der Luft 837
Die Flugzeitenmesser geben bei einigermaassen guter
Justirung Zeitdifferenzen bei wiederholter Messung bis auf
OyOOOl Secunden gleiohmässig an, wie/ Tor einigen Jahren ge-
zeigt wurde. ^) Diese Zeitdifferenzen sind aber mit — ihrer
absoluten Grösse nach — schwer bestimmbaren constanten
Fehlem behaftet, die bei verschiedenen Apparaten verschiedene
Werthe haben und auch je nach der Einstellung der Ap-
parate verschieden sind, sodass den Messungen bei möglichst
gut eingestellten Apparten nur eine absolute Richtigkeit von
der Grössenordnung 0,001 Secunde zugeschrieben werden kann.
Bedingung für diesen Genauigkeitsgrad ist eine sehr feine
Abstimmung der wirksamen Elektromagnetismen, welche die
zur Messung dienenden Ströme erzeugen; und ausserdem dürfen
diese Ströme erst unmittelbar vor jeder Messung geschlossen
werden, um eine Erwärmung der Elektromagnetrollen mög-
lichst einzuschränken.
Beide Bedingungen konnten bei den Versuchen nicht er-
fMt werden, sodass die oben bezeichnete Genauigkeit mit den
le Bouleng^- Chronographen wahrscheinlich nicht erreicht
wurde.
Der Aufstellungsort derselben lag verschieden weit — bis
zu etwa 400 m — entfernt von dem Sicherheitsstande, welcher
zur Unterkunft des Versuchspersonals während der Ebcplosion
diente, sodass die Apparate lange vor der Zeitmessung schon
Strom erhielten, der erheblich stärker gewählt werden musste,
als für ein tadelloses Messen der Chronographen statthaft ist.
Als Ausgangszeitsignal wurde der Moment der Sprengung
selbst registrirt, was dadurch geschah, dass ein isolirter Kupfer-
draht, der einen Theil des das erste Signal gebenden Strom-
kreises bildete, durch die Mitte der Sprengstoffmasse geführt,
bei der Explosion also zerstört wurde. Das zweite Signal gab
ein 25 m (bei dem ersten Versuche 27 m) vom Explosions-
mittelpunkt entfernt aufgestellter Luftstossanzeiger. Während
des Gebrauches der leBoulengö -Chronographen befanden sich
an jeder Stelle zwei Luftstossanzeiger, von denen der eine
das Schlusssignal der vorderen, der andere das Anfangssignal
der folgenden Strecke gab. Die Länge der Strecken betrug.
1) W. Wolff, Mitth. über Gegenst. d. Artill.- u. Geniewea. 1895
Ann. d. Pbj«. a. Chem. N. F. 69. 22
338
r. Wolff.
mit Ausnahme der ersten, 25 m (bez. 27 m) langen Strecke,
50 m. ^
um eine grössere Anzahl von Messungen zu erhalten,
wurden von der dritten Sprengung an die le Bouleng^-Chrono-
graphen bis auf einen, der als Normale diente, durch eine
von einem Elektromotor getriebene Registrirtrommel ersetzt,
die ihre Aufstellung in un-
mittelbarer Nachbarschaft des
zur Zündung benutzten Sicher-
heitsstandes fand. Die Begis-
trirungen wurden durch einen
kleinen Elektromagneten,
welcher eine Schreibfeder in
Thätigkeit setzte, yorgenom-
men. Der Kern des hufeisen-
förmigen Elektromagneten
war bei einer Dicke von 1 mm
nur etwa 8 mm lang und ent-
hielt eine nur sehr geringe
Anzahl Windungen aus 0,5 mm
starkem Eupferdraht. Dieser
Elektromagnet, der durch den
Sprengstoff führende Draht
und fünf Luftstossanzeiger,
bei denen der automatische
Stromschluss verhindert war,
bildeten mit einer Batterie
einen einfachen Stromkreis
(Fig. 4). In der Mitte zwischen
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Spreogstofnnagazin
offener Loftstossanzeiger
geschl.
gewöhnl.
RegiBtri rtrommel
Flagzeitenmesser
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Fig. 4.
je zwei solchen Siromunterbrechunffsstellen war als Brücke über die
beiden Hauptleitungsdrähte je ein Luftstossanzeiger eingeschaltet,
der bei dem Ausschlag der Lamelle Stromschluss herstellte.
Die Apparate standen je 25 m voneinander entfernt. Der
erst unmittelbar vor der Sprengung geschlossene Strom vnirde
durch die Sprengung geöffnet, worauf dann abwechselnd Strom-
schluss und Stromöffnung durch die fortschreitende Elxplosions-
wirkung herbeigeführt werden sollte.
Da die Registrirtrommel mit einer Zeitmessvorrichtung
nicht versehen war, wurde mit einem le Bouleng^ -Chrono^
Explosionen in der Luft, 339
graphen die Zeitdifferenz für die Wegestrecke 75 — 125 m ge-
messen. Der Abstand der fdr die gleiche Wegestrecke auf der
^ Begistrirtrommel verzeichneten Marken gab, in Verbindung mit
der durch den le Boul eng ^-Chronographen gemessenen Zeit-
differenz, dann das Maass für die Botationsgesch windigkeit
der Trommel. Da diese sich bei zahlreichen früheren Ver-
suchen als gut ausbalancirt erwiesen hatte, wurde angenommen,
dass die Rotationsdauer sich während der kurzen Zeit der
Messungen nicht wesentlich ändere. Durch diese Art der Be-
stimmung der Rotationsgeschwindigkeit mussten sich natürlich
die Fehler des Flugzeitenmessers systematisch auf alle Mes-
sungen übertragen, indessen war eine erheblich bessere Ueber-
einstimmung der Messungen untereinander zu erwarten, als
sie bei der Benutzung von f&nf verschiedenen le Bouleng^-
Chronographen erreichbar ist.
4.
In den nachfolgenden Tabellen 1 bis 4 sind die erhal-
tenen Messungen unter t eingetragen. Die mit den le Bou-
1 eng 6 -Chronographen gemessenen Zeitdifferenzen sind hierbei
aneinander gereiht, unter r sind diejenigen Entfernungen vom
Explpsionscentrum in Metern angegeben, für welche die übrigen
Werthe gelten.
Berechnet man die mittleren Geschwindigkeiten für die
einzelnen Messstrecken (r„ + i — r„)/(/„ + i — ^), so erhält man
Werthe, die in der Nähe des Explosionsherdes bis zu 800 m
betragen, sich aber mit zunehmender Entfernung der Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit des normalen Schalles nähern. Zahlen
sind dafür in den Tabellen nicht angegeben, weil, wie sich
gleich zeigen wird, an ihrer Stelle die Werthe dr/dt, d. h. die
Geschwindigkeit an jeder Stelle berechnet werden konnten.
Um eine analytische Beziehung zwischen r und t zu finden,
wurden die zusammengehörigen Werthe für diese Grössen in
ein Coordinatensystem eingetragen. Die erhaltene Curve zeigte
die Form einer Hyperbel, deren Axe in der Coordinate der t
liegt.
Aus der Mittelpunktsgleichung einer Hyperbel
22*
340 r. Il'olff.
erhält man die gesuchte Beziehung, wenn man y ^r und
jT = / — a setzt, nämlich
für / = 0 wird r = 0.
Aus dieser Gleichung ergiebt sich
(2) ' = »(|A+^-l)
und durch Differentiation
dt aY^r^
Je grösser r wird, desto mehr nähert sich der Werth toi:^
drjdt der Grenze 6/a. Es ist schon erwähnt worden, da8F==g
sich die mittleren Geschwindigkeiten dem Werthe der Schall —
gesch windigkeit nähern. Der Quotient b/a soll daher mit
bezeichnet werden, sodass die Gleichung lautet:
Nach der Methode der kleinsten Quadrate können b und
leicht berechnet werden. Ihre Werthe finden sich am Eop
der Tabellen^) verzeichnet. Der Quotient (b/o) = u hat di»
Grösse der den meteorologischen Verhältnissen entsprechen^*
den Fortpflanzungsgeschwindigkeit u des normalen Schalles,
wie ebenfalls aus dem Kopf der Tabellen hervorgeht Die Ab-
weichung liegt durchweg nach derselben Seite hin. Die Con-
stante u ist bei den einzelnen Versuchen um 4,8, 3,0, 0,3 und
4,6 Proc, im Durchschnitt 3,2 Proc. grösser gefunden als die
Schallgeschwindigkeit u betrug.
Die aus den Gleichungen (2) und (3) mit den empirischen
Constanten a und b berechneten Werthe sind in den Tabellen
unter t^ und drjdt verzeichnet. Die Erklärung ftir die übrigen
Columnen wird in Abschnitt 7 gegeben werden.
1) Bedeutung der einxelnen Columnen der Tabellen 1 — 4i t » ge-
messene Zeit in Secunden, ^ « aus Gleichung (2) berechnete Zeit in
Secunden; drjdt ^ aus Gleichung (S) berechnete Geschwindigkeit in
Metern; f(\f) s Dach der Hie man naschen Theorie aus den Werthen für
drtdt berechnete Geschwindigkeiten der Lufttheilchen in der Welle;
(f' jii — nach der gleichen Theorie berechnete Maximalverdichtung in der
Welle; q'= nach der gleichen Theorie berechnete Mazimaldichte in der
Welle; S » Gewicht der von den Ezplosionsgasen verdrängten Luft in
Gramm, welche durch 1 qcm hindurchströmt. ^
Explosionen in der Luft.
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Exphtionen in der Luft.
Es ist versucht worden, den Verlauf der Verdichtung der
jft an verBchiedenen Stellen der Umgebung der Explosione-
eile zu regiatriren. Der hierzu benutzte Apparat ist in der
estalt, die er Bchliessitcb erbalten bat, und wie er bei der
bzten Sprengung benutzt worden ist, in Fig. 5 dargestellt.
Der unten geschlossene Messingcylinder C wurde mit einer
hr feinen Eautschukmembran if bespannt, die ein bestimmtee
iftTolumen iu dem Cylinder abschloss, welches bis kurz vor
im Versuche mit der äusseren Luft in Communication stand,
lon aber abgesperrt wurde. Auf der Mitte der Membran
Fig. 5.
r mit Eautschuklösung ein Stift S befestigt, welcher mit
n Hebel H in Verbindung stand, der die Bewegung der
iinbraa in etwa dreifacher Uebertraguug auf die durch einen
inen Elektromotor E um ihre senkrecht stehende Axe in
tation versetzte Registrirtrommel R aufzeichnete. Der
sssingcylinder war an einer Wand ausserhalb des die übrigen
teile des Apparates bergenden Kastens befestigt, der nur
len Schlitz hatte, um den Schreibhebel hindurch zulassen,
d der in einer Höhe von etwa 1,5 m an einer festen, in die
de gegrabenen Bohle befestigt wurde. Als Schreibhebel
irden bei der ersten Anwendung der Apparate direct aut die
jmbraneu geklebte Federposen verwendet, an deren Enden
t Siegellack Schreibfedem aus ganz feinem Stahlblech be-
lügt waren; da aber von fünf derartigen Apparaten nur
ler eine Begistrirung ergab, während bei den vier anderen
346 r. JFolff.
die Federposen von den Membranen oder die Schreibfedem
von den Federposen abgerissen wurden, ehe eine brauchbare
Aufzeichnung erreicht war, wurden dann genau ausbalancirt^
Messinghebel verwendet, an welche die Stahlfedern angelöthet
wurden.
Das Maass für die Umdrehungsgeschwindigkeit der Be-
gistrirtrommeln wurde anfangs dadurch gewonnen, dass in dem
Kasten ein eben solcher kleiner elektromagnetisch betriebener
Schreibhebel, wie er p. 338 erwähnt ist, eingebaut war (in der
Figur nicht gezeichnet), der mit zwei um 25 m auseinander
stehenden Luftstossanzeigern in einen Stromkreis geschaltet
wurde. Durch die Explosionswelle, deren Fortpflanzungs-
geschwindigkeit auf anderem Wege gemessen wurde, sollten
die beiden Luftstossanzeiger in Function treten und je eine
Marke liefern, deren Sinn durch eine vorangegangene über-
schlägliche Bestimmung der Tourenzahl leicht festgestellt
werden konnte. Letztere wurde so gewählt, dass zwischen
zwei Marken etwas weniger als eine Umdrehung lag. Da die
Luftstossanzeiger aber statt je einer Unterbrechung immer
deren mehrere hervorriefen, sodass in einem Falle die Rotations-
dauer nicht genau ermittelt werden konnte, musste ein siche-
reres Verfahren der Zeitregistrirung angewendet werden.
Dieses bestand darin, dass ein durch drei Gleitstangen G
(Fig. 5) geführtes Fallgewicht F mit einer Schreibfeder ver-
sehen wurde, welche während des Falles eine Curve auf der
Registrirtrommel beschrieb. Das etwa 70 g schwere Fall-
gewicht wurde bis kurz vor dem Eintrefi*en des Ekplosions-
stosses an dem dem Magazine zunächststehenden Begistrator
elektromagnetisch gehalten. Ein Luftstossanzeiger, der mit
den Elektromagneten N aller fünf Apparate einen Stromkreis
bildete, löste die Fallgewichte gleichzeitig aus.
Die Aichung dieser Instrumente wurde mit Hülfe eines
Wassermanometers vorgenommen, welches die Centimeter
Wasserdruck angab, die einer bestimmten Hebelstellung ent-
sprachen.
Von diesen Instrumenten wurden die Curven 1, 2, 3 . . .,
welche auf der Taf. V, Fig. 2 — 6 wiedergegeben sind, registrirt
Da die Hebelarme Kreisbögen beschrieben, mussten die Ab-
scissen vorher auf geradlinige Coordinaten transformirt werdeiv
f
Explosionen in der Luft 347
was auf graphischem Wege geschehen ist, wobei die geringe
Correction wegen der Krümmung der Registrirtrommel un-
w berücksichtigt geblieben ist.
Wegen der Eigenschwingungen des die Verdichtungen
angebenden Systems sind diese Curven theilweise erheblich
getrübt. Sie geben also in der mitgetheilten Form nicht den
reinen zeitlichen Verlauf der Gleichgewichtsstörung an den
betreffenden Stellen an. Anfangs war geplant, diesen durch
empfindliche Flammen mit Hülfe photographischer Registri-
mng zu fixiren. Der hohen Kosten wegen, welche die dazu
projectirten Apparate verursachten, wurde von dieser einwand-
freien Methode Abstand genommen.
Um ein Bild über den wirklichen Verlauf der Dichte zu
erhalten, müssen die erhaltenen Curven von den superponirten
Eligenschwingungen des Systems befreit werden. Hierbei wurde
von dem Gesichtspunkte ausgegangen, dass der Ausschlag
nach der einen Seite den der Dämpfung des Systems ent-
sprechenden Ausschlag nach der anderen Seite hätte zur Folge
haben müssen, wenn das System sich selbst überlassen ge-
blieben wäre. Die Differenz dieses Ausschlages und der that-
sächlich registrirten Ordinate, welche der zugehörigen Phase
der Eigenschwingungen entsprach, wurde daher als Folge der
vorhandenen Dichte angenommen.
Die Grösse der Dämpfung und die Dauer der Eigen-
schwingungen wurde in der Weise gefunden, dass dem Hebel-
arm durch mechanisches Herabdrücken der Membran ein ent-
sprechender Ausschlag gegeben wurde. Während die Registrir-
trommel sich in Rotation befand, wurde der Druck plötzlich
aufgehoben, sodass die Membran ihre Schwingungen auf-
zeichnen konnte.
Curve 1 2 (Fig. 6, Taf. V) ist eine auf diesem Wege erhaltene. ^)
Es zeigt sich, dass die zahlreichen Schwingungen, die oft er-
halten worden sind, thatsächlich mit den Eigenschwingungen
des Apparates nahe übereinstimmen, woraus zu schliessen ist,
dass nur die ersten Ausschläge als annähernd den wirklichen
Verdichtungen an den betreffenden Stellen entsprechend an-
1) Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass jede Membran ihre
eigene Dämpfungs- und Schwingungscurve hatte, die den entsprechenden
^ Curven bei der Reduction zu Grunde gelegt wurde.
348
W. JFolff.
gesehen werden können, während die übrigen Ausschläge als
Folgen der Eigenschwingungen zu betrachten sind.
Nach Ausführung der angedeuteten Correctiony die auf j
graphischem Wege für die Curven, in welchen Eigenschwingungen
deutlich erkennbar sind, durchgeführt ist, ergeben sich die
Curven la, 2a, 3a . . ., welche einen einigermaassen einheit-
lichen Charakter zeigen, der dem thatsächlichen Verlauf der
Verdichtung besser entsprechen dürfte, als die Originalcurven.
Neben der wohl annähernd richtigen Registrirung der maxi-
malen Verdichtung in der Explosionswelle ergiebt sich daraus,
dass der Werth gjX, nachdem die Explosionswelle an einer
Stelle vorbeigegangen ist, eine Zeit lang unter 1 herabsinkt.
Hierfür sprechen alle, auch die uncorrigirten Curven, ins-
besondere aber die Curve Nr. 1, in welcher an den Stellen,
wo QJl. bereits < 1 geworden ist, die Secundärschwingungen
der Membran noch vorhanden sind. Im übrigen kann aus
den Curven nur ein Schluss über die Gesammtdauer der
Gleichgewichtsstörung gezogen werden. Diese war bei allen
Curven kleiner als 0,05".
Die sich aus den Curven ergebenden Maximalwerthe für
QJX stimmen mit den aus den Zeitmessungen ^) berechneten
nicht schlecht überein, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
Tab
eile 5.
Datum
Curve
Entfernung
Maximalwerth der
' Verdichtung
der
von der
nach den
Nr
Explosion ^^'
Exploeionsstelle
nach der Curve
Zeitenmessungen
17.12.96, 1
100 in
1
1,015 ( unsicher)
1,005
f ^
40
1,0355
1,0359
1 3
100
1,025
1,0203
1.4.97
1 4
125
1,039 '
1,0130
1 ^
150
1,005
1,0091
6
175
1.009
1,0067
r 7
75
1,021
1 8
100
1,026 1
5.6.97
1 9
125
1,022 1
K. M.
10
1
150
1,007 1
. 11
175
1,0045 ; >
1) Vgl. Columne 7 der Tab. 1—4 und Gleichung (10) p. 358.
Explotüm
in der Luft
w In B&mmÜicbea Berichten über zut&Uige BLzplosionen findet
man neben den „directen" E^plosionswirkungen, d. b. den-
jenigen, durch welche die Trümmer zerstörter Gegenstände
in die Richtung vom £xplosion3herde weggeschleudert werden,
auch „indirecte" Wirkungen verzeichnet, welche dadurch ge-
kennzeichnet sind, das8 die Tr&mmer iu die Richtung zum
E^plosionsherd hingeworfen werden; als ob sie zu ihm hjn-
geaangt worden wären. Diese indirecteu Wirkungen werden
vorzugsweise in grösseren Entfernungen beobachtet, während
die direct«n auf eine relativ geringe Zone beschränkt bleiben,
aber weit heftiger sind als die indirecten, die z. B. darin be-
stehen, dass Ziegel von Dächern, die mehrere Kilometer weit
vom E^plosionsherde entfernt sind, abgerissen werden, oder
dass Fensterscheiben zerbrochen werden etc.
Diese Thatsacben haben bisher eine befriedigende Auf-
klämng nicht gefunden. Es wurde angenommen, dass bei
einer Ekplosion die Explosionsgaae vor-
nehmlich in die Höhe geschleudert wur-
den und eine Äspirationswirkung auf die
Umgebung ausübten, wodurch Luftmassen
aus grossen Entfernungen zum Explo-
sionsberde hinstürzten. Diese angesaugten
LoEtmassen sollten die indirecten, kilo-
meterweit reichenden Wirkungen hervor-
mfen. Bei näherer Ueberlegung ist jedoch
diese Erklärung nicht stichhaltig.
Die schon auf p. 330 kurz er-
wähnten Fensterscheiben ergaben Über
diese Verhältnisse einwandfreies Beob-
achtungsmaterial.
Quadratische Scheiben, aus 1,5 mm starkem gewöhnlichen
Fensterglas von 40 cm Seitenlange, waren in Holzrahmen
{Fig. 6) befestigt, und, mit ihrer Fläche dem Explosionsherde
zugewendet, etwa 75 cm über dem Erdboden an Pfählen an-
gebracht, die in Entfernungen von 25 bis 275 m um den
Explosionsherd herum gruppirt waren.
Hierbei wurde folgendes beobachtet:
Fie- 6.
350 W. Wolf
Die Splitter der dem Explosionsherde zunächst (25 m
von ihm entfernt) aufgestellten Scheiben waren zum weitaus
grössten Tbeile vom Explosionsherde fortgeschleudert, während^
ein kleiner Bruchtheil auch in die Richtung zu ihm hingefallen
war. In den folgenden Zonen lagen die Splitter (derselben
Scheiben) zu etwa gleichen Theilen vom Magazin weg und zu
diesem hingestreut.
Je weiter die Scheiben vom Explosionsherd entfernt waren,
um so höher war der Procentsatz der Bruchstücke, die nach dem
Magazin zu gefallen waren, bis schliesslich die zerbrochenen
Scheiben ausschliesslich nach dem Magazin zu geworfen waren
und in entgegengesetzter (,,directer'') Richtung keine Bruch-
stücke von zerbrochenen Scheiben mehr aufgefunden wurden.
Diese auffällige Vertheilung der Glassplitter, die schon
früher, wenn auch weniger vollständig, bei zufälligen Ex-
plosionen vielfach beobachtet wurde, liess als erwiesen er-
scheinen, dass, wo die Lage der Glassplitter dies anzeigte,
an derselben Stelle sowohl positiv gerichtete Kräfte, welche
Körper vom Explosionsherde weg, als auch negativ gerichtete,
welche Körper zum Explosionsherde hin zu bewegen im Stande
sind, in der Umgebung der Explosionsstelle auftraten.
Um zu prüfen, wie sich die zum Magazin hin gerichtete
Kraft zeitlich zu der von ihm forfgerichteten verhielt, und ob
die indirecte Kraft ihren Ursprung in einer nach dem Magazin
hingerichteten Luftströmung habe, wurden genau symmetrisch
gebaute elektrische Stromunterbrecher verwendet, von welchen
der eine Theil nur auf eine negative, d. h. nach dem Magazin
hin gerichtete Kraft, der andere nur auf eine positive Kraft
reagiren konnte. Die den Stoss auffangenden Flächen waren
genau in derselben Ebene justirt. Die Construction wurde
so gewählt, dass die Apparate einer relativ grossen Arbeits-
menge bedurften, um inThätigkeit zu treten.
Die Unterbrecher bestanden aus schweren, 5 mm starken
Messingplatten F (F^ig. 7), die um ein Charnier S drehbar
waren und durch ein kräftiges Gummiband (in der Figur nicht
gezeichnet) fest gegen eine Platinspitze C gedrückt wurden.
Beim Auftreffen des Luftstosses auf die Stossfiäche sollte der
Contact an der Platinspitze unterbrochen und kurz darauf
durch Vorschnellen einer Feder F. die zunächst von einem
t
üxplotionen in der Luft.
851
kleinen Stifte S ztirOckgehaiten wurde, der sein Widerlager
an einem Ansatz A der Pkttei* hatte, wieder gescMoasen werden.
P Diese kurzen Unterbrechungen wurdeu mit Hülfe eben
Bolcber kleinen Elektromagnete, wie sie für die Luftotoss-
anze^er benutzt wurden, auf der gleichen ßegistrirtrotnmel,
anf welcher die durch die Luftstoasanzeiger erzeugten Unter-
brechangen aufgezeichnet wurden, registrirt.
T !
[32
ia
M^
U
,0
"^
^y
1
T
ELI
H
I.
I*
AAni/I/ n A Jiftniuc d.
Fig. 7.
Fünf dieser Apparate wurden neben fünf Luftstoss-
anzeigem aui^esteltt, sodass sie sich mit diesen in möglichst
gleicher Entfernung vom Explosion sherde befanden. Nach-
stehend sind die mit diesen Vorrichtungen am 17. 12. 96
bei der zweiten Sprengang von Schwarzpulver erhaltenen
Messungen mit den mit Lnftstossanzeigern in der gleichen
Entfernung erhaltenen Resultaten zusammengestellt. Der Con-
tact wurde von den verschiedenen Apparaten in den be-
treffenden Entfernungen zu den in Columne 2 — 4 verzeichneten
Zeiten nach erfolgter Sprengung unterbrochen.
Tabelle 6.
EDtfeniuQg
j
Plftttennnterbrecher für
von der
LuftstoBeauzeiger
Sprengstelle
negaliveo Stou
50 m
1 0,1189'
0,1211«
K. M.
75
0,1926
0,1959
0,1961'
100
0,2666
0,2705
0,3713
12&
' 0,8389
0,8423
0,8450
160
j 0,4107
K. M.
0,4181
\
852 r. ^'olff.
Die Zahlen der Columne 4 zeigen, dass eine Luftströmung, die
— im Sinne der bisherigen Anschauung — ihren Urspruifi^
in entfernter gelegenen Stellen und ihr Ende in der Explosions»*^
stelle hat, also ein sogenanntes „Saugen'^, nicht stattgefunden
hat, denn die dem Explosionsherde näheren Unterbrecher
traten durchweg früher in Thätigkeit als entfernter von ihm
aufgestellte. Bemerkenswerth ist, dass von den für negativen
Stoss eingerichteten Unterbrechern der dem Magazine zunächst,
von den auf positiven Stoss eingerichteten der von ihm am
weitesten aufgestellte, nicht functionirt haben, woraus zu
schliessen ist, dass die betreffenden Kräfte an diesen Stellen
zu gering waren, um die Apparate in Thätigkeit zu setzen.
Der Vergleich der Golumnen 3 und 4 zeigt, dass sich eine
Wirkung, die nach dem Explosionsherde hin gerichtet war,
nach diesen Versuchen mit ungefähr dor gleichen Geschwindig-
keit vom Ekplosionsherde fortbewegt hat, wie der positive
Stoss selbst. Diese Wirkung ist durchweg etwas später an
der betreffenden Stelle zur Geltung gekommen wie der posi-
tive Stoss. Da aber die Empfindlichkeit der Apparate nur
in roher Weise regulirt werden konnte, und von den positiv
ansprechenden Plattenunterbrechern die dem Magazin näheren,
von den negativ ansprechenden die ferneren die unempfind-
licheren waren, so kann man aus den Zahlen nur schliessen,
dass die positiven und negativen Kräfte an derselben Stelle
ungefähr gleichzeitig aufgetreten sind.
7.
Alle in den Abschnitten 3 — 6 geschilderten Beobachtungen
deuten darauf hin, dass man es bei den durch Explosionen in
der Luft eingeleiteten Vorgängen mit Wellenbewegungen zu
thun hat, die der Schallbewegung verwandt sind. Die Ver-
dichtungen, die auftreten, sind aber nicht, wie beim normalen
Schall unendlich klein, sondern wie durch die Messungen
nachgewiesen ist, von endlicher Grösse.
Die Explosion eines Sprengstoffes findet, selbst in freier
Luft, stets unter einem sehr hohen Drucke im Explosionsherde
statt, welcher infolge der rapiden Gasentwickelung mehrere
Tausend Atmosphären beträgt. In dieser plötzlichen Gleich-
gewichtsstörung hat die Wellenbewegung ihren Ursprung. DiiU
Explosionen in der Luft 353
Folge der unter hohem Drucke stattfindenden Oasentwicke-
luug zeigt sich in dem Bestreben der Explosionsgase, das
filmen unter den herrschenden Bedingungen zukommende Vo-
lumen auszufüllen.
Befindet sich der explodirende Körper, welcher der Ein-
fachheit wegen als Kugel gedacht sein möge, in einem homo-
genen Medium, z. B. in ruhender Luft, von überall gleicher
Beschaffenheit, so breiten sich die Explosionsgase nach allen
Bichtungen hin gleichmässig aus, weil der Widerstand, den
sie finden, in allen Richtungen der gleiche ist. Würde die
Bewegung eine vollständig aperiodische sein, oder würde die
Ausdehnung langsam vor sich gehen, so würde die Bewegung
ihr Ende erreichen, sobald die Gase das ihnen zukommende
Volumen eingenommen haben. Vermöge der hohen Spannung
im Explosionsherde beim Beginn der Erscheinung expandiren
jedoch die Oase plötzlich, und die Oastheilchen können in-
folge ihrer Trägheit dieses Volumen überschreiten, was eine
vorübergehende Luftverdünnung im Explosionsherde zur Folge
haben würde. Diese durch die Expansion der Oase bedingte
translatorische Bewegung ist indessen auf einen relativ geringen
Raum beschränkt. So entwickelt 1 kg OranatfüUung z. B.
das beträchtliche Oasvolumen von 870 Litern, gemessen bei
0® und 760 mm Druck. Daraus berechnet sich, dass 1500 kg
dieses Stoffes ein Oasvolumen entwickeln, welches in dem
gleichen Zustande eine Halbkugel erfüllt, deren Radius etwa
8,6 m beträgt. Wäre der Widerstand, den die Oase bei dieser
Ausdehnung finden, längs ihrer Bewegungsrichtung auf der
ganzen Strecke der gleiche, würden sie ihre Oleichgew ichtslage
sehr beträchtlich überschreiten; da aber der Widerstand,
welchen die zu verdrängende Luft leistet, auf dieser Strecke
fortwährend wächst, ist die Bewegung der Explosionsgase eine
stark gedämpfte, sodass die translatorische Bewegung derselben
sich keinesfalls bis auf das Doppelte des genannten Werthes
des Radius erstreckt.
Die Oasmengen treten bei einer Explosion mit solcher
Rapidität auf, dass die Theile des umgebenden Mediums, z. B.
der Luft, nicht schnell genug ausweichen können, um eine
starke Verdichtung der Luft zu verhindern. Bei ihrer gewalt-
samen plötzlichen Ausdehnung schieben sie die Lult, welche
% Abd. d. PhTi. n. Cli«ni. N. F. 69. 28
354 r. Wolff.
sie verdrängen, in die umgebende Schicht hinein, und die so
erzeugte Verdichtung überträgt sich auf immer wachsenden
Oberfiächenschichten. 4
Dass die Explosionswelle auch bei den vorliegenden Ver-
suchen, bei welchen die Sprengstoffe weder aus einer Kugel
bestanden, noch kugelförmig gelagert waren, eine kugelförmige
Welle war, geht ausser aus anderen Beobachtungen aus zwei von
der Artillerieprüfungscommission aufgenommenen Photographien
Taf. VI, Fig. 1 u. 2 hervor, welche zwei kurz aufeinander folgende
Momente der Rauchentwickelung bei der Ehcplosion am 17. 12. 96
darstellen. Auf beiden dieser Bilder ist ein eigenthümlicher
Hof erkennbar, der die Sprengstelle umgiebt. Zeichnet man
in die beiden Aufnahmen das Magazin ein, so stellt der Hof
auf jedem Bilde genau einen Halbkreis um das Magazin dar,
dessen Durchmesser auf dem ersten Bilde 65 m, auf dem
zweiten 80 m beträgt. Es mag unerörtert bleiben, welcher
Ursache die Hofbildung zuzuschreiben .ist. Zweifellos war sie
vorhanden, pflanzte sich unabhängig von der Masse der Rauch-
wolken fort und bestand in einem Dichteunterschied gegen-
über der umgebenden Luft. Die genau halbkreisförmige Ge-
stalt des Hofes zeigt, dass sich der Dichteunterschied jeden-
falls in grosser Annäherung auf Eugeloberfiächen fortpflanzt.^]
Wie schon oben bemerkt wurde, hat Riemann die
Theorie für die Fortpflanzung ebener Luftwellen von end-
licher Schwingungsweite entwickelt. Er hat dabei nicht im
Auge gehabt, dass seine Untersuchung der experimentellen
Forschung nützliche Ergebnisse liefern würde, sondern „wünscht,
sie nur als einen Beitrag zur Theorie der nicht linearen
partiellen Differentialgleichungen betrachtet zu sehen". Der
Inhalt seiner Arbeit ist von ihm in einer Selbstanzeige *) der-
selben folgendermaassen zusammengefasst:
„Obwohl die Vergleichung der Resultate unserer Unter-
suchung mit der Erfahrung durch Versuche und Beobachtungen
grosse Schwierigkeiten hat und gegenwärtig kaum ausfllhrbar
1) Die Reproductionen lassen die Höfe leider nicht in der wünschen«-
Berthen Schärfe erkennen, weil sie nach Positiven angefertigt werden
mussten, da die Originalnegative beim Transport zu Bruch gingen.
2) Göttinger Nachrichten 1859, Nr. 19; Gesammelte mathematische
Werke, p. 165. 1876.
w
Explosionen in der Luft, 355
sein wird, so mögen diese doch, soweit es ohne Weitläufigkeit
möglich ist, hier mitgetheilt werden.
Die Abhandlung behandelt die Bewegung der Luft oder
eines Oases nur für den Fall, wenn anfangs also auch in der
Folge die Bewegung allenthalben gleichgerichtet ist, und in
jeder auf ihrer Richtung senkrechten Ebene Geschwindigkeit
und Dichtigkeit constant sind. Für den Fall, wo die anfäng-
liche Gleichgewichtsstörung auf eine endliche Strecke beschränkt
ist, ergiebt sich bekanntlich bei der gewöhnlichen Voraus-
setzung, dass die Druckverschiedenheiten unendlich kleine
Bruchtheile des ganzen Druckes sind, das Resultat, dass von
der erschütterten Stelle zwei Wellen, in deren jeder die Ge^
schwindigkeit eine bestimmte Function der Dichtigkeit ist,
ausgehen und in entgegengesetzten Richtungen mit der bei
dieser Voraussetzung constanten Geschwindigkeit j/qp' [q) fort-
schreiten, wenn tp (o) den Druck bei der Dichtigkeit q und (p* [o)
die Derivirte dieser Function bezeichnet Etwas ganz Aehn-
liches gilt nun für diesen Fall auch, wenn die Druckverschieden-
heiten endlich sind. Die Stelle, wo das Gleichgewicht gestört
ist, zerlegt sich ebenfalls nach Verlauf einer endlichen Zeit
in zwei nach entgegengesetzten Richtungen fortschreitende
Wellen. In diesen ist die Geschwindigkeit, in der Fort-
pflanzungsrichtung, eine bestimmte Function / )/qp' [q) d log o
der Dichtigkeit, wobei die Integrationsconstante in beiden ver-
schieden sein kann, in jeder ist also mit einem und demselben
Werthe der Dichtigkeit stets derselbe Werth der Geschwindig-
keit verbunden, und zwar mit einem grösseren Werthe ein
algebraisch grösserer Werth der Geschwindigkeit. Beide Werthe
rücken mit constanterGeschwindigkeit fort. Ihre Fortpflanzungs-
geschwindigkeit im Gase ist j/qp' [q) , im Räume aber um die
in der Fortpflanzungsrichtung gemessene Geschwindigkeit des
Gases grösser. Unter der in Wirklichkeit zutreflFenden Voraus-
setzung, dass (f'{Q) bei wachsendem q nicht abnimmt, rücken
daher grössere Dichtigkeiten mit grösserer Geschwindigkeit
fort, und hieraus folgt, dass die Verdünnungswellen, d. h. die
Theile der Welle, in denen die Dichtigkeit in der Fort-
pflanzungsrichtung wächst, der Zeit proportional an Breite zu-
nehmen, die Verdichtungswellen aber ebenso an Breite ab-
nehmen, und schliesslich in Verdichtungsstösse übergehen
28*
>
856 r. Wolff.
müssen. Die Gesetze, welche vor der Scheidung beider Wellen
oder bei einer über den ganzen Raum sich erstreckenden
Gleichgewichtsstörung gelten, sowie die Gesetze für das Fort- %
schreiten von Verdichtungsstössen, können hier, weil dazu
grössere Formeln erforderlich wären, nicht angegeben werden.
In akustischer Beziehung liefert demnach diese Unter-
suchung das Resultat, dass in den Fällen, wo die Dmck-
verschiedenheiten nicht als unendlich klein betrachtet werden
können, eine Äenderung der Form der Schallwellen, also des
Klanges, während der Fortpflanzung eintritt. Eine Prüfung
dieses Resultates durch Versuche scheint aber trotz der Fort-
schritte, welche in der Analyse des Klanges in neuester Zeit
durch Helmholtz u. a. gemacht worden sind, sehr schwer
zu sein; denn in geringen Entfernungen ist eine Äenderung
des Klanges nicht merklich, und bei grösseren Entfernungen
wird es schwer sein, die mannichfachen Ursachen, welche den
Klang modificiren können, zu sondern. An eine Anwendung
auf die Meteorologie ist wohl nicht zu denken, da die hier
untersuchten Bewegungen der Luft solche Bewegungen sind,
die sich mit der Schallgeschwindigkeit fortpflanzen, die Stö-
rungen der Atmosphäre aber allem Anscheine nach mit viel
geringerer Geschwindigkeit fortschreiten/'
Die Aehnlichkeiten und Unterschiede, welche in den Voraus-
setzungen, welche Riemann seiner Theorie zu Grunde legt,
und den Verhältnissen bestehen, mit denen man bei einer
Explosion zu rechnen hat, lassen sich hieraus leicht ableiten.
Zunächst ist klar, dass man es bei einer Explosion mit
einer Gleichgewichtsstörung zu thun hat, die im Anfang auf
eine endliche Strecke beschränkt ist, nämlich auf das Volumen
des explodirenden Körpers. Ferner sind auch die Druck-
verschiedenheiten im Anfange des Phänomens endlich. Denn
in dem denkbar äussersten Falle steht den endlichen Massen
der sich bildenden Explosion sproducte doch immer das end-
liche Volumen des ursprünglichen Sprengstoffes zur Verfügung.
Die Dichte kann also nicht unendlich gross werden.
Andererseits ist die Bewegung nach der Explosion nicht
wie bei Riemann überall gleichgerichtet ^ sondern findet nach
allen Richtungen hin gleich statt; Dichtigkeit und Geschwindig-
keit sind nicht wie bei Riemann in jeder auf der Bewegungs-
Explosionen in der Luft 857
richtnog senkrechten Ebene constant, sondern die Flächen
gleicher Dichtigkeit und Geschwindigkeit sind unter den obigen
^ Voraussetzungen Kugeloberflächen.
Allgemein gelten folgende von Riemann unter Zugrunde-
legung des Poisson'schen Gesetzes
(4) qp(p)=;? = aV*
abgeleitete Gleichungen :
(5) y^) = al/Ä(>"^,
(6) /V7F)^log(> = j^yÄ(>"^ + const. =/•((>) ,
k ist das Verhältniss der beiden specifischen Wärmen zu
einander, a also aus correspondirenden Werthen von p und q
z. B. für Luft aus dem dem Barometerstände entsprechenden
Drucke und der beobachteten Luftdichte zu berechnen. Der
Werth f[Q) bedeutet die Geschwindigkeit der Luft in der
Schicht für die Dichte (), während ^tp* (o) die Geschwindigkeit
ist, mit welcher sich die Dichte q von Schicht zu Schicht
überträgt.
Nimmt man für die Bestimmung der Integrationsconstante
an, dass sich die Welle in ruhender Luft von der Dichte X
bewegt, so hat man von X bis zu dem Maximal werth q' der
Dichte in der Welle zu integriren. Die Fortpflanzungs-
geschwindigkeit stetiger Wellen ergiebt sich dann zu
(7) v = af~kQ' 2 +^^[q' 2 -A 2 j,
was auch geschrieben werden kann:
(7a) v = a yU "^ [[if^ (l + -1-^ - ^^ .
Für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Unstetigkeits-
stellen gegen ruhende Luft findet Riemann den Ausdruck
Für ebene Wellen ergeben sich also, da hier der Maximal-
werth der Dichte während des ganzen Verlaufes der Bewegung
constant ist, auch constante Fortpflanzungsgeschwindigkeiten
in beiden Fällen.
358 ir. Wolff.
Wellen endlicher Dichte, deren Oberflächengestalt eine
Aenderung der Maximaldichte während ihrer Bewegung be-
dingt, haben keine constante Fortpflanzungsgeschwindigkeit t
In diesen Fällen hat man, um die Fortpflanzungsgeschwindig-
keit der Welle zu finden, in die obigen Gleichungen für q' die
Function einzusetzen, welche die Veränderlichkeit der Maximal-
dichte darstellt.
Bei Kugelwellen in der Luft steht die Aenderung der
Dichte im umgekehrten Verhältniss zum Quadrate des Wellen-
radius, für einen unendlich grossen Radius ist die Dichte gleich
derjenigen der Luft. Man hat also
(9) ?'= ^ + -^ oder (9a) -f^ = 1 + ^.-^
in die Gleichungen (7) bez. (7a) und (8) einzusetzen, um die
Fortpflanzungsgeschwindigkeiten für stetige bez. unstetige kugel-
förmige Luftwellen von endlicher Schwingungsweite in ruhen-
der Luft zu erhalten. Die Constante b'^ hängt von den Anfangs-
bedingungen der Bewegung ab.
Stellt man aus Gleichung (7 a) o jX als Function von ü
_ *-^
und t£ == a )/ä A 2 dar, so findet man
^ _
l?(^•- 1) + 2m
fc-i
Die nach dieser Gleichung mit den empirischen Werthen
drjdt (für t?) und u (für u) berechneten q ji. (Columne 7 der
Tabellen 1—4 auf p. 341—844) folgen in der That der in
Gleichung (9 a) aufgestellten Beziehung. Die in Columne 8
und 9 der gleichen Tabellen verzeichneten Werthe für q' und
(}' — X finden sich in leicht ersichtlicher Weise aus Columne 7
mit der am Kopfe der Tabellen gegebenen Luftdichte.
Der Werth f[Q) bestimmt sich aus Gleichung (7) nach
mehrfachen Transformationen zu
(11) /■(?') = 4" ft'-'-V^)].
oder mit dem Werthe 1,41 für k und den empirischen Werthen
für V und ^fp'Q^ zu
/•(po» 0,83(4^-.;
(vgl. Columne 6 der Tabellen 1 — 4).
f
Explosionen in der Luft 359
Entwickelt man den Äasdruck (7 a), nachdem für q'JXAqv
Werth (9 a) eingesetzt ist, in eine binomische Reihe, so ergiebt
^ sich unter Vernachlässigung der Glieder, welche im Nenner r*
und höhere Potenzen von r enthalten,
1 + *-^^*'
r=a)/ÄA 2
2 rn
Der Factor vor der Klammer stellt die den meteorologischen
Verhältnissen entsprechende Fortpflanzungsgeschwindigkeit u
des normalen Schalles dar. Führt man diese Bezeichnung ein
und setzt
so kann der vorstehende Ausdruck angenähert auch geschrieben
werden
(12) „ = „l/i + _*;,
was sich genau mit der empirisch gefundenen Gleichung
deckt. Diese beiden Ausdrücke unterscheiden sich allein da-
durch, dass die in deutschen Schriftzeichen wiedergegebenen
Constanten u und b* der Gleichung (13) empirisch, während
die Constanten n und b^ der Gleichung (12) theoretisch sind.
Die Dimensionen und die Werthe der beiden Grössen u
und u stimmen überein. Es bleibt zu untersuchen, wie sich
in dieser Beziehung die beiden Constanten b^ und b^ verhalten.
Bei Explosionswellen wird, wie oben auseinandergesetzt
wurde, das verdichtete Gebiet durch die Explosionsgase er-
zeugt, welche eine gewisse Luftmenge verdrängen und in die
umgebende Luft hineinschieben. Dadurch wird eine Kugel-
oberflächenschicht gebildet, in welcher die Dichte grösser ist
als in der Umgebung, und deren Volumen gegeben ist durch
\ 'ir^Ttdr,
r-a/2)
360 W. Wolff.
wenn / die Schieb tbreite bedeutet. Die Gasmenge, welche in
diesem Gebiete vorhanden ist, beträgt
\
r + a/2)
r-(I/2)
/
und besteht aus der in der Schicht schon vorher vorhandenen
Luftmenge von der Dichte X und der infolge der EIxplosion
hineingetriebenen Menge. Das Gewicht dieser letzteren kann
in erster Annäherung dem Gewicht der Explosionsgase gleich-
gesetzt werden. Infolge der anfänglich hohen Temperatur der
Explosionsgase, und infolge davon, dass die Gase bei ihrer
Ausdehnung ihre Gleichgewichtslage vorübergehend ein wenig
überschreiten, sodass im Explosionsherde vorübergehend eine
Luftverdünnung hervorgerufen wird, kommt zwar noch ein be-
stimmter Betrag hinzu. Da aber die Arbeitsleistung der Gase
bei einer Explosion in freier Luft nur auf minimalen Wider-
stand stösst, die Abkühlung also sehr rasch und anscheinend
ziemlich vollständig erfolgt, so kann dieser Betrag nicht sehr
erheblich sein. Dass bei Explosionen, wie den hier behandelten,
die Abkühlung thatsächlich sehr rasch erfolgt, kann daraus
gefolgert werden, dass bei der Explosion am 17. 12. 1896 die
nach starkem Schneefall stattfand, auch in nächster Nähe des
Explosionsherdes nirgends Schmelzspuren beobachtet wurden.
Aus diesen Gründen ist daher im Folgenden, mangels
näherer Eenntniss, der hinzukommende Betrag ganz vernach-
lässigt, und das Gewicht der verdrängten Luftmenge dem
Gewicht a(o der Explosionsgase gleichgesetzt worden, wo (o
das Gewicht des explodirenden Körpers, a das Gewicht der
von der Gewichtseinheit desselben entwickelten Gasmenge be-
deutet. Dann ist
r-«/2) r-(//2)
Q ist in dieser Gleichung eine Function von r und /; für einen
bestimmten Werth von r ist q nur eine Function von /; ein
bestimmter Werth von o, z. B. der Maximalwerth, ist nur eine
Function von r, nämlich o'= A + (Ä'*/r^). Ist / gegen r klein,
Explosionen in der Luft, 361
8o kann die Gleichung fllr einen bestimmten Werth von r
geschrieben werden
> c
4r^7t lüdls=4r^nll + a(o.
0
Denkt man sich die Gasmenge aco in dem ganzen Gebiet
gleichmässig vertheilt, dieses also homogen, z. B. von der
maximalen Dichte q', so entspricht dieser Hypothese eine
minimale Schichtbreite /'. Für ein bestimmtes r erhält man dann
oder
Bei Explosionen an der Erdoberfläche, wo wogen der ein-
seitigen Begrenzung der Luft durch den Erdboden das ver-
dichtete Gebiet sich auf der Oberfläche einer Halbkugel aus-
breitet, wird, wie ohne weiteres ersichtlich
(12) (/ = ;.+ "'^
Berücksichtigt man, dass in Gleichung
(9) ?' = ^ + 5
*'* eine constante Grösse ist, so folgt der Schluss, dass die
Breite der Schicht unter den gemachten Annahmen während
des ganzen Verlaufes der Bewegung oberhalb einer bestimmten
Minimalgrenze liegt, die durch die Anfangsbedingungen be-
stimmt wird. Man kann unter der oben angedeuteten Ver-
nachlässigung diese Grenze berechnen, wenn für irgend einen
Werth von r der Werth q' bekannt ist. Dividirt man (Tab. 1 — 4)
die durch die Querschnittseinheit (Quadratcentimeter) in der
Entfernung r hindurchgehende Menge S der von den Explosions-
gasen verdrängten Luft durch q — A, so erhält man in der That
constante Zahlen, wie Columne 1 1 der Tabellen zeigt.
Da sich, wie Riemann gezeigt hat, grössere Dichtigkeiten
mit grösseren Geschwindigkeiten fortpflanzen als geringere,
so wird das erschütterte Gebiet vom Anfang der Bewegung
an allmählich immer breiter. Bei Beginn der Bewegung ist
es am schmälsten. Die Minimalgrenze wird aber praktisch
362 W. Wolff,
auch hier nicht erreicht. Sie ist nur denkbar unter der An-
nahme einer idealen Detonation, d. h. wenn die Explosion in
so kurzer Zeit vor sich geht, dass während dieser Zeit übery^
haupt keine Volumenzunahme stattfindet. In dem Falle würden
die Explosionsgase in dem Zeitpunkte der beendeten Detonation
das Volumen des ursprünglichen Sprengstoffes einnehmen.
Denkt man sich diesen als eine homogene Kugel, so würde
der Eadius dieser Kugel die Minimalgrenze der Breite der
Explosionswelle darstellen. In Wirklichkeit liegen die Ver-
hältnisse nicht so einfach, da die Sprengstofimasse weder
homogen ist, noch in idealer Weise detonirt. Kommt jedoch,
wie in den vorliegenden Fällen, die Explosion der idealen
Detonation nahe^), so kann man das Anfangsvolumen der
Gase angenähert dem Volumen gleich setzen, auf welches die
SprengstoflFe vertheilt waren, und daraus, allerdings nur in sehr
roher Annäherung, die anfängliche Schichtbreite berechnen.
Das Volumen, auf welches die SprengstoflFe vertheilt waren,
betrug bei allen Versuchen ungefähr 4 cbm, welchem ange-
nähert das Volumen einer Kugel von 1 m Radius entspricht.
Es mag daher /' = 1 m angenommen werden, eine Annahme,
die mit den Werthen in Columne 11 in den Tabellen 1 — 4
recht gut vereinbar ist.
Der Versuch vom 17./12. 96 weicht davon allerdings ab
und weist eine doppelt so grosse Minimalschichtbreite auf, als
unter den gemachten Annahmen zu erwarten war. Dies ist
wahrscheinlich darauf zurück zufuhren, dass an diesem Tage
eine wesentlich langsamere Explosion stattfand als sonst. Das
geht unter anderen diesbezüglichen Beobachtungen auch aus den
photographischen Aufnahmen der Artillerie-Prüfungscommission
hervor (vgl. die Photographien Taf. VI, Fig. 1 u. 2), welche
abweichend von den anderen Explosionen, gerade bei dieser
1) Dies war bei Granat füll ung u. a. an der Fftrbung der Rauch-
wolke zu erkennen. ,,Explodirende" Granatfüllung wird nie vollkommen
zersetzt, sondern ein grosser unzersetzter Theil fKrbt die Rauchwolke
gelb, während durch den erreichbar heftigsten Grad der Explosion, welcher
in der Praxis als „Detonation*' bezeichnet wird, stets vollstftndige Zer-
setzung eintritt, was bei Granatfüllung dadurch kenntlich ist, da» die
Rauchwolke durch ausgeschiedene Kohle, wie in den vorliegenden Fällen,
schwarz gefärbt ist.
f
Explosionen in der Luft 36 1$
Sprengung an den scharfen Spitzen der Eauchwolken^ die sich
über mehrere aufeinanderfolgende Aufnahmen erstrecken, er-
^kennen lassen, dass sich längere Zeit neue Gasmassen bildeten
als bei den übrigen Explosionen. Zum Vergleich sind die Photo-
graphien Taf. VI, Fig. 3 und 4 hier beigegeben. Dieselben stellen
die beiden ersten erhaltenen Momente der Rauchentwickelung
bei der Sprengung am 29. /lO. 96 dar. In Fig. 8 ist das
Magazin noch völlig sichtbar, während gerade nach allen Seiten
hin die Explosionsflammen durch die Wände schlagen. Der
nächste Moment der Rauch entwickelung, der zeitlich der
Photographie Fig. 2 entspricht, zeigt die Wolke schon voll-
standig abgerundet ohne irgendwelche Spitzenbildung, die auf
weitere Qasentwickelung hindeuten könnte. In der Form,
welche die Figuren 3 und 4, Taf. VI, erkennen lassen, verliefen
nach den photographischen Aufnahmen alle Ekplosionen mit
Ausnahme derjenigen vom 17./12. 96.^)
Aus Gleichung (9) und (12) findet sich die Constante
und da
~2n i
1,2 « A+1 1,'2
gesetzt war, ergiebt sich
Dieser Ausdruck hat, wie die empirisch gefundene Con-
stante b^, die Dimension einer Fläche und sei, da er für stetige
Wellen gilt, mit bli, bezeichnet.
Die gleiche Behandlung der Gleichung (8) führt zu einem
Ausdruck gleicher Form wie (13) mit dem Unterschiede, dass
der Ä* darstellende Quotient für die Fortpflanzungsgeschwindig-
keit der ünstetigkeitsstellen noch durch 2 zu dividiren, also
1) Die vier Photographien sind unter ZuBtimmung der Artillerie-
Prüfangskommmission und mit Genehmigung des Kgl. Kriegsministeriums
dem von Hauptmann Heydenreich entworfenen „Ergänzungsbericht 2
zu dem Bericht der Artillerie- Prüfungskommission über die im Jahre 1896—97
auf Schiessplatz Cummersdorf stattgehabten Sprengungen mit belegten
Sprengstoffmagazinen*' entnommen worden.
364 r. JFolff.
halb 80 gross ist, wie für stetige Wellen. Berechnet man
die Werthe ist und b^^t, aus den beiden Gleichungen
t
'unst.
unter den Annahmen, welche zu dem Werthe /' = 1 m fährten,
80 ergeben sich dafür die nachstehend mit den aus den Zeit-
messungen empirisch berechneten b zusammengestellten Werthe.
m betrug in allen Fällen 1500 kg. Bei der Ekplosion von
1 kg Schwarzpulver werden u = 0,43 kg gasförmige Explosions-
producte gebildet; für Granatfüllung ist dieser Werth etwa
0,9; für Gelatinedynamit nahezu 1.
Tag des Versuches
b
^t.
^OMt.
8./10. 96
15,12 m
18,9 m
9,8 m
29./10. 96
23,03
20,9
14,8
17./12. 96
10.38
1
13,4
9,5
1./4. 97
22,19
20,9
14,8
6./5. 97
R. M.
21,6
15,3
Es zeigt sich, dass auch die Grösse der abgeleiteten Con-
staute ist. niit der empirisch gefundenen übereinstimmt. Der
Grad der Debereinstimmung lässt die diesen Betrachtungen
zu Grunde gelegten Voraussetzungen für Näherungsberechnungen
als gerechtfertigt erscheinen.
Bei der Dynamitsprengung am 6./5. 97 haben die Luft-
stossanzeiger gar keine Messungen ergeben. Der Grund dafür
ist nicht sicher aufgeklärt. Möglicherweise hat die Bauart
des Magazines dabei mitgewirkt.
Aus Gleichung (7a) auf p. 357 können indessen die Fort-
pflanzungsgeschwindigkeiten einer stetigen Explosionswelle an
Stellen, wo der Maximal werth von p'/A bekannt ist, berechnet
werden. Führt man diese Rechnung unter Benutzung der den
meteorologischen Verhältnissen am 5./6. 97 entsprechenden
Schallgeschwindigkeit u = 339,01 m und der aus den Curven
7 — 11 entnommenen Maximalverdichtungen aus, so ergeben
sich folgende Geschwindigkeitswerthe v für die Entfernungen r;
Explosionen in der Luft 365
75 m 347,5 m
100 349,5
125 847,8
150 341,7
175 341,0
Nach der Methode der kleinsten Quadrate berechnet sich
hieraus die Constante 6 zu 20,14m, welche mit der abgeleiteten
Constante £ = 21,6 m ebensogut übereinstimmt, wie die aus
den anderen Versuchen erhaltenen entsprechenden Werthe
auf der vorigen Seite.
Die Curven 2 — 6 ergeben bei der gleichen Berechnung
für b den wahrscheinlichsten Werth 25,05 m. Lässt man jedoch
die Cnrye4, die einen augenscheinlich zu grossen Werth für qjX
besitzt, ausser Betracht, so wird b = 22,55 m, was sehr gut zu
dem aus Zeitmessungen erhaltenen Werth 22,19 m stimmt.
Schallgeschwindigkeiten, die grösser als die normale waren,
sind, wie schon wiederholt erwähnt, namentlich von Mach
gemessen worden. Indessen ist noch von keiner Seite ver-
sucht worden, die Riemann'sche Theorie auf solche Messungen
anzuwenden.
Dass die empirisch gefundene Gleichung (1) eine allge-
meinere Bedeutung hat, als man ohne Ableitung aus der
Biemann'schen Theorie geneigt ist anzunehmen, geht auch
daraus hervor, dass die Mach'schen Versuche, welche die
Fortpflanzungsgeschwindigkeit von Funken wellen betrefifen ^),
durch diese Gleichung in noch besserer Weise dargestellt werden
als die oben mitgetheilten. Mach selbst hat eine Beziehung
zwischen der Fortpflanzungsgeschwindigkeit und der Entfernung
von der Wellenquelle nicht gesucht, sonst wäre er wahr-
scheinlich zu dem gleichen oder doch eineni ähnlichen Ausdruck
gelangt
In nachfolgender Tabelle sind in Columne 1 und 2 die
von Mach angegebenen Messungen enthalten, r (Meter) be-
deutet die Entfernung, in welcher die Funken welle nach t
Secunden anlangte, t^ ist aus Gleichung (2), p. 340, abgeleitet,
nachdem a, 6 und u nach der Methode der kleinsten Quadrate
aus r und t berechnet wurden. Die Schallgeschwindigkeit u
1) E. Mach, 0. Tumlirz u. C. Ktigler, 1. c.
866
fF. Wolff.
betrug nach Mach 's Angabe bei den Versuchen 840 m. Es
«rgiebt sich 0 = 0,000206"; b = 0,071367 m; u = 846,72 m,
also etwa 2 Proc. grösser als m. %
Tabelle 7.
1
2
8
4
r
t t^
i-i^
0,080 m
0,000106"
0,000103"
+ 0,000008"
0,137
0,000285
0,000239
- 0,000004
0,254
0,000560
0,000555
+ 0,000005
0,400
0,000960
0,000966
- 0.000006
0,977
0,002621
0,002620
+ 0,000001
Um für diese Versuche die Constante
j2 ^ + 1 ff W
4 71 A /'
abzuleiten, fehlt es an einer genügenden Kenntniss der Anfangs-
bedingungen. Indessen dürfte eine diesbezügliche Untersuchung
bei Funkenwellen zu nicht uninteressanten Aufschlüssen führen.
Die oben erwähnten Vieille'schen Versuche sind unter
so wesentlich anderen Versuchsbedingungen ausgeführt, dass
eine Discussion derselben in dem vorstehenden Sinne hier nicht
möglich ist. Es mag nur erwähnt werden, dass die Qleichung(7)
unter Annahme der Luftdichte zu 0,0012, des Verhältnisses
der specifischen Wärmen zu 1,41 und des Werthes u zu 840 m
für einen Versuch, den Vieille mit Knallquecksilber anstellte^),
bei welchem (>'— A = 0,00666 zu setzen ist, zu einer Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit von 1278 m, die Gleichung (8) (für
unstetige Wellen) z\\ einer solchen von 1128 m führt, während
Vieille gemessen hat 1138 m. Die Riemann'sche Theorie
scheint Vieille nicht zu kennen, dagegen erwähnt er eine
Arbeit von Hugoniot^), in welcher theoretisch nachgewiesen
wird, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit eines Druck-
irapulses in einer Röhre abhängig ist von der Intensität des
Druckimpulses.
1) P. Vieille, 1. c. p. 83.
2) Literaturangabe fehlt; gemeint ist wahrscheinlich P. S6bert et
H. Hugoniot, Compt. rend. 98. p. 507—509. 1884.
r
Explosionen in der Luft 367
8.
Die auf p. 350 erwähnte auffallige Vertheilung der Splitter
der zerbrochenen Fensterscheiben erklärt sich aus der That-
sache, dass man es bei einer Explosion mit einer longitudinalen
Wellenbewegung zu thun hat. Die Riemann'sche Theorie
lehrt, dass die Lufttheilchen innerhalb einer Welle von end-
licher Verdichtung eine bestimmte Geschwindigkeit /'(o) be-
sitzen, die in dem einen, vorderen Theil der Welle positiv, d. h.
im Sinne des Fortschreitens der Welle, im anderen aber
negativ, d. h. nach der Sprengstelle zu gerichtet ist. Der positiv
gerichtete Werth für /*((?') ist in den Tab. 1—4 mitgetheilt.
Der Werth der negativ gerichteten Geschwindigkeit lässt
sich mit dem vorhandenen Versuchsmaterial nicht mit der
gleichen Sicherheit berechnen, weil über den Zustand der Luft
hinter der Explosions welle keine genügend verbürgte Kenntniss
vorhanden ist. Da, wie die Curven auf Taf. V zeigen, der Ver-
dichtung unmittelbar eine Verdünnung folgt, müssen die negativ
gerichteten Geschwindigkeiten in der verdichteten Stelle jeden-
falls grösser sein als die positiv gerichteten Geschwindigkeiten
der Lufttheilchen.
Wird die Dichte in der Welle von der Breite l = ab an
irgend einer Stelle der Umgehung, z. B. durch die Curve acb
Fig. 8 dargestellt, und herrscht in den Punkten a und ö die
Dichte X der Umgebung, während in d die durch die Ordinate
de dargestellte Maximaldichte vorhanden ist, so bewegen sich
Lufttheilchen sowohl von d nach a, d. h. in Richtung des Fort-
schreitens der Welle, als auch solche von d nach b, d. h. nach
dem Explosionsherde zu. Diese Bewegung der Lufttheilchen
ist nur relativ zur Welle und nicht translatorisch zu verstehen.
In ruhender Luft bleiben die Theilchen im w^esentlichen an
der Stelle im Räume, wo sie die Welle triff't. In bewegter Luft
kommt die translatorische Bewegung der Luft algebraisch hinzu.
868
W. Wolff.
An Stellen in der Umgebung eines Explosionsherdes, wo
die Dichte durch eine derartige Curve dargestellt wird, treten
demnach, der localen Bewegung der Lufttheilchen an dieser f
Stelle entsprechend, zwei entgegengesetzte Kräfte auf, eine
Kraft, welche Körper vom Explosionsherde fort-, und eine,
welche solche nach ihm hin zu bewegen im Stande ist. Daraus
erklärt sich z. B. die auffällige Vertheilung der Glassplitter in
der Nähe des Explosionsherdes, wo die Wellenform einen der
obigen Darstellung entsprechenden Verlauf* der Dichte bedingt
Wie Biemann nachgewiesen hat und durch die oben
erwähnten Versuche bestätigt worden ist, pflanzen sich stärkere
Verdichtungen mit grösseren Geschwindigkeiten fort als geringere
Verdichtungen. Bei der Weiterwanderung des Gebietes ab
muss daher die Maximaldichte allmählich näher an a heran-
rücken, und der Verlauf der Dichte in der Welle kann dann
etwa durch folgende Curve dargestellt werden:
Ä b ^^^
Fig. 9.
Hat die Wellenform diese Gestalt angenommen, so haben
mehr Lufttheilchen eine Bewegung von d nach b als von d
nach a. Infolge dessen überwiegt die nach dem Magazin hin
gerichtete Kraft Dem entspricht die allmähliche procentische
Zunahme der nach dem Magazin zu geschleuderten Glassplitter.
Im weiteren Verlauf rückt die Ordinate de näher und näher
an a heran, bis die Maximaldichte schliesslich an den Kopf
der Welle gelangt ist. Die Welle hat dann die in Fig. 10
Fig. 10.
dargestellte Form, und eine Bewegung von Lufttheilchen, also
auch eine Kraftäusserung innerhalb der Welle findet in ihrer
Fortpflanzungsrichtung nicht mehr statt, sondern die in der
Welle enthaltenen Lufttheilchen haben ausschliesslich eine Be-
wegungsrichtung zur Explosionsstelle hin.
r
Explosionen in der Luft 369
Daraus erklärt sich, dass in grösseren Entfernungen
Glasstücke ausschliesslich in diese Richtung geschleudert sind.
Oamit steht auch im Einklänge die fast in allen Berichten
über grössere Explosionen übereinstimmend enthaltene Be-
obachtung, dass in grossen Entfernungen die zerstörende
Wirkung nach dem Explosionsherde hin gerichtet, also gleich-
sam durch eine saugende Wirkung hervorgerufen ist.
Es ist anzunehmen, dass in der Nähe des Explosions-
herdes die Form der Explosionswelle eine derartige ist, dass
die Maximaldichte näher bei b als bei a liegt, dass also dort
die vom Explosionsherde fort gerichtete Kraft in der Welle
die entgegengesetzt gerichtete übersteigt. Damit würde im
Einklänge stehen, dass die Splitter der dem Magazin zunächst
aufgestellten Scheiben überwiegend von diesem fortgeschleudert
wurden. Es steht mit der vorgetragenen Anschauung ferner
im Einklänge, dass von den auf p. 352 erwähnten Platten-
unterbrechem der dem Magazin zunächst stehende, für nega-
tive Stossrichtung eingerichtete, und der von ihm entfernteste
für positive Stossrichtung eingerichtet, nicht functionirt haben.
9.
Die unter 2. auf p. 330 angeführten Kraftmessungen wurden
in der Weise ausgeführt, dass auf die erwähnten Pfähle auf
besonderen Unterlagen Kugeln aus verschiedenen Stoffen und
von verschiedener Grösse sehr empfindlich aufgelegt wurden,
die durch die Explosionswirkung herabgeworfen werden sollten.
Aus ihrer Fallhöhe, Wurfweite und Masse konnte die von
ihnen aufgenommene Energie berechnet werden.
Ferner wurden besonders construirte Federkraftmesser
verwendet, bei welchen der Explosionsstoss von Stempeln be-
kannten Querschnittes aufgefangen wurde. Die Stempel wirkten
auf vorher geaichte Federn, deren Verkürzung registrirt wurde.
Aus der Federverkürzung wurde die von diesen Instrumenten
registrirte Energie berechnet.
Nach beiden Verfahren ergab sich übereinstimmend, dass
die Intensität der aufgenommenen Energie im umgekehrten
Verhältniss zum Quadrate der Entfernung stand.
Bei den Kugeln verhielt sich die an irgend einer Stelle
aufgenommene zu der vorhandenen Energieintensität angenähert
Ann. d. Phyi. n. Cheni. N. F. 69. 24
370 ;/^. Wolff.
wie das specifische Gewicht der Luft zu demjenigen der
Kugel.
Ein näheres Eingehen auf Einzelheiten bei diesen Me8sungeii%
liegt ausserhalb des Rahmens dieser Annalen.^)
Resultate.
Nach den vorstehenden Untersuchungen sind, wie schon
erwähnt wurde, die durch Explosionen in der Luft hervor-
gerufenen Wirkungen auf Schallbewegungen zurückzußihren.
Nur in nächster Nähe des Explosionsherdes tritt zu diesen
eine translatorische Bewegung der Explosionsgase hinzu und
führt dort eine erhebliche Verstärkung der Zerstörung herbei.
Der Unterschied zwischen dem normalen Schall und der
Explosionswirkung besteht darin, dass die Bewegung bei Ex-
plosionen die Folge von endlichen Verdichtungen ist, während
der normale Schall als Bewegung infolge von unendlich
kleinen Verdichtungen aufgefasst wird.
Im Explosiousherde wird durch die Explosion eine Gas-
verdichtung erzeugt, die sich nach allen Richtungen hin fort-
pflanzt. Die Gleichgewichtsstörung überträgt sich — ab-
gesehen von der auf ein enges Gebiet beschränkten trans-
latorischen Bewegung — von Stelle zu Stelle, und an jeder
Stelle wiederholt sich unter abgeänderten Bedingungen, was
sich in der Explosionsstelle zugetragen hat. Die Bedingungen
sind insofern abgeändert, als im Ekplosionsherde das er-
schütterte Gebiet irgend eine Körperform, z. B. angenähert
^ie Kugelform hatte, während an den Folgestellen das er-
schütterte Gebiet nicht die Gestalt dieses Körpers, sondern
die Gestalt einer Oberflächenschicht desselben, z. B. einer
Kugelschalenschicht hat.
Ueberall zerfällt das erschütterte Gebiet, die Elxplosions-
welle, nach einer endlichen Zeit in nach entgegengesetzten
Richtungen der Wellennormale fortschreitende Wellenzüge.
Mit der Explosionswelle sind also genau wie im Explosions-
herde selbst in der Richtung jeder einzelnen Wellennormale
zwei in entgegengesetztem Sinne wirkende Kräfte verbunden.
1) Man findet dieselben in dem Ergänzungsbericht 1 zu dorn auf
p. 868 erwähnten Bericht der Artillerie-Prüfungscommission.
Explosionen in der Luft 371
Die Verdichtung pflanzt sich mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit fort; und zwar ergiebt der Versuch überein-
^ stimmend mit der Theorie für grössere Dichten grössere Fort-
pflanzungsgeschwindigkeiten, woraus folgt, dass sich die Wellen-
form im Verlaufe der Bewegung ändert. Der vordere Theil
der Welle wird allmählich steiler und damit die positive Kraft-
wirkung geringer, während der hintere Theil der Welle all-
mählich flacher und damit die negative (indirecte) Eraftwirkung
im Verhältniss zur positiven allmählich grösser wird. In der
Nähe des Magazines tritt also die directe Wirkung stärker —
und zwar zunächst ausschliesslich solche — hervor als die
indirecte; aUmählich geht aber dieses Verhältniss in das um-
gekehrte über, bis von einer gewissen Entfernung an nur noch
die indirecte Wirkung auftritt.
Ein Strömen der Luft — in dem Sinne, wie die bisherige
Anschauungsweise die indirecten Wirkungen zu erklären ver-
suchte — vom Explosionsherde fort nach ferner gelegenen
Punkten hin oder umgekehrt findet, abgesehen von der aller-
nächsten Nähe des Ekplosionsherdes, aller Wahrscheinlichkeit
nach überhaupt nicht statt. Jedenfalls konnte eine derartige
translatorische Bewegung in Entfernungen, die mehr als 25 m
vom Explosionsmittelpunkte betrugen, nicht festgestellt werden.
Dass sie in geringeren Entfernungen vorhanden ist, zeigt die
Thatsache, dass der aus verdichteten Gasen bestehenden Ex-
plosionswelle unmittelbar eine Welle aus verdünnten Gasen
folgt, was nur erklärbar ist, wenn von der Explosionsstelle
mehr Gase fortbewegt sind, als dem Gleichgewichtszustande
entspricht.
Spandau, Militärversuchsamt, im Januar 1898.
(Eingegangen 6. Juli 1899.)
24
1
2. Glimmlichter scheinungen bei hochfrequentem^
Wechselstronne^); von H. JEbert.
(Mittheilung aus dem physikalischen Institute der Technischen Hochschal
zu München.)
Eine Reihe von neueren Untersuchungen hat zu der Ver
muthung geführt, dass in der Umgebung der Kathode einer ^^
elektrischen Gasentladung Veränderungen mit dem verdünnten
Gas vor sich gehen, von denen es wahrscheinlich erscheinen
musste, dass sie sich auch nach dem Ablaufe der eigentlichen
Entladung eine gewisse, wenn auch nur kurze Zeit lang dauernd
erhalten. Schon die Grundvorstellung über das Wesen des
Glimmlichtes, der man sich jetzt allgemeiner als früher zu-
neigt, wonach dasselbe eine Art Fluorescenz- oder Phos-
phorescenzerscheinung des Gases ist, welches unter dem
Einflüsse der von der Kathode fortgeschleuderten negativ
elektrischen Theilchen, der Kathodenstrahlen^ luminescirt, sowie
die vermuthlich weitgehende Dissociation, auf welche die Leit-
fähigkeit dieser „phosphorescirenden Luft^' hinweist, legen die
Vermuthung nahe, dass jene Vorgänge, welche die sichtbare
Erscheinung des Glimmlichtes bedingen, auch nach dem Auf-
hören unsichtbar und doch so wirksam nachdauern, dass sie
die nachfolgende Entladung und ihre charakteristische Er-
scheinungsform nicht unwesentlich beeinflussen. Um diese
Vermuthung experimentell zu prüfen, verwendete ich zur Er-
zeugung der Entladungen den hochfrequenten, 800 — 1000 Pol-
1) Einzelne Theile dieser Arbeit sind in ausführlicherer Form bereits
in drei Mittheilungen veröffentlicht worden, von denen zwei der kgl.
bayer. Akad. der Wissensch. eingereicht wurden: „Unsichtbare Vorgänge
bei elektrischen Gasentladungen'*, Sitzungsber. 28. p. 497—529. 1898 und
„Zur Mechanik der Glimmlichtphänomene'S Sitzungsber. 29. p. 28—37.
1899; die dritte Mittheilung, „Rückstosswirkungen elektrischer Wechsel-
stromentladungen", vgl. Verhandl. der Deutsch. Physikal. Geselbch. 1.
p. 141 — 141. 1899. Die genannten Veröffentlichungen geben die Eiiizel-
heiten der vorliegenden stark gekürzten, zusammenfassenden Darstellung.
Glimmlichterscheinungen . 873
Wechsel in der Secunde aufweisenden Wechselstrom eines
Weinen vierpoligen Gleichstrom-Wechselstromumformers, Typus
Gr. Hummel, der auf einen kleinen Igeltransformator arbeitete.
Die Spannung V (Volt) und Stromstärke i (Milliamperes) im
Hochspannungskreise konnte mittels früher beschriebener Mess-
instrumente ^) trotz der hohen Spannung und Wechselzahl genau
?emessen werden; das Product JE'= Tx « X 10' (Watt) lässt
ien Gang des Energieconsums im Rohre verfolgen, wenn auch
ier wahre Werth desselben wegen der Phasenverschiebung
iavon nicht unerheblich abweicht.^) Der Gasdruck wurde
Qiit dem Mac Leo d- Manometer gemessen; d bedeutet in den
folgenden Tabellen die Dicke des Hittorf'schen Kathoden-
dunkelraumes in Millimeteni.
£s gelang bei dieser raschen Aufeinanderfolge von Einzel-
Entladungen, die abwechselnd in umgekehrter Richtung den
Oasraum durchsetzten, in allen Fällen eine deutliche Wirkung
der eben verklungenen Entladung auf die folgende nachzuweisen,
also eine unsichtbare Nachdauer der durch die erste Entladung
hervorgerufenen, oder diese bedingenden Vorgänge im Gase
über die Zeit hinaus, wo die Wechselstromspannung durch
ihren NuUwerth hindurchgeht und nach Ausweis des Dreh-
$piegels die Lichterscheinung in der That vollkommen erloschen
st. Die Nachwirkung äussert sich in verschiedener Weise;
mmer hat sie den Charakter, als ob elektrisch geladene Par-
ikelchen, etwa positiv geladene Ionen, längere Zeit sich mit
hren freien elektrischen Ladungen in dem Räume, der von
lern Glimmlichte eingenommen war, zu erhalten vermögen,
t^on den verschiedenen hierdurch bedingten Erscheinungen bei
1er Hochfrequenzentladung hebe ich nur zwei als besonders
iharakteristisch hervor: 1. Die eigen thümliche Umkehrerschei-
luug, welche sich in den elektrischen Bestinimungsstücken bei
;leichmäS8ig fortschreitender Evacuation ergiebt; 2. Mechanische
lückstoss Wirkungen, welche die abwechselnd + und — ge-
adenen Elektrodenplatten aufeinander ausüben, sobald die
)eiderseitigen , wacÄeinander zum Leuchten kommenden Glimm-
ichträume in die gegenseitige Wirkungssphäre gerathen.
1) Vgl. H. Ebert, Wied. Aun. 05. p. 761. 1898.
2) L c. p. 787 und 67. p. 615. 1899.
374 H. Ebert
1. Die Umkehrerscheinung der Spannung, Stromstärke und des
Wattconsums. ^
Erhalten sich die freien positiven Ladungen , welche im
Glimmlicht durch Bestimmung der Spannungsgradienten nach-
gewiesen werden konnten, eine kurze Zeit lang, so findet von
einem bestimmten Drucke an bei einer Folge rasch aufeinander-
folgender Entladungen, jede folgende das Gas nicht mehr in
dem ursprünglichen Zustande vor, wie die erste. Dies muss
bei gleichmässiger Evacuation von dem Momente an sich geltend
machen, wo die Dififusionsgeschwindigkeit der geladenen Par-
tikelchen nicht mehr ausreicht, einen vollkommenen Ausgleich
herbeizuführen, d. h. wo durch jede Entladung mehr freie
Ladung auf das Gas übertragen wird, als sich in der Zwischen-
:^ ^
a;^
Fig. 1.
zeit etwa durch Auswanderung der geladenen Theilchen aus
der Umgebung der Kathode ausgleichen kann. Eine Rück-
wirkung auf die Entladungsspannung, damit aber auch auf
die Stromstärke und den Energieverbrauch im Rohre, ferner
auf die Erwärmung in den der Kathode benachbarten Theilen,
kann dann nicht mehr ausbleiben. Auf die Coincidenz der
genannten Phänomene hatten schon die Herren A. Paalzow
und F. Neesen^) hingewiesen; sie bemerkten auch schon,
dass bei der ,,Umkehr^^ eine eigenthümliche Aenderung im
Aussehen der Entladung eintritt. Dass die Erscheinung in
der angedeuteten Weise zu erklären ist, glaube ich durch die
folgenden Versuche beweisen zu können.
Zunächst mögen hier einige Messungsreihen an einem
einfachen cylindrischen Entladungsrohre, Fig. 1 (Elektroden-
durchmesser 2,0 cm, Elektrodenabstand 16,8 cm), angestellt,
Platz finden, welche den Gang der Erscheinung bei Wechsel-
strom erläutern sollen. Die der „Umkehr" entsprechenden
elektrischen Daten sind durch den Druck hervorgehoben.
1) A. Paalzow u. F. Neesen, Wied. Ann. 56. p. 276 u. p. 700. 1895.
Glimmlichterscheinungen,
375
Tabelle 1.
Wasserstoff.
Jt>
4,48
2,49
2,15
1,06
0,88
0,58
0,47
€i
1,2
2,3
2,5
4,2
4,9
6,3
7,6
14,02
16,89
17,00
16,57
15,94
15,01
18,91
V
742
614
583
592
648
698
784
^ 1
10,40
10,07
9,91
9,80
10,83
10,48
10,66
Tabelle 2.
Luft.
p
'i
1
2,76
i 1,30
• 0,83 0,51 '
0,27
0,20
d
1
0,9
1,5
2,2
2,8 ;
5,0
6,7
■
t
1
12,61
15,76
15,94
15,89
18,49
12,87
V
718
' 574
1
559 1 602 1
725
812
E
1
1
9,05
9,06
8,93 ! 9,27 i
9,77 ' 10,06
Tabelle 3.
Kohlenoxjd.
-
P
I
1,81 0,99
0,46
d
1,8
2,0
8,0
•
14,02
15,20
14,12
V
673
618 707
E 1
9,43
9,40 9,98
Tabelle 4.
Kohlensäure.
P
8,92
1,21
0,91
0,88
0,52
0,33 0,22
d
0,7
1,5
2,0
2,0
2,9
4,5 [ 5,0
•
t
13,49
17,25
17,58
17,66
16,88
15,30 1 14,72
V
815 1
598
596
596
659
748 881
E
11,00 1
10,81
10,47
10,52 11,10
11,45 12,23
Tabelle 5.
Leuchtgas.
P
5,09 1
2,69 1,76 1,01
0,64
d
' 1,1 1
2,0 1 2,5 1 3,0
5,0
•
12,83 '
' 1
17,00 1 18,14 17,25
) 15,58
V
795 ,
568 541 592
1 676
E
IC
1,21 :
9,(
55
9
,81
10,21
10,54
876
H. Ebert
Dass eine Art Diffusionsprocess im Spiele ist, zeigt der
Umstand, dass die Umkehr bei den verschiedenen Oasen nahezu
bei Drucken U eintritt, die sich wie die mittleren freien Weg-
längen X der Gasmoleciile verhalten, wie man am besten sieht,
wenn man die Spannungswerthe , welche am schnellsten mit
dem Drucke variiren, als Ordinaten zu den Drucken als Ab-
scissen aufträgt Man erhält so (A760 in /UjU ausgedrückt):
Tabelle 5a.
V
;i
HU
Wasserstoff
1,80
185
108
Luft
0,96
95
99
Kohlenoxyd
0,99
98
99
Kohlensäure
0,75
68
90
Eine vollständige Uebereinstimmung ist nicht zu erwarten ,
schon weil A nicht ganz von der Temperatur unabhängig ist,
die in den einzelnen Fällen. gewiss eine sehr verschiedene war-
Da die freie Weglänge umgekehrt proportional dem Gas-
drücke zunimmt, so kann man die hier gefundene Thatsach^
J V.
Fig. 2.
auch so ausdrücken: Die Umkehr im Gange von Stromstärke^
Spannung und H^'attconsum findet bei derselben Röhre in denM^
Momente der fortschreitenden Evacuation statt,, in welchem di^
mittlere freie Weglänge der verschiedenen Gase die gleiche ge^
worden ist.^)
1) Dass bezüglich der Spannungswerthe eine ähnliche Relation auds
bei den Entladungen der Influenzmaschine besteht, hat vor kurzem eii^
Schüler von mir, Hr. P. Ewers, nachgewiesen, vgl. Wied. Ann. 69. p. 167-
1899; hier ist die Stromstärke natürlich constaut und nur von der Pro-
duction der Maschine abhängig.
I
Olimmlichterscheinungen.
377
In weiten Röhren können sich die elektrisirten Partikelchen
weiter verbreiten, als in engeren, wo die Wolke oder „Atmo-
^spliäre geladener Theilchen'^ (Righi) durch die Gefässwände
m der Nähe der Elektroden zusammengehalten wird. Ver-
gleicht man also mit der cylindrischen Röhre B (Fig. 1) eine
weitere D (Fig. 2) (8,2 cm Elektrodendurchmesser, 14,5 cm
Elektrodenabstand, Durchmesser der Elektrodenräume 8,5 cm,
Raamverhältniss von I)\B wie 7:1), so muss im weiten
Kohre I) die Umkehr immer erst später eintreten wie im
engen Rohre B, wie es die folgenden Messungsreihen that-
sachlich zeigen.
Tabelle 6.
Stickstoff. Röhre D.
P
d
t
V
E
d
»
t
S,45
- 2,01 - - 1,02^ -
0,68 0,53 —
0,88
0,7
1,5
- -1,9 -
—
- 2,7
3,95
14,62
—
17,66
1
19,00, —
- Max. 19,23
18,78
682
—
464
— 1 — 887 i —
—
Min.
390
— 424
9,26
—
8,19
— —
7,36; -
Min.
7,51
7,97
Röhre B,
E
—
3,40
—
1,98
1,07
— : 1,00
0,66 — —
0,34
—
0,6
1,4
1,8
2,7 , - -
4,0
—
10,88 —
14,12
16,03
— Max. 15,39 — —
13,80
1 "^
843
—
656
570
- 'Min. 1 606 — —
691
1 -
9,17
9,26
9,14
— Min. 1
9,33, - -
9,54
Tabelle 7.
Luft. R6hre D.
p
^^.
2,06
1,24
€t
—
1,2
1,8
^T
—
19,60
20,40
> -
884
846
^
—
7,53
—
1
1
0,61
2,4
20,46
346
7,09
Röhre B.
— j (0,60) I 0,47
- ' - i 3,1
— Max. I 20,25
— 1 Min. I 367
— I Min. I 7,44
p
2,08
1,24
(1,00)
ä
1,2 , -
1,7
1
m
%
15,11 —
16,74
Max.
V
608
—
529 ! Min.
E
9,19
—
8,86
Min.
0,60.
2,9
16,39 '
559 I
9,16 1
0,27 ' 0,19
4,6 I 7,0
19,15 17,66
427
505
8,18 8,92
0,47 0,27 0,19
4,0 6,0 I 8,0
15,58 I 13,71 ! 11,90
614
9,57
707
9,69
835
9,94
378
H. Ebert
Tabelle 8.
Sauerstoff. Röhre 2>.
p
2,77
—
— - 1,88
d
0,6 -
- , - ! 1,2
•
%
20,95' —
— 21,43
V
377 1
343
E
7,91
—
^—
7,35
p
d
«
V
E
1,21 (1,20)
1,19
0,92
— i 0,58
0,53
(
1,3 i -
1,5
—
1,5
- : 2,4
2,5
\
21,63 —
21,63 Max.
21,70
— 20,88
20,8215
332 Min
335
335
— 371
374 \
7,1 7 i Min.
7,26
7,28
— 7,75
7,79
<
2,751 1,801(1,70); 1,32
0,5 0,7 1 - 1,1
19,53 19,74 Max. 1 18,46
447
8,73
433
8,55
Min. 502
Röhre B.
1,24; 1,21
1,3 ' 1,3
17,82|l7,58
527 ' 531
Min. I 9,28 9,39 9,35 — —
0,93
— _
0,89
0,58 1 0,54 (
1,5
- 1,7
2,4 2,4
17,91
~ 17,74
17,66 17,17 1<
536
— 550
566 ' 579 '
9,60
9,76
9,99 9,9411
Ebenso muss dann, wenn man die Cylinderröhre B von
16,8 cm Elektrodenabstand mit einer gleich weiten aber längeren
Röhre, etwa der Röhre Äj welche zwei gleichbeschaffene Elek-
troden in 33,9 cm Abstand hatte, bei denselben Drucken und
den nämlichen Gasfiillungen vergleicht, die Umkehr in A bei
tieferen Drucken auftreten als in J?, was die folgenden Tabellen
bestätigen.
1
Tabelle
9.
Li
Lift. Röhre A.
d
2,5
3,0
4,0
4,5
i
13,76
13,82
13,89
13,09
V
1059
1013
1007
1042
E
14,56
14,01
Röhre B.
13,98
13,66
Umkehr
i
13,68
13,63
13,37
13,37
V
765
801 :
834
839
E
10,42*
Umkehr
10,92
11,15
11,21
I
Glimmlichter scheinutiffen.
379
Tabelle 10.
Wasserstoff. ROhre Ä.
p
3,05
2,04
1,37
0,95
0,72
0,54
' 0,40
d
1,5
2,0
2,8
4,0
5,0
5,6
7,0
m
12,40
12,40
12,40
12,40
12,11
12,11
12,40
V
1553
1276 *
1104
1024
1019
1024
1104
E
19,25
15,81
13,69
12,70
12,33
UmlEehr
12,40
13,69
Röhre B,
•
13,23
12,54
12,54
12,11
12,40
12,40
12,54
V
801
715
767
(767)
1027
(928)
(967)
E
10,60
8,96
Umkehr
9,62
Tabe
(9,29)
lle 11.
12,73
(11,45)
(12,13)
Stickstof
f. Rohre A.
P
2,81
1,91
1,28
0,93
1
! 0,65
0,45
0,30
d
0,5
1,5
2,1
2,5
3,5
4,0
6,0
m
%
11,05
12,13
12,65
12,97
12,80
12,80
12,97
V
1758
1472
1264
1114
' 1039
1033
1128
E
19,41
17,86
15,99
14,46
13,30
13,23
Umkehr
14,63
Röhre B.
l
1 12,80
12,97
12,97
12,97
12,97
12,97
12,97
V
1051
901
796
743
737
812
984
E
13,46
11,69
10,33
9,64
9,57
Umkehr
10,53
12,77
Während in den überall gleichweiten cylindrischen Röhren
bei den höheren Drucken die Anodensäulen völlig ungeschichtet
waren, trat eine deutliche Schichtung immer auf, sowie der
TJmkehrdruck erreicht war. Das Aussehen der Entladung
änderte sich dann vollkommen.
Dem Umstände entsprechend, dass die Umkehr in dem
längeren Rohre erst bei erheblich tieferen Drucken eintritt,
zeigen sich hier auch die Schichten erst sehr viel später, als
in dem mit ihm in Communication stehenden kürzeren Rohre.
Beide Erscheinungen, Umkehr und Schichtenbildung, machen
ganz den Eindi-uck, als beruhten sie auf einer Art Stauwirkung;
das vollkommen entsprechende Verhalten derselben in vor-
880
H. Eben.
liegendem Falle macht diese ÄnschauaDg nar noch w&hrscheiD>
licher. Die die Umkehr von Stromstärke, Spannung und
Eoergieconsum bedingenden Vorgänge scheinen hiern&ch ihrei
Sitz in dem ganzen Glimmlichtraume
bis in den vorderen, unsichtbaren
Sanm desselben hinein zu haben. Efi
musste dalier von Wichtigkeit sein,
diesen Schluss in demselben Entla-
dutiffsraume bei demselben Drucke und
der gleichen GasfUllung an einem.
Bohre zu prüfen, welches gestattete,
tcöArend der Entladung gelbst die vor-
deren Punkte der Glimmentladung
gegen einander zu (Uhren und so
bei denselben äusseren Entladnngs-
bedingungen, namentlich bei demselben
Drucke jene eigenthUmliche Umkehr
nach Willkür hervorzurufen. Die
Glimmlichtgebilde folgen ihrer Ka-
thode, an der sie angeheftet zu sein
scheinen ; die die Umkehr herbei-
filhrende Wirkung musste also ledig-
lich durch Verkürzung des Elektroden-
abstandes herbeizuführen sein.
Um dies zu bewerkstelligen,
wurde eine Anordnung mit einer
festen und einer beweglichen Elek-
trode benutzt, wie sie ähnlich schon
von Hm, R. W. Wood beschrieben
worden ist.'}
Das 3,5 cm weite, 30 cm lange
cylindrische Rohr A (Fig. 3) trägt oben
die feststehende Elektrode E^ (Ereis-
scheibe aus Aluminium von 2,7 cm
^'^S- 3- Durchmesser); die Stromzaleituug ge-
schieht von oben her mittels des angesetzten QuecksUfaer-
näpfchens a, um Funkenstrecken zu vermeiden; durchs steht
1) R. W. Wood, Wied. Ann. 5». p. 2*6. 1896.
Glimmlichter scheinungen.
381
das Rohr J dauernd mit der Quecksilberluftpumpe in Ver-
bindung. Unten trägt es den weiten Schliff S, an dem das
14 mm weite, 80 cm lange yerticale Rohr R angesetzt ist.
Durch S kann die untere, ebenfalls 2,7 cm im Durchmesser
haltende Elektrode E^ eingeführt werden, welche von einem
Glasrohre r getragen wird, welches durch R hindurchgeführt
und das unten U-fÖrmig umgebogen ist. Die Zuleitung ge-
schieht mittels eines durch r hindurchgezogenen Kupferdrahtes,
der oben bei o an einen Platindraht hart angelöthet ist; auf
diesen wird der Aluminiumstiel / der Elektrode E^ fest auf-
gedrückt, sodass ein vollkommen metallischer Contact besteht.
Bei c Hess man das Rohr r vor der Gebläselampe zusammen-
fallen, bis sich das Glas allseitig dicht an das Platin anlegte;
80 wurde hier ein völlig gasdichter Abschluss erzielt.
Das untere Ende des Rohres R taucht in das mit Queck-
silber gefüllte, oben napfartig erweiterte Standgefäss Sj welches
von einem in der Schwarzblechwanne fF befindlichen Holz-
klotze K gehalten wird. Wird Ä durch b hindurch evacuirt,
so steigt das Quecksilber in R in die Höhe und bildet einen
Barometerabschluss, der dem Rohre r dennoch völlige Be-
wegungsfreiheit gestattet. Mittels desselben kann die Elek-
trode E^ in jede beliebige Höhe gebracht und durch Fest-
klemmen des Rohres r bei f in dieser erhalten werden; der
Zeiger Z gestattet auf einer Scala H den Elektrodenabstand
E^E^^a direct abzulesen.
Tabelle 12.
Luft.
a a 22 cm
12 cm
a» 2 cm
1
I
d
^mmm
^
1,5
1
2,2
3,2
5,0
7,5
10,0
•
%
11,50
U,65
12,96
13,63
14,02
14,02
13,89
13,63
13,76
r;1826 1732
1312
846
759
734
794
992
1208
E
20,94
20,18 117,00
11,53
10,64
10,30
Umkehr
11,08
18,52
16,62
i 13,23 — !l4,02
14,02
14,02
14,02
14,15
13,89
14,27
no76
819 , 578
541
585
746
1015
1240
i7 14,23: —
11,49
8,10
7,58
8,20
10,54
14,09
17,68
Umkehr
* 14,02
14,40
14,27
14,15
14,27
14,15
13,76
14,27
V
430 — ' 406 ' 851
396
497
715
996
1198
E
6,04
5,84 5,02
5,60
7,09
10,11
18,71
17,03
Umkehr
382
H. Ebert
Tabelle 13.
Wasserstoff.
a = 22 cm
a =s 12 cm
a = 2 cm
P
d
t
V
E
V
E
%
V
E
4,39
1,0
12,54
1083
13,58
12,96
679
8,78
13,37
363
4,85
2,89
2,0
12,25
851
10,42
12,82
556
7,12
13,23
346
4,57
Umkehr
1,94
1,28
3,0
3,5
12,82
12,68
726
679
1
9,31
8,61
13,09
12,96
521
525
6,83
6,81
Umkehr
13,09
12,96
380
421
4,97
5,45
0,85
4,2
12,82
706
9,05
Umkehr
12,82
538
7,54
0,59
5,5
12,68
773
9,80
13,09
676
8,85
18,09 ' 13,09
517
6,77
642
8,40
0,43
6,5
12,54
880
11,04
12,96^
817
10,5».
13,3X
781
10,
Tabelle 14.
Stickstoff.
P
2,85
d
1,0
a = 22 cm
•
12,13
V
1119
E
13,58
a = 12 cm
«
t
12,65
V
667
E
8,43
a s 2 cm
•
13,13
V
321
E
4,21
Umkeh
1,91
1,5
12,30
925
11,39
12,47
567
7,07
12,80
333
4^7
1,25
2,0
12,30
849
10,45
12,47
509
6,35
Umkehr
12.80
363
4,65
0,82
2,7
12,47
740
9,23
12,47
533
6,65
12,65
411
5,20
0,54
4,0
12,65
720
9,11
Umkehr
12,80
592
7,58
12,65
513
6,49
0,85
6,5
12,65
791
10,00
12,65
728
9,14
12,97
694
9,00
0.2 e
8,0
12,47
965
12,03
12,47
984
12,27
12,65
980
11,76
Damit an dem Schlifife S eine völlige Dichtung bei An-
wendung möglichst geringer Mengen von Fett und dergleichen
erzielt wird, ist von unten her um denselben herum der Glas-
becher J mittels Kautschukstopfens befestigt, der mit Queck-
silber gefüllt wird, welches durch e wieder abgelassen wer-
den kann.
Die Resultate der mit diesem Apparate angestellten Be-
obachtungsreihen enthalten die vorhergehenden Tab. 12— 1^-
1
Glimmlichterscheinungen,
383
Diese Tabellen lassen übereinstimmend den folgenden
Gang der Erscheinung deutlich erkennen : Bei demselben Druck
wird die Stromstärke um so grösser, je näher die Elektroden
einander kommen, die Spannung sowie der Wattconsum werden
Ueiner.^) Bei grossen Elektrodenabständen tritt die Umkehr
bei viel tieferen Drucken ein als bei kleinen Abständen. Wenn
ferner beim Annähern der beweglichen Elektrode auch die
Spa.nnung sinkt, die Stromstärke wächst, so geht dies doch
iiaiuer langsamer vor sich, je näher die Glimmlichter einander
räoken. Für die Spannung tritt dies am deutlichsten hervor,
^Sl. Tab. 15. Es findet eine Kückstauung statt. Ja, bei der
^ ^Segnung der Glimmlichter, in der Nähe der Umkehrdrucke
T
abelle 15.
Luft
d
^__
1
!
1,5
2,2
3,2
5,0
1
7,5
10,0
cc =r 22 cm
Ft
182G
1732
1312
846
759
734
794
992
1208
Q= 12 cm
F.
1076
819
578
541
585
746
1015
1240
a= 2 cm
F.
430
—
406
351
396
497
715
996
1193
Fi-F,
750
493
268
218
149
48
-23
32
F.-F,
646
—
413
227
145
88
31
19
47
fi.
P
— ^
4,39
2,89
1,94
1,28
0,85
0,59
0,43
d
—
1,0
2,0
3,0
3,5
4,2
5,5
6,5
a = 22 cm
F.
1083
851
726
679
706
773
880
—
a 1 12 cm
F,
679
556 521
525
588
676
817
—
a = 2 cm
F.
—
363
346 380, 421
517
642
781
—
F.-F,
404
295
205 1 154
118
97
63
—
F.- F.
—
316
210
141
104
71
34
36
N,
P
2,85
1,91
1,25
0,82
—
0,54
—.
0,35
0,26
d
1,0
1.5
2,0
2,7
—
4,0
—
6,5
8,0
a = 22 cm
F.
1119
925
849
740
720
—
791
965
a • 12 cm
F.
667
567
509
533
592
—
723
984
a— 2 cm
F.
321
333
363
411
—
513
—
694
930
V,-V,
452
358
340
207 —
128
68
19
v,-v.
346
234
146
122
1
1
79
—
29
54
1) Wie aus der Vergleichung der d- und der a-Werthe hervorgeht,
wurde eine so grosse Annäherung der Elektroden, dass die eine in den
Dunkelraum der anderen eindrang, wobei sich ausserordentliche Spannungs-
tffeigerungen ergeben, vermieden.
884 H. Ebert.
kann die Spannungsabnahme infolge der Annäherung sogar
durch die von der Begegnung bedingte Spannungssteigerung
überwunden werden, sodass die Spannung bei nahen E21ektrodei%
gleich oder sogar noch grösser ist als diejenige bei grösserem
Elektrodenabstande. Analoges gilt für die Stromstärke. In
den Tabellen sind die Werthe, welche diese Stauwirkung ganz
besonders gut veranschaulichen, fett gedruckt. Man sieht,
dass sie sich durchaus um die Umkehrdrucke gruppiren und
erst häufiger werden, nachdem die Begegnung stattgefunden
hat. Zu beachten ist dabei immer, dass es sich um eine
Durchdringung nur der Glimmlichter, nicht aber der Hittorf-
schen Dunkelräume handelt, und dass die Durchdringung des-
selben Raumes zeitlich nacheinander stattfindet. Auch treten
die Umkehrungen immer schon bei so hohen Drucken und so
kleinen d auf, dass die Anoden der jedesmaligen Entladungen
bei den hier eingehaltenen Abständen a noch vollkommen
ausserhalb ihrer eigenen zugehörigen Glimmlichter liegen, wie
schon das Vorhandensein einer merklich ausgedehnten Anoden-
säule und die Controle im Drehspiegel erkennen lassen. Das
Phänomen ist also nicht etwa auf die bekannte, in neuester
Zeit von Hm. Wehnelt^) durch Messungen genauer verfolgte
Potentialsteigerung zurückzuf^ren, welche eintritt, wenn man
die Anode durch ihr eigenes Glimmlicht hindurch gegen den
Dunkelraum der der gleichen Entladung angehörenden Kathode
voranschiebt.
Mittels eines kreuzförmig gestalteten Rohres wurde femer
nachgewiesen, dass die spannungssteigernde Wirkung vorher-
gehender Entladungen auch eintritt, wenn die zeitlich aufein-
ander folgenden Glimmlichter denselben Gasraum senkrecht zu
einander durchstrahlen.
Mit Hülfe der Spannungssteigerung infolge von Vorgängen
bei der Entladung selbst innerhalb desselben Rohres musste es
möglich sein, eine Art Äutoventilwirkung zu erzielen, d. h. die
Entladung zu veranlassen, sich selbst von einem von ihr bisher
allein eingenommenen Entladungswege abzudrängen und zum
Theil in einen parallel geschlossenen mit hinüber zu gehen.
Zwei einander vollkommen gleiche Cylinderröhren B^ und
1) A. Wehnelt, Wied. Ann. «5. p. 521 f. 1898. .
Glimmlichterscheinungen, 385
Äj werden nebeneinander nach dem Schaltschema (Fig. 4) in
Jen Hochspannungswechselstromkreis eingeschaltet; die von
^dem Transformator TT kommenden Kabel wurden zwischen
beiden Röhren so verzweigt,
Ä.
3
(b
H "■ B
dass beiden der Strom durch
kurze gleichiange und gleich-
dicke Leitungen von beiden
Seiten her zugeführt wurde.
Dass sowohl die Röhren wie
die Zuleitungen wirklich als
fast vollkommen identisch be-
trachtet werden konnten, wurde
daran erkannt, dass bei höheren Drucken bald die eine, bald
die andere Röhre aufleuchtete, ohne dass eine derselben
irgendwie bevorzugt wurde.
Bei tieferen Drucken wurde die Vertheilung der Entladung
insofern stabiler, als die Entladung bei Stromschluss immer
mehr dasjenige Rohr bevorzugte, welches schon vorher ge-
leuchtet hatte. In demselben waren die Elektroden warm
geworden und es ist bekannt, wie eine Entladung das Ein-
treten der nachfolgenden erleichtert, entweder dadurch, dass
die Elektroden gereinigt und aufgelockert sind, oder durch
Bildung von Ionen (vgl. die Anregbarkeit von elektrodenlosen
Röhren in elektrischen Wechselfeldern), oder durch Ver-
minderung des Uebergangswiderstandes. Näherte man sich
dem „Umkehrdrucke,** so setzte die Entladung nach jeder
Unterbrechung mit Bestimmtheit immer wieder in demselben
Rohre ein, dessen Elektroden dadurch sehr heiss gemacht werden
konnten. In dem Momente aber, wo der rotirende Spiegel
zeigte, dass die äussersten Glimmlichtspitzen nacheinander
von beiden Seiten her die Mitte des Rohres trafen, begann
dcLS andere Rohr regelmässig mitzuleuchten , die Entladung ging
gleichzeitig durch beide Rohren. Wiewohl also die Röhre, welche
bis dahin den Ausgleich allein vermittelt hatte, erheblich
prädisponirt war auch zur weiteren Stromftihrung, setzte doch
die Entladung im genannten Augenblicke in dem anderen
Rohre mit kalten Elektroden und ohne die unterstützende
Wirkung vorhergehender Entladungen ein, augenscheinlich,
weil sich in dem ersten Rohre bei der Begegnung der Glimm-
Ann. d. Pbji. o. Chem. N. F. 69. 25
386 H. Ebert
lichter die zur Entladung nöthige Spannung erheblich steigert.
Es ist hier, wie in allen früheren Fällen, als ob sich in dieseia
Momente der Gasdruck in dem stromdurchflossenen Robr»-^
erhöhe. Dass diese Druckerhöhung aber nur eine scheinbare
ist, wurde durch sehr häufige Controlen an dem Manometer
nachgewiesen; jedenfalls sind die durch die Entladung voa
den Elektroden etwa losgerissenen Spuren von Gasresten bei
weitem nicht hinreichend, um die Umkehr und die im vor-
liegenden Falle damit in Verbindung stehende Ventilwirkung
herbeizuführen.
Also nicht einfach deshalb, weil ein gewisser Druckwerth
erreicht wird, tritt die Umkehr, die Spannungssteigerung und
Stromabnahme ein, sondern, weil sich im Rohre selbst ge-
wissermaassen elektromotorische Gegenkräfte entwickeln. Denn
sonst wäre kein Grund vorhanden, warum die Entladung auf
die andere Röhre überspringen sollte, in der ja genau der
gleiche Gasdruck herrscht. Durch die Entladung selbst muss
also ein Hindemiss geschafft werden. Das Auftreten der
Gegenkraft ist an den Moment gebunden, wo das Glimmlicht
der einen Entladung gezwungen wird, in einen Raum einzu-
dringen, den vorher das Glimmlicht einer anderen Entladung,
wenn auch nur zum kleinen Theile, inne gehabt hatte.
Dieser Ventilversuch gelingt mit allen Gasen, besonders
gut mit Luft, Stickstoff, Kohlensäure und Wasserstoff. Das
Mitleuchten einer parallel geschalteten gleichbeschaffeuen Ent-
ladungsröhre giebt ein sehr einfaches und empfindliches Krite-
rium an die Hand zur Entscheidung der Frage, wann man
beim Evacuiren bei dem Umkehrdrucke U angelangt ist.
Die vorstehenden Versuche dürften auch Licht auf eine
Erscheinung werfen, welche Hr. E. Wiedemann und ich
selbst*) in dem Hochfrequenzfelde des Endcondensator eines
einmal überbrückten Lech er 'sehen Drahtsystems beobachtete!):
ein elektrodenloses, mit verdünntem Gase gefülltes, in dem
Wechselfelde leuchtendes Glasgefäss erlischt in dem Momente,
in welchem sich die von beiden Seiten her bei abnehmenden
Drucken vorrückenden Glimmlichter in seiner Mitte begegnen.
Die Folge davon ist, dass kleinere Entladungsgef&sse, bei denen
\) H. Ebert u. E. Wiedemann, Wied. Ann. 62. p. 182. 1897.,
Glimmlichterscheinungen, 887
es früher eintritt, schon bei höheren Drucken erlöschen als
össere, bei denen die Glimmlichter die den tieferen Drucken
tsprechende grössere Ausbreitung annehmen können, ehe die
^egnung stattfindet. In dem Momente der Begegnung be-
mt die zum Unterhalten der Entladung nöthige Spannung
inauer gesagt der nöthige Spannungsgradient) erheblich zu
chsen infolge der unsichtbaren Nachwirkung der eben vor-
*gehenden sichtbaren Entladung; bei der sehr viel schnelleren
feinanderfolge der Einzelerregungen bei dem Lech er 'sehen
item ist die Spannungssteigerung und Abnahme der Strom-
rke noch viel ausgeprägter als in den oben angefahrten
)ellen fiir die hier angewendete viel niedrigere Frequenz.
) Lech er 'sehe System stellt aber an seinem Endcondensator
eine ganz bestimmte, und zwar verhältnissmässig kleine
mnungsamplitude zur Verfügung. Folglich muss das in
selben gebrachte Entladungsgefäss in dem Momente er-
ihen, in welchem erheblich höhere Spannungswerthe er-
lert werden, und dieses findet statt, wenn sich die Glimm-
ter begegnen; dieses wiederum hängt in unmittelbar
chtlicher Weise von den Dimensionen der Gefösse ab.
2. Mechanische Rückstosswirkiingen.
War nach dem vorigen das Andauern einer bestimmten
Inng von einer Wechselstromentladung bis zur nächsten wahr-
einlich gemacht, so war zu erwarten, dass Elektroden mit
(hen Atmosphären geladener Theilchen eine ponderomotorische
rkung aufeinander ausüben, gleichgültig ob sie dazwischen
übergehend auch wieder als Anoden functionirten. Da von
i mit dem Hochfrequenzstrome gespeisten Elektroden immer
eine Anode ist, während die andere Kathode wird, so
19 zunächst zwischen ihnen eine elektrostatische Anziehung
»tfinden. Dauert aber ein der Kathodenerscheinung eigen-
mlicher Zustand, z. B. der Ladezustand in der Glimmlicht-
ion, von dem zahlreiche Untersuchungen gelehrt haben,
s er durch freie positive Ladungen ausgezeichnet ist, längere
b an, so muss sich über die anziehende Wirkung eine
kstossende lagern, die sich freilich zunächst nur an den
chnamig geladenen Theilen der Gasmasse äussert. Denken
uns aber die Ladungen von gewissen Vorgängen an dar
25*
388 H. Ebert
Kathode herrührend, so wird die rückstossende Wirkung aucl^
diese selbst ergreifen; es fragt sich nur, ob diese Wirkung'
stark genug werden kann, um die gleichzeitig bestehende an^
ziehende Kraft zu tiberwinden. Bei den dahinzielenden Ver —
suchen war besonderes Augenmerk darauf zu richten, das^
nicht etwa die längst bekannten Repulsionen der von de^
Kathode ausgehenden Kathodenstrahlen oder Radiometer —
erscheinungen ins Spiel traten. Durch die folgende Anordnunpg
und die weiter unten beschriebenen ControWersuche glaube
ich jede mögliche Fehlerquelle eliminirt zu haben und biMiz:
geneigt, die thatsächlich gefundenen kräftigen Rückstoss^ -
Wirkungen schon bei sehr hohen Drucken als eine neue, desc
Hochfrequenzentladungen eigenthtimliche Erscheinung anzusehesc
und dieselbe in dem oben angegebenen Sinne auf eine Naclm.-
dauer der Wirkung der einzelnen Entladungen auf das 6^.^
zurückzuführen.
An eine dickwandige Glaskugel A^ Fig. 5, von 14 c
Durchmesser waren zwei Schliffe angeblasen, oben ein 4,5 c
weiter -B, seitlich ein engerer C von 1,8 cm lichter Weit^.
Durch den ersteren wurde eine mit dem einen Transformatorpol
in metallischer Verbindung stehende Drehwaage, durch den
letzteren das ablenkende, mit dem anderen Pole verbundene
System eingeführt. Die Dreh waage hängt an dem 18 cm langen,
nur 0,003 cm dicken Constantandraht a, der oben an deo
dicken kupfernen Zuführungsdraht b angelöthet ist; an diesen
ist oben das Quecksilbernäpfchen c angekittet zum Einfähreo
des Zuleitungsdrahtes. Damit sich die Entladung nicht an
den Aufhängedraht a ansetzt und ihn erwärmt, begleitet den-
selben die unten napfförmig erweiterte Schutzröhre d aus Glas,
welche weit genug ist, um der Suspension die nöthige Be-
wegungsfreiheit zu gewähren, aber eng genug, um das Auf-
treten von Entladungsbüscheln am Drahte selbst zu verhindern.
Der Zufuhrungsdraht b ist oben in d mit Siegellack festgekittet
Die Röhre d wird von der Trageröhre e gehalten, in die sie
eingekittet ist, letztere ist in dem Schlififstück / befestigt,
welches unmittelbar auf B aufsitzt. Vermittelst des Schliffes ff
wird es möglich, der Dreh waage jede gewünschte Anfangs-
lage und dem Aufhängedrahte a nach erfolgter Ablenkung
eine beliebige Torsion zu erth eilen. Eine hier angebrachte,
Glimmlichters cheinunffen.
389
sowie eine zweite um den Aequator von A herumgelegte (in
der Figur gleichfalls nicht gezeichnete) Gradscala gestattet,
w wie bei der Coulomb'schen Drehwaage, die entsprechenden
W'inkel zu messen.
Fig. 5.
9urch das seitliche Rohr I) wird der Apparat evacuirt.
Die Verbindung nach der Quecksilberpumpe wird durch den
Schliff ff und einen zweiten (//) vermittelt, dessen Axe senk-
recht zur Zeichenebene steht. Durch Drehen um diese beiden
Schliffe ist es möglich, auch dem an der Pumpe befindlichen
Apparat jede beliebige Neigung gegen die Verticale zu er-
390 H. Ebert
theilen und zu bewirken, dass der Draht a genau axial in dem
Kobre d berabhängt und nirgends anstösst; die Kugel Ä ruhte aaf
einem Strobkranz und einem in der Höbe verstellbaren Tischchei.'^
Die JDrehwaage selbst besteht aus einem dünnen 8 cm
langen Aluminiumstabchen t, welches von einer eng anschliessen-
den, in der Mitte bei k geöffneten Glasröhre / umgeben ist
Durch die Oeffnung k ist der Aufhäugedraht a eingeführt and
an dem Stäbchen t befestigt. An beiden Enden sind die
1,5 cm im Durchmesser haltenden kreisscheibenformigen Elek-
troden m^, m, aus dünnem Aluminiumblech durch angebogene
Hülsen, welche in die Röhre l über die etwas zugespitzten
Enden von i gesteckt werden, befestigt. Es besteht daher eine
ununterbrochene metallische Verbindung von c bis zu »ij, n^
hin, ohne dass irgendwo Veranlassung zu störender Funken-
bildung gegeben wäre. Die etwas nach oben gebogenen Bänder
der Oeffnung k greifen so unter die Erweiterung von </, dass
hier keine Entladung zu Stande kommt und doch die völlige
Bewegungsfreiheit der Waage gewahrt bleibt.
Um starke Bewegungsantriebe zu erhalten, war es geboten,
die Ausbildung des Glimmlichtes auf diejenige Seite zu con-
centriren, gegen welche die rücktreibende Kraft gerichtet sein
sollte. Zu diesem Zwecke ist je eine Seite der Elektroden
iWj, m^ mit einem Glimmerblättchen bedeckt (schraffirt), welche
von drei nach rückwärts umgebogenen Fortsätzen, die man an
dem Rande der Aluminiumschei beben hatte stehen lassen, fest-
gehalten werden. Diese Bedeckung hindert vollkommen den
Austritt der Entladung. In der perspectivischen Zeichnung 5
würde also das Glimmlicht an der Elektrode m^ sich nur auf
der vom Beschauer abgewandten, an m^ nur an der diesem
zugewandten Seite ausbilden.
Damit jedoch auch dem etwa zu erhebenden Einwände
begegnet werden konnte, dass dabei durch Theilchen, welche
von den Elektroden fortgeschleudert würden, ein merklicher
Rückstoss eintreten und etwa durch diesen die beob^phtete
Abstossung der Flügel erklärt werden könne, wurden auch
zahlreiche Versuche mit Elektroden ohne diese Glimmer-
bedeckung ausgeführt. Bei diesen bedeckten sich dann beide
Seiten vollkommen gleichmässig mit Glimmlicht, nur war dieses
nicht so dicht, die Wirkung daher etwas schwächer.
c
Glimmlichterscheinungen, 39 1
Um der Drehwaage noch ausser der Torsionskraft der
Suspension ein bestimmtes Directionsmoment ertheilen zu
können, war meist an der Glasröhre / unten eine äusserst feine,
Hark magnetisirte Nadel n befestigt, welche in dem Felde
öines H&lfsmagneten, oder der Erde, oder des mehr oder
Weniger vollkommen astasirten Erdfeldes schwingend, die
£^mpfindlichkeit der Drehwaage innerhalb sehr weiter Grenzen
^on aussen her, ohne inneren Eingriff nöthig zu machen,
variiren Hess.
Das ablenkende System besteht ebenfalls aus je zwei 1,5 cm
grossen, entweder einseitig mit Glimmer belegten oder beider-
seitig freien Aluminiumelektroden a^^ a^, welche tou Ansätzen
der zweimal umgebogenen Glasröhre ß getragen werden.
Biese führt den am Ende mit dem Quecksilbemäpfchen y
versehenen Zuleitungsdraht S und ist mit der Trageröhre €
in den Schlifif C eingekittet. Beim Zusammensetzen des Ap-
parates wird zuerst die Röhre ß durch den SchliflF C eingeführt,
dann werden von B aus mittels einer langen Greifzange die
Scheiben a^ und c^2 ^^^ ihren Hülsen in die Ansätze der Glas-
röhre ß fest eingesetzt. Diese lehnt sich dabei mit ihrem
zugeschmolzenen Ende an die Innenwand der Kugel A an,
um dem Drucke beim Einsetzen der Elektroden genügenden
Widerstand entgegensetzen zu können. Kurze Drahtstücke
und Auskleidungen mit Stanniol vermitteln eine sichere funken-
lose Zuleitung zu den Elektroden a^, a^\ die allseitige Um-
kleidung mit Glas bewirkt, dass nur auf diesen Entladungs-
erscheinungen auftreten.
Damit es, solange noch die elektrostatische Anziehung
zwischen den einander gegenüber stehenden, unbedeckten
Elektrodenflächen überwiegt, nicht bis zur metallischen Be-
rührung und damit zu Kurzschlüssen in der Hochspannungs-
leitung kommen kann, sind an dem Glasstabe ß noch zwei
„Abweiser" aus Glimmer auf den, den unbedeckten Hälften
von «j und a^ zugekehrten Seiten angekittet, zwei kleine Blätt-
chen mit je zwei verticalen Einschnitten, in die nach dem
Einsetzen von C von oben her (durch B hindurch) die längeren
Glimmerstreifen fj und Cg eingeschoben werden.
Schon bei den ersten Versuchen stellte es sich heraus,
dass die rückstossenden Kräfte ziemlich grosse waren, sodass
392 H. EberL
augenscheinlicli auch schon mit einer viel weniger empfindlicheD
und darum auch weniger subtilen Anordnung auszukommen
war. Es wurde daher noch das einarmige in Fig. 5 a v(n%
vom (in etwas perspectivischer Ansicht), in Fig. 5 b von oben
gesehen dargestellte System angewendet. Die rechteckig ge-
staltete £Ilektrodenplatte n aus Messing von 0,8 x 2,2 cm^
Fläche mit abgerundeten Ecken, mit oder ohne Glimmerbeleg,
ist an einem Eupferdrahte o befestigt, der durch das recht-
winklig umgebogene Olasrohr p geschoben nnd an den dünnen,
12 cm langen, vorher gut gestreckten, harten Messingdraht q
angelöthet ist. Auf der entgegengesetzten Seite von p ist
mittels des kurzen Glasstäbchens r die kleine, oben offene
Kugel t angeschmolzen, in welche Tarierschrot zur Aus-
balancirung der Elektrode n gethan wird. Die feste Elektroder
ist ebenso beschaffen, wird von dem Zuleitungsdrahte a ge-
tragen, und hält den kleinen, aus einem Glimmerblatte ge-
bogenen Abweiser r. Die bewegliche Elektrode n ist an ihrer
Ansatzstelle so gebogen, dass sie in der der Elektrode v
nächsten Stellung, die sie vermöge der Grösse von r ein-
nehmen kann, dieser parallel steht; dies hat den Vortheil,
dass auch die Glimmlichtschichten und ihre Begrenzungen
einander parallel verlaufen, und der Druck der abstossenden
Kraft auf der ganzen Fläche gleichmässig erfolgt.
Beobachtungen 1. Ist der Druck in der Kugel Ä hoch,
so vermag der Wechselstrom, der ja nur auf eine gewisse
Spannung hinauf transformirt wird (etwa 2800 Volt), die Gas-
schicht nicht zu durchbrechen. Die Elektroden werden dann
abwechselnd positiv und negativ auf diese Maximalspannung
geladen. Die ungleichnamig geladenen Platten ziehen sich an, die
Drehwaagenäügel schlagen ziemlich heftig gegen die Abweiser.
2. Dieses Verhalten besteht fort, wenn bei allmählicher
Evacuation die ersten Glimm- und Anodenlichter auf den
Platten erscheinen. Selbst wenn der Abstand der Elektroden
im Ruhezustand mehrere Centimeter beträgt, werden die be-
weglichen Elektroden herangezogen.
3. Bedeckt das Glimmlicht die ganze Elektrodenfläche, so
ändert sich zunächst nichts an dem Verhalten, so lange die
Glimmlichtschicht noch dünn ist. Breitet sich dieselbe aber
bei fortschreitender Evacuation weiter in den Gasraum hinein
c
Glimmlichterscheinungen. 393 .
aus, so tritt eine neue Erscheinung von dem Momente an ein,
in welchem der vordere Glimmlichtsaum die Mitte des Ab-
standes zwischen den einander gegenüberstehenden Elektroden
überschreitet: die Anziehting wird lockerer, schon eine geringere
Torsionskraft zieht den Drehwaagenarm zurück, gegenüber der
Anziehung macht sich eine rückstossende Kraft geltend,
4. Bei weiterem Auspumpen werden die Glimmlichtschichten
immer dicker. In dem Momente der Anschaltung des Wechsel-
stromes findet im ersten Momente noch Anziehung statt; die
Entladung ist noch nicht voll ausgebildet, auch findet das erste
Glimmlicht, wenn es auf einer Seite hervorbricht, ja noch
nicht die Veränderung im Gase durch eine vorhergehende, von
der anderen Seite kommende Glimmlichtsäule vor, auf die wir
die rückstauende Wirkung zurückführen. Sowie das Glimm-
licht aber vollkommen ausgebildet ist^ schiebt es die beweg-
lichen Elektroden deutlich zurück; die Anziehung der ungleich--
namig geladenen Elektroden hat sich in eine Äbstossung verwandelt.
5. Wird der Druck noch tiefer, sodass die Glimmlicht-
ausbildung an beiden Elektroden immer stärker wird, so tritt
die rückstossende Kraft immer deutlicher hervor. War der
Schliff ff so gestellt, dass die festen Elektroden a^ a^ von den
beweglichen m^ m^ einen grossen Abstand haben und dreht
man nun /*/* so, dass die Drehwaagenflügel mit ihren Glimm-
lichtern denen der feststehenden Elektroden genähert werden,
80 stellt sich in dem Momente der Begegnung der Glimm-
lichter dem weiteren Annähern ein Hinderniss entgegen, sodass
nun der Aufhängedraht aa tordirt wird. Dabei tritt eine
merkliche Deformation beider Glimmlichter ein; dieselben
drücken sich scheinbar gegenseitig zusammen, wodurch selbst
der unter ihnen liegende Dunkelraum schwache Zusammen-
drückungen erfährt. (Bei diesen wie den folgenden Versuchen
war der kleine Richtmagnet n [Fig. 5] entfernt worden.)
6. Dass die Ursache der Erscheinung wirklich darin liegt,
dass die Glimmlichter in die gegenseitige Wirkungssphäre ge-
langen, wird durch folgende Controlversuche bestätigt: Die
ürehwaage wird durch Drehen an dem Schliff ff senkrecht zu
der Verbindungslinie der feststehenden Elektroden a^ a^ ge-
stellt: Bei Erregung des Wechselstromes war nicht der ge-
ringste Bewegungsantrieb zu erkennen. Wurden die Elek-
394 H. Ebert
troden einander mehr genähert, etwa in 45 ^ Stellung gebracht,
so schien eine schwache Anziehung sich bemerklich zu machen.
Dies würde die von Hrn. Warburg ^) bei Batterieentladungei%
genauer verfolgte Erscheinung sein. Die Abstossung trat aber
erst in Entfernungen ein, bei denen die beiderseitigen OUmm-
lichter denselben Ort im Oasraume erreichten. Durch diese
Versuche mit grossen Elektrodenabständen, bei denen weder
Anziehung noch Abstossung eintrat, wird zugleich bewiesea-
dass nicht irgend welche Störungen, etwa durch schwache
Entladungen am Aufhängedraht, die Ursache der oben be-
schriebenen Glimmlichtwirkungen sein können. Auch elektro-
dynamische Wechselwirkungen sind nicht zur Erklärung heran—
2iehbar, wie man durch eine einfache Ueberlegung findet.
Ferner kann man die Erscheinung nicht darauf zurück-
führen, dass das Glimmlicht über die eigene Anode hinweg-
gegangen wäre oder diese selbst gar in den zugehörigei^
Eathodendunkelraum eingetaucht hätte. In allen Fällen war*
der Elektrodenabstand so gross, dass sich die ganze Ent-
ladung vollkommen frei ausbilden konnte. Beim Zeichen-
Wechsel des Wechselstromes war die Erscheinung vollkommen
umgelagert, dazwischen wurde das Gas immer völlig dunkel,
die Wirkung muss also auf einer unsichtbaren Nachdauer in der
Wirkung der sichtbaren Glimmlichterscheinung beruhen. Wird
sehr tief ausgepumpt, so wird die Erscheinung immer kräftiger
und deutlicher. Zu den allertiefsten Drucken, bei denen dann
lebhafte Entwickelung der Kathodenstrahlen eintrat, wurde
indessen absichtlich nicht gegangen, um nicht dem Einwände
zu vei*fallen, es handle sich um eine Art Radiometererscheinung.
Die gewöhnlich benutzten Drucke waren immer viel zu hoch,
als dass Bewegungsimpulse wie bei den Radiometern hätten
auftreten können.
Dass die beobachtete Erscheinung nicht durch Rück-
wirkungen schon bei höheren Drucken etwa entstehender
Kathodenstrahlen erklärt werden kann, sieht man am besten,
wenn man beide Elektrodenseiten unbedeckt lässt, sodass sich
das Glimmlicht auf beiden in gleicher Weise ausbildet. Dann
müssten die Reactionsstösse auf beiden Seiten gleich stark er-
1) E. Warburg, Wied. Ann. 45. p. 1. 1892.
I
Glimmlichterscheinungen, 395
folgen und sich ihre bewegenden Kräfte aufheben. Nichts-
destoweniger gelingt der Abstossungs versuch. Auch müsste
bei merklichen Reactionsstössen und einseitiger Elektroden-
bedeckung sich die Drehwaage in allen Lagen in Bewegung
setzen, was sie nicht thut. Vielleicht austretende Eathoden-
strahlen würden femer schon bei einigermaassen grossen
Drehungswinkeln die gegenüber liegenden Elektrodenäächen
gar nicht mehr treffen, sondern an ihnen vorbeigehen, da sie
ja immer vorwiegend senkrecht zur emittirenden Elektroden-
ebene verlaufen.
Wurde bei Drucken, bei denen die Erscheinung unter
Anwendung von Wechselstrom sehr deutlich war, die Vacuum-
drehwaage an ein grosses Inductorium (25 cm Funkenlänge)
angeschlossen und gingen in dem weiten Entladungsraume der
Oeffnungsstrom wie der Schliessungsstrom durch das Gas hin-
durch, so war auch die Abstossung unter den oben genannten
Bedingungen vorhanden, wenn auch minder deutlich. Wurde
aber in den secundären Stromkreis vor die Vacuumkugel eine
Funkenstrecke oder ein Geissler'sches Rohr eingeschaltet,
sodass nur der Oeffnungsinductionsstrom überging, so blieb die
Abstossung völlig aus und nur Anziehung wurde beobachtet.
Mit einer grossen 20plattigen Töpler'schen Maschine
wurde immer nur Anziehung beobachtet.
Dass endlich auch nicht die Erwärmung der Gasmasse
zwischen den Elektroden die Ursache der mechanischen Rück-
stauung sein kann, wie es Hr. Neesen^) vermuthungs weise
aussprach, scheint mir aus folgender Ueberlegung hervor-
zugehen:
Geht zwischen zwei vertical stehenden plattenförmigen
Elektroden, die in nicht zu grossem Abstände einander gegen-
über stehen, eine kräftige Entladung über (wobei wir uns die
Rückseiten mit Glimmer bedeckt denken, sodass die Ent-
ladung nur an den einander gegenüberstehenden Seiten auf-
tritt, wie es bei den Versuchen meist der Fall war), so wird
die zwischenliegende Gasmasse von der Entladung erwärmt
und steigt in die Hohe; kältere Gasmassen dringen von unten
1) F. Neesen, Verhandl. d. Deutsch. Phyaikal. GeselUch. 1. Nr. 3.
p. 69. 1899.
396 H. Eben.
nach und es entsteht in dem weiten Entladungsgefasse eine
regelmässige Circulation. Hierbei kann es nicht fehlen, dass
von den Gasströmungen, welche auch in den benacbbartenl
Gasschichten erregt werden, und die alle von unten her gegen
den Zwischenraum zwischen den Elektroden zusammenfliessen,
die äussersten nicht mehr in das Innere zwischen die Elek-
trodenplatten gelangen, sondern von aussen her gegen diese
Platten strömen und diese gegeneinander zu schieben suchen.
Wir erhalten eine starke ansaugende Wirkung, welche wohl
die elektrostatische Anziehung verstärken, nicht aber unsere
Repulsionserscheinung hervorrufen kann. —
Es dürften somit die folgenden Resultate festgestellt sein:
1. Eine kräftige elektrische Entladung verändert ein ver-
dünntes Gas namentlich in dem Theile, welcher von Glimm-
lichtstrahlen durchsetzt war, derart, dass die Veränderung
noch eine gewisse Zeit nach dem Aufhören des eigentlichen
EntladungsvorgaTiges, wenn auch unsichtbar, nachdauert.
2. Die Nachdauer scheint hauptsächlich in dem An-
dauern gewisser Ladungen zu bestehen, welche dem Gase bei
dem Entladungsprocesse mitgetheilt werden.
3. Sinkt demnach der Gasdruck, so sinkt zwar zunächst
auch die Entladungsspannung; bei einem ganz bestimmten,
durch die molecularen Eigenschaften des Gases bedingten
Drucke aber beginnt die Spannung mit fortschreitender Eva-
cuation wieder zu steigen; gleichzeitig nimmt die Stromstärke
ab, der Wattverbrauch der Entladung zu.
4. Diese „Umkehrdrucke*' verhalten sich wie die mittleren
freien Weglängen der Gasmolecüle bei demselben Drucke.
Oder: Die Umkehr tritt bei verschiedenen Gasen ein bei
Drucken, bei denen die mittleren freien Weglängen eine be-
stimmte Grösse erreicht haben.
5. Speciell bei den Wechselstromentladungen treten die
Umkehrungen in cylindrischen Röhren auf, wenn die mit
Glimmlicht erfüllten Gasmassen etwa die Hälften der ihnen
zur Verfügung stehenden Entladungsräume beiderseitig erfüllt
haben, also bei weiteren und längeren Röhren bei tieferen
Drucken als bei engeren und kürzeren.
6. Etwas ganz ähnliches gilt von den Schichtungen, in
die sieh die Anodensäule in gleichweiten cylindrischen Röhren
(
Glimmlichterscheinungen, 39 7
bei den Hochfrequenzentladungen untertheilt. Dieselbe tritt
in verschieden langen Röhren nicht bei demselben Gasdrucke
^auf, sondern dann, wenn die Glimmlichter sich etwa bis zur
Mitte von beiden Seiten her verbreitet haben.
7. Dass es wirklich hauptsächlich die die Kathode zu-
nächst umgebenden Gasschichten sind, welche die nachdauernde
elektrische Wirkung tragen, sieht man, wenn man eine Elek-
trode beweglich macht; man kann dann die Umkehr in dem-
selben Gasraume bei einem beliebigen Drucke (innerhalb ge-
wisser Grenzen) durch Heranschieben einer Wechselstrom-
elektrode gegen die andere herbeiführen.
8. Durch die Erhöhung der Entladungsspannung beim
ümkehrdrucke kann man die Entladung veranlassen, sich zu
theilen und ein gleich beschaflfenes Entladungsrohr mit zu
passiren; durch den Entladungsvorgang selbst wird also eine
Art Ventilwirkung in der eigenen Entladungsbahn geschaffen.
9. Ist eine von beiden Elektroden leicht beweglich, so
äussert sich an ihr die Rückstauung, welche die Entladungs-
spannung bei der Umkehr in die Höhe treibt, auch als
mechanische Repulsion.
München, Juli 1899.
(Eingegangen 28. Juli 1899.)
%
3. Ueber den JEinfluss kleiner Bei'
mengungen zu einem Gase auf dessen Spectrum^f
von JPercival Lewis.
Es ist häufig beobachtet worden, dass unter gewissen
Bedingungen geringe Mengen einer fremden Substanz in einem
Gase das Spectrum desselben in unerwarteter Weise beein-
flussen, üeber derartige Erscheinungen sind bisher noch wenig
systematische Beobachtungen angestellt worden, und daher
schien es von Interesse, den Einfluss einiger Substanzen zu
prüfen, welche selten oder nie in Vacuumröhren fehlen. Es
handelt sich vorzugsweise um Quecksilberdampf, Wasserstoff,
Sauerstoff und Wasserdampf.
Es wurden folgende Fälle untersucht:
1. Das Spectrum des Wasserstoffs: a) des reinen Gases,
b) Spuren von Quecksilberdampf enthaltend, c) mit Sauerstoff
und d) mit Wasserdampf vermischt.
2. Das Sauerstoffspectrum: a) rein, b) wasserstoffhaltig,
c) mit Spuren von Quecksilberdampf vermischt.
Die Versuchsmethode bestand darin, zuerst ein möglichst
reines Gasspectrum zu beobachten, namentlich rein in Bezug
auf diejenigen Substanzen, deren Einfluss auf das Spectrum
festgestellt werden sollte. Es ging nicht an, die gesammten
sich darbietenden Einzelheiten zu berücksichtigen; es wurde
nur die charakteristische Erscheinung der Spectren studirt
und photometrische Messungen der Intensität einzelner Spectral-
bezirke bez. Linien unter verschiedenen Gasdrucken vor-
genommen. Es wurden sodann geringe Mengen fremder Sub-
stanzen eingeführt und die Beobachtungen wiederholt.
Um Störungen durch Entwickelung oder Absorption von
Gasen seitens innerhalb der Röhren befindlicher Metallelektroden
zu vermeiden, wurden äussere Elektroden, wie sie von Salet^)
1) G. Salet, Ann. de Chim. et de Phy8. 28. p. 20. 1873.
Gaupectra, Einfluss kleiner Beimengungen. S99
iebeo sind, aogewaadt. äqb diesem Grunde waren
Dgen der Stromstärke nicht ausführbar.
Der Apparat.
ie allgemeine Versachsanordnung ist in Fig. 1 ver-
lulicht. Der Wasserstoff wnrde in dem Voltameter V-
ihwacl) phosphorsäurehaltigem destillirtem Wasser ent-
t. Spuren von Sauerstoff, die der auf diese Weise dar-
te Wasserstoff stets enthält, wurden entfernt beim Darck-
des Gases durch die Waschflascbe d, welche eine con-
to Lösung von Pyrogallussäure enthielt. Das Qas wurde
n in den Trockenröbren C angesammelt. Letztere ent-
i bez. Chlorcalcium, festes Katihjdrat und Phosphor-
Fig. 1.
nhydrid. G ist ein Schwefelsäureverschluss zur Fern-
; von Quecksilberdämpfen von der Pumpe her. Die
F ist mit festem Kalihydrat beschickt, um Dämpfe aus
bwefelsäare zu absorbiren. Das Vacuumrohr B gehörte
Ljpns der H-f5rmigen Spectrair Öhren [mit Durchsicht
der Axe der Gapillare). Die Elektroden bestaiiden ans
rücken Messingrohr und waren durch Glimmer von der
ind getrennt. Ohne diese Vorsichtsmaassregel wurde das
lei dem hohen angewandten Potential regelmässig von
mken durchschlagen. Der capillare Theil der am häufig-
enutzten Röhre war ca. 10 cm lang bei einer lichten
von 4 mm. E ist ein Quecksilbeneservoir. Durch
1 eines Hahnes konnte Quecksilberdampf in die Ent-
sröhre eingelassen werden und zwar unter einem der
ratur des Reservoirs entsprechenden Druck. Diese
ratur war stets niedriger als die der VacuumrÖbre.
line Glaskugel mit Übermangansaurem Kali, aus welchem
Erhitzen Sauerstoff entwickelt werden konnte.
400 P. Lewis.
Zuerst wurden alle Theile des Apparates miteinande'^:
Verblasen. Da dies aber beim Auswechseln oder Erneuern
einzelner Theile zu Unbequemlichkeiten Veranlassung gab^
wurden schliesslich einige Verbindungen mittels Siegellack heir-
gestellt. Nachtheilige Wirkungen hiervon wurden nicht wahi--
genommen, vorausgesetzt, dass keine Entladungen die Siegel-
lackstellen trafen. In letzterem Falle traten stets die Kohlen*
oxydbanden auf. Dasselbe war der Fall bei Anwendung von
Hähnen, welche daher anfangs wegen des Fettes vermieden
wurden, indem das zu untersuchende Gas durch ein Barometer-
rohr eingeführt wurde. Für Versuche über die Wirkung des
Quecksilberdampfes war natürlich diese Methode nicht an-
wendbar, die Anwendung von Hähnen daher unvermeidlich.
Bei niederen Drucken erschienen die CO-Banden immer, wenn
die Entladungen bereits mehrere Minuten angedauert hatten.
Meine Beobachtungen wurden daher stets an frischem Gas
angestellt, das noch keine Gelegenheit gehabt hatte^ sich mit
Dämpfen von den Hähnen zu verunreinigen. Ausserdem wurde
die Diffusion dieser Dämpfe durch capiUare Einschnürungen
zwischen Entladungsröhre und Hähnen beschränkt.
Den Strom lieferte ein kleines Inductorium, welches unter
gewöhnlichen Umständen Funken von ungefähr 5 cm Länge
lieferte. Gespeist wurde dasselbe durch den Strom der städti-
schen Centrale mit einer Spannung von 110 Volt unter An-
wendung eines Wehnel tischen Unterbrechers. Die Röhre
mit den äusseren Elektroden wirkt als Condensator und es
zeigte sich, dass der Unterbrecher nicht so leicht und gleich-
massig functionirte, wie bei geschlossenem Stromkreis. Infolge
häufiger Erneuerung des Unterbrechers, Concentrationsände-
rungen etc. war es ohnehin nicht möglich, immer dieselben
Bedingungen aufrecht zu erhalten. Während der Dauer einer
Versuchsreihe variirten diese Bedingungen indessen nur wenig;
und verschiedene Reihen wurden so weit als möglich auf die
gleiche Scala reducirt, indem man annahm, dass bei reinen
Gasen in einer gegebenen Röhre unter bestimmtem Druck, die
Lichtintensität der Stromstärke proportional sei. ^)
Die photometrischen Messungen wurden mittels des Glan'-
1) E. S. Ferry, Phys. Review 7. p. 9. 1898.
Gasspectra, Einfluss kleiner Beimengungen, 401
sclicii Spectrophotometers ausgeführt. Zum Vergleich diente
eine hinter einem Schirm von geöltem Papier aufgestellte ge-
wöhnliche Glühlampe. Es wurden nur relative Bestimmungen
der Intensität gemacht; die Intensität der Lichtstrahlung
wurde gleichgesetzt dem Quadrat der Tangente des am Photo-
laeter abgelesenen Winkels, noch multiplicirt mit einem ge-
eigneten Constanten Factor.
Resultate.
I. Wasserstoff.
Zunächst wurden mit reinem Wasserstoff Versuche au-
Söstellt zur Feststellung von Beziehungen zwischen Licht-
^i^tensität und Druck. Die Intensität ist ausserdem Function
der bei diesen Versuchen unbekannten Stromstärke; da in-
dessen die Stromquelle möglichst constant gehalten wurde,
^ind die Resultate miteinander vergleichbar.
Die Messungen wurden in der Regel an frischem Wasser-
stoff vorgenommen, sodass die Resultate nur sehr wenig durch
die Kohlenstoffverbindungen oder durch die von der Glaswand
losgelösten Oase beeinflusst sind. In einigen Fällen wurden
die Messungen mit ein und demselben Wasserstoffquantum
wiederholt, wobei der Druck durch Auspumpen reducirt wurde.
Meistens waren die hierbei erhaltenen Werthe (in der Tabelle
durch ( — ) bezeichnet) etwas kleiner, als die bei frischem
Wasserstoff gefundenen.
Für genauere photometrische Messungen besass der Spalt
eine Oeffnung von ca. 0,5 mm oder mehr. Aus diesem Grunde
erschien das stets anwesende zusammengesetzte ^) Spectrum des
Wasserstoffs als eine Gruppe breiter Bänder im Roth und
Orange; im Grün war es scheinbar continuirlich. Photo-
metrisch gemessen wurde H^ (A = 6563), H^ (A = 4861) und
das zusammengesetzte Spectrum in der Umgebung der grünen
Quecksilberlinie [X = 5460). An H^ wurden nur wenige Be-
obachtungen gemacht, da die Intensität dieser Linie demselben
Gesetz zu folgen schien wie H^, und da ausserdem in diesem
Theil des Spectrums die Messungen schwierig waren.
1) Die beiden Liuienspectrcn des Wasserstoffs werde ich im FolgeD-
den stets als elementares und zusammengesetztes Spectrum bezeichnen.
P Ann. d. Pbys. o. Chem. N. F. G9. 26
402
P. Lewis.
Die Resultate sind in folgender Tabelle zusammengestelL^
Tabelle I.
Reiner Wasserstoff.
Druck
Intensitftt
Ha
zusammenges
Spectrum
Druck
Intensität
H
zusammengi
Spectmm
0,7
38
4,5
0,7
35
1
4,9
(0,8)
' 33
4
1
44
4,5
1,3
70
7,3
1,4
65
8,8
(1,5)
: 55
8
1,5
65
9,4
1,7
i ®^
12,6
(1,8)
i! 65
8,8
(.2,3)
78
8,8
2,6
1 96
12,8
3
107
13
3,2
103
12
3,9
93
9,4
(4,2)
90
1
12
(4,5)
' 81
8,8
5,5
i 73
9
5,8
70
1
8,8
8
63
8
0,9
1,5
2,6
3,5
4,5
11
52
100
106
86
92
42
In Fig. 2 sind diese Ergebnisse graphisch dargestellt^ in
der oberen Curve (I. H«) für H^ und in der oberen geschlän-
gelten Curve für das zusammengesetzte Spectrum. Diese
Curven zeigen, dass bei constanter Stromquelle die Intensität
des elementaren, sowie des zusammengesetzten Wasserstoff-
spectrums bei einem Druck von ca. 3 mm ein Maximum er-
reicht, dann aber mit dem Druck schnell abnimmt. Bei zu-
nehmendem Druck vermindert sich die Intensität des elementaren
Wasserstoffspectrums schneller, als die des zusammengesetzten,
und bei Drucken von mehr als 4 oder 5 cm bleibt letzteres
allein sichtbar, allerdings zu lichtschwach, um noch gemessen
zu werden. Bei Wiederholung der Versuche an einer Röhre
mit inneren Elektroden zeigte sich, dass die Intensität be-
Gattpeetra, Sinfltas kleiner Beimengungen. 403
atiodig zunahm bis zn den kleinsten Drucken, die Bicb zufolge
des Schwefels&ureverschlusses erreichen Hessen. Es betrogen
i lÜese etwa 0,6 mm.
Lagarde*) fand bei Anwendung innerer Elektroden und
bei einer Stromstärke Ton 115.10~'Amp. keine Aendemug
•Jer Intensität der Linien H^, H^ und H^ bei Drucken zwischen
" -F ^
- T^ i
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« x -^ H
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4=4: ^^^
i4?sSS^-^!ää£*- = ^-
jij^r"*'""'j ' 1 1 i r ' 1^ 1 i 1
Fig. 2.
T,8 und 0,27 mm. Bei schwächeren Strömen nahm die Inten-
sität ab, bei stärkeren stieg sie, wenn der Druck von 1,8 auf
0,27 mm erniedrigt wurde. Ferry*} fand ein beständiges
Wachsen der Intensität von H„ und dam zusammengesetzten
Spectrum bei Verminderung des Druckes bis zu 0,7 mm und
bei Benutzung innerer Elektroden und Stromstärken von 1 bis
1) H. Lagarde, Aiid. de Chim. et Phys. (6) 4. p. 3S2. 1S8S.
2) E. S. Ferry, Phya. Rev. 7. p. 6. 1898.
404 P. Lewis.
6 Milliamp. Der Gasdruck, welcher der Maximalintensitat
entspricht, ist demnach von der Stromstärke abhängig, und
man kann keine Schlüsse ziehen hinsichtlich des Unterschiedes %
zwischen Röhren mit inneren Elektroden und solchen mit
äusseren, ohne Kenntniss der Stromstärke in letzteren. Der
allgemeine Charakter der Entladungserscheinungen lässt es
kaum als möglich erscheinen, dass die Stromstärke so rasch
abnimmt, wie die Lichtintensität unterhalb 3 mm.
Diese Resultate sind natürlich von der Stromdichte ab-
hängig und können deshalb je nach der Gestalt der Röhren
bedeutende Unterschiede aufweisen. Bei sehr weiten Röhren
(1 cm im Durchmesser) erschien nur das zusammengesetzte
Spectrum. Ferner wuchs bei engeren Capillaren oder bei
zunehmender Stromstärke die Intensität des elementaren
Spectrums rascher als die des zusammengesetzten. Obschon
niemals ganz abwesend, war letzteres stets schwächer beim
Vorhandensein von Spuren von Quecksilberdampf, Sauerstoff
oder Wasserdampf. Von diesen Umständen wird später die
Rede sein.
Einfluss des Quecksilberdampfes auf das Wasserst offspectrum.
Quecksilberdampf aus der Pumpe wurde durch den Schwefel-
säureverschluss femgehalten. Aber es war ausserordentlich
schwierig, vor Beginn einer Versuchsreihe die letzten Spuren
von Quecksilberdampf zu beseitigen, die mit der atmosphärischen
Luft des Zimmers in den Apparat gelangt waren. Die grüne
Linie [X =^ 5460) blieb sichtbar, auch nachdem die Röhre
wiederholt erhitzt, ausgepumpt und mit frischem Wasserstoff
gefiillt wai*. Selbst, wenn dem Anschein nach alles Queck-
silber entfernt war, kam doch die grüne Linie im Spectrum
immer wieder zum Vorschein, wenn die Röhre einige Minuten
lang von den Entladungen durchsetzt oder wenn dieselbe er-
hitzt worden war. Es kostete in der Regel einen oder mehrere
Tage unausgesetzten Arbeitens, bis jede Spur des Quecksilber-
spectrums verschwunden war. Ferner musste dieser Procesa
jedesmal wiederholt werden, wenn Luft in die Röhre hinein-
gelassen war. Unter diesen Umständen erscheint die Annahme,
dass fortgesetzt Quecksilberdampf in der Röhre geblieben wäre,
unwahrscheinlich. Vielmehr liegt der Gedanke an ein dünnes
Gasspectra, Einfluss kleiner Beimengungen, 405
Häutchen von Quecksilberoxyd nahe^ welches an den Wan-
dungen der Röhre haftend, durch Entladungen oder Erhitzen
nach und nach zersetzt wurde. Aehnliche Resultate wurden
bei späteren Versuchen mit Sauerstoff erzielt, bei welchen
Quecksilberoxyd jedenfalls vorhanden war. Zuweilen leuchtete
auch die grüne Linie hell auf, wenn die ersten Entladungen
die Röhren passirten, um dann allmählich zu verblassen, als
wenn der Quecksilberdampf einer Verbindung entzogen worden
und nach und nach durch Diffusion verschwunden wäre.
Diese Thatsachen beweisen die spectroskopische Empfind-
lichkeit des Quecksilberdampfes, ein umstand, der in der dies-
bezüglichen Literatur wenig hervorgehoben ist und der eines
eingehenderen Studiums werth erscheint. Plücker und Hit-
torf ^) bemerken zwar die ausserordentliche spectroskopische
Empfindlichkeit des Quecksilberdampfes, aber viele andere
Beobachter scheinen diese Thatsache als nebensächlich an-
gesehen zu haben. Hertz ^ sagt, nachdem er gezeigt hat,
wie klein bei gewöhnlicher Temperatur der Sättigungsdruck des
Quecksilberdampfes ist: „Die Kleinheit des in Rede stehenden
Druckes und nicht eine hervorragende Eigenschaft des Queck-
silbers dürfte auch der Grund für den verschwindenden Einfluss
sein, welchen der stets vorhandene Quecksilberdampf auf die
Entladungserscheinungen in Geissler 'sehen Röhren ausübf
In vielen Fällen waren zwischen Entladungsrohr und
Pampe Röhren eingeschaltet^ die zur Absorption des Queck-
silberdampfes mit Schwefel und zur Absorption des Schwefel-
dampfes mit Eupferspähnen angefüllt waren ; aber es ist wenig
über die Wirkungsweise dieser Anordnung mitgetheilt worden.
Arnes*), der sich derartiger Absorptionsröhren bediente, fand
einige Quecksilberlinien auf seinen Photogrammen. War-
burg^) fand, dass diese Methode nicht zum vollständigen Aus-
schliessen des Quecksilberdampfes ausreicht. In der voran-
gegangenen Versuchsreihe wurde gefunden, dass dies Verfahren
einige Hg- Linien beseitigte und die grüne Linie merklich
1) J. Plücker u. W. Hittorf, Phil. Trans. 155. p. 25. 1865.
2) H. Hertz, Wied. Ann. 17. p. 200. 1882.
3) J. S. Arnes, Phil. Mag. 30. p. 49. 1890.
4) E. Warburg, Wied. Ann. 81. p. 576. 1887.
406 P. Lewis.
schwächte; aber nie war sie aus dem Wasserstoffspectrum
ganz verschwunden, ausser bei Anwendung des Schwefelsaure-
verschlusses. \
E. Wiedemann^) untersuchte die Spectra von Gemischen
aus Luft und Wasserstoff mit gesättigtem Quecksilberdampfe
bei Temperaturen bis zu ca. 240"^. Photometrische Messungen
wurden von ihm nicht angestellt , aber er fand, dass in
allen Fällen das Hg-Spectrum mit steigender Temperatur an
Helligkeit rasch zunahm, während das Wasserstoff- oder Stick-
stoffspectrum blasser wurde und schliesslich bei sehr hoher
Temperatur gänzlich verschwand. Abkühlung der Röhre ver
ursachte die entgegengesetzte Erscheinung.
Eoch^) fand, dass bei Abkühlung der Vacuumröbre bis
auf —80** die Hg-Linien aus den Spectren des Wasserstoffs,
Sauerstoffs und Stickstoffs vollständig verschwanden.
Es wurde beschlossen, den Einfluss des Quecksilber-
dampfes auf das Wasserstoffspectrum bei gewöhnlichen Tempe-
raturen zu untersuchen, sowie Beziehungen zwischen Licht-
emission und Dichte des Hg-Dampfes aufzustellen. Ferner
sollte die kleinste Menge des letzteren bestimmt werden, die
sich unter den gegebenen Bedingungen zur Hervorrufung des
Quecksilberspectrums als nöthig erwies. Da die gelben und
blauen Hg-Linien nur dann sichtbar wurden, wenn das Re-
servoir E (Fig. 1) nahezu Zimmertemperatur hatte, die höchste,
die bei diesen Versuchen erreicht wurde, so wurde zu Mes-
sungen nur die grüne Linie herangezogen.
Nach Ausführung von Beobachtungen an reinem Wasser-
stoff wurde das Quecksilberreservoir E (Fig. 1), welches durch
eine Eältemischung constante Temperatur erhielt, mit der
Entladungsröhre in Verbindung gebracht und die relativen
Helligkeiten von H« und der grünen Hg- Linie gemessen, nach
Ablauf einer für die Diffusion des Quecksilberdampfes hin-
reichenden Zeit. Die Helligkeit der Hg-Linie erreichte schon
innerhalb weniger Minuten ihr Maximum, was immerhin über-
raschend ist, wenn man den Umstand in Betracht zieht,
dass der Hg-Dampf eine ca. ^2 ^ lange und durchschnittlich
1) E. Wiedemann, Wied. Ann. 5. p. 517. 1878.
2) K. R. Koch, Wied. Ann. 38. p. 216. 1889.
I
Gasspectra, Mnfiuss kleiner Beimengungen. 407
ca. 6 mm weite Röhre zu passiren hatte. Die Messungen wurden
wiederholt, während der Wasserstoff verschiedenen Drucken
und das Reservoir E verschiedenen Temperaturen ausgesetzt
war. Die ersten, bei Temperaturen des Reservoirs unter 0®
ausgeführten Messungen stimmten nicht gut überein und waren
nicht befiriedigend. Der Grund hiervon liegt in der bedeuten-
den Schwierigkeit, die unter diesen Umständen geringe In-
tensität der grünen Linie zu messen; vielleicht ist dies auch
Sparen von HgO, die noch in der. Röhre enthalten waren,
zuzuschreiben. Die bedeutendste Schwierigkeit verursachte
indessen die Schätzung der Intensität des vom Wasserstoff-
spectrum gebildeten Hintergrundes, die von der scheinbaren
Intensität der Hg- Linie abzuziehen war. Bei weitem Spalt
und frischem Wasserstoff war derselbe in diesem Bereiche
gleichförmig und continuirlich, und die wahre Intensität der
Hg-Linie wurde angenommen als die Differenz zwischen ihrer
scheinbaren Intensität und der der benachbarten Theile des
zusammengesetzten Wasserstoffspectrums.
Es wurde die Beobachtung gemacht, dass bei kleinen
Drucken, wenn die Entladungen einige Minuten angedauert
hatten, in der Umgebung der grünen Linie mehrere licht-
schwache und unscharfe grüne Linien auftraten. Sorgrältige
Untersuchungen unter Ausschluss von Hg- Dampf fühi*ten zu
der Entdeckung einer anderen Linie, die mit der Hg-Linie
fast coincidirt. Wie sich herausstellte, waren die Intensitäten
dieser vier Linien gleich bei verschiedenen Wasserstoffdrucken.
In Zukunft wurde daher die Intensität der am nächsten ge-
legenen jener unbekannten Linien sowohl wie die des unter-
liegenden zusammengesetzten Wasserstoffspectrums von der
scheinbaren Intensität der Hg-Linie abgezogen, um die wirk-
liche Intensität der letzteren zu bekommen. Augenscheinlich
gehörten diese Linien nicht dem H-Spectrum an, da sie zu-
gleich mit der Hg-Linie verschwanden, sobald ein langsamer
Strom reinen Wasserstoffs durch die Röhre geleitet wurde.
Sie zeigten sich auch in einer Röhre mit inneren Elektroden,
sowie in einer solchen, welche Stickstoff enthielt. Sie wurden
unsichtbar, wenn der Druck 4 bis 5 mm überstieg, desgleichen
bei Gegenwart von viel Quecksilberdampf.
Die auf diese Weise ausgeführten Schätzungen der Hellig-
408 P. Lewis.
keit der Hg-Linie stimmen gut überein. War die Temperatur
des Quecksilberreservoirs £ niedriger als —5^, so war die
Linie für Messungen zu lichtschwach. Bei —20® war 8ic%
kaum noch mit dem Auge wahrnehmbar und bei —40® toU-
ständig verschwunden. Diese Begrenzung änderte sich natur-
gemäss mit der Weite der Capillare der Entladungsröhre,
sowie auch mit der Stromstärke. Befand sich der Wasserstoff
unter hohem Druck, so änderte die Hg-Linie ihre Helligkeit
sehr langsam, und wepn die Temperatur des Quecksilber-
reservoirs E 10® oder mehr beträgt, bleibt sie sichtbar noch
bis zu Drucken von 10 cm und darüber, wofern nur das
äusserst schwache, zusammengesetzte Spectrum des Wasser-
stoffs wahrnehmbar ist.
Gemessen wurde die Intensität von H«, der grünen
Hg-Linie und der benachbarten unbekannten grünen Linie
(oder, wenn diese nicht erschien, das angrenzende zusammen-
gesetzte Wasserstoffspectrum). Das Quecksilberreservoir hatte
dabei eine Temperatur von -5®, H-3®, +7®, +11®, +21®
und stand mit der Vacuumröhre in Verbindung. Der Dampf-
druck des Quecksilbers in der Röhre war gleich dem Sättigungs-
druck desselben im Reservoir. Diese Drucke wurden nach der
Hertz* sehen *) Formel berechnet:
logp = 10,59271 - 0,847 log T - ?^ .
Gewöhnlich wurden die Ablesungen nach dem Einbringen
von frischem Wasserstoff gemacht (nachdem für die Diffusion
des Hg-Dampfes genügende Zeit belassen war); zuweilen
wurden indessen die Beobachtungen an einem und demselben
Gasquantum wiederholt, wobei dann der Druck durch Aus-
pumpen vermindert wurde. Die so erhaltenen Resultate sind
in den nachstehenden Tabellen mit ( — ) bezeichnet. Eine An-
zahl ähnlicher Beobachtungen wurde zu verschiedenen Zeiten
angestellt; sie ergaben dieselben qualitativen Ergebnisse. Die
unten angegebenen schliessen sich indessen unmittelbar an die
vorher beschriebenen Versuche mit reinem Wasserstoff an.
Zum Schlüsse wurden die Beobachtungen mit reinem Wasser-
stoff wiederholt, mit dem Ergebniss, dass die Verhältnisse sich
1) H. Hertz, Wied. Ann. 17. p. 199. 1882.
Gtutpectra, Einfiuss kleiner Beimengungen.
409
cLt geändert hatten, sodass also die Resultate unter sich
rgleichbar sind.
Tabelle II.
tmpentor des Quecksilberreservoirs: — 5^; Dampfdruck: 0,000 116 mm.
Intensität
Druck
H«
unbekannte Linie,!
+ zusammenges.
Spectrum
Hg beob.
Hg corrigirt
0,7
1,8
2,7
39
65
78
8,8
8,8
7,8
11,8
10
8,8
3,5
1,2
0,5
Tabelle HL
imperatnr des Quecksilberreservoirs : +3^; Dampfdruck: 0,00022 mm.
Intensität
I>rnck
H«
(0,7)
(1)
(1,8)
(4)
9
86
41
69
61
86
unbekannte Linie,
+ zusammenges.
Spectrum
Hg beob.
Hg
corrigirt
5,3
12,6
7,8
7,3
18,3
6
9,4
11,2
1,8
7,3
10
2,7
8,6
4,9
1,8
Tabelle IV.
'XHperatnr des Quecksilberreservoirs: + 7^; Dampfdruck: 0,00084 mm.
Intensität
I3ruck
0,9
1,2
3,6
(4,4)
5
10
13
22
31
44
H,
33
84
90
68
70
33
16
4
1,5
0
unbekannte Linie,
+ zusammenges.
Spectrum
2,5
2,8
5
5,8
5
5,3
3,6
2,5
1,5
1,5
Hg beob. : Hg corrigirt
10,6
8,2
8,8
8,8
10
7,8
6,7
4,5
3,0
2,5
8,3
5,4
3,8
3,5
5
2,5
3,1
2
1,5
1
410
P. Lewis.
Tabelle V.
Temperatur des Quecksilberreservoirs : n®; Dampfdruck 0,00058 n»
Intensität
Druck
I
1
H«
z^ammengea. Hg beob. ,
H- Spectrum ^
Hg corri^^
(0,8) 1
19
8,3 X
14,8
11,5
1,9 !
53
10,6
^ ; 15,5
4,9
2,5 i
57
10
1 18.8
3,3
(2,7)
49
6,2
„ s : !•>■«
4,4
8.2
61
8,3
1 1 "'»
3,6
(4)
51
8,2
"i-S 1 ^^'2
3
(4,5)
57
10
1 ^^'^
1 7,8
3,3
9
26
5,3
2,5
26
3,3
1,5
^ 3,6
2,1
34
1
0,8
2,8
2
Tabelle VI.
Temperatur des Quecksilberreservoirs: 21®; Dampfdruck: 0,00185 m«'^
Druck
(0,6)
1,1
(1,5)
(2.6)
(2,7)
4
(5,8)
6,5
(14)
19
21
36
H.
16
38
34
39
36
33
87
83
13
7
6
1
Intensität
zusammenges.
H-Spectrum
Hg beob. Hg corrigirt
2,5
30,7
4,2
82
6,2
31
7
28,8
5,7
19
7
23,8
7,3
17
7,3
14,8
4,9
10,6
3,9
9,3
3,6
8,2
1,1
3,8
28,2
27,8
25
16,8
18,3
16,8
9.7
7,5
5,7
5,4
4,6
2,2
Bei einem anderen Versuch wurde eine Beobachtungsreibe
auch an H^ ausgeführt. Die Besultate finden sich in nach-
stehender Tabelle.
c
Gcuspecira, Mnfluss kleiner Beimengungen,
411
Tabelle VII.
remperatur des Qaecksilberreservoirs: 21^; Dampfdruck: 0,00185 mm.
Druck
Intensität
H
ß
zusammenges.
H-Spectrum
Hg beob. Hg corrigirt
1
2,5
3,5
4,5
24
8
81
5
42
10
89
11
20
17
20
16
11,8
8,7
10,1
4,6
Die graphische Darstellung findet sich in Fig. 2. Die
■^rven sind den Tabellen nach numerirt.
Betrug die Temperatui' des Quecksilbers —5® und +3®,
^ War die Intensität von H« fast genau dieselbe wie bei Ab-
wesenheit von Hg -Dampf. Hatte das Quecksilber die Tem-
peratur 7^, so trat eine geringe Abnahme der Intensität von
I« ein. Dieselbe wurde ausgeprägter bei 11 und 21 ^ Auch
^© Intensität von H^? wurde bei Anwesenheit von Hg-Dampf
jWk herabgesetzt (vgl. Tab. I). Ferner wurde die maximale
'-^^tensität von H« , welche bei reinem Wasserstoff 3 mm Druck
'titsprach, durch die Gegenwart des Quecksilbers etwas gegen
höhere Drucke verschoben. Ungefähr an dem Punkt, wo die
Intensität von H« bei abnehmendem Druck anf&pgt zu sinken,
beginnt die Lichtemission des Quecksilbers sehr rasch anzu-
steigen. Das zusammengesetzte Spectrum unterliegt etwas
inregelmässigen Veränderungen (wie aus Vergleichung von
Tab. IV mit den anderen ersichtbar ist). Im grossen und
;anzen gehorcht es aber denselben Gesetzen wie H«.
Der Einfiuss des Hg-Dampfes auf die Emission des Wasser-
tofifs geht aus folgender Tabelle deutlich hervor. Nach dem
Einbringen von frischem Wasserstoff nahm die Intensität von
\a und dem zusammengesetzten Spectrum in dem Maasse
tb, wie aus dem auf 20^ erwärmten Reservoir Hg-Dampf
linüberdiffundirte und stieg, sobald das Reservoir abgekühlt
vurde.
412
P. Lewit.
Ta
ibelle VIII.
1
Intensität
1
1
Druck
"<■
zusammeDges.
H-Spectrum
Hg beob.
Hg corr.
i
{
86
4,5
1
0
0
Frischer Wasserstoff
0,9 {
1 15
2,5
18
15,5
Hg bei Temp. 20 **
1
28
6 11
5
Hg bei Temp. 5**
f
59
13 10,
0
Frischer Wasserstoff
M
38
4,5 32 i
27,8
Hg bei Temp. 21''
l
63
1
12,5
19,8
7,3
Hg bei Temp. 5*>
* i
100
12
0
0
Frischer Wasserstoff
33
7
23
16,8
Hg bei Temp. 21*
6,6 {
59
11
0
0
Frischer WasseretoÖ
33
7,3
14,8 ,
7,5
Hg bei Temp. 21*
I
Diese Beobachtungsreihen sind an verschiedenen Tagen
und unter verschiedenen Umständen erhalten worden; es sind
daher ihre absoluten Werthe nicht miteinander vergleichbar«
Zuweilen wurde die Hg -Dampf enthaltende Röhre mit^
einem Bunsen'schen Brenner stark erhitzt, was indessen keine
Intensitätsänderungen des Wasserstoff- oder Quecksilberspec'*
trums zur Folge hatte. Durch die Temperaturerhöhung konnten
nur kleine Aenderungen der Dichten beider Gase bewirkt
werden, da das Rohr an beiden Enden durch Hähne geschlossen
war. Es ist daher wahrscheinlich, dass in diesem TemperatuT"
intervall die Beziehung zwischen den beiden Spectren nicht
als Function der Temperatur aufzufassen ist, sondern als
Function der relativen Dichten beider 6ase.
Obschon die Emission des Quecksilbers kein Maximum
erreicht, sind dennoch die relativen Dichten und relativen In«
tensitäten von Hg und H» annähernd proportional für aUe
Drucke des Wasserstoffs unterhalb 6 mm, wie folgende Tabelle
zeigt. K ist ein Proportionalitätsfactor, ^h und ^Hg die Dichtig-
keit von Wasserstoff und Quecksilber, und /h und /ng die In-
tensitäten von Ha und der grünen Hg-Linie.
f
Gattpectra, Mnfitiss kleiner Beitaengungen.
413
Tab(
Blle
IX.
Druck
A-
^K
B
A
1
1
0,75
0,75
2
2
1,7
0,85
3
3
2,3
0,76
4
4
3,2
0,80
6
6
4,2
0,70
8
8
3,5
0,40
Die Abhängigkeit der Intensität der Hg-Linie vom Dampf-
druck D des Quecksilbers, wie sie aus den Curven in Fig. 2
hervorgeht, ist in folgender Tabelle zusammengefasst.
Tabelle X.
Druck des Wasserstoffs
Diese Resultate zeigen unregelmässige Abweichungen, die
indessen innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler liegen.
Es geht aus ihnen die Proportionalität der Strahlungsintensität
^t der Dichte deutlich hervor, allerdings unter der Annahme,
^^88 in allen Fällen der Strom bei einem bestimmten Wasser-
stoffdruck derselbe ist. Es scheint in der That sehr unwahr-
scheinlich, dass so minimale Quantitäten Quecksilberdampf die
Stromstärke erheblich alteriren. Warburg ^) hat nachgewiesen,
dass in einer Wasserstoflfröhre der Quecksilberdampf das Ka-
thodengefälle nicht wesentlich beeinflusst, auch wenn er in
Solchen Mengen vorhanden ist, dass er ein glänzendes Spec-
trum liefert.
1) E. Warburg, Wied. Ann. 31. p. 574. 1887.
414 P. Lewis,
Die Curven in Fig. 2 thun dar, dass bei einem Wasser-
ßtoffdruck von 3 mm und einer Temperatur des Quecksilbei^
reservoirs unterhalb 7® die Helligkeit von H« durch dfP
Hg- Dampf fast nicht geändert wird; dass sie durch denselben
dagegen um mehr als die Hälfte verringert wird, wenn die
Temperatur des Reservoirs 21^ beträgt. Dasselbe gilt für H^
und in etwas geringerem Grade auch für den grünen Theil
des zusammengesetzten Spectrums. Andere Theile des zn-
sam mengesetzten Spectrums wurden zu Messungen nicht her-
angezogen, aber es wurde beobachtet, dass die Helligkeit dieser
Bereiche annähernd in gleichem Verhältnisse abnahm, sodass
also die Intensität des sichtbaren Spectrums in seiner ganze;
Ausdehnung um mehr als die Hälfte reducirt wurde. Di
relativen Dichten der Hg-Dämpfe bei 3 und bei 21 ® und di
des Wasserstoffs bei 3 mm Druck betragen:
0,00022 200 AnA7Q A 0,00185 200 aa^ka
— ^ -^- = 0,0073 und -^ -— = 0,0450.
Also die Hinzufügung von 4 6ewichtsproc. Hg-Dampf zu Wassei
Stoff von 3 mm Druck, oder mit anderen Worten: die HinzoK-
fügung eines Molecüles Hg zu 2500 Molecülen H bewirkt ein^
Herabminderung der sichtbaren Strahlungsenergie des Wasser«
Stoffs um mehr als die Hälfte. ,
Eine Erklämng für diese Erscheinung ist nicht leicht zu i
finden. E. Wiedemann*) legt die auf Grund seiner vorhin
erwähnten Versuche die Vermuthung nahe, dass im allge-
meinen Metalldämpfe bessere Leiter der Elektricität seien, als
nicht-metallische Dämpfe. Aehnliche Erscheinungen sind aller-
dings auch von Anderen beobachtet worden. Bekanntlich ver-
schwindet bei Gegenwart geringer Mengen Na oder K im
elektrischen Lichtbogen das Kohlenspectrum fast gänzlicL
Trowbridge*) weist nach, dass durch 30 proc. Fe im Licht-
bogen das Auftreten des Eohlenspectrums vollständig aus-
bleibt Indessen haben J. J. Thomson') u. A. gefunden,
dass, während einige Metall dämpfe fast so gut leiten, wie dis-
sociirbare nicht-metallische Gase, erhitzter Hg-Dampf ein
1) E. Wiedemann, Wied. Ano. 5. p. 517. 1878.
2; J. Trowbridgc, Phil. Mag. 41. p. 450. 1896.
3) J. J. Thomson, Phil. Mag. 29. p. 364 u. 441. 1890. |
Gasspectra, Einfluss kleiner Beimengungen. 415
nahezu vollständiger Nichtleiter ist. Die aus meinen Ver-
suchen folgenden Thatsachen, dass die sehr kleinen Mengen
'Hg-Dampf, die einem Drucke von 0,0002 oder weniger ent-
sprechen, das Wasserstoffspectrum nicht alteriren, dass die
Emission des Hg-Dampfes proportional ist seiner Dichte, end-
lich dass die relativen Helligkeiten des Wasserstoffs und Queck-
silbers proportional sind ihren relativen Dichten, scheinen
nicht dafür zu sprechen, dass dem Hg-Dampfe ein unverhält-
lussmässiger Theil der Gesammtenergie durch den Strom mit-
getheilt wird. Dagegen spricht auch die bekannte Thatsache,
dass ein Rohr, welches ohne Abhaltung des Quecksilber-
dampfes durch die Quecksilberluftpumpe evacuirt ist, dem
Strome einen ausserordentlich grossen Widerstand entgegen-
setzt Es muss also nach einer anderen Erklärung für diese
Verminderung der Intensität des Wasserstoffspectrums gesucht
^^rden.
Aehnliche Wirkungen sind bei Flamm enspectren beob-
<^\\jd\, worden, wo eine Thätigkeit des elektrischen Stromes
^\)erhaupt nicht in Frage kommt. Bringt man Salze in eine
* lamme, so nimmt man bloss die Spectra der Metallcompo-
^enten wahr (Verbindungsspectren, wenn keine Dissociation
tattfindet). Im Sonnenspectrum sind die einzigen identificir-
>aren Linien von Nichtmetallen die des Wasserstoffs, Heliums,
Kohlenstoffs und Siliciums.
Hr. Prof. Warburg brachte mich auf den Gedanken,
lass die Emission möglicherweise eine secundäre Folge des
Itromes sei, indem der Strom in erster Linie eine Art un-
ichtbarer Strahlen hervorbringe (nach Art der Kathoden-
tralilen). In der Absorption dieser Strahlen liegt die Be-
ingang des Leuchten s. Falls nun die Strahlen durch den
^uecksilberdampf besonders stark absorbirt werden, lässt sich
ladurch seine spectroskopische Empfindlichkeit, sowie auch
eine Eigenschaft, das Wasserstoffspectrum abzuschwächen,
ehr wohl erklären.
Einfluss des Sauerstoffs auf da£ WasserstofiGspectnim.
Sehr kleine Sauerstoffmengen dem Wasserstoff beigemengt,
zeigten einen sehr bemerklichen Einfluss auf die Lichtemission
ies Wasserstoffs. Die grösste Helligkeit von H« wurde erst
416
P. Lewis.
bei viel niedrigeren Drucken erreicht, als im Falle des reinen
Gases; oder aber es war das Maximum weniger scharf definiri
Ein Gleiches wurde beobachtet, wenn in der Röhre Sparer
von Luft zurückblieben. Unter diesen Umständen schien dem
Quecksilberdampf ein weniger ausgeprägter Einfluss hinsichtlich
der Abschwächung des Wasserstofibpectrums zuzukommen.
Tabe]
ile XI.
Nr. der
1
1
1
Zusammenges.
Nr. der
1
1
1
1
1
Zasammeng
0 -Ver-
Druck
Ha
Spectrum
0 -Ver-
Druck
Ha
Spectrun
dünnung
(grün)
dünnung
0,6
47
(grün)
1
1 0,8
10,6
2,5
1
1,8
8,2
2
0,8
45
1
1 -^—
III
2,6 : 3,6
0,8
1,1
i 49
1
3,2 2
0,8
1,2
47
5 1,5
0,3
l,'<f
49
'
VII
1 7
0,6 i 18
3,1
V A &
1 1.8
1
1 53
w
1,2
16,3
3,1
1,9
49
—
IV
2,2
8,2
3,1
2,4
1
45
—
3,1
5,3
*
2,5
' 4
28
. 5
3,6
0,8
6
! ^^
^^■"
0,7
18
3,6
' 0,6
1
42
—
' 0,9
18 1
3,6
0,9
70
—
1
18 :
3,1
i 1.1
78
—
1,3
20
20 ,
4,5
3,9
VIII
1,9
2
81
81
—
2,3
20
4,5
2,2
76
—
V
7
2,9
20
4,5
2,9
70
—
3,2 20 1
/
4,5
3,6
65
—
' 1
, 4 18
4,5
4
89
—
0,7 J
1
3,6
0,7
83
—
i
1,2
57
—
7,5 ^ 6 ;
3,1 1
1,4
57
W^i^
; 0,7 36
1
Reiner
Waflsor-
1
2,6
2,8
76
70
—
«
1,0 42 i
1,1 ;42 :
1
stoflF
8,6
70
1
—
VI
1,7 42 '
2,1 39
1 1
.
4,2
' 1
58
36
3,6 22 j
—
1 i
1
1
■
6
1
13,3|
i
t 1
1
1
1
t
Gattpectra,
I kleiner Beimenguttgen,
Durch gelindes Erhitzen wurde aus dem in der Kugel B
(Fig. 1) enthaltenen EaliumpermangaDat reiner Sauerstoff ent-
9. wickelt und iu das Vacuumrobr eingeleitet. Ein Zusatz von
3 — 4 Proc. Sauerstoff za reinem Wasserstoff (wie sich aus der
damit yerbnudenen Druckänderung constatiren liess) hatte eine
derartige Abnahme der Helligkeit der
Ehitladungen zur Folge, daes überhaupt
kein Spectrum mehr zu sehen war.
Beim Zußlgen von mehr Wasserstoff er- i
schien ein blasses, scheinbar continuir-
liches Spectrum; nach weiterem Wasser- ;
Stoffzusatz traten Hg, H^ und die grüne
Hg-Linie [herrührend von in der Röhre ce -
zurückgebliebenen Spuren von Queck-
silberozjd) auf. Erst nach mehrmaligem -
Verdünnen innerhalb der Trockenröhren,
BO dass nur ein minimaler Rest Sauer- '
Stoff übrig blieb, gewann das Wasser-
atoffspectrum einigermaassen an Hellig- -^t
keit. Die Resultate sind in vorhergehender
Tab. XI zQsammengefasst und in Fig. 3 '
graphisch dargestellt. Die unteren, punk-
tirten Curven beziehen sich auf die In- '
tensität des zusammengesetzten Spec-
trame im 6rün, oben in Reihe III and V
enthalten.
E^ zeigen diese Curven:
■%
, t
1
. 4
■
■4t
Siflt
ü
fm,.„
tS- '
\J *< raUJo
'^"\ 1
•\* \ ""*•
Fig. 3.
. Eine mit wachsendem Sauerstoffgehalt zunehmende Ver-
schiebung des Helligkeitsmaximums nach niedrigeren Drucken.
2. Eine Verminderung der Intensität von H^ bei Drucken
oberhalb 1 mm, ein Zunehmen derselben bei Drucken unterhalb
1 mm. Paalzow und Vogel'] beobachteten ein Stärkerwerden
des 0-Spectnims durch Hinzufügen von Spuren von Wasserstoff.
Eine gewisse Menge des Gasgemisches, durch welches
schon Entladungen hindurchgegangen waren, wurde über Nacht
in der Röhre gelassen. Am nächsten Morgen zeigte H^ wieder
ein scharf deBnirtes Maximum bei 3 mm. Allem Anschein
1) A. Paalzow u. H. W.Vogel, Wied. Ann. 18. p. 33T.
418
P. Lew ig.
nach hatten sich die Grase unter dem Ginfluas des Stromes
verbunden, und es war der gebildete Wasserdampf in den
Trockenröhren absorbirt worden. %
Als aus dem Qnecksilberreservoir von der Temperatur
20" Hg-Dampf eingeführt wurde, trat eine Schwächung des
Wasserstoffiicbtes in geringerem Kfaasse ein, als dies bei nicht
sauerstoffhaltigem WasserstofT der Fali war. In der That war
die Helligkeit von H^ grösser bei Drucken oberhalb 2 mm,
geringer bei kleineren Drucken. Ee ist dies in Fig. 4 zam
*.^v
^^
Z S^
is^««,.
-T-T
» t
:i
t3
^
, \
v^-
«^X
"^
S*«u)
»■"^--.r
Pig. 4. Rg. 5.
Ausdruck gebracht. Die Erscheinung lässt sich folgender-
maassen erklären. Bei Drucken Über 2 mm beseitigt das
Quecksilber einen Theil des Sauerstoffs, indem es sich damit
verbindet. Damit steigt die Reinheit des Wasserstoffs and
somit auch die Helligkeit seines Spectrums. Unterhalb 2 mm
ist die Menge des vorhandenen Sauerstoffs so gering, dass er
vollständig vom Quecksilber fortgenommen wird. Letzteres wirkt
dann auf den Wasserstoff in seiner charakteristischen Weise.
Es wurde bei Anwesenheit noch geringerer Quantitäten
Sauerstoffs einige Male Hg-Dampf eingeführt. Der eintretende
Effect war dann jedesmal schwächer, als in reinem Wasser-
stoff. Aber nach kurzer Zeit verminderte sich die Intensität
von H„, bis derselbe Werth erreicht wurde, wie bei Wasser-
stoff, der keinen Sauei-stoff enthielt. Es ist dies mit obiger
Erklärung in voller U eberein Stimmung.
Gcuspectra, Einfluss kleiner Beimengungen,
419
Die Gegenwart von Sauerstoff veränderte die Farbe des
itladungslichtes von blass rosa in ein schwaches dunkelroth.
Einfluss des Wasserdampfes auf das Wasserstofispectrum.
Das Quecksilberreservoir E wurde durch ein Gefäss er-
tzt, welches eine ziemlich concentrirte wässerige Lösung von
hwefelsäure enthielt. Dasselbe war auf 3^ abgekühlt. Das
icuumrohr wurde wiederholt ausgepumpt, erhitzt, sodann
t reinem, trockenem Wasserstoff gefüllt und die Intensitäts-
sssungen an Ha vorgenommen. Die Lage des Maximums
l\. Fig. 5) deutete auf das Vorhandensein noch zurück-
bliebener Spuren von Sauerstoff.
Nun wurde das Schwefelsäuregefäss geöffnet. Der Wasser-
mpfdruck muss zwar ausserordentlich klein gewesen sein;
iessen wurde doch fast momentan eine recht bedeutende
irkung constatirt.
Die Resultate sind im Folgenden zusammengestellt. Die
aphische Darstellung vgl. Fig. 5. Die unteren punktirten
irven beziehen sich auf das zusammengesetzte Spectrum.
Trockener
Wasserstoff
Tabelle
xn.
Druck
1
Ha
Zusammengesetztes
1
Spectrum (grün)
0,9
45
5
1,*
61
6
1,7
61
7
2,3
53
7
2,9
49
7
3,8
42
7
4,9
' 33
7
( 0,8
: 24
8,6
i 1,1
26
3,6
1 1,6
26
7
2,7
20
7
4,2
1 15
4,5
Vasserdampfhaltiger
Wasserstoff
Der Einfluss des Wasserdampfes ist dem des Sauerstoffs
knz analog, wie sich das auch erwarten Hess. In der ßegel
Bur die Wirkung auf das zusammengesetzte Spectrum grösser
s die oben beschriebene.
27*
420 P. Lewü.
Wurde die Verbindung des Schwefelsäurebehälters mit
der Röhre unterbrochen und dafür der Zugang zum Trocken- ^
apparat geöffnet, so nahm das Licht des Wasserstoffs all- ^
mählich an Intensität zu.
Die hier erörterten Erscheinungen dürften in naher Be-
ziehung zu den Beobachtungen von War bürg ^) stehen. Letzterer
fand nämlich, dass sehr geringe Mengen Wasserdampf in be-
merklicher Weise das Eathodengefälle in Wasserstoff be-
einflussen. Für die durch den Wasserdampf verursachte
starke Herabsetzung der Lichtstrahlung braucht nicht noth-
wendige Voraussetzung zu sein, dass auch die Stromstärke
durch Anwesenheit von Wasserdampf stark vermindert wird.
Das zusammengesetzte Wasserstofibpectrum.
Bei keinem dieser Versuche war das zusammengesetzte
Wasserstoffspectrum abwesend. Durch Spuren von Queck-
silberdampf, Sauerstoff oder Wasserdampf wurde die Strahlung
sowohl des elementaren als auch des zusammengesetzten Spec-
trums beträchtlich reducirt, und letzteres erschien bei engem
Spalt oft sehr lichtschwach. Wahrscheinlich würde das zu-
sammengesetzte Spectrum bei Benutzung eines sehr engen
Spaltes und 6 ei ssl er 'scher Röhren ohne Längsdurchsicht^
oder bei sehr grosser Dispersion überhaupt nicht sichtbar
sein, wenn der Wasserstoff Quecksilber, Sauerstoff oder
Wasserdampf enthält. Zweifelhaft ist, ob in reinem Wasser-
stoff bei niedrigen Drucken ein vollständig isolirtes elemen-
tares Spectrum überhaupt jemals beobachtet wurde. La-
garde^ erhielt ein scheinbar reines elementares Wasserstoff-
spectrum nur bei Gegenwart von Wasserdampf, und dann
war die Intensität des Linienspectrums selbst bedeutend durch
den Wasserdampf reducirt. Salet^) und Cornu*) erhielten
ein reines elementares Spectrum nur nach mehrmaligem Aus-
spülen der Röhre mit Sauerstoff. Es ist nicht ausgeschlossen,
dass Spuren von Sauerstoff in der Röhre zurückblieben, welche
1) E. Warburg, Wied. Ann. 31. p. 575. 1887.
2) H. Lagarde, Ann. de Chim. et de Phys. 4. p. 265. 1885.
3) G. Salet, Ann. de Chim. et de Phya. 28. p. 22. 1871.
4) A. Cornu, J. de Phys. (2) 5. p. 100. 1886. .
Gasspectra, Einfluss kleiner Beimengungen, 421
das zusammengesetzte Spectrum stark schwächten. Ames^),
Schumann^ und Huton^) gelang es niemals, das zusammen-
\ gesetzte Spectrum zu beseitigen. Schumann erhielt es am
intensivsten in Röhren, die er am sorgfältigsten gereinigt hatte,
und am schwächsten in solchen, die überhaupt nicht gereinij^
waren und daher wahrscheinlich Bestandtheile enthielten, die
Sauerstoff oder Wasserdampf abgeben konnten. Hutton fand,
dass es nach Ausspülen der Röhre mit Sauerstoff viel schwächer
war. Trowbridge*) erhielt bei Anwendung eines sehr grossen
Condensators ein einfaches Linienspectrum des Wasserstoffs,
in welchem er kein zusammengesetztes Spectrum wahrnehmen
konnte. Sowohl die drei letztgenannten Beobachter, als auch
ich selbst haben bemerkt, dass diejenigen Entladungen, die
das reinste elementare Spectrum lieferten, roth aussehen, dass
hingegen, wenn das zusammengesetzte Spectrum besonders
ausgeprägt ist, die Entladung bei kleinem Druck sehr blass
rosa oder fast weiss, bei höherem Druck bläulich weiss er-
scheint.
Bei diesen Versuchen wurde beobachtet, dass bei reinem
Wasserstoff die Intensitäten des elementaren und des zu-
sammengesetzten Spectrums mit Aenderung des Stromes und
der Dichte zu gleicher Zeit zu- oder abnehmen, wenn auch nicht
in gleichem Maasse. Die durch Quecksilber, Sauerstoff und
Wasserdampf verursachten Aenderungen der beiden Spectren
sind qualitativ, wenn auch nicht quantitativ dieselben. Trotz
vieler Zweifel, die sich dagegen erhoben, scheint es unmöglich,
sich der Schlussfolgerung zu entziehen, dass jenes zusammen-
gesetzte Spectrum wirklich dem Wasserstoff angehört und
nicht etwa Verunreinigungen zuzuschreiben ist. Ferner, da
beide Spectren fast immer unter sehr verschiedenen physika-
lischen Bedingungen nebeneinander zu bestehen scheinen, liegt
die Vermuthung nahe, dass sie nicht nothwendig verschiedenem
molecularen Bau entsprechen, sondern dass sie Theile eines
und desselben Spectrums sind. Die Unterschiede, die ihr Aus-
1) J. S. Arnes, Phil. Mag. 80. p. 50. 1890.
2) y. Schumann, Jahrb. f. Phot 8. p. 59. 1894: Beibl. 18.
p. 752. 1894.
3) R. S. Hutton, Phil. Mag. 46. p. 338. 1898.
4) J. Trowbridge, Phil. Mag. 43. p. 137. 1897.
422 P. Lewis.
sehen unter Terschiedenen physikalischen Bedingungen bietet,
sind kaum auffallender als solche, wie man sie auch bei Linien
wahrnimmt, die allgemein als zu einem und demselben Spec-%
trum gehörig angesehen werden, wie es beispielsweise bei den
grünen und gelben Linien des Quecksilbers der Fall ist, wenn
die Dichte seines Dampfes variirt.
II. Sauerstoff.
Einige Versuche, bei denen Röhren mit inneren Elek-
troden angewandt wurden und der Schwefelsäureyerschluss
zwischen Röhre und Pumpe fehlte, zeigten, dass in einer
reinen Sauerstoffatmosphäre das Spectrum des Ton der Pumpe
herkommenden Quecksilbers vollständig fehlte. Eisig ^) fand
ebenfalls, dass in Sauerstoffröhren die Hg-Linien nicht auf-
treten.
Das Zufügen einer minimalen Spur Wasserstoff bewirkte
das sofortige Erscheinen der grünen Linie. Zur Bestätigung
dieser Beobachtung wurden weitere Versuche an Röhren mit
äusseren Elektroden angestellt.
Die Röhre wurde mit reinem, aus Kaliumpermanganat
hergestelltem Sauerstoff beschickt. Selbst bei kleinen Drucken
war das Leuchten der Entladungen nur sehr schwach und es
konnte nur ein äusserst blasses, wie es schien continuirliches
Spectrum wahrgenommen werden. Nachdem der Strom einige
Minuten lang hindurchgegangen war, änderte sich die Farbe
der Entladungen von blassrosa in weiss und die rothe H-Linie
und die CO-Banden traten auf. Bei mehrmaligem Ausspülen
def Röhre mit reinem Sauerstoff nahmen letztere dauernd ab.
Die Röhre wurde mit frischem Sauerstoff gefüllt und mit
dem auf 20^ erwärmten Quecksilberreservoir verbunden. Ob-
gleich auf die Diffusion des Hg-Dampfes geraume Zeit gewartet
wurde, kam die grüne Linie nicht zum Vorschein, bis die
Linie H« sichtbar wurde.
Es wurde eine Spur frischen Wasserstoffs hinzugefügt
Der Erfolg bestand in einem langsamen Zunehmen der In-
tensität der Wasserstoff- und Quecksilberlinien. Zu keiner
Zeit wurde irgend eine Sauerstoff li nie bemerkt; ebensowenig
1) M. Eisig, VVied. Ann. 51. p. 750. 1894.
Gasspectra, Einfluss kleiner Beimengungen. 423
zeigte sich die grüne Hg- Linie, wenn nicht gleichzeitig Wasser-
stoff zugegen war.
War das Quecksilberreservoir geöffnet, so leuchtete bei
Beginn der Entladungen die grüne Linie hell auf, um darauf
wieder zu verblassen. Wurde der Strom unterbrochen und
gleich wieder geschlossen, so kehrte das Aufleuchten nicht
wieder. Dagegen trat es immer ein, wenn einige Secunden
gewartet wurde, bis neuer Hg-Dampf in die Capillare der
Röhre hineindiffundirt war. Dieses Aufleuchten rührt offenbar
her entweder vom Durchgang der Entladung durch freien
Hg-Dampf oder aber von dem Process der (chemischen) Ver-
bindung des Quecksilbers mit dem Sauerstoff. Dass thatsäch-
lich chemische Vereinigung stattfand, ging aus der Druck-
abnahme in der Röhre hervor. In einem Fall sank der Druck
während weniger Minuten des Stromdurchganges von 1,9 auf
0,8 mm.
Das Hg-Reservoir wurde auf — 13® abgekühlt. Es be-
wirkte dies nicht die mindeste Aenderung der Intensität der
grünen Linie, wie es bei den Versuchen mit Wasserstoff der
Fall war, wo die Helligkeit des Hg-Spectrums rasch und mit
Sicherheit den Temperaturschwankungen des Reservoirs folgte.
Erhitzen der Röhre bewirkte ebenfalls ein rasches Anwachsen
der Intensität dieser Linie (in einem Falle von 13 auf 87);
ebenso verhielt sich die gelbe Linie. Ein gleichmässiger Strom
von frischem Wasserstoff verringerte die Helligkeit des Hg-
Spectrums nicht. Diese Thatsachen beweisen, dass sich der
Quecksilberdampf nicht im freien Zustande befand, sondern
in Quecksilberoxyd überging.
SchluBsfolgerungen.
1. Minimale Quantitäten von Verunreinigungen in einem
Gase können beträchtliche Veränderungen in seinem Spectrum
verursachen, unabhängig davon, ob diese Verunreinigungen
chemisch activ sind oder nicht.
2. Die Zuführung sehr kleiner Mengen Quecksilberdampfes
zu reinem Wasserstoff bewirkt das Auftreten der grünen Queck-
silberlinie im Spectrum. Unter den bei meinen Versuchen
herrschenden Bedingungen verschwindet die grüne Linie erst
bei Abkühlung des Quecksilberreservoirs unter — 20 ^ Bei
424 P. LewU.
dieser Temperatur beträgt der Sättigungsdruck des Queck—
Silberdampfes nur 0,000016 mm.
Bei gewöhnlicher Temperatur und Wasserstoffdruckexm
oberhalb 10cm bleibt die grüne Linie schwach sichtbar, so-
lange ein wenn auch schwaches, zusammengesetztes Wasser- —
Stoffspectrum sich zeigt. Die Emission des mit Wasserstoff
gemischten Quecksilberdampfes unter einem gegebenen Wasser—
stoffdruck ergab sich annähernd proportional der Dichte de*^
Quecksilberdampfes. Die gelbe und blaue Linie erschien nux*
bei Temperaturen über 10®.
8. Geringe Mengen Quecksilberdampfes dem Wasserstoff
beigemischt, vermindern die Helligkeit des elementaren wie des
zusammengesetzten Spectrums um ein Bedeutendes. Unterhalb
6 mm Wasserstoffdruck scheinen die relativen Helligkeiten de^s
Wasserstoff- und Quecksilberspectrums ihren relativen Dichti^—
keiten proportional zu sein. Bei höheren Wasserstoffdrucken
ist die Helligkeit des Quecksilberspectrums relativ grösser.
Werden zu reinem Wasserstoff 4 Proc. Quecksilberdampf bei-
gemischt (mit anderen Worten: kommt auf 2500 WasserstoflE^
molecüle 1 Molecül Quecksilber), so wird die Helligkeit des
gesammten Wasserstoffspectrums auf weniger als die Hälfte
herabgesetzt.
4. In Röhren mit äusseren Elektroden wurde bei An-
legung des benutzten Inductoriums die Emission des Wasser-
stoffs am stärksten bei 3 mm Druck gefunden. Bei Röhren
mit inneren Elektroden tritt unter sonst gleichen Bedingungen
das Maximum erst bei Drucken unterhalb 0,6 mm ein. Die
Lage dieses Maximums hängt wahrscheinlich ausser von der
Stromstärke auch noch von der Gestalt der Röhre ab.
5. Zuflihrung von geringen Mengen Sauerstoff zu Wasser-
stoff bewirkt beträchtliche Veränderungen in der Intensität
des Wasserstoffspectrums. Bei Wasserstoffdrucken unter 1,5 mm
nimmt die Emission zu; bei höheren Drucken nimmt sie ab.
Bei wachsendem Sauerstoffgehalt tritt Verschiebung des Maxi-
mums der Wasserstoffemission nach niedrigeren Drucken ein.
6. Wasserdampf bewirkt dem Sauerstoff ganz analoge
Veränderungen. Wahrscheinlich wird Wasserdampf gebildet,
wenn Entladungen ein Gemisch von Wasserstoff und Sauer-
stoff durchsetzen.
f
GoMpecira, Einfluss kleiner Beimengungen. 425
7. Das sogenannte ^^zusammengesetzte'^ Spectram gehört
tbatsächlich dem Wasserstoff an und nicht irgend welchen
Verunreinigungen, wie öfters behauptet wurde.
8. Eine sehr kleine Menge von Wasserstoff zu Sauerstoff
hinzugefügt, erregt sofort die Emission vorhandenen Qneck-
silberdampfes. Der Grund dieser Erscheinung ist noch nicht
aufgeklärt.
Hm. Professor Dr. Warburg bin ich für beständigen
Rath und vielseitige Hülfe im Laufe dieser Untersuchung zu
grossem Danke verpflichtet.
Berlin, Phys. Inst. d. Univ., Juli 1899.
(Eingegangen 4. August IS99.)
1^
4. lieber die Auaströmungserscheinungen permar
nenter Gase; von Robert JEmden.
(Schlußs von p. 289.)
(Tafeln hierzu sind dem vorigen Hefte beigelegt.)
II. Theorie der AuBströmungBerBcheinungen.
Wir betrachten die StrömuDg einer Flüssigkeit durch eiu^
Röhre von veränderlichem Querschnitt. An den Orten Ä und
B soll derselbe den Inhalt a^ bez. a^ besitzen. Die Strömung
sei senkrecht zu diesen Querschnitten gerichtet und gleicb'
massig über diese vertheilt. Geschwindigkeit, Druck und Dicht«
der Flüssigkeit bei A und B seien u^PiQ^j bez. u^p^?^'
Ist die Strömung stationär, so können wir zwei Oleichungei^
aufstellen, die der Thatsache Rechnung tragen, dass in der
Zeiteinheit sowohl gleiche Massen, als auch gleiche Energie«
mengen die beiden Querschnitte passiren müssen. Diese Massen
sind in der Zeiteinheit
Die Energiegleichung können wir folgendermaassen auüstellen :
Der eintretenden Flüssigkeitsmasse wird zur Ueberwindus^
des Druckes bei A eine Arbeit mitgetheilt = ;>i «i ^i ; die bei
B entsprechend abgegebene Arbeit ist = p^ u^ (t^. Die kinetische
Energie der eintretenden Masse ist ^ (>i «i o-^ . iij, der austreten-
den ^(>2"2^2-^2' ^^® innere Energie der Gewichtseinheit
Flüssigkeit ist bekanntlich
= fo.dt-.
--fpäv=-fpd'^-, 1
also wird eingeführt
1
und ausgeführt
-Q^u^a^Jpd ^
2
sodass wir haben
m
I
Äusströmungserscheinungen permanenter Gase, 427
pd
Pi "i ^1 + Y 9i ^1 ^1 "I - Qi ^h ^Jp ^^ l =/^2 "2 S + "2 Qt "« ^i "
-P2W3S//''^-^
Dividiren wir durch die betreflfenden Mengen, so erhalten wir
für die Gewichtseinheit
l 2
f + T<- fpd- =^ +1";- r;>rfi- = const.
Üa aber
80 erhalten wir die Gleichung
/y + 2- «' = <=«"«*• ')
Das Integral fdpjg hat verschiedene Werthe, je nach
löx* Natur der Flüssigkeit; für Gase, die während eines
^iabatisch verlaufenden Processes dem Poisson'schen Ge-
^tze /? = A. (>** (x = dem Verhältniss der spec. Wärme c Ic^
[öhorchen, ist
>der
/dp _^ X p
Q "" X - 1 Q
,1 « - 1
1 X X _ 1
= h -Q
X — 1 ^
1 2
X- -1 ' '
1) Die Gleichuug entspricht vollständig derjenigen eines Körpers
*i einer Verticalebene
g h + ^u^ = const .
^ nimmt zu oder ab, wenn u ab- oder zunimmt. Der Fall der Strahlen-
Bildung entspricht, wie wir sehen werden, dem Hinüberleiten und Gleiten
^line Heibung des bewegten Körpers auf einer Horizontalebene mit der
einmal erlangten Geschwindigkeit.
k
428 B. EmdetL
wenn c die den jeweiligen p und q entsprechende Schall-
geschwindigkeit bezeichnet
Wir wenden diese Gleichungen auf unser Problem an.
Wir denken uns ein sehr grosses Gefäss mit einem Gase bis
zum Drucke p^ angefüllt; Dichtigkeit und Temperatur des-
selben seien dann q^ und Ty Durch eine kleine OefinnDg
vom Querschnitte P Quadratmeter ströme dasselbe in einen
Raum, in dem stets der Druck p^ herrschen möge, und wir
nehmen an, die Strömung sei stationär geworden. Im Re-
servoir nehmen wir in einiger Entfernung von der Oeffnung
Ruhe an und haben dann u^ = 0, wodurch die Constante
unserer Gleichung bestimmt ist. In der Oeffnung selbst seien
während der Strömung Druck, Dichtigkeit und Temperatur
p qT, von denen wir vor der Hand nicht wissen, ob sie gleich
den entsprechenden Grössen p^ q^ T^ des Aussenraumes sind.
Für die Geschwindigkeit t<, die Ausflussgeschwindigkeit, mit
der das Gas die Oeffnung F passirt^ haben wir
Vi
Lu^= r^p ^ ^ (pl ». p.)
2 J 9 '^ - 1 Ui 9 1
Durch Einführung der Schaltgeschwindigkeit Cj* = ^Pilh
erhalten wir
«-l/S •■.!/'-(')
K-1
Hier hindert uns vor der Hand nichts, den Druck p in der
Oeffnung gleich dem p^ im Räume, in den hinein die Aas*
Strömung erfolgt, anzunehmen. Wir erhalten dann, wie zu er-
warten, für p^ = p^ ?^ = 0 und für p^ = 0, also Ausströmung
in eiuVacuum, einen Maximal ^erth für w.
Wmax — l/;;-:rY ^1
Mit Hülfe dieser Formeln hat L. Mach die Geschwindigkeiten
des ausströmenden Lufbstrahles berechnet. Es wird sich zeigen,
dass diese Werthe illusorisch sind und in Wirklichkeit nur
t
r
Äuiitrömungserscheinungen permanenter Gase. 429
geringen Druckdififerenzen vorkommen. Die thats&chlich
andenen Geschwindigkeiten erhalten wir nur dann, wenn
gleichzeitig noch Rücksicht auf die ausströmende Gas-
ge nehmen.
Die Gtismenge, welche in der Zeiteinheit die Mündung
lassirt, isi Mm^ F.u.q. Für u setzen wir den bereits ge-
lenen Werth ein, berechnen q aus der Beziehung
P_ Pi_
erhalten nach leichter Umformung
e Formeln f&r u und Af sind zuerst von de St. Venant
WantzeP) gegeben worden. Später (1855) sind sie von
sbach^ wahrscheinlich unabhängig davon abgeleitet
ien und daher unter dem Namen der Weisbach'schen
lussformeln bekannt. In diesen Gleichungen darf dei
dungsdruck p nicht in allen Fällen gleich dem Aussen-
k Pq gesetzt werden. Ist p^ = p^, so liefert die Gleich-
ng von p undpQf allerdings den Verhältnissen entsprechend,
0; findet aber die Ausströmung in ein Vacuum statt, so
ten wir für /? = /?^, = 0 wiederum 3/ = 0, was widersinnig
la wir eher ein Maximum von M erwarten können. Wir
liten nun Folgendes. Nimmt der Aussendruck p^ von p^
Ihlich bis 0 ab, so wird auch der Mündungsdruck p von
m Anfangswerthe p^ aus abnehmen. Die Ausfiussmenge
st nach der abgeleiteten Formel, aber nur, um, nachdem
inen gewissen Maximalwerth erreicht hat, wieder abzu-
en. Wir finden leicht, dass dies Ausflussmaximum er-
b ist, wenn
Pi \x + 1/
.) Barr€ de St Venant uikd Laurent Wantzel, M^moires et
snces aar Töcoulement de l*air, d^termin^ par des diff(6rence8 de
>DB consid^rables. Journal de l'£cole polytechnique. T. XVI. 1839.
l) J. Weisbach, Lehrbuch der Ingenieur- und Maficbinentechnik.
1. Bd. I, p. 280. 1855.
430 B. Emden.
Für atmosphärische Luft z. B., wo x » 1,41, ergiebt sich
Verhältniss = 0,527. Der durch diese Gleichung bestimmjt
Druck p spielt in unserem Problem eine Hauptrolle. Ich nedP
ihn den kritischen Ausflussdruck und bezeichne ihn im Folgen«
den mit pj^. Diese Verhältnisse haben St. Venant und
Wantzel in ihrer bereits erwähnten Abhandlung experimentell
untersucht und sind auf Grund ihrer Versuche zu folgendem^
scheinbar unnatürlichem Ergebnisse geftLhrt worden: Nimmt
der Aussendruck von p^ an ab, so ist, bis derselbe dem eben.
definirten kritischen Drucke gleich geworden, der Mündungs-
druck p gleich dem Aussendrucke p^; und Ausflussmenge unl.
Ausflussgeschwindigkeit wachsen beständig nach den Formeln r
Nimmt p^ aber noch weiter ab, so bleibt p constant =Pj^ uad
auch ^ und u behalten constant Maximalwerthe:
Af
■'"max
- \/.-u «. ". mf - m ■
x+ 1
"- - \/,h " /Mi
- 1
Da die Versuche von St. Venant und Wantzel nur mit
sehr kleinen Recipienten angestellt waren, so wurden ihre
merkwürdigen Ergebnisse angezweifelt und namentlich von
Poncelet^) bestritten. In ausgedehntestem Maasse sind diese
Untersuchungen namentlich von Zeuner^, Fliegener') und
Wilde*) durchgeführt worden, üebereinstimmend bestätigen
dieselben die erwähnten überraschenden Beziehungen, die nicht
mehr angezweifelt werden können. Mit Wilde können wir
1) J. V. Poncelet, Compt rend. 21. p. 195—387. 1845.
2) G. Zeuner, CiviliDgeoieur 20. p. 1. 1874.
3) A. Fliegener, Civilingenieur 20. 1874; 28. p. 443. 1877; 24^
p. 2. 1878.
4) H. Wilde, Phil. Mag. (V). 20. p. 531. 1885; 21. p. 494. 188e.|
Auaströmungserscheinungen permanenter Gase. 431
aussprechen: ^^Ist der äussere Druck kleiner als der kritische
Druck, so verhält sich der Aussenraum dem ansfliessenden
^Oase gegenüber wie ein Vacuum.^' Halten wir also fest:
Nimmt bei gegebenem p^ p^ fortwährend ab, so wachsen Aos-
flussmenge, Ausflussgeschwindigkeit und Ausflussvolumen, bis
A ^ Pu geworden, um von da an constant zu bleiben. Ist
der Aussendruck p^ gegeben und steigern wir im Recipienten
den Druck p^, so wächst Ausilussmenge und -Geschwindigkeit,
[st das kritische Druckverhältniss erreicht, so wächst die Aus-
lassmenge zwar weiter, da die Dichtigkeit im Recipienten
^ächst, die Ausflussgeschwindigkeit und das Ausflussvolumen
ber bleiben constant. Diese Gesetze sind f&r atmosphärische
uft experimentell bestätigt. Da die Ausflussformeln f&r alle
^rmanenten Gase gelten, werden auch diese sich wie jene
^x-Lalten.
Wir betrachten die Verhältnisse, die in der Düsenmün-
^ng vorliegen, sobald dies kritische Druckverhältniss erreicht,
'Bp. unterschritten wird. Das Verhältniss des kritischen
^i'iicks zum Ausflusdruck ergab
Pi [»^ + 1 j
daraus ergiebt sich f&r das Verhältniss der kritischen Dichten
ler kritischen Temperaturen
?» = _2_ •
Ti X + 1
md der kritischen Schallgeschwindigkeiten
Vür die Geschwindigkeit u, mit der das Gas dann die Düsen-
nündung passirt, ergiebt sich
ilso ^ — ^k
1. h. das ausströmende Gas passirt die Mündungsebene mit
Schallgeschwindigkeit, d. h. mit derjenigen Geschwindigkeit,
432 R. Emden.
mit der sich in der austretenden Gasmasse Schallwellen fort*
pflanzen. Wie also das Verhältniss von Innendmck lud
Aassendruck sein möge, es ist die Ausflussgeschwindigkeil
in der Düsenöffnung gleich der Schallgeschwindigkeit, sobald
für jene das kritische Druckverhältniss erreicht oder unter-
schritten wird.
Die Ausflussgesetze von St. Yenant und Wantzel können
wir in einen Satz zusammenfassen: Die Geschwindigkeit^ mit
der ein atisströmendes Gas die Mündungsebene passirt, kann täe
grösser werden, als die daselbst herrschende Schallgeschwindigkiit,
Diese Maximalgeschwindigkeit tritt ein, sowie zwischen Innen" und
Aussendruck das kritische Druckverhältniss erreicht ist
Die Grösse des kritischen Druckes ergiebt sich aus der
Gleichung
\pj U + 1/
N - 1
Neuerdings haben Lummer und Pringsheim^) in der
Physikal. Reichsanstalt neue Bestimmungen you x vorgenommen
und erhalten:
für Luft X » 1,4025,
„ Wasserstoff x - 1,4084,
„ KohleDsäure x = 1,2995.
Daraus berechnet sich:
für Luft pk = 0,528 j?i,
„ Wasserstoff jo» = 0,527 pj,
„ Kohlensäure p^ — 0,540 p,.
Erfolgt der Ausfluss in die Atmosphäre, wo der Druck 1 herrscht,
und steigern wir allmählich den Druck im Recipienten, so wird
ein Druck p;^ erreicht, dem gegenüber der Druck 1 gleich dem
kritischen Druck wird. Für diesen ausgezeichneten Dmci pk'
finden wir
für Luft pj^ = 0b2S ~ ^'®® Atm.,
„ Wasserstoff pj^ = ' 1,90 „
„ Kohlensäure Pj^ » 1,88 „
Die Differenzen dieser Werthe für die verschiedenen Gase sind
bei den Druckmessungen des experimentellen Theiles nicht
mehr nachweisbar. Vergleichen wir hiermit das rein experi-
1) 0. Lummer u. K Pringsheim, Wied. Ann. 64. p. 555. 1898_
AuMströmungserscheinungen permanenter Oase. 433
iitell ermittelte Gesetz Nr. 2, wonach die Schlierengebilde
) Strahles für alle Gase bei einem Drucke von 1^9 Atm.
fzatreten beginnen, so erhalten wir einen Hauptsatz unserer
itersuchungen:
Der ausgezeichnete Druck pjt'j bei dem ein Gasstrahl beim
\sfluss in die Atmosphäre die Düsenm'undung mit Schallgeschwin^
jkeit zu passiren beginnt, ist gleich dem Ausflussdrucke, bei dem
k im Strahle stationäre Schallwellen zu entwickeln beginnen.
Bevor wir das Gas auf seiner Wanderung von der Düse
-t verfolgen , haben wir eine Bemerkung einzuschalten,
e nach obigen Formeln berechnete Ausflussmenge ist in
irklichkeit nie beobachtet worden, sondern stets eine ge-
kgere, die durch Multiplication der berechneten mit einem
uche a, der bei Flachdüsen bis auf etwa ^ sinken kann,
ihrend er bei conischen Düsen nahezu = 1 ist, erhalten wird,
eser Bruch a ist aber nicht vom Drucke abhängig, sondern
. eine jeder Düse eigenthümliche Constante. Dadurch wird
,s über die kritischen Grössen Auseinandergesetzte nicht be-
hrt. Man hat versucht, dies Deficit an Ausflussmenge in
lalogie mit Wasserstrahlen durch eine vena contracta zu er-
Iren, und Reynolds^) glaubt durch Versuche mit aus-
römendem Tabaksrauch eine solche nachgewiesen zu haben.
ies steht aber in vollständigem Widerspruche mit den Strahl-
Idern, die L. und E. Mach und ich erhalten haben. Eine
3rengerung des Strahles ist nie nachzuweisen, und Flach-
Lsen, wo jener Coefficient cc bis zum Werthe ^ heruntersinkt,
jfern dieselben Strahlbilder, wie conische Düsen, wo a nahezu
1. Eine vena contracta ist nie vorhanden; die Ursache
nes Deficits muss also wo anders gesucht werden. Ein Ein-
ihen auf diese Verhältnisse würde hier zu weit führen und
uss einer späteren Publication vorbehalten bleiben. Wir
achen uns im Folgenden von diesem störenden umstände
ei, indem wir unsere Energiebetrachtungen nicht auf die in
5r Zeiteinheit austretende Menge Gases, sondern auf dessen
ewichtseinheit beziehen.
Betrachten wir nun den Umsatz der Energie, die in der
ewichtseinheit des ausströmenden Gases bis zu der Stelle
1) 0. Reynolds, Fhil. Mag. (5) 21. p. 185. 1886.
Ann. d. Phjs. a. Chem. N. F. 69. 28
434 R. Emden.
stattfindeti wo dasselbe die Düse verlässt. Der Ausfluss finde
in eine Atmosphäre vom Drucke Pq=^ \ statt. Solange im £e-
cipienten ein Druck kleiner als p]^ herrscht, liegen die Veivl
hältnisse sehr einfach. In der Düsenmündung herrscht bereit
der Druck 1 und der zur Verfügung stehende Theil ix
inneren Energie ist zur Kolbenarbeit und zur Erzeugung der
lebendigen Kraft der Strömung verbraucht worden. Ist d(
Druck im Recipienten p^ aber grösser als /?»/, so herrscht
der Düsenmündung der kritische Druck p^f und die nun ein-
tretenden Verhältnisse erfordern das sorgfältigste Studium-
Sind im Recipienten Druck und Dichte p^ und q^ und wird
das Gas bis zum Drucke p^ entlastet, so wird eine Energie-
menge umwandelbar pro Gewichtseinheit
Diese Energie zerlegen wir folgendermaasseninzweiTheile:
j>o ^* Po
P\ P\ Pk
lieber den ersten Theil haben wir bereits verfügt; er ist um-
gewandelt in Kolbenarbeit und lebendige Kraft der Strömung.
Den zweiten Theil bezeichnen wir im Folgenden stets mit M'y
haben also
Unterhalb des kritischen Druckverhältnisses ist AT =s 0, um
von da ab dann stetig zu wachsen. In genügender Entfer*
nung von der Düse ist pj^ = p^ geworden, muss also IF ver-
braucht sein. Die allgemeine Ansicht, wie sich diese Um-
wandlung vollzieht, geht dabin, dass sowohl der Querschnitt
des Strahles von der Düsenmündung an, als auch dessen
kinetische Energie solange zunehmen, bis pj^ = p^, geworden.
Namentlich in der technischen Thermodynamik von Zeuner
sind die unter dieser Annahme vorhandenen Verhältnisse näher
dargelegt. Es wird unterschieden zwischen dem bereits er-
wähnten ,, Mündungsquerschnitte" F und dem „Ausflussquer-
f
Ausströmung ser scheinungen permanenter Gase. 435
L schnitte" Foy jenem Strahlquerschnitte, in dem p^ = p^ ge-
I worden.^) Letzterer kann beträchtlich grösser sein als erste-
rrer; strömt z. B. ein Gas unter einem Drucke von 4 Atm.
in die freie Atmosphäre, so ist Fa = 3,88 . F, Ob eine solche
Qnerschnittserweiterung in Wirklichkeit stattfindet, kann nicht
a priori, sondern nur durch Sichtbarmachen oder Abtasten
' des Strahles (vgl. experimentellen Theil) entschieden werden.
Das Abtasten, sowie unsere Strahlbilder (auch der Strahl
unter 4 Atm. ausströmend findet sich darunter) zeigen zur
Sndenz, dass eine solche Elrweiterung nicht stattfindet. Erst
^D beträchtlicher Entfernung von der Düse wird der Strahl
scheinbar stärker, aber nur durch Wirbelbildung, durch Rei-
bung an der umgebenden Luft verursacht, wie die Aufnahmen
bei Dauerbeleuchtung zeigen. Bei 100 Atm. ausströmend,
sieht der Strahl nach Mach aus wie ein 40 cm langer, dünner
Ölasstab von etwa dreifachem Durchmesser der Düse, wäh-
^öd der Ausflussquerschnitt (p^^ = 53 Atm.) ausserordentlich
^^1 grösser sein müsste. Ein Strahl erweitert sich zwar hinter
uöi" Düse, aber aus anderem, später auszuführendem Grunde,
und diese Erweiterungen sind, wie nachgewiesen, periodisch
^^terbrochen von Zusammenziehungen auf den Mündungsquer-
^Ixnitt F, Es wird sich aber auch zeigen, dass jene Energie-
°^^iige W nicht verwandelt sein kann in grössere, lebendige
^^aft der Strömung bei constantem Querschnitte. Es lässt
^^^l zeigen, dass der Strahl von der Düsenmündung an mit
^^xistanter Geschwindigkeit fliesst. Dies zu beweisen, müssen
'^X' in Kürze auf die Theorie der Ausflussstrahlen, im Sinne
]^On Helmholtz,*) eingehen. Helmholtz hat gezeigt, dass
l^^e scharfe, geometrisch vollkommen ausgebildete Kante, an
^^Icher die Flüssigkeit vorbeifliesst, selbst bei der massigsten
^^schwindigkeit der übrigen Flüssigkeit dieselbe zerreissen und
^^ne Trennungsfläche herstellen muss.
Strömt das Gas durch eine scharfkantige Mündung aus,
*o giebt letztere Anlass zur Bildung einer röhrenförmigen
*^i8Continuitätsfläche, welche den Strahl von vollständig ruhen-
1) W. Rankine, Civilingenieur 16 p. 35. 1S78.
2) H. V. Helmholtz, Ges. Abhandl. 1. p. 146; 8. p. 316; G.
Kirchhof f, Mechanik, p. 291.
436 R, Emden»
dem Medium scheidet. Anfang und Ende derselben könne:
nur in der Gefässwandung, welche erstere tangiren muss, nn
in der Unendlichkeit liegen. Ohne Reibung oder auf Hinderr— ^
nisse stossend, müsste der Strahl das Medium ohne End^
durchfliessen. Die Grenz bedingungen für Discontinuitätsflächexi
also auch für die Strahlbegrenzung, sind die, dass 1. der Druals
auf beiden Seiten der Fläche gleich sein muss und 2. ebenso
die normal gegen die Trennungsfläche gerichteten Componenten
der Geschwindigkeit; ist erstere stationär, so müssen diese
Componenten gleich Null sein. Strömt ein Strahl durch die
freie Atmosphäre vom Drucke Pq^ so muss überall in seiner
Obei-fläche der Druck p^ herrschen, in seiner Oberfläche kann
also keine Ursache zu einer Geschwindigkeitsänderung liegen.
Untersuchen wir das Druckgefälle in der Strömungsaxe. Wäre
ein solches vorhanden, so müsste sich die Geschwindigkeit der
Strömung, die bis dahin gleich der Schallgeschwindigkeit war,
vergrössem. Dagegen spricht der Umstand, dass wir im
Strahle stationäre Dichtigkeitsänderungen wahrnehmen; »denn
wir werden im Folgenden drei Beweise angeben, abgesehen
von der in die Augen springenden Evidenz dieser Nothwendig-
keit, dass solche nur dann möglich sind, wenn ihre Fort-
pflanzungsgeschwindigkeit gleich und entgegengesetzt der Strö-
mungsgeschwindigkeit des sie tragenden Mittels ist.
In Richtung des Strahles findet demnach keine Aende-
rung der Geschwindigkeit, also auch keine Aenderung des
Druckes statt. Eine solche kann unter diesen Umständen auch
in radialer Richtung nicht stattfinden, denn nach der zweiten
Oberflächenbedingung muss an der Oberfläche die radiale Ge-
schwindigkeit = 0 sein. Im ganzen Strahle herrscht also
der Oberflächendruck p^ und wir haben das wichtige Resultat:
Der ausfliessende Strahl fliesst nach lieber schreitung des
kritischen iJruckverhältnisses an allen Stellen mit der kritischen
Ausflussgeschwindigkeit u = c, der Schallgeschwindigkeit; und
an allen seinen Stellen herrscht der Druck p^ der freien Atnuh
Sphäre,
Legen wir in die Düsenöflfnung eine Ebene, so herrscht
an derselben Unstetigkeit, sobald das kritische Druckverhältniss
überschritten wird. Zwar ist auf beiden Seiten derselben die-
selbe Dichtigkeit (>^ möglich und dieselbe Geschwindigkeit
•
AusBtromungserscheinungen permanenter Oase. 437
« == c vorhanden und ist die Gewichtseinheit Gas mit derselben
kinetischen Energie \u^ beladen. Aber auf der einen Seite
^örrscht der Druck p^^ und führt die Gewichtseinheit Gas
i^och die Energiemenge
Po
mit sich; auf der anderen Seite derselben ist jo^ = jo^ geworden
und W scheinbar verschwunden.
In welche Energieform hat Jf^' sich umgewandelt?
Nun ist bekannt, dass schwingende Luftsäulen Träger
einer bestimmten Energieform sind.^) Die stationären Schwin-
gungen unseres Luftstrahles können nur auf Kosten einer be-
stimmten Menge Energie erzeugt sein. Wir bezeichnen diese
„Schallenergie" pro Gewichtseinheit austretenden Gases mit w.
Wir könnten nun, da uns kein anderer Ausweg bleibt, als
Hypothese aufstellen, dass diese Energiemenge w gleich ist jener
Energiemenge W^ die pro Gewichtseinheit Gas verschwunden ist.
Einen Schimmer von Wahrscheinlichkeit können wir dieser Annahme
geben durch den Hinweis, dass, wie wir bereits gezeigt haben, jene
stationären Schlierengebilde gerade bei Erreichung des kritischen
Druckverhältnisses entstehen, dass also gerade im gleichen Augen-
blicke ein w aufzutreten und ein H^ zu verschwinden beginnt.
Gelingt es uns aber, diese Energiemenge w zu berechnen und
dafür einen Werth zu finden gleich dem bekannten Werthe
von Wj so wird jener Satz, den wir als Hypothese aufstellten,
zur Gewissheit. Dieser Nachweis wird uns gelingen, und ihm
sollen die folgenden Betrachtungen gewidmet sein.
Wir beginnen mit dem Nachweise, dass in einem mit
constantem Querschnitte fliessenden Strahle stationäre^ ebene
Wellen selbst von geringster Dichtigkeitsänderung nicht möglich
sind, ausser wenn derselbe mit Schallgeschwindigkeit fliesst.
In meiner Originalarbeit habe ich drei Beweise dieses Satzes
gegeben. Ich führe hier den zweiten Beweis an, der gleich-
1) Vgl. "hierzu: M. Wien, Wied Ann. 86. p. 834. 1889; A. Raps,
Wied.Ann.36. p.278. 1889; A.Toepler u. L. Boltzmann, Pogg.Ann. 141.
p. 821. 1870; A. Toepfer, Die Orgel. Erfurt 1842. Wiedergedruckt 1862;
Bosanquet, Phil. Mag. (4). 44. p. 881. 1872; Lord Rajleigh, Phil.
Mag. (5) 18 p. 456. 1877.
488 R. Emden.
zeitig eine Erklärung des experimentell gefundenen Gesetz^^
Nr. 7 ergiebt.
Eayleigh bestreitet^) die Möglichkeit stationärer ebem
Schallwellen von beträchtlichen Dichtigkeitsunterschieden
irgend einer geradlinigen Strömung. Sein Beweis ist folgendes
Es mögen q^ p^ u^ Dichte, bez. Druck und Geschwindigkeit d^
Fluidums in seinem ungestörten Zustande darstellen; gpu seie
die entsprechenden Grössen in einem Punkte der Welle.
Die Continuitätsgleichung ergiebt
(a) QU = QqUq
und die Gleichung der Energie
Durch Elimitiation von u erhalten wir
Po
Diese Gleichung giebt also für den Druck das Gesetz an,
unter welchem allein es ftir eine stationäre Welle möglich ist«^
sich in einem mit der Geschwindigkeit Uq bewegenden Mediunci
zu erhalten. Aus (c) folgt
(d) ^=< 4 oder
(e) p = const - -^' .
Da die Beziehung zwischen Druck und Dichtigkeit in Gasen nicht
durch (e) ausgedrückt wird, schliessen wir, dass eine sich selbst
aufrecht erhaltende Welle eine Unmöglichkeit ist, welches auch
die Geschwindigkeit Uq des Luftstromes sei. Nur bei kleinen
Dichtigkeitsunterschieden ergiebt (d)
dp 2
do "- ^''
also die Möglichkeit solcher, wenn die Strömungsgeschwindig-
keit = Schallgeschwindigkeit ist. Und doch ergab die optische
^^
1) Lord Rayleigh, Theorie des Schalles 2. § 250. p. 41. Deutsch
von Neesen. f
Äti$Btrdmungser$cheinungen permanenter Gtzse, 489
I^ntersuchung des Strahles stationäre Wellen von bedeutenden
Kchtigkeitsunterschieden. Es muss deshalb eine Möglichkeit
eben, die Formeln (a) bis (d) so zu modificiren, dass sie den wirk-
ich auftretenden Erscheinungen Rechnung tragen. Wir ver-
i.ssen dazu die Annahme, dass das bewegte Fluidum^ der
ttrahl, überall mit gleichem Querschnitte fliesst. Damit ver-
tossen wir zwar gegen unsere bisherige Annahme, dass im
trahle nur Bewegungen längs dessen Axe vorkommen; denn
ne Variation des Querschnittes muss von Bewegungscompo-
^nten in radialer Richtung begleitet sein. Sind aber, wie es
e optische Untersuchung der Strahlen lehrt, die Aenderungen
^T- Durchmesser der Querschnitte klein im Verhältnisse zu
rem gegenseitigen Abstände, so können wir die Strömung
erster Annäherung immer noch als geradlinig betrachten.
Ägen wir die Querschnitte, an denen wir u und u^ betrachten,
^er an die Stellen des grössten und kleinsten Durchmessers,
sind die nachfolgenden Entwickelungen immer noch streng
^ktig, denn an diesen Stellen herrscht nur Strömung in
^cshtung der Axe. Bezeichnen wir zwei Querschnitte mit f und
> so erhalten wir statt der Gleichung (a)
'> of^i = 9ofo^o = const.
l^ichung (*') bleibt = (*).
Po
Cid wir erhalten daraus
) r* = |,j(i_;i^') und
. Pi>
achen wir nun die Annahme
) (>/'=?o/i = const,
• erhalten wir aus (d')
is (a')
?| = M = c,
13 (b')
dp = 0, p = const = Pq ,
440 R. Emden.
d. h., der Strahl fliesst überall mit Schallgeschwindigkeit um <J
an jeder Stelle desselben herrscht der Druck p^ der Obe^c--
fläche. Diese beiden Bedingungen, die wir bereits aus anderem^
Gründen für das Strahlinnere annehmen mussten, finden ?rLr
so wieder als Bedingungen für das Auftreten stationärej-,
ebener Schallwellen. Für constante Strömungsgeschwindigkeit
folgt unsere Annahme gf^ cönst schon aus der Continuitats-
gleichungy unsere Betrachtungen haben uns aber ausserdem
gezeigt y dass zum Zustandekommen stationärer Wellen u-c
Bedingung ist. Wir haben also wiederum einen wichtigen Satz
gefunden:
An jeder Stelle des Strahles ist die Dichtigkeit itmgekehri
proportional dem (Querschnitte,
Damit ist aber das experimentell gefundene Gesetz Nr. 7
theoretisch begründet. Von dem Augenblicke an, wo das
kritische Druckverhältniss erreicht wird, der Strahl mit Schall-
geschwindigkeit fliesst, eine Energiemenge W scheinbar yer-
schwindet und eine Schallenergie w im Strahle in Form statio-
närer Schallwellen auftritt, muss derselbe mit periodisch
wechselndem Querschnitte fliessen. Sein kleinster Durchmesser
muss sich an den Orten grösster Dichtigkeit, den Scheibchen,
vorfinden. In den Scheibchen befindet sich das Gas im gleichen
Zustande, wie an der Düsenmündung, ihr Querschnitt ist gleich
der Düsenöffnung. Der grösste Querschnitt fällt zusammen
mit der Stelle kleinster Dichte q^. Da die Querschnitte grösster
Dichte durch die Düsenöffnung bestimmt sind, müssen die
Stellen ungestörter Dichte sich erweitem. Das Plus an Gas,
das mit steigendem ßeservoirdrucke stets mit gleicher Ge*
schwindigkeit ausströmt, durchsetzt die Stellen constanten Quer-
schnittes, die Scheibchen, in immer grösserer Dichte, die
Stellen constanter Dichte q^ in immer grösser werdendem Quer-
schnitte.
Der dritte Beweis folgt unmittelbar aus der von Riemann^)
entwickelten Theorie ebener Wellen und zeigt zugleich, dass
bei diesen stationären Schallwellen von endlichen Dichtigkeits-
unterschieden die Wellenfront steiler abfallen muss, als der
Wellenrücken.
1) B. Ei e mann, Ges. Abhandig. 8. p. 144. 1860. f
AusstrÖmungserscheinungen pejmanenter Gase. 441
Bei grossen Ausflussdrucken können wir den Verlauf der
DiiiXitigkeit wahrscheinlich zum Ausdrucke bringen durch eine
' Corve (Fig. 5) von der Form:
Fig. 5.
Mit dieser Auffassung stimmt das Aussehen der gewon-
nenen Strahlbilder vollkommen überein. Während bei gerin-
geren Ausflussdrucken jene zwischen zwei Scheibcben auftre-
tenden Linien sich symmetrisch kreuzen, rückt bei zunehmendem
Druck ihr Schnittpunkt mehr und mehr zum nächsten Scheib-
chen, an dessen der Düse zugekehrten Seite wir das ver-
wickeltste, contrastreichste Schlierenbild wahrnehmen, während
auf dessen Rückseite alles auf langsame Uebergänge deutet.
Die ünkenntniss dieser Wellenprofile lässt uns bei unseren
weiteren üntei'suchungen auf eine Schwierigkeit stossen, die
wir nur durch eine Hülfshypothese überwinden können,
Ka ist möglich, den Energieinhalt einer einfachen harmonischen
Schwingung zu berechnen, nicht aber den einer Welle von un-
bekanntem Profil. Wissen wir von einer Welle, dass sie aus
einer Sinuswelle hervorgegangen ist, so enthält sie natürlich
dieselben Energiemengen wie jene, denn sie ist ja ohne Ein-
wirkung äusserer Kräfte aus derselben zu Stande gekommen.
Gewisse Sätze, die wir brauchen, gelten zwar für Wellen von
beliebigem Profil, andere aber, ohne die wir bei Berechnung der
Wellenlänge nicht auskommen, aber nur für harmonische
Schwingungen. Wir müssen deshalb annehmen, dass die sta-
tionären Wellen des Luftstrahles ohne Energieverlust in Sinus-
wellen umgewandelt werden können, was auch ihrer Bezeich-
nung als Schallwellen entspricht. Diese Annahme wird die
Wellenlänge in ü.ebereinstimmung mit der Beobachtung be-
rechnen lassen.
Die Methoden, welche wir zur Energieberechnung ebener,
fortschreitender Wellen anwenden, sind von ßayleigh^) an-
I
1) Lord Rayleigh, Theorie des Schalles. 2. § 245.
442 S. Emden.
gegeben, die Ergebnisse derselben im Principe aber bereits vo:
W. Thomson^) ausgesprochen worden und liefern den Satz ^
,^Die totale Energie der Wellen ist gleich der kinetisch
Energie der ganzen^ von der Welle ergriffenen Luft^ wenn dieselbe
sich mit dem Maximum der in den Wellen auftretenden Geschwin^^
digkeiten fortbewegt, oder gleich der potentiellen Energie derselberm
Luftmasse, wenn dieselbe auf die grösste Dichtigkeit der Well^'
verdichtet wird^^ (Rayleigh).
Diese Sätze sind von Rayleigh für gewöhnliche Schall-
wellen mit geringen Dichtigkeitsunterschieden abgeleitet. Lb.
meiner Originalarbeit findet sich der Nachweis, dass sie aucb.
auf Wellen von endlichen Dichtigkeitsunterschieden anwend—
bar sind. Bezeichnen wir ferner mit a die Maximalgeschwindig—
keit, mit ß den Maximalausschlag eines Theilchens einer ebenen
Schallwelle von der Schwingungsperiode T, die sich durch ein
Gas von der Dichte q^ fortpflanzt, so ist bekanntlich in der
Volumeneinheit dieser Gasmasse in Form von Schwingungen
eine Energiemenge vorhanden gleich
Auch diese beiden Formeln gelten, wie ich (1. c.) gezeigt
habe, für ebene Wellen mit endlichen Dichtigkeitsunterschieden.
Nun ändern aber ebene fortschreitende Wellen ihren
Energieinhalt beim Uebergang in den stationären Zustand
nicht. Es folgt dies daraus, dass die mit constanter Ge-
schwindigkeit c strömende Luft, die wir zu diesem Zwecke
denselben entgegensenden, an kinetischer Energie weder ge-
winnt, noch verliert. Dem scheint nun der Umstand zu
widersprechen, dass eine stationäre Welle keine kinetische
Energie mehr besitzt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass
eine solche Welle nur durch Aufwand einer gewissen Menge
Energie stationär erhalten werden kann, und zwar einer Energie-
menge, die gleich ist ihrer kinetischen Energie. Denn in der
Zeit ST haben wir jedes Lufttheilchen um dieselbe Strecke
zurückzuschieben, um die es sich durch die Welle vorwärts
bewegt hätte. In diesem Sinne können wir also auch von
einer kinetischen Energie der stationären Welle reden. Auf
die Volumeneinheit der Welle haben wir, um sie stationär zu
1) W. Thomson, Phil. Mag. 9. p. 36. 1855. .
Au$8trÖmungserscheinungen permanenter Gase, 443
erhalten, eine Druckdififerenz p^ -^ p^ wirken zu lassen, welche
der in jener enthaltenen kinetischen Energie gleich ist. Da
diese aber gleich ist der potentiellen Energie, so haben wir
den Satz: Um eine Welle stationär zu erhalten^ muss auf die
Volumeneinheit derselben eine Druckkraft wirken gleich der in
derselben enthaltenen potentiellen oder kinetischen Energie, Um
eine stationäre Welle zu erzeugen und zu unterhalten, müssen
wir auf die Volumeneinheit derselben demnach einen Druck
wirken lassen gleich der in derselben enthaltenen Gesammt-
energie. Für letztere fanden wir aber den Werth 2;r*o^/9*/r*,
worin ß den Maximalausschlag eines Theilchens bedeutet. In
unserem Problem ist der wirkende Druck pj^ — p^. Können
wir beweisen, dass
worin das Glied rechts die Schallenergie in der Volumeneinheit
unseres Luftstrahles ist, so haben wir auch bewiesen, dass
w ^W\ denn jene Druckkraft p^ — p^ wird dadurch aufrecht
erhalten, dass jene Energiemenge W nicht in kinetische Energie
der Strömung umgewandelt wird. Gestützt auf diese Beziehung
können wir die Wellenlänge der auftretenden Schallschwingung
berechnen, diese mit den direct gemessenen vergleichen und
diese Beziehung quantitativ controliren.
Die Bestimmung der Wellenlänge l gelingt, wenn wir ein
allgemeines Gesetz gefunden haben werden, welchem die
Schwingungsdauer T folgen muss. Wir denken uns eine ge-
rade, cylindrische Säule vom Durchmesser cf, angeftillt mit
einem Gase von der Dichtigkeit q unter dem Drucke p. So-
wohl Temperatur als Schallgeschwindigkeit in demselben sind
durch Q und p bestimmt. Die einzigen Grössen, von denen T
abhängen kann, sind demnach dy q, p\ andere unabhängige
Variabein sind nicht vorhanden. Wir haben also T ^ f [d, o, p).
Die Form dieser Function können wir leicht durch eine
Dimensionsbetrachtung finden. Es zeigt sich, dass keine andere
Beziehung zwischen den Dimensionen dieser 4 Grössen mög-
lich ist, als
denn setzen wir
444 R. Emden,
so bestimmen sich x y z eindeutig aus den 8 Bedingungs-
gleichungen:
.r — 3y - z = 0 %
y + z = 0
-2z= 1
zu X = 1, y = ^, r = — ^. Es ist leicht einzusehen, dass rf, p, p
auf keine Weise zu einer dimensionslosen Grösse combinirt
werden können.
Nennen wir einen dimensionslosen Factor ö>, so er-
halten wir:
T^^(od^-^.
P
Den Werth von o> können wir ermitteln, wenn wir diese
Formel auf einen speciellen Fall anwenden. Wir haben für
eine ebene, fortschreitende Welle die beiden Werthe der
Energie der Volumeneinheit gefunden:
worin ß und a Maximalausschlag und Maximalgeschwindigkeit
eines Theilchens bedeuten. Wir nehmen nun solche Energie
der Schwingung von der Periode T an, dass « = der Schall-
geschwindigkeit c = '^xp I Q wird; dadurch ist ß bestimmt
Diese Schallbewegung soll in einer geraden Röhre vor sich
gehen, deren Durchmesser d gleich dem Maximalauschlage ß
ist. Setzen wir dann unseren Ausdruck lür Tein, so erhalten
wir 0} =^ 4n^ I X und daraus
Die Berechnung der Wellenlänge bietet nun keine weite-
ren Schwierigkeiten. Wir gehen nun von der aufgestellten
Beziehung aus
Pk - /^o = 2 71^ Q^ ^^ .
Den Werth für T für eine Luftsäule an der Dichte p^ und
dem Drucke p^^ haben wir entwickelt. Der Maximalausschlag
ß, den ein Lufttheilchen auf die Düse zu macht, hat einen
einfachen Werth. Er ist gleich der Strecke, um die der mit
Schallgeschwindigkeit c strömende Strahl das Theilchen wäh-
rend der Schwingungsdauer T zurückschiebt, um die Welle
m
Atustramungserscheinungen permanenter Otue. 445
stationär zu machen. Wir haben also ß =^ cT= l der Wellen-
läoge. Setzen wir für ß und T ihre Werthe ein, so er-
halten wir
Pk Po- 4n^cPp'
also ""''
k Po
^nd zwar k mit demselben Maasse gemessen wie d. Hierin
tonnen wir j»^ noch ausdrücken durch den Druck p^ im Re-
<^ipienten, denn der kritische Druck p^ ist bestimmt durch die
R-elation
Sodass wir für X die Schlussformel erhalten
..-1 p^
^■" = i/h^-' • - 1/ -^i-'-"^
^ tff^ aho proportional dem Düsendurchmesser und unabhängig
t>am Moleculargewicht des ausströmenden Gases, Findet das
Ausströmen in die freie Atmosphäre vom Drucke Pq=^1 statt,
so beginnt X reelle Werthe anzunehmen, sobald
geworden; das ist jener ausgezeichnete Druck, den wir oben
mit Pj^ bezeichneten, jener Druck, bei dem zwischen p^ und
Pq bei allmählicher Drucksteigerung zuerst das kritische Druck-
verhältniss erreicht ist. Von da an geht eine Energiemenge
1/' verloren kommt ein X zum Vorschein.
Berechnen wir die nur von x abhängigen Coefficienten
der Formel für die experimentell geprüften Gase, so erhalten
wir für Lufl:^ wo x = 1,4025
X^=0,81d^^]M — "^
V Po
- 1,89 Po
wenn p^ den wirklich vorhandenen Druck
V Po
446 R. Emden.
wenn p^ den Ueberdruck bedeutet; flir Wasserstoff, wo ;r =
1,4084:
- UO Po •
bez.
;imm ^ 0,86 rfmmi/KIlLi ^
= 0,86 rfmmy/P. - O»"« Po
und flir Kohlensäure, wo x = 1,2995:
;tmm ^ 0,92 rfmmi/Pi \:»^_Po
V Po
bez.
= 0,92£/°^l/^^^
- 0,83 Po
Experimentell aber fanden wir als Mittel von 8 Düsen flir
alle Gase
;tmm = 0,89 rfmmi/Pi - ^0 Po^
bez.
;tmm ^ 0,89 ^nii/i?i_:^0,?Ö^
K Po
Dies ist eine Uebereinstimmung, wie sie vollständiger
nicht verlangt werden kann. Die Differenzen der berechneten
Proportionalitätsfactoren für Luft, Wasserstoff und Kohlen-
säure von dem experimentell gefundenen Mittelwerthe betragen
1 — 4Proc. und sind bei weitem geringer, als diese Differenzen,
die wir für die verschiedenen Düsen fanden, unter sich, und
sind experimentell nicht mit Sicherheit nachweisbar. Die
uebereinstimmung der beobachteten und berechneten Werthe
für ;?fc/, den Druck, bei dem sich diese Wellen zu entwickeln
beginnen, ist für Luft und Wasserstoff eine vollständige; für
Kohlensäure ist diese Differenz kleiner als 0,1 = 0,07 Atmo-
sphären. Da diese Differenz aber nur in der Potenz ^i auf-
tritt, kann sie in den Beobachtungen, deren Genauigkeitsgrenze
höchstens 0,1 Atm. beträgt, nicht mehr zur Geltung kommen.
Daraus ergiebt sich das Hauptresultat dieser Betrachtungen,
die Gleichheit der Energie w der im Strahle vorhandenen
stationären Wellenbewegung und jener scheinbar verschwundenen
Energiemenge /r. Denn nur unter dieser Vorraussetzung haben
wir diese Werthe für l berechnet.
i
AusstrÖmunffsersckeinunffen permanenter Gase, 447
Die Mechanik des Ausströmungsvorganges permanenter
Gase liegt also klar vor uns.
Strömt ein Gas unter steigendem Drucke in die freie
Atmosphäre aus, so steigt die Geschwindigkeit im Strahle, bis
sie bei einem gewissen, berechenbaren Drucke /?*- gleich der
durch den Zustand des Gases im Strahl bestimmten Schall-
geschwindigkeit geworden ist. Dieser Druck pj^f, ist nicht ab-
hängig von der Dichte, dem Moleculargewichte des Gases und
wird nur in sehr geringem Grade beeinflusst durch das Ver-
hältniss seiner specifischen Wärmen, sodass derselbe für die ver-
schiedenen Gase zwischen dem Werthe 1,90 u. 1,83 Atm. liegt.
Von da an passirt das Gas die Düsenmündung, indem es
in der Gewichtseinheit die Energiemenge
mit sich führt. Aber diese Energiemenge wird nicht, wie
bisher allgemein angenommen, bei weiterer Entlastung des
Gases umgesetzt in grössere kinetische Energie der Strömung,
denn die Geschwindigkeit derselben bleibt von da an gleich
jener Schallgeschwindigkeit, sondern wird vollständig um-
gewandelt in eine im Strahle auftretende stationäre Wellen-
bewegung. Von diesem Drucke pkf an beginnt der Strahl
seinen Querschnitt periodisch zu ändern, wodurch stationäre
Dichtigkeitsunterschiede möglich gemacht werden. Unter dieser
Annahme haben wir die Wellenlänge der auftretenden Schwin-
gungen in Uebereinstimmung mit den Beobachtungen berechnet.
Diese Ausflussstrahlen geben uns ein Mittel, Schallschwin-
gungen von beliebig kurzer Wellenlänge, bez. hoher Seh wingungs-
zahl hervorzubringen. Hat die Luft im Reservoir eine Temperatur
von ca. 20^ C, so beträgt die Schallgeschwindigkeit im Strahl
etwa 300 m sec. Wir haben Wellen gemessen, deren Länge
bis auf 0,1 mm heruntergeht; dies enspricht drei Millionen
Schwingungen pro Secunde. Die längsten Wellen betrugen ca.
1 cm, entsprechend 30000 Schwingungen. Das mächtige Getöse
des Strahles ist also nicht durch diese Wellen verursacht. Wie
die Formel für k zeigt, können wir die Schwingungszahl be-
liebig erhöhen, wobei allerdings die Schallschwingung immer
weniger Energie enthält, da der Düsendurchmesser nicht zu
448 R. Emden,
klein genommen werden kann. Durch Vergrösserung des Drucke»
oder noch vortheilhafter des Düsendurchmessers können
andererseits bis ins Bereich der hörbaren Töne kommen. Bi£l
einem Ueberdruck von ca. 26 Atm. und einer Düse von ßmnc^
würden wir mit 10000 Schwingungen diese Grenze erreichen -
durch Vergrösserung von /? und rf können wir beliebig weit mi^
der Schwingungszahl heruntergehen, wobei die entstehende
Schwingungen an Energie zunehmen, sodass sie in dem starke
Ausflussgeräusche möglicherweise noch deutlich vernomme
werden können. Wo eine Druckluftanlage im grossen Maass-
Stabe vorhanden, würden sich Versuche in dieser Richtung
sicherlich lohnen; denn auf diese Weise ist die Möglichkeil
vorhanden, gerade die höchsten musikalischen Töne, die sonst
in einiger Intensität kaum herzustellen sind, in kräftigstes
Weise zu erhalten.
m. Vacuumstrahlen.
Die Aufgabe, einen unter starkem Ueberdrucke ausfliessenden
Strahl durch einen luftverdünnten Raum zu senden, lässt sich
verhältnissmässig einfach lösen, indem man nach dem Principe
der Wasserstrahlpumpe den Strahl selbst benutzt, aus dem
durchströmten Räume die Luft fortzuschaffen und den Druck
in demselben herabzusetzen. Eine gewöhnliche Wasserstrahl-
pumpe, kräftig mit Luft gespeist, übt schon mehr oder minder
beträchtliche Saugwirkungen aus. Es handelt sich nur noch
darum, durch optische Untersuchung den wirkenden Strahl
auch verfolgen zu können. Dazu wurde folgendes, provisorisches
Versuchsmodell (vgl. Fig. 6) gebaut.
Ein 9 cm langes und 9 cm weites, starkwandiges Messing-
rohr Ä wurde an seinen Enden mit Fassungen versehen, auf
welche durch eine Anzahl Schrauben zwei starke, ebene
Messingplatten B, durch Fett gedichtet, luftdicht aufgepresst
werden konnten. Diese Platten waren im Centrum durchbohrt
In die eine Durchbohrung konnten die conischen Messingdüsen C
eingeschraubt werden, die in Verbindung mit dem Reducirventil
standen und denen der Strahl entströmte. Durch die Durch-
bohrung der anderen Platten war ein weites Messingrohr D
geführt, das an dem der Düse zugekehrten Ende durch eine
dünne Messingscheibe verschlossen war. In derselben war eine
I
ÄussirÖmungserscheinungen permanenter Gase. 449
kreisförmige Oeffhung E, etwas weiter als die Düsenöffnung,
angebracht, durch welche der Strahl aus dem Inneren des
V Apparates ungestört ausfliessen konnte. Ich nenne diese Oeff-
niuig die Säugöffnung. Dies Messingrohr war durch eine Stopf-
btLclise geführt, um den Abstand der Säugöffnung von der
Dtäse, die Strahllänge, ändern zu können. Die eine der beiden
Deckplatten konnte verschoben werden, um Düsenmündung
and Saugöffnung genau aufeinander zu centriren. An zwei
Fig. 6.
diametral gegenüberliegenden Stellen waren an dem weiten
Messingrohre möglichst weite Durchbohrungen F angebracht,
auf diese kurze Kamine aufgesetzt, die durch aufgefettete
Spiegelglasplatten luftdicht abgeschlossen waren. Durch diese
hindurch konnte der Strahl direct beobachtet oder photographisch
fixirt werden. Durch ein weiteres Ansatzrohr G war das
Rohrinnere mit einem offenen Quecksilberbarometer in Ver-
bindung. Alle Fugen wurden mit Wachs und Colophonium
abgedichtet. Leider aber konnte die erwähnte Stopfbüchse
nicht genügend luftdicht hergestellt werden, sodass es trotz
■kräftigen, sehr raschen Saugens des Strahles nicht gelang, den
▲od. d« PhTi. XL CbeiD. N. F. 69.
29
450 R. Emden.
Druck unter 70 mm herabzusetzen. Es hat dies aber um so
weniger zu bedeuten, als ja nicht die Grenze dieser Sang-
wirkung geprüft werden sollte und es sich andererseits heraus*«
stellte, dass, um stärkste Vacua zu erhalten, die Säugöffnung
der Düse auf eine Distanz genähert werden musste, die kleiner
war als die Länge der auftretenden Schallwellen, sodass eine
Messung derselben doch nicht mehr möglich war.
Die Düsen G und S sind schwach conische Messing-
düsen, die Durchmesser ihrer Mündungen betragen 2,9 bez.
3,50 mm. p^^ bedeutet den im Eeductionsventil herrschenden
Druck {nicht Ueberdruck), p^ den Druck im durchströmten
Raum in Atm.; die gemessenen Werthe von p^Ipq und die
zugehörigen k sind in die Diagramme 6 und H eingetragen.
Die Wellenlänge k in ihrer Abhängigkeit von den drei
Variabein d, p^ und p^ (bisher war p^ constant =1) können
wir wiederum darstellen durch die beiden Formeln:
{G) Ä -°> = 0,79 . d^^ Wp± _ 1^90.
{H) k^^ =^0,n.d ^^ Jvi _ 1,90.
Die Abhängigkeit des p^ von p^ brauchen wir nicht zu
kennen, da wir stetö p^/p^ gemessen haben. Unter Zugrunde-
legung dieser Formeln sind die in Taf. IV ausgezogenen
Curven G und // construirt
Die so gewonnenen Strahlbilder stimmen im wesentlichen
mit den bereits im ersten Abschnitte beschriebenen überein.
Die Strahlen sind diesmal aber viel früher schon gestört und
sind merkwürdigerweise die Scheibchen, namentlich das erste,
gegenüber der Düsenmündung bedeutend erweitert. Eine Ur-
sache hierfür kann ich nicht angeben. Möglicherweise haben
wir hierin wie in der rascheren Störung des Strahles eine
Wirkung der Reibung zu sehen, die wir bis jetzt vernach-
lässigten. Denn da die Geschwindigkeiten dieselben sind, wird
dieselbe in gleicher Stärke auftreten; da aber mit fallendem
Pf^ auch die mittlere Dichte des Strahles, wie wir sehen
werden, abnimmt, wird ihre Wirkung auf ein Volumelement
immer mehr zur Geltung kommen. Selbstverständlich wird
Atuströmungserscheinungen permanenter Gase. 451
die im vorigen Abschnitte entwickelte Theorie durch die Un-
gleichheit der Scheibchen und des Düsendurchmessers nicht
P berührt, da sie nur die Constanz von gf verlangt. Auch jene
noch nicht völlig erklärten, sich kreuzenden Linien im Strahl-
bilde stimmen bei Werthen von Pijp^, die den früheren p^
gleich sind, vollständig mit den bereits geschilderten überein.
Namentlich bei Abnahme des p^ aber nehmen sie Formen an,
die wohl niemand in Versuchung führen werden, dieselben für
das Abbild conischer Schallwellen zu halten. Auch schmiegen
sich dann an diese dunklen Linien solche von grösster Hellig-
keit an, in denen dies Deficit an Lichtenergie wiederum zum
Vorscheine kommt, sodass mich dies in meiner Auffassung
dieser Linien als einer eigenthümlichen Brennlinienerscheinung
bestärkt.
Wir betrachten wiederum in erster Linie die in Umsatz
tretenden Energiemengen. Beim Ausflusse in die freie Atmo-
sphäre hatten wir, sobald das kritische Druckverhältniss über«
schritten war, die in der Gewichtseinheit des aufgespeicherten
Gases enthaltene innere Energie
in zwei Theile zerlegt nach dem Schema
Po '* Po
Pi Px Pjc
und hatten die durch das zweite Integral rechts repräsentirte
Energiemenge im Strahle, der mit Schallgeschwindigkeit mit
einer Dichte q^ unter dem Drucke p^ strömte, als Schallenergie
wiedergefunden. Bei steigendem Drucke p^ nimmt letztere zu,
da das betreffende Integral durch Wachsen von p^^ sein Inter-
vall erweitert. Ebenso verfahren wir hier. Nimmt bei ge-
gebenem /?j der Aussendruck Pq ab, so tritt wiederum, sobald
das kritische Druckverhältniss erreicht wird, jene Integral-
zerlegung ein, und wiederum finden wir im Strahle stationäre
Schallwellen, deren Energie bei abnehmendem p^ zunimmt, da
Pn
das Integral f hier durch Verminderung von p^ sein Intervall
• 29*
452 R. Emden.
erweitert. Während aber im ersten Falle diese Wellen stet^
in demselben Strahle sich bilden, hat im zweiten Falle der di
Wellen tragende Strahl stets kleiner werdende Werthe YonT
Pq and Qq. Aber immer können wir uns vorstellen, dass incx
Recipienten anfangs auch p^ herrschte und wir durch Steige--
rung desselben den in Frage kommenden Zustand herstelltea.
Auch hier wird die Uebereinstimmung der unter der Annahme
w =s W berechneten A mit den direct beobachteten diese Auf-
fassung der Ausströmungserscheinungen rechtfertigen.
Auf Grund der Annahme w =^ W werden wir auch hier
auf die Gleichungen
geführt und erhalten daraus die Gleichung für A:
;^mm
= v^itSF-l/^-^
X- 1
p«
also für Luft, wo x » 1,4025:
l^^ = 0,87 (f°««l/^- 1,89,
r x'O
während wir auf Grund der Versuche fanden :
;mm ^ 0,79 (/™™l/^' - 1,90 für Düse G
und A°»°» = 0,77 rf«>™i/?^ - 1,90 für Düse H,
eine in Anbetracht des Umstandes, dass wir Reibungskräfte
vernachlässigen, die stets im Sinne einer Verkleinerung von X
wirken, völlig befriedigende Uebereinstimmung. Dadurch ist
auch bei diesen Strahlen die Gleichheit von w und W bewiesen.
Da in dieser Gleichung jo^ 4= 1 ist, so können wir offenbar
nicht ohne weiteres mit Ueberdrucken arbeiten, welche die
Formel compliciren würden, sondern haben stets die herrschen-
den Drucke einzuführen. In unsern Versuchen war p^ von p^
abhängig. Könnten wir aber p^ beliebig constant halten und
ÄusstrSmungsersckeinungen permanenter Gase. 463
e A-Curven construiren, so würden alle diese Curven die
bscissenaxe in dem Punkte
S-("-T^)^ -••»»*'"•.
ixn kritischen Druckverhältnisse, schneiden; von diesem
unkte an beginnen die Wellen und Strahlen aufzutreten, be-
Ont der Strahl periodisch seinen Querschnitt zu ändern ; der
Dergieinhalt dieser Wellen to ist gleich der von diesem
unkte an zur Umwandlung verf&gbaren Energiemenge
Die hier entwickelte Theorie der Ausströmungserscheinungen
r Oase, welche die Fortpflanzungsgeschwindigkeit, die Wellen-
ige und selbst den Energieinhalt der in den Strahlen auf-
tenden stationären Wellen auf Grund einfacher Energiebe-
chtungen zu berechnen gestattet, wird vielleicht in einigen
nkten auf Grund weiterer Erfahrungen noch modificirt werden
Lssen. Die üebereinstimmung der berechneten und beob-
iteten Wellenlängen aber beweist, dass sie wenigstens in den
sentlichen Grundzügen die beobachtbaren Erscheinungen
htig interpretirt.
München, Physik. Institut der Egl. techn. Hochschule,
October 1898.
(EiDgegangen 19. März 1899.)
%
6. Ueber den JLuftwidersta/nd fliegender Geschosse;
van Robert Emden.
Bewegen wir eine senkrecht gestellte Fläche vom Quer-
schnitte F mit der horizontalen Geschwindigkeit v durch Lufl
von der Dichte p, so ist der Widerstand, den sie erfahrt:
Für den Widerstand, den ein fliegendes ßeschoss vom
Querschnitte F erfährt, hat sich durch Versuche ergeben^),
dass wir dies M^' noch multipliciren müssen mit einem Factor Jl,
der von der Form desselben und der Beschaffenheit seiner
Oberfläche abhängt, und mit einer Function der Geschwindig-
keit, K{v)^ weil der Widerstand nicht genau proportional mit
v^ wächst, sodass wir haben:
}r^'k,o.F.v^.K{v).
Für Fluggeschwindigkeiten des Geschosses, die kleiner als
Schallgeschwindigkeit sind, hat K[v) den konstanten Werth 0,14;
nähert sich jene der Schallgeschwindigkeit, so steigt K{y) plötz-
lich sehr rasch an, um nach Ueberschreitung derselben wieder
constant zu werden, = 0,39.
Die Function nimmt K[v) also ungefähr folgenden Verlauf:
K
'V>
0.5
lO/t
0.3
10.2
J).I
V '
m 200 JtkJ ¥ßO ÖOO öVü 700 ^
Die Ursache dieses plötzlichen Wachsens von K ist noch
unerklärt. Mir scheint folgende Erklärung einfach und über-
1) Vergleiche C. Cranz. Lehrbuch der theoretischen äusseren BaJIi-
I
Luftwiderstand fliegender Geschosse. 455
zeugend. Zur Ueberwindung des Widerstandes hat das Ge-
schoss Arbeit zu leisten. Diese Arbeit steigt an, sobald die
Geschwindigkeit der Art angewachsen ist, dass sich nach den
Versuchen von E. Mach eine conische Kopfwelle ausbildet; denn
dies findet statt, sobald das Geschoss mit Schallgeschwindig-
keit fliegt. Eine jede Schallwelle enthält aber Energie; dieselbe
ist, wie ich in einer früheren Arbeit^) gezeigt, =« c' (>q /«* df F,
wobei die Integration über den von der Welle eingenommenen
Raum auszudehnen ist und s die Gondensation bedeutet.
Diese Energiemenge muss der lebendigen Kraft des Ge-
schosses entnommen werden. Sowie das Geschoss beginnt
mit Schallgeschwindigkeit zu fliegen, hat es ausser Ueberwin-
dung des Widerstandes noch Arbeit zu leisten zur Bildung
der Kopfwelle, welche Arbeit steigt, bis die Kopfwelle in ihrer
Maximalintensität sich entwickelt hat. Diese Maximalwelle
muss stets neu erzeugt werden, und der vergrösserte Widerstand
des Geschosses bleibt von da an wieder constant. Ich konnte
keine Versuchsdaten auffinden, die entscheiden lassen, ob die
Maximalintensität in Wirklichkeit existirt, oder die Intensität
der Kopfwelle dauernd mit der Geschwindigkeit wächst.
1) R. Emden, Wied. Ann. 69. p. 264. 1899.
(CiDgegangen 19. März 1899.)
6. Dichtebestimfnungen
von gesättigten I>änipfen wnd Flüssigkeiten;
von Mudolf Freiherr von Hirsch*
(Htem Taf. TU.)
Einleitung.
Die specifischen Volumina der gesättigten Dämpfe und der
Flüssigkeiten unter Sättigungsdruck spielen einestheils in den
Gleichungen der Thermodynamik eine Eolle, andererseits
scheinen sie geeignet, über den Zusammenhang des flüssigen
und dampfförmigen Aggregatzustandes wichtige Aufschlüsse zu
geben.
Dennoch umfasst die experimentelle Untersuchung ver-
hältnissmässig wenige Stoffe und ist auch fiir diese nur inner-
halb enger Temperaturgrenzen ausgeführt; besonders für hohe
Temperaturen sind die vorliegenden Resultate so wenig zahl-
reich, dass weitere Bestimmungen als wünschenswerth er-
schienen.
Bei der Ausführung der Versuche bediente ich mich
folgender von S. Young angegebenen Methode^): Eine beider-
seitig geschlossene Glasröhre wird nacheinander mit zwei ver-
schiedenen Gewichtsmengen p und /?' der zu untersuchenden
Substanz gefüllt ^j und auf eine constante Temperatur T ge-
bracht. Aus dem abgelesenen Stand des Meniscus ergeben
sich in dem calibrirten Rohr die von Flüssigkeit und Dampf
eingenommenen Volumina, F^ bez. F^ für die erste, Fa bez. Fi
für die zweite Füllung. Bildet man die Grössen
5«' = z;», sb = ^
1) Eine Uebersicht und Discussion der sonst bekannten Methoden
findet sich in der Dissertation.
2) S. Young, Joum. of the Chemical Society of London &9*
p. 911 ff. 1891.
Dichte geiäüigter Dampfe und FlüaiigkeiteH. 457
8^ bei der ersten Füllung das aus der Gewichtseinheit
kelte DampfvolumeD , S^ die von der Gewichtseinheit
bleibende Flüssigkeit; also das specifische Volumen der
;keit, d. h. das Volumen der Gewichtseinheit Flüssigkeit
das VerhaltnisB der specifischen Volumina von Dampf
.Qssigkeit bedeutet. Dieselbe Betrachtung, auf die zweite
g angewendet, ergiebt
Ä = s; + 5i > .
OS beiden Gleichungen berechnet sich
„ s« s'b - s: St
er bei den Versuchen
te Apparat war bis auf
geringfttgige Aende-
I nach den Angaben
, Yonng') angefertigt
■ig- 1):
in vertical stehendes,
!0 mm weites, 60 cm
Bohr aus dickwan-
scbwer schmelzbarem
{Verbrennungsrohr ab)
einen kurzen Messing-
ific) eingekittet; der-
xng zwei seitliche An-
ire, von denen das eine
er Kühlschlange k, das
zu einem Kolben
der die zur Her-
g der hohen Tempera-
iienenden SiedeflUssig-
enthielt. Hit einem
8. Young, Joum. Chem. Soc. 59. p. S7. 1891.
458 R, von Hirsch,
ebensolchen Kolben war das obere Ende der Röhre cm b
durch ein doppelt gebogenes Messingrohr verbunden. I>i6
Röhren sind in die Siedekolben mittels durchbohrter Eorfct^
eingesetzt; diese stehen in Sandbädern und werden durcii
starke Bunsenbrenner erhitzt Das Dampfrohr ah ist von
einem weiteren Schutzrohr ef umgeben, welches durch Korke
auf diesem gehalten wird. Ausserdem sind, ebenfalls zum
Schutz gegen Abkühlung nach aussen, alle erwärmten Theile
des Apparates mit dickem Asbestpapier umwickelt Das Ver-
suchsrohr wurde anfangs nach den Angaben von S. YouDg
an einem Stiel von unten in das Dampfrohr eingeführt und
mittels eines durchbohrten Korkes festgeklemmt, während
ein Thermometer von oben an einem Draht in den Dampf-
raum hing. Da jedoch der Kork beständig undicht wurde
und die Röhre nicht ordentlich festhielt, so wurde später die
untere OeflFnung des Dampfrohres ganz verschlossen, die Ver-
suchsröhre aber ohne Stiel an das Thermometer gebunden von
oben eingeführt. Gegenüber der FlüssigkeitsoberÜäche o ist
aus der Asbestumwickelung vorne und hinten ein längliches
Fenster ausgeschnitten; das eine dient zur Beleuchtung des
Meniscus mit einer kleinen Glühlampe, das andere zur Ab-
lesung durch ein etwa 5 m entferntes Fernrohr. Da während
der Versuche die Drucke im Rohr sehr gross werden, so ist
zum Schutz gegen etwaige Explosionen der ganze Apparat
von einem Drahtgitter umgeben. Der Gang der Versuche
bedarf keiner Erläuterung. Bringt man die Flüssigkeit in den
Kolben zum Sieden, so erfüllt sich der Inneuraum des Apparates
mit einem Dampfstron; von constanter Temperatur; diese sowie
der Stand des Flüssigkeitsmeniscus in der Röhre werden ab-
gelesen. Der verbrauchte Dampf strömt durch die von kaltem
Wasser umflossene Kühlschlange ab und wird in einem
unterstellten Gefäss als lauwarme Flüssigkeit wiedergewonnen,
welche sofort zur Wiederholung des Versuches benutzt werden
kann.
Die Füllung der Versuchsröhren mit den zu untersuchen-
den Flüssigkeiten geschah nach der von Young angegebenen
Methode.^) Ein Glasrohr von 2\/j bis 5 mm innerem Durch-
1) S. Young, Journ. Chem. Soc. 59. p. 37 fF. 1891.
Lichte gesättigter Dämpfe und Flüssigheiten. 469
^^^ser und etwa 5 mm Wandstärke (vgl. Fig. 2) wurde mit einer
ÄiWimetertheilung versehen und mittels Quecksilberfadens calib-
'^. Hierauf wurde die Röhre etwa 30 cm von einem Ende zuge-
^chmolzen (bei a), sodass das
Stück a b den Stiel bildete; bei c .,, ,,.,,, , , ^ — b
den späteren Versuchen, wo Pig, 2.
derselbe weggelassen wurde,
zog man die Röhre bei a ab. Das Ende bei a wurde mit Queck-
silber ausgewogen und auf das sorgfältig gereinigte Rohr bei c
1er nebenbei abgebildete Ansatz aufgeschmolzen. Nachdem
ler ausgebauchte Theil desselben etwa zur Hälfte mit der zu
)rüfenden Flüssigkeit gefüllt war, wurde die OeflFnung o mit
dner Quecksilberpumpe verbunden und das o
iohr ausgepumpt. Befindet sich die Oeffnung
les kleinen Rohrstückes r unter der Ober-
läche der Flüssigkeit, so saugt es dieselbe
etzt ein, ist eine genügende Quantität ein-
gedrungen, so dreht man das Rohr, sodass
iie OeflEhung von r jetzt über dem Niveau
ler Flüssigkeit steht und die Saugewirkung
lufhört. Nach einigen Stössen der Luftpumpe
97ird sodann das Ansatzstück an der zu diesem
Zweck verengten Stelle e abgeschmolzen. Nach-
dem man der Flüssigkeit einige Stunden Zeit
gelassen hat, an den Wänden herabzufliessen, ^^S- ^'
wird der Stand bei Zimmertemperatur abgelesen und hieraus
mittels des bekannten specifischen Gewichtes das Gewicht der
Füllung berechnet. Hierauf wird die Röhre umgekehrt und
jetzt mittels des bekannten Gewichtes der Füllung das Volumen
des anderen Endes bestimmt. Diese Methode der Füllung
ist nicht gerade sehr einfach, dafUr leistet sie aber Gewähr,
dass die Luft aus der Röhre vollkommen entfernt ist, und
die Substanz, welche ja nur mit den Rohrwänden in Berührung
kommt, nicht verunreinigt wird (vgl. Fig. 3).
Als Siedeflüssigkeiten wurden folgende Substanzen ver-
wendet*
Dimethylanilin (Siedepunkt 190<>)
Diäthylanilin (Siedepunkt 2120)
Benzoesfiureisobutylester (Siedepunkt 237°)
Bromnaphtalin (Siedepunkt 276°)
460 B, von Hirsch,
Die drei ersten Substanzen sieden sehr constant, Brom-
naph talin dagegen zersetzt sich sehr stark, sodass die Tem-
peratur während eines Versuches nie ganz constant wird, be-^
sonders wenn man den in den Kolben bleibenden Rest der
Flüssigkeit nicht jedesmal entfernt und nur das Destillat ver-
wendet; thut man dies, so braucht man sehr grosse Mengen
Substanz; auch der sehrunangenehme Geruch des Bromnaphtalins,
der ein längeres Arbeiten in diesen Dämpfen erschwert, lässt
es als Siedeflüssigkeit wenig geeignet erscheinen.
Betreffs der Berechnung der Versuche ist folgendes zu
erwähnen:
Alle Volumina sind auf ^lo ^^™ genau bestimmt und
hieraus die Grössen Sa und5^auf4Decimalstcllen ausgerechnet;
die vierte Stelle, welche keinen Anspruch auf Richtigkeit
machen kann, ist in dem nach der Formel
o Sa Sb — Sa' Sb
Sb- Sb
berechneten Werth des specifischen Volumens weggelassen.
Ein immerhin möglicher Ablesefehler von ^/^^ ^^ macht sich
bereits in der dritten Decimale bemerkbar, deren Einheiten
daher nicht als sicher betrachtet werden können.
Die Berechnung von
S,
r =
S-S.
wird um so ungenauer, je kleiner S—Sa ist, d. h. je weniger
Substanz verdampft ist. Die Methode ist daher nur für Tempe-
raturen erheblich über dem normalen Siedepunkte der zu
untersuchenden Substanz anwendbar.
Wird S zu gross gefunden, so muss r zu klein ausfallen und
umgekehrt. Das specifische Volumen des Dampfes, auf das
es eigentlich ankommt, s = r . S, ist daher immer weniger un-
genau als r.
Es wurden folgende Correctionen angebracht.
1. Correction wegen des Caliberfehlers des Rohres.
2. Correction wegen des Meniscus (stets als ^/j Grund-
fläche-Höhe berechnet). Dieselbe Correction wurde auch bei
der Calibrirung mit Quecksilber angewendet.
>
Dickte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten, 461
3. EHne Correction wegen AusdebnuDg des Glases war
nicht nöthig, da dieselbe auch bei den grössten Werthen der
Yolumina (2000 cmm) mit dem gewöhnlichen Ausdehnungs-
coefficienten des Glases 0,000025, erst 0,05 cmm ausmacht,
während alle Volumina nur auf 0,1 cmm berechnet sind.
4. Die wichtigste Correction ist die wegen des bei Zimmerr
temperatur im Rohr vorhandenen Dampfes, welche bei der
Gewichtsbestimmung einige Milligramm ausmachen kann. Sie
beeinflusst den Werth von S fast gar nicht, den von r sehr
stark, um so stärker je grösser r, also je niedriger die Tem-
peratur ist.
Bei dieser Correction wurde für den Dampf stets die
normale Dichte angenommen, d. h. das halbe Moleculargewicht
multiplicirt mit der Dichte des Wasserstoffs, 0,0008988.
Alle Versuche wurden mindestens dreimal, und wenn die
Resultate schlecht übereinstimmten, noch öfter wiederholt.
Um S aus den Versuchen mehrere Male zu berechnen,
müssen mindestens drei verschiedene Füllungen untersucht
werden, wie dies bei der einen Hälfte der geprüften Substanzen
auch geschah; da aber in der Gleichung
S^b — Sb
S'j^ — 5j nicht zu klein werden darf, so können nur solche
Werthe zur Berechnung . combinirt werden, bei welchen die
Füllungen erheblich voneinander abweichen. Da die mehr-
mals berechneten Werthe von S stets gut miteinander über-
einstimmten, so erscheint auch da, wo diese Grösse aus den
Versuchen nur einmal berechnet werden konnte, die Genauig-
keit hinreichend.
Versuchsresultate.
Es wurden folgende Substanzen untersucht: Toluol; Ortho-,
Para- und Metaxylol; Propionsäure; normale und Isobutter-
säure *).
1) Ueber Reinigung der Substanzen vgl. die Dissertation.
462
R, von Hirsch.
I. Toluol.
Siedepunkt 110^; specifisches Gewicht bei 18^: 0,8665.*
Die Resultate sind in den folgenden Tabellen zusammen-
gestellt^):
Tabelle 1.
190 <>
212
237
276
Sa
S,
1,2318
1,1949
0,6685
7,0657
7,1026
7,6290
S,
1,4318
1,4558
2,5276
2,5036
1,2255 7,1188 1,3476 3,3628
1,1751 7,1692 ; 1,3648 3,3456
1,0798 7,2645 i 1,3634 3,3470
I 1,3207 3,3897
Tabelle 2.
T
190»
212
237
276
I
8
1,452 30,7
1,516 1 22,1
1,620 13,4
44,7
33,5
21,8
1,839 6,43 ! 11,8
II
S
1 .4
1.4
2.3
1.4
1,456
1,534
1,606
1,842
31,4
19,8
13 8
6,59
8
45,7
8.4
30,4
3.4
22.1
3 4
12,4
1.2
Tabelle 3.
T \
S
r
s
D
(l
190»
1,455
31,1
45,2
0,687
0,022
212
1,525
21,0
32,0
0,656 1
0,031
237
1,613
13,6
22,0
0,620 1
0,045
276 1
1,841
6,51
12,1
0,543
0,082
Die erste Tabelle enthält die aus der Beobachtung an vier
Versuchsreihen entnommenen Werthe von S^ und 45^, die zweite
die hieraus berechneten Grössen Ä, r und *, wobei die letzte
Columne die Nummern der Beobachtungsreihen angiebt, welche
der Berechnung zu Grunde liegen. In der dritten Tabelle
1) Bei Toluol ist das ganze Material angegeben, bei den folgenden
Substanzen nur die für Temperaturintervalle von 10 ° abgeleiteten Werthe
von 5, *, D und d.
Dichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiteru
463
sind die aus beiden Berechnungen gezogenen Mittelwerthe von
S, r und ä, sowie deren reciproke Werthe, die Dichten i>= 1/5
^ und d=lls zusammengestellt. Trägt man diese Werthe D
und d in einem Coordinatensystem, dessen Ordinaten die
Temperaturen sind, als Abscissen auf, so sollen nach einem
von Matthias aufgestellten Gesetz^) die Mittelwerthe (D + d)j2
auf einer Geraden, dem sogenannten Durchmesser der Dichte-
curren, liegen. Dieses Gesetz zeigte sich hier wie bei allen
anderen imtersuchten Substanzen vollständig bestätigt, wie
nachstehende Tabelle zeigt, in welcher die erste Columne die
beobachteten, die zweite die nach der Formel
J = 0,4464 - 0,000483 t
berechneten Werthe von (d+D)j2 zeigt:
Tabelle 4.
190 0
212
237
276
0,3547
0,3435
0,3328
0,3128
0,3546
0,3440
0,3319
0,3131
Da also die Curve, welche die Dichten als Function der
Temperatur darstellt, einen geradlinigen Durchmesser hat, so
ist die Annahme naheliegend, dass die Curve eine Parabel
sei; thatsächlich haben Cailletet und Matthias^ für eine
Reihe von Substanzen die Formel d^a — ßt-^-y '^ß'—t be-
stätigt gefunden, wobei sie allerdings für den der Flüssigkeit
entsprechenden Gurvenast andere Constanten a, /?, y annahmen
als für den Theil, welcher dem Dampf entspricht; {0- bedeutet
die kritische Temperatur), um diese Gesetzmässigkeit zu
prüfen, wurden die Constanten der Parabel t/* = mx + ni/ be-
stimmt, welche auf ein schiefwinkliges Coordinatensystem be-
zogen ist, dessen eine Axe dem Durchmesser J=:a — ttga
parallel ist, sodass
t/^d+ttga, ^=— -
•^ cosa
1) £. Mathias, Compt. reud. 115. p. 35. 1890.
2) L. Cailletet u. E. Matthias, Compt. rend. 104. p. 1563. 1887.
464
J?. von Hirsch.
ist. Die Scheitelcoordinaten dieser Parabel sind
— =s a und
2
n'
4m
cos«
(t9* kritische Temperatur); also n = 2« = 0,8928
m =
I»-
«y
cosa
Setzt man in dieser Gleichung nacheinander die vier
beobachteten Werthe von d bez. D ein, so erhält man
m' = 0,0004680 = 0,0004659
m' *- 0,0004804 » 0,0004820
w' = 0,0004959 - 0,0004904
m' « 0,0005293 = 0,0005302.
Die Werthe der Constante werden also immer grösser,
wenn man von niedrigen zu höheren Temperaturen fortschreitet,
was auf eine regelmässige Abweichung von der Parabelgestalt
deutet. Diese Abweichung ist sehr bedeutend; denn berechnet
man mit dem Mittelwerth von m' = 0,000 493 2 die kritische
Temperatur i9-= — (n*/4iii'), so findet man 452^ anstatt des
beobachteten ^) Werthes 320 ^ Die Curve, welche die Dichten
als Function der Temperatur darstellt, ist also im Vergleich
mit dieser Parabel erheblich abgeplattet; sie wurde aus den
beobachteten Werthen D und d auf graphischem Wege f&r
das Intervall 190^ bis 280*^ construirt. Die aus der Curve
abgelesenen Werthe von D und d und ihre reciproken Werthe
S und s sind in beistehender Tabelle für Intervalle von lO'^
angegeben; die Curve selbst ist beigefügt (vgl. Taf. VII). In
einer zweiten Tabelle sind die aus der Curve entnommenen
Werthe von S und s mit den aus der Beobachtung direct ab-
geleiteten verglichen.
Tabelle 5.
T
D
d
S
s
T
0
d
5
s
190
0,687
0,022
1,455
45,5 I
240
1
0,614
0,048
1,629
20,8
200
0,672
0,026
1,488
38,5 ,
250
0,594
0,057
1,684
17.5
210
0,658
0,030
1,520
33,3
260
0,574
0,066
1,742
15,1
220
0,644
0,035
1,553
28,6
270
0,554
0,076
1,805
13,2
230
0,630
0,040
1,587
25,0
1 280
0,534
0,085
1,873
11,8
1) Pawlewski, Chem. Ber. 21. p. 2141. 1888.
Lichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten, 465
\
190
212
237
276
Tabelle 6.
Beobachtet
s
_jl
1,455
1,525
1,613
1,841
45,2
82,0
22,0
12,1
Aus der Curve
6'
1,455
1,527
1,616
1,846
8
45,5
32,4
22,1
12,3
IL Orthoxylol.
Siedepunkt 141^; specifisches Gewicht bei 18^: 0,8790.
Es wurde wieder die Curve der Dichten construirt, deren
Durchmesser der Gleichung
J = 0,4578 -0,000 48 W
entspricht. Die nach dieser Formel berechneten Werthe sind
in Tab. 8 mit den aus der Beobachtung sich ergebenden
Grössen {d + l))j2 verglichen und zeigen die Richtigkeit des
Matthias'schen Gesetzes für Orthoxylol. Aus der Curve sind
die Werthe d und D für Intervalle von 10^ abgelesen und
die zugehörigen Grössen s und S berechnet (Tab. 7).
Tabc
iUe 7.
»
T
S
1
s
D
d ;! T
1 S
1
8
D
d
190
1,396
71,4
0,716
0,014
240
1,524
35,7
0,656
0,028
200
1,418 1
62,5
0,705
0,016
250
1,560
29,4
0,641
0,034
210
1,441
52,6
0,694
0,019
260
1,600
25,0
0,625
0,040
220
1,466
47,6
0,682
0,021
1 270
1,642 \ 21,7
0,609
0,046
230
1,493
41,7
0,670
0,024 " 280
1,686
1
19,2
0,593
0,052
1
Tabelle 8.
»
T
i d + n '
1 ..
A
190
\ 0,3663
0,3664
212
0,3546
0,3558
237
0,3459
0,3438
276
, 0,3'
249
0,325
0
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 69.
30
466
B. von Hirsch,
III. Paraxylol.
Siedepunkt 137^; Schmelzpunkt 13,0®; specifisches Ge-
wicht bei 18<^: 0,8620.
Der Durchmesser entspricht der Gleichung
A = 0,3902 - 0,00344 t.
Tabe
lUe 9
1
T
d+D
2
A
48
1900
0,3237
0,32
212
0,3163
0,3172
237
0,3127
0,3086
276
0,2933
Tabelle 10
0,2952
1.
T
1
1 D
1
1
d
S
8 [ T \
D d
5
8
190«
0,620
0,028
1,613 '
!i
35,7 240 0
0,575 ' 0,041
1,739
24,4
200
0,612
0,030
1,684
38,3
250
0,562
0,045
1,779
22,2
210
0,603
0,032
1,658
31,3
260
0,548 1 0,051
1,825
19,6
220
0,594
0,035
1,684
28,6 :
270 ^
0,534
0,057
1,873
17,5
230
0,585
0,038
1,710 .
26,3 ,
280
0,520
0,062
1,923
16,1
IV. Metaxylol.
Siedepunkt 138 ^ specifisches Gewicht bei 18 <^: 0,8667.
Die Durchmessergleichung wird
A = 0,4385 - 0,000438 L
Tabelle
11.
•
1
T
1
2
A
190
0,3552
0,3553
212 1
0,3457
0,3457
237 !
1
0,3351
•
0,3348
276
0,3175
0,3177
Dickte ge$äUigter Dämpfe und Flüttigkeiten. 467
Tabelle 12.
►
190
200
210
220
230
D
I
s
0,690
0,678
0,666
0,654
0,642
0,020
0,023
0,026
0,030
0,034
1,449
1,475
1,501
1,529
1,557
50,0 i|
44,5 ,|
38,5
33,3
29,4
240
250
260
270
280
D
1
d
s
8
1 0,629
0,088
1,590
26,3
0,615
0,043
1,626
28,3
0,600
0,048
1,667
20,8
0,585
0,054
1,709
18,5
1 0,570
0,060
1,754
16,7
V. Propionsäure.
Siedepunkt 140^; specifisches Gewicht bei 18^:
Die Oleichung des Durchmessers ist:
J = 0,5212 -0,000605^.
1,006.
Tabe
Ue 13.
T
d-{- D
2
A
190
0,4052 0,4053
212
0,3928
0,3932
287
0,3779
0,3781
275
0,3538
0,3538
Tabelle 14.
T
D
d
s
8 T ' D
j
d
S
8
190.
0,800
0,0103
1,250
97,2 240 0,722
0,029
1,383
34,4
200
0,786
0,013
1,272
77,0 i
250 1 0,703
0,036
1,422
27,b
210
0,772
0,016
1,295
62,5 ,
260 1 0,682
0,044
1,466
22,7
220
0,756
0,019
1,323
52,7 1
270
0,662 0,052
1,511
19,2
230;
0,740
0,028
1,351
43,5
280
0,642
0,060
1,558
16,7
VI. Normale Buttersäure.
Siedepunkt 162 <>; specifisches Gewicht bei 18^: 0,969.
Die Gleichung des Durchmessers ist:
J = 0,4953 -0,000 528 f.
30 ♦
468
R. von Hirsch.
Tabelle 15.
T
d+D
2
A
190°
212
237
275
0,3950
0,3830
0,3690
0,3496
0,3950
0,3834
0,3702
0,3501
Tabelle 16.
T
D
190 •
200
210
220
230
0,790
0,774
0,758
0,743
0,728
d
S
8
T
D
d
S
0,0033
1,266
300
240 0
0,713
0,020
1,403
0,006
1,292
166
250
0,699
; 0,024
1,430
0,009
1,319
111
260
0,685
! 0,028
1,460
0,012
1,346
83,3
270
0,671
0,032
1,490
0,016
1,373
62,5 ,
280
0,657
0,036
1,520
50.0
41,7
34,3
31,2
27,8
Die Versuche bei 190^ liefern so grosse Werthe von r,
dass dieselben nur geringe Ansprüche auf Genauigkeit machen
können. Der Werth cL^^^ = 0,0083 ist kleiner als die normale
Dampfdichte 0,00395; wenn dieser Werth aber auch etwas
fehlerhaft sein kann, so lässt sich doch durch diesen Umstand
allein das auffällig rasche Abnehmen der Dampfdichte mit der
Temperatur nicht erklären.
VII. Isobuttersäure.
Siedepunkt 153°; specifisches Gewicht bei 18®: 0,959.
Die Gleichung des Durchmessers wird
J = 0,4965- 0,000573 A
Tabelle 17.
/) + d
190 <»
0,3877
0,3876
212
0,3760
0,3750
237
0,3612
0,3607
275
0,3396
0,3389
Dichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten, 469
Tabelle 18.
:r
! ^
d
1
S
8
T
D
d
S
8
l^Oo
0,762
0,013
1,311
11,1
'!
240 «^
0,692
0,027
1,445
37,0
20o
0,750
0,0U
1,333
71,4
250
0,673
0,033
1,486
30,3
2lO
0,738
0,015
1,355
66,7
260
0,654
0,040
1,529
25,0
2<iO
0,724
0,018
1,381
55,5
270
0,636
0,048
1,572
20,8
^^0
, 0,708
0,022
1,412
45,4
280
0,618
0,057
1,618
17,5
Zur Theorie.
] . Die Beobachtungen gestatten eine directe Bestimmung der
Constanten a und b der van der Wa als 'sehen Zustands-
gieichung:
RT a
Die Versuche liefern nämlich für das specifische Volumen v
zwei Werthe, S für die Flüssigkeit, und s für den Dampf,
welche beide derselben Temperatur und demselben Druck ent-
sprechen; also
,T. RT a RT a
(I) P =
S-h
S*
s-b
8'
Femer gilt für die Sättigungscurve die aus der Thermodynamik
bekannte Gleichung:
Jpdv = p^{v^^v^).
Vi
Setzt man den aus Gleichung (I) genommenen Werth von
p hier ein und führt die Integration aus (wobei mit den bisher
angewandten Bezeichnungen v^== Sj v^=s zu setzen ist), so
erhält man
Aus den beiden Gleichungen (I) und (II) ergiebt sich durch
Elimination von a:
(*-*)(«-*) log- (4^) =
2S.s{S-8)
S + 5
-(5-ä)^.
470
S, von Hirsch,
Da diese Gleichung nicht direct auflösbar ist, so wurd
ihre beiden Theile
und
(,.i)(5-/.)log-f-|- = y
S+s ^ ' ^
\
als Curven construirt und aus ihrem Schnitt der Werth von h
entnommen. Es ist dann ferner
a =
ETS*8^
(S'-b){S''b){S + s)
WO
7? =
absolute Gasconstante 81,49
Moleculargewicht
m
Die bei jeder untersuchten Substanz für drei Temperaturen
berechneten Werthe der Constanten b und a zeigen unten-
stehende Tabellen. Hieraus ergiebt sich^ dass b mit der Tem-
peratur langsam wächst, während a im allgemeinen abnimmt;
nur bei Paraxylol wird auch a mit der Temperatur grösser.
Tabelle 18
l
T
Toluol
b
a
200°
230
270
1,105
1,120
1,145
Tabelle 20
2456
2365
2270
T
Orthoxylol
Parai
1 1,185 i
! 1,210 '
:. 1,295
ylol
a
Metaxjlol
1 b
a
b a
190 '^
230
270
1
1,097
1,120
1,135
2311
2291
2183
2143
2226
2469
1,110 2191
1,125 2192
1,150 ; 2130
1
f
Dichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten. 471
Tabelle 21.
Propionsäure
n- Buttersäure
Isobuttersäure
n
a
a
190«
230
270
0,990
1,025
1,040
3058
3081
2836
1,067
1,080
1,087
3451
3002
2752
1,040
1,072
1,100
2709
2715
2581
Die ,,CoDstanten'^ sind also nicht vollständig constant, d. h.
die Zustandsgieichung entspricht den wirklichen Verhältnissen
nur angenähert; dieses Resultat war vorauszusehen, da alle
bisherigen Vergleiche der Theorie mit dem Versuch dasselbe
ergeben haben. Die zahlreichen anderen, von verschiedenen
Autoren nach dem Muster von van der Waals aufgestellten
Zustandsgieichungen enthalten stets mehr als zwei Constanten,
welche daher aus den hier besprochenen Versuchen mit Hülfe
obiger Gleichungen
nicht direct berech-
net werden können.
2. Theorie des kri-
tischen Punktes. Die
Dichten von Flüssig-
keit und Dampf im
Sättigungszustand
stellen sich als Func-
tionen der Tempe-
ratur in Form zweier
Curven dar, welche
nach der herrschen-
den Theorie an der
kritischen Tempera-
krT
Fig. 4.
tur ineinander übergehen sollen, indem sie dort ein Maximum
der jetzt geschlossenen Curve bilden; dieser Maximalpunkt, an
dem die Curve die Abscisse der kritischen Temperatur berührt,
heisst der kritische Punkt, das ihm entsprechende Volumen
das kritische Volumen.
Lässt man nun in einer geschlossenen Bohre, welche eine
bestimmte Quantität Substanz theils als Flüssigkeit, theils als
Dampf enthält, die Temperatur wachsen, so wird die gleich-
472 B. von Hirsch,
zeitige Aenderung der Dichten in der Fig. 4 durch zi^ei
Punkte dargestellt, die entlang den beiden Aesten der Sättigunf^-
curve fortschreiten und solange auf ihr bleiben, als im Rohr%
Flüssigkeit und Dampf vorhanden sind. Dehnt sich die Flüssig-
keit so stark aus, dass sie das ganze Rohr erfällt, oder ver-
dampft so viel Substanz, dass das Rohr nur mehr Dampf
enthält, so hört die eine abbildende Linie auf, während die
andere die Sättigungscurve verlässt und entlang der Ordinate
weitergeht. Denn jetzt befindet sich eine homogene Substanz
yon unveränderlichem Gewicht im Rohr von unveränderlicheai
Volumen, die Dichte ist also constant.
Ist dagegen die Füllung so gewählt, dass beim Erreichen
der kritischen Temperatur noch Flüssigkeit und Dampf im^
Rohr vorhanden sind, so müssen beide Aeste der Sättigungs-^
curve vollständig bis zur kritischen Temperatur durchlaufeit
werden. Oberhalb dieser Grenze wird die Substanz plötzlick
homogen, die abbildende Curve setzt sich also entlang eiueir
Ordinate fort, die nur vom Verhältniss der verwandten Sub—
stanzmenge zum Rohrvolumen abhängig ist, also sehr ver-
schiedene Lagen haben kann, da es in der Willkür des Be-
obachters liegt, wieviel Substanz das Rohr enthält
Bezeichnen nun d^ und d^ die Dichten von Dampf unA
Flüssigkeit bei einer Temperatur unterhalb der kritischen,
t?j und t»3 die von beiden eingenommenen Volumentheile, F das
Gesammtvolumen des Rohres, d die Dichte der homogen ge-
wordenen Substanz bei einer Temperatur oberhalb der kriti-
schen, endlich p das Gewicht der Füllung, so ist
Vd = v^d^+v^d^=pj
(I) d^d,+^^^^,
also
und da d mit der Füllung willkürlich veränderlich ist:
<^2 > ^1 •
Hierbei kann d^ und d^ bei jeder Temperatur genommen
werden, bei welcher noch Flüssigkeit und Dampf im Rohr
vorhanden sind, d. h. bis zum Verschwinden des Meniscus.
Bezeichnen also d\ und S^ die Dichten des gesättigten Dampfes
I
Dichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten, 473
und der Flüssigkeit an der kritischen Temperatur vor diesem
Verschwinden der Trennungsfiäche, so gilt auch hier:
^, > ^^1 ,
d. h. die Dichten des gesättigten Dampfes und der Flüssigkeit
bei der kritischen Temperatur sind nicht gleich; die beiden
Sättigungscurven gehen nicht ineinander über, sondern treffen
die kritische Temperatur in zwei verschiedenen Punkten, A und B.
(Vgl. Fig. 5.)
Aus Gleichung (I) ergeben sich für die kritische Temperatur
die Grenzwerthe von d:
rf = ^j für Vg = 0 ,
d = d^ für Vg = r, d. h. Vj = 0,
d. h. die Dichte des gesättigten Dampfes an der kritischen
Temperatur ist gleich der Dichte der homogen gewordenen
Substanz bei derjenigen j-
Füllung, bei welcher bei
der kritischen Tempera-
tur gerade alle Flüssig-
keit verdampft ist; die
Dichte der Flüssigkeit
unter Sättigungsdruck
an der kritischen Tem-
peratur ist gleich der
Dichte der homogen ge-
wordenen Substanz bei
derjenigen Füllung, bei
welcher bei der kriti-
schen Temperatur die ^^' ^'
Flüssigkeit das Eohr gerade ganz ausfüllt.
Der Deutlichkeit halber sei das Resultat obiger Entwicke-
lung nochmals kurz zusammengefasst:
a) Oberhalb der kritischen Temperatur ist die Dichte
der Substanz jedenfalls durch eine Ordinate dargestellt, deren
Lage mit der Füllung willkürlich geändert werden kann, etwa
durch Cc oder Dd oder etc.; die äussersten möglichen Lagen
derselben seien Aa und Bb. (Fig. 6.)
Ärr
d.
474
R, von Hirsch,
b) Unterhalb der kritischen Temperatur sind die Dichten
von Flüssigkeit und Dampf nach der herrschenden Theorie
durch die Curven ImK bez. Im K dargestellt. *
c) Demgegenüber wird behauptet, der Verlauf dieser
Curven sei V m Ä bez. ImB.
Beim Ueberschreiten der kritischen Temperatur findet
also in beiden Fällen ein plötzlicher Uebergang der Dichten
statte entweder von K nach einem Punkt zwischen Ä und B,
etwa C, oder von Ä und B zugleich nach C, Während aber
Ä- c
d b
^tld ^ Igl^
.krT
Fig. 6.
gegen diesen letzteren Weg von A und 5 zu C nichts einzu^
wenden ist, erweist sich ein Uebergang KG als unmöglich;
denn in A^ hätte die Substanz bereits eine einheitliche Dichte;
eine Aenderung derselben im geschlossenen Rohr, d. h. bei
constantem Volumen, würde eine Aenderung des Gewichtes in
sich schliessen, ist daher unmöglich. Hierdurch ist bewiesen,
dass die Sättigungscurve die kritische Temperatur nicht be-
rührt, sondern ihre beiden Aeste sie in zwei verschiedenen
Punkten treflfen. Den diesen Punkten entsprechenden ge-
sättigten Dichten 8^ und 8^ gebührt der Name „kritische
Dichten", denn sie gehören als dritte Variable zur „kritischen
Temperatur" und zum „kritischen Druck", der ja als Sättigungs-
druck bei der kritischen Temperatur definirt ist.
Nach dem Gesetz von Matthias^) wird die „kritische
1) E. Matthias, Compt. rend. 115. p. 35. 1890.
I
Dichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten. 476
t^' als Schnittpunkt des Durchmessers mit der kritischen
iratur bestimmt; diese Dichte
a = — ^— .
icht offenbar dem Mittelpunkt von A B, Aus Gleichung (I)
man, dass dieser Mittel werth dann wirklich erreicht
^enn v^ = v^ ist, d. h. der Meniscus gerade in der Mitte
3hre verschwindet; dieses S entspricht dann aber der
en gewordenen Substanz, keinem gesättigten Zustand
Idet daher mit der kritischen Temperatur und dem kri-
Druck keinen möglichen Zustand der Substanz; daher
it S auch nicht den Namen einer „kritischen" Dichte.
jde experimentelle Bestimmung, welche den verschwin-
i Meniscus beobachtet, muss die Grössen S^ und S^
Denn da sie auf der Beobachtung einer Trennungs-
beruht, so setzt sie noch zwei getrennte Theile, Flüssig-
nd Dampf, voraus. Dennoch behaupten verschiedene
n auf Grund ihrer Versuche, die Dichten von Flüssig-
Qd Dampf seien an der kritischen Temperatur gleich,
lagat^) und Young^ bei Gelegenheit der Untersuchung
mtan. Sie finden nämlich, dass bei den höchsten be-
eten Temperaturen beide Grössen so rasch aufeinander
>en, dass die bei der kritischen Temperatur, welche einige
1, ja einige Hundertstel Grade höher liegen soll, einander
würden. Offenbar braucht man die kritische Temperatur
lige Hundertstel Grade niederer anzunehmen, um zu dem
angesetzten Eesultat zu gelangen, und da die Erscheinungen
ischen Zustand eine so genaue Bestimmung dieser Tempe-
inmöglich mit Sicherheit ausführen lassen, so muss an-
8 der logischen Unmöglichkeit, zu der er führt, dieser
j der genannten Beobachter als unstatthaft angesehen
ELH. Amagat, Compt. rend. 114. p. 1093 u. 1322. 1892; Physik.
. p. 37. 1892.
S. Young, Journ. Chem. Soc. 71. p. 446. 189T.
476 R. von Hirsch,
werden. Hier ist hervorzuheben, dass wenn auch wenige
Bruchtheile eines Grades über der letzten beobachtbaren Tem-
peratur die Dichtecurven ineinander übergehen würden, docf|
ihre thatsächlich gefundenen Endwerthe nicht in gleichem
Maasse nahe aneinander liegen, da die Curven hier eben sehr
flach verlaufen.
Battelli^) führt för die Gleichheit der kritischen Dichten
einen theoretischen Grund an. Er sagt: In Gleichung
r.if
-^«(^Ä-/') = o,
wo u die Differenz der specifischen Volumina bedeutet, muss
entweder u oder der Elammerausdruck = 0 sein; letzterer
lässt sich berechnen und ist nicht = 0 ; also ist u = 0 . Die
angeführte Gleichung ist offenbar aus der bekannten Beziehung
abgeleitet:
r = Tu
dp
~dt
WO r die Verdampfungs wärme bedeutet. Zerlegt man dieselbe
in die innere Verdampfungswärme q, welche die Energie der
Molecüle vermehrt, und die äussere, welche die Ausdehnungs-
arbeit p u leistet, und setzt an der kritischen Temperatur o = 0,
so erhält man die von Battelli angeführte Gleichung. Offen-
bar liegt aber in der Voraussetzung p = 0 bereits die An-
nahme, dass Dampf und Flüssigkeit identisch sind, der Schluss
von Battelli ist also nicht stichhaltig.
Auch die Darstellung von Stoletow*) in seiner Arbeit
über den kritischen Zustand ist nicht einwurfsfrei. Er nimmt
nämlich an, die abbildende Curve gehe nur dann durch den
„kritischen Punkt'*, wenn der Meniscus in der Mitte des
Rohres verschwindet, während sie in jedem anderen Fall die
kritische Temperatur an einem etwas seitwärts gelegenen
Punkt überschreite. Da aber unterhalb der kritischen Tem-
peratur stets Flüssigkeit und Dampf im gesättigten Zu-
stand vorhanden sind, so ist hier ein Abweichen von der
1) A. Battelli, Physik. Revue 1. p. 264. 1892.
2) A. G. Stoletow, Physik. Revue 2. p. 44. 1892.
Dichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten, 477
Sättigungscurve unmöglich, die Dichten sind durch die Tem-
peratur allein vollständig bestimmt; erst oberhalb derselben
^Werden sie von der Füllung abhängig, erst hier also kann die
abbildende Curve sich verzweigen.
Eine vollständig hiervon verschiedene Auffassung vertritt
Boltzmann in den „Vorlesungen über Gastheorie", II,
p. 21: Er nimmt an, der Meniscus verschwinde überhaupt
lüeht wirklich in der Röhre, sondern wandere auch bei der
kritischen Temperatur stets nach einem Ende, wobei er jedoch
80 undeutlich würde, dass man ihn in den letzten Momenten
nicht mehr sehen soll. Diese Darstellung ist der einzige
Ausweg, bei welchem die Annahme einer kritischen Dichte
bestehen kann, scheint aber den Versuchsresultaten direct zu
widersprechen; denn aus den Angaben der verschiedenen Ex-
perimentatoren ergiebt sich, dass der Meniscus an einer ganz
bestimmten Stelle im Rohr verschwindet.
üeberträgt man die ausgeführten Betrachtungen in ein
Coordinatensystem mit Druck und specifischem Volumen als
Variablen, so ergiebt sich eine der früheren ganz ähnliche
Figur: die beiden Grenzcurven vereinigen sich nicht, da für
den kritischen Druck die Dichten nicht gleich sind, sie sind
vielmehr durch das horizontale Stück der kritischen Isotherme
verbunden. Die Curve hat also kein bestimmtes Maximum,
die Annahme von van der Wa^ls, dass am „kritischen"
Punkt
(1) ^ = 0, (2) -^ = 0
sei, wird hinfällig; denn die erste Gleichung gilt für alle Punkte
auf Ä By die zweite für keinen, ein „kritischer Punkt" existirt
nicht. Van der Waals hat aus obigen Gleichungen den Zu-
sammenhang der kritischen Grössen mit den Constanten seiner
Zustandsgieichung abgeleitet, hieraus die reducirte Zustands-
gieichung und schliesslich die Theorie der correspondirenden
Zustände.
Die Grundlage dieser ganzen Entwicklung wird daher
hinfallig; dagegen lässt sich aus dem vorhergehenden kein
Schluss gegen die van der Waals'sche Anschauung ziehen,
dass es möglich sei, die individuellen Constanten der Substanz
478 R» von Hirsch, Dichte gesättigter Dämpfe und Flüssigkeiten.
aus der Zustandsgieichung durch Einführung der kritischen
Grössen zu entfernen; als solche müssen dann aber neben
Temperatur und Druck die beiden kritischen Dichten toi"
Flüssigkeit und Dampf angesehen werden. Ek^t wenn der
Zusammenhang dieser Grössen mit den Constanten der (rich-
tigen) Zustandsgieichung ermittelt ist, lässt sich die Frage
entscheiden, ob eine ,,reducirte'' Zustandsgieichung und ,,cor-
respondirende'^ Zustände existiren.
Es erübrigt jnir, dem Leiter des Institutes, Hm. Professor
Dr. E. von Lommel, sowie Hrn. Professor Dr. L. Graetz,
von dem die Anregung zu dieser Arbeit ausging, meinen Danic
für ihre liebenswürdige Unterstützung auszusprechen.
(Eingegangen 7. Juni 1899.)
7. Elektrische Abbildn/ngen;
von L. Fomtn.
(HIeni Taf. Till, Flg. 1-6.)
Berührt man mit einem elektrisch geladenen, metallischen
iter einen Punkt einer nicht leitenden Platte, z. B. von
rtgummi, und giebt dann durch ein leinenes Säckchen ein
menge von Mennige und Schwefelblumen auf die Platte, so
steht bei positiver Elektricität um den Berührungspunkt ein
her Stern, bei negativer ein rundlicher rother Fleck. Diese
^en wurden 1777 von Lichtenberg entdeckt und tragen
aen Namen. Sie dienen, in obiger Weise erzeugt, als ünter-
leidungsmittel zwischen positiver und negativer Elektricität.
besonders schöner und einfacher Weise lässt sich nament-
i die positive Figur folgendermaassen erzeugen.
Man legt auf zur Erde abgeleitetes Stanniol eine 61as-
tte und übergiesst letztere mit einer dünnen Schicht Schmieröl,
t solches zu Gasmotoren verwendet wird. Auf die Mitte der
.tte wird ein zugespitzter Metallstab gesetzt, den man mit
Q positiven Pol einer Influenzmaschine verbindet, während
' negative Pol zur Erde abgeleitet ist.
Setzt man die Maschine in Thätigkeit, so schiesst das Oel
;h allen Richtungen auseinander, eine strahlenförmige Figur
iend, die sich noch einige Zeit nach Einwirkung der Elektri-
It erhält Später breitet sich das Oel wieder gleichmässig
5r die Glasplatte aus, und der Versuch kann wiederholt
•den. Die entstehende Figur ist dabei um so grösser, je
lere Spannung die Elektricität besitzt und je dünner die
«platte ist.
Stellt man den Versuch im verdunkelten Zimmer an, so
;t sich, dass die Entstehung der Figur mit einer Licht-
jheinung verknüpft ist. Von der Spitze des metallischen
eiters schiessen längs der Platte blaue Büschel nach allen
htungen. Diese Büschel sind photographisch wirksam und
ist desshalb leicht, sich ein dauerndes Bild von dieser
drischen Erscheinung zu verschaffen, indem man einfach
480 L. Fomm.
die photographische Platte mit der Glasseite auf ein zur Erde
abgeleitetes Stanniolblatt legt und die metallische Spitze auf
die Schichtseite setzt. In wenigen Secunden ist die Platte*
entwickelungsfähig. Schon Friedländer hat diese ErscheinuDg
auf solche Weise abgebildet.
Es ist nicht gleichgültig, aus welchem Stoff die Flächen
sind, die man der elektrischen Entladung aussetzt. Hat man
isotrope Stoffe, wie Glas, Ebonit, Harz etc., so breiten sich
die Strahlen nach allen Seiten gleichmässig aus.
Dieses ist bei anisotropen, d. h. bei solchen Körpern,
deren inneres GefQge nach verschiedenen Seiten Terschiedene
Beschaffenheit besitzt, z. B. bei Holz, bei ein- und zweiaxigen
Krystallen etc., nicht mehr der Fall, wie schon G. Wiedemann
und von Bezold gezeigt haben. Auf solchen Platten sind
die Lichtbüschel elliptisch ausgebildet. Auf Holz, welches
senkrecht zur Wachsthumsrichtung geschnitten ist, verbreiten
sich die Büschel, vorausgesetzt, dass die metallische Spitze im
Kerne aufgesetzt ist, allerseits gleichmässig. In diesem Falle
ist nämlich die Structur des Holzes nach allen Richtungen der
Oberfläche gleichartig. Bei jedem anderen Schnitte dagegen
tritt elliptische Form auf, und zwar steht die grosse Axe der
Ellipse senkrecht zur Längsfaser des Holzes. Es zeigt sich
also hier, dass die Art des Stoffes einen wesentlichen Einfluss
auf die Bildung der elektrischen Büschel ausübt.
Beschäftigt mit Versuchen über die Art dieses Einflusses
habe ich eine Reihe von Erscheinungen erhalten, von denen
ich hier einige mittheilen möchte.
Legt man auf ein Stanniolblatt eine wenige Millimeter
dicke sehr trockene Holzplatte und bedeckt letztere so mit
photographisch sehr empfindlichem Papier — Eastman paper — ,
dass die Papierseite dem Holze, die Schichtseite der elektrischen
Spitze, diese berührend, zugewandt ist, so zeigt sich auf dem
entwickelten Papier deutlich ein von Strahlen gebildeter Kreis,
wenn das Holz senkrecht, dagegen eine Ellipse (vgl. Taf. VIII,
Fig. 1), wenn das Holz in anderer Weise zur Wachsthumsrichtung
geschnitten ist. Bei genauer Betrachtung von Fig. 1 bemerkt
man, dass in dem erhaltenen Bilde neben der strahligen Figur
auch noch die Structur des Holzes ausgeprägt ist. Dies ver-
anlasste mich, Versuche anzustellen, inwieweit sich Structu^
Elektrische Abbildungen, 481
«igenthümlichkeiten des Holzes elektrophotographisch abbilden
lassen. Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt:
S Die mit Glaspapier fein geschliffene, sehr trockene Holz-
platte bedeckt empfindliches Papier mit der Schichtseite dem
Holze zugekehrt. Ueber dem Oanzen, das wie oben auf einem
zur Erde abgeleiteten Stanniolblatt liegt, befindet sich in einer
Sntfemung von ungefähr 5 cm die metallische Spitze. Diese
wird in diesem Falle mit Vortheil mit dem negativen Pole
der Influenzmaschine verbunden, während der positive zur
Erde abgeleitet ist, da das kleine negative Büschel weniger
das lichtempfindliche Papier als Nebenlicht beeinflusst, als es
die grossen positiven Büschel thun. Nach einer Minute ist bei
einer kleiner, nach 10 Secunden bei einer grösseren einfachen
Influenzmaschine das Papier genügend exponirt, um ein
kräftiges Bild beim Entwickeln zu liefern. Figg. 8, 4 und 5,
Taf. Vni sind solche elektrophotographisch hergestellte Bilder.
Bei sämmtlichen Hölzern sind die Jahresringe deutlich ab-
gebildet. Der physikalische Vorgang ist dabei folgender: das
photographische Papier wird durch die aus der Spitze strömende
Elektricität negativ geladen. Zwischen dem Papier und der
Holzplatte befindet sich eine dünne Luftschicht, die lumines-
cirend wird und zwar mit blauem, photographisch wirksamem
Lichte. Diese elektrische Entladungserscheinung ist nicht an
allen Stellen des Holzes gleich kräftig; an den Jahresringen
ist sie am bedeutendsten und deshalb leuchtet die Luft hier
starker, als an anderen Stellen, was auf der empfindlichen
Schicht zum Ausdruck gelangt. Die hier auftretende Glimm-
lichterscheinung lässt sich im dunkeln sehr schön mit dem
Auge beobachten, wenn man statt des photographischen Papieres
«in seidenes Tuch oder ein sehr feinmaschiges Drahtnetz über
das Holz breitet. Man sieht dann das Holz mit blauem
Olimmlichte bedeckt, in welchem sich die Structur durch
grössere oder geringere Kraft des Leuchtens deutlich ausprägt.
Fig. 2, Taf. Vni stellt das photographisch, Fig. 3, Taf. VIII
das elektrophotographisch erhaltene Bild eines und desselben
Holzschnittes dar und zwar ist Fig. 2 ein Positiv, Fig. 3 das
direct erhaltene Negativ ; letzteres giebt desshalb auch eine linke
Ansicht. Die Aehnlichkeit der beiden Bilder ist nur eine zu
fällige. Thatsächlich hat das elektrophotögraphische Bild mit
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 69. 31
482 L, Fomm, Elektrische Abbildungen.
dem optischen Charakter der Oberfläche des Holzes gar nichts zu
thun, sondern es gelangt in diesem Bilde im wesentlichen der
stoffliche Inhalt des Holzes zum Ausdruck. Dieses zeigt sich%
sehr schön an den Figg. 4 und 5, Taf. VIII.
Bekanntlich laufen vom Kerne des Baumes aus radiale
Strahlen, die sogenannten Markstrahlen, welche sich durch
einen gewissen Glanz, den sogenannten Spiegel, auszeichnen.
Diese Markstrahlen sieht man schön bei Eichen und Buchen-
holz. Stellen wir aus diesen beiden Holzarten Platten her,
und zwar sogenannte Hirnschnitte, so erscheinen die Jahres-
ringe bei beiden Holzarten dunkel, die Markstrahlen hell für
das Auge. Anders gestaltet sich das elektrophotographische
Bild. In Fig. 4 (Eichenholz) und Fig. 5 (Buchenholz) sind
die Jahresringe dunkel; dagegen sind die Markstrahlen im
Eichenholz hell, im Buchenholz dunkel abgebildet. Machen
wir bei beiden Holzarten mikroskopische Schnitte von den
Markstrahlen, so zeigt die Untersuchung, dass dieselben beim
Eichenholz reich, beim Buchenholz arm an Stärkekömem sind,
ein Beweis, dass im elektrophotographischen Bilde nicht der
optische Charakter, sondern die Eigenart des Holzes zum
Ausdruck gelangt, was für den Botaniker von Interesse sein
dürfte.
Auch ohne Zuhülfenahme der Photographie lassen sich in
einfachster Weise dauernde Abbildungen der Eigenthümlich-
keiten des Holzes auf elektrischem Wege erhalten. Man legt
auf die Holzplatte, welche sehr trocken sein muss, ein Blatt
Papier und siebt, während die Influenzmaschine im Gange ist,
irgend ein feines Pulver, z. B. Mennige oder Graphit, darauf.
Das Pulver kann aus leitendem oder nichtleitendem Material
sein. Sofort erscheint das Bild des Holzes, in dem sich das
Pulver hauptsächlich auf den Jahresringen lagert.
München, am 2. Juli 1899.
(Eingegangen 3. Juli 1899.)
8. Ueber eine zweckmässige Anordnung
des Mac Farlan Moore' sehen Vacuumvihrators;
von J. Mister und H. Geitel.
Im April des Jahres 1896 zeigte Hr. Mac Farlan Moore
in dem „American Institute of Electrical Engineers" eine neue
elektrische Beleuchtungsart, bei welcher evacuirte zum Theil
elektrodenlose Röhren von etwa 2 m Länge und 5 cm Dicke
zu hellem, gleichmässigem Leuchten angeregt wurden. Jede
Röhre entwickelte dabei eine Lichtstärke, welche der einer ge-
wöhnlichen Glühlampe von 16 NK. etwa gleichkam. ^)
Den Kern der Erfindung bildete dabei die Verwendung
eines im Vacuum schwingenden Wagnerischen Hammers.
Bei genügender Luftleere verläuft selbst bei Benutzung hoch-
gespannter Ströme die Stromunterbrechung in diesem Apparate
so rasch und erfolgt so vollkommen, dass die Selbstin duction
in einer vorgeschalteten, kurzen Drahtspirale bis zum Funken-
übergange gesteigert werden kann. Von der Anbringung
einer Secundärspule kann daher ganz abgesehen werden.
Mac Farlan Moore knüpfte an die Erfindung dieses Be-
leuchtungssystems grosse Erwartungen, die sich jedoch nicht
zu verwirklichen scheinen. Immerhin muss aber anerkannt
werden, dass der „Vacuumvibrator" an sich ein interessanter
Apparat ist und dass er, in Verbindung mit einer geeigneten
Drahtspule, ein kleines Inductorium zu ersetzen vermag. ^)
Bei gelegentlichem Arbeiten mit einem derartigen Vibrator
zeigte sich ein liebelst and, der eine andauernde Verwendung
des Apparates unmöglich machte. Solange nämlich die
elastische Feder des Vibrators lebhaft schwingt, geht selbst
bei Anschluss einer Leitung von 50 bis 100 Volt Klemmen-
spannung ein Strom von nur wenigen Ampere durch den
Apparat hindurch. Sobald jedoch die schwingende Feder an
1) Mac Farlan Moore, Elektrotechn. Zeitschr. 17. p. 637. 1896.
2) Vgl. J. Tuma, Beibl. 21. p. 767. 1897.
81*
484 J. Ekter u. H. Geitel
der Spitze, an welcher die Unterbrechung erfolgt, klebt —
und dies tritt sehr leicht ein — , so steigert sich die Strom-
intensität plötzlich so, dass die Spitze abschmilzt, wobei meistV
auch die Feder erglüht und das Glas an den Einschmelz-
stellen springt
Die Haltbarkeit desVibrators lässt sich nun bei einiger-
maassen vorsichtiger Behandlung dadurch ganz wesentlich er-
höhen, dass man zwei Stromkreise, einen niedrig- und einen
hochgespannten, in Anwendung bringt, von denen der erstere
lediglich dazu benutzt wird, denVibrator durch äussere mag-
netische Kräfte in Schwingung zu erhalten und dadurch die
Unterbrechung des letzteren zu bewirken.
Je nach der Höhe der verfügbaren Spannung hat man
Widerstände vorzuschalten, um eine gefährliche Erhitzung des
Vibrators zu verhüten. Zweckmässig wählt man dazu eine
Reihe von Inductionsrollen, die ihrerseits zur Erhöhung der
Spannung des Extrastromes beitragen.
Diese Gesichtspunkte sind bei dem Bau des unten be-
schriebenen Apparates maassgebend gewesen, der für eine
Maximalspannung des Primärstromes von 60 — 70 Volt von
Müller-Unkel in Braunschweig nach unseren Angaben aus-
geführt wurde.
Auf einem starken Orundbrette MN von 48 cm Länge
und 33 cm Breite sind folgende Vorrichtungen angebracht:
ein Quecksilberunterbrecher Q, der Vacuumvibrator F, unter
diesem ein kleiner Elektromagnet E (in der Figur seitlich ge-
zeichnet), 13 Drahtspulen (Drahtslärke ca. 1 mm) von 8 cm
Höhe und 4 cm Durchmesser (Oesammtwiderstand 8 ß), auf-
gesteckt auf ebenso viele vernickelte, weiche Eisenkerne von
1 cm Dicke ; ferner eine Kurbel Ä", die gestattet, eine beliebige
Anzahl dieser Rollen einzuschalten, und ein mit Spitze m und
Platte n versehener Funkenzieher F, In der nachstehenden
Figur sind diese einzelnen Theile schematisch angedeutet, die
Träger für die einzelnen Apparate sind der Uebersichtlichkeit
wegen fortgelassen.
Wie bemerkt, hat man es bei dieser Anordnung mit zwei
ganz getrennten Stromkreisen zu thun. Der erste, welcher
dazu dient, die Feder des Vibrators in unausgesetzten Schwin-
gungen zu erhalten, wird unter Einschaltung eines Regulir-
Mac Farlan Moore^ scher Facuumvibrator.
485
Widerstandes einer Accumulatorenbatterie Ä^ von sechs Zellen
entnommen. Dieser Strom geht von der Klemme 5^ zum Queck-
silberunterbrecher Q, alsdann durch den kleinen Elektro-
magneten E und von dort über Klemme s^j zum — Pol der
Batterie A^ zurück. Der Quecksilberunterbrecher ist nach
dem Princip der Roget'schen Spirale construirt: eine elasti-
sche Spirale aus Kupferdraht umgiebt, frei schwebend, einen
von einer Glasröhre umhüllten weichen Eisenstab, während
ihr unteres Ende in ein theilweise mit Quecksilber gefülltes
Gläschen eintaucht. Auf das Quecksilber wird eine mehrere
Centimeter hohe Schicht destillirten Wassers gegossen. Jeder
Stromschluss bewirkt alsdann bekanntlich eine Contraction der
Spirale und hebt ihr unteres Ende aus dem Quecksilber heraus,
wodurch der Strom selbstthätig unterbrochen wird.
Zunächst sorge man nun dafür, dass die Spirale des Queck-
silberunterbrechers und die Feder des Vacuumvibrators einiger-
maassen synchron schwingen, was man an der Gleich-
mässigkeit des auftretenden Geräusches erkennen kann. Es
empfiehlt sich, mehrere Spiralen von verschiedener Windungs-
zahl und Drahtstärke zur Hand zu haben und von diesen die-
jenige auszuwählen, welche den Vibrator am gleichmässigsten
anregt. Die Kraft, mit der die schwingende Feder des Vibra-
tors angetrieben wird, lässt sich durch Verschiebung des kleinen
Elektromagneten E reguliren, der zu diesem Zwecke in ein
Grundbrettchen eingelassen wurde, das mit sanfter Reibung
in einer Nuthe gleitet.
Ist nun ein möglichst schneller und dabei möglichst
486 /. Elster u. H. Geitel
gleichmässiger Gang des Yibrators erreicht, so schreitet man
zur Herstellung des zweiten Stromkreises.
Den hochgespannten Strom entnehmen wir einer kleinen^
Accumulatorenbatterie Ä^ von 32 Elementen, deren positiver
Pol mit der durch ein Pluszeichen gekennzeichneten Klemme
S^ verbunden wird. Diese steht ihrerseits mit der beweglichen
Kurbel K in metallischem Contact. Solange man mit der
Herstellung des zweiten Stromkreises beschäftigt ist, muss K
an der Arretirung R anliegen; es ist alsdann ganz aus-
geschlossen, dass man den Apparat etwa durch einen un-
richtigen Handgriflf verdirbt Nunmehr verbindet man S mit
dem Stifte q des Yibrators und die Feder p desselben mit
dem negativen Pol der Batterie A^ und führt von der Spitze m des
Funkenziehers einen dünnen Draht nach g und von der Platte n
einen ebensolchen nach p.
Die Verbindung der dreizehn Drahtspulen untereinander
ist in folgender Weise erreicht: Der eine Pol der mit Nr. 13
bezeichneten Spule steht mit dem in ihr befindlichen, ver-
nickelten Eisenkerne in Contact, während der andere mit dem
freien Ende der Spule Nr. 12 verlöthet wurde u. s. f. Die
oberen Kuppen der Eisenkerne dienen also als Contacte. über
die der bewegliche Metallarm bei seiner Drehung hinweggleitet.
Sobald Z den Contact Nr. 13 berührt, so fliesst demnach
der positive Strom der Accumulatoren von S^ durch die
dreizehn Rollen, von dort in den Vibrator und aus diesem zur
Batterie zurück. (Es ist zu beachten, dass entgegengesetzte
Stromesrichtung leicht zu starker Wärmeentwickelung im
Innern des Yibrators Veranlassung giebt und so den Apparat
gefährdet.)
Bei einer Klemmenspannung des Primärstromes von 60
bis 70 Volt geht, sobald K den Contact Nr. 13 berührt, ein
prasselnder Funkenstrom von etwa 12 mm Länge zwischen
Spitze und Platte des Funkenziehers über. Arbeitet man mit
geringerer Spannung, etwa mit 30 — 35 Volt, so bewege man
vorsichtig den Arm K von Contact zu Contact weiter, bis das
Maximum der Wirkung eintritt.
Die Extrastromfunken sind sehr massig und heiss; sie
scheinen uns daher zu spectralanalytischen Untersuchungen
geeignet zu sein.
Mac Farlan Moore' scher Facuumvibrator. 487
Der (in der Figur nicht gezeichnete) Halter, welcher den
Vibrator trägt, ist mit einer Vorrichtung versehen, an welcher
Vacuumröhren nach Moore befestigt werden können. Soll
der Apparat ausser Thätigkeit gesetzt werden, so ist zunächst
die Kurbel K bis an die Ärretirwrig R zurück zu drehen und
alsdann erst der Quecksilberunterbrecher auszuschalten.
Der Vortheil der hier beschriebenen Schaltung gegenüber
der Moore 'sehen liegt darin, dass man den sorgfältig ein-
gestellten Apparat dauernd im Betriebe halten kann, ohne
ein Verderben des immerhin ziemlich kostspieligen Vibrators
befürchten zu müssen; dagegen ist nicht zu läugnen, dass das
in Vacuumröhren erzeugte Licht flackernder ist, als bei der
Moore 'sehen Anordnung. Der Grund hierfür liegt offenbar
in dem unvollkommenen Synchronismus der beiden Unter-
brecher.
Wolfenbüttel, im August 1899.
(Eingegangen 23. August 1899.)
9. Ursache und Beseitigung eines Fehlers
bei der Lippmann^ sehen Farbenphotographie,
zugleich ein Beitrag zu ihrer Theorie;
von Otto Wiener.
Bei meiner ÜDtersucbung über Körperfarbenphotographie ')
stiess ich auf einen Fehler des Lippmann' sehen Verfahrens^,
der bisher noch nicht aufgeklärt war und der auch in rein
physikalischer Hinsicht interessante Seiten darbietet.
Wenn man eine Photographie des Spectrums nach Lipp-
mann, mit Bromsilbergelatine und unter Anwendung von
Farbstoffsensibilisatoren hergestellt, einmal von der Schicht-
seite, einmal von der Olasseite aus im senkrecht zurück-
geworfenen Licht betrachtet, so beobachtet man von den beiden
Seiten aus an derselben Stelle der Platte verschiedene Far-
ben. Diese Erscheinung war zwar bekannt^, aber die Er-
klärungen dafür, die ich in der Literatur gefunden habe, sind
nicht richtig.
Man hat bisher den Einfluss, den die an der Oberfläche
der Schicht zurückgeworfene Lichtwelle auf die wiedergegebene
Farbe hat, entweder übersehen oder falsch beurtheilt oder
endlich sogar geleugnet.
Diesen letzten Standpunkt nimmt Meslin^) ein, indem
er die nach der Formel J = [n — 1)^1 {n + 1)* zu 0,08 berech-
nete Intensität des an der Schicht in Luft bei senkrechtem
Einfall zurückgeworfenen Lichtes glaubt nicht beachten zu
brauchen. Obgleich aus n = l,5, wie Meslin annimmt^,
für J nur 0,04 folgen würde, darf trotzdem diese Lichtwelle
1) 0. Wiener, Wied. Ann. 55. p. 250. 1895.
2) G. Lippmann, Compt. rend. 112. p. 274. 1891; 114. p. 961. 1892.
3) Vgl. z. B. G. Meslin, Ann. de cbim. et de phys. (6) 27. p. 389.
1692.
4) L c. p. 874.
5) 1. c. p. 370.
LippmanrC sehe Farbenphotographie, 489
nicht ausser Acht gelassen werden; denn sie kommt mit Noth-
wendigkeit zur Interferenz mit den an den Elementarspiegeln
zurückgeworfenen Wellen; und für die Interferenz ist nicht
die Intensität; sondern die Amplitude mit dem Betrage
y0,04 = 0,2
inaassgebend. Selbst in dem günstigsten Falle, dass die
Amplitude der Gesammtwelle des aus der Tiefe der Schicht
reflectirten Lichtes nahe den Werth 1 erreichte, würden das
Maximum und Minimum ihrer Interferenz mit der Oberflächen-
welle annähernd im Amplitudenverhältniss
(l+0,2):(l-0,2)=:.3:2,
also annähernd im Intensitätsverhältniss 9 : 4 stehen. In Wirk-
lichkeit wird dies Verhältniss noch grösser sein und darf nicht
ausser Acht bleiben. Dafür enthält die vorliegende Mitthei-
lung auch eine Reihe experimenteller Beweise.
Die Oberflächenwelle würde nur dann nicht stören, wenn
sie für die wirksam gewesene Farbe die gleiche Phase hätte,
wie die EUementarwellen. Dies wäre z. B. der Fall, wenn man
annehmen dürfte, dass ein Knoten der stehenden Lichtwellen
— ich spreche hier und im Folgenden nur von der elektrischen
Kraft der Wellen — während der Belichtung in der Ober-
fläche der Schicht läge und dass die Phasenänderung bei
Zurückwerfung an einem durch die Entwickelung entstandenen
Elementarspiegel gleich Null wäre. Beide Annahmen hat man
in der That gemacht ^) und beide sind unrichtig.
Es herrscht also im allgemeinen keine Uebereinstimmung
in der Phase der Oberflächen- und Tiefenwelle für die wirk-
sam gewesene Farbe und dadurch wird die Richtigkeit der
Farbenwiedergabe gestört.
Mau überzeugt sich leicht von diesem störenden Einfluss
der Oberflächenreflexion, indem man sie einfach ausschaltet.
Taucht man z. B. die Platte unter Benzol, dessen
Brechungsexponeut dem der Schicht nahe liegt, so treten die
richtigen Farben auf, insofern keine weiteren Fehler vorliegen.
Ich werde im Folgenden zeigen, von welchen Umständen
der Phasenunterschied zwischen der Oberflächenwelle und den
1) Vgl. z. B. Labatut, Compt. rend. 113. p. 126. 1891.
490 0. Wiener.
Elementarwellen abhängt und wie im einzelnen der dadurch
bedingte Fehler beseitigt werden kann.
1. Abstand der ersten Bauohebene von der Qrensfläche
Qelatine-Queoksilber.
Es ist öfters behauptet worden, ich hätte gezeigt, dass in
der ßeflexionsebene ein Schwingungsknoten der stehenden
Lichtwellen liege, und zwar auch unter den Bedingungen des
Lippmann 'sehen Verfahrens. Mein Versuch^) bezog sich
indess nur auf die Reflexion an Glas, nicht an einem MetalL
Die Phasenänderung an einem solchen hat aber nicht ¥rie an
einem durchsichtigen, optisch dichteren Mittel den Betrag von
0,5 Wellenlängen, sondern wie aus Theorie und Experiment ^
hervorgeht, einen anderen Betrag. Welchen, das liesse sich
zwar theoretisch berechnen; indess würde man keine Sicher-
heit haben, ob der berechnete Werth unter den Bedingungen
des Versuchs wirklich zuträfe. Die Untersuchungen über die
absolute Phasenänderung bei Reflexion au Metallen haben
gezeigt, dass diese Grösse unter Umständen ausserordentlich
empfindlich ist gegen Spuren von Verunreinigung der Grenz-
fläche. ^)
Bei dieser Sachlage war es erforderlich, durch den Ver-
such unmittelbar die Phasenänderung des Lichtes bei Reflexion
in Gelatine an Quecksilber zu bestimmen. Hr. H. Wallbott
hat dies auf meine Veranlassung hin gethan ^) und die Phasen-
änderung bei Reflexion in reiner, unter dem Exsiccator ge-
trockneten Gelatine an reinem Quecksilber für Farben von
der Wellenlänge A = 625jUjU bis 415fifi gleich einer Be-
schleunigung (jp von bez. 0,405 bis 0,411 Wellenlängen ge-
funden, unter gleichmässigem Ansteigen der Werthe bis zu
diesem Betrage. Die zum Theil extrapolirten theoretischen
Werthe fallen in den gleichen Grenzen von etwa 0,414 bis zu
0,404 Wellenlängen ab.
1) 0. Wiener, Wied. Ann. 40. p. 229. 1890.
2) W. Wernicke, Pogg. Ann. 159. p. 198. 1876.
3) W. Wernicke, Wied. Ann. 51. p. 448. 1894.
4) H. Wallbott, Die Phasenänderung des Lichtes bei der Re-
flexion an Quecksilber. Giessener Dissertation. Leipzig. J. A. Barth.
1899. Im Auszug in Wied. Ann. 68. p. 471. t899.
Lippmanji' sehe Farbenphotographie, 491
War die Gelatine nicht unter dem Exsiccator, sondern
nur in Luft getrocknet bei einer relativen Feuchtigkeit der
Luft von etwa 75 Proc, so nahm die Phasenbeschleuuigung tp
von 0,476 flir Ä = 625^^ stetig bis 0,393 für A = 475|Uiu ab.
Der kleinste Werth wurde bei einer Platte f ilr Ä = 469 mit
ip = 0,388, der grösste für X = 635 mit (p = 0,491 gefunden.
Eine Verunreinigung des Quecksilbers mit ^looo Proc. Blei
ergab keinen Einiluss auf die Phasenänderung, wenigstens bei
Reflexion in Glimmer an Quecksilber.
Für die besonderen Zwecke der Farbenphotographie nach
Liippmann wäre noch die Bestimmung der Phasenänderung
für die mit Bromsilber und Farbstoflfen präparirte Gelatine-
und Eiweissschicht erwünscht. Es ist indess nicht wahrschein-
lich, dass die Phasenänderung sich hierbei noch wesentlich
anders verhielte, als die bei an Luft getrockneter Gelatine, denn
die letztere verhält sich bereits so, als ob die Gelatine eine ver-
unreinigende Oberflächenschicht enthielte, und höchstens so
könnte sie sich wohl bei der sensibilisirten Schicht auch verhalten.
Die Grösse der Phasenbeschleunigung cp bei Reflexion
des Lichtes am Quecksilber bestimmt den Abstand a der ersten
Bauchebene von der Grenze Gelatine-Quecksilber. Für diese
£bene muss der Gangunterschied zwischen der einfallenden
und zurückgeworfenen Ebene Null sein, d. h. es ist:
0 = -j--(JP,
also:
d. L der gesuchte Abstand beträgt das ^/2 9> fache derjenigen
Wellenlänge, welche dem wirksam gewesenen Licht in Gela-
tine zukommt.
Würde die Phasenänderung bei der sensibilisirten Gela-
tine die gleiche wie bei reiner Gelatine sein, so wäre jener
Abstand bei gut unter dem Exsiccator getrockneten Platten
durchschnittlich 0,205 Wellenlängen; bei an Luft getrockneten
Platten wäre der Abstand im blauen Theile des Spectrums
merklich ein anderer wie im rothen, nämlich im blauen ein
kleinster von etwa 0,20, im rothen ein grösster von etwa 0,24.
Am rothen Ende des Spectrums könnte er unter Um-
ständen nahe den Werth 0,25 erreichen.
492 0. Wiener.
2. Fhasenänderung bei ReÜezion an einem Elementarapiegel der
entwickelten Iiipp mann 'sehen Platte. ^
unter dem „Eiern entarspiegel*' verstehe ich nicht eine
geometrische Ebene, sondern eine Schicht endlicher Dicke,
welche den photographischen Niederschlag enthält, der sich
symmetrisch um die geometrische Bauchebene der stehenden
Licbtwellen anordnet. Diese Ebene ist daher zugleich die
Symmetrieebene des Elementarspiegels.
Unter der „Fhasenänderung bei JReflexion an einem Ele-
mentarspiegel'' verstehe ich den Unterschied der Phase der
von dem Elementarspiegel zurückgeworfenen Welle gegen-
über der Phase der in seiner Symmetrieebene einfallenden
Lichtwelle.
Lippmann ^) hat diese Phasenänderung in der Theorie
seines Verfahrens gleich Null gesetzt, wohl aber nicht deshalb,
weil er diesen Werth für den richtigen hielt, sondern weil bei
jeder Theorie, welche die Reflexion an der Oberfläche nicht
berücksichtigt, jene Phasenänderung in den Differenzen der
Gangunterschiede herausfällt. In gleicher Weise dürfte die
Angabe von Niewenglowski^ aufzufassen sein, der ohne
nähere Begründung sie gleich einer halben Wellenlänge setzt
Es ist eben nicht ganz leicht, von vornherein etwas Be-
stimmtes über diese Phasenänderung auszusagen, bevor man
genauer über die optischen Constanten des Niederschlages
und die Art seiner Vertheilung unterrichtet ist.
Es giebt im wesentlichen zwei Annahmen, die man darüber
machen kann. Beide sollen genauer erörtert werden. Sie
führen zu verschiedenen Werthen der Phasenänderung und
man kann daher experimentell darüber entscheiden. Die Ejit-
scheiduDg konnte für die Photographien, mit denen ich ex-
perimentirte, thatsächlich durch einen später mitzutheilenden
Versuch getroffen werden. Gleichwohl kann man mit Sicher-
heit sagen, dass auch die andere Annahme für bestimmte
Arten von Farbenphotographien zutreffen muss.
Die letztere Annahme — sie werde als Annahme I be-
zeichnet — setzt voraus, dass im wesentlichen nur die Ver-
i<^
r
1) G. LippmanD, Journ. de phys. (3)3. p. 97. 1894.
2) G. H. Niewenglowski, Eder's Jahrb. f. Photogr. S.p.81.189i.
i
Zippmann'sche Farbenphotographie, 498
schiedenheiten des Brechnngsexponenten in der Schicht es
sind, welche die Reflexionen veranlassen
Diese Annahme wurde schon von Lippmann ^) als mög-
lich bezeichnet ,,au moins dans certains cas'^ Er verstand
darunter jedenfalls seine Farbenphotographieen mit Chrom-
gelatine, deren Zustandekommen er vorher auf diese Weise
«rklärt hatte*), und bei denen in der That eine andere Mög-
lichkeit ausgeschlossen ist.
Diese Erklärung wurde von Schutt *) als die auch für
Bromsilberplatten einzig mögliche hingestellt.
Auch ich hatte schon früher bei meiner Untersuchung
der Körperfarbenphotographien mich auf den Boden dieser
Annahme gestellt und unter ihrer Voraussetzung bewiesen^),
dass dann die Phasenänderung an einem Elementarspiegel
eine viertel Wellenlänge betragen muss, und einen zweiten
Beweis in Aussicht gestellt, der alsbald hier folgen soll.
Der ausführlichen Theorie seiner Farbenphotographie hat
Liippmann^) eine andere Annahme zu Grunde gelegt. Danach
sollen die Reflexionen erfolgen durch ,,mol6cules r^fl^chissantes
diss^min^es^^ Dabei braucht man wohl das Wort „molöcules"
nicht strenff zu nehmen; es spielt auch in der Theorie keine
wesentliche Rolle, dass es gerade Molecüle sind, es genügt,
dass der photographische Niederschlag in Dimensionen ab-
geschieden wird, die klein gegen eine Wellenlänge sind, zum
mindesten in der Dickenerstreckung der Schicht, während
die Dimensionen parallel der Schichtoberfläche beliebig gross
sein dürfen.
Es ist ferner nicht erforderlich, dass die abgeschiedenen
Theilchen aus reinem Silber bestehen, wenigstens nicht aus
metallischem Silber, es könnte auch moleculares Silber oder
eine Silberverbindung sein. Wesentlich ist aber, dass der
Niederschlag insofern metallähnlich ist, als sein Reflexions-
vermögen nicht allein von dem Brechungsexponenten abhängen
1) G. Lippmann, Journ. de phys. (3) $• p. 107. 1S94.
2) G. Lippmann, Compt. rend. 115. p. 575. 1892.
3) F. Schutt, Wied. Ann. 67. p. 533. 1896.
4) 0. Wiener, Wied. Ann. 55. p. 255. 1895.
5) G. Lippmann, Journ. de pbys. (3) 8* p. 97. 1894.
494 0. JViener.
darf, sondern durch sein Absorptionsvermögen mitbedingt
sein muss.
Die so abgegrenzte Annahme werde als Annahme 11 bei|
zeichnet. I
Ich wende mich zunächst zu der Annahme der Reflexion
allein durch unterschiede im Brechungsexponenten.
Dieselbe ist bereits von Schutt^) zum Ausgangspunkt
einer Theorie gemacht worden. Seine Theorie beschränkt sich
aber auf die etwas sehr schematische Voraussetzung, dass in
der fertigen Platte Schichten von abwechselnd constanten
niederen und constanten höheren Brechungsexponenten und je
ein viertel Wellenlänge Dicke miteinander abwechseln. Er
macht also die beiden vereinfachenden Voraussetzungen, dass
erstens die Elementarschicht gerade ein viertel Wellenlänge
Dicke besitzt, und dass zweitens der Brechungsexponent inner-
halb und ausserhalb derselben jeweils constant ist. ^
Von beiden Voraussetzungen kann man mit Leichtigkeit
absehen. Es möge zunächst die erste Voraussetzung faJlen,
es habe also die Elementarschicht eine beliebige Dicke zwischen
1) F. Schutt, 1- c. p. 547.
2) Leider geht Hr. Schutt ausserdem von einem faUcheo Aiisatx
aus. In seinem Streben, Combinationen zweier Ebenen zu finden, die
eine gesuchte Lichtart mit übereinstimmenden Phasen zurückwerfen, über-
sieht er, dass die gleiche Lichtart an anderen Ebenen mit entyegengeseixtm
Phasen zurückgeworfen werden kann. Für die beiden Fälle, dass die
betrachteten Ebenen um ein gerades und um ein ungerades Vielfachet
einer viertel Wellenlänge l der wirksam fs^ewesenen Farbe voneinander
abstehen, findet er, dass Lichtarten von der Wellenlänge A', bez. l" mit
gleicher Phase zurückgeworfen werden, wenn sie den Bedingungen ge-
nügen :
r = ±A bez. r = --^,
2 m 2 m — 1
worin n und m ganze Zahlen bedeuten. Um ein Beispiel zu nehmen,
so werde in der ersten Formel n = 4, m = 3, in der zweiten n = 2,
m = 2 eingesetzt, die Formeln führen dann zum gleichen Werthe für V
und X"j nämlich '/, X. Die Lichtart dieser Wellenlänge ('/, k) müsste
also durch Interferenz begünstigt werden. In Wirklichkeit wird sie durch
die Interferenz der von je zwei um X/2 abstehenden Ebenen völlig be-
seitigt. Damit verlieren auch alle Folgerungen aus dieser Theorie ihre
Beweiskraft, wenngleich ihr, wie sich zeigen wird, ein brauchbarer Kern
zu Grunde liegt
I
Zippmanh'sche Farbenphotographie. 495
ind einer halben Wellenlänge. Ihre Grenzen lasse man
menfallen mit den Stellen der stärksten Aenderung des
mgsexponenten und nehme vorläufig der Leichtigkeit
erständnisses halber, unter Beibehaltung der zweiten
Bsetzung, den Brechungsexponent innerhalb und ausser-
ler Elementarspiegelschicht jeweils als constant an.
de an einem Elementarspiegel zurückgeworfene Welle
sich dann in Wirklichkeit aus zwei Wellen zusammen ,
erste am optisch dichteren, deren zweite am optisch
-en Mittel zurückgeworfen wird, wenn man zunächst der
t des Elementarspiegels einen grösseren Brechungs-
mten als ausserhalb desselben zuschreibt. Phase und
iUde der zusammengesetzten Welle findet man dann
ler FresnePschen Regel ^):
teilt man eine Welle, bez. die durch sie in einem Punkte
te Sinusschwingung durch einen Fahrstrahl dar, dessen
die Amplitude, dessen Winkel mit einer Anfangsrichtung
lase angiebt, so stellt die geometrische Summe (Zu-
nsetzung nach dem Kräfteparallelogramm) der zu zwei
gungen von gleicher Schwingungsdauer gehörigen Fahr-
n die zusammengesetzte Schwingung nach Amplitude
iiase dar.
1 vorliegenden Falle wähle man die Anfangsrichtung so,
e die Phase einer in der Symmetrieebene des Elementar-
s ankommenden Welle W^ darstelle. Die an der zweiten
I des Elementarspiegels, also am optisch dünneren Mittel
geworfene Welle erfährt gegenüber W^ eine Phasen-
3rung, die nur durch den von der Mitte der Elementar-
Bchicht bis zu ihrer im Abstand d befindlichen unteren
! doppelt zurückgelegten Weg bedingt ist und also in
längen ausgedrückt den Werth 2e//A, in Bogenmaass^
rückt den Werth
; }V^ bildet also mit W^ den Winkel qp; es ist dabei*
Bsenverzögerunff durch Drehung des Ausgangsfahrstrahles^
Vgl. einfachen geometrischen Beweis im Leitfaden der Physik
«Lach, 2. Aufl. §137. p. 87. 1891; vgl. auch A. Wüllner, Lehr-
r Experimentalphysik. 5. Aufl. 1. p. 703. 1895.
496 0. Wiener.
im entgegengesetzten Sinn des Uhrzeigers dargestellt (vgl. Fig. l).
Die an der ersten Grenze des Elementarspiegels, also am
optisch dichteren Mittel zurückgeworfene Welle erfährt gegen»f
über Wq zunächst eine Phasenverzögerung von einer halben
Wellenlänge durch den
Act der Reflexion; da
M
5-
'^ \
vr
^ sie aber gegenüber W^
einen um 2 d kleineren
^ Weg zurückgelegt hat,
% so hat die gesammte
^' Phasen Verzögerung, in
Bogenmaass ausgedrückt, nur den Werth n^ (p. Man findet
also die Richtung W^, indem man an der W^ entgegengesetzten
Richtung den Winkel (p im Sinne kleiner werdender Winkel
abträgt Zieht man die Diagonale des aus W^ und W^ con-
struirten Parallelogramms, so findet man den die zusammen-
gesetzte Welle darstellenden Fahrstrahl W^. Er steht zufolge
der Construction senkrecht auf W^] die am Elementarspiegel
reflectirte Gesammtwelle erfährt also an ihm eine Phasen-
verzögerung von einer viertel Wellenlänge.
Die Phasenänderung ist die gleiche, wie gross man auch
die Dicke 2 d des Elementarspiegels wählen mag. Die Grösse
von 2d hat nur Eiufiuss auf die Grösse der Amplitude, die
mit 2d verschwindet und für 2«/=Ä/4 ein Maximum erreicht,
d. i. für den Specialfall des Schütt'schen Schemas.
Der obige Beweis lässt sich ohne weiteres auf den Fall
der stetigen Aenderung des Brechungsexponenten übertragen.
Es treten nur an die Stelle der geradlinigen Fahrstrahlen W^
und //g zwei stetig gekrümmte Curvenstücke, welche aber
gleichfalls spiegelbildlich zu der auf W^ errichteten Normale
verlaufen und sich daher auch zu einem in dieser Normale
liegenden Fahrstrahle W^ zusammensetzen müssen.
Damit ist die oben aufgestellte Behauptung allgemein
bewiesen: Unter den angegebenen Bedingungen ist die Phasen-
änderung bei Reflexion an einem Elementarspiegel, bezogen auf
die geometrische Mittelebene seiner Schicht, eine viertel Wellenlänge,
und zwar eine Phasenverzögerung, wenn, wie hier vorausgesetzt,
die Schicht des Elementarspiegels einen höheren Brecbungs-
exponenten hat als seine Umgebung, eine Phasenbeschleunigung
Lippmann' sehe Farbenphotographie. 497
^om gleichen Betrage, wenn sie einen kleineren Brechungs-
^Xponenten hat.
Dabei ist freilich noch vorausgesetzt, dass die Amplituden
der an beiden Grenzflächen des Elementarspiegels refiectirten
Wellen als gleich gross angenommen werden dürfen. In Wirk-
lichkeit muss die Amplitude, welche zu der zweiten Reflexion
gehört, die kleinere sein, allein schon wegen des Intensitäts-
verlustes des Lichtes bei der ersten Reflexion.
Will man diese Verschiedenheit der Amplituden berück-
sichtigen, so ersieht man aus Fig. 1, dass die Phase der
restdtirenden Welle W^ etwas grösser als 90® (V*^) werden
muss, wenn W^ < /F^, und zwar um so mehr, je kleiner das
Amplitudenverhältniss v von H^^ zu W^ ist, und femer um so
^össer, je kleiner bei gleichem v der Winkel cp ist.
Quantitativ lässt sich leicht ersehen, dass die Vergrösserung a
der Phasenverzögerung über 90® hinaus aus v und cf sich
durch die folgende Gleichung berechnen lässt:
. 1 -V
tgc =
(l + p)tg<JP
Aus dieser Formel erkennt man, dass selbst in ungünstig
gegriffenen Fällen 6 keine grossen Beträge erreichen wird.
Nach von mir angestellten angenäherten Messungen, deren
Mittheilung mich hier zu weit führen würde, dürfte bei den
Farbenphotographien, mit denen ich experimentirte, v schwer-
lich kleiner als 0,85 sein. Macht man femer die Annahme,
dass die Stelle des schroffsten Wechsels der Brechungsexpo-
nenten von der Bauchebene nur in ^4 ihres Abstandes von
der Knotenebene entfernt liegt, so würde y = 45 ® und tg 9) = 1
werden; daraus ergiebt sich e zu rund 5^, entsprechend einer
Vermehrung der Phasenverzögerung von 0,015 Wellenlängen;
würde die Stelle des schroffsten Wechsels nur in ^g jenes Ab-
standes von der Bauchebene abliegen, so wäre qp = 22,5 **, und
daraus ergäbe sich a zu rund 11^, entsprechend einer Ver-
mehrung der Phasenverzögerung von 0,031 Wellenlängen. Die
letztere Annahme ist aber schon sehr unwahrscheinlich.
Zwar folgt aus obiger Formel fürqp = 0^, 6 = 90**, sodass
die gesammte Phasenverzögerung tp an dem Elementarspiegel
180® oder eine halbe Wellenlänge sein würde. Man darf aber
W Ann. d. PhjB. u. Cbem. N. F. 69. 32
498 0. Wiener.
nicht überseheu, dass zagleich mit (p, also auch zugleich mit
der Dicke des Elementarspiegels, die Amplitude der an ihm
reflectirten Welle gegen Null convergirt. Denn obgleich die'
Amplitude der an der hinteren Fläche des Elementarspiegels
zurückgeworfenen Welle kleiner ist als die für die vordere
Fläche, wegen des durch sie bedingten Intensitätsverlustes, so
wird die Amplitude der Gesammtwelle doch streng Null bei Be-
rücksichtigung der mehrfach hin- und hergehenden Reflexionen,
so lange wenigstens eine merkliche Absorption in der Schicht
nicht in Frage kommt.
Wesentlich anders liegen aber die Verhältnisse, wenn noch
eine Absorption in der Elementarschicht zu berücksichtigen
ist, welche der metallischen Absorption gleich oder nahe kommt
Hier kann eine Schicht von ^I^^qqq Wellenlänge Dicke noch
merkliche Eeflexion ausüben, was für eine gleiche dicke, nicht
absorbirende Schicht nicht mehr der Fall ist
Damit ist bereits auf die andere Möglichkeit von der
Wirkungsweise des photographischen Niederschlages eingegangen,
wonach dieser in getrennten, gegen die Lichtwelle kleinen
Theilchen oder entsprechend dünnen Schichten angeordnet ist.
Man hat gegen diese Auffassung geltend gemacht, dass
die Schicht gar nicht kornlos erscheint, wie sie voraussetzen
müsste. Neuhauss ^) und Schutt') haben mit dem Mikro-
skop Körner von einem Durchmesser bis gegen 0,0015 bez.
0,0013 mm nachzuweisen geglaubt. Doch waren das wirklich
Körner, was sie sahen? Wenn man so schliesst, übersieht man,
dass durch die mikroskopische Betrachtung nur die Flächen-
ansicht dieser Gebilde beobachtet wurde, nicht die Seiten-
ansicht Aber gerade Neuhauss ist ja auch die schwierige
Aufgabe gelungen, einen Querschnitt der Schicht mikroskopisch
zu photographiren. Hr. Dr. Neuhauss hat die Freundlichkeit
gehabt, mir die Positive zweier seiner Aufnahmen zu senden,
aus denen die Einzelheiten noch etwas schärfer zu erkennen
sind, als in der Abbildung in den Annalen.^) Hier ist von
einem Korn nichts mehr zu erkennen, sondern nur die perio-
dische Veränderlichkeit der Dichte des Niederschlages.
1) R. Neuhauss, Verh. d. Phys. Ges. zu Berlin 14. p. 18. 1895.
2) F. Scbütt, 1. c. p. 537.
3) R. Neuhauss, Wied. Ann. 65. p. 165. 1898. i
LippmanrC sehe Farbenphotographie, 499
Mithin darf man aus den obigen Beobachtungen nicht auf
nach allen Seiten gleich dicke Körner, sondern nur auf Blätt-
ehen schliessen, deren seitliche Dimensionen die Lichtwellen-
länge zum Theil übertrefifen, deren Dicke aber unterhalb der
Wellenlänge bleibt.
Uebrigens giebt Schutt die Möglichkeit solcher feineren
Liamellen doch zu mit den Worten : ,, Von einer Lamellenbildung
durch diesen Niederschlag kann demnach überhaupt nicht die
Kede sein, wohl aber von einer Lamellenbildung in demselben."
Es fragt sich nun, woraus der Niederschlag besteht. Dass
es cohärentes metallisches Silber wäre, dagegen spricht seine
in der Durchsicht braune Farbe, während cohärentes Silber
bekanntlich in der Durchsicht blau ist.
Dagegen ist die Annahme sehr wahrscheinlich, dass der
Niederschlag aus molecularem Silber besteht oder zum min-
desten ans einem ihm optisch nahestehenden Körper.
Unter molecularem Silber versteht Wernicke^) Silber,
dessen Molectile durch irgendwelche andere Theilchen von-
einander getrennt sind^, so dass die starken metallischen
Cohäsionskräfte nicht zur Geltung kommen, das aber durch
Druck und andere Einflüsse leicht in cohärentes Silber über-
gefiihrt werden kann.
In scharfsinniger Weise hat Wer nicke nachgewiesen, dass
diese beiden Modificationen es sind, welche die Widersprüche
erklären, die zwischen den Beobachtungen verschiedener Be-
obachter über die absolute Phasenänderung des Lichtes an
dünnen Metallschichten unter sich und mit der Theorie be-
standen.
Kurz vorher hatte schon Drude *) jene Abweichungen
auf eine sehr dünne Oberflächenschicht des Silbers zurück-
geführt und deren optische Constanten bestimmt.
Diese Constanten sind also nach Wernicke diejenigen
des molecularen Silbers. Sie unterscheiden sich von denen
1) W. Wernicke, Wicd. Ann. 52. p. 528. 1894.
2) Ob die Aneinauderlagerung zweier Silbermolccüle bereits diesen
die Eigenschaften des cohärenten Silbers crtheilt, dürfte wohl nicht
feststehen. E^ ist daher auch nicht gesagt, dass man diesen Ausdruck
wörtlich nehmen muss.
3) P. Drude, Wied. Ann. 50. p. 595. 1893; 51. p. 77. 1894.
500 0. fTietier.
des cohärenten Silbers durch einen bedeutend grösseren
Brechungsexponenten n und einen bedeutend kleineren Ab-
sorptionsindex X (der sich auf die Strecke einer WellenlängcV
bezieht, während der Absorptionscoefficient n . x sich auf gleiche
absolute Längen bezieht). Nach Drude sind die Constanten ftbr
cohärentes Silber n = 0,181; nx = 3,67; also x = 20,3; die-
jenigen für moleculares Silber zufolge der Deutung von Wer-
nicke: n = 4; nx = 2,82; also x = 0,705.
Es hat eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich, dass die
letzteren Constanten zugleich annähernd diejenigen des photo-
graphischen Niederschlages bei den Lippmann'schen Brom-
silberplatten sind, selbst in dem FaUe, dass der Niederschlag
nicht aus reinem Silber, sondern aus einem Oxyd desselben
bestehen sollte. Denn nach Wernicke^) ist das optische
Verhalten eines solchen nur wenig von dem des molecularen
Silbers verschieden.
Die nächste Frage ist die nach der Dicke der zusammen-
gedrängt gedachten Silberschicht, die sich in einem Elemeutar-
spiegel durch die Entwickelung abscheiden kann. Ihre obere
Grenze lässt sich abschätzen aus dem Verhältniss der an-
gewandten Substanzmengen und den specifischen Gewichten
und Brechungsexponenten der in der präparirten Schicht vor-
handenen Stoffe. Die Platten, welche zu den für die vor-
liegende Frage maassgebenden Versuchen benutzt wurden,
waren nach dem von Neuhauss*) angegebenen Eecept her-
gestellt. Würde durch die Entwickelung alles Silber zwischen
zwei aufeinanderfolgenden Knotenebenen ausgeschieden , so
würde dieses zusammengedrängt eine Schicht von etwa 2,9 /u/i
(Millionstel mm) ausfüllen. Macht man die nächstliegende An-
nahme, dass nur die Hälfte ausgeschieden wird, so würde sie
etwa l,4jUju betragen.
Das Refiexionsyermögen einer Silberschicht solcher Dicke
darf nicht unterschätzt werden. Bei einer früheren Gelegenheit^
habe ich die Dicke derjenigen dünnsten Silberschicht bestimmt,
die sich eben noch durch ihr Reflexionsvermögen von der un-
1) W. Wernicke, Wied. Ann. 52. p. 525. 1894.
2) H. Neuhauss, Die Photographie nach Lippmann's Verfahren;
Encyklopädie der Photographie. Heft33. Halle a.S. Verl. v.W. Knapp. IS93.
8) 0. Wiener, Wied. Ann. 81. p. 666. 1887.
i
LippmanrC sehe Farbenphotographie, 501
bedeckten durchsichtigen Unterlage (Glimmer) abhebt. Der
gefundene Mittelwerth aus zwei Zahlen war 0,13 jUjU. Da man
f den Molecülen eine Grösse von dieser Ordnung zuschreibt, so
dürften Lippmann's „mol^cules r^fl^chissantes diss6min6es**
vielleicht sogar wörtlich genommen werden.
Einer Silberschicht von l,4jti|ti Dicke kommt also bereits
ein nicht unbedeutendes Reflexionsvermögen zu. Trotz merk-
licher Absorption ist eine solche Schicht aber noch sehr gut
durchsichtig, sodass die diesbezüglichen Bedenken von Schutt^)
wegfallen.
Welche Phasenänderung wird nun ein Elementarspiegel
bedingen, wenn man annimmt, dass die Reflexion an äusserst
dünnen Blättchen aus molecularem Silber erfolgt, die innerhalb
seiner Schicht zerstreut sind und deren Dicke insgesammt nur
etwa 1,4 jUju beträgt?
Ich habe schon oben (p. 498) angedeutet, wie sich die
Phasenänderung einer sehr dünnen, in einen andersartigen Stoff
eingelagerten Schicht verändern muss, wenn Absorption noch
mit ins Spiel kommt. Solange diese nicht schon innerhalb
einer Wellenlänge stark ist, wird die Phasenänderung bei
Reflexion an der vorderen Fläche eine halbe Wellenlänge, die
an der hinteren gleich Null sein. Aber die Amplitude für das
an der Vorderfläche zurückgeworfene Licht ist jetzt im üeber-
gewicht, da das von der hinteren Fläche kommende Licht,
abgesehen von den Schwächungen beim Durchtritt durch die
vordere Fläche, zweimal die Absorption in der Schicht zu
erleiden hatte. Die Phasen änderung wird also im Ganzen
nahezu ebenfalls eine halbe Wellenlänge betragen, nicht ganz,
wegen des zu berücksichtigenden kleinen Wegunterschiedes der
von hinten kommenden und der mehrfach reflectirten Wellen.
Ausserdem wird noch die Absorption an sich, indem sie die
Reflexion verstärkt, einen modificirenden Einfluss ausüben.
Das Experiment bestätigt diese Anschauung. Ich habe
schon bei früherer Gelegenheit die Phasenänderung an sehr
dünnen Silberschichten bestimmt, welche zwischen Stoffen von
nahezu übereinstimmenden Brechungsexponenten eingebettet
waren, nämlich zwischen Glimmer und Cassiaöl. Die Schicht
1) F. Schutt, 1. c. p. 539.
502 0. mener.
muss nach Wernicke als im wesentlichen aus moleeolarem
Silber bestehend aufgefasst werden.
Man erkennt die Phasenänderung aus Fig. 19, Taf. V, meine ic"
früheren Abhandlung.^) Die Verschiebung der dort dargestellter^
Interferenzstreifen für die Reflexion Glimmer- Silber -Cassiai>l
beträgt gegenüber der für Glimmer-Luft nahezu eine halb^
Wellenlänge in allen Theilen des Spectrums, d. h. die Phasen—
änderung ist nahezu eine halbe Wellenlänge.
Die bezeichnete Figur lehrt zugleich , da sie auch die
Interferenzstreifen für die Reflexion Glimmer-Silber -Luft auf-
weist, wie stark die Phasenänderung von dem Brechungs-
exponent des hinter der Silberschicht liegenden Stoffes abhängt.
Neuerdings angestellte Versuche haben mir das bestätigt.
Daraus folgt, dass die Phasenänderung bei den Lipp-
mann'sehen Schichten davon abhängen wird, ob zu beiden
Seiten des Silbers wirklich nur Gelatine, oder vielleicht nach
der geometrischen Bauchebene hin Gelatine, mit noch etwa
zurückbleibenden Stofifen verunreinigt, sich befindet. Die Art
und Dauer der Entwickelung und die Genauigkeit des Aus-
waschens kann also auf diese Verhältnisse und die dadurch
bedingte Farbenwiedergabe Einfluss haben.
Aus der Phasenänderung an einem einzelnen Silberblättchen
kann man jetzt in ähnlicher Weise wie bei der früheren Ab-
leitung für fehlende Absorption die Phasenänderung für den
ganzen Elementarspiegel ab-
leiten. Man zerlege zu die-
>% sem Zwecke denselben in etwa
drei gleich dicke Schichten,
so wird die oberste die durch
fß\ (Fig. 2), die mittlere die
durch //,, die unterste die durch /^ nach Amplitude und Phase
dargestellten Wellen zurücksenden, die sich zu einer einzigen
addiren, der gleichfalls die Phasenänderung von einer halben
Wellenlänge zukommt, jedoch wieder nur angenähert, erstens
aus dem schon oben angegebenen Grunde und zweitens, weil
ir^ eine kleinere Amplitude als W^ zukommen wird.
Die beiden verschiedenen Annahmen über die Art des
Fig. 2.
1) 0. Wiener, Wied. Ann. 31. Taf. V. Fig. 19. 1887.
Lippmann! sehe Farhenphotographie, 503
Niederschlages f&hren also za wesentlich verschiedenen Folgen
für die Phasenänderung des an einem Elemeutarspiegel zurück-
geworfenen Lichtes. Annahme I bei fehlender Absorption be-
dingt Phasenverzögerungen von annähernd einer viertel Wellen-
länge mit Neigung zu etwas grösseren Verzögerungen, An-
nahme II bei einer der metallischen nahekommenden Absorption
bedingt Phasenverzögerungen von annähernd einer halben
Wellenlänge mit Neigung zu etwas kleineren Verzögerungen.
3. Der PhaaenunterBchied zwischen der von der Oberfläche und
der vom ersten Elementarspiegel zurückgeworfenen Welle.
Der Phasenunterschied S zwischen der von der Oberfläche
und der vom ersten Elementarspiegel zurückgeworfenen Welle
hängt erstens von dem Abstand a der ersten geometrischen
Bauchebene von der Schichtoberfläche und zweitens von der
Phasenverzögerung %fj bei Reflexion an dem Elementarspiegel
ab. Der zurückgelegte Weg 2 a bedingt eine Phasen Verzögerung
gegenüber der einfallenden Welle von 2a/A, welcher nach
Abschnitt 1 (p. 491) gleich cp, d. h. gleich der Phasenbeschleu-
nigung ist, die das Licht bei Reflexion in der empfindlichen
Schicht am Quecksilberspiegel erlitt Die gesammte Phasen-
verzögerung der am ersten Elementarspiegel reflectirten Welle
gegenüber der einfallenden beträgt daher qr + t/'. Die Phasen-
verzögerung an der Oberfläche der Schicht ist gleich einer
halben Wellenlänge. Der gesuchte Phasenunterschied ist daher:
S ^ (f + rp -\.
Setzt man nach den früheren Abschnitten für (f den für
sorgfältig getrocknete Gelatine geltenden Werth 0,41 und für
\f,f den für unmerkliche Absorption annähernd geltenden Werth
0,25 ein, so ergiebt sich:
d = 0,41 +0,25-0,5 = 0,16.
Für nur an Luft getrocknete Gelatine könnte im Blau des
Spectrums cp auf 0,39 sinken, dann würde 8 = 0,14, im Roth
dagegen auf 0,49 steigen, dann würde S == 0,24.
Setzt man für \p den für beträchtliche Absorption an-
nähernd geltenden Werth 0,5 ein, so ergiebt sich für sorg-
fältig getrocknete Gelatine J=0,41, für nur an Luft getrocknete
könnte d nahe den Werth 0,5 im Roth erreichen; d. h. dann
504 0. Wiener.
stände das aus der Tiefe der Schicht kommende Licht mit
dem an der Oberfläche reflectirten nahezu in entgegengesetzter
Phase. Der schädliche Einfluss der Oberflächenreflexion wäre%
dann am grössten. Es ist, wie schon oben bemerkt, leicht
möglich, dass für die präparirte, selbst gut getrocknete Gela-
tine ein Werth tp gilt, welcher demjenigen der an Luft ge-
trockneten reinen Gelatine näher steht, als dem der vollkommen
trockenen. Der Werth von 8 wird also je nach den Versuchs-
bedingungen und den davon abhängenden Werthen von (p und
\f) verschieden ausfallen.
Es ergiebt sich aber, dass selbst unter normalen Versuchs-
bedingungen die Oberflächenwelle in ihrer Phase- nicht mit der
ersten Elementarwelle übereinstimmt für die Farbe, mit der die
Platte belichtet worden war,
4. liipp mann 'sehe Schichten, deren Qrenzfläche die Slementar-
spiegel schneidet.
Bevor ich zur Besprechung der unter Einfluss der Ober-
flächenreflexion entstehenden Farben übergehe, ist des besseren
Verständnisses halber die Mittheilung der hier folgenden Ver-
suche erforderlich.
Betrachtet man eine in Gelatine hergestellte Farben-
photographie von der Glasseite aus, so sieht man das Spec-
trum von einer Reihe heller und dunkler Streifen durch-
zogen. Die Erscheinung gewährt ungefähr den Anblick wie
der des Spectrums in einem Spectralapparat, auf dessen Spalt
man das Bild eines dünnen und nicht ganz gleichmässig dicken
Blättchens entworfen hat oder eines Spectrums, das man auf
einem solchen Blättchen entworfen hat und im reflectirten
Lichte betrachtet. Nur sind die Minima im Lippmann'schen
Spectrum nicht so stark ausgeprägt wie in den beiden damit
verglichenen Spectra.
Man wird daher geneigt sein, die Erscheinung so auf-
zufassen, als ob ein dünnes Blättchen der Beleuchtung durch
das Lippmann'sche Spectrum ausgesetzt wäre. Es würde
dies voraussetzen, dass das Spectrura nur durch einen äusseren
Theil der Schicht erzeugt wird, während der innere von Ele-
mentarspiegeln frei bliebe. Es würde dann die im Glas an
der Schichtgrenze mit der aus der Tiefe kommenden Welle
I
LippmanrC sehe Farbenphotographie, 505
•
1 nahe homogener Farbe interferiren. Diese Auffassung
•d begünstigt durch die Beobachtung von Neuhauss^), der
seinem mikroskopischen Nachweis der Elementarspiegel
einer Eiweissschicht solche nur in dem äusseren Theile des
.ttchens fand, während der innere davon frei war. Dagegen
bachtete er gerade an dessen innerer Grenze einen wenn
;h nur feinen Niederschlag. Dieser könnte also das zur
därung nothwendige Reflexionsvermögen an jener Stelle
iingen.
Trotz allem ist diese Erklärung der Streifen nicht stich-
tig. Die Farben des Lipp mann 'sehen Spectrums sind
SU nicht homogen genug , zum mindesten nicht bei den
r vorliegenden Platten. Man überzeugt sich davon leicht,
am man auf der Schichtseite eine fernere Schicht aus
lodium oder dergl. von geeigneter Dicke aufträgt. Es ist
in im Tageslicht nichts von Streifen zu sehen, wohl aber
Natriumlicht, sodass also die Möglichkeit der Streifenbildung
;h im weissen Licht gegeben wäre.
Die Verhältnisse liegen also anders wie bei den Neu-
ass 'sehen Eiweissschichten, bei denen die hier beobachtete
scheinung auch nicht stattgefunden zu haben scheint, da
nur mittheilt, dass die Farben auf der Glasseite ,.viel
aiger leuchtend sind**^), und von Streifen nichts erwähnt.
ist ferner zu berücksichtigen, dass die Eiweissschichten
en Gehalt an Silbersalz erst hinterher durch ein Bad er-
ten; es ist also leicht möglich, dass die Diffusion des
zes nicht tief genug reicht. Bei den Bromsilberplatten
(egen ist das Salz von vornherein gleichmässig in der Schicht
theilt.
Vielmehr sind jene Streifen die nothwendige Folge davon,
18 die Grenzfläche Schicht-Glas im allgemeinen die Elementar-
egel in schwacher Neigung schneiden wird.
Dass die Elementarspiegel die ganze Schicht durchsetzen
inen, wenn die Entwickelung lange genug gedauert hat, ist
ht zu bezweifeln; denn in der nahezu vollkommen durch-
bogen unentwickelten Schicht müssen die stehenden Licht-
1) R. Neuhauss, Wied. Ann. 65. p. 165. 1898.
2) 1. c. p. 171.
506
0. Wiener.
wellen in der ganzen Tiefe auftreten , sonst könnten sie bei
meinen eigenen Versuchen über solche auch nicht beobachtet
worden sein, wo der Abstand der empfindlichen Schichten anf
Spiegel zum Theil bedeutend grösser war, als die Dicke der
Gelatineblättchen betrug.
Dass in der That die ganze Schicht mit Elementarspiegeln
ausgefüllt ist, lässt sich einfach nachweisen, indem man den
grössten Theil der Schicht durch Eeiben mit Leder und enghsch
Roth abträgt, soweit als es bequem möglich ist, ohne die Schiebt
vollkommen von der Glasunterlage zu entfernen, und soweit,
dass die übrigbleibende Schicht bedeutend durchsichtiger ge-
worden ist; man sieht dann von der Glasseite her immer
noch das Spectrum mit den Streifen, wenn auch begreiflicher-
weise durch die von der Rückseite her in Schicht an Luft
zurückgeworfenen Welle etwas verändert. Die obige Erklärung
der Streifen ist damit widerlegt.
Ein Schneiden der Elementarspiegel mit der anliegenden
Glasfläche muss gerade dann eintreten, wenn die Gelatine-
schicht planparallel ist.
Es werde zunächst einmal die Annahme einer solchen
Planparallelität gemacht und der Einfachheit halber die fernere,
dass das Spectrum vom Roth der Wellenlänge 760 /uju, bis
zum ultraviolett der Wellenlänge 380 fifif abgebildet werde,
dann liegt an der letzten Stelle im Vergleich zur ersten die
doppelte Zahl von Elementarschichten, worunter der Zwischen-
raum zwischen zwei
Enotenflächen der ste-
henden Wellen verstan-
den sei.
In nebenstehender
Fig. 3 ist der Fall ver-
^^•^ anschaulicht, dass im
^'S' ^' Roth 4 und im Ultra-
violett S Elementarschichten in dem Gelatineblättchen Platz
finden, wobei jeweils an den Grenzen zwei unvollständige
Schichten auftreten, die sich zusammen zu einer vollständigen
ergänzen. Die gezeichneten Striche sollen dabei die Mittel-
ebenen der Elementarschichten d. h., die Bauchebenen dar-
stellen.
Zti/t
JtoC
mtracynoUtt
Lippmann' sehe Farbenphotographie, 507
Die Figur lehrt, dass dann die Grenzfläche am Glase
^ch von vier Elementarschichten geschnitten werden muss.
Hes gilt allgemein; so viele Elementarschichten im Eoth» so
>ft muss die Grenzfläche am Glas von Elementarspiegeln ge-
schnitten werden.
Betrachtet man nun die Platte von der Glasseite, so muss
iie an der Grenze Glas-Gelatine zurückgeworfene Welle mit
ler aus der Tiefe kommenden Gesammtwelle zur Interferenz
elangen. Zwischen zwei Schnittstellen der Mittelebenen der
llementarspiegel sind nun alle möglichen Phasenunterschiede
er Oberflächenwelle gegenüber der Gesammtwelle aus der
'iefe vertreten; es müssen also so viele dunkle Streifen als
chnittstellen der Elementarspiegel mit der Glasfläche vor-
anden sein.
Die Minima für verschiedene Farben müssen ferner au
srschiedenen Stellen liegen. Dies ist in der That der Fall.
e\ genauerem Zusehen beobachtet man nämlich, dass die
treifen mit farbigen Säumen umgeben sind, welche nicht zum
pectralbereich der beobachteten Stelle gehören. Dadurch
nterscheidet sich also die Erscheinung von der oben erwähnten
er spectralen Interferenzen dünner Blättchen und schliesst
aber schon deshalb die ZurückfÜhrung auf diese aus.
Beobachtet man im homogenen gelben und blauen Lichte,
> liegen daher auch die Minima nicht an denselben Stelleu,
nd zwar die Minima für Blau gegenüber denen für Gelb
Bgen das rothe Ende des Spectrums hin verschoben, in Ueber-
instimmung mit der in Fig. 3 dargestellten Lage derElementar-
piegel.
Die Maxima und Minima sind indess nicht ausschliesslich
urch Interferenz bedingt; denn man darf nicht vergessen,
ass die Stärke des Niederschlages, mithin auch die Stärke
er Reflexion an den Knotenstellen eine bedeutend kleinere
tj als an den Bauchstellen. An diesen ist daher schon an
ch die Amplitude der zurückgeworfenen Welle grösser.
^aher kommt es, dass man die Streifen auch im Natrium-
cht nicht bloss in Gelb, wo sie begreiflicher Weise sehr stark
uftreten, sondern auch in der ganzen Ausdehnung des photo-
raphirten Spectrums noch verhältnissmässig gut erkennen
ann; sie sind in den nicht gelben Partien desselben daher
508 0. Wiener.
wesentlich durch die Unterschiede in dem Reflexionsvermögen
der Schicht an Knoten- und Bauchstellen bedingt. Die dunklen
Linien sind deshalb hier annähernd die Schnittlinien defV
Knotenebenen mit der Glasfläche.
Im allgemeinen wird die Schicht nicht genau planparallel
sein. Ist sie an dem rothen Ende des Spectrums dicker, so
wird man weniger, ist sie am violetten Ende des Spectrums
dicker, so wird man mehr Schnittstellen der Elementarspiegel
mit der Glasoberfläche erhalten, und entsprechend ändert sich
die Zahl der von der Glasseite aus beobachteten Streifen.
Man übersieht dies sofort an der Hand der Fig. 3. Jedenfalls
müssen stets mindestens soviel Elementarspiegel vorhanden sein^
als man Streifen auf der Glasseite zählt
Man könnte höchstens einwenden, dass das Blättchen eine
wellige Oberfläche besässe, wodurch es möglich wäre, dass
derselbe Elementarspiegel die Glasoberfläche nochmals schnitte.
Indess müssten dann die Streifen ebenfalls aus Wellenlinien
bestehen, was der Beobachtung widerspricht.
Gleichwohl spiegeln sich die Unebenheiten des Blättchens
in dem Verlaufe der Streifen wieder, die meist mehr oder
weniger, wenn auch stetig gekrümmt sind. Sie bevorzugen
aber die Richtung der Spectrallinien , was dem Umstände zu
verdanken ist, dass die Blättchen auf horizontaler Unterlage
trocknen gelassen wurden. Manchmal bestehen die Streifen aus
ziemlich geraden und parallelen Linien, die aber mit der
Richtung der Spectrallinien einen Winkel einschliessen. Dieser
Fall muss bei keilförmigen Blättchen eintreten, deren Keil-
schneide nicht parallel der Richtung der Spectrallinien verläuft.
Merkwürdigerweise beobachtet man von diesen Streifen
beim Betrachten der Platte von der Schichtseite aus nichts.
Diese Thatsache beweist, dass das von der Glasfläche zurück-
geworfene gegenüber dem aus den oberen Theilen der Schicht
kommenden Licht keine merkliche Stärke mehr besitzt. Dies
erklärt sich zum Theil durch die Absorption des Lichtes in
dem ziemlich dunkelbraun gefärbten Niederschlag, zum Theil
durch die Reflexion an den oberen Elementarspiegeln und die
dadurch verminderte Stärke des weiter nach unten dringenden
Lichtes.
I
Lippmann^ sehe Farbenphotographie, 509
Aber ähnliche Streifen wie die auf der Glasseite lassen
sich auch auf der Luftseite hervorrufen, wenn man die Schicht
mit Leder und Polirroth keilförmig abträgt. Diese Streifen
sind nur noch stärker ausgeprägt, entsprechend dem grösseren
Unterschiede der Brechungsexponenten zwischen Luft und
Schicht und der dadurch bedingten grösseren Stärke des in
Luft an der Schicht reflectirten Lichtes. Bei diesem Versuche
sieht man also die Farben nebeneinander^ die Neuhauss^)
durch gleichmässiges Abreiben der Schicht hintereinander hat
erscheinen lassen. Neuhauss glaubte damals diese Erscheinung
in Widerspruch mit der Zenker 'sehen Theorie. Sie folgt
indess, wie aus obigem hervorgeht, nothwendiger Weise aus
derselben.
Eine solche durch theilweises Abtragen verhältnissmässig
dünn und durchsichtig gewordene Schicht bietet also den
merkwürdigen Anbhck voneinander unabhängigerStreifensysteme
auf den beiden Seiten der Schicht dar. Die Erklärung dafür er-
giebt sich wie oben durch die grossen Intensitäts Verluste, die
das aus grösseren Tiefen kommende Licht durch Absorption
und Reflexionen erlitten hat.
Begreiflicherweise giebt es aber für die Unabhängigkeit
der beiden Streifensysteme voneinander eine Grenze. Hat die
Schicht eine ausreichend kleine Dicke erreicht, so macht sich
die Reflexion an der Grenze Schicht-Luft durch eine Ver-
zerrung der von der Glasseite aus betrachteten Streifen be-
merklich.
5. Zahl der Elementar Spiegel, die wesentlich an der Farben-
wiedergabe betheiligt sind.
Die Beobachtungen des letzten Abschnittes gestatten einen
Schluss auf die Zahl der Elementarspiegel, die wesentlich an
der Farbenwiedergabe betheiligt sind.
Eine untere Grenze für die Zahl der überhaupt vor-
handenen Elementarspiegel liefert die Zahl der von der Glas-
seite her beobachteten Streifen im Spectrum (vgl. p. 508).
Ich zählte deren bei zwei Platten in den glänzendsten Theilen
1) B. Neuhauss, Verhandl. d. Physikal. Gesellsch. zu Berlin (2j
14. p. 17. 1895.
\
510 0. Wietier.
des Spectrums von Orange bis in den Anfang des Blaa hinein
12 bez. 18. Soviel Elementarspiegel müssen also mindestens
im blauen Theile des Spectrums vorbanden sein. ^
Es ist aber nicht gesagt, dass die sämmtlichen Elementar-
spiegel einen merklichen Beitrag zu der reflectirten Gesammt-
welle liefern. Die Thatsache, dass die Interferenzbilder auf
Luft- und Glasseite voneinander unabhängig sind, lehrt das
Gegentheil.
Einen genaueren Aufschluss liefert der folgende Versuch.
Eine keilförmige, bis zur Dicke Null abgetragene Schicht wurde
darauf hin untersucht, an welcher Stelle sich eben noch die
schwächsten Spuren der Reflexion an der Grenze Schicht- Lait
durch eine Verzerrung der von der Glasseite aus betrachteten
Streifen bemerklich macht. Es war die, an der man von der
Dicke Null an gerechnet immerhin noch den 9. bis 18. Streifen
auf der Luftseite zählte, der zu der an der betrachteten Stelle
beobachteten Farbe gehörte.
Es betheiligen sich also noch merklich 9 — 13 Elementar-
spiegel an der Farbenwiedergabe. Es könnten in Wirklichkeit
deren noch mehr sein, da die dünnste beim Wegwischen noch
stehen gebliebene Schicht bereits wenige Elementarspiegei
enthalten könnte. Auf der anderen Seite ist es wahrscheinlich,
dass auf der Luftseite der unversehrten Schicht eine geringere
Zahl von Elementarspiegeln zur Geltung kommt, als auf der
Glasseite, weil dort wahrscheinlich der photographische Nieder-
schlag dichter ist.
Diese annähernden Feststellungen haben natürlich keine
allgemeine Gültigkeit.
Je geringer die Absorption der Schicht und je kleiner
die Amplitude der an einem einzelnen Elementarspiegei zurück-
geworfenen Welle ist, um so mehr Elementarspiegel werden
auf die reflectirte Gesammtwelle merklichen Einfluss haben
können. Diese Zahl hängt also unter anderem von der Stärke
der Belichtung und Entwickelung ab,
Immeihin hat die obige Zahl insofern ein Interesse, als
sie für den vorliegenden Fall einen annähernden Anhalt über
das Verhältniss der Amplituden giebt, mit denen sich zwei
aufeinanderfolgende Elementarspiegel an der reflectirten Ge-
sammtwelle betheiligen.
Lippmann' sehe Farbenphotographie. 511
t 6. Zur Theorie der Lipp mann sehen Spectrumphotographie
1^ für den Fall des Fehlens einer Oberflächenreflexion.
' Lippmann ^) selbst hat, wie bereits erwähnt, eine Theorie
seines Verfahrens entwickelt, dabei aber nicht berücksichtigt,
dass die Amplitude der an einem Elementarspiegel zurück-
geworfenen Welle mit seiner Tiefe unter der Oberfläche der
Schicht abnehmen muss, selbst in dem Fall, dass keine merk-
liche Absorption in der Schicht stattfindet. Infolge dessen
lassen sich seine Formeln nicht ohne weiteres auf den prak-
tisch vorliegenden Fall übertragen.
Dagegen hat Meslin^) die durch Reflexion erfolgende
Abschwächung der Elementarwellen bei zunehmender Tiefe
in Betracht gezogen und die Amplitude der Gesammtwelle
berechnet; trotzdem erkannte er den Sachverhalt nicht voll-
ständig richtig infolge Vernachlässigung der Oberflächenreflexion
und einer nicht vollkommen zutrefifenden Analogie mit den
Newton 'sehen Farben von dünnen Blättchen im durchgehen-
den Lichte.
Die Aufgabe lässt sich durch ein ausserordentlich einfaches
geometrisches Verfahren lösen, welches zugleich Amplitude
und Phase der aus allen Elementarwellen zusammmengesetzten
Welle ergiebt. Die Meslin 'sehen Schlussformeln lassen sich
ohne weiteres daraus ableiten. Aber eine weitere geometrische
Darstellung lässt alle in Betracht kommenden Verhältnisse
leichter überblicken als solche Formeln.
Ich beschränke mich jedoch, wie Lippmann und Meslin,
auf die Betrachtung jeweils einer Reflexion an jedem Elemen-
tarspiegel und sehe also von den mehrfachen Reflexionen ab,
die innerhalb der Schicht hin und her erfolgen, ehe das
Licht wieder nach aussen tritt. Bei der zunächst in Betracht
kommenden 3 maligen Reflexion an £lementarspiegeln wird die
Amplitude kaum noch von merklichem Betrage sein.
Der einfachste Fall ist zunächst der, dass die Wellen-
länge X einer Farbe des Lichtes, in der das Bild betrachtet
wird — sie heisse die Beleuchtungsfarbe — , übereinstimmt
mit der Wellenlänge A des Lichtes, mit dem dieselbe Stelle
1) G. LippmanD, Joura. de pbys. (8) 3. p. 97. 1894.
2) G. Meslin, Add. de chim. et de pbys. (6) 27. p. 389. 1892.
512 0. Wiener.
vorher belichtet worden war — diese heisse die BelichtuDgs-
farbe.
Sei 1 die Amplitude der am ersten ElementarspiegdV
reflectirten Welle und r diejenige der am zweiten Spiegel
reflectirten Welle in dem Augenblicke, wo sie den ersten
Spiegel soeben wieder durchsetzt hat. Da im angenommenen
Falle alle Wellen übereinstimmende Phasen haben, so ist die
Summe Sq der Amplituden:
Ä^j = 1 + r + r* + r' + . . .
Da, wie im Abschnitt 5 bemerkt, die von der Rückseite
der Schicht kommende Welle keinen merklichen Einßuss mehr
hat, so darf man die Summe ins Unendliche erstrecken und
erhält:
1
0 1 - r
Ist X von X verschieden, so wird die an dem zweiten
Elementarspiegel reflectirte Welle einen um a grösseren Phasen-
unterschied als eine ganze Wellenlänge gegenüber der ersten
Elementarwelle besitzen. Drückt man a als Phasenverzögerung
in Bogengraden aus, so ist:
Wählt man wieder die auf p. 495 geschilderte graphische
Darstellung, so stellt in Fig. 4 /f^ und fF^ den zur ersten
und zweiten Elementarwelle gehörigen Schwingungszustand
nach Amplitude und Phase dar, wobei als Ausgangsphase Null
Fig. 5.
diejenige von //'^ und für W^ die Phasenverzögerung a = 15^,
die Amplitude r = 0,85 gewählt ist.
Die Darstellung jeder folgenden Elementarwelle W^ er-
hält man aus der der vorhergehenden /^n-i indem man den
Fahrstrahl nach Maassgabe des Verhältnisses r : 1 verkleinert
und ihn um den Winkel a weiterdreht. Nach diesem Ver-
fahren sind in Fig. 5 die Wellen //^ bis W^^ dargestellt
Lippmann' sehe Farbenphotographie. 513
Die Summe all dieser Fahrstrahlen IV bis ins Unendliche
erstreckt, erhält man nun sehr leicht, wenn man sie als Dar-
F Stellungen complexer Zahlen in der Zahlenebene auffasst. Der
Modul oder absolute Betrag der complexen Zahl ist dann
gleich der Amplitude, das Argument gleich dem Werthe der
Phasenverzögerung zu set/en. So wird H\ dargestellt dui-ch
z =^ r ,e
x a
H\ durch
Da sich complexe Zahlen wie Strecken addiren, so wird
die Summe aller Fahrstrahlen dargestellt durch
s=l+z+z^ + z^ + ...,
d. h.; es ist
1
s = - — .
1 — *
Den Werth von
1 - z = z'
findet man durch die in Fig. 6 dargestellte Construction. Man
trägt an die Strecke A£=l die Strecke £C = ~'Z mit dem
absoluten Betrag r an und findet so 1 — z = / dargestellt durch
die Strecke A C mit dem absoluten Betrag r und dem Argu-
ment (0, Es ist also
Daraus ergiebt sich
e »_ Ä — t «
— ♦' — *.' '
X T
s ist in Fig. 6 durch die Strecke AD dargestellt.
Daraus ergiebt sich die folgende einfache Regel:
Hat die zweite Elementarwelle zur ersten ein Amplituden"
verhältniss r und eine Fhasenver zögerung a, so construire man
mit den Seiten 1 und r und dem zwischenliegenden Winkel u
ein Dreieck, Dann hat die aus sämmtlichen Elementarwellen
zusammengesetzte Welle eine Amplitude, die gleich dem reciproken
H^erth der a gegenüberliegenden Seite r' des Dreieckes ist und
eine PhasenverzÖgerurig gegen die erste Elementarwelle ^ die gleich
dem Winkel zioischen r und 1 ist.^)
1) Dieser Satz, bez. die Methode seiner Ableitung läset sich bei
verschiedenen Problemen der Optik, wie bei den mehrfachen Reflexionen
% Ann. d. Phyi. o. Cb«m. N. F. 69, 33
514
0. Wiener.
Die Construction findet sich in Fig. 7 ausgeführt, wo
BC^r ist. Aus dieser Figur ist zugleich die Construction
eines zu 1/r proportionalen Werthes ersichtlich. Man braucht f
nämlich nur um Ä als Centrum einen Kreis mit dem Radius Ä C
zu schlagen, so erhält man als zweiten Schnittpunkt der Ge-
raden B C mit dem Kreise den Punkt C. Es ist dann B C
mit BC umgekehrt proportional, da ihr Product gleich dem
Quadrat des Abschnittes B F auf der von B aus an den Kreis
gezogenen Tangente ist.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 7 gestattet zugleich den ganzen Verlauf der Ab-
hängigkeit der Amplitude und Phase der Gesammtwelle von
dem Phasenunterschiede a zweier benachbarten Elementar-
wellen, mithin von dem Unterschiede der Wellenlänge der
Belichtungs* und Beleuchtungsfarbe zu überblicken.
Die Amplitude der Gesammtwelle war für a=15^ mit
B C umgekehrt proportional, für cz = 0*^ ist sie mit -ff -D um-
gekehrt proportional. Fasst man nun das Verhältniss a jener
Amplitude für beliebiges u zu ihrem maximalen Werthe für
/^ = 0 ins Auge und setzt ^-D=l, so ist unmittelbar BC'^a,
Den Radius Ä C des Constructionskreises findet man dann aus
B JD = \ durch die Gleichung:
BD.r r
ÄC =
l +r
14-r
in einer Pianplatte und bei Beugungserscheinungen bequem verwenden.
Man vergleiche die verhfiltnissmässig verwickelten Ableitungen in Kirch-
hof f*8 Vorlesungen über mathematische Optik 1891, p. 157 und p. 100.
I
LippmanrC sehe Farbenphotographie.
516
Man übersieht jetzt, dass a bei stetig von Null wachsen-
m a zuerst rasch und dann langsamer abnimmt und für
= 180^ ein Minimum erreicht.
Die Phasenverzögerung (o der Gesammtwelle nimmt unter
n gleichen Bedingungen erst rasch zu, erreicht ein Maximum,
!nn (o + a = 90 ^ und nimmt dann wieder langsam ab. Das
iximum tritt ein für cos a ^ r mit sin a> = r; für diesen Fall
zugleich die verhältnissmässige Intensität durch die einfache
»rmel ausgedrückt:
a« =
1 - r
1 + r
)r maximale Werth von (o kann nicht grösser als 90^ werden^
Icher Werth für r = 1 eintreten würde.
Figur 8 stellt
3 Abhängigkeit der
•össeavona,Fig.9
>t]enige der Grösse
von a dar; beide
irven sind mit der
nstanten r = 0,85
s Fig. 7 abgeleitet.
ich verschiedenen
hätzungen (vgl.
B. die Bemerkung
1 Schluss von Ab-
initt 5, p. 510) j
hme ich an, dass
«er Werth nicht
it abliegt von dem-
iigen, der für einige
leiner Spectrum-
otographien gilt.
Am meisten in-
'essirt zunächst,
t welcher verhält-
ssmässigen Inten-
ät a* eine von der Belichtungsfarbe mit der Wellenlänge A
weichende Beleuchtuugsfarbe mit der Wellenlänge X von der
Fig. 8.
rso
!80^
Fig. 9.
oo *
516 0. Wiener.
fertigen Platte zurückgeworfen wird. Man findet z. B. fiir a =30^
d. i. für ^
r ~ 360 "" 12 ' •
d. h. wenn der Wellenlängenunterschied nur 7ii ^^^ Wellen-
länge r ist, eine verhältnissmässige Amplitude a = 0,3 und
somit eine verhältnissmässige Intensität gleich 0,09.
Es ist aus Fig. 7 ersichtlich, dass der Intensitätsabfall
bei grösserem r viel rascher geschieht; wenn r gegen 1 con-
vergirt, convergiren die verhältnissmässigen Intensitäten für
von den Belichtungsfarben abweichende Beleuchtungsfarben
gegen Null; ein Ergebniss, das auch schon von Lippmann
abgeleitet wurde. Praktisch findet diese Convergenz nicht statt
Man erkennt aber, dass die reflectirte Farbe eine um so
reinere sein muss, je geringer der Intensitätsverlust der ein-
dringenden Wellen durch Absorption und Reflexion ist, voraus-
gesetzt natürlich, dass in entsprechendem Maasse die Zahl der
wesentlich betheiligten Elementarspiegel zunimmt.
7. Benicksichtigung der störenden Oberfiächenreflexion und Er-
klärung der durch sie bedingten fehlerhaften Farbenwiedergabe.
Die Ergebnisse der früheren Abschnitte ermöglichen, zu-
nächst wenigstens qualitativ, zu beurtheilen, wie an einer be-
stimmten Stelle des Spectrumbildes die Oberflächenwelle die
aus der Tiefe kommende Welle für jede einzelne Farbe be-
einflusst.
Bezeichne ähnlich wie früher W^ in Fig. 10 die an der
Oberfläche der Schicht ankommende Welle mit der Phase Null
so stellt H' die an der Ober-
00
-►w; fläche zurückgeworfene Welle
dar, ^ti die aus der Tiefe
kommende Gesammtwelle fiir
die mit der wirksam gewesenen
Belichtungsfarbe übereinstim-
p. jQ mende Beleuchtungsfarbe beim
Betrachten der fertigen Schicht,
für den Fall, dass nach Annahme I in Abschnitt 2 die Phasen-
änderung rp bei Reflexion an einem Elementarspiegel eine
viertel Wellenlänge, Jf'ta im Falle sie nach Annahme II eine
LippmanrCsche Farbenphotographie, 517
halbe Wellenlänge beträgt. ^) In beiden Fällen ist eine Phasen-
änderung (f für die Reflexion der im Exsiccator getrockneten
Gelatine gleich 0,41 vorausgesetzt.^
Nun lehrt Fig. 9, welches die Phasenverzögerung der
Tiefenwelle bei einer von der Belichtungsfarbe mit der Wellen-
länge X abweichenden Beleuchtungsfarbe mit der Wellenlänge V
wird gegenüber der in der Symmetrieebene des ersten Elementar-
spiegels ankommenden Welle. Jetzt sind aber die Phasen-
verzögerungen gegenüber der in der Oberfläche ankommenden
Welle zu bestimmen. Sie waren in Fig. 10 durch die Winkel
der W^ mit W^^^ angegeben für den Fall der Uebereinstimmung
jener beiden Farben. Sie werden bei Verschiedenheit dieser
Farben aber noch vergrössert um den Betrag qp(A — A')/A', in
Wellenlängen ausgedrückt^ oder um den Betrag
9-^7^.360«= 9>.a
in Bogengraden ausgedrückt.
Der Werth q>a in Abhängigkeit von a wird also durch
eine gerade Linie ausgedrückt, die die Abscissenaxe der Fig. 9
unter einem Winkel schneidet, deren Tangente gleich rp ist,
wofür in der Figur der Werth 0,41 benutzt wurde.
Will man also den Gesammtzuwachs der Phasenänderung
für X gegenüber der für X wissen, so hat man für den Winkel
a=— ^.360«
in Fig. 9 den Abstand zwischen der Curve und der geraden
Linie zu suchen.
Der Zuwachs der Phasenänderung ändert sich also für
kleine a noch rascher im vorliegenden Fall, als in dem Falle
des Abschnittes 6, wird aber dann bald nahezu constant, weil
die Curve nach Ueberschreitung des Maximums ungefähr mit
der Neigung der Geraden abfällt.
Daraus erkennt man, dass für Beleuchtungsfarben grösserer
Wellenlänge als die der ßelichtungsfarbe , wobei a und (o
1) Es sind der Einfachheit halber die Grenzwerthe angegeben; vgl.
darüber Abschnitt 2.
2) Vgl. die möglichen Abweichungen von diesem Werthe in Ab-
schnitt 1.
518 0. }flener.
negativ werden, sich die Fahrstrablen der Fig. 10 mit dem
Uhrzeiger drehen in den durch r bezeichneten RichtangeOr
für nach Violett zu liegenden in den entgegengesetzten, durdr
V bezeichneten Richtungen, und zwar schon bei kleinen Farben-
änderungen am Anfang recht beträchtlich.
Es ist daher sofort klar, dass die Tiefenwellen W^ Ton
der Oberflächenwelle W^^ bei Interferenz stärker begünstigt
werden durch Beleuchtungsfarben grösserer, als durch solche
kleinerer Wellenlängen.
Daher hat die Oberflächenwelle die Wirkung, dass der Schwer-
punkt der wiedergegebenen Farbe gegenüber der Belichtungsfarbe
nach Roth zu verschoben wird.
Das ist es auch, was man im allgemeinen beobachtet.
Nur am rothen Ende des Spectrums gewahrt man häufig Farben
kleinerer Wellenlänge, je nach dem Präparat, Blau oder Blau-
grün; auch wechseln hier die Farben in rascher Folge. Meist
sind diese Farben äusserst dunkel, häufig schwer zu erkennen,
weil sie gegen Grau oder Schwarz hinneigen.^)
Hier ist zunächst zu bedenken, dass am rothen Ende des
photographirten Spectrums, das allerdings meist nur bis etwa
zur Fraunhofer'schen Linie B reicht, die durch die Ober-
flächenwelle begünstigten Farben zum Theil in das Ultraroth
fallen und also nicht mehr dem Auge wahrnehmbar sind.
Femer kommt es nun wesentlich darauf an, ob man es
mit JFfj oder mit Wt2 zu thun hat.
Darüber erhält man Aufschluss, wenn man das vom Lipp-
mann'sehen Bilde reflectirte Licht spectral untersucht. Da
beobachtet man, wie das schon Meslin^ beschrieben hat,
die aufi'allende Erscheinung, dass dieses einen, und zwar bei
dicken Schichten nur einen intensiv dunkeln Streifen aufweist,
der ofi'enbar die Rolle eines Interferenzstreifens spielt. Er
liegt nicht weit von der Belichtungsfarbe nach Violett zu ver-
schoben.
Gerade das ist aber die Erscheinung, die man beobachten
muss, wenn Annahme II die richtige ist. Dann liegt Wt^ in
der Nähe von Wq und muss es erreichen für Beleuchtungs-
1) Vgl. auch die Angaben von Meslin, 1. c.
2) G. Meslin, 1. c. p. 387.
Zippmann' sehe Farbenphotographie, 519
färben, die ein wenig von der Belichtungsfarbe nach Violett
zu liegen. In der Lage W^ wird die Tiefenwelle am stärksten
y durch die Oberflächen welle geschwächt. Bei einer Beleuchtungs-
farbe von noch kleinerer Wellenlänge tiberschreitet H^q die
Lage Wq, und die Intensität der Gesammtwelle muss wieder
zunehmen. Aber auch Wt^ muss von vornherein, wenn die
Erscheinung möglich sein soll, sehr nahe an W^ liegen, damit
diese Phase erreicht werden kann fttr so kleine Werthe von a,
dass ö) noch auf dem aufsteigenden Ast der Curve {Fig. 9)
liegt, weil sonst }^\, nicht mehr nach der anderen Seite über-
schritten werden kann.
Auch im einzelnen stimmen die beobachteten Intensitäts-
verhältnisse mit den nach den Figg. 8 — 10 zu erwartenden
überein. So erscheinen nur auf der rothen Seite des Inter-
ferenzstreifens die Farben mit bedeutend grösserer Intensität
im Vergleich zu denjenigen des daneben liegenden Spectrums,
welches von der unbelichteten Nachbarfläche der Lipp mann *-
sehen Platte herrührt.
Gegen die blaue Seite hebt sich daher auch der Inter-
ferenzstreifen nicht so schroff ab. Es kommt dies daher, dass
W^g in Fig. 10 nach üeberschreiten von W^ nicht mehr so
grosse Intensitäten besitzen kann, da sich die Beleuchtungs-
farbe hier von der Belichtungsfarbe zu weit entfernt, während
für die entgegengesetzte Drehung von Wta sich zugleich grössere
Amplituden und günstigere Phasen der Tiefenwelle einstellen.
Am rothen Ende des Spectrums liegen aber die meist
begünstigten Farben schon im ültraroth, die noch frei bleibende
Stelle im Roth ist zu klein und zu wenig leuchtend; nach
Blau zu erfolgen aber auch keine günstigeren Bedingungen.
Daher erklärt sich die an dieser Stelle beobachtete Dunkelheit
und auch die Farbe, welche zu dem ausgelöschten Streifen,
der zwischen den Fraunhofer'schen Linien C und D liegt,
complementär ist, d. h. je nach Lage des Streifens blaugrün bis
blau. Die Belichtungsfarbe an dieser Stelle lag in der Nähe von B.
Will man später diese Verhältnisse genauer quantitativ
verfolgen, so muss man beachten, dass der Abschwächungs-
factor r nicht für alle Farben gleich, sondern für das rothe
Ende des Spectrums kleiner als für das violette ist, entsprechend
dem Absorptionsspectrum der braun durchsichtigen Schicht.
520 0. IFiener.
Sehr einfach bestätigt der folgende Versach die in den
Figg. 7 — 10 dargestellte Theorie. Betrachtet man dieselbe
Platte, welche die soeben beschriebene Erscheinung liefert, im^
senkrecht reflectirten Natriumlicht, so sieht man einen kräftigen
Interferenzstreifen an einer Stelle, wo die Belichtungsfarbe
von der Farbe des Natriumlichtes etwas weiter gegen Roth
lag. Legt man jetzt auf die Lippmann'sche Platte eine
durchsichtige ebene Glasplatte und orientirt die entstehenden
Luftinterferenzstreifen so, dass siejenen Interferenzstreifen senk-
recht durchschneiden, so bemerkt man an der Durchschnitts-
stelle eine starke Verschiebung der Interferenzstreifen, welche
an einigen Stellen den Betrag von etwa einer halben Streifen-
breite erreicht.
Diese Verschiebung beweist einen sehr raschen Wechsel
der Phase der von der Lipp mann 'sehen Schicht kommenden
Gesammtwelle ; denn dass nicht etwa Dickenunterschiede der
Schicht, vielleicht durch die Verschiedenheit der Stärke des
Niederschlages hervorgerufen, die Ursache der Streifenver-
schiebungen sind, erkennt man, wenn man den Einfallswinkel
der Strahlen ändert und dadurch die Stelle raschen Phasen-
wechsels auf der Oberfläche des Blättchens verschiebt. Diese
Stelle dürfte sich nicht ändern, wenn Dickenunterschiede des
Blättchens hier in Frage kämen.
Die Verschiebungen sind vielmehr die Folge der mit der
Entfernung der Beleuchtungsfarbe von der Belichtungsfarbe
sich rasch ändernden Phase (o der Tiefenwellen und der damit
verbundenen raschen Phasenänderung der Gesammtwelle.
Der einzige Unterschied zwischen den Bedingungen des
Versuches und der Darstellung der Figuren ist, dass der Ver-
such sich auf dieselbe Beleuchtungsfarbe bei sich ändernder
Belichtungsfarbe bezieht, während die Figuren den umgekehrten
Fall erläutern.
Die beobachtete Phasenänderung ist derart, dass sie fUr
die vom Interferenzstreifen gegen Roth hin liegende Seite des
Lippmann'schen Spectrums gegenüber der gegen Violett zu
liegenden eine Phasenbeschleunigung der Gesammtwelle be-
deutet. Daraus folgt, wie man sich leicht klar machen kann,
dass der Oberfiächenwelle im vorliegenden E^U eine grössere
Amplitude als der Tiefenwelle zukommt. Wenngleich die
i
LippmanrC sehe Farbenphotographie. 521
letztere in der Nälie der Stelle, wo sie mit der Oberflächen-
welle entgegengesetzte Phase hat, nicht ihre maximale Ampli-
{^ tude besitzt, so geht daraus doch hervor, wie wenig man Recht
hat, die Oberflächenwelle ausser acht zu lassen.
Meslin^) glaubt die besprochenen Interferenzstreifen im
Spectrum auch ohne Oberflächenwelle erklären zu können. Er
irrt sich darin; denn dann gelten die durch Fig. 8 dargestellten
Intensitätsverhältnisse in Uebereinstimmung mit seinen eigenen
Formeln. Die Helligkeit fällt von ihrem Maximum symmetrisch
nach beiden Seiten des Spectrums ab.
Das lässt sich auch leicht durch das Experiment be-
weisen; man braucht bloss über die Lippmann'sche Platte
z. 6. Kanadabalsam zu giessen und mit einer Glasplatte zu-
zudecken, so ist die interferenzfähige Oberflächen welle be*
seitigt. Denn die von der Oberfläche der aufgelegten Glas-
platte reflectirte Welle kommt nun wegen des zu grossen
Abstandes von der Schicht nicht mehr zur Interferenz.
Die spectrale Untersuchung der Helligkeitsvertheilung für
die verschiedenen Farben entspricht vollständig der Erwartung.
Der Interferenzstreifen ist verschwunden und statt dessen ist
eine verhältnissmässig schmale helle Zone zu erkennen in dem
, sonst dunklen Spectrum. Diese Zone habe ich z. B. in einem
Falle als zwischen den Wellenlängen 682 und 618 ju/i liegend
gefunden. Das entspricht einem Winkel a für die Randfarbe
gegenüber der Mittelfarbe von 18^.
Aber all dies gilt nur für so dicke Platten, dass von
der Rückseite nicht mehr merklich Licht reflectirt werden
kann. Bei dünnen Platten gelten die Betrachtungen des Ab-
schnittes 6 nicht mehr streng. Es wird dann jede einzelne
Elementarwelle ihre Schwankungen ftlr die Amplitude der Ge-
sammtwelle bedingen^), d. h. man wird mehr als einen dunklen
Streifen im analysirenden Spectrum erhalten. Das habe ich
auch an dünnen Platten bekommen, ja auch noch an dickeren
1) G. Meslin, 1. c.
2) Das Genauere crgiebt sich aus der Summation der p. 518 an-
geführten Reihe, die dann mit einem endlichen Glicde x" abschliesst; e«
wird dann
s =
l-*« + i
522 0. fTiener.
in den gelben und rothen Theilen des Spectrums , für die die
Absorption der Schicht besonders schwach ist.
Daher erklären sich auch die von Schutt^) beobachtetei^
Streifen, der mit sehr dünnen Schichten experimentirte. &
trägt aber, wie man sieht, nicht zur Güte der Farben wieder-
gäbe bei. Bei den Becquererschen Chlorsilberplatten, auf
die sich Schutt beruft, liegen die Verhältnisse anders, weil
dort die Absorption in der Schicht eine unverhältnissmässig
stärkere ist. als bei den Lipp mann 'sehen Platten.
8. Krone 'b Farbendarstellung ohne Queoksilberspiegel;
Versuohe von Neuhauss.
Die voi*stehenden Untersuchungen ermöglichen das Ver-
ständniss für die Versuche verschiedener Forscher auf diesem
Gebiete, welche noch nicht richtig oder noch nicht völlig er-
klärt waren.
Krone^) ist es gelungen, das Spectrum auch ohne Queck-
silberrefiexion zu photographiren. Die Reflexion erfolgt also
in der Schicht an Luft. Die Abweichung der von ihm er-
haltenen Farben von den entsprechenden unter Anwendung
des Quecksilberspiegels ergiebt sich ohne weiteres, wenn man
beachtet, dass die Phasenänderung tp bei Reflexion in Schicht
an Luft jetzt Null ist, statt wie sonst etwa zwischen 0,4 und
0,5 zu liegen. Die Phasenverzögerung der Tiefenwelle gegen-
über der Oberflächenwelle ergiebt sich daher aus der p. 503
abgeleiteten Formel
Wäre t/;, die Phasenänderung bei Reflexion au einem
Elementarspiegel, genau gleich ^, so würde durch dieses Ver-
fahren genau die richtige Farbe wiedergegeben. Die Farben
müssen aber dann schon im Vergleich zu den mit dem Queck-
silberspiegel erhaltenen nach Roth zu verschoben sein. Das
ist es auch, was Krone beobachtet.') Sie müssen noch weiter
im gleichen Sinne verschoben sein, wenn, wie im Abschnitt 2
wahrscheinlich gemacht, i/» etwas kleiner als -J- ist, sodass S
1) F. Schutt, 1. c. p. 546.
2) H. Krone, Die Darstellung der natürlichen Farben durch Photo-
graphie, Verl. der deutsch. Photographenzeitung (K. Schwier), Weimar 1894.
3) H. Krone, 1. c. p. 65.
Lippmann^ sehe Farhenphotographie, 523
negativ wird und gegenüber dem bei Quecksilberreflexion gelten-
den Werth sein Zeichen wechselt. Man ersieht dies leicht aus
Fig. 11, wo Wi2 jetzt für kleinere Wellen als die der Beleuch-
tungsfarbe mit der Oberflächen welle W^^ eine tibereinstimmende
Phase erhält Im gleichen Sinne wirkt auch die Reflexion an der
unteren Grenze des ersten Elementarspiegels,
dessen Sjmmetrieebene jetzt in die Oberfläche
hineinfällt, sodass seine eine Hälfte fehlt.
Auch dieser Schluss bestätigt sich, da
Krone nach seiner Methode gewöhnlich über- pj« ^
haupt kein Roth erhält.
Neuhauss hat seine Versuche mit Lippmann 'sehen
Photographien ausführlich in dem schon erwähnten Buche be-
schrieben und auch seine zum Theil lang andauernden Miss-
erfolge in humorvoller Weise zum besten gegeben.') Es er-
giebt sich daraus ein von vornherein schwer verständlicher
Einfluss der Bezugsquelle seiner Gelatine.
Wenn man bedenkt, wie häufig schon kleine, chemisch
kaum nachweisbare Verunreinigungen die Phasenänderung
eines durchsichtigen Stofles an Metallen beeinflusst, so liegt
es nahe, darin jenen Einfluss der Gelatinesorte zu suchen.
Mit der Phasenänderung q) ändert sich aber auch das ftir die
Oberflächenreflexion maassgebende S. Ist diese Erklärung
richtig, so musste Neuhauss mit Gelatine jeglicher Sorte
gleich gute Bilder erhalten, sowie er die Oberflächenreflexion
beseitigte.
Versuche mit Mischfarbenaufnahmen durch Eiweissplatten
haben Neuhauss^) auf die Vermuthung eines besonderen
Einflusses der obersten Schicht geführt. Er sagt tiber die Mög-
lichkeit eines Erfolges solcher Aufnahmen mit Eiweissplatten :
„Es hat nämlich den Anschein, als ob unter der Ober-
fläche doch gute Lamellenbildung vorhanden ist, welche auch
die Mischfarben richtig wiedergeben könnte, und dass nur durch
die alleroberste Schicht, welche bei der Aufnahme in unmittel-
barer Berührung mit dem Quecksilber steht und daher durch
das Licht die durchgreifendsten Veränderungen erfährt, die
1) R. Neuhauss, I c. p. 20.
2) R. Neuhauss, 1. c. p. 15.
524 0. onerier.
richtigen Farben zerstört werden. Im Einklang mit dieser
Vermuthung steht der Umstand, dass die Mischfarben auf der
Rückseite des Glases häufig besser sichtbar sind, als auf dei^ .
Schichtseite."
Neuhauss' Vermuthung wird streng richtig, wenn man
statt „alleroberste Schicht" das Wort „Oberfläche" setzt
Uebrigens ist es nicht ausgeschlossen, dass unter Um*
ständen unmittelbare chemische Einwirkungen des Quecksilbers
auf die Schicht ausserdem noch eine Bolle spielen. Es würde
mich zu weit führen, wollte ich noch weitere Beobachtungen
dieser Art erörtern, die sich leicht auf einen der oben be-
sprochenen Einflüsse zurückführen lassen.
9. Beseitigung des ung^ünstigen Einflusses der Oberflaohenreflexion.
Am nächsten liegen die folgenden Verfahren, um den
störenden Einfluss der Oberflächenwelle zu beseitigen.
1. Man beseitigt die Reflexion an der Oberfläche über-
haupt.
2. Man lässt die Oberflächen welle nicht zu merklicher
Interferenz mit der Tiefenwelle kommen.
3. Man verändert nach der Fertigstellung der Platte den
Abstand der Oberfläche von dem ersten Elementarspiegel in
solchem Betrage, dass die von ihnen
reflectirten Wellen übereinstimmende
Phasen erhalten.
1. Die Beseitigung der Reflexion
an der Oberfläche lässt sich, wie
schon eingangs kurz erwähnt, da-
durch erreichen, dass man die Platte
eintaucht in einen Glastrog, der eine
Flüssigkeit enthält, von annähernd
mit dem der Schicht übereinstimmen-
den Brechungsexponent, also etwa
p. j2 ' Benzol. Man giebt der Platte eine
gegen die Oberfläche des Troges ge-
neigte Stellung, sodass sie nach dem Auge in 0 (Fig. 12) das
Licht einer wenig ausgedehnten Lichtquelle in Ä zurückwirft
Da in der Flüssigkeit an der Schicht keine merkliche Reflexion
^
Lippmanrf 8che Farbenphoto ff raphie, 625
sta^ttfindet, so gelangt nur das von den Elementarspiegeln
zurückgeworfene Licht ins Auge, während die Oberfläche des
1*roges das Licht nach einer anderen Richtung Ä reflectirt.
£0 muss nur dafür gesorgt sein, dass in der Richtung £ von
>voher die Trogoberfläche Licht nach 0 spiegeln könnte, keine
störende Helligkeit herrscht.
Unter diesen Verhältnissen gewahrt man überaus glänzende
Farben, die annähernd an der richtigen Stelle liegen.
Lässt man den einen Theil der Platte aus der Flüssig-
keit herausragen, und auch von ihr Licht reflectiren, so zeigen
sich die Farben des photographirten Spectrums gegeneinander
verschoben, und zwar so, dass der herausragende Theil, ab-
gesehen von dem rothen Ende des Spectrums, Farben grösserer
Wellenlänge zeigt, als der benachbarte eingetauchte Theil, in
Uebereinstimmung mit obiger Theorie.
Das Gleiche erreicht man durch Verwendung eines
schwachen Glaskeiles, der mit Canadabalsam auf die Schicht
gekittet wird. Nach Valenta^) hat sich schon L. Lumi^re
eines solchen bei Projectionen bedient, die erzielte glänzende
Farben Wirkung liegt aber nicht an der Projection, wie Valenta
anzunehmen scheint^, sondern hauptsächlich in der Ausschal-
tung der störenden Oberflächenreflexion.
In Ermangelung eines Glaskeilcs kann man eine zweite
Planplatte mit keilförmiger dickflüssiger Canadabalsamschicht
auf die photographische Platte auf kitten. Man kann dann
leicht die Platten so halten, dass nur das aus der Tiefe
kommende Licht ins Auge fallt, das dann die Farben in
grosser Sättigung und Glanz erblickt.
Das Verfahren des Eintauchens der fertigen Platte in
Benzol empfiehlt sich zum mindesten zu ihrer Prüfung. Man
kann so stets leicht entscheiden, ob wenigstens die Elementar-
spiegel gut und in richtigen Abständen ausgebildet sind.
2. Kittet man die Planplatte nicht keilförmig, sondern
parallel zur photographischen Platte auf, so wird deren Ober-
flächenreflexion zwar beseitigt, man erhält aber dafür Licht
von der Aussenseite der Planplatte reflectirt. Doch dieses
1) E. Valenta, I. c. p. 79.
2) 1. c. p. 78.
526 0. Wiener.
deckt sich jetzt als weisses Liebt gleichmässig über die aus
der Tiefe stammenden Farben; denn der grosse Ganganter- ^
scbied zwischen beiden Wellen schliesst eine störende Inter- ^
ferenz aus.
Dieser Gangunterschied braucht nicht einmal so gross
zu sein, es genügt einfach eine dickere Schicht von photo-
graphischem Lack, Collodium, Celloidin (gelöst in Amylacetat,
sog. Zaponlack) oder dergleichen aufzutragen, so treten bereits
die richtigen Farben der Schicht hervor. Die aufzutragende
Schicht braucht nur so dick zu sein, dass sie für sich ein
Weiss ausreichend hoher Ordnung erzeugen würde. Sie braucht
um so weniger dick zu sein, je weniger homogen die Farben
der Schicht sind.
Will man Gelatine selbst auftragen, so muss man sich
vorsehen, dass man dabei die nicht schon vorhandene Gelatine-
schicht auflockert und dadurch den Abstand der Elementar-
spiegel ändert. Es wird sich dann empfehlen, wenigstens erst
eine andersartige dünne Schicht, z. B. von Collodium, zwischen-
zuschalten.
Die so erhaltenen Platten liefern natürlich lange nicht
so glänzende Farben, wie die nach Verfahren 1, weil eben
sich überall das Weiss der Oberflächenreflexion überlagert*)
3. Ein günstigeres Ergebniss wäre zu erwarten, wenn es
gelänge, der Oberfläche der Schicht einen solchen Abstand
von dem ersten Elementarspiegel zu geben, dass die Phase
der Oberflächenwelle mit der der Tiefenwelle übereinstimmt.
Dies ist zunächst möglich durch ein Heben der Ober-
fläche, d. h. indem man eine dünne Schicht, wieder etwa von
Celloidin aufträgt. Da die Oberflächenwelle gegenüber der
Tiefen welle um 0,4 bis 0,5 A voraus ist, so würde für eine
Ergänzung des Gangunterschiedes zu einer ganzen Wellenlänge
ein Phasenzuwachs von 0,6 bis 0,5, oder ein Dickenzuwachs
gleich der Hälfte, also 0,3 bis 0,25 A (bezogen auf die Schicht)
nöthig sein.
1) Wie ich hiuterher bemerke, hat auch schon NeahauBB in seinem
Buch p. 59, um die Platten zu schützen, Lack und dergleichen aufge-
gossen. £r gicbt unter anderem an, dass die Farben an Glanz verlieren,
nicht aber, dass sie sich ändern.
Lipp mann' sehe Farbenphotograpitie. 52.7
Zu diesem Zwecke stellt man sich verdünnte Lösungen
der aufzutragenden Schicht her und prüft die mit bestimmter
Tropfen zahl erzielte Dicke durch eine Probeglasplatte von
gleicher Fläche, wie die der photographischen Platte, indem
man nach Eintrocknen einen Theil der Schicht entfernt, eine
zweite Glasplatte auflegt und die an der Grenze des weg-
gewischten Theiles im Natriumlicht eintretende Verschiebung
der Luftinterferenzen beobachtet.^)
Es gelang mir in einem Falle, die richtige Schichtdicke
zu treffen, sodass die Farben ziemlich richtig, wenn auch nicht
genau richtig wiedergegeben wurden. Es ist aber ziemlich
schwer, gleichförmige Dicke zu erreichen; daher zeigten sich
an einer Stelle Farbeuschwankungen entlang der Richtung der
Spectrallinien. Ferner müsste streng genommen, wegen der
Abnahme der Wellenlänge gegen Violett, die aufgetragene
Schicht auf dem violetten Ende des Spectrums kleiner, als
auf dem rothen Ende sein.
Dass obiger Versuch annähernd gelang, war nur ein Zu-
fall, denn ich kannte damals noch nicht den richtigen Werth
für die Phasenäuderung am Elementarspiegel.
Dass er trotzdem gelang, liegt daran, dass es sehr schwer
ist, selbst bei gleicher Tropfenzahl stets gleiche Dicken zu
erzielen, weil sich von der Flüssigkeit bald mehr, bald weniger
am Rande ansammelt, und dass ein Dickenausfall von
7g Wellenlänge in der Schicht, oder nur Y13 Wellenlänge in
Luft den Fehler wieder ausgleichen konnte. Andere Versuche
misslangen unter anscheinend gleichen Bedingungen. Immerhin
sind Abänderungen dieses Verfahrens denkbar, welche besser
und sicherer zum Ziel führen.
Jedenfalls beweisen diese Versuche schlagend den Ein-
fluss der Oberilächenreflexion. Giesst man z. B. eine äusserst
verdünnte Lösung auf, deckt eine zweite Glasplatte darüber
und zieht ab, so erhält man dabei sehr ungleichmässige Dicken.
Es erscheinen jetzt zum Theil die glänzendsten Farben, aber
an durchaus verkehrten Stellen.
Statt die Grenzfläche nach oben, kann man sie auch nach
unten verlegen, zunächst durch einfaches mechanisches Ab-
1) Vgl. 0. Wiener, Wied. Ann. 40. p. 207. 1890, wo das Ver-
fahren genauer beschrieben ist.
528 0. Wiener.
tragen. Dieser Versuch wurde, wie bereits erwähnt, schon
von Neuhauss^) ausgeführt Es treten dann, wie meine
•eigenen Versuche bestätigen, zunächst im allgemeinen di^
benachbarten Farben kürzerer Wellenlänge auf, d. h. man
nähert sich und erreicht bei bestimmter Dickenabnahme der
Schicht die richtigen Farben. Geht man noch weiter, so treten
wieder verkehrte Farben auf. Es genügt hier, auf schon früher
Erwähntes zu verweisen (p. 509).
Eine dritte Möglichkeit ergiebt sich noch aus dem Ver-
suche von Neuhauss^, bei dem er die oberflächliche Schicht
durch einen photographischen Abschwächer — Lösung von
Sublimat oder Fixirnatron und Blutlaugensalz — veränderte oder
theilweise zerstörte. Es wird dadurch gleichfalls der Abstand
der Oberfläche von dem nächsten Elementarspiegel vergrössert.
Doch ist dadurch nicht ohne weiteres die Uebereinstimmung
■der Phase der Oberflächenwelle mit der von den tiefer liegen-
den Elementarspiegeln gesichert. Immerhin hatte Neuhauss
damit Erfolg. Er schreibt: „Bei dieser Behandlungsmethode'^
— mit dem zweitgenannten Mittel — „kamen in der That rich-
tige Mischfarben zum Vorschein, von denen vorher keine Spur
zu finden war'^ Es ist möglich, dass die zerstörte Schicht
«inen ausreichend grossen Abstand der Oberfläche von den
Elementarspiegeln herbeiführte, um zwischen beiden ein Weiss
höherer Ordnung zu erzeugen.
Bei der Behandlung mit Sublimat ist zu beachten, dass
die Schicht so durchsichtig wird, dass die Phasenänderung
des Elementarspiegels den Betrag von einer viertel Wellen-
länge annimmt. Dafür spricht der Umstand, dass hier Neu-
hauss^) in der Durchsicht die Complementärfarben zu denen
der Aufsicht erhielt.
10. Verschiedene sonstige Fehlerquellen beim Lipp mann sehen
Farbenverfahren. — Schluss.
Auf allerlei andere Fehler, deren Vermeidung beim Lipp-
in an n 'sehen Verfahren anzustreben ist, sei hier nur noch
kurz eingegangen.
1) R. Neuhauss, Verhandl. d. physikal. Gesellsch. zu BerÜD U.
p. 19. 1895.
2) In dem citirten Buche p. 15.
3) 1. c. p. 53. .
Lippmann' sehe Farbenphotographie. 529
Die richtige Farbenwiedergabe setzt voraus, dass zwischen
zwei Bäuchen der stehenden Lichtwellen der optische Weg,
d. h. die Zahl der Wellenlängen, während der Belichtung und
nach Fertigstellung der Platte derselbe bleibt.
Zunächst ist klar, dass der optische Weg sich ändert,
wenn der Feuchtigkeitsgehalt der Gelatine sich ändert. Es
ist daher das sicherste, die Platte vor der Belichtung im
Elxsiccator zu trocknen. Denn hinterher lässt sie sich jeder-
zeit wieder vollständig trocknen, falls man sie nicht mit einer
für Wasserdampf undurchlässigen Schicht überziehen will.
Aber selbst bei gleich bleibendem Feuchtigkeitsgehalt wird
der optische Weg kaum derselbe bleiben. Denn, wenn auch
alles Silber reducirt würde und diesem als molecularem Silber
der Brechungsexponent 4 zukäme, würde der optische Weg
gegenüber der ursprünglichen Bromsilberschicht verringert,
um so mehr also, wenn ein Theil des Bromsilbers ausfixirt wird.
Ich habe ausgerechnet, dass der optische Weg sich um
etwa 4 Proc. vermindert, wenn die Hälfte des Silbers reducirt
würde. Der entsprechende Farbenfehler muss noch deutlich
zu bemerken sein. Es müssen im Vergleich zu der Belichtungs-
farbe im Bilde Farben kleinerer Wellenlängen erscheinen, und
um so kleiner, je kürzer die Belichtung gedauert hat. Dies
wird auch von verschiedenen Seiten bestätigt.
Dieser Fehler Hesse sich leicht beseitigen durch Baden
der fertigen Platte in der Lösung eines indifferenten Körpers,
durch dessen Aufnahme dann der optische Weg wieder ver-
grössert vird. Auch könnte man daran denken, die Schicht
durch Wasserdämpfe aufzuquellen, und nach Erreichung der
richtigen Dicke sie dicht gegen die Luft abzuschliessen.^)
Doch hat es nur Zweck darauf einzugehen, wenn man
den Fehler der Oberflächenretiexion beseitigt, der im allgemeinen
überwiegen wird.
Auf andere Fehler, wie den, welchen die Absorption des
Niederschlages, besonders der kurzwelligen Farben bedingt, ist
schon von anderer Seite genügend eingegangen worden.
1) Vgl. dazu Versuche von Neuhauss in dessen Buch p. 49, wo
die hier berührten Fehlerquellen in Betracht kommen. Besagte Stelle kam
mir erst zu Gesicht, als ich obiges schon geschrieben hatte.
Ann. d. Phya. u. Chem. N. F. 69. 34
530 0. Wiener, LippmantC sehe Farbenphotographie.
Die vorstehende Untersuchung wurde bereits 1895 im
physikalischen Institut der Technischen Hochschule in Aachen
begonnen im Zusammenhang mit Versuchen an Becquerer« A
sehen Farbenphotographien. Diese entstehen bekanntlich in
silberchlorürhaltigen Chlorsilberschichten auf Silberunterlage
im wesentlichen^) durch die Wirkung stehender Lichtwellen.
Hebt man die Schicht von der Unterlage ab, so erblickt man
auf der Hinterseite Farben, die von denen auf der Vorderseite
wesentlich verschieden sind. Der Einfluss der störenden Ober-
flächenreflexion macht sich dort noch viel stärker bemerklich
als bei den Lippmann'schen Schichten. Elr konnte durch
Eintauchen des Blättchens in Schwefelkohlenstofi' vermindert,
wenn auch wegen des immer noch grösser bleibenden Brechungs-
exponenten der Schicht so nicht völlig beseitigt werden.
Die Versuche wurden erst in diesem Jahre im physikalischen
Institut der Universität Giessen fortgesetzt. Ich wurde dabei
durch Hm. Lehramtsaccessist Nennstiel unterstützt, der ins-
besondere die Spectrumbilder nach den Vorschriften von Neu-
hauss herstellte, wofür ich ihm sehr zu Dank verpflichtet bin.
Die Versuche wurden endlich im hiesigen Institute ab-
geschlossen, wobei mir in der Beurtheilung der Farben, wie
auch schon früher, Hr. Dr. Scholl behülflich war.
Die Untersuchung ist annähernd soweit fortgeführt, als es
gut möglich ist, ohne die Eigenschaften des photographischen
Niederschlages experimentell genauer festzustellen. Ich wollte
aber die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse nicht länger hinaus-
schieben, die, wie ich hoffe, dem Praktiker von Nutzen sein
werden.
Leipzig, Physikal. Inst. d. Univ., August 1899.
1) 0. Wiener, Wied. Ann. 55. p. 246 u. 256. 1S95.
(Eingegangen 24. August 1899.)
Druck Ton Metxger d Witt ig ia Leipzig.
1899. ANNALEN -^^ ^^-
DBB
PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND 69.
1. Ueber bewegte Körper
im elektrischen Felde und über die elektrische
Leitfähigkeit der atmosphärischen Luft;
von Adolf Heydweiller.
I. Fonderomotorische Kräfte des elektrischen Feldes auf
bewegte Körper.
1. Befindet sich ein leitender Körper im elektrischen Felde
in einer Umgebung von anderem Leitvermögen , so treten an
seiner Oberfläche elektrische Ladungen auf, die sich bei einer
relativen Bewegung des Körpers gegen die Kraftlinien des
Feldes verschieben und dadurch ponderomotorische £j:äfte des
Feldes auf den bewegten Körper hervorrufen. Diese Kräfte
hemmen die vorhandene Bewegung des Körpers, wenn sein
Leitvermögen das der Umgebung übertrifft, sie wirken be-
schleunigend unter Verbrauch elektrischer Energie im um-
gekehrten Falle. Ich werde sie im Folgenden kurz als
hemmende und treibende Kräfte unterscheiden. Bei gewissen
kleinen Werthen des Leitvermögens können sie auch bei
massigen Geschwindigkeiten messbare Grösse erreichen.
Den theoretischen und experimentellen Nachweis der
hemmenden Kräfte für den speciellen Fall, dass das Leit-
vermögen in der Umgebung des bewegten Körpers verschwindend
klein ist, verdanken wir Heinrich Hertz ^); auf die Ver-
eJlgemeinerung seiner Entwickelungen und deren Anwendung
zur Erklärung von Beobachtungen Hrn. Quincke 's und Hrn.
0. E. Meyer's habe ich hingewiesen*), und Hr. v. Schweidler
hat sie auf Hm. Boltzmann's Veranlassung für den Fall
einer im homogenen elektrischen Felde rotirenden Kugel
1) H. Hertz, Wied. Ann. 13. p. 266. 1881; Ges. Werke 1.
p. 135. 1895.
2) A. Heydweiller, Verhandl. d. Phys. Gesellsch. zu Berlin 16.
p. 82. 1897.
34*
532 A, HeydweiUer.
rechnerisch durchgeführt.*) Weitere hierher gehörige Beob-
achtungen werden später erwähnt.
2. Neben diesen Kräften treten noch andere auf, die
den dielektrischen Eigenschaften des bewegten Körpers zu-
sammenhängen, da infolge der Bewegung die Richtung der
dielektrischen Polarisation nicht mehr in jedem Augenblicke
zusammenfällt mit der Richtung der elektrischen Kraft; diese
Eigenschaft hat man als dielektrische Hysteresis bezeichnet; die
durch sie bedingten Kräfte, die stets nur unter Verbrauch
freier Energie hemmend wirken^, sind Gegenstand zahlreicher
Experimentaluntersuchungen gewesen, unter denen hier die von
Arno^), Threlfall*) und Schaufelberger*) hervorzuheben
sind. Aus dem Folgenden wird hervorgehen, dass bei den meisten
dieser Versuche neben den dielektrischen Hysteresiserscheinungen
wohl auch Kräfte der erstgenannten Art wirksam waren.
II. Die Vergleichung sehr kleiner elektrischer Ijeitverniögen.
3. Auf die Möglichkeit, die im ersten Abschnitt erwähnten
Erscheinungen für die Bestimmung sehr kleiner Leitvermögen
von sogenannten Isolatoren nutzbar zu machen^ hat ebenfalls
schon H. Hertz hingewiesen. Die Vervollständigung seiner
Theorie durch Hm. v. Seh weidler lässt sie noch deutlicher
hervortreten.
Hiernach ist das Drehungsmoment, das eine gleichförmig
rotirende Kugel vom Radius R im homogenen elektrischen
Felde von der Stärke F (elektrostatisch) mit den Kraftlinien
senkrecht zur Rotationsaxe erfährt:
(1) B = ^8^2 _^r(^- .T/i)_
1 + (•/'s r)« (2 K + Ä,)»
wenn r die Umlaufszeit, X^ die elektrische Leitfähigkeit der
Kugel im elektrostatischen Maasse und X^ die der Umgebung ist
1) £. V. Scbweidler, Sitzoingsber. d. k. Akad. d« WiBsenach. zn
Wien 106. IIa. p. 526. 1897.
2) Vgl. L. Boltzmann, Wied. Ann. 60. p. 399. 1897.
3) R. Arno, N. Cini. (3) 33. p. 15. 1893; Elektrotechn. Zeitscfar.
14. p. 17. 1893; Rend. della R. Acc. dei Lincei (5) 2. I. p. 341, 2. IT.
p. 260. 1893; Atti della Acc. di Torino 29. p. 429. 1894; Rend. della R. Acc.
dei Lincei (5) 3. I. p. 272 u. 294. 1894; N. Cim. (4) 5. p. 52. 1897.
4) R. Threlfall, Phys. Rev. 4. p. 457; 5. p. 21 u. 65. 1897.
5) W. Schaufelberger, Wied. Ann. 67. p. 307. 1899.
f '
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 538
Ist Aj gegen a^ zu yernachlässigen , so erhält man ein
. treibendes Drehungsmoment
für X^ klein gegen A. dagegen ein hemmendes:
(3) i) = - Ä» i^» *^« ^ ^'
1 + (*/. I h?
Ein rotirendes elektrisches Feld würde im letzteren Falle
die Eugel mitzuziehen, im ersteren entgegengesetzt zu drehen
suchen, und wenn es gelänge, die Erscheinung rein zu erhalten,
müsste man aus den gemessenen Grössen i>, R, F und r die
Leitfähigkeiten \ oder X^ bestimmen können. Das ist nun,
wie schon Hertz bemerkte, leider nicht der Fall, da zu den
leitenden Eigenschaften der in Betracht kommenden festen
oder flüssigen Körper die dielektrischen hinzutreten und zu
Kräften der zweiten Art Veranlassung geben. Wenn sonach
auch genauere quantitative Bestimmungen auf diesem Wege
nicht möglich sind, so bieten die besprochenen Erscheinungen
doch ein äusserst empfindliches Reagenz auf sehr geringe, in
anderer Weise kaum nachweisbare Spuren von Leitvermögen
und gestatten eine Bestimmung derselben wenigstens der
Grössenordnung nach, die den Vortheil hat, unabhängig zu
sein von jeder hypothetischen Annahme über die Gültigkeit
des Ohm*schen Gesetzes für die schlechten Leiter und von
etwaigen „üebergangswiderständen" an den Zuflihrungsstellen
des elektrischen Stromes.
III. Störungen und Schwierigkeiten.
4. Der Ausführung solcher Bestimmungen war zunächst
folgende Idee zu Grunde gelegt worden. In ein rotirendes
elektrisches Feld sollte ein schlechter fester Leiter in Form
eines Rotationskörpers in ein gasförmiges oder flüssiges Medium
von ebenfalls geringem Leitvermögen eingeführt werden. Bei
einer Aenderung des Leitvermögens des festen Körpers oder
der Umgebung schien es möglich, einen Uebergang von hemmen-
den zu treibenden Kräften des rotirenden elektrischen Feldes
auf den festen Körper zu finden, dem bei Abwesenheit dielek-
trischer Hysteresis Gleichheit des Leitvermögens von festem
534 A, Heydweiller,
Körper und Umgebung entsprechen musste, mit Rücksicht
darauf, dass die dielektrische Hysteresis nur hemmende Kräfte
erzeugt, aber wenigstens Grenzwerthe des Leitvermögens er-^
geben konnte.
Der Erfolg der ersten mit einer Ebonitscheibe in Luft
von verschiedener Dichte angestellten Versuche schien den
Erwartungen zu entsprechen. Bald ergab sich aber, dass
neben dem schon hier störend bemerkbaren Einfluss der
dielektrischen Hysteresis des Ebonits noch andere Wirkungen
die Versuche beeinflussten.
Bei der gewählten Versuchsanordnung war ein Einscbliessen
der rotir enden Scheibe in ein Glasgehäuse nicht zu vermeiden,
schon um bei verschiedenen Verdünnungsgraden der Luft beob-
achten zu können, aber auch bei Luft von Atmosphärendmck,
da sich eine vollkommene Trockenheit der Luft notbwendig
erwies, und die Ebonitscheibe gegen Luftströmungen gesichert
werden musste. Den rotirenden Condensator in das Gehäuse
mit einzuschliessen ging nicht an, so befand sich dieses zwischen
Condensator und Scheibe, sodass Ladungen an den beiden
Seiten der Glaswand auftraten, die im rotirenden Felde za
neuen störenden Kräften Veranlassung gaben. Diese Störungen
machten sich zunächst durch einen polaren Unterschied be-
merklich, durch Verschiedenheit der erhaltenen Resultate, je
nachdem die positive oder die negative Condensatorplatte zur
Erde abgeleitet war, dann dadurch, dass nachfolgende Ver-
suche mit ruhendem Condensator zu ganz anderen Ergebnissen
führten- Ferner zeigte sich im letzteren Fall, dass die Wir-
kung einer allmählich gesteigerten Condensatorentladung mit
der Zeit abnahm, bei Entladung aber von neuem wieder auf-
trat und durch langsam abwechselnde Ladung und Entladung
dauernd zu erhalten war. Endlich Hessen sich die Ladungen
der Glaswand direct nachweisen durch einen an der Innenseite
der isolirten Condensatorplatte befestigten Streifen aus Alu-
miniumblatt, der bei hinreichend starker Ladung der Platte
divergirte, bei Entladung aber nicht sofort, sondern erst nach
einiger Zeit zurückging.
Auf diese Ladungen der Glaswand ist auch wohl der Ein-
fluss von Feuchtigkeit in der umgebenden Luft ausserhalb des
Glasgefässes zurückzuführen.
f
^
Bewegte Körper im elektrischen Felde. 535
£benso sind begreiflicherweise auch Feuchtigkeitsschichten
auf der rotirenden Scheibe von Einfluss.
Die entscheidenden Versuche wurden daher immer erst
angestellt, nachdem die Scheiben tage- oder gar wochenlang
in mit Phosphorpentoxyd getrockneter Luft gehangen und
ausserdem auch nur bei ziemlich trockener Zimmerluft.
Die Frage, ob nicht directe Influenzwirkungen infolge
mangelhafter Symmetrie des rotirenden Körpers oder der Auf-
hängevorrichtung die Ergebnisse merklich beeinflussen, Hess
sich auf Grund mehrfacher Controlversuche bei verschiedener
Orientirung der Scheibe gegen die Kraftlinien des Feldes ver-
neinen.
Dagegen machten sich gelegentlich dauernde mit der
dielektrischen Hysteresis zusammenhängende Ladungen der
rotirenden Scheibe störend bemerklich.
Die erwähnten Umstände führten dazu, die ursprüngliche
Idee zu verlassen, und die Beobachtungen hauptsächlich bei
ruhendem Condensator anzustellen, wobei man freilich auf das
Feststellen treibender Kräfte beschränkt blieb und auch hier-
bei von dem Vorhandensein zufälliger kleiner Bewegungen ab-
hängig war.
Diese mit Paraffin-, Ebonit- und Glimmerscheiben an-
gestellten Versuche Hessen erkennen, dass auch hier zweierlei
Wirkungen auftreten, von denen die eine an der Grenze von
Glasgehäuse und innerer Luft ihren Sitz hat, zuerst diese in
Bewegung setzt und dann erst vermöge der inneren Reibung
auch die Scheibe, während die andere an der Grenze von
Luft und Scheibe direct auf letztere wirkt. Um diese beiden
Wirkungen, von denen die erste hauptsächHch bei grösserer,
die andere nur bei sehr geringer Luftdichte zur Geltung kommt,
voneinander zu trennen, wurden noch Versuche mit einer
Scheibe aus dünnem Kupferblech angestellt, bei der wegen
hres grossen Leitvermögens die letzteren Kräfte unmerklich
werden.
IV. Versuche im rotirenden Feld.
5. Versuchsanordnung, Die Scheiben, deren Rotation beob-
achtet wurde, waren anfänglich mit Glashütchen auf Spitzen
aufgesetzt, später zur Erhöhung der Empfindlichkeit mit einer
536
A, Heydtoeiller,
Li4/tpu//ipc
u .Ma/iomele/-
\
u:
ec
Coconsuspension versehen; sie wurden mittels zweier Korl
cylinderchen auf einer Stecknadel festgeklemmt, die an einei^H
10 cm langen, möglichst feinen Coconfaden hing und zur V^^x*.
minderung seitlicher Schwankungen unten mit einer klein^a?
Bleikugel beschwert war. Der Durchmesser der Scheiben ke«
trug 6 — 7 cm.
Das rotirende Feld wurde bei den ersten Versuchen mit
einem geriebenen Glas- oder Ebonitstab erzeugt, der in einem
Abstände von etwa 5 cm um die
Drehungsaxe der Scheibe rotirte.
Später wurde ein Condensator an-
gewendet mit kreisrunden Platten
von 10 cm Abstand und von 14 cm
Durchmesser, die an zwei concen-
trischen durch eine Ebonitlage ge-
trennten Cylindem befestigt, mit
diesen auf die Axe einer Schwung-
maschine gesetzt wurden; die eine
Platte war durch die Schwungmaschine
zur Erde abgeleitet, die andere vnirde
mittels einer auf dem zugehörigen
Cylinder schleifenden Feder geladen.
Die weitere Versuchsanordnung
ist, mit Weglassung der Schwung-
maschine, schematisch in der Figur
dargestellt, i ist die ladende Holt zi-
sche Influenzmaschine, f eine Funken-
strecke, e ein Elektrometer, M\ und
W^ sind Widerstände von ca. 1,3 bez. 50 Megohm, / eine
grosse Leydener Flasche, c^ und c, die beiden Condensator-
platten, s die rotirende Scheibe, eingeschlossen in ein cyhn-
drisches Glasgehäuse ff von 18 cm Höhe, 7 cm innerem Durch-
messer und 0,2 bis 0,25 cm Wandstärke, das unten durch eine
aufgekittete Glasplatte verschlossen, oben durch ein eingekittetes
Rohr mit einer Töpler-Ha gen 'sehen Quecksilberluftpumpe in
Verbindung stand.
Die Influenzmaschine wurde bei jeder Beobachtung in
Gang gehalten, sodass in der Funkenstrecke f, die zur Be-
gulirung der Spannung diente, ein continuirlicher Funkenstrom
i
v:
IlnU
r
f
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 537
überging; /, w^ und w^ dienten zur Verminderung der Spannungs-
scli-wankungen. Gemessen wurden die Spannungen bis 3500 Volt
mittels eines Braun 'sehen Elektrometers (mit neuer, richtiger
Eichung), darüber hinaus mit meinem Elektrometer für hohe
Spannungen'), bez. auch durch die Länge der Funkenstrecke /;
^er Luftdruck im Gehäuse g mit einem Mac Le od- Manometer
Kahlbaum'scher Construction.') Die angegebenen Drucke
^ind daher die der Luft und etwaiger Fett- oder Eittdämpfe
(von den Dichtungen herrührend), aber abzüglich der Drucke
des Quecksilber- und des Wasserdampfes, die in der angegebenen
Weise nicht zur Messung kommen. Der letztere kann übrigens
nur gering sein, da das Trockengefäss der Luftpumpe mit
Phosphorpentoxyd beschickt war, das Auspumpen immer lang-
sam geschah, sodass die kleinen Druckdifferenzen Zeit zum
Ausgleich hatten, und, wie schon bemerkt, die endgültigen
Versuche namentlich bei niederen Drucken erst nach tage-
und wochenlangem Evacuiren vorgenommen wurden. Die
Beobachtungen wurden bei Zimmertemperatur angestellt, meist
in der Nähe von 18^
6. Einige Forversuche. Ich bezeichne im Folgenden mit
-f- Bot. eine Rotation durch treibende Kräfte (Abschnitt 1),
also entgegen der Feldrotation, mit — Rot. eine solche durch
hemmende Kräfte mit dem rotirenden Felde.
In atmosphärischer Luft geben Scheiben aus Glimmer,
Paraffin, Paraffinpapier, trockenem Schreibpapier, Kork leb-
hafte — Rot, sowohl innerhalb eines Glascylinders , wie ohne
denselben; eine Kupferscheibe zeigt keine Bewegung. Benetzen
der Glimmerscheibe mit destillirtem Wasser und Bedecken
des Papieres mit Graphit schwächt die Wirkung, Anfeuchten
mit verdünnter Säure hebt sie auf. In verdünnter Luft nimmt
mit abnehmendem Druck die Wirkung erst ab, verschwindet
bei geringeren Feldstärken und gewissen kleinen Drucken, um
bei grosser Verdünnung wieder stärker zu werden. Bei grösserer
Feldstärke erhält man mit der Glimmerscheibe für grosse und
mittlere Drucke — Rot., für kleine + Rot., bei sehr hoher
Verdünnung wieder — Rot. Es tritt also eine Umkehrung
1) A. Heydweiller, Wied. Ann. 48. p. llü. 1893.
2) G. Kahlbaum, Zeitschr. f. Instrum entenk. 15. p. 191. 1895.
588 A, Heydweiller.
der Wirkung auf bei Drucken, die für die angewandte Feld-
stärke etwa bei ^^^ mm Hg lagen.
7. Die folgenden Versuche mit rotirendem Condensator, dJF
isolirte Platte + geladen, werden das näher erläutern; p be-
zeichnet die Drucke in mm Hg, F die Feldstärken in elektro-
statischen C.O.S.-Einheiten (bei 10 cm Plattenabstand gleich
dem Potentialunterschied der Platten in Volt, dividirt durch
3000).
Tabelle 1.
Glimmersch
eibe.
p
-
25
8 2,5
1
0,5
0,25 mm
F^
4
—
— —
—
+ Rot
+ Rot
F^
5
- Rot.
- Rot. - Rot.
+ Rot.
+ Rot
+ Rot
F =
6
—
—
—
+ Rot
P =
0,3 0,15
0,02
0,004 mm
F-0,5
— - Rot.
- Rot
—
F = 1,0
- Rot. + Rot.
- Rot
-Rot
F = 2,0
+ Rot + Rot.
+ Rot
0
F = 3,0
— + Rot.
Tabelle
-Rot
2.
+ Rot
Ebonitscheibe.
P =
17,5
4,5 2,5 0,85
0,15
0,026
0,0023 mm
F^ 1
- Rot. -
• Rot. - Rot. —
—
-Rot
F^ 4
- Rot. -
• Rot. - Rot. - Rol
t. - Rot.
-Rot
—
F= 5
- Rot. -
• Rot. — 0
-I-Rot
- Rot
-Rot
F^ 6
-Rot.
0 + Rot + Rot + Rot.
+ Rot
-^Rot
Diese Versuche mit der Ebonitscheibe wurden bald nach
dem Ansetzen des Gefässes an die Luftpumpe angestellt; nach
längerer Verbindung mit der durch Phosphorpentoxyd ge-
trockneten Luftpumpe nimmt die + Rot. zu, d. h. sie setzt
schon bei kleineren Feldstärken ein, so ergab sich später:
Tabelle
3.
Bbonitsch(
eibe.
p =
6
0,2
0,014
0,0028
0,0008 mm
F= 1,5
0
- Rot.
- Elot
— ^
F = 3
—
+ Rot.
- Rot
-Rot
- Rot
F= 4
- Rot.
+ Rot.
0
+ Rot
- Rot
F= 5
- Rot.
+ Rot.
+ Rot.
—
± Rot (wechselnd)
F = e
- Rot.
+ Rot
+ Rot
—
+ Rot.
Bewegte Körper im elektrischen Felde. 539
Bei den vorstehenden Versuchen mit der Olimmerscheibe
hatte die Verbindung mit der Luftpumpe schon mehrere Tage
bestanden.
Aus diesen Versuchen lässt sich soviel schliessen, dass
bei gewissen Verdünnungsgraden und Feldstärken die auf Leit-
fähigkeit beruhenden Kräfte der ersten Art (Abschnitt 1) die
von der dielektrischen Hysteresis herrührenden der zweiten
Art (Abschnitt 2) an Wirkung übertreffen^ da nur die ersteren
treibende Kräfte zu erzeugen im Stande sind, dass die Wirkung
der ersteren mit steigender Feldstärke wächst und mit zu-
nehmender Verdünnung bei derselben Feldstärke ein Maximum
besitzt. Die auftretenden Unterschiede der einzelnen Reihen
erklären sich durch Veränderungen der Oberflächen bei längerem
Evacuiren und Trocknen, unentschieden bleibt, ob in den
Fällen , wo — Rot. beobachtet wurde , die Kräfte erster Art
doch noch merkliche Wirkung haben, die nur von denen
zweiter Art überdeckt wird, und weiter, wo der Sitz der Kräfte
zu suchen ist, ob in der Grenze zwischen Glashülle und
verdünnter Ijuft, oder in der zwischen Luft und rotirender
Scheibe.
8. üeber den zweiten Punkt geben die folgenden Versuche
mit einer Kupferscheibe im rotirenden Felde Auskunft, da bei
diesen die Kräfte an der Oberfläche der Scheibe selbst wegen
ihres grossen Leitvermögens verschwinden (vgl. Abschnitt 3).
Die Scheibe dient also in diesem Falle nur als Indicator für
die Bewegung der umgebenden Luft.
Bei höheren Drucken bis zu 10 mm hinunter ist die Art
der auftretenden Bewegungen schwer zu bestimmen; häufig
treten zunächst + Bewegungen und Rotationen auf, die aber
bei Umkehr der Drehungsrichtung des Feldes nicht ebenfalls
umkehren. Die Beobachtung wird dadurch erschwert, dass
in schwächeren Feldern die Bewegung geringe Stärke hat, in
stärkeren die Scheibe in pendelnde Bewegung geräth, dabei
an die Glaswand anstösst und durch diese Stösse dann auch
in Rotation versetzt wird. Jedenfalls ist nichts von den regel-
mässigen — Rotationen zu bemerken, wie sie die Glimmer-
und Ebonitscheibe bei den entsprechenden Luftdrucken auf-
weisen. Diese können daher nur von Kräften herrühren, die
durch die Substanz der Scheibe selbst bedingt, an deren Ober-
540 A. Heydweüler.
fläche ihren Sitz haben und entweder durch ihre dielektrische
Hysteresis oder ihre Leitfähigkeit, vielleicht auch durch beide
bedingt sind. *
Erst unterhalb 10 mm Druck werden die Erscheinungen
wieder regelmässiger; die Eupferscheibe zeigt Ablenkungen
aus der Gleichgewichtslage^ die bei gleichmässiger Rotation
des Feldes constant sind, bei Wechsel der Drehungsrichtung
nach einiger Zeit gleichfalls umkehren und eine gleichmässige
Botation der umgebenden Luft anzeigen. Diese ist regel-
mässig bei kleineren Feldstärken positiv, bei grösseren negativ,
zunächst bei Drucken bis zu 0,1 mm hinunter sehr schwach
und nimmt erst bei weiterer Druckabnahme etwas an Stärke
zu. Die Zusammenstellung eines Theiles der Beobachtungen
in Tab. 4 wird dies erläutern. Darin bedeuten die Zahlen die
Ablenkungen der Eupferscheibe aus der Gleichgewichtslage in
Bruchtheilen einer Umdrehung bei langsamer gleichförmiger
Rotation des Feldes.
Tabelle 4.
Kupferscheibe.
p =
7
3,3
0,8
0,044
0,014
0,0035
0,00080 mm
F^ 0,9
—
—
—
+ V8
+ •/*
—
F= 1,3
-4- >'
0
+ •/..
4. »'
+ /8
+ V4
-•/«
+ v,
F= 2,0
0
0
—
4- »'
+ .16
+ '/.
+ Bot.
F= 2,7
- ^'I.
+ Vie
+ Vie
_ 1
;i«
+ V4
-Rot
± wechselnd
F = 3,8
+ Vu
0
-'/.
-'/.
f starkes
Pendeln
stariLes
Pendeln
Aus diesen Versuchen, die freilich auch an Regelmässig-
keit noch zu wünschen übrig lassen, kann man schliessen, dass
erstens bei kleinen Feldstärken die Leitfähigkeit der yerdünnten
Luft kleiner ist, als die der Glashülle, da nur so positive Be-
wegungen eintreten können, dass sie bei steigender Feldstärke
aber grösser wird, und dass zweitens die an den schlecht
leitenden Scheiben in stark verdünnter Luft bei grösseren
Feldstärken beobachteten starken + Rotationen in Kräften ihre
Ursache haben, deren Sitz an der Grenze der verdünnten Luft
und der Scheiben gelegen ist.
y. Versuche im ruhenden Felde.
9. Bei den Versuchen im ruhenden Felde treten wesent-
lich verschiedene Erscheinungen bei höheren und bei niederen
t
Bewegte Körper im elektrischen Felde. 541
Drucken auf. Bewegungen, die hier nur von treibenden Kräften
herrühren können, sind in beiden Fällen zu beobachten, aber
während bei niederen Drucken im constant bleibenden Felde
stationäre Zustände auftreten, d. h. je nach dem Verhältniss
von treibender und richtender Kraft entweder constante Ab-
lenkungen der Scheibe aus der Gleichgewichtslage oder auch,
wenigstens zeitweise, Rotationen mit nahe constanter Winkel-
geschwindigkeit, sind bei höheren Drucken die treibenden Kräfte
impulsiver Natur und immer nur bei Aenderungen des Feldes,
Entstehen und Verschwinden desselben, merklich. Wird das
Feld erregt, so erhält die Scheibe einen impulsiven Anstoss,
bewegt sich unter dem Einfluss desselben eine Zeit lang und
kommt dann im constant bleibenden Felde wieder zur Ruhe,
ohne dauernde Ablenkung aus der Gleichgewichtslage. Diese
Stösse können sehr heftig sein, und oft kann durch periodische
Wiederholung derselben die Bewegung der Scheibe bis zur
Rotation gesteigert werden.
Die ersten Versuche mit Glimmer-, Paraffin- und Ebonit-
scheiben Hessen vermuthen, dass auch hier üebereinander-
lagerung zweier verschiedener Wirkungen, wie im rotirenden
Felde, auftritt Nachfolgende Versuche mit der Kupferscheibe
bestätigten das und zeigten, dass bei höheren Drucken nur
die an der Glaswand wirkenden Kräfte zur Geltung kommen,
und erst bei sehr kleinen Drucken die an der Grenze zwischen
verdünnter Luft und (schlecht leitender) Scheibe auftretenden
die Erscheinungen wesentlich bedingen.
Ich gebe bei den einzelnen Scheiben Dimensionen, Träg-
heitsmomente und Richtkräfte an, da dieselben in die nach-
folgenden Berechnungen der späteren Kapitel eingehen. Des-
gleichen gebe ich zu demselben Zwecke für die stationären
Bewegungen und Ablenkungen aus der Gleichgewichtslage die
Grösse der letzteren in Bruchtheilen einer Umdrehung, sowie
als Maass für die Winkelgeschwindigkeit die mittlere Umlaufs-
zeit in Secundeu, wobei zu bemerken ist, dass beide Bestim-
mungen nur ziemlich roh vorgenommen werden konnten. Sofern
die Ablenkung aus der Gleichgewichtslage mehr als eine Um-
drehung betrug, ist sie einfach als Rotation (Rot.) bezeichnet.
Diese Rotationserscheinungen, die bei sehr kleinen Drucken
(unter 0,1 mm Hg) und hinreichenden Feldstärken an den
542 Ä. HeydweiUer.
schlecht leitenden Scheiben zu beobachten sind, können ent-
weder längere Zeit mit nahe gleichförmiger Geschwindigkeit
andauern, bis die zunehmende Torsion des Aufhängefadens^
sie verlangsamt, oder sie setzen bei grösseren Feldstärken
gleich mit erheblicher Beschleunigung ein, wobei die Rotations-
geschwindigkeit bald solche Werthe erhalten kann, dass eine
Bestimmung kaum mehr möglich ist. Wegen der Gefahr, dass
der Faden abgedreht wird, ist es dann nöthig, durch Auf-
heben des Feldes die Bewegung bald wieder zu unterbrechen.
Bei diesen beschleunigten Rotationen habe ich entweder nur
den ungefähren Anfangswerth der Umdrehungszeit für die erste
Umdrehung, oder auch noch ihre Zunahme für einige Um-
drehungen angegeben.
Die Feldstärke ist auch hier überall in elektrostatischen
C.G.S.-£inheiten angegeben und erhalten durch Division des
Spannungsunterschiedes der Condensatorplatten in Volt durch
3000 (bei 10 cm Plattenabstand).
Von den zahlreichen Beobachtungen wird hier nur ein
Theil wiedergegeben ; die anderen lehren nichts wesentlich
Neues.
10. Versuche mit Ebonitscheibe, Halbmesser a = 3 cm,
Dicke 2 & = 0,041 cm, Trägheitsmoment T = 5,85 g. cm^ Richt-
kraft der Aufhängung 0 = 0,0025 für die Winkelablenkung 1.
In den folgenden Tabellen bedeuten r die Umlaufszeit
der rotirenden Scheibe in Secunden, bez. bei schwächeren Be-
wegungen 2 n dividirt durch die ungefähre mittlere Winkel-
geschwindigkeit der Bewegung, (o^ die maximale Ablenkung
der Scheibe aus der Gleichgewichtslage, also bei Hin- und
Herbewegung die halbe Amplitude der Bewegung; eine 0 be-
deutet, dass die Bewegung nicht merklich ist; ist q?^ > 2 inr, so
ist in den Tabellen kurzweg Rot. (Rotation) angegeben; ist
die Rotation eine nahe gleichförmige, so ist sie mit gl. Rot,
ist sie beschleunigt mit b. Rot. bezeichnet. F ist die Feld-
stärke in elektrostatischen C.G.S.- Einheiten, p der Druck in
mm Hg, t die Temperatui*.
Tab. 5 giebt zunächst Beobachtungen bei höheren Drucken
wieder, von Atmosphärendruck bis etwa 5 mm, bei denen eine
stärkere und dauernde Bewegung nur durch periodisch ab-
wechselndes Laden und Entladen zu erzielen ist.
1
Bewegte Körper im elektrischen Felde,
548
Tabelle 5.
Ebonit
760 mm
15,5«
n
P
t
F
126 mm
19,8«
n
,33
,50
,73
0
0,25
Rot
»
»>
»
»»
»
0,17
0,83
0,57
1,0
1,6
2,2
3,4
4,5
0,25
0,5
Rot
,»
»>
»
>»
)>
100
120
50
30
25
15
7
5
p '■
= 20 mm
1 P =
■ 7,0 mm
t
= 19,8«
f -
- 19,9«
F
^1 ,
71
F
n
r
0,18
0,5 100
0,17
0,25
200
0,87
Rot 85
0,37
Rot
40
0,73
» 25
0,73
»,
20
1,2
„ n
1,0
>»
15
1,9
„ 15
1,9
i>
12
2,5
„ 12
2,5
,y
20
3,6
8
8,7
0,25
60
4,7
5
5,8
0,25
60
Tab. 6 giebt die Beobachtungen bei mittleren Drucken
rischen 5 mm und 0,1 mm, bei denen bei constanter Ladung
r Condensatorplatten ein stationärer Zustand eintritt , eine
nstante, wenn auch schwache Ablenkung der Scheibe aus
r Gleichgewichtslage, die beim Entladen wieder zurückgeht
it übrigens geringer Geschwindigkeit, anfangs mit wachsen-
r Feldstärke zunimmt bis zu einem Maximum, bei grösseren
ddstärken aber sehr schwach, fast unmerklich wird.
T
abelle 6.
Ebonit
9
■■ 1,7 mm
P =
= 1,3 mm
P
s 0,50 mm
P-
- 0,136
mm
t
= 19,9«
t-
= 22,5
0
t
- 20,5«
i-
= 20,5«
,
.^t ,
F
-?.L
i
F
J^L.
T
F
«1
i
n
n
n
71
3
0 -
.^_
__
0,23
0,12
300
0,18
0
8
0,12 300
0,40
0,25
200
0,43
0,12
300
0,37
0
—
7
0,25 120
0,70
0,25
150
0.70
0,12
300
0,73
0,12
200
0,25 120 .
1,0
0,25
150
1,2
0,25
160
1,0
0,12
180
0,12 800 ,
1,2
0,12
300
1,9
0,12
200
1,9
0,12
180
1
1,9
0,12
300
2,5
< 0,12
>800
2,5 >
<0,12
>800
0,12 300
bU
bis
bis
7,3
0,12
300
7,0
<0,12
>800
7,0
<0,12
>800
"Rndlinh
brini
li T
ab.
7 di(
3 Beol
»achtur
Igen
bei kleinen
ucken unter 0,1 mm, bei denen die mit wachsender Feld-
544
A. Heydweiller.
stärke zunehmende Bewegung der Scheibe im constanten Felde
wieder sehr beträchtlich wird und zu gleichmässigen oder be-
schleunigten Rotationen führt. Hierbei ist indessen zu bel^
achten, dass diese auffallenden Rotationserscheinungen nicht
zu bemerken sind bei erstmaligem Evacuiren, wenn die Ver-
bindung erst kurze Zeit bestanden hat, vielmehr erfordert ihr
Tabelle
7.
Ebonit.
p = 0,081 mm
P =
0,013 mm
p=
0,011 mm
P =
= 0,0056 mm
^-15,6«
t =
18,8«
/=
: 16,8«»
t =
= 19,5«
F — *-
n
T
F
«1
n
X
F
71
r
F
TT
0,50 0
...
^_
...
— 0,63
0,25
.^
0,27
0,25 60
0,67 gl. Rot.
55
1,3
gl. Rot.
40 ; 0,87
0,25
—
0,47
gl. Rot 80
*»l >» >»
30
1,6
»> »»
80 1 1,2
gl. Rot
60
0,73
„ „ IS
1»6 >» M
45
2,0
» »»
30 ! 1,5
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15
1,0
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30
1,8
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60
2.6
» »>
50
2,5
b. Rot
7
1,7
), »» "
2,5 0
3,7
b. Rot.
40
8,6
» »»
3
2,0
b. Rot. 8-5
3,6 0,25
200
4,8
V »1
30
4,7
gl. Rot
15
2,7
„ „ 4-8
5,2 0,25
80 5,7
»» >»
25 —
—
—
3,8
gl. Rot 5
- 7,3
»» »
20.-
—
5,7
»» »» ^
1
•_
— !6,7
>» », ^
p = 0,0033 mm p =
0,0012 1
Dom
P =
•
0,00039 mm ' p-
^ 0,00012 mm
t = 16,7»
1
16,7«
t =
18,7«
t =
:21,5«
F "»
71
r
F
6),
71
i
F
71
T . F
rr
0,93 0
^_
__
0,67
0
- ; 0,40
0,12 300
1,2 0
-!i,o
0
—
1,0
0
—
0,67
0,25 100
1,5 0,2 i
100' 1,5
0
—
1,3
0,5
60
1,10
0,25 40
1,9 gl. Elot.
40 . 1,9
0,25
20
1,6
0,5
20
2,0
gl. Rot -
35 2,2
0,25
30 i 1,9
gl. Rot.
20
2,6
1» >» 1^
2,5 b. Rot.
12 1 3,1
b. Rot.
2! 2,6
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10
3,2
,, ,. 10
3jl >• M
10
3,6
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2
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10! 3,7
b. Rot 8-2
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2,5
—
—
7,8
^ 1
ße.wefjte Kö'rj)er im elektrischen Felde, 545
Auftreten, dass die Scheibe tagelang im mit Phosphorpentoxyd
scharf getrockneten Vacuum gehangen hat.
In früheren Reihen habe ich, ohne genauere Bestimmung
von T und «j, die Beobachtungen bis zu noch kleineren Drucken
(0,000025 mm) fortgeführt; es zeigte sich hier dasselbe Ver-
halten, wie in den Beobachtungsreihen der Tab. 7; die zur
Erzeugung einer merklichen Bewegung, einer gleichmässigen
und einer beschleunigten Rotation erforderlichen Feldstärken
nehmen bei steigender Verdünnung ab bis zu einem Minimum
und wachsen dann langsam, aber stetig, auch bis zum äussersten
erreichten Vacuum.
Einen Einfluss der Temperatur zwischen 11 und 22® habe
ich nicht mit Sicherheit feststellen können; derselbe ist jeden-
falls nicht gross und wird überdeckt von den durch die fort-
schreitende Entfernung der adsorbirten Oberflächenschichten
bedingten kleinen Aenderungen. Es darf dies als Beweis dafür
aufgefasst werden, dass der Quecksilberdampf, dessen Dichte
in dem angegebenen Temperaturintervall um mehr als das
Doppelte steigt und die geringsten erreichten Luftdichten
bedeutend übertriflft, an der Erscheinung nicht erheblich be-
theiligt ist.
11. Versuche mit Glimmer- und Paraffinscheiben, Die
Glimmerscheibe hat einen Halbmesser a = 3 cm, eine Dicke
2 Ä = 0,01 cm, ein Trägheitsmoment T= 2,43 g cm^ und eine
Aufhängung von der Richtkraft 0 = 0,003 pro Winkelein-
heit; für die Paraffinscheibe ist a = 2,8 cm, 2^ = 0,215 cm,
T= 18,4 g cm», 0 = 0,034.
Genauere quantitative Bestimmungen, wie mit der Ebonit-
scheibe, habe ich mit diesen Scheiben nicht gemacht, da mir
grössere Reihen mehr qualitativer Beobachtungen, auf deren
Wiedergabe ich verzichte, gezeigt hatten, dass die Erschei-
nungen sich nicht wesentlich von den an der Ebonitscheibe
beobachteten unterschieden. Die geringere Amplitude und
Geschwindigkeit der Bewegung bei der Paraffinscheibe Hess
sich auf die grösseren Werthe von Richtkraft und Trägheits-
moment zurückführen, während ich nicht feststellen konnte,
dass die Unterschiede des Leitvermögens bei den drei Scheiben
irgend einen erkennbaren Einfluss gehabt hätten, worauf mein
Augenmerk besonders gerichtet war.
Ann. d. Phfs. u. Cheni. N. F. 61». 35
546
A. HeydweUler.
Die auflFallenden ßotationserscheinungen bei grosser Ver-
dünnung treten auch bei diesen Scheiben erst auf, nachdem ^
sie längere Zeit im gut getrockneten Vacuum gehangen haben,"
dann aber in ganz ähnlicher Weise, wie bei der Ebonitscheibe.
12. Versuche mit Kupfer sclieibe vom Halbmesser a=3cm,
der Dicke 2Ä = 0,01cm, dem Trägheitsmoment 9,08 g cmV
der Richtkraft der Aufhängung 0 = 0,0025. Bei höheren—
Drucken zeigen die Versuche wesentlich Uebereinstimmun
mit den entsprechenden für die schlecht leitenden Scheiben
Die Bewegungen, die sich auch hier bis zur Rotation steige
lassen, haben impulsiven Charakter und treten nur beim
wechselnden Laden und Entladen der Condensatorplatten anrZ-
Auch quantitativ besteht die Uebereinstimmung, die Abwei —
chungen in der Winkelgeschwindigkeit, welche die nachstehend^^
Tab. 8, verglichen mit Tab. 5, für die Ebonitscheibe aufweis
sind auf das verschiedene Trägheitsmoment der Scheibe;
zurückzuführen. Es steht dieses Verhalten im Gegensatz
den Versuchen im rotirenden Felde, wo die Kupferscheibe sie
anders verhält, als die Ebonitscheibe und beweist, dass be:m
letzteren Versuchen die dielektrische Hysteresis von wesent —
liebem Einäuss ist
Tabe
lle 8.
Kupfer.
p
= 580 mm
P
= 240 mm
P =
= 65 mm
P
= 16 mn
i
t
= 19,5»
t
= 18,70
t^
= 18,7*
i
= 19,0 <>
F
J^i_
T
F
0,, ^
F
6),
T
F
Wj
I
n
180
0,20
TT
n
n
0,63
0,12
0 —
0,20
0
0,50
0
^m.
0,83
Rot.
70
1,3
0,25 60
0,50
0,25
200
0,83
0,12
i6c:3
1,1
50
2,0
0,75 45
0,83
0,5
120
1,1
0,20
12Cr3
2,0
45
,2,7
Rot. 22
1,1
0,75
80
1,4
0,25
9Cß
2,7
25
3,8
„ 30
1,3
Rot.
40
2,1
0,25
SCP
3,8
12
4,8
„ 25
2,0
32
3,8
0,40
SC?
4,8
10
6,9
„ 20
2,7
30
5,9
0,40
so
5,9
14
8,0
„ 15
3,8
30
8,0
0,40
so
6,9
10
10,1
0,75 —
4,8
30
—
—
8,0
15
starkes Pendeln
5,9
85
--
—
—
Bewegte Körper im elektrischen Felde.
547
Uebereinstimmung besteht weiter auch zwischen den Ver-
suchen mit der Kupferscheibe und denen mit den schlecht
leitenden Scheiben bei den kleineren Drucken, zwischen 5 und
0,1 mm ungefähr^ soweit die Genauigkeit der Beobachtungen
reicht, die bei den hier nur schwachen Bewegungen nicht sehr
gross ist. Sowohl die con stauten, einem stationären Zustande
im gleich bleibenden Felde entsprechenden Ausschläge, wie
auch die Geschwindigkeit, mit der die neue Ruhelage erreicht
wird (d. h. die Werthe von r) sind, wie die Tabellen 6 und 9
zeigen, in beiden Fällen von ungefähr gleicher Grösse. Das
zeigt, dass in beiden Fällen die Scheiben nur als Indicator
für die Bewegung der umgebenden Luft dienen (vgl. unten
Abschnitt 19).
Tabelle 9.
Kupfer.
p = 4 mm
p = 1 mm
p = 0,25
mm
p = 0416 mm
t = 18,0«'
^=18,0
0
t = 18,0°
^ =21<>
n
T
F
n
r
F ">
71
I
F ""^ r
71
0,57 0,25
250
0,40
0,25
180
0,40 0,25
240 0,20 0,08 600
0,83 0,12
300
0,77
0,25
240
0,83 0,25
200; 0,42 0,25 250
1,1 <0,12
>300
1,3
0,25
240
1,3 0,37
200
0,80 0,12 500
2,7 0,25
160
2,7
<0,12
>300 2,7 0,50
160 1,20 0,08 700
4,8 0,25
180
4,8
0,25
200 4,8 0,37
200 1 2,0 0,20 300
6,9 0,37
240
6,9
0,25
240 6,9 <0,1
>500 2,8 0,25 250
9,0 <0,12
>300
1
— —
—
— — —
Völlig abweichend sind dagegen bei kleinen Drucken unter
0,1 mm die Versuche mit der Kupferscheibe gegenüber denen
mit den isolirenden Scheiben. Die hier auftretenden, so
charakteristischen und starken Rotationen im constanten ruhen-
den Felde sind dort nie zu beobachten, auch nicht nach
monatelangem Evacuiren. Die Bewegung der Scheibe bleibt
hier immer verhältnissmässig klein und unbestimmt, ihre Am-
plitude erreicht selten eine Umdrehung, nur tritt in stärkeren
Feldern regelmässig ein starkes Pendeln der Scheibe auf, wobei
diese häufig an die G4aswand anstösst und dadurch in stärkere
Bewegung geräth. Man darf daraus schliessen, dass die Kräfte,
welche die Rotation der schlecht leitenden Scheiben bewirken,
35
\*
548
A. Heydweiller,
in der Oberfläche derselben ihren Sitz haben und davon her-
rühren, dass die umgebende verdünnte Luft ein grösseres Leit-
vermögen besitzt, als sie selbst. ^
Da diese Beobachtungen an der Kupferscheibe ein ge-
ringeres Interesse haben, so gebe ich in Tab. 10 nur wenige
der zahlreichen Versuchsreihen wieder.
T
abelle
10.
Kupfer.
V
= 0,031
mm
p =
0,0026 mm
P
= 0,00032
mm
t
= 20,5<>
f =
18,0«
t
= 18,0<>
F
«i
T
F
w,
T
F
*"».
X
n
n
n
0,17
0,08
>500
0,40
0.25
180
0,47
0,25
280
0,33
0,25
240
0,83
0,75
120
0,77
0,25
120
0,50
0,30
160
1,1
0,75
110
1,0
1,0
90
1,0
0,06
>500
1,3
0,75
80
1,3
1,0
150
1,3
0,18
480
2,7
1,0
20
2,7
1,0
30
2,7
0,11
480
3,8
0,37
30
3,8
1,5
17
—
4,8
0,75
25
4,8
0,75 1
0,75 j
starkes
—
7,0
1,0
30
7,0
Pendeln
VI. Deutung der Versuche und die Leitfähigkeit der Ijuft.
13. Ich will nun versuchen, die vorstehenden Beobach-
tungen an der Hand der eingangs erwähnten Theorie zu be-
handeln. Ich muss gleich betonen, dass mir eine quantitative
Durchführung der Rechnung nur in einigen Fällen gelungen
ist und auch hier nur unter nicht unbeträchtlichen Vernach-
lässigungen.
Ich beginne mit den Versuchen, bei denen die Verhält-
nisse am einfachsten liegen, nämlich den auf die rotirende
Kupferscheibe bei ruhendem Condensator bezüglichen. Ver-
nachlässigt man die Wirkung der an der äusseren Begrenzung
des Glasgehäuses auftretenden Ladungen auf die innere Luft-
masse, so kommen hier wesentlich nur die an der Grenze
/.wisclien dem Glascylinder und der eingeschlossenen Luft in
Betracht, da, wie schon erwähnt, wegen« der grossen Leitfähig-
keit des Kupfers an diesem merkliche Kräfte nicht auftreten;
die Bewegung der Kupferscheibe kann also nur von der Be-
Bewc<jte Körper im elektrischen Felde, 549
wegung der umgebenden Luft herrühren, die sich durch Rei-
bung auf sie überträgt.
^ Ich nehme das elektrische Feld zwischen den Condensator-
platten in ihrer ganzen Ausdehnung als homogen an, und be-
handle den eingeschlossenen Luftcylinder als Rotationsellipsoid
mit den Halbaxen a und b\ es tritt dann in der von Schweid-
ler'schen Gleichung (1) für das Drehungsmoment a^b an Stelle
von R^ und r an Stelle von */, r, sodass dieselbe wird:
da) ^=«^*^v;%i^-,p
worin D das auf den rotirenden Luftcylinder wirkende Drehungs-
moment bei der Feldstärke F und der ümlaufszeit r, A die
Leitfähigkeit des Glases, und X^ diejenige der eingeschlossenen
Luft ist. Es ist klar, dass treibende Kräfte, also eine Be-
wegung des Luftcylinders bei ruhendem Condensator, nur mög-
lich sind, wenn X^> X.,
14. Es sei zunächst die Möglichkeit der Verstärkung einer
kleinen vorhandenen Anfangsbewegung der Luft gegen die Glas-
wand erörtert und angenommen, dass diese Anfangsbewegungen
infolge der Reibung so klein sind, dass 4 r^ XI gross ist gegen 1 ;
dann erhält man
oder, wenn an Stelle von r die Winkelgeschwindigkeit dcojdt
eingeführt wird:
1 1 do)
T
2n
dt '
a* b F*
2 71
■i2i.
-i,
d(ü
dt
^
A
da
dt
2> =
Bezeichnen fenier T das Trägheitsmoment des rotirenden
Luftcylinders und 7?j {doy/df) den Reibungswiderstand, den
er erfährt, so erhält man für die Winkelbeschleunigung die
Gleichung:
d^a _ Dx- Ri d(ü^
dt* " T dt '
Eine Verstärkung der Bewegung kann also nur eintreten,
wenn D^ > 7i*j .
15. Der Reibungscoefficient B^ setzt sich aus mehreren
Theilen zusammen; zunächst und bei höheren Drucken aus-
►
• j
550 A, Heydiceiller,
schliesslich kommt die Reibung zwischen Luft und Glas an
der Mantelfläche des Cylinders in Betracht, und zwar kann
es sich hier nur um gleitende Eeibung handeln, da die elek-i^
trischen Kräfte ja die Luftschichten am Glase gegen dieses
zu verschieben suchen ; dazu kommt die Reibung an den Grund-
flächen des Cylinders und, solange nicht ein stationärer Zu-
stand erreicht ist, bei welchem die Kupferscheibe die gleiche
Rotationsgeschvmidigkeit wie die Luft besitzt, die Reibung
an dieser; für letztere beiden Theile ist, abgesehen von grossen
Verdünnungen, die innere Reibung der Luft die maassgebende
Grösse.
Bezeichnet man mit 6 den Coefficienten der gleitenden
Reibung, so ergiebt sich der erste Theil der Reibung als das
Product der Reibungsfläche und Gleitgeschwindigkeit mit % zu
11 aha — .— ^2ncrhi
dt dt
Die Reibung an der Kupferscheibe kann man unter Ver-
nachlässigung des sehr kleinen am äusseren Umfange , dem
Rande, wirkenden Theiles mit ziemlicher Annäherung gleich
setzen dem Drehungsmoment, das auf ein Rotationsellipsoid
in einer unendlichen Flüssigkeit wirken muss, um es in con-
stanter Rotation zu erhalten. Für dieses hat man nach
G. Kirchhoff^) die Grösse
16 d(ü 1 32 rf w . roj - 6? \Vt
-3-^^ rf^-— 00 = s-'^-dT<[-~är) '
r _dx
J W-^kyVbi-^x
0
worin 17 den Reibungscoefficienten der Flüssigkeit, und a^ und i^
die beiden Halbaxen des Rotationsellipsoides bedeuten.
Ist, wie im vorliegenden Fall, b] zu vernachlässigen gegen
a\, so erhält man einfach
32 . d (ü
Für die Reibung an den Grundflächen des Luftcylinders
kann man annähernd den gleichen Ausdruck setzen, wenn man
1) G. Kirchhoff, Mechanik p. 379. Leipzig 1876.
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 551
darin den Radius a^ der Scheibe durch den des Luftcylinders a
ersetzt, also
W S2 . d(ü
3 ' dt
Die gesammte Reibung wird also
und der Factor von dcojdt ist das oben eingeführte E^.
16. Es ergiebt sich also als Bedingung für den Eintritt
einer Beschleunigung der vorhandenen Bewegung die Un-
gleichung:
2 71 (2 ia + ;..)* "^ \ ^ 3 ' 6 V ^ a« y
oder
und für den Fall^ dass X^ gegen ?.^ zu vernachlässigen
a <J'- L
« ^ 16n 32 -
TT 6 + - - 1/
Für die numerische Berechnung setze ich:
V= 1,80.10-* [C.G.S] bei 18«'),
wenn p den Luftdruck^ im Innern des Glascylinders in Milli-
metern Quecksilber bedeutet, den Radius des Glascylinders
a = 3,5 cm, den Radius der Kupferscheibe «^ = 3 cm und die
halbe Höhe b des Cy linders, soweit er im elektrischen Felde
liegt, gleich dem Radius der Condensatorplatten, also b = l cm.
Daraus folgt
K < -ir^rrr^— o-ir. .w 0- [C.G.S. el.-stat.l.
« 9,05 (413 p + 8,7) 10- 3 '- -^
1) Vgl. 0. E. Meyer, Kinetische Theorie der Gase, 2. Aufl. p. 190
und p. 221. Breslau 1899.
2) l. c. p. 211.
552 A. Heydweiller,
Nun ergab sich bei p^b^O schon eine merkliche Verstärknng
der Bewegung für J^= 0,63 (vgl, Tab. 8), mithin muss
sein. Das ist in Uebereinstimmung mit weiter folgenden Be-
rechnungen, welche die elektrostatisch gemessene Leitfähig-
keit des Glascylinders von der Grössenordnung 10"* ergeben
(Abschnitt 19).
17. Die in Abschnitt 14 eingeführte Bedingung: 4T*ii
gross gegen 1, setzt voraus, dass jedenfalls r > 3000 sec, damit
die Differentialgleichung
dt* " T ~ dt
noch gültig sei.
Das Integral derselben ist
= A ^'"■^^
dt 1 T
e
T
wo Jj eine Integrationsconstante, die durch die Anfangs-
geschwindigkeit bestimmt ist.
Aus den obigen Angaben ergiebt sich
also für A„= 10-4 und Ä.= 0: D^ = 3,41 .10* F*,
Äi = 0,031(413^9 + 8,7),
also für p = 760: F^ = 9,7.10»,
y= 0,00332. ;>,
also für ;? = 760: r= 4.
Es wird also für Werthe von F> »/^ etwa (i?i-Äi)/r
mindestens von der Grössenordnung 10*, sodass mithin mini-
male x\nfangsbewegungen rapid verstärkt werden, und r in
kleinsten Bruchtheileu einer Secunde von sehr grossen Werthen
auf Werthe sinken muss, für die 4t^Aj nicht gross gegen l
ist. Die im Vorstehenden behandelten Kräfte werden daher
in dieser Weise immer nur sehr kurze Zeit impulsiv wirken.
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 553
18. Wir wollen weiter den Fall ins Auge fassen, dass
a durch eine solche impulsive Wirkung r Werthe erlangt
16, für welche 4 r^ A« klein ist gegen 1 .
Es wird dann das Drehungsmoment der elektrischen Kräfte
dl d t
I an Stelle der obigen Dififerentialgleichung für die Be-
|[ung des Luftcylinders tritt die andere
cPw _ Z>, _i ^^^
dt
m Integral
/d wV ^
[dtj -
2Ä1
^3^ ^ +
worin wiederum A^ eine durch den Werth von diojdt
^ = 0 zu bestimmende Integrationsconstante ist. In diesem
. nähert sich also die Bewegung mehr oder weniger schnell
rn stationären Endzustand, für den die Winkelgeschwindigkeit
Die Geschwindigkeit, mit der dieser stationäre Endzustand
acht wird, hängt von dem Verhältniss R^jT ab und ist
Drucken bis zu 0,1 mm hinunter, bei denen die gleitende
bung an der Mantelfläche des Cylinders die übrigen Theile
Beibung beträchtlich überwiegt, nahe unabhängig vom
ftdruck und sehr gross, da bei Vernachlässigung von 8,7
;en 418/> nach obigem
Ferner ist
folgt daraus
2^= 7710
D,^b,AAO^F^C^.^-l,)',
2 71 _ jix^ __ \^2 F \'\^ h
_ 4,77.10"- 1/413/; + 8,7
554 A, Heydweiller.
Für A^= 10-*, A. = 0 ergiebt das:
Mithin für F= 1 und
p = 580 240 65 16
T = 2400 1500 800 400 sec
ungefähr, d. h. die zu Stande kommenden stationären Be-
wegungen sind unter diesen Verhältnissen kaum merklich, sie
werden es erst bei kleineren Drucken oder grösseren Feld-
stärken.
Dagegen wird in den obigen Fällen folgendes eintreten
Bei jedem Erregen des elektrischen Feldes erfahren die an
der Glaswand liegenden Luftschichten bei ganz minimalen
vorhandenen Bewegungen kräftige impulsive Anstösse, die zwar
fast augenblicklich, wie wir sahen, stark gedämpft werden, sich
aber doch auf die nächstliegenden inneren Luftdichten über-
tragen werden. Bei diesen wird die Bewegung nun nicht
mehr durch die gleitende Reibung an der Wand, sondern durch
die bei höheren Drucken weit kleinere innere Reibung der
Luft gedämpft Indem man nun die Impulsivstösse durch
periodisches Erregen und Vernichten des elektrischen Feldes
in geeigneten Zwischenräumen wiederholt, wird man allmählich
die ganze Luftmasse in beträchtliche Bewegung versetzen können,
die sich auch auf die Kupferscheibe überträgt. Das entspricht
aber vollständig den bei höheren Drucken mit der Kupfer-
scheibe ebenso, wie mit den übrigen Scheiben gemachten Er-
fahrungen (vgl. Abschnitt 9 — 12). Freilich müsste man nach
den obigen Entwickelungen bei hinreichend gesteigerter Feld-
stärke immer auch eine merkliche stationäre Bewegung er-
halten können; dass dies in Wirklichkeit nicht der Fall ist,
deutet darauf hin, dass mit wachsender Feldstärke die Leit-
fähigkeit der Luft bis zu Werthen steigt, die mit der des
Glases vergleichbar werden, sodass in dem Nenner des letzten
Ausdruckes für r mit dem Wachsen des einen Factors F eine
Abnahme des anderen "[/Ä^ — Ä,. verbunden ist. Wir werden
weiterhin diese Vermuthung für kleinere Drucke bestätigt finden.
19. Eine stationäre Rotation der ganzen Luftmasse mit
merklicher Geschwindigkeit kommt erst zu Stande, wenn mit
Bewegte Körper im elektrischen Felde. 555
abnehmendem Luftdruck auch die gleitende Eeibung soweit
gesunken ist, dass der Zähler in dem vorstehenden Ausdruck
* für T von massiger Grösse ist
Es erfährt dann die Kupferscheibe eine constante Drehung
aus der Gleichgewichtslage, die in einem angebbaren Zu-
sammenhang mit der Drehungsgeschwindigkeit der umgebenden
Luft, der Reibung und der Richtkraft der Aufhängung steht.
Denn es ist, wie oben (p. 550) erwähnt, nach G. Kirchhoff
das Drehungsmoment das auf die Scheibe wirken muss um
sie in constanter Rotation in der Luft zu erhalten:
32 * d(jii
2 ' » dt
Wird nicht die Scheibe, sondern die Luft bewegt, so bleibt
erstere in Ruhe, wenn dieses Drehungsmoment gleich ist der
Richtkraft der Aufhängung; also wenn 0 die letztere flir den
Drehungswinkel 1, so wird:
0 32 jL dti
oder wenn wieder r die Umlaufszeit, also d(ojdt=2nJT
64 TT Jy «5 41,0 71
da 17 = 1,8 . 10-^ und für die Kupferscheibe 0 = 2,5 . 10-» ist.
Diese Gleichung kann dazu dienen, co aus r oder umgekehrt
zu berechnen; ich habe das erstere vorgezogen, da die Beob-
achtungen die T mit etwas grösserer Genauigkeit ergaben als
die €0. Vorausgesetzt ist allerdings, dass bei langsamer Be-
wegung die Scheibe der Rotation der Luft in ungefähr gleichem
Tempo folgt, was bei grösserem Trägheitsmoment der Scheibe
nicht mehr der Fall sein wird. Die ziemliche Uebereinstimmung
zwischen den beobachteten und den aus t berechneten w- Werthen
(vgl. Tab. 11) spricht für die annähernde Richtigkeit dieser
Annahme bei der Kupferscheibe. Dies vorausgesetzt lässt sich
dann aus den an der Scheibe beobachteten Werthen von r
die DiflFerenz X^ — \ nach der oben abgeleiteten Gleichung
2 2 — 2,27.10-3(413;? + 8,7)
berechnen.
Indessen ist diese Formel nur in einem begrenzten Inter-
vall anwendbar, da bei höheren Drucken der Luft eine merk-
550
Ä. HeydweiUer,
liehe stationäre Bewegung, wie erwähnt, nicht zu Stande
kommt und bei niederen Drucken über die innere und äussere
Eeibung der Luft, die in jene Formel eintreten, zu wenig*
sicheres bekannt ist.
Ich habe sie daher nur zwischen /> = 4 mm und 0,1 mm Hg
zur Berechnung verwerthet und dieselbe in der folgenden
Tab. 11 zusammengestellt
Tabelle 11.
Kupfer.
üi.
n
beob. ber.
Afl kl
F
beob. ber
Afi ki
P =
4 mm
P =
1 mm
0,57
250
0,25
0,17
18,6 .10-5 0,40
180
0,25
0,23
18,1 .10-5
0,83
300
0,12 0,14
6,1 .10-5 0,77
240
0,25
0,17
^ 2,7 .10-5
1,1
>300
<0,12 <0,14
< 3,4 10 -5 1 1,3
240
0,25
0,17
0,96.10-'
2,7
160
0,25
0,26
2,0 .10-5 2,7
>300
<0,12
<0,14
< 0,14.10-5
4,8
180
0,25 0,23
0,50.10-5 4,8
200
0,25
0,21
0,10.10-5
6,9
240
0,37 0,17
0,14.10-5 6,9
240
0,25
0,17
0,03.10-5
9,0
800
<0,12|<0,14
p = 0,25 mm
< 0,05.10-5!
p = 0
,116 mi
n
0,40
240
0,25
0,17
2,8 .10-5 0,20
600
0,08
0,07
0,94.10-5
0,83
200
0,25
0,21
0,92 .10-5' 0,42
250
0,25
0,17
1,20.10-5
1,3
200
0,37: 0,21
0,38 .10 -5;! 0,80
500
0,12
0,08
0,08.10-5
2,7
160
0,50 0,26
0,14 .10-5' 1,20
700
0,08
0,06
0,02.10-5
4,8
200
0,37 0,21
0,03 .10-5 2,0
300
0.20
0,14
0,04.10-5
6,9
>500
<0,1
<0,08
< 0,002. 10 -5
2,8
250
0,25
0,17
0,03.10-5
Es geht daraus hervor, dass a^ — X^ sowohl mit wachsender
Feldstärke bei gleichem Luftdruck, wie mit abnehmender
Dichte der Luft bei gleicher Feldstäi-ke abnimmt. Da in
letzterem Falle X^, die Leitfähigkeit des Glases, constant bleibt,
so muss die Leitfähigkeit der Luft mit abnehmendem Druck
zwischen 4 und 0,1 mm wachsen. Ob die Leitfähigkeit des
Glases von der Feldstärke unabhängig ist, lässt sich nicht mit
Sicherheit sagen, vielmehr lässt sich vermuthen, dass sie mit
wachsender Feldstärke, wie auch bei anderen schlechten
Bewegte Körper im elektrischen Felde. 557
Leitern, etwas zunimmt ^)y sodass jedenfalls X^ die Leitfähigkeit
der Luft mit wachsender Feldstärke erheblich zunimmt und
die Leitfähigkeit des Glases nicht nur erreichen, sondern auch
übertreflFen wird. Hierfür spricht die Abnahme der treibenden
Kräfte mit wachsender Feldstärke und ihr Uebergang in
hemmende, wie die Versuche mit rotirendem Condensator
lehren. Die grössten berechneten Werthe für A^ — X^ sind etwa
1,8 . 10-* in den obigen Versuchsreihen bei /> > 1 mm, F< 0,6
und fallen somit nahe zusammen mit dem oben (p. 552) als obere
Grenze für die Leitfähigkeit des Glases gefundenen Werthe
(1,8.10"*). Es scheint also, dass bei diesen Drucken und
Feldstärken die Leitfähigkeit X^ der Luft noch erheblich unter
diesem Werthe liegt, aber dann mit wachsender Feldstärke
schnell und beträchtlich ansteigt.
20. Bestätigt wird dieses Verhalten durch die Versuche
mit rotirendem Condensator und Eupferscheibe (Abschnitt 8,
Tab. 4). Bei diesen tritt der Uebergang von treibenden zu
hemmenden Kräften auf die innere Luftmasse bei wachsender
Feldstärke deutlich hervor. Eine genauere quantitative Be-
rechnung ist in diesem Falle freilich nicht mehr möglich, ab-
gesehen davon, dass die Theorie dadurch verwickelter wird,
dass hier die beiden aneinander grenzenden Medien eine relative
Bewegung zum elektrischen Felde mit verschiedener Ge-
schwindigkeit besitzen, kommt hierdurch auch — im Gegensatz
zum vorigen Fall — die dielektrische Hysteresis des Glases
zur Wirkung und überdeckt die von der Leitfähigkeit her-
rührenden Kräfte. Diese Wirkung der Hysteresis ist derart,
dass die Leitfähigkeit des Glases- eine scheinbare Vergrösserung
erfährt, und es entspricht daher der Uebergang von treibenden
zu hemmenden Kräften nicht dem Falle ij — A^, wie es ohne
Hysteresis wäre, sondern bereits einem üeberwiegen der Leit-
fähigkeit der Luft über die des Glases.
Man hat dann zu erwarten, dass im ruhenden Felde bei
den entsprechenden und höheren Spannungen keine Bewegung
der eingeschlossenen Luft mehr auftritt. Wenn trotzdem nach
Ausweis der Tab. 1 1 noch solche — übrigens sehr schwache —
Bewegungen beobachtet wurden, so liegt das wohl daran, dass
1) Vgl. z. B. W. Leick, Wied. Ann. 66. p. 1107. 1898.
558 A, Heydweiller.
die Beobachtungen mit abwechselnden Ladungen und Ent-
ladungen angestellt wurden, und hierbei auch die niedrigere».
Spannungswerthe durchlaufen werden, bei denen, wegen l.<ijP
noch treibende Kräfte auftreten.
Aus der vorstehenden Tab. 11, der weiter folgenden mi't
der Ebonitscheibe und . anderen nicht mitgetheilten schUessc
ich, dass die Luft etwa bei den folgenden zusammengehörigen
Werthen des Druckes p und der Feldstärke F die LeitCÜiig-
keit des Glases (2. 10~* el.-stat.) erreicht:
p = 4 2 1 0,5 0,25 0,12 mm Hg
i^ = 7 4,5 3 2 1,5 1 C.G.S.-Einh. el.-stat
21. Ich gehe über zu den Fer suchen mit der Ebonitscheiie,
zunächst denen bei grösseren Drucken bis etwa 5 mm hinunter
(Tab. 5). Dieselben zeigen nicht nur qualitativ, sondern auci
quantitativ grosse Uebereinstimmung mit den entsprechenden
Beobachtungen an der Kupferscheibe. Wir haben dieselben
ruckweisen und schnell gedämpften Bewegungen, die nur darcb
abwechselndes Laden und Entladen zu verstärken sind und
die auf starke impulsive Anstösse hinweisen.
Auch erfolgt das Auftreten stärkerer Bewegung und von
Rotation unter sonst gleichen Umständen bei annähernd den-
selben Feldstärken. Unterschiede, die hier auftreten, finden
sich auch bei verschiedenen Beobachtungen mit derselben
Scheibe und sind auf mehrfache Umstände, z. B. verschieden
gute Entfernung absorbirter Schichten von der Glaswand, zurück-
zuführen.
Alles in Allem lassen die Versuche keinen Zweifel, dass
wir es hier bei der Ebonitscheibe mit Kräften der gleichen
Art, wie bei der Kupferscheibe, zu thun haben, die ihren Siti
in der Grenze zwischen Glas und Luft haben. Dass bei den
höheren Drucken die Kräfte an der Grenze zwischen Luft und
Ebonit nicht zur Geltung kommen, liegt an der Grösse der
äusseren Reibung, die das Zustandekommen einer merklichen
Verschiebung der Luftschichten gegen die fast ebenso leicht
bewegliche Ebonitscheibe verhindert, auch wenn eine solche
an der feststehenden Glaswand noch möglich ist.
22. Auch bei Drucken zwischen 5 mm und Yio ™^ zeigen
die Versuchsreihen mit Ebonit- und Kupferscheibe (Tab. 6
I
Bewegte KÖrpe?* im elektrischen Felde,
559
und 9) im Ganzen noch ziemliche Uebereinstimmung, soweit
das bei der geringen Genauigkeit in der Bestimmung der hier
auftretenden schwachen Bewegungen zu erwarten ist. Die Er-
scheinung hat in beiden Fällen denselben Charakter, an Stelle
der impulsiven Anstösse bei altemirenden Ladungen tritt der
stationäre Zustand, der eine Ablenkung der Scheibe aus der
Gleichgewichtslage auch bei constanter Ladung des Conden-
sators ergiebt. Man kann daher die Versuchsreihen mit der
Ebonitscheibe innerhalb der obigen Druckgrenzen einer gleichen
Berechnung unterziehen, wie die mit der Kupferscheibe (Ab-
schnitt 19), die nachstehende Tab. 12 enthält das Ergeb-
niss dieser Berechnung.
Tabelle 12.
Ebonit.
F
w.
71
beob. ! ber.
Afl A^
F
(X)t
n
beob. ber
Xa — A<
p = 1,7 mm
p = 1,3 mm
0,33
300
0,12
0,14
0,67
120
0,25
0,34 i
1,0
120
0,25
0,34
1,2
800
0,12
0,14
2,7
300
0,12
0,14
5,8
300
0,12
0,14
16,5 .10-0 0,40
25,2 .10-5
11,2 .10-6
1,27.10-5
0,25.10-0
0,05.15-6
p = 0,50 mm
0,23
300
0,12
0,14
0,43
300
0,12
0,14
0,70
300
0,12
0,14
1,2
160
0,25
0,26
1,9
200
0,12
0,21
2,5
>300
<0,12
<0,14i
7,0
>300
<0,12
<0,14'
10,3 .10-5
2,9 .10-5
1,1 .10-5
1,3 .10-5
0,34.10-5
< 0,09.10-6
0,70
1,0
1,2
1,9
2,7
7,3
200
0,25
0,21 '
150
0,25
0,28;
150
0,25
0,28
300
0,12
0.14
800
0,12
0,14
300
0,12
0,14
800
0,12
0,14
19,4 .10-6
11,2 .10-6
5,0 .10-6
0,96.10-6
0,38.10-6
0,19.10-6
0,03.10-6
p = 0,136 mm
0,73
200
0,12
0,21
1,0
180
0,12
0,23
1,9
180
0,12
0,23
2,5
>300
<0,12
<0,14
7,0
>300
<0,12
<0,14
0,67 .10-6
0,44 .10-6
0,12 .10-6
<0,02 .10-6
< 0,003. 10 -6
lfm
23. Wesentlich andere Erscheinungen, als die Kupfer-
scheibe, weist die Ebonitscheibe erst bei sehr kleinen Drucken
der umgebenden Luft unterhalb i/g^ mm auf, ein Beweis, dass
jetzt bei hinreichender Abnahme der äusseren Reibung die
j
560 A, Heydweiller,
Kräfte an der Grenze von Luft und Ebonit zur Wirkung
kommen, und zwar erst dann, nachdem durch mehrtägig«
Evacuiren und Verbindung mit dem scharf getrockneten Raoir
der Luftpumpe die letzten Spuren adsorbirter Feuchtigkeits-
schichten von der Ebonitscheibe entfernt sind.
Es treten dann bei genügender Stärke des ruhenden
Feldes treibende Kräfte auf, die zunächst eine schwache Be>
wegung, dann mit wachsender Feldstärke eine ziemlich gleich-
massige Rotation der Scheibe hervorrufen, die bei einem
gewissen Werth der Feldstärke in eine stark beschleunigte
Rotation tibergeht.
Die Theorie giebt von diesen Erscheinungen Rechenschaft,
wenn wir annehmen, dass erstens das Leitvermögen der Luft
bei diesen Verdünnungsgraden und Feldstärken das der gnt
getrockneten Ebonitscheibe übertrifft, und dass es zweitens,
wie auch bei höheren Drucken (vgl. Abschn. 19), mit wachsender
Feldstärke stark ansteigt.
unter Benutzung der früheren Bezeichnungen (p. 549 ft)
erhalten wir nämlich als Differentialgleichung für die Bewegung
der Ebonitscheibe in diesem Falle eine Gleichung von der Form:
da
^^ a¥^~f ~ (d(üY T dt f^'
worin iJj, c und R^ gewisse Constanten sind, von denen die
letztere durch die äussere Reibung der verdünnten Luft an
der Ebonitscheibe bestimmt ist. Die vollständige rechnerische
Verwerthung dieser Gleichung scheitert, abgesehen von Inte-
grationsscbwierigkeiten, an unserer Unkenntniss bezüglich der
Gasreibung bei so niederen Drucken. Indessen lässt sie sich
doch zu einigen Schlussfolgerungeu verwenden.
Zunächst ergiebt sich, dass eine nahezu stationäre Be-
wegung (gleichmässige Rotation) möglich ist, wenn das dritte
Glied der rechten Seite klein ist, also für eine geringe Richt-
kraft und nicht zu grosse Torsion der Aufhängung. Bei Ver-
nachlässigung dieses Gliedes wird cP«/rf^ = 0 für
1 a'I^o
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 561
Da treibende Kräfte nur auftreten, wenn dcj/dt^Oj so
folgt daraus
Dieser nahe stationäre Zustand kann beständig sein, er
kann aber auch gewissermaassen labil werden, insofern jede
kleine Abweichung sich selbstthätig vergrössert.
So lange c{d(üldt)^ gross ist gegen 1 entspricht nämlich
einer Zunahme von dtojdt eine Abnahme von d^co/dfi, da
das erste positive Glied in dem Ausdruck für diese Grösse
abnimmt, das zweite negative zunimmt; von dem stationären
Zustand aus wird also jede Zunahme von dcojdt eine negative
Beschleunigung und ebenso einer Abnahme von dco/dt eine
positive Beschleunigung entsprechen.
In der That zeigen die Beobachtungen unter Umständen
eine nahezu gleichförmige Winkelgeschwindigkeit, so lange
nicht ck> beträchtliche Werthe (ein grösseres Vielfaches von n)
erreicht hat. Der entsprechende Werth für die Winkel-
geschwindigkeit ist von der Leitfähigkeit der Luft abhängig,
aber die Beziehung ist keine ganz einfache. Für den statio-
nären Zustand ergiebt sich nämlich nach früheren Entwicke-
lungen:
(7) l. = 4n\2l^ + X,)\
worin jetzt k^ die Leitfähigkeit der Luft, A^ die der Ebonit-
scheibe, a^ und b^ Halbmesser und halbe Dicke der letzteren.
Nur wenn B^ klein ist gegen B^, wird das constante dcojdt
annähernd proportional ]/A^ — X^ ; die Beobachtungen lassen
aber erkennen, dass das unter den gegebenen Umständen nicht
der Fall ist.
Das erste Glied in dem Ausdruck (4) für die Winkel-
beschleunigung d^cüjdfi hat nun aber ein Maximum für
Ist dieser Werth für den durch Gleichung (5) gegebenen
stationären Zustand noch nicht erreicht, so kann nach Glei-
chung (4) einem wachsenden dcojdt eine positive Winkel-
▲oii. d. PUjs. u. Gliom. N. V. Ü9. iiO
562
A. HeydweiUer,
beschleunigung entsprechen^ da das erste Glied in dem Aus-
druck (4) stärker wachsen kann, als das zweite und dritte
zusammen. Dann ist der durch (5) charakterisirte Zuständig
ein labiler, der bei der kleinsten Vermehrung der Winkel-
geschwindigkeit in eine stark beschleunigte Bewegung über-
gehen muss.
Augenscheinlich entspricht dieser Fall dem in fast sämmt-
lichen Beobachtungsreihen (Tab. 7) verzeichneten ziemlich
plötzlichen Uebergang von einer nahe gleichmässigen in eine
stark beschleunigte Eotation bei steigender Feldstärke.
Dieser Umstand giebt wieder ein Mittel, die Grössen-
ordnung für die Leitfähigkeit X^ der Luft bei den Verdünnungs-
graden und Feldstärken, die diesem Uebergang entsprechen,
und die nachstehend in Tab. 13 zusammengestellt sind, zu
bestimmen.
Tabelle 13.
F Feldstärke C.G.S.-Einh. (el.-stat.), p Luftdruck in mm Hg für den Ueber-
gang ans gleichmässiger zu beschleunigter Rotation der Ebonitscheibe.
F
P
> 5,0 3,3
0,08 0,013
2,5 2.0
0,010 I 0,005
2,5
0,003
3,0
0,001
3,3
3,7
0,0004 0,0001
Es muss nämlich für diese Werthe von F und p nach
dem Vorgesagten
oder
1 d(o Xi
^« ^ in dt
sein.
2n -1
— sec
10
Nun ist aber der Werth der Winkelgeschwindigkeit, mit
dem die beschleunigte Rotation einsetzt, im Durchschnitt etwa
d(a
~dt '
und ferner ist nach Ayrton und Perry ^) X^ die Leitfähig-
keit des Ebonits in elektrostatischem Maasse etwa von der
Grössenordnung 10-^, also hier zu vernachlässigen, mithin
1
K > 20 '
1) W.E. Ayrton u. J. Perry, Proc. Roy. Soc. 27. p. 219. 1878.
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 563
wSthrend bei kleineren Feldstärken, bei denen die Bewegung
Qocb gleichmässig ist, also
m > ' .
i^ kleiner sein muss, da mehrfach d (ojd t mit wachsender Feld-
stärke gegen die Grenze der gleichmässigen Rotation hin an-
steigt oder constant bleibt. Man darf also annehmen, dass
auch bei den stärkeren Verdünnungen ebenso, wie bei den
nüttleren das Leitvermögen der Luft mit zunehmender Feld-
stärke wächst
Vergleichen wir das jetzt erhaltene Resultat mit dem
^J^^eren bei grösseren Dichten, wo die Leitfähigkeit der Luft
''on der Grössenordnung 10"* und darüber je nach der Feld-
stärke gefunden wurde (Abschnitt 19, 20, 22) und überblicken
•^ die vorstehende Tab. 13, so erkennen wir, dass bei gleich-
bleibender Feldstärke die Leitfähigkeit der Luft mit steigender
Verdünnung wächst bis zu einem Maximum, das für meine
Versuchsbedingungen bei etwa p = 0,005 mm Quecksilber liegt,
am dann wieder bis zu dem äussersten erreichten Vacuum
abzunehmen.
Vergleichen wir ferner die Grössenordnung 10"^ C.G.S.
elektrostatisch) = IO--22 C.G.S. (el.-magn.), die beim Druck
j = 0,005 mm Hg bei einer Feldstärke 2 C.G.S. (el.-stat.) oder
JOO Volt/cm etwa erreicht wird, mit anderen Leitvermögen,
;o finden wir, dass die Luft auch bei diesen Verdünnungs-
praden und Feldstärken für normale Temperatur noch ein sehr
ichlechter Leiter ist, etwa von der Leitfähigkeit des Benzols,
ind selbst wenn wir annehmen, dass das Leitvermögen für
iie höchsten für uns erreichbaren Feldstärken eine Million
mal grösser wäre, würde es noch immer hinter dem eines
guten in Luft destillirten Wassers zurückbleiben, und die von
Bdlund herrührende, von Hrn. Trowbridge neuerdings
wieder aufgenommene Hypothese, dass das Vacuum ein guter
Leiter sei, scheint mir mit meinen Versuchen unvereinbar.
Ich sehe dabei natürlich ab von dem sehr grossen Einfluss,
den Temperatur und Bestrahlung mit ultraviolettem Licht
oder Röntgenstrahlen auf das Leitvermögen besitzen. Dass
z. B. Funkenstrecken nur einen verhältnissmässig kleinen
564 A. Heydweiller.
Widerstand besitzen, habe ich an anderer Stelle gezeigt^);
seitdem ist man von verschiedenen Seiten zu demselben Schliw
gelangt. 2) Aber hier kommen neben der bedeutend gesteigerter
Temperatur auch viel höhere Feldstärken in Betracht, als bei
den vorliegenden Versuchen.
Die Versuche mit Paraffin- und Glimmerscheibe lehren
nichts neues. Sie stimmen in den wesentlichen Zügen mit
den vorstehend besprochenen Versuchen an der Ebonitscheibe
überein. Wo in quantitativer Hinsicht Abweichungen auf-
treten, lassen sie sich auf die Verschiedenheit der Trägheits-
momente und der Aufhängungsrichtkräfte zurückführen.
Nicht unerwähnt lassen will ich, dass ich auch einige
Versuche über die Einwirkung der Belichtung mit Röntgen-
strahlen auf die besprochenen Erscheinungen angestellt habe;
dieselbe war derart, wie sie nach den vorhergehenden Er-
örterungen bei einer durch die Bestrahlung vermehrten Leit-
fähigkeit der Luft zu erwarten war. Indessen bedarf die
fragliche Erscheinung noch einer eingehenderen Untersuchung,
daher ich hier auf eine ausführlichere Besprechung verzichte.
VII. Die Hypothese der elektrolytischen Leitfähigkeit der Luft
24. Die vorstehend besprochenen Thatsachen und Schluss-
folgerungen lassen sich, wie ich glaube, leicht verstehen an
der Hand der Hypothese der lonenleitung der Luft, die wir
Hrn. Giese verdanken, und die mehr und mehr an Boden
gewonnen hat, wenn wir dazu folgende Annahmen machen:
1. die Leitfähigkeit der Luft ist, wie die der flüssigen
Elektrolyte bedingt a) durch die lonenbeweglichkeit, b) durch
die Zahl der Ionen in der Volumeneinheit;
2. der Dissociationsgrad ist abhängig von der elektrischen
Feldstärke und wächst in hohem Maasse mit dieser;
3. bei constanter Feldstärke nimmt die elektrolytische
Dissociation der Luft mit wachsender Verdünnung zu.
Wir haben danach die Leitfähigkeit der Luft zu setzen
2 // . y . r
A = -' ,
1) A. Heydweiller, Wied. Ann. 4:3, p. 340. 1891.
2) W. Biernacki, Jonrn. de phys. (3) 4. p. 474. 1895; V. Bjerknes,
Bih. Sv. Vet Ak. Handl. (1) 20. Nr. 5. 1895; ForUchr. 51. (2). p. 500. 189&
i
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 565
, wenn n die Zahl der Grammäquivalente in der Volumeneinlieit,
1^ der Dissociationsgrad, s das elektrochemische Aequivalent
IRiud V die lonengeschwindigkeit für die Feldstärke 1, die hier
wohl für Anion und Kation als gleich angenommen werden
darf. Bezeichnet wieder p den Druck in mm Hg, so ist
1,2.10-3 p
n = — ^— pro cm^ ,
28,9 760 P'" ^"^ '
oder
n = 5,46. 10-^/? pro cm^.
Wendet man ferner mit Hm. Arrhenius^) eine von Hm.
Nernst^ aufgestellte Beziehung zwischen den Diflfusions-
geschwindigkeiten von Elektrolyten in wässeriger Lösung und
den lonenbeweglichkeiten auf den gasförmigen Aggregatzustand
an und nimmt mithin an, dass die lonengeschwindigkeiten in
Lösungen und in Gasen sich wie die Diffusionsgeschwindigkeiten
verhalten, so findet man, dass die lonengeschwindigkeiten in
normaler Luft rund etwa 10* mal so gross sind, als in wässeriger
Lösung; setzt man die Geschwindigkeit der „Luftionen^^ in
wässeriger Lösung etwa gleich der der OH-Ionen, also in
runder Zahl:
f^ -^ q cm Volt
V = 2 . 10-"^— pro ,
sec "^ cm
oder
V = 2.10-^i-^5!l_ pro C.G.S.-Einh. (el.-magn.) der Feldstärke,
80 wird für normale Luft zu setzen sein:
V = 2 . 10-'' -^ pro C.G.S.-Einh. (el.-magn.) der Feldstärke.
B6C
Da nach obigem die lonengeschwindigkeiten, wie die
Diifusionsgeschwindigkeiten der Gase der Dichte umgekehrt
proportional anzunehmen sind, so hat man für den Druck p
Millimeter Hg innerhalb de^ Gültigkeitsgrenzen des Boyle-
Mariotte'schen Gesetzes Iji normaler Temperatur:
2 . 760 . 10 - " 1,5 1 ^- 4 cm n r» o t^- i. / i \
v = =-^—.10 — pro C.G.S.-Einh. (el.-magn.)
p p sec ^ V o /
der Feldstärke.
1) S. Arrhenius, Wied. Ann. 42. p. 55. 1891.
2) W. iJcrnst, Zcitschr. f. phys. Chem. 2. p. 613. 1888; Theoret.
Chem. 2. Aufl. p. 357. 1899.
566 Ä, Heydweiller.
Da ferner das elektrochemische Aequivalent
6 = 1,036. 10-^ C.G.S.-Einh. (el.-magn.) , '|: J
80 folgt die Leitfähigkeit der Luft
A = 1,6 . 10- VC.G.S.-Einh. (el.-magn.),
oder
A = 1,4 . lO^V C.G.S.-Einh. (el.-stat.).
Für Leitvermögen, die, wie die oben für verdünnte Luft
gefundenen, kleiner sind, als 1 el.-stat. C.G.S.-Einheit, wäre also
der Dissociationsgrad < 10""^*, also äusserst gering und würde
selbst bei 10 000 facher Steigerung mit wachsender Feldstarke
noch nicht den für reines Wasser, der bei 18^ 1,4.10"^ be-
trägt ^), erreichen. Bei so kleinen Werthen der Dissociation
würde diese für binäre Verbindungen nach dem Massenwirkongs-
gesetz umgekehrt proportional der Quadratwurzel aus der
Concentration oder für Gase, soweit das Boyle'sche Gesetz
gilt, umgekehrt proportional der Quadratwurzel aus dem Druck
sein, und dasselbe würde mithin auch für die Leitfähigkeit
gelten.
25. Indessen ist hierbei noch zweierlei zu beachten. Einmal
scheint es fraglich, ob hier, wo die elektrische Feldstärke ein
wesentlich mitbestimmender Factor für die Dissociation ist,
das Massenwirkungsgesetz ohne weiteres anwendbar ist, und
aus meinen Beobachtungen scheint mir eher bei grösseren
Drucken eine stärkere Zunahme des Leitvermögens mit ab-
nehmender Dichte zu ergeben, als aus vorstehendem folgen
würde. Sodann kann diese Zunahme des Leitvermögens nur
bis zu einer gewissen Grenze gehen, da sie voraussetzt, dass
die lonenbeweglichkeit dem Drucke umgekehrt proportional sei
Das ist aber oflFenbar nicht mehr der Fall, sobald erstens die
Beweglichkeit der Lufttheilchen in erheblichem Maasse be-
einflusst wird durch fremde Beimengungen, insbesondere den
Quecksilberdanipf, dessen Druck mit dem Mac Leod-Mano-
meter nicht mitgemessen wird und nach Hertz bei 18** etwa
10-^ mm Hg beträgt und sobald zweitens die mittlere freie
Weglänge der Lufttheilchen von derselben Grössenordnung
wird, wie die zur Verfügung stehenden Wegstrecken.
1) F. Kohlrauschu. A. Heydweiller, Wied. Ann. 58. p. 209. 1891.
1?
Bewegte Körper im elektrischen Felde. 567
Nun beträgt der Abstand zwischen Scheibenrand und
^lashüUe bei meinen Versuchen */, cm, der Durchmesser der
itzteren 7 cm und die Druckwerthe, bei denen die mittlere
•eie Weglänge der Molecüle diese Beträfe erreicht, sind etwa
,015 bez. 0,001 mm Hg. Zwischen diesen beiden Werthen,
ämlich bei 0,005 mm Hg, liegt nun nach Ausweis der Ta-
elle 13 das Maximum des Leitvermögens mit abnehmendem
)ruck. Nehmen wir an, dass von diesem Werthe abwärts die
teweglichkeit der Ionen unabhängig vom Druck ist, so würde
ei Gültigkeit des Massenwirkungsgesetzes nach der vor-
tehenden Darstellung für weiter abnehmende Drucke die
jeitfähigkeit der Quadratwurzel aus der Dichte direct pro-
ortional sein, vielleicht aber auch weniger stark mit abneh-
lendem Drucke wachsen. Eine Zunahme des Leitvermögens
ei den kleinsten abnehmenden Drucken ergeben nun die Be-
bachtungen in der-That. Zu einer genaueren quantitativen
'eststellung der Beziehung fehlt es noch an der Kenntniss der
ibhängigkeit der Dissociation von der Feldstärke.
Nach obigem muss der Druck, für den das Leitvermögen
in Maximum wird, von den Dimensionen des Gefässes ab-
ängen, clas die verdünnte Luft enthält. Bekanntlich ergeben
i auch Entladungsversuche in Vacuumröhren ein Minimum
er Entladungsspannung mit abnehmendem Druck, dessen Lage
on den Dimensionen der Entladungsröhre abhängt. M
VII. Aeltere Versuche.
26. Aehnliche Beobachtungen, wie sie vorstehend für die
chlecht leitenden Platten in verdünnter Luft beschrieben wurden,
at Hr. Quincke in Flüssigkeiten von geringem Leitvermögen
emacht.*) Er sucht die Ursache auf das Vorhandensein einer
ünnen Luftschicht zwischen rotirendem festem Körper und
'lüssigkeit zurückzuführen und stützt diese Anschauung haupt-
ächlich durch Versuche folgender Art. „Kugeln aus Crown-
las, Flintglas, Quarz und Kalkspath, welche nach elektrischer
Dotation in Rapsöl, Abwaschen und längerer Berührung mit
Ichwefelkohlenstoff die Fähigkeit verloren haben, unter dem
1) Vgl. G. Wiedemann, Elcktricitfit 4. (2). p. 471. 1885.
2) G. Quincke, Wied. Aun. 59. p. 417. 1896
568 A. Heydweiller,
Einfluss elektrischer Kräfte zu rotiren, drehen sich wieder,
nachdem sie genügend lange Zeit in Luft unter einer Glas-
glocke gehangen haben.** Diese Versuche erklären sich naclr
meiner Auffassung aus den Thatsachen, dass es ausserordent-
lich schwierig ist, Oelschichten von der Oberfläche fester Körper
durch Abwaschen vollständig zu entfernen, und dass ein Gemisch
zweier verschiedener Flüssigkeiten (Rapsöl und Schwefelkohlen-
stoff) ein bedeutend höheres Leitvermögen besitzt, als jede
der Flüssigkeiten für sich. Wird also die zuerst in Rapsöl
befindliche Kugel in Schwefelkohlenstoff eingeführt, so bilden
sich durch Auflösen der kleinen Oelreste Grenzschichten von
weit höherer Leitfähigkeit, als die des reinen Schwefelkohlen-
stoffs, die das Auftreten merklicher elektrischer Kräfte ver-
hindern (Ar sehr gross); wird die Kugel herausgenommen, in
Luft getrocknet und wieder in Schwefelkohlenstoff eingeführt,
so bilden sich diese Grenzschichten infolge der verminderten
Oelschicht nur langsam und in geringerem Maasse wieder;
eine anfängliche nur allmählich abnehmende Rotation, wie sie
Hr. Quincke beobachtete, ist die Folge. Zur Controle meiner
Auffassung habe ich folgenden Versuch angestellt. Zwischen
zwei kreisförmige Platinplatten von 2 cm Durchihesser in
0,05 cm Abstand wurde Ricinusöl gebracht und dieselben mit
einem empfindlichen Galvanometer in den Stromkreis eines
Daniell eingeschaltet. Der Ausschlag betrug 0,1 — 0,2 Scalen-
theile. Das Ricinusöl wurde entfernt, die Platten so gut wie
möglich abgewischt und Schwefelkohlenstoff eingeführt; der
Ausschlag stieg bis zu 500 p, um nach mehrmaligem Aus-
waschen mit CSj wieder auf 50 p zu sinken. Es folgt daraus,
dass die dünnen Schichten an den Platinblechen, wo sich die
Mischung von Oel und Schwefelkohlenstoff bildet, ein Leit-
vermögen von einer vielfach höheren Grössenordnung besitzen
müssen, wie die reinen Flüssigkeiten.
Hr. Quincke scheint aber selbst nicht mehr an seiner
Auffassung festzuhalten, da er auf die von Hrn. Boltzmann
und von mir aufgeworfene Frage nach der Energiequelle
für die von ihm beobachteten Bewegungen mit dem Hinweis
auf die elektrische Strömung in der Flüssigkeit antwortet*),
1) G. Quincke, Wied. Ann. 62. p. 12. 1897.
Bewegte Körper im elekti-ischen Felde, 569
die bei seiner Deutung der Versuche gar keine Rolle spielt,
während sie die wesentliche Grundlage der meinigen bildet.
27. Interessante Rotationserscheinungen im rotirenden
elektrischen Felde in Luft haben ferner die Herren Arno und
ThrelfalP) beobachtet. Beide suchen die Ursache dieser
Erscheinungen lediglich in dielektrischer Hysteresis; mir scheint
aber, dass bei demselben auch die Leitfähigkeit eine wesent-
liche Rolle spielt, und es sich um eine üebereinander-
lagerung beider Wirkungen handelt und zwar aus folgenden
Gründen.
Die beiden Herren finden, dass die dielektrische Hysteresis
nicht, wie zu erwarten ist, dem Quadrat der Feldstärke pro-
portional ist, sondern dass die Beziehung zwischen beiden
Grössen eine viel verwickeitere ist. Dieser Befund ist im
Widerspruch mit Versuchen der Herren Steinmetz*) und
Schaufelberger^), von denen der erstere mit alternirenden
Ladungen eines ruhenden Condensators, der letztere mit
Bchwingenden Rotationsellipsoiden im ruhenden Felde arbeitete.
Letzterer findet übrigens auch nur bei Paraffin Proportionalität
zwischen dielektrischer Hysteresis und Quadrat der Feldstärke,
nicht aber bei Hartgummi, was ebenfalls auf die grössere
Leitfähigkeit des letzteren zurückzuführen ist.
Rührt nämlich ein Theil der beobachteten Wirkung von
der Leitfähigl^eit her, so muss eine Abweichung von der ein-
fachen Gesetzmässigkeit deswegen stattfinden, weil die Leit-
fähigkeit der schlechten Leiter selbst eine Function der Feld-
stärke ist.
Der Einfluss der Leitfähigkeit verschwindet, wenn das
Product Xt entweder sehr klein oder sehr gross ist; das erstere
würde bei Hrn. Schaufelberger's Versuchen an Paraffin,
das letztere bei Hrn. Steinmetz- Versuchen (t = oc) zutrefi*en
und ferner auch bei gewissen Versuchen von Hrn. Threlfall,
bei denen die Leitfähigkeit des Dielektricums durch Zusatz
leitender Substanz (Graphitpulver) vermehrt wurde (A sehr gross),
wobei sich eine zunehmende Annäherung an die erwähnte ein-
fache Gesetzmässigkeit ergab.
1) Vpl. die Citate auf p. 532.
2) C. P. Steinmetz, Elektrotechn. Zeitechr. 13. p. 227. 1892.
570 Ä. HeydweiUer,
Zu betonen ist, dass bei vielen der obigen Versuche, ins-
besondere bei denen von Arno nicht die Leitung der iso-^
lirenden Substanz, sondern die absorbirten Oberflächenschichten
(Feuchtigkeit) die maassgebende Grösse ist, wie aus den Ver-
suchen von Hrn. Schau felberger und vielen meiner Beob-
achtungen (vgl. p. 538 und 544 — 545) hervorgeht.
Hr. Arno hat auch Rotation der Luft in einem Vacuum-
gefäss im rotirenden Felde beobachtet, aber nur hemmende
Kräfte gefunden, die er ebenfalls nur auf dielektrische Hysteresis
zurückführt. Aus den obigen Darlegungen und meinen Ver-
suchen ergiebt sich, dass auch hier der Leitfähigkeit eine wesent-
liche Rolle zufällt.
28. Weiter hat Hr. BoreP) hierher gehörige Beobachtungen
gemacht Scheiben aus Glimmer etc. rotirten im altemiren-
den elektrischen Feld, wenn ihnen zur Seite ein isolirender
Stab (Glas) aufgestellt war. Auch diese Erscheinung kann nicht
auf dielektrischer Hysteresis beruhen, da, wie schon bemerkt
durch Hysteresis freie Energie nicht erzeugt, sondern nur ver-
nichtet werden kann. Sie muss vielmehr, wie auch Hr. Borel
annimmt, auf Leitfähigkeit zurückgeführt werden und dürfte
von derselben Art und ebenso zu erklären sein, wie meine in
den Abschnitten 18 und 21 besprochenen Beobachtungen.
Zum Schluss möchte ich noch Beobachtungen von Hm.
0. Lehmann^) anfuhren, der kreiselnde Bewegungen von
schlecht leitenden Theilchen, die in eben solchen Flüssigkeiten
suspendirt sind, im elektrischen Felde beschreibt. Ich ver-
muthe, dass auch diese auf Kräfte von der in der vorliegenden
Abhandlung besprochenen Art zurückzuführen sind.
Die Beobachtung treibender Kräfte im rotirenden Felde
an einem Radiometer von Hrn. 0. E. Meyer^) habe ich schon
in meiner früheren Mittheilung*) erwähnt, wo auch einige an-
schliessende Versuche angeführt sind.
1) Ch. Borel, Compt. rend. 116. p. 1192. 1893; Arch. de Genöve
(3) 29. p. 317. 1893.
2) 0. Lehmann, Zeitschr. f. phys. Chem. 14. p. 305. 1894.
3) 0. E. Meyer, Kinetische Theorie der Gase p. 156. Anm. 3.
Breslau 1877.
4) A. Heydweiller, Verhandl. d. Physikal. Gesellscb. zu Berlin
16. p. 32. 1897.
i
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 571
VIII. ADwendung auf kosmisohe Erscheinungen.
29. Man kann die Frage aufwerfen, ob die in den vor-
stehenden Abschnitten besprochenen Kräfte nicht auch auf
die Bewegung der Himmelskörper einen Einfluss haben. Zweifel-
los hat man der Erde, wahrscheinlich der Sonne und wohl
auch anderen Himmelskörpern beträchtliche elektrische La-
dungen zuzuschreiben und die Bewegungen der Planeten und
Trabanten finden mithin im elektrischen Felde statt.
Wir wollen hier nur die Frage erörtern, ob die Um-
drehungszeiten der Erde und des Mondes um ihre Axe durch
Kräfte der besagten Art merklich beeinflusst werden können.-
Wir dürfen bei den geringen hier in Frage kommenden Feld-
stärken die Annahme machen, dass die Leitfähigkeit A^ in der
Umgebung der Weltkörper gegen die ihrer Oberflächenschichten
X. zu vernachlässigen sei, die auftretenden Kräfte also hemmende
sind, und ferner wollen wir voraussetzen, dass (Vs^,-^)^ gross
sei gegen 1, was mit der Wirklichkeit übereinstimmen dürfte.
Es ergiebt sich dann folgende Differentialgleichung für die
Winkelgeschwindigkeit der Axendrehung der beiden Weltkörper,
dtojdt:
wenn die Beschleunigung so klein ist, dass die Bewegung vom
stationären Zustand nicht weit entfernt ist, was auch den
thatsächlichen Verhältnissen entspricht; hierin ist T das Träg-
heitsmoment des Weltkörpers in Bezug auf seine Axe, also
wenn r sein Halbmesser und d seine Dichte:
sowie
^3 - 4i,7r
Die Feldstärke F möge herrühren von der Ladung des
Centralkörpers vom Radius 7?, dem Potential F im Abstände a,
sodass
4 71 a"
572 A. Heydweiller.
Es ist daun
Z>, _ _ 45 F» _ 45 V^R"
f "" 32 ' Ti^r- kiä " 128 ■ 7i=» r'' a* X. d '
und das Integral der obigen Differentialgleichung giebt
dcü ( ^^\ ~T^ '
cü I dtü \
Nimmt man als Leitfähigkeit der Erdoberfläche diejenige
einer 3 proc. Kochsalzlösung, des Meerwassers, so ergiebt die
Einsetzung der bekannten Grössen, dass auch bei unwahr-
scheinlich hohen Annahmen über die Grösse des Sonnen-
potentiales eine merkliche Verkürzung des Tages auch in
Millionen, ja Billionen von Jahren durch diese Kräfte nicht
bedingt wird.
Anders verhält es sich mit dem Monde, dessen Oberfläche
bei völliger Trockenheit jedenfalls ein weit geringeres Leit-
vermögen besitzt, das wir in elektrostatischem Maasse wohl
zwischen 10"^ und 10 ~^ annehmen dürfen; ich setze Aj= 10 ~*.
Das elektrische Potential der Erde, auf das es hier ankommt,
ist von Hrn. F. Exner zu 3.10^ elektrostatischen Einheiten
berechnet worden^); die Grundlage dieser Rechnung, das
Potentialgefälle über der Erdoberfläche ist nach den neueren
Messungen im Luftballon wohl nicht ganz zuverlässig, auch
dürfte in früheren Zeiten das Potential erheblich höher ge-
wesen sein, als heute, da eine allmähliche Zerstreuung der
elektrischen Energie wohl sicher anzunehmen ist. Das höchste
Potential, das die Erde gegenwärtig haben könnte, ohne dass
disruptive Entladung durch die Atmosphäre einträte, ist nach
Berechnungen, die ich früher anstellte^), etwa 200^=1,26.10^^
elektrostatische Einheiten.
Nehmen wir an, dass das Erdpotential einmal diesem
Werthe nahe gekommen sei, etwa 10^^ betragen habe, so ergiebt
sich, dass in einigen 100 Billionen Jahren eine massige Rotations-
geschwindigkeit des Mondes um seine Axe, oder auch eine
starke nach der Erstarrung noch vorhandene Libration relativ
zu den Kraftlinien des erdelektrischen Feldes auf nicht mehr
1) F. Exner, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien (2)
96. p. 418. 1887.
2) A. Heydweiller, Wied. Ann. 40. p. 464. 1890.
I
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 573
nachweisbare Werthe herabgesunken sein muss. Es scheint
also nicht unmöglich^ dass die fast unveränderliche Lage des
^ Mondes gegen seinen Radiusvector zum Erdmittelpunkt zum
Theil in diesen Kräften ihre Ursache hat.
Bei diesen Berechnungen ist sowohl die Abweichung der
Mondgestalt von der Kugel, wie auch die nach den Herren
Ekholm und Arrhenius^) sehr bedeutende Eigenladung des
Mondes und deren Einfluss auf die Stärke des erdelektrischen
Feldes ausser Ansatz geblieben. Die Berücksichtigung beider
Umstände würde vielleicht noch eine erhebliche Vergrösserung
der berechneten Kraft ergeben. Indessen ist die genaue Be-
rechnung schwierig und die Grundlagen sind zu unsicher.
Ausserdem können sehr wohl auch die dielektrischen Eigen-
schaften des Mondes eine weitere Verstärkung der hemmenden
Kraft bedingen.
IX. ZusammenfasBung.
Zum Schlüsse seien die Ergebnisse der vorliegenden Ar-
beit noch einmal, wie folgt, zusammengestellt.
Es sind die aus der erweiterten Hertz 'sehen Theorie
(Abschnitt 1) folgenden Kräfte untersucht worden, welche an
der Grenze schlecht leitender, im elektrischen Felde bewegter
Körper in einer Umgebung von verschiedenem, ebenfalls ge-
ringem Leitvermögen entstehen, Kräfte, die auf die Bewegung
entweder hemmend oder beschleunigend einwirken.
Es wurde eine Reihe von Beobachtungen beschrieben,
die sich auf diese Kräfte zurückführen lassen und zwar:
1. Im Innern eines Glasgefässes erfährt Luft von 760
bis zu einigen Millimetern Quecksilberdruck beim Erregen eines
elektrischen Feldes eine beträchtliche impulsive Verstärkung
minimaler vorhandener Bewegungen, die durch periodisches
Herstellen und Vernichten des Feldes bedeutend gesteigert
werden kann, sodass eine in der Luft aufgehängte Scheibe
aus gut oder schlecht leitendem Material (Kupfer, Ebonit) je
nach der Feldstärke in lebhafte Schwingungen oder in Rotation
versetzt wird (Abschnitt 10 — 12, Tab. 5 u. 8).
1) N. Ekholm u. S. Arrhenius, Sveuaka Vet. Akad. Handl. 19.
(Ij Nr. Ö. 1894.
\
574 J. Heydweiller.
2. Bei geringerer Dichte der Luft (zwischen 5 und 0,1 mm
Quecksilberdruck) wird die Luft auch im constanten ruhenden
Felde in Verstärkung kleiner Bewegungen in dauernde Rotation '|l
versetzt und hierdurch den darin aufgehängten Scheiben eine
constante, von der Richtkraft der Aufhängung abhängige Ab-
lenkung aus der Gleichgewichtslage bei ruhender Luft ertheilt
(Abschnitt 10—12, Tab. 6 u. 9).
3. In stärker verdünnter Luft (unter 0,1 mm Quecksilber-
druck) erfahren gut getrocknete und von den adsorbirten Gas-
schichten befreite Scheiben aus schlecht leitendem Material
(Ebonit, Glimmer, Paraffin) bei kleinen Bewegungen im con-
stanten ruhenden Felde ein Drehungsmoment, das je nach der
Feldstärke zu einem Schwingen um die Gleichgewichtslage, zu
einer nahezu gleichförmigen oder zu einer stark beschleunigten
Rotation führt (Abschnitt 10 u. 11, Tab. 7).
4. Im rotirenden elektrischen Felde findet eine üeber-
einanderlagerung verschiedener Kräfte statt, von denen die
einen, die vorerwähnten, auf den leitenden, die anderen auf
den dielektrischen Eigenschaften der Medien beruhen ; während
die ersteren hemmende oder beschleunigende sein können, sind
die letzteren stets hemmende (Abschnitt 2, 6 — 8 u. 27).
Die Theorie gestattet aus den vorliegenden Beobachtungen
einige Schlüsse bezüglich des Leitvermögens des Glases und
der Luft bei Zimmertemperatur zu ziehen. Es sind die folgenden :
1. Das Leitvermögen des benutzten Glases ist etwa von
der Grössenordnung:
2. 10-* C.G.S.-Einh. elektrostatisch
oder
2 . 10-26 C.G.S-Einh. elektromagnetisch
(Abschnitt 16, 19 u. 22).
2. Die Leitfähigkeit der Luft ist in hohem Grade ab-
hängig von der Feldstärke einerseits und ihrer Dichte anderer-
seits, und zwar wächst sie mit zunehmender Feldstärke und
mit abnehmender Dichte, mit letzterer aber nur bis zu einem
Maximum, von dem aus sie wieder abnimmt. Dieses Maxi-
mum liegt unter den vorliegenden Versuchsbedingungen etwa
bei 0,005 mm Quecksilberdruck, ist aber wahrscheinlich ab-
hängig von den Dimensionen des Vacuumgefässes (Abschnitt
S6 M, -25).
Bewegte Körper im elektrischen Felde, 575
8. Bei höheren Drucken (über 5 mm Hg) und nicht zu
ossen Feldstärken (etwa bis 5 C.G.S.-Einh. elektrostatisch)
. die Leitfähigkeit der Luft kleiner als die oben angegebene
8 Glases (Abschnitt 10, 12 u. 18).
4. Bei kleineren Drucken (zwischen 5 und 0,1 mm Hg) er-
icht die Leitfähigkeit der Luft die des Glases schon bei
eineren Feldstärken (unter 5 C.G.S.-Einh.) und zwar bei um
geringeren, je niedriger der Druck ist (Abschnitt 19, u. 20,
ib. 11 u. 12).
5. Bei noch weiterer Verdünnung der Luft erreicht ihr
ritvermögen bei massigen Feldstärken (unter 5 C.G.S.-EÜnh.)
B Grössenorduung
10-1 C.G.S.-Einh. elektrostatisch
er
10-23 C.G.S.-Einh. elektromagnetisch
bschnitt 23, Tab. 13).
Die vorstehenden Beobachtungen und Schlussfolgerungen
id in guter üebereinstimmung mit der Hypothese von der
jktroly tischen Leitfähigkeit der Luft; der elektrolytische
ssociationsgrad der letzteren ist unter den Versuchsbedin-
ingen äusserst gering anzunehmen (Abschnitt 24 u. 25).
Auch eine Anzahl früher von anderen Forschern beob-
hteter Erscheinungen dürfte auf die hier behandelten Kräfte
jrückzuflihren sein (Abschnitt 26 — 28).
Es ist möglich, dass durch dieselben die Bewegungen
gincher Himmelskörper, insbesondere des Mondes, beeinäusst
)rden sind (Abschnitt 29).
Breslau, August 1899.
(Eingegangen 17. August 1899.)
2. Ueber die Reststrahlen des Flussspathes; '
von H. Rubens.
\
Nach Versuchen, welche ich im Jahre 1897 in Gemein-
schaft mit Hrn. E. Nichols angestellt habe^), besitzt der
Flussspath im Ultrarothen ein Gebiet metallischer ReflexioD^
welches leicht dadurch nachgewiesen werden kann, dass man
die Strahlung einer beliebigen Wärmequelle mehrfach an
Flussspathflächen reflectiren lässt. Die dann noch vorhandenen
Strahlen (Reststrahlen) gehören nahezu ausschliesslich dem-
jenigen Spectralgebiet an, in welchem die metallische Reflexion
stattfindet. Ihre Wellenlänge ist daher nur wenig abhängig
von der Temperatur und Beschaffenheit der benutzten Wärme-
quelle. Bei zwei verschiedenen Versuchsreihen, von denen die
eine bei Anwendung eines mit Flussspathpulver überzogenen
glühenden Platinbleches, dreier Flussspathflächen und eines
Bolometers, die andere mit Benutzung von einem Zirkonbrenner,
vier Flussspathflächen und einem Radiometer angestellt war,
ergab sich die Wellenlänge des Energiemaximums im Gitter-
spectrum der Reststrahlen bei 24,4 /i bez. bei 23,7 ju. Dabei
erwies sich die Form der Energiecurve in beiden Fällen als
unsymmetrisch und zwar derart, dass der Anstieg zum Maxi-
mum von Seiten der kürzeren Wellen ein wesentlich steilerer
war als von Seiten der längeren. Auch zeigte sich in beiden
Fällen auf diesem letzteren Theile der Curve eine schwache
Ausbuchtung, welche schon damals zu der Vermuthung Anlass
gab , dass das beobachtete * Energiemaximum möglicherweise
aus zwei getrennten Erhebungen bestehen könne.*) Die damals
benutzte Spectralanordnung in Verbindung mit den zur Strahlungs-
messung dienenden Apparaten schien jedoch nicht ausreichend,
um die vorstehende Frage zu entscheiden.
Nachdem nun im Laufe der Zeit sowohl die Spectral-
anordnung wesentlich verbessert als auch die Empfindlichkeit
1) H. Rubens u. E. F. Nichols, Wied. Anu. 60. p. 418. 1897.
2) Vgl. 1. c. p. 439.
Reststrahlen des Flussspathes. 577
und Genauigkeit der Strahlungsmessung durch Anwendung der
Thermosäule ^) an Stelle des Bolometers bez. Radiometers be-
trächtlich erhöht worden ist, habe ich von neuem die Rest-
strahlen des Flussspath einer eingehenden Untersuchung unter-
zogen.
Die Versuchsanordnung entsprach vollkommen derjenigen,
welche früher zur Beobachtung der Reststrahlen von Steinsalz
und Sylvin gedient hatte*) und welche in Fig. 1 nochmals
schematisch angedeutet ist. Die
Abmessungen der einzelnen Theile
des Spiegelspectrometers s^^e^^e^y s^
waren mit Rücksicht auf die Er- ;j!^^ \ \ "'y
^j^
T,
Zeugung eines möglichst intensiven ^, ' ^^it- i^^'
Spectrums gewählt. Als Wärme- ^^ V^^L^^^JkJ
quelle kam stets ein Auerbrenner A
ohne Zugglas zur Anwendung. Die
Spalten s^ und s^ waren bei den im
Folgenden beschriebenen Versuchs-
reihen 40 mm hoch und 3 mm
breit. Zur Erzeugung des Spec-
trums diente das oft benutzte p. j
Beugungsgitter^ aus Silberdraht ^
mit der Gitterconstanten 0,37 1 6 mm. Ein Theil der reflectirenden
Flussspathflächen P^ bis P^, ein Concentrationsspiegel S und die
Thermosäule T befanden sich im Inneren eines gegen Luft-
strömung und fremde Strahlung schützenden Pappkastens. Bei
den Spectralbeobachtungen wurde der Collimator «^ e^ nebst
der hiermit starr verbundenen Wärmequelle A um gegebene
Winkel qr gedreht und der beim Aufziehen des Elappschirmes K
entstehende Ausschlag gemessen.
Mit Hülfe dieser Anordnung wurden fünf verschiedene
Versuchsreihen ausgeführt, um die Energievertheilung der Rest-
strahlen in den Beugungsspectren erster Ordnung festzustellen
und zwar betrug die Zahl der Flussspathreflexionen bei der mit I
bezeichneten Versuchsreihe zwei, bei Versuchsreihe II drei etc.,
sodass bei der V. Versuchsreihe sechs Reflexionen in An-
1) H. Rubens, Zeitschr. f. Instrumentenk. 18. p. 65. 189S.
2) H. Rubens u. E. Aschkinass, Wied. Ann. 65. p. 255. 1898.
8) Vgl. 1. c. p. 425.
Ann. d Phj. a. Chem. N. F. 69. 87
578
H. Rubella,
veadnng kamen. Im Übrigen wurden sänimtlicbe Beob-
achtungen anter gleichen Bedingungen ausgefDhrt.
Die Ergebnisse dieser fünf Reihen sind in der
Fig. 2 graphisch dargestellt. AJs Äbscissen sind die Ab-
lenkungswinkel, als Ordinalen die beobachteten Aasschläge ein-
getragen. Um ein ürtbeil Über den Grad der Unreinheit der
Spectra zu ermöglichen, ist t^ die Reihe III auch das Central-
bild mit anf die Hälft« Terkleinerten Ordinaten eingezeichnet
worden. Die Breite desselben beträgt ca. 1 " 20', dennocb
Pig. a.
kommt die dispergirende Wirkung des Gitters in den Beugungs-
spectren genügend zum Auedruck, um die oben gestellte Frage
entscheiden zu können.
Man erkennt aus den Gnrven der Fig. 2 ohne weiteres,
dass bei zwei und auch noch bei drei Flussspathreäezionea
die Curven auf dem absteigenden Ast lediglich die bereits früher
beobachtete Ausbacbtung zeigen, während bei Anwendung von
4, 5 and 6 retlectirenden Flächen an Stelle dieser Aasbuchtong
sich ein zweites Maximam entwickelt, dessen Deutlichkeit mit
der Zahl der Reäexionen rasch zunimmt. Dieser letztere Um-
stand deutet darauf hiu, dass dieses zweite, bei i.=^Bl,6 ft
gelegene Energiemazimam nicht einer lligentbtlmlicbkeit der
angewandten Strahlungsquelle seine Entstehung verdankt,
Reststrahlen des Flussspathes.
579
sondern durch selective Reflexion der Flussspathflächen her-
vorgebracht wird. Bildet man in jeder der Curven I bis V
Adas Verhältniss a der Ordinaten p bei X^ = 24,0 ii und q bei
Ä^ssSlyß jUy bei welchen Wellenlängen die beobachteten Maxima
bez. Ausbuchtungen liegen, so gelangt man zu einer Reihe
von Zahlen (a), von denen jede folgende, in die vorhergehenden
dividirt, nahezu den gleichen Quotienten [ß) ergiebt, wie dies
aus der nachstehenden Tabelle zu ersehen ist.
Tabelle I.
Nr. der
Versuchsreihe
n
I
II
III
IV
V
Pn
?«
«« =
25,5
8,5
3,00
17,1
6,8
2,52
12,8
6,1
2,02
9,8
5,3
1,68
4,8
3,4
1,42
/?=
o.
a
n + 1
1,19
i/.>:»
1.20
1,18
Mittel: 1,21
Es ist leicht einzusehen, dass dieser Quotient ß das Ver-
hältniss der Reäexionsvermögen angiebt, welche eine Fluss-
spathfläche bei den Wellenlängen X^ = 31,6 ju und X^ = 24,0 ju
besitzt. £8 seien nämlich u und v zwei Grössen, welche der
Energie der Strahlungsquelle bei den Wellenlängen Aj und A,
proportional sind. Bezeichnen wir ferner die Reflexionsvermögen
der Flussspathiläche für die beiden Wellenlängen mit o^ und
(>2, so sind die beobachteten Galvanometerausschläge bei der
mit n bezeichneten Versuchsreihe, bei welcher nach dem vor-
stehenden die Zahl der reilectirenden Flussspathflächen n+1
beträgt, für die Wellenlängen X^ und X^ proportional mit
tt.()» + ^ bez. mit vq^"^^ und ihr Verhältniss
" V \fltl
Die entsprechende Grösse der Versuchsreihe n+1 ist
und das Verhältniss beider ergiebt sich, wie oben behauptet,
/5 =
ff.
U
n + 1
^1
37
580 H. Bubens.
Hiernach ist also das Reflexionsyermögen des Flussspath
bei A2==31,6 fjL etwa 1,21 mal so gross, wie bei ^^ = 24,0^
Dass trotzdem in sämmtlichen Gurren das kurzwelligere Masi^
mum bei weitem das stärkere ist, liegt lediglich an der Energie-
vertheilung im Spectrum der Lichtquelle, welche die kürzeren
Wellen in sehr viel höherem Maasse aussendet Bei der hier
benutzten Strahlungsquelle würde eine mindestens achtmalige
Reflexion an Flussspathflächen erforderlich sein, um ein Ueber-
wiegen des langwelligen Maximums herbeizuführen.
Wären die sämmtlichen in Fig. 2 dargestellten Versnehs-
reihen bei genau gleicher Empfindlichkeit angestellt, und vor
allen Dingen darauf Rücksicht genommen, dass bei Vermehnmg
der reflectirenden Flächen von n auf n + 1 kein Theil des
Strahlenkegels verloren geht, so könnte man die absoluten
Werthe des Reflexionsvermögens pj und ()^ für die Wellen-
längen Aj uud A, ohne weiteres den Zahlen der Tab. I ent-
nehmen, indem man
p, = -^"- und o,= -^
Pn + l ^"^ ^« + 1
setzt. Die letztere dieser beiden Bedingungen ist jedoch keines-
wegs erfüllt. Auch wachsen die Schwierigkeiten der Justimng
wesentlich mit der Zahl der angewandten reflectirenden Flächen,
sodass die Ausschläge schon aus diesem Grunde bei den letzten
Reihen (insbesondere bei Reihe V) im Vergleich mit den ersten
Reihen zu klein ausfallen.
Um dennoch eine exacte Bestimmung der Orössen Oj
und (>2 vorzunehmen, wäre es erforderlich, die Reflexions-
messungen in dem Gitterspectrum selbst anzustellen. Da in-
dessen die in den Beugungsspectren vorhandene Energie zu
genaueren Messungen nicht ausreicht, habe ich mich darauf
beschränkt, das Reflexionsvermögen einer Flussspathfläche für
die gesammten, unzerlegten Reststrahlen zu ermitteln. Das-
selbe nimmt begreiflicherweise mit der Zahl der zur Erzeugung
der Reststrahlen angewandten reflectirenden Flussspathflächeu
zu. Für einen Incidenzwinkel von angenähert 30® ergab sich
das Reflexionsvermögen bei zweimaliger Reflexion zu 69,2 Proc.
bei viermaliger Reflexion zu 74,9 Proc.^), bei sechsmaliger
1) In der zu Anfang citirten Abhandlung ist das ReflexionsvermSgen
einer Fluoritfläche für die durch viermalige Reflexion erzeugten Best-
Beststrahlen des Flussspathes. 581
Keflexion zu 79,5 Proc. Man ist hiernach zu der Annahme
berechtigt, dass das Reflexions vermögen q^ bei X^ = 24,0 ju
und pj bei A, = 31,6 fi höchst wahrscheinlich die Werthe
75 Proc. bez. 90 Proc. übersteigt.
Die Curven der Fig. 2 lassen wegen der Unreinheit der
Spectren die Frage unbeantwortet, ob man es hier mit zwei
völlig getrennten Streifen zu thun hat, oder ob das Reflexions-
vermögen auch in dem Spectralgebiet zwischen den Wellen-
längen Aj = 24,0 fi und Aj = 31,6 fi hohe Werthe besitzt. Um
eine Entscheidung herbeizuführen, wurden die Versuchsreihen
III und IV mit engeren Spalten wiederholt und zwar betrugen
die Breiten von s^ und ^^ hierbei nur 1,8 mm. Die so er-
haltenen Energiecurven zeigten indessen vollkommen gleichen
Charakter wie die früher beobachteten. Eine wesentlich deut-
lichere Trennung der beiden Maxima war auf diesem Wege
nicht zu erzielen. Es ist hiernach anzunehmen, dass die
Aenderung des Reflexionsvermögens in dem betrachteten Spec-
tralgebiet continuirüch verläuft und zwar derart, dass auch
zwischen den Wellenlängen A^ und k^ hohes Reflexionsvermögen
vorhanden ist.
Es ist nach dem Vorstehenden leicht zu übersehen, wes-
halb bei den früheren, in Gemeinschaft mit Hm. E. Nichols
angestellten Versuchen das zweite Maximum in dem Gitter-
spectrum der Reststrahlen des Flussspath als solches nicht
beobachtet werden konnte. Bei den bolometrischen Messungen
wurde nur Reflexion an drei Fluoritflächen angewandt und
hierbei tritt, wie oben festgestellt wurde, das zweite Maximum
noch nicht hervor. Dagegen hätte sich dasselbe bei den radio-
metrischen Beobachtungen, bei welchen vier reflectirende Fluss-
spathflächen zur Verwendung gelangten, bereits bemerkbar
machen können. Der Grund, weshalb dies nicht geschah, liegt
in der starken Absorption, welche die Strahlen von grösserer
Wellenlänge in der als Radiometerfenster dienenden Chlor-
strahlen zu 71,5 Proc. angegeben. Es ist hierbei zu bemerken, dass
diese Messung mit Hülfe des Radiometers vorgenommen wurde, dessen
Fenster aus einer Chlorsiiberplatte bestand und gerade diejenigtn Strahlen
vorzugsweise absorbirte, welche von Fluorit besonders stark reflectirt
werden.
I
582 H. Rubens.
silberplatte erfahren and welche jenseits 30 ju nahezu voll-
ständig ist. Durch Einschalten einer solchen Chlorsilberplatte^
in den Strahlengang werden daher die Reststrahlen des Fluss'
spath auf einen ziemlich homogenen Strahlencomplex be-
schränkt, dessen Maximum bei Benutzung unserer Chlorsilber-
platte bei Ä = 23,7 ju liegt. ^) Die Folgerungen aus unseren
fi*üheren Beobachtungen, insbesondere unsere Untersuchungen
über die Keüexion der Reststrahlen an Resonatorenplatten,
bleiben daher durch die Auffindung des zweiten Maximums
gänzlich unberührt.
Dagegen ist es von Interesse, hervorzuheben, dass nun-
mehr die üebereinstimmung zwischen der beobachteten und
der theoretisch, aus der Eetteler-Helmholtz'schen Dis-
persionsformel berechneten Lage des Gebietes metallischer Re-
flexion für Flussspath eine erheblich bessere geworden ist.
Nach Hrn. Paschen 's Dispersionsmessungen') berechnet sich
die Constante der genannten Formel, welche angenähert die
Mitte des metallischen Absorptionsstreifens angeben soll, zu
ca. 30 fi. Diese Grösse liegt zwischen den Wellenlängen
X^ und ^2 der beiden in dem Beugungsspectrum der Rest-
strahlen beobachteten Maxima und zwar erheblich näher an A,.
wo auch die stärkere metallische Reflexion stattfindet.
Ferner ist es noth wendig, auf die kürzlich von Hm.
H. Beckmann') veröffentlichte Dissertation etwas näher ein-
zugehen. Dieselbe beschäftigt sich mit der Abhängigkeit der
Intensität der von einem „schwarzen Körper^' ausgesandten Rest-
strahlen von der Temperatur. Ein Theil der Gesammtstrahlung
€ines nach den Angaben der Herren Lummer und Wien*)
hergestellten „schwarzen Körpers" wurde einer vierfachen
Reflexion an Flussspathflächen unterworfen und dann mit Hülfe
€ines vorderseitig versilberten Hohlspiegels auf den temperator-
«mpfindlichen Contactstellen einer Thermosäule vereinigt. Hr,
Beckmann beobachtete auf diese Weise die Abhängigkeit der
Reststrahlung von der Temperatur in dem Intervall von 193
bis 873® der absoluten Scala. An der Hand der hierbei er-
1) Vgl. 1. c. p. 438.
2) F. Paschen, Wied. Ann. 53. p. 301. 1894.
3) H. Beckmann, Inaug.-Diss., Tübingen 1898.
4) 0. Lummer u. W. Wien, Wied. Ann. 56. p. 451. 1896.
Reststrahlen des Flussspathes, 583
haltenen Resultate versuchte derselbe eiue Prüfung des Wien'-
sehen Gesetzes ^) unter der Annahme, dass den erzeugten Rest-
strahlen eine mittlere Wellenlänge von 24,4 /i zukomme, indem
€r zugldch nachwies, dass eine selbst erhebliche Inhomogenität
der Strahlung auf das Resultat nur von geringem Einfluss
sein könne. Das Ergebniss der Prüfung lässt sich in die
beiden Sätze zusammenfassen:
1. Das Wien'sche Gesetz, bez. die hieraus abgeleitete
isochromatische Curve ist zur Darstellung der gewonneneu
Beobachtungsresultate vollkommen geeignet.
2. Die Constante c^ des Wien'schen Gesetzes muss, wenn
den Beobachtungen genügt werden soll, gleich 24250 gesetzt
werden, im Gegensatz zu den Resultaten der Untersuchungen
des Hm. Paschen*) sowie der Herren Lummer und Prings-
heim^, welche, allerdings für erheblich kürzere Wellen, die
Constante c^= 14500 ergeben.
Nach den in dem ersten Theil dieser Arbeit mitgetheilten
und in Fig. 2 dargestellten Beobachtungen erscheint allerdings
die Annahme, dass die nach viermaliger Reflexion an Fluss-
spathflächen noch vorhandene Reststrahlung, insbesondere bei
tiefen Temperaturen der Strahlungsquelle, eine mittlere Wellen-
länge von 24,4 ju besitzt, keineswegs gerechtfertigt und es muss
eine neue Berechnung vorgenommen werden, um eine Prüfung
des Wien'schen Gesetzes mit Hülfe der Beckmann'schen
Beobachtungen zu ermöglichen. Ich habe eine solche unter
der Annahme durchgeführt, dass der Flussspath an zwei ge-
trennten Stellen, nämlich bei den Wellenlängen Äj = 24juund
Aj = 32 ju, metallische Reflexion besitzt und dass bei der Wellen-
länge A2 ^^^ Reflexionsvermögen o^ 1,2 mal so gross ist wie
dasjenige bei A^ {q^),^) Es ist dann die Intensität der |Rest-
strahlen für den zweiten Streifen gegenüber derjenigen des
ersten Streifens bei viermaliger Reflexion im Verhältniss 1:1,2*,
das ist nahezu im Verhältniss 1:2, bevorzugt.
1) W. Wien, Wied. Ann. 58. p. 662. 1896.
2) F. Paschen, Wied. Ann. 58. p. 450. 1896; Sitzungsber. d. k.
Akad. d. Wissensch. zu Berlin 22. p. 405. 1899.
3) 0. Lummer u. E. Pringsheim, Verhandl. d. Deutsch. Pbysikal.
Gesellsch 1. 1899. In dieser Arbeit zeigt sich bereits eine Vermehrung
der Grösse c, mit wachsender Wellenlfinge.
4) Vgl. p. 580.
584 H. Bubens.
t
Setzt man in der Wien 'sehen Gleichung
0= ^1-
worin <U den bei den Temperaturen bj des „schwarzen Körpers**
und 1^2 der Thermosäule für die Wellenlänge A beobachteten
Ausschlag bedeutet, c^ = 3085.10*, c, == 26000, so erhält man
für die Wellenlängen X^ und A^ und die in der ersten Vertical-
reihe der nachfolgenden Tabelle aufgeführten Temperaturen &^
des schwarzen Körpers die in der zweiten und dritten Columne
wiedergegebenen 0j und <t^^. Die Temperatur der Thermo-
säule (iJ-j) ist hierbei constant gleich 291^ absolut angenommen,
wie dies bei den Bookman naschen Beobachtungen der Fall
war. In der vierten Columne ist die Summe der Grössen
0^+2 0, gebildet, welche nach der obigen Annahme mit
dem Ausschlag 0^ gleich sein soll, welcher von Hrn. Beck-
mann für die betreffenden Temperaturen des , .schwarzen
Körpers" und der Thermosäule beobachtet wurde. Die fünfte
Columne enthält diese 0,^ , die sechste endlich giebt die Diffe-
renzen S zwischen den beobachteten und berechneten Grössen.
Tabe
ille IL
^1
- 8,ü
1 - 4,3
1 0, + 2 a>.
1
ö
193
- 16,6
- 17,0
-0,4
291
—
0
373
+ 11,9
+ 4,8
+ 21,5
+ 21,5
573
+ 49,2
+ 16,7
+ 82,6
' + 82,0
-0,6
773
1
+ 86,0
+ 26,5
+ 139,0
+ 139,0
—
873
+ 102,6
i + 30,7
+ 164,0
+ 164,0 ;
—
Bei der Beurtheilung dieser Uebereinstimmung ist zu
berücksichtigen, dass die Gleichheit der Zahlen für die Tem-
peraturen &^ = 291 ® und b^j = 773^ eine erzwungene ist; aber
auch für die übrigen iV-j liegen die d innerhalb der Grenze
der Beobachtungsfehler. Ferner sind die Abweichungen, ins-
besondere für die tiefen Temperaturen, hier erheblich kleiner,
als sie sich unter der von Hrn. Beckmann gemachten Voraus-
setzung ergaben, wie dies nach dem Vorausgehenden zu er-
warten war. Dagegen ist es vollkommen unmöglich, den Ver-
lauf der Beobachtungen durch die Wien'sche Formel auch
Reststrahlen des Flussspathes, 585
nur angenähert darzustellen, wenn man der Constanten c^ den
Werth 14500 beilegt, welchen sie für kurze Wellen besitzt.
Setzt man die Constante Cj = 2230. 10*, c, = 14500, so werden
wiedenim für die beiden Temperaturen i9-j = 291 ^ und &^ = 773®
die beobachteten und berechneten Werthe zur Uebereinstimmung
gebracht, dagegen liegen die DiflFerenzen d für alle anderen ß-^
weit ausserhalb der Fehlergrenze und betragen in einem Falle
mehr als lOOProc, wie dies aus Tab. III ersichtlich ist. Die-
selbe ist vollständig nach dem Muster der Tab. II eingerichtet
Tabelle IH.
^1
i *■ j..
^.
<Pi 4- 2 0j
1 1
- 17,0
8
198
- 22,9
- 7,7
- 38,3 1
4-21,3
291
0
0
— 1
—
373
4- 20,4
4- 5,7
4- 31,8
4- 21,5
-10,3
573
' + 62,5
4-16,1
4- 94,7.
+ 82,0
1 -12,7
773
+ 93,2
4-22,9
4- 139,0
4-139,0
—
873
1 H- 105,0
4-25,6
4-156,2
+ 164,0
: + 7,8
I
Wie bereits oben festgestellt wurde, wird man nicht an-
nehmen dürfen, dass lediglich in der unmittelbaren Umgebung
von Aj = 24,0 ju und A, = 31,6jii metallische Reflexion statt-
findet, sondern es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, dass
auch in dem dazwischen liegenden Spectralgebiet hohe Werthe
des Reflexionsvermögens vorkommen. Es sind somit die der
Rechnung zu Grunde liegenden Voraussetzungen auch hier
nicht genau zutrefi'end und man könnte vermuthen, dass diese
Thatsache auf die berechneten Werthe, insbesondere aber auf
die Grösse der Constanten Cg, von erheblichem Einfluss wäre.
Es ist dies jedoch keineswegs der Fall, wovon man sich durch
Rechnung leicht überzeugen kann. Nimmt man z. B. an, dass
das Reflexionsvermögen einer Flussspathfläche von Aj = 24,0 ju
bis Ag = 31,6jU continuirlich bis auf den 1,2 fachen Werth an-
wächst, und berechnet unter dieser Voraussetzung die Abhängig-
keit der von dem „schwarzen Körper** ausgesandten Rest-
strahlen von der Temperatur mit Hülfe des Wien'schen Ge-
setzes, so lässt sich, unter Beibehaltung der Constanten c^
= 26000, den Beckmann'schen Beobachtungen ebenso voll-
kommen genügen, wie dies unter der Annahme zweier ge-
trennter Streifen der Fall ist. Wählt man dagegen c^ = 14500,
586 H. Eubens.
80 ist auch in diesem Falle eine Darstellung der Beobachtungen
durch die Wien 'sehe Formel völlig ausgeschlossen.
Die Erklärung für die Thatsache, dass die Art der Energie- w
yertheilung zwischen den Wellenlängen )^ und A, so geringen
Einäuss auf die Abhängigkeit der Emission dieser Beststrahlen
von der Temperatur des ,,8chwarzen Körpers" ausübt, liegt in
dem bereits von Hrn. Beckmann betonten Satz, dass die
isochromatischen Curven für sehr grosse Wellenlängen, welche
von der dem Maximum der Energiecurve zugehörigen Wellen-
länge weit entfernt sind, sich ihrer Form nach wenig von-
einander unterscheiden und innerhalb kleinerer Spectralgebiete
mit genügender Annäherung als ähnliche Curven behandelt
werden dürfen.
Aus der Thatsache, dass die Beckmann'schen Beobach-
tungen für die Grösse c^ der Wien 'sehen Isochromatic einen
Werth von 26 000 erfordern, während zweifellos der Werth
Cg = 14500 in dem kurzwelligeren Theil des Spectrums der
richtige ist, könnte man versucht sein, den Schluss zu ziehen,
dass das Wien' sehe Vertheilungsgesetz unter der Annahme
6*3 = 14500 im äussersten Ultraroth zu vollkommen falschen
Ergebnissen fähren müsste. Bei einer näherm Betrachtung
der Wien'schen Formel ergiebt sich indessen, dass dieselbe
auch dann noch Werthe liefert, welche sich von den richtigen
nicht sehr unterscheiden. Differentiirt man nämlich den Ausdruck
1 "T»
irre
nach c^ und dividirt gleichzeitig durch </, so folgt
dJ 1^ ,
d. h. die relative Aenderung von J ist bei einer absoluten
Aenderung von c^ um so kleiner, je grösser die Wellenlänge
und je höher die Temperatur ist. So würde z. B. bei einer
Vergrösserung der Constanten Cg von 14 500 auf 26 000 für
& = 1000^ die Ordinate für 1 fjL auf ca. 7i2 i^^res früheren Be-
trages reducirt werden, während bei i = 32'* nur eine Ver-
ringerung der Intensität um 36 Proc. eintritt. Bedenkt man
femer, dass die Intensität mit wachsender Wellenlänge jenseits
des Energiemaximums sehr rasch abnimmt, so ist ersichtlich.
Reststrahlen des Flussspathes, 587
dass ein allmähliches Anwachsen der Grösse c, mit A bei Be-
obachtung der Energievertheilung eines schwarzen Körpers
Yon hoher Temperatur sich wenig bemerkbar machen wird.
Auf einer Zeichnung, welche / als Function von X für einen
schwarzen Körper von 2000^ darstellt, und deren Maximal-
ordinate 1 m hoch ist, würde ein Anwachsen der Grösse c^
von 14 500 auf 26 000, welches in dem Spectralgebiet zwischen
A =s 6 ju und A = 25 /i allmählich erfolgt, an keiner Stelle eine
Verschiebung der Curve um mehr als 1 mm zur Folge haben.
Bei 25^ würde die durch Aenderung der Grösse c^ von 14 500
auf 26 000 herbeigeführte Verminderung der Ordinate 23 Proc.
betragen. Dies würde aber in dem von uns gewählten Maass-
stab weniger als 0,02 mm bedeuten.
Ich möchte zum Schluss noch eine eigenthümliche Be-
obachtung erwähnen, welche allerdings mit dem Inhalt der
vorstehenden Untersuchung nur in sehr losem Zusammenhang
steht Es war schon früher beobachtet worden, dass sich der
von dem Zugglas befreite Auer'sche Brenner als Strahlungs-
quelle für langwellige Wärmestrahlen sehr gut eignet. ^) Ausser
der beträchtlichen Grösse seiner strahlenden Fläche und der
für die meisten Zwecke ausreichenden Constanz ist hierbei
besonders seine verhältniss massig geringe Gesammtemission,
bez. sein relativ grosser Reichthum an Strahlen von sehr
grosser Wellenlänge von Vortheil. Nach zweimaliger Re-
flexion der von dem Auerbrenner ausgehenden Gesammt-
strahlung an Fluoritäächen erhält man bereits nahezu reine
Reststrahlen, welchen nur noch etwa 4 Proc. kurzwellige Strah-
lung beigemischt ist. ^) Nach dreimaliger Reflexion sind die
Reststrahlen vollkommen rein und betragen ca. 1,7 Proc. der
Gesammtstrahlung, während nach dem Wien' sehen Gesetz
für einen „schwarzen Körper" von der Temperatur des Auer-
schen Glühstrumpfes (etwa 2000® abs.) jenseits der Wellen-
länge 22^, bei welcher die Energie in den Beugungsbildern
der Reststrahlen noch sehr gering ist, überhaupt nur noch
0,089 Proc, für die durch dreifache Reflexion erzeugten Rest-
1) H. Rubens u. E. Aschkinass, 1. c. p. 243.
2) Diese Verunreinigung kann durch Benutzung eines Klappschirmes
aus Flussspath praktisch unwirksam gemacht werden (vgl. Wied. Ann.
64. p. 597. 1898).
\
588 H, Rubens, Reststrahlen des Flussspathes.
strahlen sicher weniger als 0,015 Proc. der Gesammtstrahlnng
zu erwarten wären. Es kommt noch hinzu, dass von der^
Gesammtstrahlung des von mir benutzten Auer'schen Bren-^
ners nur 32 Proc. von dem Öltihstrumpf selbst, dagegen
68 Proc. von der Flamme und der zur Stütze des Glühkörpers
dienenden, heissen Halterstange herrührten, andererseits aber
gingen über 80 Proc. der beobachteten Reststrahlen von dem
ölühstrumpf selbst und weniger als 20 Proc. von den übrigen
strahlenden Massen aus. Hiemach sendet der Auer'sche
Glühstrumpf im Verhältniss zu seiner Gesammtemission von
den Reststrahlen des Flussspath über 280 mal mehr aus, als
dies von einem schwarzen Körper von gleicher Temperatur
nach dem Wien'schen Gesetze zu erwarten wäre. Hierbei
ist die Constante c, der Wien'schen Formel = 14500 an-
genommen. Setzt man für das jenseits 22 ju gelegene Spectral-
gebiet r^ = 26000, so wird die Diskrepanz noch um 25 Proc. grösser.
Um mich davon zu überzeugen, dass man es hier mit
einer Eigenthümlichkeit der Strahlungsquelle und nicht mit
einem Versagen der Wien'schen Gleichung zu thun hat, habe
ich das Verhältniss der Reststrahlung zur Gesammtstrahlung
auch für einen „schwarzen Körper" bestimmt. Derselbe wurde
mir von den Herren Prof. Lummer und Prof. Kurlbaum
freundlichst zur Verfügung gestellt und ich ergreife gern die
Gelegenheit, beiden Herren, insbesondere aber auch dem
Hrn. Präsidenten Kohlrausch, für das mir stets bewiesene
Entgegenkommen meinen besten Dank auszusprechen. — Das
beobachtete Verhältniss der Intensitäten der Gesammtstrahlung
und der durch dreimalige Reflexion erzeugten Reststrahlung
ergab sich bei einer Temperatur des „schwarzen Körpers**
von i9-j = 1085® abs. zu (t = 610. Nach der Wien'schen For-
mel berechnet sich das Inten sitäts verhältniss der Gesammt-
emission und des jenseits der Wellenlänge A = 22 ju gelegeneu
Theiles derselben zu angenähert 240, was mit dem Resultat der
Beobachtung jedenfalls der Grössenordnung nach übereinstimmt
Eine genauere Prüfung des Wien'schen Gesetzes kann aller-
dings an der Hand dieser Zahlen nicht vorgenommen werden.
Charlottenburg, Physikal. Inst. d. Techn. Hochschule,
August 1899.
(Eingegangen 1. September lb99.)
3. lieber das Verhältniss der elektrischen Ladv/ng
zwr Masse der Kath4>denstrahlen^);
van 8. Simon.
Einleitung.
Bei den Untersuchungen über Eathodenstrahlen haben
sich bei den verschiedenen Forschern erheblich abweichende
Resultate für die Grösse des Verhältnisses el fi, d. h. der
elektrischen Ladung pro Grammmasse, ergeben. Diese Ver-
schiedenheit kann ihre Erklärung sowohl in Ungenauigkeiten
der Versuchsmethoden, als auch in dem Umstände finden,
dass die einzelnen Forscher von verschiedenen theoretischen
Voraussetzungen ausgegangen sind. Wie dem auch sei, jeden-
falls ist es angezeigt, nach einer bestimmten Versuchsmethode
eine möglichst genaue Bestimmung der Grösse von e/ju durch-
zufahren. Das ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, und
zwar geschieht die Untersuchung auf Grund der von W. Kauf-
mann in seinen Arbeiten über Kathodenstrahlen') gemachten
Voraussetzungen.
§ 1. Theoretisches.
In den citirten Arbeiten gelangt Kaufmann zu der
Formel:
/IN ^ 2 * F 0
2«
f dx j H^dx
0 0
Fq ist in dieser Gleichung die PotentialdiflFerenz zwischen
den Elektroden, J der Spulenstrom, H^ die Feldstärke für die
Einheit der Stromintensität. Hier ist die Annahme gemacht,
dass die ablenkende Kraft in Richtung der z-Axe wirkt, wenn
die Kraftlinien mit der Richtung der y-Axe zusammenfallen,
1) Auszug aus der gleichnamigen Berliner Inaug.-Diss.
2) W. Kaufmann,Wied. Ann. 61.p.544— 552; 62,p.596— 598, 1897
)
i^
590 & Simon.
und der usabgelenkte Strahl in der x-Axe verläuft (Fig. \\
Die Bahn des abgelenkten Strahles liegt dann in der x-z-
Ebene. z bedeutet in der Gleichung die abgelesene Ablenkung, r
Die Gleichung (1) ist nur angenähert richtig für sehr
kleine Ablenkungen. Deshalb giebt Kaufmann für grössere
Ablenkungen eine Correctionsformel an^
in welcher jedoch das Correctionsglied
unter der Annahme eines homogenen
Feldes bez. einer kreisförmigen Bahn
des Strahles berechnet wird. Die auf
diese Weise ermittelte Correction ist,
wie aus den nachfolgenden Betrachtungen
leicht ersichtlich ist, zu klein. Eis soll
^ X deshalb im Folgenden eine genauere
Berechnung ftir den Zusammenhang
zwischen fi/^u und der Ablenkung gegeben werden unter Zu-
grundelegung des thatsächlichen Feld Verlaufes.
Die von den magnetischen Kräften in dem Kathodenstrahl
hervorgebrachte Beschleunigung steht überall senkrecht auf der
Bewegungsrichtung des Strahles und ist gleich v^\q^ wenn v die Ge-
schwindigkeit des Strahles und q den £jümmungsradius der Bahn
an dem betrachteten Punkte bedeutet. Dieselbe ist femer gleich:
sodass man die Gleichung erhält:
(2) ^H^-.
Setzt man für den Krümmungsradius seinen Werth ein,
so ergiebt sich die Gleichung:
Da die Dimensionen des weiter unten zu beschreibendeu
Apparates so gewählt waren, dass jedenfalls {dzfdxf klein
gegen 1 ist, so genügt es, bei einer Reihenentwickelung der
rechten Seite der Gleichung nur das 1. Glied zu berück-
sichtigen. Man kann daher schreiben:
d* X e H
(3 a)
dx^ fi V
1 +
' ß-:)]
Kathodenstrahlen.
591
Für das in der Klammer stehende Correctionsglied ^dz/dx)*
erhält man einen angenäherten Werth, indem, man zunächst
setzt:
(4)
oder
(P X e TT
fi.V
(5) ä
Daraus folgt:
dx ^ e r
dx '~ f^-^J
Uda
0
(6)
und
(7)
dx^ fi.v
'+iMf^'''
X XX
l"" = J- fndx + l -f.- Tä fsd
dx fi.vj ^ 2 fi'f^J \J
dx ,
0
lO
/
Das Doppelintegral im zweiten Gliede auf der rechten
Seite lässt sich in ein einfaches Integral verwandeln. Es ist
nämlich, wie leicht einzusehen ist:
(8) SfH{fHdxYdx = {fHdxf.
Setzt man dies in (7) ein, so erhält man nach nochmaliger
Integration far die Ablenkung des Bahnendpunktes:
' Xü X Xo / X \8i
(9)
^0 =
s
fl.V
Folglich :
0 0 0 \o
(10)
V.Xt
Xf, X Xo j X
0 0 0 \0
X
Aus dem Correctionsgliede im Nenner kann man die
Grösse elfjL.v entfernen, indem man fUr dieselbe ihren an-
genäherten Werth einsetzt:
592
S. Simon.
(10a)
Folglich ist:
Xo X
Cdx CHdx
0 0
l+*»4
Xo IX \ 3
dx\ fsäx
MP
Xo X
Hdx
.0 0
oder unter Berücksichtigung, dass das zweite Glied im Nenner
klein gegen 1 ist:
(11)
e
V.Xr
Xo X
Hdx
0
Xf, IX
3 1
l-^-.o
}ä.[JEä.
2
Xu X
ü 0
Hdx
Eß erübrigt noch, in diese Gleichung die direct beob-
achteten Grössen einzuführen: Es ist
« = j/2^r„ und H^J.H,.
Setzt man dieses ein, so erhält man:
fi
(12) - =
(i
oder
LO ü
Hdx
1-
^dx[ Cndx
*? 0 \0
112
L
r
(13)
fi
Setzt man:
Xo X na
0 0
r
Hdx
1- zj.
Zo *
Lü 0
at« IX
0 \0
1 1
Hdx
n
£{X
a:«)
' Xo 0
.0 0
31
1 8
Hdx
(14)
fäxlfHdx
1 -
0 \o
Xo X
M
.0 0
fl^rfa;
Kaihodenstrahlen,
sed
so wird
(15)
2*7.^0
J«.
SRO
Cdx Cndx
LO
Ein weiterer Punkt, der für die Anordnung der Ab-
lenkungsversuche von Wichtigkeit ist, sei hier erörtert.
In Fig. 2 stellt K die Kathode, Ä die Anode dar, £ den
Endpunkt der Bahn. Die x-Axe ist die Richtung der unab-
gelenkten Strahlen. Bei den Ablenkungsversuchen ist die An-
ordnung so getro£fen, dass das Potential zwischen Ä und £
z
(£^X
jr
^
a
ff
%
constant ist, also auch v die Geschwindigkeit der Theilchen.
Zwischen K und A ist das Potential variabel.
Beobachtet man die Ablenkung an dem Schatten eines
bei A befindlichen Drahtes, so gelten die früher entwickelten
Gleichungen nur, wenn auch bei Erregung des Magnetfeldes
im Punkte A selbst die Richtung des Strahles unverändert
bleibt, d. h. wenn für
dx
ist. Diese Bedingung wäre erfüllt, wenn zwischen A und K
die Feldintensität gleich Null wäre. Wenn dieses auch aus
praktischen Gründen nicht zu verwirklichen ist, so kann man
diese Forderung doch auf Grund folgender Betrachtungen
realisiren.
Es ist:
(16) ^f = i''^')'
1) Für die hier folgenden Betrachtungen genügen die angen&herten
Formeln, da es sich nur um sehr schwache Felder und sehr kleine Ab-
lenkungen bandelt
I Ann. d. PbjB. n. Ch«m. N. F. 60. 88
594
S. Simon.
(17) % = ^^-JHvdt.
Da nun vdt^dx, so ist:
(18)
(4f).-;/^'".
- K
(19)
/ dx\ ld%_ \
(dx\ ^ \ di )o ^ [dt )o ^
(4-) = 0
V dx /o
Hdx.
-K
Man sieht, dass
wird für den Fall, dass
fHdx^O
-K
ist. Bringt man also bei der Versuchsanordnung die Anode
Ä an eine Stelle der x-Axe, für welche
0
JHdx
-K
verschwindet, so verläuft an dieser Stalle die Bahn der Strahlen
in Richtung der or-Axe, und man darf den Vorgang so an-
sehen, als oh die ab-
lenkende Kraft erst
an diesem Punkte
in Wirkung treten
wili'de.
In der neben-
stehenden Fig. 3 ist
der Verlauf des Fel-
des längs des Spulen-
durchmessers sche-
— matisch angegeben:
T 0 ist ein Punkt der
Axe der Spulen. Es ist klar, dass zu jeder Stellung Ä der
Anode eine conjugirte Stellung der Kathode K gehört, und
dass es unendlich viele solcher Punktpaare giebt, für welche
^ -*»iiSSp£
Kathodenstrahlen, 695
f Hdx verschwindet. Für diese Stellungen muss das von der
Feldcurve und der or-Axe begrenzte Flächenstück Fy welches
oberhalb der or-Axe liegt, gleich sein demjenigen F\ welches
unterhalb dieser Axe liegt.
§ 2. Apparate.
Auf einer Grundplatte a waren zwei Gleitschienen b be-
festigt, zwischen denen sich der Schlitten c bewegen konnte.
(Dimensionen vgl. Fig. 4 und 5 auf p. 596.) Dieser wurde durch
starke Messingfedem an eine der Gleitflächen angedrückt, wo-
durch ein gleichmässiges Verschieben längs dieser Flächen
ermöglicht wurde.
In der Mitte des eben beschriebenen Schlittens war recht-
winklig zu demselben auf dem beweglichen Theile c ein zweiter
ganz ähnlicher Schlitten angebracht, dessen gleitender Theil c
jedoch aus zwei Stücken bestand, von denen jedes eine der
beiden zur Erzeugung des Magnetfeldes dienenden Spulen trug.
Auf dem Schlitten c war noch ein hölzernes Auflager g
für die Entladungsröhre angebracht. Es braucht wohl kaum
erwähnt zu werden, dass an dem Apparate keinerlei Eisen-
theile zur Verwendung kamen.
An den vier Ecken von a befanden sich vier starke Holz-
säulen d\ dieselben trugen ein Brett e, in dessen Mitte sich
ein Schlitz befand, durch welchen das weiter unten zu be-
schreibende Magnetometer f in den Zwischenraum der beiden
Spulen eingelassen wurde. Der ganze Apparat wurde auf dem
Arbeitstisch festgeschraubt. Jede der beiden Spulen hatte
folgende Dimensionen:
Der Zinkblechcylinder, welcher die Wickelung trug, hatte
eine Wandstärke von 0,25 mm ; sein innerer Durchmesser be-
trug 138,5 mm. Die Wickelung bestand aus isolirtem Kupfer-
draht von 1 mm Durchmesser; die Isolirung eingerechnet, be-
trug der Durchmesser 2,5 mm. Die Spule hatte also, von
Mitte zu Mitte Draht gemessen, einen Durchmesser von
141,5 mm; ihre Länge betrug 398 mm, ebenfalls von Mitte
zu Mitte Draht.
Die Ausmessung der Spulendimensionen wurde mit mög-
lichster Sorgfalt mit Maassstab und Zirkel oder, wo dieses
unthunlich war, mittels eines Diopters vorgenommen.
88*
Die relative Lage der Eutladnngsrdhre zum Felde wnrd«
ebeDfiülB dioptrisch bestimmt.
I (/ "T^ Xfl
cfidA
Die oben beBchriebene Construction des Apparates ge-
stattete es, bei der Feldmeesung VerschiebuDgen der Spnleo
KaihodenttrahUn.
697
C'ia G.
HJ
3cht ZU ihrer Axe vorzanehmen, während das Magneto-
seine Stellung unverrückbar beibehielt. Ferner war es
möglich, jede Stellung der Spulen zu dem Magnetometer
der Eathodenröhre, wenn dieselbe aus irgend welchem
le geändert worden war, mit Hülfe von geeignet an-
3hten Marken, genau wiederherzustellen.
^agnetometer: Zur Ausmessung des Feldes der Spulen
das folgende Instrument verwandt:
in einem dünnen Platinfaden a (vgl. Fig. 6), welcher an
Eupferdraht b angelöthet war, hing ein schwerer Messing-
von 117 mm Länge und A}j^ mm Durch-
r. In dem unteren Ende von c war in ^'^
mg des Durchmessers eine kleine Ver- ' .jl. >
g angebracht, in welcher der Magnete pi_I
halten wurde. Die Länge des kleinen
3ten betrug 5 mm, seine Höhe 1 mm
eine Dicke 0,1 mm. Das Magnetometer
in ein Glasrohr e eingeschlossen, dessen
It aus der Figur ersichtlich ist. Zur
fung wurde die Röhre vollständig mit
5r gefüllt; ihr unteres Ende war durch
Corkstopfen f verschlossen. Oben war
riasröhre durch ein Brettchen h ge-
3n, welches mittels dreier Schrauben
ruhte (vgl. Fig. 5). Mit diesen drei
üben konnte das System leicht justirt
n. Die Orientirung des Magneten ge-
durch den mit b fest verbundenen
g. Durch den in dem Querstücke e
liehen Schlitz (vgl. Figg. 4 und 5) wurde
lasröhre in den Zwischenraum der bei-
pulen eingelassen. Die Drehungen des
5ten wurden mittels Spiegelablesung be- *'
tet. Zu diesem Zwecke war an dem oberen Ende des
igstabes c ein Spiegel i befestigt. In gleicher Höhe mit
*em befand sich ein durch eine ebene Glasplatte ver»
senes Fenster k in der GUasröhre.
/
598
8. Simon,
§ 3. Feldmessung.
Nachdem die Nadel des Magnetometers genau in die rich-
tige Lage gebracht war und durch Controhnessungen die Pro-
portionalität zwischen Ausschlag und Feldstärke nachgewiesen
war (ausführliche Beschreibung vgl. die Dissertation) wurde
die Feldmessung folgender-
maassen ausgeführt (die Schal-
tung ist in der Fig. 7 sche-
matisch dargestellt):
Der Strom wurde der
Accumulatorenbatterie A ent-
nommen und durch den Wi-
derstand R regulirt; durch
den Stromwender S konnte
cfiyf.
Ä
seine Richtung gewechselt
werden. Die Stromstärken '
jy, wurden durch ein Präcisions-
>v' J ampöremeter P von Siemens
und Halske gemessen,
welches Ablesungen bis zur
3. Decimalen gestattete. Bei
der Messung wurde der obere Schlitten, welcher die Spulen /
und // trug, längs einer Millimetertheilung, welche auf dem
unteren Schlitten angebracht war, in Richtung der :r-Axe ver-
schoben. Die Einstellungen erfolgten von 5 zu 5 mm. Bei
jeder einzelnen Messung wurde der Strom commutirt. Die
Entfernung der Scala vom Spiegel betrug 2600 mm.
In der folgenden Tabelle (vgl. p. 599) bedeutet a den Ab-
stand von der Spulenaxe in Millimeter, n den Ausschlag in
Scalentheilen (proportional den Feldstärken), i die Stromstärke
in Ampere. In der letzten Verticalcolumne sind die Feldstärken
in Procenten der maximalen, welche in der Axe statthat, aus-
gedrückt.
Das Resultat dieser Messung ist in der Fig. 8 graphisch
dargestellt. Die Abstände von der Axe sind als Abscissen,
die Feldstärken als Ordinaten aufgetragen (Curve I). Ein Blick
auf die Curve zeigt, dass nur in der nächsten Umgebung der
Axe das Feld mit einiger Annäherung als homogen angesehen
Kathodenstrahlen.
600
Tabelle.
^ a
n
•
■«i
a
n
•
«»H.
-50
143,5
0,08
90,84
90
160,5
1,146
7,09
-45
147,0
0,08
98,04
95
181,0
1,90
4,8
-40
150,0
0,08
94,94
100
178,5
2,62
3,43
-35
152,0
0,08
96,20
105
124,0
2,61
2,39
-30
154,0
0.08
97,47
110
88,0
2,61
1,695
-25
155,0
0,08
98,10
115
60,0
2,61
1,16
-20
156,0
0,08
98,78
120
38,0
2,605
0,74
-15
156,5
0,08
99,04
125
21,5
2,60
0,47
-10
157,0
0,08
99,84
130
9,5
2,66
0,18
- 5
157,5
0,08
99,69
135
- 2,0
2,65
-0,088
± 0
188,0
0,0945
100
140
-11,0
2,665
-0,275
5
187,5
0,0945
99,75
145
-18,0
2,66
-0,34
10
187,0
0,0945
99,49
150
-23,5
2,66
-0,445
15
186,5
0,0945
99,25
155
-28,0
2,65
-0,531
20
185,5
0,094
99,19
160
-32
2,65
-0,607
25
185,0
0,094
98,89
165
-35
2,64
-0,667
80
184,0
0,094
98,44
170
-37,5
2,641
-0,715
35
182,5
0,094
97,64
175
-40,0
2,63
-0,765
40
180,0
0,094
96,28
180
-41,5
2,63
-0,793
45
176,5
0,0945
98,97
185
-42,5
2,62
-0,81
50
171,5
0,0945
91,25
190
-48,5
2,62
-0,835
55
164,0
0,094
87,7
195
-46,0
2,625
-0,863
60
151,0
0,0945
80,3
200
-45,5
2,61
- 0,875
65
156,5
0,117
67,3
210
-47,5
2,615
-0,915
70
173,5
0,181
48,3
220
-47,0
2,605
- 0,908
75
161,5
0,281
28,9
230
-47,5
2,60
-0,918
80
156,5
0,464
17,0
235
-47,0
2.60
-0,91
85
177,5
0,84
10,63
werden darf. Schon in einer Entfernung von 6 cm von der
Axe ist die Feldstärke um 20 Proc, in einer Entfernung von
7 cm sogar schon über 50 Proc. gesunken und nimmt weiter ab,
bis die Curve etwa bei einem Axenabstande von 13,5 cm die
j:-Axe schneidet. Hier also ist die Feldstärke gleich Null;
hier, wo die Kraftlinien sich ausserhalb der Spulen wieder
schliessen, kehrt sie ihren Sinn um und verläuft dann in einer
Stärke von etwa 1 Proc. der mazimaleD Feldatärka weiter.
Die Beobacfatnngen erstreckea sieb bis zu einer Entfernung
Ton 6 cm nach der einen und 23,5 cm nach der anderen Seit«.'
Der Messbereicb konnte nicht weiter ausgedehnt werden, da
hier durch die Dimensionen des Apparates eine Grenze ge-
zogen war.
Es durfte vielleicht auffallen, dass der Verlauf dee Feldes
zu beiden Seiten der Mittelstellung nicht ganz symmetrisch
Kathodenstrahlen, 601
ist. Abgesehen davon, dass diese Unterschiede sehr klein sind,
sind sie auch für den vorliegenden Zweck gleichgültig, da es
nur auf die Bestimmung des thatsächlichen Feldverlaufes an-
kommt. Die Ursache für diese Un Symmetrie dürfte wohl in
der nicht ganz konaxialen Stellung der Spulen liegen. Mit
Hülfe der auf diese Weise ermittelten Feldcurve wurden die
in Gleichung (13 — 15) vorkommenden Doppelintegrale auf
graphischem Wege bestimmt. (Das einfache Integral: f Hdx
ist in Fig. 8 durch die Curve 11 dargestellt.)
Aus den Dimensionen der Spule lässt sich die absolute
Feldstärke für den Mittelpunkt der Axe berechnen nach der
Formet):
H = 0,4 nni — •
n bedeutet die Windungszahl pro Centimeter, t die Strom-
stärke in Ampere, / die halbe Spulenlänge und a ihren Radius.
Berechnet man einmal H^j indem man eine fortlaufende Wicke-
lung für beide Spulen annimmt, und dann die Feldstärke H^
fbr eine Spule von der Länge, die der Breite des Zwischen-
raumes (18 mm, d. i. der Abstand der beiden innersten Win-
dungen) entspricht, so ist H^ — H^ diejenige für die Mitte der
Axe innerhalb des Spaltes (^maz)*
Die Rechnung ergab folgendes Resultat:
iri = 5,11 C.G.S.
H^ = 0,658 C.G.S.
\
H^joi =^H^-H^=z 4,452 C.G.S. für den Strom i = 1 Amp.
Da Unregelmässigkeiten in der Bewickelung der Spulen,
wie sie bei der Herstellung trotz aller Sorgfalt nicht aus-
geschlossen werden konnten, einen wesentlichen Einfluss auf
die Grösse der Feldstärke ausüben, so wurde noch eine absolute
Feldmessung durch Vergleichung der Spulen mit einem ein-
fachen Kreisstrom ausgeführt.^
Es ergab sich:
^max = 4,398.
1) F. Kohlrausch, Leitfaden der praktischen Physik.
2) Ausführliche Beschreibung vgl. die Dissertation.
602 8. Simon.
»
Dieser Werth unterscheidet sich von dem aus den Dimen-
sionen der Spulen berechneten um 1,2 Proc. und soll allen j^
weiteren Berechnungen zu Grunde gelegt werden.
§ 4. Ablenkung der Kathodenstrahlen.
a) Röhre und Anordnung.
Die bei den Versuchen über die magnetische Ablenkbar-
keit benutzte Röhre hatte folgende Gestalt und Dimensionen:
An einen 9 cm langen Glascylinder a von 3 cm Durch-
messer schloss sich eine engere Röhre b von 20 cm Lange
und einem Durchmesser von 1,2 cm an. Femer war an b ein
Ansatzstück c angebracht, an welches noch ein rechtwinklig
gebogenes Glasrohr d angeblasen war (vgl. Fig. 9). An den
Enden von 6, c und d befanden sich Glasschliffe. Die Röhre b
diente zur Aufnahme der Kathode, welche aus einer kreis-
förmigen Kupferscheibe e bestand, deren Durchmesser 9 mm
und Dicke 2,5 mm betrug. Sie war an einem Kupferdraht
befestigt, der als Zuleitung diente und in die Röhre f ein-
gekittet war.
Die Anode bestand aus einem 7,5 cm langen und 2,8 cm
weiten Messingcylinder ff. An seinem einen Ende war ein
engeres 5,5 cm langes Messingrohr h angesetzt, welches in das
Glasrohr b hineinragte. Vor der Endöffnung von h war ein
dünner Draht i ausgespannt, dessen Schattenbild beobachtet
wurde (vgl. Fig. 10). Die Zuleitung zur Anode geschah durch
den Kupferdraht A, welcher in das Glasrohr c eingekittet war.
Der Contact wurde durch ein Büschel dünner Drähte her-
gestellt, welche sich fest an das Messingrohr h anpressten.
Die Glasröhre a war durch eine starke, mit einer MilU-
metertheilung versehenen Platte verschlossen. Auf der der Röhre
zugewandten Seite war die Platte mit einer dünnen Kreide-
schicht bestrichen, welche beim Auftreffen der Kathodenstrahlen
roth aufleuchtet. Um die Theiluug sichtbar zu machen, wurde
die Kreide mit einer feinen Nadel aus den Theilstrichen ent-
fernt, in der Erwartung, dass die so freigelegten Theilstriche
sich von den äuorescirenden Kreidegrunde dunkel abheben
würden. Ueberraschenderweise erschienen jedoch die Theil-
Katkodemtrcdtlen .
V_
■i
x:
^
triebe hellroth lenchtond gegen den matter lencbtenden Kreide-
iotergrund. Die Ersclieinung berahte wohl auf einem ganz
604
S, Simon,
analogen Vorgang, wie die kürzlich durch Hm. Martens^)
wieder in die Praxis eingeführte Methode zur Beleuchtung yod .
Scalenstrichen. '
Wie schon eingangs (p. 589) erwähnt, lehnt sich die Ver-
suchsanordnung an diejenige von Kaufmann an: Von dem
negativen Pole einer In-
fluenzmaschine 7, welche
durch einen Elektromo-
tor angetrieben wurde,
führte über eine Wippe
B eine Leitung zu einem
Braun 'sehen Elektro-
meter S, von hier zur
Kathode.
Der positive Pol
der Maschine war durch
die Wippe mit dem Ge-
stell des Elektrometers
und der Anode verbun-
den. Derselbe war zur
Erde abgeleitet, sodass
innerhalb des die Anode
bildenden Cylinders das
Potential Null vorhan-
den war.
Durch das Ansatz-
stück d war die Röhre
mit einer automatisch
wirkenden Quecksilber-
— es wurde nur Luft
Fig. 11.
luftpumpe verbunden. Der Oasdruck
verwandt — wurde nicht gemessen, da dies für die vorliegende
Aufgabe ohne Belang war. Das Elektrometer wurde mit einer
Hochspannungsbatterie bis 4300 Volt und für höhere Span-
nungen mittels einer elektrostatischen Waage geaicht. Für die
Ausführung dieser Aichung bin ich Hrn. Dr. phil. A. Orgler*)
zu grossem Danke verpflichtet. Die Lage der Röhre innerhalb
1) F. F. Martens, Wied. Ann. 62. p. 206—208. 1897.
2) A Orgler, Inaug.-Dus. Berlin 1899.
Kathodenstrahlen. 605
der Spulen, sowie die Gesammtanordnung ist aus der Zeichnung
(Fig. 11) zu ersehen. Die Ablenkungen, welche die Kathoden-
P strahlen bei Erregung des Feldes (auch bei commutirtem Strom)
erfahren, werden diirch das Schattenbild des Anodendrahtes an
der Theilung abgelesen ; gleichzeitig wird Potential und Strom-
stärke bestimmt. Bei den Versuchen wurde darauf geachtet, dass
die Ablenkungen im allgemeinen nicht grösser waren als 1 cm,
da bei grösseren Ablenkungen die oben angeführten angenäher-
ten Rechnungen ihre Gültigkeit verlieren.
b) Orientirung der Kathodenröhre.
Die richtige Lage der Röhre ist dadurch charakterisirt
dass der Weg der unabgelenkten Strahlen mit der Richtung
der or-Axe zusammenfällt und ausserdem senkrecht zur Rich-
tung der Kraftlinien (y-Axe) verläuft. Da die Richtung der
Eatbodenstrahlen innerhalb der Röhre nicht von vornherein
genau bestimmbar war, so wurde dieselbe durch einen Vor-
versuch festgestellt, und dann die Röhre in solcher Höhe
zwischen den Spulen befestigt, dass die Verbindungslinie der
Mitte der Kathode und des Schattenbildes des Anodendrahtes
mit der ;r-Axe zusammenfiel. Die zweite Bedingung war durch
die Anordnung der Spulen und des die Röhre tragenden
hölzernen Auflagers ohne weiteres erfüllt.
Die Orientirung des Drahtes der Anode und der Kathode
in dem Magnetfelde, deren Lage zu einander nach den p. 594
entwickelten Betrachtungen gegeben war, sowie die Bestimmung
der Länge des von den Strahlen zurückgelegten Weges mussten
mit der grössten Genauigkeit vorgenommen werden.
Kleine Unregelmässigkeiten bei diesen Bestimmungen, be-
sonders bei derjenigen der Länge der durchlaufenen Bahn
— die Ablenkung ändert sich ja ungefähr mit dem Quadrate
der Weglänge — beeinflussen das Resultat schon recht er-
heblich. Die Bestimmungen geschahen dioptrisch und resul-
tirten aus einer grossen- Anzahl von Einzelmessungen.
c) Correctionsbetrachtung.
Bevor zur endgültigen Berechnung von c/jtt geschritten
werden konnte, war es noch nöthig, die folgende Betrachtung
606
o. Simon.
anzustellen, auf Grund deren eine Correction des Resultates
von vornherein nicht ausgeschlossen war.
Stellt in der Fig. 12 die Strecke a—b' den Verlauf d«^
unabgelenkten, a — b denjenigen des abgelenkten Strahles dar,
so ist ersichtlich, dass in
jedem Punkte von a—b
eine andere Feldstärke
herrscht als in den Pro-
jectionen dieser Punkte auf
die ar-Axe, für welche ja
das Feld bestimmt worden
ist. Für den abgelenkten
Strahl wird also der Feld verlauf ein anderer sein, als der
nach der Feldmessung ermittelte, und es ist zu untersuchen,
inwieweit dieser Umstand geeignet ist, eine Modificatibn des
Resultates herbeizuführen.
Die angenäherte Bahngleichung für den abgelenkten Strahl
lautet:
Fig. 12.
av.
-]/ZkJ'"}"
dx .
0
0
Für die in Tab. I (vgl. w. u.) mitgetheilten Ablenkimgs-
versuche ergiebt sich als Mittelwerth der abgelesenen Ab-
^^ lenkungen: rB0,815cm.
— Von diesem Werthe
ausgehend, wurde Punkt
für Punkt die ange-
näherte Bahn des ab-
gelenkten Strahles con-
struirt. Damit erhält
man für jeden Punkt
der Bahn die Grösse
der Ablenkung, und es
lässt sich dann die Feld-
stärke Air jede einzelne
Stelle bestimmen. Aus
der Fig. 13 ist ersicht-
lich, auf welche Weise dies zu geschehen hat. Der Punkt o
stellt den Mittelpunkt des Durchmessers der Spulen, aUo
Fig. 13.
Kathodenstrahlen, 607
max
einen Punkt ihrer Axe dar, wo die maximale Feldstärke H^
herrscht, a — b ein Stück der abgelenkten Bahn. Beschreibt
man um o als Mittelpunkt mit oa als Radius einen Kreis, so
trifft derselbe die x-Axe in d. Die diesem Punkte ent-
sprechende Ordinate H^ der Feldcurve giebt die Feldstärke
an, welche im Punkte a der Bahn vorhanden ist. Für den
Punkt a ergiebt sich also eine Feldstärke H^j,
Auf diese Weise erhält man, punktweise construirbar,
den corrigirten Feldverlauf. Führt man nun für die so er-
haltene Feldcurve die Construction derjenigen von f Hdx aus,
80 ergiebt sich, dass dieselbe von der anderen nur so wenig
abweicht, dass dieser unterschied vernachlässigt werden kann.
Wählt man z. B. einen Punkt a der Bahn, für welchen öc=3 cm,
so ist die Ablenkung ca an diesem Punkte gleich 0,523 cm.
Das ergiebt für c d eine Länge von 0,04 cm, woraus sich eine
Correction des Feldwerthes von nur —0,05 Proc. ergiebt In
einer Entfernung von 7 cm von der Axe ist ca^ 0,229 cm;
dann erhält man für c rf den Werth 0,004 cm und eine ent-
sprechende Feldcorrection von etwa —0,3 Proc. Da jedoch
die Correction diesen relativ hohen Werth nur im Anfange
der Bahn besitzt, d. h. auf einer Strecke, welche zu dem
nachher zu ermittelnden Integral Hdx nur einen sehr kleinen
Bruchtheil beiträgt, so ergiebt sich mit Leichtigkeit, dass die
Gesammtcorrection jedenfalls weniger als 0,1 Proc. beträgt.
Dieses sehr günstige Ergebniss ist nicht etwa einem Zufall
zu verdanken, sondern der besonderen Anordnung der Röhre.
An den Stellen nämlich, wo das Feld sehr schnell veränder-
lich ist, sind die Ablenkungen des Strahles sehr klein, während
gegen das Ende der Strahlenbahn hin, wo die Ablenkungen
grösser sind, das Feld nahezu constant ist.
d) Messungen und Berechnung von 6//i.
In den Tabellen bedeutet z^ den abgelesenen, z^ den
nach Gleichung (14) reducirten Werth der Ablenkung in Centi-
metern, J den Spulenstrom in Ampäre, V^ das Potential in
Volt. In der vorletzten Columne sind die Werthe von z'l F^jJ^
zusammengestellt, und in der letzten die Abweichungen der-
selben von dem Mittelwerthe in Procenten (^7o)-
608
S, Simon.
Tabelle I.
Entfernung des Drahtes der Anode von der Spalenaxe: 104 mm (Ponkta
in Fig. 8) >), Entfernung der Kathode von der Aze: 182 mm (Punkt 1)1^
Entfernung der Verschlussplatte von der Axe: 29 mm. Folglich Lftnge der
Strahlenbahn zwischen Anodendraht und Schlussplatte (o — b) =133 mm.
Vo
J
*o
*?
^•/ol
5910
1,088
0,94
0,885
0,853
4250
-2,9
6260
1,054
0,90
0,810
0,783
4400
+ 0,5
6560
1,087
0,895
0,800
0,774
4280
-2,3
6840
1,05
0,86
0,74
0,717
4440
+M
6900
1,087
0,885
0,788
0,758
4420
+0,9
7170
1,058
0,84
0,706
0,684
4380
0
7300
1,076
0,845
0,714
0,693
4360
-0,4
7300
1,076
0,845
0,714
0,693
4360
-0,4
7650
1,06
0,815
0,664
0,645
4380
0
7710
1,06
0,805
0,648
0,631
4325
-1,2
7710
1,059
0,81
0,656
0,638
4375
0
7710
1,059
0,815
0,664
0,645
4430
+ 1.2
7710
1,058
0,81
0,656
0,638
4400
+0,5
7760
1,058
0,805
0,648
0,631
4375
0
7830
1,058
0,81
0,656
0,638
4460
+ 1,8
7830
1,056
0,805
0,648
0,681
4425
+ 1,0
7890
1,057
0,805
0,648
0,631
4450
+ 1,6
7950
1,072
0,8
0,64
0,623
4310
-1,6
8000
1,07
0,795
0,632
0,615
4290
-2,0
8000
1,053
0,79
0,624
0,609
4390
+0,3
8240
1,042
0,78
0,608
0,593
4470
+ 2
8300
1,11
0,825
0,68
0,661
4440
+ M
8300
1,071
0,79
0,624
0,609
4400
+ 0,5
8530
1,036
0,75
0,56
0,547
4340
-0,9
8750
1,087
0,775
0,60
0,586
4830
-M
8850
1,078
0,765
0,586
0,572
4340
-0,9
8860
0,982
0,705
0,497
0,487
4460
+ 1,8
8930
0,972
0,685
0,469
0,46
4325
-1,2
1) Diese Stellung entspricht der p. 594 gegebenen Bedingung, ditf
I
das Integral J Hdx = 0 ist (vgl. Fig. 8).
2) Der etwas grössere Betrag der Abweichungen gegenüber der Kauf-
männischen Messungen folgt daraus, das obige Tabelle »7 ^o/«^ ^''^^^
während bei Kaufmann die Quadratwurzel dieser Grösse ang^^benist
k
Kaihodenstrahlen,
609
Als Mittelwerth für z'lFJJ^ erhält man: 4378,75.
Die Rechnung ergiebt dann:
B
- = 1,868. lO^C.G.S.-Einheiten.
Tabelle IL
Die Kathodenröhre hat dieselbe Lage, wie bei dem ersten Versuche.
Die Anode wurde jedoch um 0,5 cm verschoben, sodass ihre Entfernung
?om Spulenrande nur noch 99 mm betrug (Punkt c in der Zeichnung).
Die entsprechende Stellung der Kathode ist in der Zeichnung durch die
Zahl II markirt, und ihre Entfernung von der Spulenaze betrug 200 mm;
die Strahlenbahn r— 6 hat bei dieser Anordnung eine Länge von 128 mm.
.. 1 . _.
«,'2 V
J«
6560
1,117
0,915
: 0,84
: 0,811
4260
7830
1,117
0,85
0,72
0,698
4380
8580
1,117
0,795
0,68
0,613
4220
8860
1,117
0,78
0,61
0,594
4210
9110
1,117
0,785
0,615
0,6
4370
9180
1,117
0,78
0,61
; 0,594
4355
9640
1,117
0,755
0,57
0,556
4290
10290
1,119
0,725
0,525
0,514
4225
10820
1,117
0,715
0,51
0,50
4330
10820
1,117
0,71
0,505
0,494
4280
11100
1,118
0,70
0.49
0,48
4260
11180
1,118
0,705
0,496
0,486
4380
11180
1,117
0,71
0,505
; 0,494
4420
11320
1,118
0,70
0,49
' 0,48
4380
11400
1,119
0,70
0,49
0,48
4370
11400
1,118
0,705
0,496
0,486
4430
11480
1,114
0,695
0,484
0,474
4380
11480
1,12
0,695
0,484
0,474
4340
11180
1,118
0,70
0,49
0,48
4410
11520
11520
1,115
1,117
0,70
0,69
0,49
0,475
0,48
0,466
4440
4300
11520
1,12
0,69
0,475
0,466
4270
11520
1,12
0,70
0,49
0,48
4400
11520
1,12
0,70
0,49
0,48
4400
11520
1,119
0,695
0,484
0,474
4360
11600
1,118
0,69
0,475
0,466
4320
11600
1,117
0,695
0,484
0,474
4400
11660
1,117
0,685
0,47
0,46
4300
Ann. d.
PhTi. n. Che
m. K. F. 6!
).
39
ö7o
-1,8
+ 0,9
-2,7
-3,0
+0,7
+ 0,4
-1,1
-2,6
-0,2
-M
r-1,8
+ 0,9
+ 1,9
+ 0,9
+0,7
+ 2,1
+0,9
0
+ 1,6
+ 2,3
-0,9
-1,6
+ 1,4
+ 1,4
+ 0,5
-0,4
+ 1,4
-0,9
610
S, Simon,
Aus dieser Beobachtungsreihe ergiebt sich als Mittd-
werth von s^^FJJ^: 4338,6 und es wird:
8
= 1,866 . 10^ C.G.S.-Einheiten.
Tabelle IH.
Bei dem dritten Verstiche schliesslich wurde sowohl die Röhre als anch
die Anode verschoben. Der Draht der Anode befand sich diesmal in
einer Entfernung von 95,5 mm von der Spulenaze (Punkt d in der Figar).
Dementsprechend war die Kathode 215,5 mm von der Aze entfernt (III).
Die ElntfemTing der Verschlnssplatte (e) von der Aze war in diesem Falle
45 mm. Folglich hatte der von den Strahlen zwischen Anodendraht und
Verschluesplatte zurückgelegte Weg d—e eine Länge von 140,5 mm.
Vo
J
Xo
*?
*'o*
7560
^\
4860
0,860
1,09
1,190
1,148
-2,6
4980
0,851
1,075
1,156
1,120
7730
-0,4
5660
0,855
1,01
1,02
0,99
7680
-1,0
5660
0,85
1,015
1,03
1,00
7850
+ 1,1
6090
0,85
0,96
0,922
0,897
7570
-2,5
6210
0,862
0,96
0,922
0,897
7500
-3,8
6560
0,84
0,98
0,865
0,843
7850
+ M
6560
0,865
0,95
0,903
0,879
7700
-0,8
6560
0,861
0,95
0,903
0,879
7800
+ 0,5
7110
0,858
0,92
0,846
0,825
7990
+ 2,9
7700
0,845
0,855
0,732
0,717
7740
-0,3
8000
1,15
1,145
1,311
1,260
7630
-IJ
8180
0,888
0,88
0,69
0,676
7900
+ 1,8
8850
0,85
0,815
0,664
0,652
8000
+ 3,1
8850
0,85
0,81
0,656
0,644
7900
+ 1,8
8850
0,85
0,81
0,656
0,644
7900
+ 1,8
9240
1,14
1,045
1,092
1,057
7520
-3,1
10820
1,149
0,99
0,980
0,952
7820
+0,8
11530
1,172
0,99
0,980
0,952
8000
+ 3,1
11840
1,149
0,98
0,865
0,843
7570
-2,5
Der Mittel werth von z'« FJJ* ist 7760,5. Es ergiebt sich:
e
/* .
= 1,860. 10^ C.G.S.-Einheiten.
Kaihodenstrahlen. 611
Die erste und dritte Messung haben die grösste Ab-
^ weichung von 0^43 Proc, die erste und zweite nur eine solche
' von 0,1 Proc. Als Mittelwerth der drei Resultate erhält man:
' = 1,866 . 10^ C.e.8.-Einheiten.
Zum Schlüsse spreche ich Hm. Dr. Kaufmann, der mir
die Anregung zu dieser Arbeit gab und mir bei der Aus-
führung derselben in der ausgiebigsten Weise mit Bath und
That behülflich war, meinen besten Dank aus.
(Eingegangen 25. August 1899.)
89'
4. Zur Messung elektrischer Grössen bei periodisch
veränderlichen Strömen; von C. Heinke.
Neben dem stationären Gleichstrom und dem durch
Dynamos erzeugten symmetrischen Wechselstrom, deren Aus-
gleicherscheinungen in allen wesentlichen Punkten nls geklärt
gelten können, nimmt gegenwärtig ein periodisch veränder-
licher Ausgleich Vorgang das Interesse in Anspruch, welcher
aus gleichgespannten Stromquellen mit Hülfe von sogenannten
Unterbrechern irgend welcher Art hervorgerufen wird. Diese
zwar schon lange bei den Primärkreisen der Inductorien prak-
tisch verwendete, aber noch nicht hinreichend messtechnisch
untersuchte elektrische Ausgleichform tritt jetzt bei Gelegen-
heit der Untersuchungen über den sogenannten elektrolytischen
Unterbrecher von Wehnelt und den daraus abgeleiteten
Formen^) mehr in den Vordergrund und lässt eine Klärung
der messtechnischen Seite um so dringender ersehenen, als
vermuthlich nicht nur bei den hier auftretenden Gasentladungen,
sondern auch bei den meisten übrigen mit Gasentladungen ver-
bundenen elektrischen Ausgleichvorgängen die Hauptausgleich-
grössen, d. i. Stromstärke und Spannung, sowohl bezügUch
ihrer Einzelmessung, als auch hinsichtlich ihres Verhältnisses
zu der in Frage kommenden elektrischen Energie bez. Leistung
(Effect) analoge Verhältnisse aufweisen werden.
Als Beweis dafür, dass messtechnisch eine Klärung er-
forderlich ist, mag nur auf die verschiedenen Publicationen
über den Wehneltunterbrecher verwiesen werden. Auf Grund
des Verhaltens der Messinstrumente wird — allerdings ohne
durchgreifende Begründung — von den meisten Autoren die
Messung der Ausgleichgrössen (Spannung und Strom) nur durch
quadratisch wirkende^ d. h. effective Mittelwerthe anzeigende
1) H. Th. Simon, Wied. Ann. 68. p. 860. 1899.
Messung elektrischer Grossen, 613
MessinstrumeDte (dynamometidscho, elektrometrische und Hitz-
drahtinstrumente) für zalässig erklärt; demgegenüber misst
P Ruhmer ^) in seiner werthvollen Arbeit „Ueber den Einäuss
der Temperatur des Elektrolyten*' die Stromstärke mit der
Tangentenboussole, d. h. voltametrisch. An anderer Stelle^)
erfolgt die Stromstärkemessung mittels Hitzdrahtinstrumentes
effectiv, trotzdem wird die so gemessene mittlere Stromstärke
zur Berechnung des zu erwartenden Gasvolumens nach dem
Faraday'schen Gesetz benutzt, welches oflfenbar den volta-
metrischen (galvanometrischen) Mittelwerth verlangen würde etc.
Diese Unsicherheit ist jedenfalls darauf zurückzuführen,
dass im vorliegenden Fall sowohl Gleichstrominstrumente als
Wechselstrominstrumente Angaben machen, welche einen ge-
wissen Sinn besitzen und ausserdem vielfach nicht sehr erheb-
lich voneinander abweichen. Obwohl auch bei der Messung
von symmetrischem Wechselstrom, d. h. Maschinenstrom, bei
welchem Spannungscurven und Stromcurven trotz beliebiger
Abweichung von der Sinus welle doch symmetrisch zum Null-
niveau liegen und bei Coordinatendarstellung die zwischen
Gurve und der das Nullniveau bezeichnenden Abscissenaxe
eingeschlossenen Flächen positiv und negativ gleich gross sind,
eine derartige Zweideutigkeit auch auftrat bez. noch auftritt,
so wiesen doch hier die Messinstrumente iu ihrem Verhalten
deutlich auf die Lösung hin, insofern nur die technischen
Weicheiseninstrumente, sowie bei Spannungsmessungen die strom-
verbrauchenden und ausserdem mit selbstinductionshaltigen
Wickelungen versehenen Messinstrumente, noch keine ein-
deutigen, d. h. von der Wechselzahl unabhängigen Angaben
lieferten, was sich bei Strommessungen durch die Hysteresis-
eigenschafben des Eisens, bei Spannungsmessungen durch die
Selbstinduction ihrer Wickelung eventuell in Verbindung mit
jenen magnetischen Erscheinungen erklärte. Alle übrigen
Messinstrumente, d. h. die eisenfreien, sowie für Spannungs-
messungen die praktisch hinreichend selbstinductionsfreien,
waren aber entweder quadratisch wirkende Messinstrumente,
d. h. sie wurden in jedem Moment von dem Quadrat des
1) £. Ruhmer, Elektrotechn. Zeitschr. 20. p. 457. 1899.
2) A. Voller u. B. Walter, Wied. Ann. 68. p. 582. 1899.
614 C. Heinke.
Momentanwerthes der Messgrösse angetrieben (Dynamometer.
Elektrometer und Hitzdrahtinstrumente) und maassen infolge
des mechanischen Trägheitsmomentes ihrer schwingenden Zeige^^
massen den sogenannten effectiven, d. h. für die elektrische
Leistung in Frage kommenden oder wirksamen Mittelwerth
der Spannung
j& =
bez. der Stromstärke
- i/i/.^..
wenn e und i den momentanen Spannungs- bez. Stromwerth
bezeichnet und T die Zeit einer Periode, oder es waren ein-
fach wirkende Messinstrumente mit zwei contrastirenden Feldern,
von denen der eine Feldfactor in der auf seine Feldaxe be-
zogenen Grösse constant blieb (Galvanometer, Tangenten-
boussole, Weston- und D'Arsonvalinstrumente), sodass die
veränderlichen Momentanwerthe der Messgrösse den vom Instru-
ment zur Anzeige gelangenden Mittelwerth
( t
F
t
0 0
= — / edt bez. ./'= — / idt
lieferten.
Bei symmetrischem Wechselstrom mit hinreichend kleiner
Periode, wie dem technisch gebräuchlichen, führt dies auf den
algebraischen Mittelwerth Null, d. h. ün-
brauchbarkeit derartiger Messinstrumente, falls
keine regelmässige Gommutirung der einen
Curvenhälfte erfolgt; im letzteren Falle wird
der voltametrische (galvanometrische) Mittel-
" ''^ ^ werth jedes Wechsels (Curvenhälfte) zu X an-
Fig. 1. gezeigt (einfaches Flächenintegral, vgl. Fig. 1),
während die qtiadratisch wirkenden Messinstrumente den
obigen Mittelwerth J=f.J' anzeigen, wenn /* den Formfactor
f
Messung elektrischer Grossen. ßl5
der Curve bezeichnet, der fiir Sinuswelle den Werih 1,11 an-
nimmt. ^)
Sobald man es nun mit elektrischen Ausgleichgrössen zu
thun hat, bei denen einerseits periodischer Verlauf, anderer-
seits Fehlen der Symmetrie des Curvenverlaufes gegenüber
dem Nullniveau vorliegt, so werden beide Arten Messinstru-
mente — die technischen Weicheiseninstrumente, sowie die
übrigen in ihren Angaben von der secundlichen Periodenzahl n
oder allgemein von dem aus der ersten Ableitung nach der
Zeit {dildfj = J.p sich ergebenden Factor /? = c . n, wenn
c = 44^ = 4/"^-
praktisch abhängigen Messinstrumente seien hier überhaupt nicht
weiter berücksichtigt, — Angaben machen, welche einen be-
stimmten Sinn geben und ausserdem in energetischer (effectiver)
Beziehung eine wichtige Zerlegung gestatten. Die bei gra-
phischer (Coordinaten-) Darstellung den zeitlichen Verlauf der
momentanen Spannungs- und Stromstärkenwerthe darstellenden
Curven mögen sowohl in Form, als auch in ihrer Lage zur
Abscissenaxe (Nullniveau) beliebig gestaltet sein, jedoch con-
tinuirlich und periodisch verlaufen. Die Angaben der Mess-
instrumente mit effectiven Mittelwerthen J^ bez. E^ werden
alsdann stets grösser — im Grenzfall höchstens gleich gross —
sein als die Angaben der Messinstrumente mit galvanometrischem
Mittelwerth / bez. E^, doch werden die letzteren im all-
g g^
gemeinen nicht Null, sondern einen ganz bestimmten Aus-
schlag
= ^/'
J^ = -~ I idt
0
zeigen — vorausgesetzt, dass die Periodenzahl in der Secunde
nicht so klein ist, dass die Instrumente theilweise folgen, in
welchem Fall der Mittelwerth, oder richtiger der Schwerpunkts-
werth zwischen den Grenzlagen des Zeigers einzusetzen wäre. —
Jener Ausschlag von / bez. E kann als das Gleichstrom-
1) Näheres vgl. in des Verfassers bei S. Hirzel in Leipzig er-
schienenen „Wcchselstrommessungen und magnetische Messungen" §§ 6
und 7, dem auch Fig. 1 entnommen.
616
C, Heinhe,
bez. Gleichspannungsniveau jener einseitig periodischen Ans-
gleichgrössen angesehen werden, dem ein Wechselglied auf-
gelagert ist, das im allgemeinen zwar nicht symmetrisdk^
gestaltet sein wird, aber für die meisten, namentlich alle
energetisch (efiPectiv) in Frage kommenden Zwecke durch einen
äquivalenten effectiven Mittelwerth ausdrückbar ist. Dieses
periodische Wechselglied im elektrischen Ausgleichvorgang kann,
zwar nicht hinsichtlich der Maximal werthe, aber sonst aller
übrigen, letzterwähnten Zwecke durch eine äquivalente Wechsel-
strom- bez. Wechselspannungscomponente mit dem f&r ana^
lytische Behandlung zu Grunde gelegten Sinusverlauf ersetzt
gedacht werden, wie die Messungen des Verfassers gezeigt
haben.
Wegen der nach dieser Richtung zulässigen Auflösung
jedes unsymmetrisch periodisch veränderlichen Ausgleichvor-
ganges in ein Gleichstrom nivean
•^ mit aufgelagertem Wechselstrom
j^ möchte ich^) für derartige elek-
{^4 — u trische Ausgleichvorgänge die Be-
J\ ^ Zeichnung „ Wellenstrom " vor-
schlagen, die auch hier der Eüzre
halber beibehalten sei. Die Wellen-
stromverhältnisse werden ähnlich
wie hinsichtlich der Messgrössen
auch in den erforderlichen Mess-
insti'umenten gleichsam den all-
gemeinen Fall darstellen gegenüber
Gleichstrom und symmetrischem
Wechselstrom: während nämlich
bei Gleichstrom beide Arten Mess-
instrumente, d. h. jederzeit die
Fig- 2.*) mit eflfectiven und die mit volta-
metrischen (galvanometrischen) Mittelwerthen, gleiche Angaben
machen, mithin nur eines der einen oder der andern Art f&r
jede Ausgleichgrösse (Stromstärke bez. Spannung) erforderhch
ist, und bei Wechselstrom (d. h. technischem bez. symmetrischem)
1) C. Heinke, Elektrotechn. Zeitschr. 20. p. 511. 1899.
2j Vgl. C. Heinke, 1. c. Fig. 11.
Messung elektrischer Grossen, 617
nur die effectiven Messinstrumente benutzbar sind, weil nur
sie Angaben machen , werden bei Wellenstrom beide Arten Mess-
f Instrumente voneinander abweichende Angaben machen, welche
jedoch beide nicht nur einen Sinn geben, sondern zu einer
YoUständigeren Charakterisirung des Ausgleichvorganges sogar
erforderlich sind.
Die mit der in Fig. 2 angedeuteten Messanordnung bei
Wellenstrom durchgeführten Messungen lieferten durch / das
vorhandene Gleichstromniveau, durch J^ den effectiven Mittel-
werth der Wellenstromstärke, woraus der auf J aufgelagerte
äquivalente Wechselstrom J^ , gleichfalls effectiv gemessen, sich zu
ergab, denn da die momentane Wellenstromstärke i^ durch
dargestellt ist, so zeigt das galvanometrische Instrument, wenn
T=s2 7i die Periodenzeit bezeichnet, den Werth
t/'" • ^* = inj'<^9 + V2 /^ sin a) rf« = y^ ,
0 0
hingegen das effectiv messende Instrument mit quadratischen
Momentanwirkungen, wie z. B. hier das Hitzdrahtinstrument
ü f 0
2
n
y y*(Ü' .dt=y 2~ J (/, + y 2 /. sin ay d a
In analoger Weise liefern die Spannungsmesser B^ und IJ
die zwischen zwei Punkten des Stromkreises bestehende efi'ec-
tive Wellenspannung £^ und das zwischen denselben Punkten
vorhandene Gleichspannungsniveau JE , woraus die aufgelagerte
äquivalente effective Wechselspannung sich zu
ergiebt.
Für die Messung von / , namentlich aber von E . wäre
noch zu bemerken, dass für ein symmetrisch zu dem wahren
I
618 C. Hemhe.
galvauometrischen Mittel (Gleichstromniveau) liegendes Wechsel-
glied, gleichgültig ob die Curve dem Sinusgesetz folgt oder
nicht, die etwaige Selbstindnction der benutzten galyano>#
metrischen Messinstrumente ohne Belang fiir ihre Angaben
ist. Sind jedoch die oberhalb und unterhalb des wahren
Gleichstromniveaus liegenden Curventheile jeder Periode sehr
stark unsymmetrisch, sodass bei
j-^^J^.p bez. -^^^E^.p'
der Werth p bez. p' für die obere und untere Corvenhälfte
des Wechselgliedes sehr verschiedene Werthe aufweist, so
würde eine merkliche Selbstindnction des galvauometrischen
Messinstrumentes veranlassen, dass der von ihm angezeigte
Werth J^ bez. E^ nicht das wahre galvanometrische Mittel
wäre, sondern etwas nach der Seite der Gurvenhälfte mit dem
kleineren Werth von p zu verschoben. Da bei dem im vor-
liegenden Fall zur Messung von E benutzten Präcisions-
Westoninstrument von dem gesammten, über 12 000^2 «betragen-
den Widerstand mehr als 12000 £i bifilar gewickelt sind und
nur das bewegliche System mit etwa 60 Windungen und an-
nähernd der gleichen Anzahl Ohm einen verhältnissmässig
kleinen Selbstinductionscoefficienten besitzt, so können seine
Angaben auch bei extremer Unsymmetrie des Wechselgliedes
nicht merklich von dem wahren galvanometrischen Mittelwerth
abweichen. Bei den mit Nebenschluss arbeitenden Ampere-
metern ist eher eine kleine Abweichung in extremen Fällen
zu befürchten, sodass dieselben bei kleiner secundlicher
Periodenzahl beim Wehneltunterbrecher Angaben machen
können, die ein wenig oberhalb des wahren Gleichstromniveaus
liegen. Eine Controle bez. Berichtigung dieser vermuthlich
auch nur geringen Abweichungen wäre durch gleichzeitige
Messung von J mit einem die volle Stromstärke fährenden
galvanometrischen Messinstrument, z. B. Tangentenboussole,
möglich. Eine derartige, allerdings an einer rotirenden Dnter-
brechervorrichtung vorgenommene Controlmessung lieferte keine
die Messfehlergrenzen überschreitende Abweichung zwischen
den Angaben beider.
Wichtig, ja für die Zulässigkeit und den praktischen
Messung elektrischer Grossen. 619
Nutzen der so gewonnenen Wechselcomponenten geradezu ent-
scheidend, ist die Frage, ob dieselben mit den energetischen
Messungen in Einklang stehen, sowie damit in Zusammenhang,
ob ihre Verwerthung im Polardiagramm, wie es zur Dar-
stellung der periodisch veränderlichen Grössen und ihrer gegen-
seitigen Beziehungen in der Wechselstromtechnik mit Vortheil
benutzt zu werden pflegt, eine Probe liefert, die befriedigt.
Dieses experimentum crucis fällt nun durchweg bestätigend
aus, soweit man es mit Rücksicht auf die Messfehlergrenzen
nur erwarten kann. Die Art des Vorgehens für die Aus-
werthung, sowie die Vornahme jener Probe möge in Verbin-
dung mit den für Wellenstrom wichtigen energetischen Ver-
hältnissen, namentlich der Messung von Wellenstromleistung,
an einem Beispiel im einzelnen erläutert werden (bezüglich
weiteren Zahlenmateriales aus den durchgeführten Messungen
sei auf die Aufsätze an anderer Stelle:^) „Ueber Wellenströme'',
sowie auf einen später erscheinenden Aufsatz „lieber Wellen-
stromerreger" verwiesen).
Wie die Skizze der Fig. 2 erkennen lässt, ist in dem
Hauptstromkreise in Serie mit den Ampöremetern J und J^ die
feste Spule eines Wattmeters eingeschaltet, während die be-
wegliche Spule nebst bifilarem Vorschaltwiderstand r mit den
Voltmetern E^ und E parallel geschaltet ist und durch Umlegen
zweier Bügel eines Quecksilberschalters bald an die Punkte 1
und 3 („Wehneltunterbrecher" und inductivem Widerstand, hier
Transformator), bald an 1 und 2 (Wehneltunterbrecher allein),
bald an 2 und 3 (Transformator, secundär offen oder belastet)
angelegt wird und jedesmal die zwischen diesen Punkten zur
Umsetzung gelangende elektrische Leistung (effective Wellen-
stromleistung PJ in Watt misst.*)
Die als Beispiel angeführten, sich auf Messung Nr. 105
beziehenden Zahlen wurden bei folgenden Versuchsbedingungen
gewonnen: activer Querschnitt im Wellenstromerreger (Wehnelt-
unterbrecher V) gebildet durch den mit positivem Pol einer
1) C. Heinke, Elektrotechn. Zeitschr. 20. p. 511. 1899.
2) Näheres über Wattmetermeasungen, sowie erforderliche Correo-
tionen vgl. die oben erwähnten ^^ Wechselstrommessungen" § 54 n. ff.
Leipzig, S. Hirzel 1897.
620 C. Hemke.
Accumulatorenbatterie von 64 Volt verbandenen Platinstift von
1,2 mm Durchmesser und etwa 38 mm herausragender Länge, also
etwa 143 qmm wirksamer Oberfläche; inductiver Widerstand,#
gebildet durch die Niederspannungswickelung eines Igeltrans-
formators von Swinburne, mit etwa 0,06 J2 Widerstand, an-
genähert 0,020 Henry Selbstinductionscoefficient ohne secundäre
Belastung, 200 Windungen mit etwa 17,5 qcm Eisenquerschnitt,
Uebersetzungsverhältniss ; 1:10 d.h. Hochspannungswickelung
2000 Windungen ; letztere war an einen Hochspannungsconden-
sator von Swinburne angeschlossen, dessen 5 eingeschaltete
Abtheilungen mit technischem Wechselstrom die wirksame
Capacität von etwa 2,40 Mikrof. besass; der bei vorliegendem
Versuch mit Hitzdrahtampäremeter gemessene Ladestrom /n
betrug 0,44 Amp. bei etwa 440 Volt Secundärspannung.
Von den Tabellenwerthen beziehen sich die in Tab. 1
angeführten Zahlen auf die unmittelbar mit Messanordnung
in Fig. 2 beobachteten Grössen, natürlich unter Anbringung
der etwaigen Instrumentencorrectionen, während die in Tab. 2
aufgeführten Zahlen die abgeleiteten Grössen darstellen. Die
Werthe jeder horizontalen Messreihe, die sich der Reihe nach
auf die der Messung unterworfene Kreislaufstrecke zwischen
den Punkten 1 und 3 (obere Reihe), 1 und 2 (mittlere Reihe),
2 und 3 (untere Reihe) beziehen, sind gleichzeitig beobachtet:
Tabelle
1.
^.
E^
^.
J.
P«
Volt
Volt
Amp.
Amp.
Watt
30,0
39
10,1
12,2
137
29,5
58
10,2
12,2
113
0,5
43,5
10,2
Tabelle
12,2
2.
24
n
P^
E^
P,
E^.Jg
Watt
Amp.
Volt
J^E^
cos (p
9
304
-166
6,84
25,0
171
-0,97
-14«
300
-187
6,66
50,0
333
-0,562
-55 5a
5
+ 19
6,66
43,5
290
+ 0,065
+ 86 20
Der Vergleich der in den einzelnen Leiterstrecken wirk-
lich zur Umsetzung gelangenden Netto watt unter P^ (effective
Wellenstromleistung) mit den scheinbar zugefUhrten Gleich-
t
Messung elektrischer Grössen,
621
)mwatt unter P = JE . J (scheinbar Gleichstromleistung) weist
e eigenartige Energieverschiebung innerhalb jeder Periode
\ die nur der aufgelagerte Wechselstrom mit seinen Fac-
3Q E^ und J^ bewirken kann, die sich aber hierdurch auch
[ig befriedigend erklären lässt. Behält man für die analytische
leitung zunächst die Darstellung des Wechselgliedes durch
e äquivalente Sinuswelle bei, so wird nach obigem ein
iebiger Momentanwerth der Wellenstromstärke
gestellt, worin {y2.J^) der bei der Sinuswelle vorhandene
ximalwerth und sin cc die jeweilige Phase des Wechselgliedes
leichnet, welche den Momentanwerth t^ desselben bedingt
ypw
y^
y J
Fig. 8.
1. Fig. 3 mit der Darstellung in rechtwinkeligen und Polar-
»rdinaten). Analog ergiebt sich für den Momentanwerth
* Wellenspannung
^«, = ^, + (Vä. J?^)8in(a + 9) = ^^ ± e^,
nn die Phasenverschiebung, d. i. bei Sinuswellen der auf die
riode bezogene zeitliche Abstand der Maximalwerthe, von
annung e^ und Stromstärke C im Polardiagramm durch
1 Winkel qp ausgedrückt wird. Bei Curven, welche von der
lusform abweichen, wird hier in der Wechselstromtechnik
iktisch schon stets eine äquivalente Phasenverschiebung
geführt, welche an Stelle der Maximalwerthe den Abstand
r hinsichtlich der Leistung in Frage kommenden Schwer-
ien einerseits der Stromcurve, andererseits der Spannungs-
:ve setzt und durch
cos 9> = -^^
622
C, Heinke.
geliefert wird, wenn P^ hier die wirkliche, d. h. zur Umsetzung
in andere Energieform gelangende Wechselstromleistung be-
zeichnet und H^ bez. J^ die for sich gemessenen effectiven^
Mittel^erthe der Spannung bez. Stromstärke. Diese äqui-
valente Phasenverschiebung soll auch hier bei den unsymme-
trischen Wechselgliedem zur Anwendung gelangen. Zunächst
erhält man jedoch als Momentan werth der Wellenstromleistung
7^«, = ^«, • L = [^, + (Y^^-) sin « + qp] [J^ + {-ßjjj sin a]
und über die ganze Periode integrirt den durch das Watt-
meter angezeigten mittleren (effectiven) Werth der Wellen-
stromleistung
P^ = £g.J^ + B^.J^.coB(p = P^±P^.
Bildet man aus den gemessenen Werthen
SO ergeben sich die oben unter P^ aufgef&hrten Werthe, sowie
mit Hülfe der, wie oben angegeben, abgeleiteten äquivalenten
effectiven Mittelwerthe für e/L und
S^ und der scheinbaren Wechsel-
stromleistung P^== J^ . E^ die
Werthe von cos 9, sowie daraus
der Winkel 9 der äquivalenten
Phasenverschiebung für die Da^
Stellung im Polardiagramm, wo-
bei hier das Vorzeichen Minus
den Winkelabstand der Span-
nungscomponente von der Ver-
längerung des Stromvectors J^
J^'ijßtAmß.
Fig. 4.
über den Anfangspunkt hinaus ausdrücken soll, während
Plus (-1-) sich auf den Stromvector selbst bezieht (vgl Dar-
stellung in Fig. 4).
Die wie oben durchgeführten Messungen enthalten nun in
mehrfacher Hinsicht eine Ueberbestimmung und gestatten die
Probe auf die Zulässigkeit bez. Richtigkeit der abgeleiteten
Werthe wie folgt:
Nach dem abgeleiteten Werth für E^*"^ = 60 Volt und
Messung elektrischer Grössen, 623
cos ^j = — 0,562 folgt die arbeitleistende (auf J^ reducirte)
Componente zu
J&J.2 . cos y^ = -^ = - 28,1 Volt,
denn ^
50. (- 0,562) =-i|^ = -28:i.
Ebenso folgt die arbeitleistende Componente der Spannung
E^^ zu
i?i8.co8 9,= ^ = +J|. = + 2,85 Volt
oder die aus beiden resultirende Componente
E]^ . cos 9 = E)^ cos cp^ + E"^^ . cos ?), = - 25,2 Volt,
was durch das resultirende cos y = — 0,97 dividirt den Werth
E^s SS 26 Volt ergäbe, d. h, mit Rücksicht auf die vielen be-
nutzten Beobachtungen und als Kestglied einer längeren Rechnung
mit abgerundeten Werthen sehr nahe in üebereinstimmung
mit dem abgeleiteten WertL
unter Vermeidung der Benutzung aller abgeleiteten Werthe
der ersten Reihe erhielt man rechnerisch genauer
£ij = y (^1.2)2 + (^2^)2 + 2.El^K El^ . cos {(p, + (p,)
= 25,4 Volt.
Nach der obigen Ableitung musste dies mit dem beob-
achteten E]^^ 30 Volt zusammen eine effective Wellenspannung
I
^1.8 _ y (^1.3)2 + (^1,3)1 ^ 39^3 Volt
geben.
Da mit dem Hitzdrahtvoltmeter E];^ = 39 Volt beobachtet
wurde, so ist das so gut in Üebereinstimmung, d. h. die Probe
80 befriedigend als man im vorliegenden Fall nur erwarten kann.
Das vorliegende Beispiel lässt schliesslich noch besonders
deutlich erkennen, dass bei allen elektrischen Ausgleichvor-
gängen mit Wellenstromcharakter trotz Entnahme der elek»
frischen Leistung aus einer Gleichstromquelle die zur Umsetzung ge-
langende Leistung P^ auch nicht annähernd durch die gemessenen
Einzelgrössen , d. i. Spannung E und Stromstärke J gegeben
zu sein braucht, da weder das Product der voltametrisch ge-
messenen Mittelwerthe P = E , e7 , noch dasjenige der effectiven
624 C. Hemke.
Mittelwerthe E„'J„ die wirkliche elektrische Leistung liefern.
Die letztere hängt vielmehr noch in hohem Grade von der
äquivalenten Phasenverschiebung zwischen der aufgelagerten^
Wechselstromcomponente /^ und der zwischen den Enden
einer jeweils ins Auge gefassten Ereislaufstrecke vorhandenen
Wechselspannungscomponente JS^ ab und kann nicht nur grösser,
sondern vielfach auch bedeutend kleiner als P sein, wie z. B.
stets innerhalb des Wellenstromerregers. Für die ganze Strecke
zwischen den Punkten 1 und 8 ist im obigen Beispiel E^ und
J^ in Phase nahezu entgegengesetzt und deshalb eine Minder-
leistung gegenüber P von fast dem vollen Betrag li]^,J^
vorhanden.
Dass ein Mischproduct, z. B. J , E^y aus galvanometrisch
gemessener Stromstärke und effectiv gemessener Spannung, wie
es zur Bestimmung der Leistung bei Gasentladungen zuweilen
benutzt worden ist, dieselbe bei Wellenstromcharakter der
Entladungen nicht zu liefern vermag, bedarf wohl kaum des
besonderen Hinweises.
Gegenüber dieser sich auf Messung gründenden Auslegung
der Wellenstromerscheinungen, welche sich den Thatsachen
soweit anpasst, dass ihre Zulässigkeit bez. Richtigkeit kaum
zu widerlegen sein dürfte, kommt die Frage nach der Ent-
stehung der gemessenen Grössen im Zusammenhang mit den
schon anderweitig bekannten Ausgleichgesetzen erst in zweiter
Linie. Hier kann man auf Grund der vielseitigen Analogien
mit den bei Wechselstrom auftretenden elektrischen Besonanz-
erscheinungen ^) die bei Wellenstrom auftretenden Spannungs-
steigerungen der effectiv gemessenen Werthe auch einer durch
das Wechselglied verursachten elektrischen Resonanz zuschreiben.
Alsdann ist man genöthigt, im Wellenstromerreger, speciell
den mit Elektrolyten arbeitenden Unterbrecher, eine Capacitäts-
Wirkung anzunehmen, etwa entsprechend derjenigen, wie sie
aus den von H. von Helmholtz über Doppelschichten durch-
geführten Ueberlegungen folgen würde; die Berechnung eines
äquivalenten Capacitätswerthes im Wellenstromerreger wäre als-
dann naheliegend. Andererseits kann man die Erklärung ohne
Zuhülfenahme einer Resonanz sowie ohne Annahme eines
1) Vgl. Elektrotechn. Zeitschr. 18. p. 61. 1897.
Messung elektrischer Grössen, 625
Capacitätswerthes versuchen. In Physikerkreisen neigt man
gegenwärtig mehr der letzteren Anschauung zu^ doch sprechen
nach meiner Ansicht verschiedene Messergebnisse zu Gunsten
der ersten Auffassung, deren Stützung auf Grund des ge-
wonnenen Zahlenmaterials in einem gesonderten Aufsatz ver-
sucht werden soll.
Besultat.
Bei elektrischen Ausgleichvorgängen mit Wellenstrom-
charakter lässt sich Spannung und Stromstärke durch gleich-
zeitige Messung mit galvanometrisch und mit effectiv an-
zeigenden Messinstrumenten in je zwei Componenten zerlegen,
ein constantes Glied und ein aufgelagertes Wechselglied, wobei
das letztere in energetischer (effectiver) Hinsicht den E^atz
durch eine äquivalente, symmetrische Sinuswelle gestattet.
Die Messung der wirklichen Wellenstromleistung kann,
ähnlich wie bei Wechselstrom, nicht durch eine getrennte
Strom- und Spannungsmessung erfolgen, sondern bedarf elek-
trisch einer besonderen Messvorrichtung, am besten eines zu-
verlässigen Wattmeters, oder muss, wo dies nicht ausführbar,
indirect aus der während längerer Zeit umgesetzten Energie-
menge bestimmt werden, indem man die gesammte elektrische
Energie in Wärme überführt und diese calorimetrisch der
Messung zugänglich macht.
(Eingegangen 1.1. August 1899.)
Ann. (L Phjt. u. Chom. N. F. 69. 40
5. Veher die höchsten hörbaren
und unhörbaren Töne van c^ = 4096 Schwingungen
(utj = 8192 V8), bis über P {fa^,), zu 90000 Schwin-
gungen (180000 V8), nebst Bemerkungen über die
Stosstöne ihrer Intervalle, und die durch sie
erzeugten KundV sehen Staubflguren;
von Rudolph Koenig.
Die oft citirte Reihe sehr hoher Stimmgabeln^ mit der
Despretz im Jahre 1848 seine üntei*snchangen über die
Grenze der Hörbarkeit der höchsten Töne angestellt, war von
Marloye angefertigt worden, welcher erklärt^), dieselbe von
c^ bis c^ vermittelst der Schätzung ihrer musikalischen Inter-
valle mit dem Ohre gestimmt zu haben, und dass er darauf
auch noch hätte das Intervall der höheren Octave dieses
letzten Tones stimmen können, also r^(u^o ^ 66,536 vi\
welcher Ton schon sehr beträchtlich über der mittleren Grenze
der Hörbarkeit normal hörender Menschen liegt. Nun ist es
allerdings möglich, dass es Menschen geben kann, deren G^ör
die angeborene oder durch üebung erlangte Fähigkeit besitzt,
auch noch Töne zu vernehmen und ihre musikalischen Inter-
valle zu erkennen, die wegen ihrer Höhe ftlr gewöhnliche Ohren
nicht mehr existiren, aber leider ist es in solchen Fällen immer
so gut wie unmöglich, sich mit Sicherheit davon zu über-
zeugen, ob diese Fähigkeit bei den betreffenden Personen deon
auch wirklich existirt oder nur eingebildet ist Mein schon
aus diesem Grunde nur sehr geringer Glaube an die Richtigkeit
der von Marloye hergestellten Töne schwand vollst&ndig, als
gleich in den ersten Jahren, nachdem ich 1858 angefangen
hatte, mich mit der Anfertigung akustischer Apparate zu be-
schäftigen, ich mehrfach Gelegenheit hatte, an Musikern die
Beobachtung zu machen, dass bei ihnen allen, trotz ihres oft
sogar aussergewöhnlich gut ausgebildeten musikalischen Gehörs,
1) Marloye, Einleitung zu seinem Catalog von 1851, p. 7.
Höchste hörbare und unhÖrbare Töne, 627
die Beartheilung der musikalischen Intervalle immer schon in
der oberen Hälfte der Octave von c* eis c^ anfing, erst un-
sicher und dann vollständig fehlerhaft zu werden. Unter
solchen Umständen schien es mir nöthig, dass Töne, welche
über c\ut,) hinausliegen; nothwendig entweder durch eine ganz
objective Methode hergestellt werden müssten, oder in Er-
mangelung einer solchen, wenigstens durch eine Methode, bei
der das Ohr nichts zu verrichten hätte, was die Fälligkeiten
des gewöhnlichen guten Gehörs überschritte, und dass in jedem
Falle auch die Richtigkeit ihrer Stimmung sich durch eine
dieser Methoden immer müsste mit Sicherheit prüfen lassen,
wenn sie in der Wissenschaft wirklich verwerthbar sein sollten.
[eh construirte also im Jahre 1874 eine Reihe von Stimmgabeln,
welche ich so massiv als möglich wählte, um mit denselben
recht starke DiflFerenztöne zu erhalten, vermittelst deren Ver-
wendung ich beim Stimmen bis zu /"^(/flg = 43690,6 t;*) ge-
langte. Die Zinken dieser letzten Gabel hatten nur noch
sine Länge von 14mm, welche gleich ihrer grössten Dicke
war, was denn natürlich zur Folge hatte, dass sie schon allein
nur noch schwer in Schwingung versetzt werden konnte, und
08 noch schwieriger war, ihren Ton zugleich mit dem der nur
wenig längeren ihr vorhergehenden Stimmgabel e'' stark genug
EÜr die Erzeugung des Diflferenztones hervorzulocken. Gabeln
mit dünneren Zinken für die gleichen Töne mussten natürlich
leichter erregbar ausfallen, dafür wäre aber bei ihnen auch
wieder der Ton schwächer geworden, und ich glaubte daher
annehmen zu dürfen, dass man auch mit solchen Gabeln
vermittelst der angewendeten Stimmmethode nicht viel weiter
würde gelangen können. Jedenfalls liess ich es damals bei
dieser ersten Stimmgabelreihe bewenden, es schien mir aber
interessant, nun auch noch zu zeigen, welche Dimensionen die
anderen Tonwerkzeug nach ihren Schwingungsgesetzen be-
rechnet, annehmen müssen, um solch hohe Töne erzeugen zu
können, und so stellte ich, ausser einer Reihe von transversal-
schwingenden Stahlstäben, wie ich eine solche schon 1867 auf
der Ausstellung in Paris gezeigt hatte, auch noch Reihen von
longitudinalschwingenden Stäben, von Platten und von Orgel-
pfeifen her, welche ich alle 1876 auf die Ausstellung in Phila-
delphia schickte, in der Absicht, nach dem Schlüsse derselben
40*
628 R. Koeniff.
eine Beschreibung dieser Arbeit zu veröffentlichen. Da erfahr
ich dort in der Ausstellung selbst, dass Preyer kürzlich^
eine Arbeit^) hätte erscheinen lassen, in welcher er über eimr
Stimmgabelreihe spräche^ die bis zum e^ hinaufreichen sollte,
und darauf las ich dann auch selbst in seiner Schrift, dass
er über dieselbe sagt (p. 21): „Innerhalb der ganzen Reihe
lassen sich sehr deutliche Differenztöne erzeugen, und dadurch
wird die Richtigkeit der Tonhöhe der Gabeln bewiesen/' und
weiter (p. 22): „Da es aber in der grossen Höhe auf einige
Schwingungen mehr oder weniger zuerst nicht ankam, so
wurden die Differenztöne zum Stimmen benutzt.'' Hiemach
musste man also nothwendig annehmen, dass seine Gabehi
wirklich vermittelst der Differenztöne gestimmt waren und
folglich nur ganz kleine Fehler haben konnten. Da jedoch
diese Resultate Frey er' s in vollkommenem Widerspruche mit
meinen eigenen Beobachtungen standen, so würde ich nach
meiner Heimkehr von Amerika der Sache sofort auf den Orond
zu kommen gesucht haben, wenn es mir nicht unmöglich ge-
wesen wäre, dieses zu thun, ohne dabei vor allen Dingen
auch die von Preyer angewendete Gabelreihe, oder doch
wenigstens eine solche Reihe gleichen Ursprunges einer Prüfung
zu unterwerfen, über welche aber den Bericht zu erstatten
mir dann voraussichtlich sehr schwer gewesen sein würde,
ohne mich dabei, in meiner Eigenschaft als Verfertiger
akustischer Apparate, dem Yerdachte auszusetzen, vielleicht
nicht allein im rein wissenschaftlichen Interesse in dieser
Angelegenheit das Wort genommen zu haben. Ich beschloes
also, mit allen Mittheilungen über die höchsten Töne zu
warten, bis die besagten Stimmgabeln erst einmal von irgend
einem anderen Gelehrten, ohne meine Betheiligung dabei,
geprüft sein würden, und begleitete vorläufig nur die Anzeige
meiner Stimmgabelreihe von c^ bis f^ in meinem Catalog von
1882 (Nr. 47) und in dem von 1889 (Nr. 50) mit einer kleinen
Notiz, in welcher ich, nach der Beschreibung, wie man die
Gabeln zu zweien auf dem Gestelle zu befestigen hätte, sagte:
„Schon mit den drei letzten Stimmgabeln über c^ wird die
Hervorbringung und Beobachtung dieser Töne recht schwer,
1) W. Th. Preyer, Die GreDzen^der Ton Wahrnehmungen.
Höchste hörbare und unhörbare Töne, 629
ich habe daher vorgezogen, die Reihe mit f abzuschliessen,
damit man mir nicht den Vorwarf machen könne, in das
P Reich der Einbildung zu gerathen. Für fast alle Ohren ist
übrigens die Grenze der Hörbarkeit mit diesen letzten Tönen
nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten, und für be-
jahrte Leute sinkt diese Grenze gewöhnlich bis unter c' =
16384 Schwingungen.' <
Seitdem hat nun aber, wie bekannt, zuerst Melde 1894
nachgewiesen, dass in Stimmgabelreihen gleicher Art und
gleichen Ursprunges, als der von Frey er angewendeten,
schon c® um eine kleine Terz falsch war, bei einem c' aber
der Fehler sogar eine volle Octave betrug, worauf dann
1897 Stumpf und Meyer in der von Preyer selbst be-
nutzten Serie nicht nur Fehler gleicher Grösse vorfanden,
sondern auch noch constatirten, dass die Gabeln in derselben
nicht einmal ,^ununterbrochen in die Höhe gehen'', obgleich
Preyer (S. 21) noch ganz besonders betont hatte, dass
wenn sie von c^ an der Reihe nach erklingen, er stets „voll-
kommen deutlich erkennt, dass sie bis zum e^ immer höher
werden''. Damit scheint mir der Grund also wohl nun fort-
gefallen zu sein, aus welchem ich früher Anstand nahm, meine
persönlichen Bemerkungen, die ich bei der Beschäftigung mit
den höchsten Tönen gemacht, zu veröffentlichen, und so will
ich sie nun, aber auch jetzt noch mit Ausschluss jeder Be-
urtheilung oder Kritik fremder Arbeiten, in Folgendem zu-
gleich mit meinen neuesten Untersuchungen über diesen Gegen-
stand zusammenstellen, was mir dann auch noch Gelegenheit
geben wird, meine früheren Untersuchungen über Stösse und
Stosstöno durch die Beobachtung der Stosstöne an Intervallen
der höchsten Töne vervollständigen zu können.
I. Ueber die höchsten Töne, welche man durch direotes Stimmen
herstellen kann.
1. Stimmgabeln voo c' bis fis'', vermittelst der Stosstöne
gestimmt
Ehe ich nach der Herstellung der oben erwähnten Reihe
sehr massiver Stimmgabeln zur Anfertigung neuer vermittelst
der Stosstöne gestimmter Reihen schritt, machte ich zahlreiche
Versuche mit Stimmgabeln von sehr verschiedener Masse und
630 R. Koeniff.
auch von sehr verschiedener Form^ bei denen sich heraus-
stellte, dass die Gabeln für die höchsten Töne, welche am^
leichtesten in Schwingung versetzt werden konnten and mtr
denen sich auch am besten die Stosstöne mit genügender
Deutlichkeit erzeugen Hessen, bedeutend geringere Masse haben
mussten, als die Gabeln der alten Reihe, so dass also z. B.
die Gabel für /*^ jetzt nur noch Zinken hat, deren grösste
Dicke unten etwa 6 mm und oben 4 mm, bei einer Länge von
12 mm, beträgt. Alle diese neuen Stimmgabelreihen umfassen
aber auch wie die alte die Töne der diatonischen Tonleiter
von c«(tt^ = 8192 t;*) bis f^(fa^ = 43690,6 vs). Mit den
tiefsten Stimmgabeln derselben bis etwa zum p^ oder a^ er-
hält man noch ohne jede Schwierigkeit ganz leicht zu beob-
achtende Stosstöne, indem man die betreffenden zwei Gabeln
schnell hintereinander anschlägt; über a^ hinaus klingen die
Gabeln aber nicht mehr, nachdem man sie angeschlagen hat>
lange genug nach, man ist daher gezwungen, sie durch einen
Bogenstrich zu erregen und ihre Töne während desselben zu
beobachten. Stosstöne können unter solchen umständen dann
natürlich nur entstehen, wenn zwei Gabeln zu gleicher Zeit
angestrichen werden. Für ein solch gleichzeitiges Anstreichen
zweier Gabeln bedient man sich am besten eines besonders zu
diesem Zwecke hergerichteten schweren Ständers aus Gass-
eisen, welcher eine Art von doppelter Schraubenpresse trägt,
wie Fig. 96 in meinem illustrirten Catalog von 1889 zeigt
Auf diesem Gestelle befestigt man die beiden Stimmgabeb
mit ihren Flächen dicht nebeneinander und mit ihren Zinken-
enden in gleicher Höhe, man fasst dann den Gontrabassbogen
mit beiden Händen am Frosch und am Eopfo und stellt da-
durch aus ihm einen Doppelbogen her, dass man die beiden
Zeigefinger durch die Mitte seines Bezuges steckt, wo man
dann mit demselben Bogenstriche über die Enden der Gabeln
beide zugleich zum Schwingen bringt. Soll der Bogen nur für
diese Experimente dienen, so ist es zweckmässig, etwa ein
Fünftel der Haare des Bezuges aus seiner Mitte für das be-
quemere Durchstecken der Finger herauszuschneiden. Ohne
diese Vorsicht, den Bezug des Bogens in der angegebenen
Weise in zwei Theile zu theilen, führt beim Anstreichen der
Oberfläche der Zinken immer ein Theil der Haare zwischen
•
Höchste hörbare und unhörbare Töne. 631
die beiden Gabeln und verhindert dabei die Entstehung ihrer
Schwingungen.
Diese Experimente lassen sich ganz leicht bis etwa zum
ff* ausführen, über diese Grenze hinaus gelingen sie aber
immer schwerer, und hat man erst c^ von 16384 Schwingungen
überschritten, so gehört schon eine sehr grosse üebung und
Sicherheit im Anstreichen dazu, noch Stosstöne mit den Gabeln
bis f^ hervorzubringen. Alle meine Versuche aber, auch noch
das ff^ auf diese Weise zu erreichen, brachten mich trotz
meiner gi'ossen Uebung und auch Geduld nur noch bis in die
Mitte zwischen f^ und ^^, wo die Mühe und Anstrengung, den
Stosston noch hervorzubringen, schliesslich so gross wurde,
dass ich es aufgab, weiter zu gehen und es auch für f^^ bei
der einen Gabel, mit der ich es erreicht, bewenden Hess, und
in der Folge die Reihe der Gabeln immer schon bei f^ abbrach.
2. BemerkuDgen über die Stosstöne beim Zusammenklange
zweier Tone von c* bis fW,
Ich lasse nun hier die Tabelle folgen, welche sämmtliche
Stosstöne enthält, die sich mit allen zwischen diesen Gabeln
möglichen Intervallen hervorbringen und beobachten lassen,
sodass sie] füglich als eine Fortsetzung der von mir früher
in meiner Abhandlung „üeber den Zusammenklang zweier
Töne''^) gegebenen angesehen werden kann, in welcher ich
sämmtliche Stösse und Stosstöne zusammengestellt habe, die
sich an Intervallen mit den Grundtönen von Contra F{fa_^y
Gr. C (ti^). Kl. c, c*, c*, c', c* beobachten lassen. In folgender
Tabelle (vgl. p. 632 u. 633) für die Intervalle mit den Grund-
tönen von c^ bis f habe ich nur eine etwas andere Anordnung
gewählt, die mir hier angemessener schien. In dieser enthält
die Verticalcolumne links die Grundtöne mit ihren Verhältniss-
zahlen und Schwingungen, die Horizontalreihe oben die höheren
Töne mit ihren Verhältnisszahlen sämmtlicher Intervalle. Die
oberen Stosstöne der Intervalle der ersten Periode von 1 : 1
bis 1:2 habe ich einfach, die unteren Stosstöne der Intervalle
der zweiten Periode von 1:2 bis 1:3 doppelt in derselben
unterstrichen.
1) R. Roenig, Pogg. Ann. 157« p. 203—215. 1875; Quelques £zp.
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634 Ä. Koenig.
Ein Blick auf diese Tabelle lässt sofort erkennen, dass
die Intervallweite, bis zu welcher sich Stosstöne beobachten
lassen, mit der Höhe des Grundtones immer kleiner wird,#
sodass sie, die für den Grund ton c* noch bis über eine Nene
reicht, für c® nur noch eine Quarte, für c' gar nur noch etwas
über einen ganzen Ton, und für e' und f^ bloss noch einen
halben beträgt. Es ist hiernach sehr möglich, dass die grosse,
ja sogar unüberwindliche Schwierigkeit, auf welche ich bei
meinen Versuchen noch über das oben erwähnte fW hinaus
weiterzustimmen, gestossen war, zum Theil auch darin mboi
Grund gehabt haben wird, dass das Intervall 16 : 16 fllr den
Grundton f schon die grösste Weite besass, bei weldiortidi
hier überhaupt noch ein Stosston bilden konnte, nnd dMi es
also vielleicht möglich wäre, wenn man mit dem erhalfcOlMl/b'
als Grundton, eine andere Stimmgabel noch höher zu stimm
versuchte, um mit dieser zuerst zwischen fW nnd y' sn ge-
langen, und darauf die auf solche Weise gewonnene Qibel
dann wieder als Grundton benutzte, dann mit einer dlitten
Gabel schliesslich das g'' noch zu erreichen. ESne MMifi
Arbeit würde aber immerhin so schwierig auszuiUuen ittiy
dass sie wohl kaum die Mühe lohnen dürfte, besondere dawh
ein gleiches Resultat, wie man weiterhin sehen wird, jetrt auf
weit einfachere Weise erreichen und sogar weit übertreffen Itot
Dass die Intervallweite, in deren Grenzen StosstOne dle^
haupt hörbar sind, mit der Höhe der Grundtöne so betriebt-
lieh abnimmt, ist jedenfalls höchst bemerkenswerth. Man be-
greift in der That nicht, warum z. B. g^ mit d^ (3 : 4), ganz
vortrefflich den Ton 1 =^* giebt, aber mit c® (2:3), keine
Spur von einem Stosston hören lässt. Es lässt sich dieses
weder dadurch erklären, dass etwa das Intervall 3:4 als ein
kleineres besser hörbar sein sollte als die Quinte, da ja in
allen tieferen Lagen gerade der Stosston der Quinte, als aus
dem oberen und unteren Stosston zugleich bestehend, ganz
besonders stark zu sein pflegt, noch lässt sich der Grund da-
von in dem Umstände finden, dass die Intensität der sehr
hohen Stimmgabeltöne mit ihrer Höhe schnell bis zu Null
abnimmt, denn die Intensität von g^ bleibt in den beiden an-
gegebenen Fällen dieselbe, während von den Gruudtönen aber
gerade c® stärker ist als d^.
HÖchiU hörbare und unhÖrbare Tone.
685
Eine ganz genaue Grenze der Intervallweite för einen
gegebenen Grundton wird sich natürlich darum nie mit Be-
Btimmtheit angeben lassen, weil dieselbe zwar hauptsächlich,
aber doch nicht nur allein von der Tonhöhe des Grundtones
abhängt, und auch die Intensität der primären Töne und das
mehr oder weniger empfindliche Gehör des Beobachters nicht
ohne li^näuas auf sie sind, aber die von mir mit den von
Fig. 1.
mir angewendeten Tönen erlialtenen Resultate lassen sich Itlr
die Grundtöne der neun Octaven Gr. C bis e' sehr annähernd
genau durch die Fig. 1 gegebene Curve darstellen, wovon
man sich durch eine Vergleichnng mit den in den beiden Ta-
bellen zusammengestellten Experimenten überzeugen kann.
In dieser Figur sind auf der Abscissenlinie in gleichen Ab-
ständen voneinander die Grundtöne in Octaven aufgetragen,
und ist die Weite der Intervalle seitlich neben der Ordinate
der Intervallweite des Grundtones Gr. C (ud,), verzeichnet.
Eine zu grosse Enge des Intervalles ist der Hörbarkeit
636 R. König.
der Stosstöne ebenfalls nicht besonders günstig. So hört man
bei Ä'^c®(15:16) zwar den Ton 1 = c* noch recht gut, doch
bringt man ihn nur noch mit sehr starkem Anstreichen der^
Gabeln heraus, und bei ä® : c^{15 : 16) ist der Ton 1 = c* schon
so schwach, dass man ihn kaum mehr vernehmen kann. Eine
ganz besonders merkwürdige Thatsache ist aber jeden&Us
die, dass Stosstöne, welche in eine Gegend der Scala fallen,
in der das Ohr meistens Töne zu hören gut gewöhnt ist^ auch
dann noch von solchen Personen vernommen werden können,
für welche die sie hervorbringenden primären Töne selbst
schon über der Greaze der Hörbarkeit liegen.
Als ich im Jahre 1874 die erste Reihe Stimmgabeln von
c* bis f stimmte, welche ich 1876 in Philadelphia ausstellte,
und dann gegen 1880 eine neue, über welche ich in meinem
Katalog von 1882 unter Nr. 47 eine kurze Notiz gab, hörte
ich noch alle Töne, mit welchen ich arbeitete. Im Jahre 1890,
als ich neue Gabelreihen herzustellen hatte, bemerkte ich,
dass f mir ganz unhörbar geworden war und ich auch e^
nur noch mitunter, etwa bei aussergewöhnlich gut gelungenem
Bogenstriche, oder auch, wenn meine Ohren in einem be-
sonders guten Zustande sein mochten, wirklich gut hörte.
Jetzt endlich in meinem 67. Jahre, geht es mir mit dem d'
schon ebenso wie vor zehn Jahren mit dem e^, welches ich
nun gar nicht mehr vernehmen kann, dieses hat mich jedoch
nie gehindert, und hindert mich auch jetzt noch nichts mit
Sicherheit bis zum f meine Gabeln vermittels der Stosstöne
genau stimmen zu können. Auch ist es den verschiedenen
Gelehrten, vor welchen ich im Laufe der letzten Jahre Ge-
legenheit hatte, diese Experimente zu wiederholen, ausnahmslos
ohne grosse Mühe immer gelungen, die Stosstöne zu hören,
welche vermittelst der Gabeln von c' bis f^ erzeugt wurden,
obgleich üicht einer von ihnen die Töne selbst alle bis zum f
hinauf hören konnte und die Grenze ihrer Hörfahigkeit mit-
unter kaum viel über c' zu liegen schien. Auch konnte in
allen diesen Fällen von einer etwaigen Illusion keine Bede
sein, da die betrefifenden Hörer die von ihnen vernommenen
Töne unter den Hülfsgabeln immer selbst herausfanden. Das
auffallendste Hören von Stosstönen, deren primäre Töne nicht
vernommen wurden, hatte ich aber Gelegenheit an einem
Höchste hörbare und unhörbare Töne. 637
Musiker zu beobachten. Er stand noch in den besten Mannes-
jahren und hatte ein sonst so gut ausgebildetes musikalisches
Gehör, dass er alle Stosstöne, welche ich ihn bei Intervallen,
die sowohl mit den tiefsten wie mit den allerhöchsten Stimm-
gabeln der ganzen Reihe gebildet waren, hören Hess, immer
ohne die geringste Unsicherheit und ohne jedes Zögern sofort
richtig erkannte und auch mit den entsprechenden Hülfsgabeln
angeben konnte, die Töne der Gabeln selbst hörte er aber
nur bis a®, und schon h^ existirte für ihn nicht mehr, sodass
die Grenze seiner Hörfähigkeit also zwischen a^ und A®, und
somit eine ganze Quinte tiefer lag als die höchsten Töne des
Intervalles e^:/^, dessen Stosston er noch ohne jede Schwierig-
keit hören und erkennen konnte. Ich erfuhr später, dass er
einige Zeit vorher, ehe ich ihn kennen lernte, eine lange,
schwere Krankheit durchzumachen gehabt hätte, und vielleicht
mag diese bei ihm ein Sinken der Hörgrenze für die höchsten
Töne zur Folge gehabt haben.
Unter allen Stosstönen in obiger Tabelle befinden sich
nur drei, welche der Gattung der unteren Stosstöne der zweiten
Periode angehören und bei den Intervallen 0*^:^(4:9), d*:«®
(9:20) und d*:/^(27:64) vernommen werden, dass man zwei
dieser Töne bei Intervallen mit dem Grundton d^ erhält und
nur einen mit dem von c^, hat seinen Grund offenbar darin,
dass von c^ : d^ bis zu c^ : e^ die Intervallweite gleich um eine
ganze Tonstufe zunimmt, dagegen aber von (f^ : e® biszuif'^:/^
nur um einen halben Ton, sodass die äusserste Grenze der
Intervallweite, bis zu welcher sich noch ein Resultat aus Zu-
sammenklängen mit den Grundtönen c'^ und d^ erhalten lässt,
zwischen 4 : 9 und 2 : 5 fällt.
Obere Stosstöne der Intervalle der ersten Periode von
1:1 bis 1:2 findet man in der Tabelle sechs bei den Zu-
sammenklängen c^\a^, d^ih'^, d^:c^, e'^ic^, e^:d^ und f^id^.
Auch bei den drei ersten dieser Stosstöne bemerkt man wieder,
dass aus dem gleichen Grunde wie bei den vorher erwähnten,
man mit dem Grundtone c'^ nur einen einzigen oberen Stosston
bei c^ : a^ (3 : 5) erhält, dass ein solcher sich aber nicht mehr
bei der Elrweiterung dieses Intervalles um einen ganzen Ton,
von c^:a^ bis zu c*: ä'^(8 : 15), hören lässt, während man mit
dem Grundtone d^ das Intervall c?'^: A^(3 :5), um einen halben
638 R. Koenig,
Ton bis zu </^:c®(9 : 16) erweitern kann, ohne dass sein Stoss-
ton verschwindet. Die Hörbarkeit der oberen Stosstöne der .
ersten Periode zeigt sich also ebenso wie die der unteren^
Stosstöne der zweiten Periode durchaus abhängig von dem
directen Abstände des höheren Tones Tom Gmndtone, wo«
gegen seine Stellung zum ersten harmonischen Tone des
Grundtones ganz gleichgültig zu sein scheint, denn der untere
Stosston der zweiten Periode verschwindet, wenn sich der
höhere Ton des Intervalles c^:d^ um einen ganzen Ton, statt
nur um einen halben von der Octave des Grundtones entfernt,
während der obere Stosston der ersten Periode des Intervalles
c^ : a'^ aufhört, hörbar zu sein, wenn sich der höhere Ton dieser
Octave des Grundtones gerade um einen ganzen Ton nähert,
statt nur um einen halben.
Eine besondere Aufmerksamkeit verdient bei den oberen
Stosstönen der ersten Periode auch noch das sehr starke und
alleinige Auftreten derselben bei den Intervallen 3:5, c^\a^
und d^:h^. In der That, bei dem gleichen Intervalle 3:5,
mit den Grundtönen c\ c*, c' gebildet, ist bei c^ : a} der untere
Stosston, 2 = /*, weit stärker als der obere, 1 = i^, der sich
direct noch kaum vernehmen lässt. Bei c^ia}, c^',a} gleicht
sich die Intensität der beiden Töne dann aber mehr und mehr
aus, bis diese bei c^ : a^ schliesslich gleich stark geworden sind,
bei c^ : a^ endlich ist dann aber der untere Stosston 2 = /^
nicht nur schwächer gegen den oberen geworden, sondern sogar
schon so vollständig verschwAinden, dass man keine Spur mehr
von ihm hört, und allein nur noch den oberen Stosston 1 =s/^,
und zwar dieses f^ ganz ebenso stark als bei der Quarte
c*^ : Z**^ (3 : 4), wo es ebenfalls allein, aber als unterer Stosston
auftritt.
Alle anderen beobachteten Stosstöne in der Tabelle ge-
hören der Klasse der unteren Stosstöne der ersten Periode an,
welche ihrer Schwingungszahl nach also mit den Differenztönen
zusammenfallen, und sie sind es auch, welche man nur allein
als Hülfsmittel beim Stimmen der höchsten Töne zu verwenden
hat, wobei man dann immer hauptsächlich solche Intervalle
wird zu wählen haben, deren höherer Ton so viel als möglich
in die Mitte der Intervallweite fällt, in welcher f&r den ge-
gebenen Grundton sich Stosstöne überhaupt beobachten lassen,
Höchste hörbare und unhÖrbare Töne, 639
weil man diese unter solchen Umständen dann am stärksten
^ und deutlichsten hörbar erhält.
" Nach der Erfüllung der Bedingung, die Stosstöne nur
überhaupt erst deutlich hervorzubringen, ist dann das Wich-
tigste, ihre Tonhöhe genau bestimmen zu können, da hiervon
auch die Genauigkeit abhängt, welche sich beim Stimmen mit
ihrer Hülfe erreichen lässt. Werden Stosstöne durch tiefere,
lange anhaltende Töne erzeugt, und haben dann auch selbst
eine längere Dauer, so existirt keine Schwierigkeit, ihre Ton-
höhe vermittelst der Stösse mit Hülfsgabeln, deren Schwingungs-
zahlen bekannt sind, ganz ebenso genau zu bestimmen, als
die eines primären Tones von gleicher Schwingungsdauer; aber
wenn schon die primären Töne, durch welche sie hervorgebracht
werden, wie die der sehr hohen Stimmgabeln, nur noch während
der ganz kurzen Zeit eines Doppelbogenstriches existiren, so
hat auch das Erklingen der Stosstöne dann eine so kurze
Dauer, dass es so zu sagen nur dem momentanen Aufleuchten
eines Lichtblitzes gleicht, und es somit unmöglich sein würde,
die Methode der Stösse bei ihrer Vergleichung mit Hülfstönen
zur Verwendung zu bringen, es bleibt also unter solchen Um-
ständen dann kein anderes Mittel übrig, als die Ueberein-
stinunung der Stosstöne mit den Hülfstönen vermittelst des
musikalischen Gehörs abzuschätzen. Ich habe gefunden, dass
eine solche Schätzung dadurch sehr erleichtert vrird, dass man
mit passenden kleinen Stimmgabeln die Hülfstöne ebenso kurz
und schnell abgebrochen mehrmals hintereinander hervorbringt,
wie die Stosstöne unter einer Reihe aufeinanderfolgender Doppel-
bogenstriche sich hören lassen. Auch kann man dem Ohre
noch dadurch zu Hülfe kommen, dass man den betreffenden
Stosston abwechselnd mit einem etwas zu hohen und einem
etwas zu tiefen Hülfston vergleicht, und femer ist es zweck-
mässig, für einen zu stimmenden Ton sich nie nur mit der
Bestimmung des Stosstones von einem einzigen Intervall zu
begnügen, sondern vielmehr immer, so weit dieses angeht, mit
dem gleichen Tone die Stosstöne mehrerer Intervalle zu er-
zeugen und dann zu bestimmen, wodurch man besonders ver-
hütet, dass die etwa begangenen Fehler bei den aufeinander
folgenden Gabeln der Reihe sich summiren könnten. Aber
trotz aller angewendeten Sorgfalt bleibt die Anwendung des
I
640 R. Koenig.
musikalischen Gehörs natürlich doch immer eine Quelle von
Fehlern, die schon störend werden könnten, wenn nicht eip
bei der Schätzung der Tonhöhe des Stosstones begangen^^
Fehler immer nur einer weit geringeren üngenauigkeit dei
Intervalles der ihn hervorbringenden Töne entspräche, wie mia
aus folgendem Beispiel erkennen kann. Bei dem Intervalle
der Secunde 8:9 ist der Stosston =» 1, erweitert man diese
Secunde aber allmählich, indem man ihren höheren Ton bis
zur Terz 8:10 erhöht, so wird der Stosston schliesslich =»2,
sodass also während der Erweiterung des Intervalles um nur
einen Ton er selbst eine ganze Octave durchlaufen hat, wonuis
hervorgeht, dass, wenn man beim Stimmen der Intervalle
zwischen 8 : 9 und 8:10 in der Schätzung des Stosstones einen
kleinen Irrthum beginge, dieses nur einen sechs Mal kleineren
Fehler bei den Intervallen zur Folge haben möchte. Wie
gering darum auch in Wirklichkeit diese Fehler aus&llen,
davon kann man sich durch folgende einfache Elzperimente
mit einigen Stimmgabeln aus der Reihe selbst Bechenschaft
geben.
Das Intervall a'^ : (P ist, bloss nach den Noten gerechnet,
eine Quarte, und wenn diese rein wäre, so müsste sie bei
8:4 den Stosston d^ hören lassen, wie eP wirklich genaa mit
c® (8 : 9) den Stosston 1 = c\ und mit h^ (5 : 6) den Stosston
1 = ^ giebt, da es sich hier aber um Töne der auf den Onmd-
ton c etablirten diatonischen Tonleiter handelt, so ist das
Verhältniss von a^icP in Wirklichkeit 20:27, und also xm
ein Komma, 80 : 81, weiter, als das reine Quartenintervall 8:4;
diese kleine Abweichung lässt aber schon einen so beträcht-
lichen Unterschied zwischen dem Stosstone dieses gestörten
Intervalles und dem Hülfstöne d*" hören , dass man offenbar
noch weit geringere Abweichungen von der Reinheit des
Intervalles 3:4 vrürde sofort bemerken können, als die um
ein Komma. — Man kann das gleiche Experiment auch mit
den Tönen a^, h^, c^ und d^ machen, aber in diesem Falle
befindet sich der Stosston von a^icP schon an der G^tenie
seiner Hörbarkeit und ist nur noch schwer zu erhalten.
Aus den vorstehenden Erörterungen geht also hervor, dasi
man vermittelst der Stosstone Stimmgabeln, welche gut ge-
arbeitet sind, um ihr Maximum von Intensität zu geben, sehr
f
I
Höchste hörbare und nnhÖrbare Töne, 641
woU mit grosser Genauigkeit bis zum f und selbst bis zum
fW stimmen kann, und dass sich auch die Richtigkeit ihrer
' Stimmung immer mit einigen Doppelbogenstrichen sofort nach-
weisen l&sst, aber diese Stimmmethode hat darum doch den
Nachtheü, dass sie nicht gestattet, einen einzelnen bestimmten
Ton direct, ohne eine mehr oder weniger grosse Anzahl von
Zwischengabeln herzustellen, welche so zu sagen die Brücke
bilden müssen, über welche man erst zu ihm gelangen kann,
indem man von c^ ausgeht, einem Tone, für den sich noch
Stimmgabeln herstellen lassen, welche eine genügend lange
Schwingungsdauer und auch genügend grosse Schwingungs-
amplituden haben, um vermittelst der optischen und akustischen
Pi^isionsmethoden noch direct mit den Schwingungen der
Normalstimmgabel von c^=^b\2v8 bei 20^ Geis, in genaue
Uebereinstimmung gebracht werden zu können. * Es soll daher
im nächsten Abschnitt nun eine Methode besprochen werden,
welche, ohne jede Mitwirkung des Ohres, die directe Her-
stellung jedes beliebigen Tones bis weit über die Grenze der
Hörbarkeit hinaus gestattet.
8. Stimmgabeln von c^ bis über f^ zu 90000 Schwingungen,
vermittelst der Kundt'schen Staubfiguren gestimmt
Bekanntlich hat Lord Rayleigh^) gezeigt, wie man die
Wellenlänge eines hohen Tones erhalten könne, indem man in
einiger Entfernung von der Tonquelle den Ton von einer Glas-
platte reflectiren lässt, und in den auf diese Weise zwischen
der Tonquelle und der reflectirenden Fläche erzeugten stehen-
den Wellen die Stellen der aufeinanderfolgenden Knoten und
Bäuche vermittelst einer sensitiven freien Flamme unter starkem
Drucke bestimmt, welche in ersteren ihre grösste Ruhe, in den
letzteren aber die grösste Bewegung zeigt. Diese Methode
scheint mir jedoch für die Töne der elastischen festen Körper,
wie die der Stimmgabeln, Stäbe etc., sehr schwer anwendbar,
besonders weil diese alle immer nur von einer sehr kurzen
Dauer sind, und ich glaube daher vielmehr, in der Methode
der Staubfiguren von Kundt das eigentlich beste, einfachste
und bequemste Mittel sehen zu müssen, vermittelst dessen
1) Lord Rajleigh, Phil. Mag. 7. p. 153. 1879; Rajleigh Sound,
second edition 2. p. 408. 1896.
W Ann. d. Vhjt, u. Cbem. N. F. 69. 41
642 R. Koenig.
sich die Wellenlänge sehr hoher Töne, und somit also auch
ihre Schwingungszahl, mit grösster Genauigkeit ermitteln lässt
Während einiger Versuche, welche ich im vorigen Sommer^
anstellte, um die mechanische Wirkung zweier gleich hoher
und für das Ohr ungefähr gleich starker Töne zu prüfen, von
denen einer durch longitudinale, der andere durch transversale
Schwingungen erzeugt wurde, war es mir aufgefallen, wie sehr
leicht und mit welcher Schärfe die Staubfiguren von Kundt
unter gewissen Bedingungen durch starke, sehr hohe Stimm-
gabeln, wie ich sie für die Beobachtung der Stosstöne cod-
struire^), in Röhren hervorgerufen wurden; und so fing ich an
zu untersuchen, bis zu welcher Höhe auch die Stimmgabeln
einer Reihe für die höchsten Töne, wie ich sie im Vorher-
gehenden beschrieben, der gleichen Wirkung fähig sein möchten,
weil dann die Staubfiguren in Röhren, welche die halben
Wellenlängen der Töne sichtbar darstellen, bis zu dieser Höhe
hin als höchst bequemes, von den Leistungen des Ohres voll-
ständig unabhängiges Mittel zum Stimmen der Stimmgabeln
mussten verwendet werden können. Gleich bei meinen ersten
Versuchen hatte ich fast ohne jede Mühe die Staubwellen mit
allen Stimmgabeln für die Töne von c* bis c^ erhalten, und
als ich darauf nach einer Unterbrechung diese Experimente
wieder aufnahm, konnte ich auch mit den Tönen von c^ bis p
noch ebenso gute Staubfiguren erzeugen, wie auch femer noch
mit der kleinen oben erwähnten Stimmgabel für den höchsten
Ton, welchen ich überhaupt, und nur einmal, vermittelst der
Stosstöne gestimmt, und mit der ich etwa die Mitte zwischen
f und g^ erreicht zu haben meinte. Diese bildete in einer Röhre
von 6 mm Durchmesser, Halbwellen von ungefähr 7,45 mm Länge.
Nimmt man die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles
in der Luft bei der Temperatur von 0^ zu 330,60 m an
und die Zunahme dieser Geschwindigkeit für 1^ Gels, zn
0,60 m, so erhält man die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Schalles in der Luft bei 20 <^ Gels. = 342,60 m, welchen Wertfa
ich bei allen folgenden Tonhöhebestimmungen durch die
Länge der Halbwellen immer zu Grunde gelegt habe. Die
Schwingungszahl der kleinen Gabel war hiemaeh also gleich
1) Catal. Nr. 201. 1889.
Höchste hörbare und urüiÖrbare Töne. 643
342600/7,45 = 45986,5 vsj und fiel somit auch wirklich gerade
zwischen fW (43690,4 vs) und ges'' (47185,6 vs).
Bis hierher hatte es sich immer nur noch um Schwin-
gungen und Tonhöhen gehandelt, die auch schon auf anderem
Wege nachgewiesen worden waren, jetzt aber versuchte ich
denn auch zwei winzige kleine Stimmgabeln, welche sich unter
den zahlreichen anderen befanden, die ich für die Versuche,
um die beste Stimmgabelform für sehr hohe Töne zu ermitteln,
früher angefertigt hatte. Diese kleinen Stimmgabeln, deren
nach oben zu verjüngte Zinken bei einer Länge von 9 und
8,5 mm, unten nur eine Dicke von etwa 3 mm und oben von
1,76 mm hatten, waren noch nie weder direct vernommen
worden, noch hatten sie jemals einen Stosston miteinander
oder mit anderen Tönen zusammen hören lassen, aber ein
Bogenstrich reichte bei jeder von ihnen hin, sofort die Staub-
wellen in der ganzen Länge der Bohre von 6 mm Durchmesser
hervorzubringen, welche für die eine 8,65 mm, für die andere
8,2 mm lang waren, sodass ihre Töne demnach entsprechend
zwischen cP und e'' und zwischen e'' und f fielen, und ich
also aus ihnen sofort ein genau gestimmtes e''^ und ein f her-
stellen konnte. Diese Gabeln entsprechen also, wegen der
geringen Dicke ihrer Zinken, Tönen, welche ich an starken,
für die Erzeugung der Stosstöne gefertigten Gabeln früher
noch direct gehört, und deren Stosstöne ich auch jetzt noch
vollständig gut vernehme, und wenn sie mir, wie auch anderen
Beobachtern immer vollständig stumm geblieben waren, so
zeigt dieses, welche grosse Rolle die Intensität bei sehr hohen
Tönen in Bezug auf ihre Hörbarkeit spielt, und dass Stimm-
gabeln, welche für die Hervorbringung der Stosstöne genügend
stark gefertigt sind, zwar auch immer vortrefflich für die Er-
zeugung der Staubwellen dienen können, dass aber weniger mas-
sive Stimmgabeln für dieselben Töne, selbst wenn sie vollkommen
gute Staubwellen erzeugen, darum noch keineswegs immer
auch hörbare Stosstöne hervorzubringen im Stande sein werden.
Es galt nun zu ermitteln, bis zu welcher Höhe vermittelst
dieser Methode der Staubfiguren sich noch würden Stimm-
gabeln mit genau bestimmten Schwingungszahlen herstellen
lassen. Ein vorläufiger Versuch mit einer alten etwas rohen
Stimmgabel, deren parallele Zinken von unten bis oben eine
j « *
644 R, Koenig,
gleiche Dicke von etwa 3 mm hatten, aber im Verhältniss zu
ihrer Länge offenbar zu weit voneinander abstanden , brachte
mich bei der Verkürzung ihrer Länge nur bis in die Nähc^
.von A^ mit Stimmgabeln aber, die ich darauf in passender
Form für diese Experimente gefertigt hatte, gelang es mir
schliesslich, sämmtliche Töne der diatonischen Tonleiter von
9^ («o/g) bis p (/'ojj =s 174762,6 v s) herzustellen, aUerdings
nicht ohne grosse Mühe, denn von c^ ab wurde mir schon jeder
nächst höhere Ton immer schwerer und schwerer zu erreichen.
Es ist wahr, dass, wenn ich ihn erst erlangt und darauf mit
ihm mehrfach Staubfiguren erzeugt hatte, es mir dann immer
bald viel leichter wurde, solche von Neuem mit ihm zu er-
halten. Mit den Tönen e^ und p ist es mir auch jetzt noch
mitunter schwer, ihre Staubwellen hervorzubringen, wenn sie
jedoch plötzlich hervorspringen, sind sie stets noch so be-
stimmt gezeichnet, dass mit diesen Tönen die möglichst höchste
Grenze noch nicht erreicht zu sein scheint, und dass ich daher
hoffte, vielleicht noch die runde Zahl von 100000 Schwingungen,
welche nur noch um weniger als eine kleine Terz höher als
p ist, erreichen zu können. Dieses gelang mir jedoch nicht
Nachdem ich eine Schwingungszahl mit einer nur sehr wenig
kürzeren Halbwellenlänge als 1,9033 mm erreicht, welche
letztere genau 90000 Schwingungen entspricht, war es mir
nicht mehr möglich, noch weitere Staubwellen hervorzurufen.
Da die Länge der Zinken der höchsten Gabeln, im Verhältniss
zur Breite der Spalte zwischen ihnen, schliesslich sehr gering
geworden war, so glaubte ich, dass Gabeln für die gleichen
Töne mit schmaleren Spalten vielleicht noch eine etwas grössere
Schwingungsfähigkeit besitzen würden, und construirte also fftr
diese noch eine neue Reihe von Gabeln, bei welchen die
Spalten für c® und rf® 1,5 mm, für e^ und /'® 1,0 mm, und bei
zwei Gabeln für die etwa über p hinaus zu erreichenden
Töne nur 0,5 mm Breite hatten, aber auch mit diesen konnte
ich nicht weiter vordringen und sah mich also gezwungen,
schliesslich bei den erreichten 90000 Schwingungen die ganze
Stimmgabelreihe bis auf weiteres abzubrechen.
Die Töne über c^ hinaus, welche man hiemach mit sehr
genauer Stimmung jetzt herstellen kann, erstrecken sich also
über vier und eine halbe Octave, und man könnte sie iÜgUch
i
Höchste hörbare und unhÖrbare TÖne.
645
in drei Gruppen eintbeilen, nämlich in die der durchaus hör-
baren Töne von c^ bis c\ in die der Töne von c^ bis c®,
zwischen welchen die Grenze ihrer Hörbarkeit bei verschiedenen
Personen und bei Personen verschiedenen Alters schwankt,
und endlich in die der durchaus unhörbaren Töne von c^ bis
/^ + 2618,6:= 90000 Schwingungen, und was sich über diesen
letzten Ton hinaus noch etwa sollte erreichen lassen.
Ich gebe hier folgend die Tabelle sämmtlicher von mir
hergestellter Töne der letzten beiden Gruppen von c^ bis zu
90000 Schwingungen, mit den Längen ihrer Halbwellen in der
Luft bei der Temperatur von 20® cent. (i/2), der Schall-
geschwindigkeit von 342,60 m und ihren Schwingungszahlen
in einfachen Schwingungen {v s) und in Doppelschwingungen {v d),
Tabelle der Stimmgabeln für die Töne von c' bis su
90000 Schwingungen mit den Lftngen ihrer Halbwellen nnd
ihren Schwingungszahlen.
c'' (ut^) L/2 ^ 10,4558 mm
d:' (r^) L/2 " 9,2986
«' <mt,) L/2 = 8,8642
r (M L/2 = 7,8418
g^ {8oi^) L/2 = 6,9702
n^ (/a,) L/2 = 6,2732
Ä» («!,) L/2 - 5,5761
c» (u^o) L/2 = 5,2276
rf* (r«,o) L/2 = 4,6468
c» (miio) L/2 = 4,1821
r (/«lo) L/2 = 3,9207
g* («o/,o) L/2 = 8,4851
a» (/Oio) L/2 = 3,1366
Ä« («iift) L/2 = 2,7880
c* (w^i) L/2 = 2,6138
rf» (rcji) L/2 = 2,3234
«• (Wi„) L/2 = 2,0911
/^ (/a,i) L/2 = 1,9604
1,9038
82768 V s
86864 V s
40960 r 8
43690,6 V 8
49152 V 8
54618 V 8
61440 V 8
65536 V 8
73728 r s
81920 r s
87381,8 r 8
98804 V 8
109226,6 r s
122880 r s
181072 V 8
147456 r s
163840 r j»
174762,6 r .s
180000 r «
16884 vd
18482 9 d
20480 V d
21845,3 rc/
24576 V d
27806,6 rc^
80720 V d
82768 f d
86864 ^ £{
40960 V d
43690,6 9«;
49152 V d
54618,3 9(^
61440 V d
65536 f7 c^
73728 V d
81920 9<i
87381,3 rd
90000 f (^
Fig. 2 zeigt die Staubfiguren der Töne c^, c®, e®, ^®, c^,
Figg. 3, 4, 5 die der Töne von c' bis c®, von c® bis c® und
von c® bis /^, nebst drei mit der Stimmgabel von QOOGOSchwin-
gungen erhaltenen Figuren, in fast genau natürlicher Grösse.
\
Die Giaaröbren waren mit einem ihrer Enden m Rinnen, nnter
fedeniclen StahlliimelleTi, auf einem Breite befestigt, das sie .
w^"i«'ir"s5'i'^'^ft *?^,
*t/' \iif-'
%/' W
i(. "!^|^h(;''^"?i^}(>^ "''';!'
aeitlich über einer BcbwarzenSammetHäche überragten, zwischen
zTiei in lliliimelern gelheilten Maassstäben , welche jedoch
Höcbtte horhare und ttnkörbare T^me.
aatürlicb zn ganz genauen Messungen der photographirten
Jt&ubwellen nicht werden dienen kQnnen, da die Staubwellen
und die Theilungen beim Photograpbiren sich nicht genau in
der gleichen Kbene befanden. Da schon die geringste Er-
648 R. Koemg. I
sehütterung hinreicht, diese Staubfiguren, besondere die dw ■
höchsten Tfiiie, theilweise oder gar ganz m zerstören, so ist r '
\
nicht leicht, eine gröaseie Anzahl solcher Uiasröhren h
UDeinandcr zu befestigen und dabei jeden, auch selbstsn '
650 7?. Koenig.
selbst aber verdanke ich Hrn. Prof. Marey, welcher so freund-
lich war, dieselben bei mir und unter seiner eigenen Leitung
aufnehmen zu lassen, wofür ich ihm, wie auch den Herrei^
Lucien Bull und Eossonis in seinem Laboratorium, die
mich dabei unterstützten, hiermit meinen aufrichtigen und herz-
lichsten Dank sage. Die Figg. 2 — G sind heliographisch von
P. Duj ardin ausgeführt worden.
4. Bemerkungen über die Staubfiguren der Töne von €^ bis/*.
Der Grad der Genauigkeit der Bestimmung vonSchwingungs-
zahlen, welcher sich vermittels der Methode der Staabfigoren
erreichen lässt, hängt von der Messung der Länge der Staub-
wellen in den Röhren ab, und von der Uebereinstimmung der
Länge dieser Wellen mit der Länge der Wellen derselben
Töne in der freien Luft
Um die directe Messung der Länge der Staubwellen in
den Röhren mit absoluter Genauigkeit ausführen zu können,
müsste man in zwei Wellen zwei sich ganz genau entsprechende
Punkte auffinden können, und man weiss, dass dieses bei den
verhältnissmässig noch langen Halbwellen von c^ bis c* aller-
dings nicht gut angeht, doch lässt sich die hieraus entspringende
Fehlerquelle erstens schon dadurch verringern, dass man statt
die Mittelpunkte zweier Knoten oder zweier Bäuche in zwei
Wellen aufzusuchen, vielmehr zwei Punkte wählt, welche von
der Mitte der Knoten oder Bäuche gerade so weit in derselben
Richtung entfernt sind, dass ein Abstand von dieser überhaupt
nicht mehr zweifelhaft sein kann, wodurch in jedem Falle schon
die Möglichkeit, dass sich die Ungenauigkeiten in den Be-
stimmungen der beiden Punkte summiren könnten, verhindert
wird, dann aber ist es möglich, den Mittelwerth der Halb-
wellenlänge aus Messungen sehr beträchtlich viel zahlreicherer
Wellenreihen abzuleiten, als man es bis jetzt immer getban
hat. Ich fand in der That, dass eine Stimmgabel c* mit
Zinken von 20 mm Breite ^) nicht nur in einer Röhre von
23 mm Durchmesser eine Reihe von 38 bis 40 gut aasge-
bildeter Halbwellen, wie sie Fig. 2 zeigt, hervorrief, sondern
dass in zwei aneinander gesetzten und luftdicht miteinander
verbundenen gleichen Röhren die Bildung der 75 — 80 auf-
J) Aus Cat. Nr. 201. 1889.
Höchste hörbare und unhÖrbare Töne, 651
einanderfolgenden Halbwellen auch noch durchaus nichts zu
wünschen übrig liess. Erst nach dem Ansatz noch einer
dritten solchen Röhre wurden die Rippen der Halbwellen
weniger scharf , ohne jedoch dass die Wellen selbst , welche
jetzt eine Reihe von 115 — 120 bildeten, darum ihre Messbar-
keit verloren hätten. Mit einer Stimmgabel c®^) erhielt ich in
zwei aneinander gesetzten Röhren von 20 mm ebenfalls 90
bis 100 aufeinanderfolgende gut messbare Halb wellen, und
mit der Stimmgabel c^, aus demselben Satze, in einer Röhre
von 11 mm Durchmesser, auch noch gegen 100 gut ausgebildeter
Halbwellen, welche sich jedoch nach Ansatz einer zweiten
gleichen Röhre nicht mehr hervorrufen Hessen.
Es ist offenbar, dass man sich bei der Bestimmung der
beiden sich entsprechenden Punkte in zwei Wellen weder um
die Hälfte, noch um ein Viertel einer Halbwelle wird irren
können, selbst die Annahme, dass der Irrthum ein Achtel oder
ein Zehntel ihrer Länge sollte betragen können, durfte durchaus
übertrieben erscheinen, ein Fehler dieser letzten Art, welcher
bei der directen Messung nur einer einzigen Halbwelle die
Bestimmung der Schwingungszahl dann allerdings um einen
ganzen Ton fälschen würde, müsste aber auf hundert Wellen
▼ertheilt, welche man mit den Tönen von c^ bis c® ganz be-
quem erhalten kann, nur noch einen Fehler von weniger als
einem Komma bedingen. Bei den Tönen über c^ hinaus muss
aber die Länge der Röhren dann einer immer geringeren An-
zahl von Halb wellen gleich werden, wenn man in ihnen gute
Staubwellen erhalten will. So fand ich, dass in der Mitte
der Octave von c® bis c®, in Röhren, deren Länge etwa die
von 50 Halbwellen der betreffenden Töne war, sie sich schon
schlecht oder gar nicht mehr bildeten, während sie nach der
Verkürzung der gleichen Röhren um 10 bis 15 Halb wellen
dieser Töne sofort wieder erhalten werden konnten. Wenn
bei sehr hohen Tönen die höchst mögliche Genauigkeit in
ihrer Tonbestimmung hiernach also allerdings etwas geringer
vrird, so gewinnt sie andererseits auch wieder durch den
umstand, dass die vermittelst dieser höchsten Töne hervor-
gerufenen Staubfiguren schliesslich nur noch in einer Reihe
Ij Aus Cat. Nr. 50. 1889.
I
652 B. Koeniff,
ganz kleiner gleicher Anhäufungen in den Wellenbänchen be>
stehen y welche wie eine Reihe einzelner Perlen in gleichen
Abständen aneinander aufgereiht liegen, deren Mittelpunktt#
sich mit grosser Genauigkeit bestimmen lassen.
Für die Herstellung der Töne über c^ schien mir übrigens
die möglichst genaue Messung der Länge einer Reihe von
20 Halbwellen durchaus hinreichend, und so habe ich bei der-
selben immer nur Röhren angewendet, welche nicht mehr als
SO Halbwellen der betreffenden Töne enthalten konnten, wo
ich dann immer mit Fortlassung einiger Wellen an den Enden
der Röhre die gewünschte Reihe von 20 gleichmässigen Halb-
wellen erhalten, und gewöhnlich sogar von mehreren yer-
schiedenen Ausgangspunkten messen konnte.
Die Weite der Röhren ist bei diesen Experimenten Ton
noch viel grösserer Wichtigkeit als ihre Länge, denn wie man
weiss, ist erstens die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles
in der Luft in zu engen Röhren geringer als in der freien Luft,
sodass also auch die Staubwellen in solchen eine Verkürzung
erleiden müssen, dann aber bewirkt eine nicht genügende
Weite der Röhren auch, dass in ihnen die Länge der Staub-
wellen in merklicher Weise von der Intensität der sie er-
zeugenden Töne abhängig wird. Es war hiemach also aus
doppeltem Grunde wichtig, zu untersuchen, welchen Durch-
messer eine Röhre mindestens haben müsse, damit sich ein
gegebener Ton in ihr ungestört und mit gleicher Geschwindig-
keit wie in der freien Luft fortpflanzen könne. Nach Kundt soll
dieser Durchmesser immer zum wenigsten gleich der Viertel-
welle des Tones sein, doch da er seine Untersuchungen nicht
auf die sehr hohen Töne ausgedehnt hat, so dürfte man
nicht berechtigt sein, ungeprüft anzunehmen, dass seine Regel
auch auf diese anwendbar sein müsse.
Unter dem Einflüsse der Stimmgabel c^ mit der Zinken-
breite von 20 mm, entstanden bei der gerade im Zimmer
herrschenden Temperatur Staub wellen, deren Länge in Röhren
von 27, 23 und 20 mm Durchmesser immer 41,6 mm betrug,
die Intensität des Tones mochte sein, welche sie wollte. Die
Veränderung in derselben wurde nicht durch rerschieden
starkes Anstreichen der Gabel bewirkt, sondern dadurch, dass
man die vor dem offenen Ende der Röhre wirkende Zinken-
i
p
Höchste hörbare uiid unhÖrbare Kne. 653
fläche der Gabel, welche immer gleich in möglichst starke
Schwingungen versetzt wurde, von diesem offenen Ende all-
mählich entfernte, bis die Staubfiguren anfingen, undeutlich
und nicht mehr gut messbar zu werden, was bei den Röhren
von 27 und 23 mm Durchmesser geschah, wenn die Entfer-
nung der Zinkenfläche von ihrem offenen Ende etwa 50 mm,
bei der von 20 mm Durchmesser etwa 20 mm betrug. In
Bohren mit Durchmessern von 15 und 20 mm war die durch-
schnittliche Länge der Halbwellen dann aber bei stärkstem
Tone 41,4 mm geworden, und fand sich bei geschwächtem
Tone, wenn die Entfernung der Stimmgabelzinke von dem
offenen Ende der Röhre von 15 mm Durchmesser 15 mm,
von dem der Röhre von 10 mm Durchmesser etwa 7 mm be-
trug, = 41,4 bis 41,5 mm, sodass in diesen beiden Fällen
sich also schon der Einfluss der zu geringen Weite der Röhre
sowohl auf die Länge der Staubwellen erkennen lässt, wie auch
dass diese Länge hier nicht mehr von der Intensität des Tones
ganz unabhängig ist. In einer Röhre von 8 mm Durchmesser
bilden sich die Staubwellen in der Nähe des offenen Endes
schon sehr schlecht aus, sie bestehen hauptsächlich nur noch aus
einer Folge von Rippen, in denen die Gliederung nur sehr
wenig ausgeprägt ist und die im übrigen Theil der Röhre gut
ausgeprägten Halbwellen sind nicht gleichförmig, so betrug
ihre Länge bei starkem Tone in der dem geschlossenen Ende
der Röhre zunächst liegenden Hälfte 41,3 mm und in der
anderen Hälfte nur 40,4 mm. Auch änderte sich diese Länge
mit der Intensität des Tones, doch waren alle diese Erschei-
nungen so schwankend und gestatteten so wenig wirklich genaue
Messungen, dass ich sie nicht weiter untersucht.
An den mit der Stimmgabel c^ erzsugten Staubwellen,
welche nur noch die halbe Länge als die von c^ haben, lassen
sich die Messungen schon mit sehr viel grösserer Genauigkeit
ausführen. In einer Röhre von 20 mm Durchmesser, und
welche die Länge von etwa 50 Halbwellen des Tones hatte,
erhielt ich alle diese Halbwellen von einem ihrer Enden bis
zum anderen so scharf ausgebildet, dass verschiedene Messungen
von 40 Halbwellen enthaltenden Reihen immer fast ganz genau
denselben Mittelwerth von 20,85 mm für eine Halbwelle er-
gaben, welcher auch bei den verschiedenen Abständen der
654 B. Koeniff.
Gabelzinke vom offenen Ende der Röhre bis zu 50 mm durch-
aus unverändert blieb. In einer Röhre Ton 15 mm Durch- .
messer erhielt ich auch noch gute Staubfiguren in ihrer ganzen^
Länge, und fand bei der stärksten Intensität des Tones die
Länge der Halbwellen =r 20,78 mm, und bei einem Abstände
der Gabelzinke von 40 mm = 20,85. In einer Bohre tod
10 mm Durchmesser entstanden weit weniger gute Staab-
figuren, welche sogar in der Nähe ihres offenen Endes schon
ganz schlecht waren, und die Länge der Halbwelien in ihr
bei stärkstem Tone war == 20,71 mm, beim schwächsten
= 20,85 mm. In einer Röhre von 8 mm endlich bildeten
sich gute Staubwellen nur noch in den ihrem geschlossenen
Ende zunächst liegenden zwei Dritteln ihrer Länge, welche
bei stärkstem Tone 20,60 mm, beim schwächsten 20,70 mm
lang waren.
Die Stimmgabel c^ erzeugte in einer etwa 95 Halbwellen
des Tones langen Röhre mit dem Durchmesser von 15 mm,
von einem bis zum anderen Ende scharf ausgeprägte, aber un-
regelmässig geformte Wellen, in deren Folge sich jedoch eine
gewisse Periodicität erkennen Hess und in denen die Rippen
nicht senkrecht zur Axe der Röhre standen, sondern sich ab-
wechselnd bald nach einer, bald nach der anderen Seite hin-
neigten. Diese Art der Staubfiguren zeigt immer eine in
grosse Weite der Röhre an. In einer Röhre von 1 4 mm Durch-
messer waren die Wellen schon etwas regelmässiger, sie wurdoi
es aber ganz und gar erst, wenn der Durchmesser der Röhre
nur noch 1 1 mm betrug, wo dann auch die Länge der Halb-
wellen bei verschiedener Intensität des Tones immer dieselbe
von 10,45 mm blieb. In Röhren von 10 oder gar 9 mm
Durchmesser lässt sich aber dann schon wieder der Eünfluss
der zu geringen Weite der Röhre beobachten, und in einer
Röhre von 5 mm Durchmesser betrug die Länge der Halb-
wellen bei stärkstem Tone nur noch 10,0 mm, bei schwäch*
stem 10,3 mm.
Aus diesen Beobachtungen geht also hervor, dass ftLr den
höchsten musikalischen Ton c^ die Regel von Eundt noch
vollständig gültig ist und man sie also für ihn Röhren, deren
Durchmesser gleich der Viertelwelle des Tones ist, anwenden
kann, für c® ist aber die passendste Röhrenweite ungefthr
Höchste hörbare und unhÖrbare Töne, 655
eich 'der Halbwelle des Tones, denn wenn diese noch drei
;htel der Wellenlänge beträgt, zeigt sich in den Staubwellen
bon der schädliche Einfluss eines zu geringen Durchmessers,
id bei der Weite von einer Viertelwelle wird die Röhre für
*
ie genaueren Experimente sogar schon geradezu unbrauchbar.
e TOD mir experimentell gefundene passendste Weite für
[e Töne über c* bis zu den höchsten hin, wuchs dann aber
ir noch von der Hälfte bis etwa zu zwei Drittel der Wellen-
ige, und betrug also für c^ 11 mm, ftir c® 5,5 mm, für c^
liim, und ähnlich so dann auch für alle Zwischentöne.
Die Fig. 6 yeranschaulicht den Einfluss der Röhrenweite
f die Staubfiguren durch zwei Gruppen von drei Staub-
nren, welche mit den Stimmgabeln c' und c^ in einer zu
liten, in einer passenden und in einer zu engen Röhre er-
agt wurden, und ausserdem zeigt die einzelne Röhre über
3sen beiden Gruppen auch noch die Figur von c^ in einer
weiten Röhre allein.
Die Grenzen der geringsten und grössten Weite der Glas-
hren, bei welcher ein gegebener Ton gute Staubwellen in
Den erzeugen kann, rücken mit der Höhe dieses Tones immer
her aneinander, sodass es bei den höchsten Tönen zwischen
und 90 000 Schwingungen schon schwer ist, Glasröhren von
oau richtigem Durchmesser anzutreffen, was mir der haupt-
ßhlichste Grund dafür zu sein scheint, dass die Staubfiguren
»er Töne, wie man aus Fig. 5 ersehen kann, alle immer
r in einem Theile der Röhrenlänge, statt von einem Ende
I zum anderen derselben gut ausgebildet sind.
Die Wanddicke der Glasröhren hat natürlich auf die Bil-
ng der Staubfiguren in ihnen an und für sich gar keinen
nfluss, da jedoch bei diesen Experimenten der Rand der
^hre nie die Oberfläche der Gabelzinken überragen darf,
1 nicht die Bewegung des anstreichenden Bogens zu stören,
wird der Mittelpunkt der Röhrenö£hung um so weiter ?on
m Ende, und also gerade von dem am stärksten schwingen-
n Theile der Gabelzinke entfernt, als die Wanddicke der
^hre zunimmt, was dann bei den höchsten Tönen das Ge-
gen der Experimente oft schon ganz und gar verhindern kann,
bei diesen der blosse Durchmesser der Röhrenöffnung schon
mer nur noch sehr wenig kleiner ist als die ganze Zinkenlänge
HÖckste körhare und unhÖTbare Time.
657
schliffen sein, um parallel und dicht vor die schwingende
Zinkenfläche der Stimmgabel eingestellt werden za können.
P Da die Rähre auf ihrem Gestelle natürlich immer eine durch-
■lu horizontale Lage haben mnss, weil sonst der Staub sich
I: ihrem tiefer liegenden Theile anhäufen würde, ist es nöthig,
die Ziokenfläcbe immer genau senkrecht vor ihr ein-
tUt werden könne und zu diesem Zwecke ist die Scbrauben-
in welcher der Stiel der Stimmgabel befestigt wird,
F ihrem eisernen Ständer drehbar, was gestattet, dieser jede
Fig. 1-
Iflliebige Neigung zu geben. Fig. 7 zeigt die ganze Zu-
meDstellung während eines Versuches.
Das gute Gelingen der Stauhfiguren ist auch von dem
iggswendeten Staube nicht ganz unabhängig, und ich fand,
sich Korkfeilicht am besten für diese Experimente eig-
, besonders wenn man ihn für die verschieden hohen Töne
" mit verschiedener Körnergrösse wählte. Ich wendete fünf
Sorten an, welche vermittelst einer Reibe von fünf Sieben her-
gestellt waren, deren Löcher von einem zum andern immer
kleiner wurden, sodass sie auf einem Quadratcentimeter an-
nähernd 277, 670, 1660, 3080 und 4444 Löcher enthielten,
Ik Ado. d. Fhr*. u- Cbm. N. F. 69. 48
658 R. Koeniff.
oder genau nach den Angaben der Fabrik der Drahtnetze
45, 70, 110, 150 und 180 Maschen auf einem Zoll zu 27 mm.
Ich verwendete die erste und zweite Sorte hauptsächlich für ^
die Töne von c^ bis c^ und die beiden nächsten dann für die
höheren Töne. Das letzte feinste Sieb mit 4444 Löchern hatte
aber einen so feinen Staub ergeben, dass er ganz so wie
Lycopodiumpulver wirkte, sich wie dieses mehlartig zusammen-
backte und auch an den Wänden der Köhre zu fest anklebte,
wenn man auch auf die Reinigung dieser vor der EinftlhruDg
des Staubes in sie alle nöthige Sorgfalt verwendet hatte.
Wenn der Staub in der Röhre gleichmässig vertheilt ist
und auf dem Boden derselben eine Linie bildet, so muss man
die Röhre um ihre Axe drehen, um dieser Linie eine höhere
Lage auf der Seitenwand zu geben, unter dem Einflüsse des
Tones bilden sich dann sehr oft noch die Wellenfiguren ganz
vortrefflich, selbst in Fällen, in denen sich die am Boden be-
findliche Staublinie gar nicht mehr rühren will, und zeigt dann
die bogenförmigen Zacken, in denen die Staubrippen wie
Fransen herabzuhängen scheinen, eine Form, welche auch für
die Bestimmung der Knotenstellen bei den tieferen Tönen vor-
theilhaft ist, bei denen sie oft recht scharfe Spitzen bildet,
wie man besonders gut auf Fig. 2 sehen kann. Bei den ganz
hohen Tönen habe ich häufig auch noch einen anderen kleinen,
aber oft sehr erfolgreichen Kunstgriff angewendet. Wenn
nämlich auch die hochgelegte Staublinie sich durchaus nicht
mehr rühren wollte, gab ich einen kleinen Schlag gegen das
Gestell, auf welchem die Röhre befestigt war, sodass der
Staub der hochgelegten Linie niederfiel und auf dem Boden
der Röhre eine neue Staublinie bildete, welche ich so schnell
als möglich durch Drehung der Röhre wieder in eine hohe
Lage brachte, um dann den Bogenstrich über die Gabel so-
gleich folgen zu lassen. In sehr vielen Fällen habe ich bei
diesem Verfahren dann die Figur erhalten, wahrscheinlich
wohl, weil der während des ersten Niederfallens gelockerte
Staub noch nicht Zeit gehabt hatte, in der neu gebildeten
Linie sich wieder zu fest zusammenzubacken, ehe die Wirkung
des Tones erfolgte.
\
Höchste hörbare und unhörbare TÖne, 659
5. Prüfung einer mit Hülfe der Stosstöne gestimmten
^ Stimmgabelreihe von c^ bis f^ vermittelst der Kundt'schen
Staubfiguren.
Es ist nach den vorstehenden Erörterungen selbstverständ-
lich, dass man vermittelst der Staubfiguren nun auch mit
Leichtigkeit wird prüfen können, bis zu welcher Genauigkeit
in der Stimmung der hohen Stimmgabeln ich es vermittelst
der Anwendung der Stosstöne hatte bringen können, ich finde
aber dass die Prüfung einer von mir gelieferten Stimmgabel-
reihe durch irgend einen anderen Gelehrten und ohne mein
Zuthun, zweckentsprechender sein dürfte, als wenn ich meine
eigenen Messungen an einer von mir selbst früher gestimmten
Stimmgabelreihe nun mit dieser in ihrer Anwendung neuen
Methode von Kundt geben möchte. Eine solche Arbeit ist aber,
jetzt auch schon wirklich, und zwar von Hrn. Dr. Seh wen dt
in Basel ausgeführt worden, der eine der einzigen sechs von
mir mit Stosstönen gestimmten vollständigen Stimmgabelreihen
von c* bis f^ besitzt, welche ich überhaupt jemals geliefert
habe.^) Nach einigen Mittheilungen darüber, wie ich meine
Versuche mit den Kundt'schen Staubfiguren in Verbindung
mit den hohen Stimmgabeln angestellt, war es auch ihm sehr
bald gelungen, gute Staubfiguren mit den Tönen von c* bis /*^,
seiner ganzen im Jahre 1897 von mir bezogenen Stimmgabel-
reihe zu erhalten und dann die nöthigen Messungen an den-
selben zu vollziehen. Da Hr. Dr. Schwendt die Resultate dieser
Messungen nun schon selbst veröflFentlicht hat^, so kann ich
natürlich einfach auf seinen Aufsatz verweisen, aus welchen
man ersehen wird, wie gering überall der Unterschied zwischen
den erforderten und den von ihm gefundenen Werthen ist
Als ein Beispiel mag seine Bestimmung der Schwingungs-
zahl seines höchsten Tones f^ dienen, für welche er statt
43690,6 vs, 31 vs mehr gefunden. Nun sind seine Messungen
aber bei 15^ ausgeführt, während die Gabel in üeber-
1) Von den anderen fünf Stimmgabelreihen sind zwei in Amerika,
eine ist in England, eine in Frankreich und eine in Russland.
2) A. Schwendt, Archiv für die ges. Physiol. 75. p. 346. 1899.
Experimentelle Bestimmung der Wellenlänge und Schwingungszahl höchster
hörbarer Töne, mit Benutzung von Hrn. Rudolph Koenig brieflich
mitgetheilter praktischer Anleitungen, ausgeiührt von A. Schwendt.
42*
660 R. Koeniff, Höchste hörbare und unhÖrbare Töne,
eiustimmung mit der Normalgabel c'=512üä bei 20® con-
struirt war. Da der Einfluss der Wärme auf Stimmgabeln
aus Stahl für 1®= ± 0,0001117 ü* ist^), so muss also eine 4
Gabel f^ von 43690,6 vs bei 20 ^ bei der Temperatur von
15® 43690,6.0,0001117. 15 = 24,4 vs mehr machen, wodurch
der schon an und für sich so kleine Unterschied von 31 r* zu
einem von 6,6 vs verringert wird, und dann die durch beide
verschiedene Methoden erhaltenen Werthe so gut wie voll-
ständig übereinstimmen.
Paris, Juni 1899. (Schluss im nächsten Heft.)
1) R. Koenig, Wied. Ann. 9. p. 408. 1880; Quelques Exp. p. 185.
(Eingegangen 7. Juli 1899.)
6. Eoiyperinientalunterstichv/ngen
über den Ursprung der Berührung selektricitüt;
von C. Christiansen.
(Vierte Mittheilung.)
Ueber den EinflasB des Wasserdampfes.
§ 29. Theorie der Tropfenelektrode.
Denken wir uns einen Quecksilberbehälter, aus welchem
Quecksilber als dünner Strahl ausfliesst, und sich in Tropfen
auflöst. Das Quecksilber sei mit dem einen Quadrantenpaare
eines Thomson'schen Elektrometers verbunden, das andere
Quadrantenpaar sei zur Erde — Wasserleitung — abgeleitet.
Fällt der Strahl im Inneren eines hohlen Metallcylinders, dem
z. B. mittels einer galvanischen Batterie das Potential F ge-
geben ist, dann wird das Elektrometer dasselbe Potential V
anzeigen. Wir haben hier eine reine Erfahrungsthatsache.
Die Theorie folgert hieraus, dass im Baume zwischen dem
Cylinder und dem Strahle die elektrische Kraft Null ist. Wenn
dieses Gleichgewicht erreicht ist, muss sowohl die innere Ober-
fläche des Cjlinders als die Oberfläche des Strahles unelek-
trisch sein.
Streng genommen gilt dies jedoch nur, wenn der Cylinder
und der Strahl von demselben Metalle gebildet ist. Ist der
Cylinder von Zink, und ist er zur Erde abgeleitet, so giebt das
Elektrometer einen positiven Ausschlag, entsprechend der be-
kannten Potentialdifi'erenz zwischen Zink und Quecksilber.
Auch in diesem Falle muss die elektrische Kraft im Innern
des Cylinders Null sein, beide, Quecksilber und Zink, sind also
ungeladen. Das constante Potential im Innern des Gliedes
nennen wir C, Bezeichnen wir das Quecksilber mit Hg, die
Elektrometerquadranten mit El, dann wird das Potential P^
des isolirten Quadrantenpaares
P, = C7+ AVj Hg.
\
662 G, Christiansen,
Bezeichnen wir allgemein das Metall, von welchem das
Rohr gebildet ist, mit X, so haben wir für das Potential P« des
abgeleiteten Quadrantenpaares ^
Pg = C + A7 I X.
Der Ausschlag des Elektrometers entspricht folglich einer
PotentialdiflFerenz 7> = Pj — P^,
i> = ^/l Hg - ^/| Z= X! Hg.
Wir bestimmen folglich mittels der Tropfenelektrode die Po-
tentialdififerenz der Metalle. Dass die Resultate im Grossen
und Ganzen mit dieser Auffassung in üebereinstimmung sind,
haben F. Exner und J. Tuma nachgewiesen.^)
In der ersten Mittheilung*) habe ich eine Reihe von Ver-
suchen beschrieben, in welchen das Quecksilber durch stark
verdünnte Amalgamen von Zink, Cadmium, Zinn oder Blei
ersetzt war. Wird ein solches Amalgam mit Am bezeichnet,
so müssten wir haben
i> = Pi-.P2 = JT-Am.
Es zeigte sich aber, dass die Potentialdifferenz D von der
Natur des Gases abhängig war. Hieraus folgt, dass an dei
Berührungsfläche zwischen Gas und Amalgam ein Potential-
sprung stattfinden muss. Dasselbe muss natürlich auch von
der Berührungsfläche zwischen dem Metallrohre und dem Gase
gelten. Bezeichnen wir das Gas mit Z, so haben wir jetzt
Pj = C+ Am|Z + El\km,
P^ = C+ X\LJt El\X
und
L^P^-P^ = Am,Z-AVi-fX Am.
Hier ist nun, wie gesagt, die Natur der Atmosphäre von Be-
deutung. Mit Wasserstoff H erhalten wir die Potentialdifferenz
i>j = Am|H-X|H + JjAm;
ersetzen wir das Amalgam durch Quecksilber Hg, so erhalten wir
i>2 = Hg|H-Z!H + X|Hg.
1) F. Exner u. J. Tuma, Sitzungsber. d. k. Gesellsch. d. Wissensch.
EU Wien (2) 97. p. 917. 1888.
2) C. Christiansen, Wied. Ann. 56. p. 644. 1895.
Ursprung der Berührungselektricität 668
Nun zeigen die Tab. IX, X, XI und XII in meiner ersten Ab-
handlung ^) unzweideutig, dass für die Metalle Zn, Cd, Pb, Sn
w I)^ = D^ ist; wir erhalten somit
AmH + X Am = Hg H + JT Hg,
oder
Am Hg = Am H-Hg|H.
Weiter folgt aus der Tabelle meiner zweiten Abhandlung*),
dass Stickstoff, Kohlensäure und Stickstoffoxydul sich ebenso
wie Wasserstoff verhalten. Dass alle diese Gase wirklich dem
bekannten Spannungsgesetz gehorchen, scheint mir sehr un-
wahrscheinlich. Ich meine deshalb, dass wir annehmen müssen,
dass Am Hg = 0 ist , oder allgemein , dass zwei sich be-
rührende Metalle dasselbe Potential haben.
In derselben Weise finden wir in einer Sauerstoffatmo-
sphäre die Potentialdifferenzen
i>3 = Am 0 - X 0 + X Am,
2>,= HgO- X 0 + J Hg,
i>3 - i>4 = Am ! 0 - Hg 0 - Am Hg.
Hier ist D^—D^ immer negativ und wird ungefähr gleich der
allgemein angenommenen Potentialdifferenz zwischen dem im
Amalgame enthaltenen Metall und dem Quecksilber gefunden.
Setzen wir aber, in Uebereinstimmung mit dem Vorhergehen-
den, Am J Hg = 0, dann entspricht die Differenz D^ — J)^ der
Polarisation an der Oberfläche des Amalgames. Wie ich in
der ersten Abhandlung gezeigt habe, ist D^ von der Länge
und der Ausflussgeschwindigkeit des Strahles abhängig. Ist
der Strahl sehr kurz und ist die Geschwindigkeit gross, dann
wird i>g = i>^ ; wir hätten in diesem Falle die merkwürdige
Relation
Am 0-Hg,0 = Am|Hg,
der Sauerstoff sollte sich dann ebenso wie Wasserstoff und
die übrigen inactiven Gase verhalten. Allen diesen Schwierig-
keiten entgehen wir, wenn wir Am'Hg = 0 setzen und an-
nehmen, dass Polarisationen zu ihrem Entstehen Zeit brauchen.
1) C. Christiansen, Wied. Ann. 56. p. 655 ff. 1895. In der
Tabelle XII ist Sauerstoff durch Wasserstoff und umgekehrt zu ersetzen.
2) C. Christiansen, 1. c. 57. p. 690. 1896.
664 C. Christiansen.
Für Sauerstoff ist diese Zeit jedoch sehr kurz, fQr die neutralen
Gase dagegen so gross, dass die daher rührenden Potential- ,
differenzen bei Versuchen mit Tropfelektroden gar nicht zum^
Torschein kommen. Was ich hier entwickelt habe, stimmt
völlig mit den von Hm. K. Wesendonck^) gemachten Be-
merkungen überein, welche ich somit zu meinen eigenen machen
kann. Man kann, wie schon von Hrn. Wesendonck hervor-
gehoben wurde, die Annahme von einer merkbaren Potential-
differenz der Metalle bei der Berührung nur dann aufrecht halten,
wenn man die inactiven Gase, und bei kurz dauernden Amalgam-
strahlen auch Sauerstoff in die Spannungsreihe aufnehmen will.
i^ 30. Eine neue Versuchsmethode.
In meiner dritten Abhandlung habe ich gezeigt, dass die
Einwirkung des Sauerstoffs auf Amalgame selbst durch sehr
kleine Feuchtigkeitsmengen wesentlich beeinflusst wird. In
möglichst trockenem Sauerstoffe wird ein Amalgamstrahl sehr
schnell mit einer dünnen Oxydschicht bedeckt, welche ihn
gegen weitere Oxydation schützt. Diese Schicht bildet eine
Art von fester Hülle und macht den Strahl „lang^^; sie schützt
ihn gegen weitergehende Oxydation. In feuchtem Sauerstoff
findet dagegen eine Hydratbildung statt, die immer weiter
geht, und der Strahl bleibt kurz. Es schien mir wenigstens
sehr wahrscheinlich zu sein, dass das elektrische Verhalten
des Strahles auch von der Feuchtigkeit abhängen müsste. So
etwas hatte ich zwar nicht bemerkt, aber die Luft wurde aucb
nur auf dem Wege zum Tropfenapparat getrocknet. Aber in
meinem Apparate konnte sehr wohl auch etwas Feuchtigkeit von
den Glaswänden, Eohlenplatten und den Eautschukpfropfen
sich abgelöst haben. Ausserdem hatte ich bei den früheren
Versuchen mit Tropfenelektroden mit den kleinen Tropfen zu
kämpfen gehabt, die nach allen Seiten fahren, wenn der Strahl
sich in Tropfen auflöst. Diese kleinen Tropfen setzen sich auf
den Plattenelektroden fest und ändern dadurch ihre Stellung
in der Spannungsreihe. Endlich ist es unmöglich, die Tropfen-
elektroden in trockenem Sauerstoff zu benutzen, weil der Strahl
dann „lang" wird, und sich gar nicht in Tropfen auflöst.
1) K. Wesendonck, Wied. Ann. 68. p. 411. 1896.
UripruTig der ßerührungtelehlrtcüät.
665
Alle diese Schwierigkeiten lassen sich glücklicherweise
in folgender Weise überwinden. Es wäre wohl nicht unmög-
lich gewesen, einen Hohlcylinder von z. B. Zinkamalgain zu
bilden und in desaem Inneren eine Tropfenelektrode von Queck-
silber anzubringen. Es ist indess viel
leichter, eine Reihe von „langen" Amal- -
gamstrahlen als Generatoren des Cjlin-
ders zu verwenden ; wenn diese Strahlen
in hinlänglich grosser Zahl genommen
werden, können sie den Cylinder ersetzen.
Um diese Ifethode zu prüfen, liess
ich einen Apparat verfertigen, welchen
Fig. 1 im Längen schnitt, Fig. 2 im Quer-
schnitt darstellt. Zwischen zwei von-
einander isolirten Ringen A und B wur-
den 12 Platindrähte, deren Durchmesser
0,3 mm betrug, gestreckt. Sie bildeten
einen Cylinder, dessen Länge 8 cm, und
die des Diameters 8 mm betrug. Das eine
Ende war an A mittels Schrauben be-
festigt, das andere war mit den Federn b b
verbunden. A und B waren durch Ebonit-
scheiben, CundiJ von dem aufgeschlitzten
Hessingrohre EE isolirt. GG ist ein
ähnliches Messingrohr, das um EE ge-
dreht werden kann; dadurch kann man,
wie Fig. 2 zeigt, die Platindrähte gegen
äussere elektrische Kräfte schützen.
Inmitten des durch die Platindrähte
gebildeten röhrenförmigen Raumes wurde
die Tropfenelektrode angebracht, sie war
mit dem Elektrometer verbunden. Zwei galvanische Elemente
direct mit dem Elektrometer verbunden, hatten eine elektro-
motorische Kraft von 2,883 Volt, Mit dieser Batterie wurden
nun drei Versuchsreihen gemacht. In der ersten waren
sowohl die Flatindrähte, als die Röhren E und G mit der
Batterie verbunden ; das Elektrometer zeigte nun die Spannung /',
an. In der zweiten waren die Platindrähte zur Erde abgeleitet,
E und G mit der Batterie verbunden, das Elektrometer zeigte
Fig. 2.
666
C. Christiansen,
Bun die Spannung f\. In der dritten waren die Drähte mit
der Batterie verbunden, die Hülle EG zur Erde abgeleitet;
die gefundene Spannung war Fy In der folgenden Tabelle^
ist ausserdem unter L die Länge des Strahles, unter P das
Volumen des in der Minute ausströmenden Quecksilbers an-
gegeben.
L
P
V,
V,
r.
8 mm
2,7 cm»
2,851
0,060
2,800
18
3,9
2,871
0,058
2,820
80
5,6
2,866
0,066
2,790
Die Werthe von V^ zeigen, dass die Drähte nicht völlig
im Stande sind, äussere Einflüsse abzuhalten, doch beträgt
der Fehler nur etwa 2 Proc. der ganzen Spannung.
Dasselbe Resultat konnte mittels Amalgamstrahlen durch
den jetzt zu beschreibenden Apparat erhalten werden. AA
(Fig. 3) ist ein rohrformiger
Behälter von Eisen, gebildet
von einem oberen und einem
unteren Theile, die ineinander
geschraubt werden, und mit-
tels des ledernen Ringes CC
gedichtet werden können. Im
unteren Theile sind in einem
Kreise von 6 mm Durch-
messer 12 Löcher gebohrt.
0,2 bis 0,3 mm im Durch-
messer. Der obere TheilJ55
trägt zwei Röhren FF^ durch die eine wird das Amalgam
hineingeführt, die andere ist verschlossen. Mittels dieser
Röhren wird, wie die Figur zeigt, der Behälter ^ ^ an einem
Kautschukpfropfen (? G befestigt, welcher in einem weiten Glas-
rohre befestigt ist. In diesem Rohre stecken ausserdem zwei
aufgeschlitzte Röhren von Eisen, die, ganz wie die in Fig. 2
abgebildeten, dazu dienen, die Quecksilberelektrode gegen In-
fluenz von Seiten des Glasrohres zu schützen.
Die Figg. 4 a und 4 b sollen dazu dienen, eine Vorstellung
von dem Apparate zu geben. Ä A, FF ist der in Fig. 3 in
natürlicher Grösse gezeichnete Behälter. B B ist das weite
Glasrohr, C C das an dem Glase gekittete, aufgeschlitzte eiserne
Fig. 3.
Uriprunff der BerührungteUktrieität. 667
Rohr. Sit ist ein abgedrehter Holzklotz; der in Fig. 4a ge-
zeichnete Apparat wird in der Rinne hb eingesetzt. EE ist der
P innere Eisenachirm, welcher von der Stange c getragen wird.
Dieser letztere ist von dem Glas-
röhre d umgeben. H ist ein
eisernes Rohr, welches in einem
Stativ drehbar befestigt ist; es
endigt unten in dem umgebo-
genen Glasrohre K.
Die Versuche werden in fol-
gender Weise ausgeführt Man
bringt etwas Quecksilber in die
Rinne b h und das Rohr K, setzt
BB in BD herunter. Von L
strömt das Quecksilber durch
das enge Bohr e in einem feinen
Strahl aus; Amalgam strömt
aus den 12 kleinen Oeffnungen
in .^.^ in langen Strahlen. Wenn
alles in Ordnung ist, wird J) B
soweit umgedreht — etwa 180"
— bis das Strahlensjstem ganz
von den Röhren CC und EE eingeschlossen ist. Die Röhre NN
dient zur Füllung des Behälters A A mit verschiedenen Gasen.
% ai. Versuche mit Zinkamalgamen.
Das Amalgam enthielt 4promilleZink; wenn die Luft nicht
zu feucht ist, giebt es immer lange Strahlen. Sauerstoff, welcher
zuerst durch Miscbungeu von concentrirter Schwefelsäure und
Wasser getrocknet war, strömte durch deu Apparat. Die
durch die zwei eisernen Röhren gebildete Hülle war zur Erde
abgeleitet, der Behälter mit Amalgam stand nicht direct mit
der E^rde in Verbindung; zwischen ibnen wurde eine elektro-
motorische Kraft e von ±0,143 Volt eingeschoben.
Die zwölf Amalgamstrahlen bildeten sich sehr gut aus,
wie man bei geöffneter Hülle sehen konnte; in ihrer Mitte
sab man den Quecksilberstrahl sich in Tropfen auflösen. Die
Temperatur betrug 20*^ C. Wir nennen die Potentiatdifferenz
zwischen Zinkamalgam and Quecksilber V. Folgende Tab. I
668 C Christiansen,
enthält die am Elektrometer gemessenen Potentialdifferenzen,
nämlich V-\-e^ wenn das Amalgam durch die angeschaltete^
elektromotorische Kraft positiv geladen wurde, und F^e inr
entgegengesetzten Falle.
Tabelle I.
Potentialdifferenz V in Volt zwischen Zinkamalgam und Quecksilber
in Sa
uerstoff.
% Schwefelsäure
V + e
F-c
V
€
40
1,02
0,76
0,89
0,13
40
1,01
0,78
0,89
0,11
50
1,02
0,75
0,88
0,13
50
1,01
0,74
0,87
0,13
60
0,92
0,65
0,78
0,13
60
0,92
0,64
0,78
0,14
70
0,65
0,39
0,52
0,13
70
0,56
0,30
0,43
0,13
70
0,56
0,29
0,42
0,13
80
0,56
0,28
0,42
0,14
80
—
-0,49
80
—
-0,58
In den zwei letzten Versuchen waren die Amalgamstrahlen
unmittelbar mit der Erde leitend verbunden. Die Länge des
Quecksilberstrahles war 18 mm, die Ausflussgeschwindigkeit
der Amalgamstrahlen etwa 2 m pro Secunde. Gegenüber der
Stelle, wo der Strahl sich in Tropfen auflöste, war also das
Amalgam etwa 0,01 sec in Berührung mit dem Sauerstoff gewesen.
Solche Versuche sind recht schwer anzustellen. Die
kleinen Oeffnungen, aus denen das Amalgam ausströmt, ver-
stopfen sich leicht; oft sind einige der Strahlen nicht vertical,
sondern fahren nach allen Seiten .aus. Eben darum war die
kleine elektromotorische Kraft tf = 0,143 zwischen der &de
und den Amalgamstrahlen eingeführt; dass die Versuche für«
Werthe ergaben, die nur wenig von 0,14 abweichen, ist der
beste Beweis dafür, dass die Amalgamstrahlen den Quecksilber-
strahl regelmässig umgaben.
Das Resultat ist aber merkwürdig genug. So lange der
Sauerstoff feucht ist, geht alles normal, das Zinkamalgam zeigt
dem Quecksilber gegenüber eine Spannung von + 0,88. Wird
der Sauerstoff aber mehr und mehr trocken, dann sinkt die
Potentialdifferenz und wird negativ, wenn der Sauerstoff mittels
i
Ursprung der BerühTungselektricität 669
einer Mischung von 80 Proc. concentrirter Schwefelsäure und
20 Proc. Wasser getrocknet ist, was einer Dampfspannung von
w etwa 0,5 mm entspricht.
Es ist dies jedoch nicht so merkwürdig, als es auf den
ersten Blick erscheint. Wir wissen, dass die Metalloxyde dem
reinen Metall gegenüber negativ sind, und hier haben wir ja
mit Oxyden zu thun; dass wir in Hydroketten immer positive
Spannung wahrnehmen, ist somit selbstverständlich.
Mit demselben Amalgam , verdünnt mit dem aus dem
mittleren Bohre ausgeströmten Quecksilber, wurden die folgenden
Versuche angestellt, bei welchen die Amalgamstrahlen leitend
mit der Erde verbunden waren.
Tabelle IL
Potentialdifferenz V in Volt zwischen Zinkamalgam und Quecksilber
in Sauerstoff.
o/p Schwefelsäure V
50 +0,81
100 -ü,30
100 -0,42
100 und PjOs -0,60
100 und PjOs -0,64
50 +0,80
50 +0,78
In dem mit 100 und PgOg bezeichneten Versuche wurde
die Luft getrocknet mit concentrirter Schwefelsäure und Phos-
phorpentoxyd.
Mit einem schwächeren Amalgam wurden die folgenden
Versuche angestellt.
Tabelle III.
Potentialdifferenz V in- Volt zwischen Zinkamalgam, \/iooo} ^"^ Queck-
silber in Sauerstoff. Temp. 19*^ C.
•/o Schwefelsäure
V
60
+ 0,77
60
+ 0,89 Das Elektrometer etwas unruhig
60
+ 0,83
• 80
+ 0,02
+ 0,53 Das Elektrometer sehr unruhig.
bO
-0,06
80
— 0,16 Das Elektrometer unruhig.
90
-0,66
90
— 0,71 Das Elektrometer unruhig.
100 und PjOj
-0,76
-0,66 Das Elektrometer unruhig.
60
+ 0,73
670 C, Christiansen.
Tabelle IV.
Potentialdifferenz V in Volt zwischen Zinkamalgain, V4 Tausendstel, und
Quecksilber in Sauerstoff. Temp. 16® C.
*/o Schwefelsäure V
70 Die Amalgamstrahlen wurden nicht lang
80 -0,17
90 - 0.47
100 -0,54
100 und PjOj -0,54
In den folgenden Versuchen war das Amalgam von der-
selben Stärke, 7« Tausendstel, der Sauerstoff wurde mittels
concentrirter Schwefelsäure und Phosphorpentoxyd getrocknet
Ijftnge der Strahlen
V
20 mm
-0,58
80
-0,58
19
-0,58
18
-0,58
Sauerstoff mit 80 Proc. Schwefelsäure getrocknet gab
F= - 0,54, mit 70 Proc. r= - 0,02 Volt.
§ 32. Versuche mit Amalgamen von Cadmium, Blei und
Magnesium.
In den folgenden Versuchen waren die Amalgamstrahlen
zur Erde abgeleitet, der Quecksilberstrahl wie immer mit dem
Elektrometer verbunden.
Tabelle V.
Cadmiumamalgam, Vioooi ^^^ Quecksilber in Sauerstoff. Temp. 16^ C
% Schwefelsäure V % Schwefelsäure V
80 -0,11 Volt 60 + 0,46 Volt
80 -0,20 60 +0,46
90 -0,40 50 +0,87
100 und P^Oj -0,41 50 +0,88
80 -0,40 100 und PjOj -0,33
70 -0,12 100 und PjOj -0,37
60 +0,32 100 und ?fi^ -0,38
i
Ursprung der Berührunffselektricüät 671
Tabelle VI.
^ Bleiamalgam, ^/iqoo» und Quecksilber in Sauerstoff. Temp. 14® C.
^/o SchwefelsÄure V
60 0,62
70 0,62
80 0,62
100 und PjOj 0,60
Nun wurde Phosphorpentoxyd in den Strahlapparat selbst
hineingebracht, es bedeckte den Boden desselben. Die Potential-
differenz ward nun wirklich bedeutend kleiner, + 0,27 bi&
+ 0,31 Volt. Mit noch mehr Phosphorpentoxyd habe ich in
einem Falle selbst —0,07 Volt gemessen, doch ging sie bald
wieder in positive Werthe über.
Das Arbeiten mit Magnesiumamalgam ist sehr schwierig;
das Amalgam enthielt ^/^ pro Mille Magnesium. Die Löcher,
aus welchen die 12 Amalgamstrahlen ausströmten, wurden
gleich verstopft, wenn die Luft nicht sehr trocken war. Atmo-
sphärische Luft mit PgOg getrocknet, ergab eine Potential-
differenz von 1,12 Volt; Sauerstoff, in derselben Weise ge-
trocknet gab zuerst 0,99, später 0,97 Volt. Nun wurde das
Phosphorpentoxyd in den Strahlapparat selbst hineingebracht^
und darauf sank die Potentialdifferenz merklich, anfangs zu
+ 0,13, später zu —0,18 Volt, sie war jedoch recht variabel.
Der Versuch wurde mit einem neuen Amalgam von derselben
Starke wiederholt und gab noch kleinere Werthe; der kleinste
Werth, den ich wahrgenommen habe, ist —0,98 Volt. In
Sauerstoff, welcher eben Spuren von Feuchtigkeit enthielt, war
die Potentialdifferenz zwischen Magnesiumamalgam und Queck-
silber + 1,17 bis 1,18 Volt
§ 33. Resultate.
Diese Versuche zeigen also, wenigstens für die vier unter-
suchten Metalle, dass die Potentialdifferenz zwischen einem
Amalgam und Quecksilber in Sauerstoff wesentlich durch den
Gehalt an Feuchtigkeit bestimmt ist. Ist der Druck der Wasser-
dämpfe nicht zu klein, so haben wir die gewöhnliche Potential-
differenz. In sehr trockenem Sauerstoff wird die Potentialdifferenz
kleiner und zuletzt negativ. Für die vier untersuchten Metalle
haben wir gefunden:
I
672 C, Christiansen, Ursprung der Berührungselektricität
Im feuchten Sauerstoff
Im trockenen Sauerstoff
Mg Hg
+ 1,18
-0,98
Zn Hg
+ 0,88
-0,76 4
Cd Hg
+ 0,88
-0,41
Pb Hg
+ 0,62
-0,07
Sowohl in trockener als in feuchter Luft spielen sich
chemische Processe an der Oberfläche der Amalgamstrahlen ab;
in feuchter Luft bildet sich gewiss ein Hydrat, in trockener Luft
wahrscheinlich nur Oxyd, doch ist daran zu erinnern, dass wir
kein Mittel besitzen, um absolut trockene Gase zu erhalten.
Die für trockenen Sauerstoff angegebenen Poteotial-
differenzen sind nicht definitiv, sie entsprechen einem gewissen
Grad von Trockenheit; über die Werthe, die absolut trockener
Sauerstoff geben würde, kann man noch keine Vermuthmig
aussprechen.
Kopenhagen, 11. September 1899.
(Eingegangen 18. September 1899.)
i
7. Ueber die Einwirkung von Becguerel-
strahlen auf elektrische Funken und Bilschel;
von J. Mister und H. Geitel.
In einer früheren Abhandlung^), betitelt ,yüeber den Ein-
flu88 ' des Lichtes auf die Form der Entladung einer Influenz-
maschine'S haben wir mitgetheilt, dass die zwischen einer
Eathodenscheibe aus amalgamirtem Zink und einer Anoden-
kogel aus beliebigem Metalle übergehenden Büschel und Funken
einer Holtz' sehen Maschine durch die Glimmentladung ver-
drängt werden, solange die Kathode mit kurzwelligem Lichte
bestrahlt wird.
Bei diesem Versuche wird der Raum zwischen den Elek-
troden durch • Einwirkung des Lichtes auf die amalgamirte
Zinkkathode mit negativ ionisirter Luft erfüllt. Es lag die
Frage nahe, wie unter analogen Versuchsbedingungen eine Luft-
masse wirken wird, die positive und negative Ionen in gleicher
Menge enthält. Luft, die von Becquerelstrahlen durchsetzt
wird, zeigt sich bekanntlich in dieser Art ionisirt. Hr. Giesel
war so freundlich, uns einige seiner besten radioactiven Prä-
parate zur Ausfahrung der Versuche zur Verfügung zu stellen.
Die Versuchsanordnung war folgende (vgl. Figur):
Wir verbanden eine isolirt aufgestellte Scheibe 8 von
ca. 10 cm Durchmesser aus beliebigem Metall mit dem nega-
tiven Pole einer Influenz- j
maschine / und stellten die-
ser eine Anodenkugel A von
ca. 1 cm Durchmesser gegen-
über, alsdann verschwan- "^
den die zwischen Ä und 8
übergehenden Funken oder *-»
Büschel sofort, sobald wir ein Radiumpräparat R so näherten,
dass die von ihm ausgehenden Becquerelstrahlen den Raum
m Jt
1) J. Elster u. H. Geitel, Wied. Ann. 57. p. 401. 1S96.
ADD. (L Phjs. u. Chem. N. F. 69. 43
674 /. EUter u. H. GeiteL
zwischen Kugel und Platte durchsetzten. Dabei sieht man im
Dunkeln, dass durch die Einwirkung der Strahlen die Funken-
oder Büschelentladung in eine Glimmentladung übergeht; dii^
Kugel Ä überzieht sich mit einer Kappe violetten Glimm-
lichtes, die bei Abbiendung der Becquerelstrahlen mittels des
einige Millimeter starken Bleischirmes mn verschwindet, um
wieder der Funken- oder Büschelentladung Platz zu machen.
Durch abwechselndes Hinwegziehen und Einfügen des Schirmes
lässt sich nach Belieben die eine oder die andere Elntladungs-
form erzeugen.
Vergrössert man die Oberfläche der Kathode dadurch,
dass man die Metallscheibe durch eine grosse halbleitende
Cartonscheibe von 25 — 80 cm Durchmesser ersetzt, so wird
die Büschelentladung gegen die Einwirkung der Becquerel-
strahlen 80 empfindlich, dass die Entfernung zwischen B und S
einen Meter und darüber betragen kann. Bei dieser Anordnung
kann das Präparat mit gleichem EHolge auch hinter der
Gartonscheibe 8^ etwa bei i^, angebracht werden, da das
Material der Scheibe für die Becquerelstrahlen fast vollständig
durchlässig ist.
Legt man die radioactiven Präparate in ein Bleikistctien
von 6 mm Wandstärke, so erlischt die Erscheinung erst, wenn
die Entfernung zwischen R und 8 20 — 25 cm überschreitet
Im Gegensatze zu den Versuchen mit kurzwelligem Lichte,
bei welchen die Kathodenscheibe 8 aus frisch amaigamirtem
Zink bestehen muss, ist bei Verwendung von Becquerelstrahlen
das Material der negativen Elektrode, sofern es nur nicht
isolirend ist, ganz beliebig wählbar. Dagegen stimmen beide
Erscheinungsformen darin überein, dass negative Büschel nicht
zum Verschwinden gebracht werden können. Der Versuch,
die eine Entladungsform in die andere überzuführen, gelingt
in beiden Fällen nur, wenn S Kathode ist. Dieser Umstand
hängt wohl mit der verschiedenen Wanderungsgeschwindigkeit
positiver und negativer Ionen in dem elektrischen Kraftfelde
der Elektroden zusammen.
Als wir die Becquerelstrahlen durch Röntgenstrahlen da-
durch ersetzten, dass wir bei R eine durch einen Inductor
betriebene Röntgenröhre anbrachten, blieb jede Wirkung aus.
Der Grund hierfür dürfte in der Intermittenz der Strahlungs-
f
Becquerehtrahlen, 675
quelle zu suchen sein. Auch bei dem analogen lichtelektrischen
Versuche ist, wie wir schon früher^) hervorhoben, eine inter-
mittirende Quelle ultravioletten Lichtes, wie etwa die zwischen
Zinkspitzen unter Einschaltung eines Condensators erregten
Funken eines grossen Inductoriums, unwirksam.
Auf die Schlagweite von Inductionsfunken wirken die
Becquerelstrahlen ebenfalls in unzweideutiger Weise ein. In
der bekannten Hertz' sehen Anordnung') zum Nachweis des
Einflusses ultravioletten Lichtes auf die elektrische Entladung
kann man den activen Funken durch eine radioactive Substanz
ersetzen. Schaltet man zunächst zwischen der passiven Funken-
strecke und dem radioactiven Stoffe einen Schirm aus dickem
Bleiblech ein, so beginnt bei empfindlicher Einstellung das
B\inkenspiel sofort, sobald man den Bleischirm entfernt.
Auch hier ist es gleichgültig, aus welchem Metalle die
Elektrodenkugeln bestehen, ob sie blank oder oxydirt sind, ob
die Kathode oder Anode von den Strahlen getroffen wird. Die
einzige Bedingung für das Gelingen des Versuches ist die,
dass die zwischen den Elektrodenkugeln befindliche Luftschicht
von den Becquerelstrahlen durchsetzt wird. Die gleiche Wirkung
lässt sich auch dadurch erreichen, dass man der Funkenstrecke
ein kleines Gasflämmchen oberhalb oder seitlich so nahe bringt,
dass die von dieser ausgehenden Gase in den Raum zwischen
den beiden Elektroden eindringen. Das Radiumpräparat unter-
scheidet sich hinsichtlich seiner Einwirkung auf die Funken-
strecke von der der Flamme nur dadurch, dass es in weiterem
Abstände (bis zu 20 cm) das Funkenspiel einleitet.
Wolfenbüttel, im October 1899.
1) J. Elster u. H. Geitel, Wied. Ann. 89. p. 382. 1890.
2) H. Hertz, Wicd. Ann. 81. p. 983. 1887.
(Eingegangen 2. October 1899.)
43*
8. Brechv/itgaeocpanenten
re4/nen Wassers v/nd normaler Salzlösungen; ^
von C. Bender.
(II. Abhandlung: Brechungsexponenten fär Ha^ Hß, Hy bei reinem
Wasser, innerhalb der Temperaturgrenzen 40 — 70®.)
Im Anschluss an meine früheren Untersuchungen ^), zwischen
den Temperaturen 10 — 40^ C, sollen nunmehr die Beobachtungen
für Temperaturen zwischen 40 und 75^ mitgetheilt werden.
Zur Herstellung solcher constanter Temperaturen schaltet m&n
eine flache Heizspirale von Dr. Fletcher derjenigen vor,
welche von der Firma Zeiss zu gedachtem Zweck geliefert
wird und lässt das erwärmte Wasser eine grosse Flasche von
15 — 20 / Inhalt passiren und zwar zweckmässig unter An-
wendung eines Bührers. Die feinere Regulirung geschieht an
der Flamme unter der Zeiss 'sehen Heizspirale. Es gelingt
bei einiger üebung leicht, jede Temperatur verhältnissmässig
rasch zu erreichen, und auch beliebig lange festzuhalten.
Wenn die Versuche ein richtiges Resultat geben sollen,
muss der Glaswürfel, auf welchen die Strahlen streifend ein-
fallen, die gleiche Temperatur besitzen, wie die Flüssigkeit
In dieser darf weder Schichtenbildung noch Zirkulation statt-
finden. Endlich soll die Temperatur der den Glaswürfel um-
gebenden Luft 20^ C. nicht wesentlich übersteigen, denn für
diese Temperatur sind die dem Apparat beigegebenen Con-
stanten berechnet.
Die erste und die dritte der angegebenen Bedingungen
collidiren miteinander. Es gelingt nur schwer, den Glaswürfel
gleichmässig zu erwärmen, ohne Anwendung einer Schutzkappe.
Diese bedingt nun ihrerseits eine Steigerung der Lufttemperatur
in der Umgebung des Würfels, hat aber den Vorzug, dass
die Dichte der Luft an der Austrittsstelle der Strahlen eine
ziemlich gleichmässige ist.
Die Untersuchungen von V. v. Lang über den Brechungs-
exponenten der trockenen Luft gegen den luftleeren Kaum
geben einigen Aufschluss, wie weit die Dichte der Luft den
X) a Bender, Wied. Ann. 68. p. 348. 1899.
Brechungsexponenten.
677
Austrittswinkel beeinflusst. Für den genannten Brechungs-
exponenten gilt die FormeP):
n^^n^-- 0,000 000 905 / + 0,000 000 002 2 1^.
Hieraus :
^70 - ^0 = - 0,000 036,
eine Grösse, welche die fünfte Decimale beeinflusst.
Von etwa 65® an erscheinen die Grenzlinien, auf welche
eingestellt wird^ nicht mehr ganz scharf. Diese Erscheinung
lässt sich nicht auf die Gegenwart von Luftbläschen zurück-
fuhren, welche sich zwischen Wandung und Flüssigkeit bilden;
denn es wurden nur luftfreie Flüssigkeiten untersucht, welche
vorher für sich auf die gewünschte Temperatur erhitzt worden
waren. Diese wurden erst eingefüllt, nachdem der Apparat eben
diese Temperatur angenommen hatte. Es scheinen also Schichten-
bildung und Strömungen im Innern der Flüssigkeiten die Ur-
sache der Unscharfe der Grenzlinien zu sein. Lufthaltige
ilüssigkeiten können überhaupt bei höheren Temperaturen
nicht untersucht werden.
Nach dem Gesagten kann man eine grössere Genauigkeit
als ± , eine Einheit der vierten Decimale von den Resultaten,
nicht beanspruchen.
Luftfreies Wasser.
t^C,
Ha
Hß
Hy
40,0
1,328820
1,334670
1,337880
41,0
1,328694
1,334568
1,337749
41,4
1,328617
1,334476
1,337691
44,4
1,328250
1,334075
1,337250
45,0
1,328028
1,333858
—
50,0
1,327364
1,333196
1,336402
55,2
1,326532
1,332307
1,335525
58,9
1,325923
1,331770
1,834956 (ä8,6«»)
59,0
1,325898
1,331740
1,334922 (58,8'^)
59,4
1,325821
1,331590
1,334765
64,9
1,324704
1,330454
(64,8»)
—
65,3
1,324666
1,330421
(65,4*0
1,333650 (65,4«)
70,1
1,323812
1,329326
1,332384
70,5
1,328585
1,329274
1,332427
73,6
1,322988
1,328830
(73,5«)
1,832000
76,0
1,322545
1,328293
1,331407
1) Landolt's Tabellen 85.
678
C. Bender.
2
Bildet man die Mittelwerthe flir die Temperaturen 40®,
45^ . . . etc., so lassen sich diese aasdrücken durch die^
Formeln:
Ha = 1,332 189 4 - 0,000 179 0 (y) - 0,000 030 24 (-^J
Hß = 1,337 877 2 - 0,000 128 4 (j\ - 0,000 034 02 i^J
Hy = 1,340680 4 - 0,0000485 (y] -0,000037 93 ijj
Diese Formeln gelten ftir das Temperaturintervall von
40 — 70 ^ Ihre Brauchbarkeit erhellt aus nachfolgender Ueber-
sicht, in welcher die durch Interpolation abgeleiteten Mittel-
werthe als gefunden bezeichnet sind, während die Columne A
den unterschied der gefundenen und der aus den Formeln ab-
geleiteten Werthe in Einheiten der fünften Decimale darstellt
Eß
gefunden
1,33467
1,33897
1,33320
1,33234
1,33147
1,33044
1,32937
1,32851
Die Specialformeln für //«, Hß und Hy lassen sich in
eine einzige zusammenfassen, welche nur in den AnfaDgs-
constanten voneinander abweichen:
foC.
Ha
gefunden
J
40
1,32882
+0
45
1,82814
-1
50
1,32736
+ 1
55
1,32656
0
60
1,32570
-1
65
1,32473
+ 3
70
1,32374
+ 2
(75
1,32273
+ 3
J
Hy
gefunden
J
+ 3
1,83788
- 2
0
1,33716
+ 2
- 1
1,33640
0
+ 1
1,33556
0
- 3
1,33464
0
+ 1
1,33364
0
+ 5
1,33255
+ 2
+ 21
1,33162
-20)
(HA
von 40—70«
H
ß
H
y )
1,331997 7)
;i
- 0,000 1 1 8 6 (-^ ) - 0,000 034 06 f j )■•
= 1,337 7690
1,3409663]
Auch diese Formeln sind noch recht brauchbar, wie aas
nachfolgender üebersicht der Differenzen zwischen den gefan-
denen und berechneten Werthen hervorgeht:
/«C.
AHa
AEß
AHy
t'^C.
AHa
AHß
JHy
40
+ 5
-3
-4
60
- 3
- 2
- 1
45
+3
-2
-2
65
- 3
+ 3
+ 3
50
+ 4
-2
-3
70
- 9
- 4
+ 8
55
+ 1
+ 2
-2
(75
-17
-18
+ 10)
Brechungsexponenten,
679
Die eingeklammerten Zahlen zeigen die geringere Brauch-
barkeit der Formeln für Temperaturen über 70®. Begnügt
' man sich mit einer Genauigkeit von ± 1 Einheit der vierten
Decimale, so können obige Formeln sogar innerhalb der weiten
Temperaturgrenzen von 10 — 75® Verwendung finden.
Die durch Hy — Ha gemessene Dispersion zeigt, wie schon
früher vermuthet, eine geringe Abnahme bei der Temperatur-
erhöhung:
40 906 60
45 902 65
50 904 70
55 900 75
Hy — Ha
894
891
881
889
Fassen wir nun das Gesammtresultat in eine für den
praktischen Gebrauch passende Form:
iH„
ir^= 10—40®^
ffß
1,3323004
= 1,338211 81-0,00002258 /®-0,000 001 676/®'
;i
[Ä
1,3414389
1,331997 7
ir*=40—70«{i/^^= 1,3377690
1,3409663
(Eingegangen 29. September 1899.)
\f}
-0,00002372 ^'»-OjOOOOOl 362 1"'
9. Verhalten des Büschellichtbogens im Maffnetfelde;
von Max Toepler.
Jeder Entladungsvorgang der Mektxicität durch Luft von
Atmosphärendruck y mag er uns in der Form des Glimmens,
Büschels, Büschellichtbogens oder Flammenbogens entgegen-
treten, ist nicht unabhängig davon, ob er in einem starken
magnetischen Felde erfolgt oder nicht. ^) Speciell für den
Büschellichtbogen, eine von mir zuerst eingehend untersuchte
eigenthümliche Art von nahe continuirlicher Elektricitäts-
entladung^, habe ich schon früher die Ablenkung der Strom-
bahn im Magnetfelde nachgewiesen.^) Auf einige anderweitige
Veränderungen, welche eine magnetische Erregung des Schlag-
raumes am Büschellichtbogen bewirkt, will ich im Vorliegenden
kurz aufmerksam machen.
Zur Erzielung eines (negativen) Büschellichtbogens an einem
Magnetfelde wurde die in Fig. 1 skizzirte Versuchsanordnong
benutzt. Als Kathode diente eine stumpfe Messingspitze (ür);
in die Zuleitung zu ihr war ein grosser Wasserwiderstand w
(ca. 5 Millionen Ohm) geschaltet. Der Kathode stand eine
23 cm hohe, 16 cm breite Schieferplatte [T) als Anode gegli?
über; auf ihr war der Stanniolstreifen s aufgeklebt,
Stromeintritt zu erleichtem; die Schieferplatte war gut
aufgestellt, ihre Ränder waren mit Paraffin überzogen,
der Schieferplatte stand ein mit parallelepipedischen Pdf
armirter Elektromagnet (E), Ueber die Endflächen der Anna-
turen [N Nordpol, S Südpol) hin konnte man so eben noch die
1) Vgl. J. Precht, Wied. Ann. 66. p. 676. 1898. Für den Flammen-
bogen ist der Einfluss eines Magnetfeldes eine allbekannte ErscheinuDg.
2) Ueber die ^^Büschellichtbogen" genannte Entladongsfonn Tgl.
M. Toepler, Wied. Ann. 63« p. 109. 1897; Abhandl. d. naturw. GesellscL
Isis in Dresden 1898. p. 3, sowie Beibl. 22. p. 596. 1898; Wied. Ann. 66.
p. 660. 1898.
8) M. Toepler, Wied. Ann. 63. p. 113. 1897.
Ferfuiltm det ßüschelUclUbogetu im Mafftuifelde. 681
Kathode k und den Scblagratim, bez. den BUschetlichtbogen b
in ihm von P aus überblicken oder photographiren. Der Strom
in letzterem (ca. 1,5 Tausendstel Ampere) wurde von einer
60 plattigen Toepler'scben InflnenzmaschiDe geliefert.
c
Um den Einflnss der magnetischen Feldstärke im Schlag-
rauroe ant die Ausbildung des Büschellichtbogens zu zeigen,
wurden auf der gleichen photograpbischen Platte nacheinander
vier Kinzelaufiiahmen (in natürlicher Grösse) gemacht (vgl. die
Beproduction derselben Fig. 2). Die erste Aufnahme (in Fig. 2
von oben gezählt] erfolgte bei kleiner Schlagweite und nicht
erregtem Elektromagneten (hierauf wurde die Belichtung der
Platte unterbrochen); die zweite bei gleichem Schlagraume
Ttaek Erregung des Magnetismus (Belichtung unterbrochen,
682 M. Toepler.
photographische Platte verschoben); die dritte bei vergrösserter
Schlagweite ohne Felderregung (Belichtung unterbrochen); die^
vierte schliesslich wieder nach Erregung des Magnetfeldes.
Die Expositionszeit betrug je ca. 1 sec, die Stärke des erregten,
im Bereiche des Büschellichtbogens noch als nahezu homogen
anzunehmenden Magnetfeldes angenähert 350 absolute mag-
netische (C.6.S.)-Einheiten.
In Fig. 2 ist die spitze Kathode links, die Anode (Schiefer-
platte) rechts zu denken. Das matte positive Glimmen auf
letzterer (ftlr die vier Einzelaufnahmen theilweise übereinander-
fallend) ist deutlich zu erkennen. Hieran grenzt nach links
hin in allen vier Fällen der ausgedehnte Anodendunkelraom
(d. h. die ausgezeichnete Stelle der rein negativen Entladung).^)
Dann folgen weiter nach links hin die (carminrothen) Schichten
des negativen Entladungsantheiles. Die einzelnen Lichttheile
an der Kathode (ziegelrothes Licht und helles Kathodenlicbt)
stehen einander so nahe, dass sie sich auf dem Photogramm
nicht unterscheiden lassen.
Die Bahn des Büschellichtbogens erscheint in Fig. 2 (so-
wohl bei kleinerer wie bei grösserer Schlagweite) vor Erregung
des Magnetfeldes nach oben gekrümmt (vgl. Aufnahme 1 und 3).
Dies ist eine Folge der elektrostatischen Abstossung durch
die auf den Magnetpolen sich ansammelnde Elektricität. ^ Im
Magnetfelde (Aufnahme 2 und 4) erscheint der BüschelUchtbogen
aus seiner ursprünglichen Bahn abgelenkt und zwar im vor-
liegenden Falle (wo der Nordpol vom über der Bildebene der
Fig. 2, der Südpol als hinter derselben liegend zu denken ist)
nach unten y entsprechend den bekannten Gesetzen der fFtrkung
eines Magnetfeldes auf ein bewegliches Strombahnelement in ihm.
Wurde der Strom im Elektromagneten umgekehrt, so erfolgte
natürlich eine Ablenkung nach oben (von den Polen fort).
1) M. Toepler, Abhandl. d. naturw. Gesellfich. Isis in Dresden
1898. p. 13.
2) Natürlich würden auch schon unelektrische Leiter (Magnetpole)
das elektrische Feld und somit die Bahn des BüschellichtbogeDs beein-
flussen; meist nehmen jedoch die Pole (durch Ausstrahlung von Kathode
oder Anode, Leitung) eine Ladung an; je nach deren Vorzeichen be-
obachtet man Abstossung oder auch Anziehung der Bahn des Bftschel-
lichtbogens.
Verhalten des BüschelUchtbogens im Magnetfelde. 683
Die Einwirkung des Magnetfeldes beschränkt sich jedoch,
e Fig. 2 deutlich zeigt, nicht nur auf eine Bahnverschiebung
8 Büschellichtbogens. Die einzelnen (carminrothen) Schichten
cken im Magnetfelde dichter nach der Kathode zusammen, ähn-
h wie dies bei Erhöhung der Stromstärke oder des Luft-
ackes der Fall sein würde. Beobachtet man den Vorgang
38es Zusammenrückens bei allmählicher Ek*regung des Magnet-
des genauer, so sieht man hierbei die neuen Schichten,
r welche durch Zusammenrücken der schon vorhandenen
atz wird, allmählich aus der ausgezeichneten Stelle, d. h.
m dunklen Anodenraum heraustreten.
Ist das Magnetfeld sehr stark, so erscheinen die einzelnen
ihichten deformirt; schon in Fig. 2 findet sich (Aufnahme 2
id 4) diese Erscheinung soeben angedeutet. Die einzelnen
ihichten erscheinen schräg zur Bahn der Entladung gestellt,
äe folgende Schicht steht nicht in der Richtung der Ver-
ngerung der vorhergehenden, sondern etwas seitlich. Der
äschellichtbogen erscheint daher an den dunklen Stellen
dschen den Lichtschichten schräg durchschnitten. Hierbei
rd jedoch der ganze Entladungsvorgang ein höchst unruhiger,
kckemder, sodass er sich zu photographischer Aufnahme
3nig eignet. Bemerkt sei auch noch, dass schon in schwachen
agnetischen Feldern eine klare Schichtung, wie sie Fig. 2
igt, selten ist; das magnetische Feld erschwert eine scharfe
hichtenbildung auf der Bahn des Büschellichtbogens.
Die magnetische Feldstärke im Schlagraume beeinflusst
- bei ungeänderter Intensität der Stromzuführung durch die
ifluenzmaschine — auch die Spannungsdifferenz der Elek-
oden. Mit Hülfe eines Quarzelektrometers von Pockels^)
3SS sich nachweisen ; dass die Spannungsdifferenz der Elek-
oden sich nicht merklich änderte, wenn ein elektrostatisch
^gelenkter Büschellichtbogen durch das magnetische Feld in
e kürzeste Verbindung von k und T eingelenkt wurde, dass
e sich jedoch sehr merklich vergrösserte, wenn der Büschel-
^htbogen aus einer ursprünglich kürzeren in eine längere Bahn
}gelenkt wurde. Hiernach ist zu schliessen, dass die Span-
1) Vgl. F. Pockels, Verhandl. dentscb. Naturf. u. Aerzte in Braun-
hweig p. 56. 1897.
684 M. Toepler. Verhalten des BüechelUchtbogens im Magnetfelde.
nangsdifferenz der Elektroden unter sonst gleichen Verhält-
nissen mit der magnetischen Feldstärke im Schlagraume etwas
zunimmt.
Schliesslich sei noch auf folgende aufifallende Erscheinung
hingewiesen. Wählt man die von der Influenzmaschine ge-
lieferte Stromstärke derart, dass dieselbe soeben hinreicht, um
den Büschellichtbogen im unmagnetischen Felde dauernd zu
erhalten^), so verwandelt sich dieser sofort wieder in einen
Funkenstrom, sobald das Magnetfeld im Schlagraume erregt
wird.
Dresden, 27. September 1899.
1) Bei StromverstärkuDg folgen sich im Schlagraume: negatiye
BQschelentladang, Funkenstrom, Büschellichtbogen; vgl. M. Toepler,
Wied. Ann. 66. p. 663. 1898.
(Eingegangen 29. September 1899.)
i
10. Ueber den kritischen Zustand;
von C. Dieterici.^)
Aus den experimentellen Arbeiten , welche im Laufe
ten Jahrzehntes von Cailletet und Mathias, Amagat
umfassendster Weise von ßamsaj und S. Young über
[tischen Zustand der verschiedensten Stoffe ausgeführt
heint mit Sicherheit hervorzugehen, dass für alle Stoffe
tsächlich beobachtete kritische Dichte nahezu dasselbe
le der idealen Dichte ist, d. h. derjenigen Dichte, welche
s dem idealen Gasgesetze
m Druck- und Temperaturbeobachtungen im kritischen
le berechnet.
ßser Satz ist zuerst von S. Young^ aus seinen ge-
laftlich mit Ramsay ausgeführten Beobachtungen ab-
. Man kann ihn auch so aussprechen : Die Abweichung
bischen Zustandes von dem durch das ideale Gasgesetz
rten ist für alle Stoffe nahezu dieselbe. Es war erst
i, diesen Satz aus den Versuchen abzuleiten, nachdem
bet und Mathias^) die Methode kennen gelehrt hatten^
a überhaupt zu einer sicheren Ermittelung des kritischen
ms oder der kritischen Dichte gelangen kann, die
e des Mittelwerthes aus Flüssigkeits- und Dampfdichte
Ittigten Zustande bei Temperaturen, die nahe unterhalb
tischen Temperatur liegen. Erst als S. Young diese
Ueber einen Theil der nachfolgenden Darlegungen wurde auf
Katurforscherversammlung in München berichtet
S. Young, Phil. Mag. (5) 84. p. 603—507. 1892; 87. p. 1—8. 1894.
L. Cailletet u. £. Mathias, Joum. de phys. (2) 5. p. 549 — 564.
p. 414— 426. 1887.
686
C, Dieterici.
Methode anwendete, gelang es ihm^ den angeführten Satz zn
erkennen.
Da es nothwendig ist, sich eine Anschaaung darüber zh^
verschaffen, innerhalb welcher Grenzen der ausgesprochene
Satz als sicher angesehen werden kann , stelle ich in der unten-
stehenden Tab. 1 sämmtliche Beobachtungen von Ranisaj
und Young zusammen. In der ersten Columne ist die unter-
suchte Substanz angegeben, unter M das Moleculargewicbt,
dann folgen unter 7?^, i?-^, v^ der beobachtete kritische Druck,
absolute Temperatur und das nach der Methode von Cailletet
und Mathias unmittelbar aus den Beobachtungen ermittelte
kritische Volumen für die Grammmolekel oder die Mole als
Tabelle 1.
Substanz
M
Ph
&^C.^
v^ cm*
Po cm*
^9
mm Hg
M
X
1
u
K
Fluorbenzol CeH^F
95,8
33910
559,55
270,5
1026,0
3,79
Chlorbenzol CeH^Cl
112,2
33910
633,0
305,7
1160,5
3,80
Brombenzol C^U^Br
156,6
33910
670,0
321,4
1228,0 3,82
Jodbenzol CeHgJ
203,4
33910
721,0
347,9
1322,0
3,80
Benzol CeHe
77,84
36395
561,5
256,3
959,4
3,74
Chlorkoblenstoff CCI4
153,45
34180
556,15
275,6
1012,0
8,67
Zinncblorid SnCl«
259,3
28080
591,7
350,4
1310,0
3,74
Aether (C,H5),0
73,84
27060
467,4
281,4
1074
3,815
Normalbexan CeHj«
85,82
22510
507,8
366,8
1403
3,88
Isopentan C5H,, !
71,85
25100
470,2
309,2
1164
3,765
Methylformiat C,H40,
59,86
45030
487,0
171,3
672,8
8,93
Aethjlformiat CjH^O,
73,83
35590
508,3
228,4
888,2
3,89
Methylacetat CgHeO,
73,83
35180
506,7
226,8
895,5
3,95
Propylformiat C^Tlfif
87,80
30440
537,85
283,7
1099,0
3,87
Aethylacetat C^HgO,
87,80
28880
523,1
285,0
1126,0
3,95
Metbylpropionat C4H8O,
87,80
30030
530,4
281,1
1098,0
3,91
Propylformiat CgHioO,
101,77
25210
549,2
343,4
1355,0 8,945
Aethylpropionat CftHjoO,
101,77
25210
545,9
342,8
1347,0 3,93
Metbylbutirat CftHioO,
101,77
26000
554,25
338,9
1325,0
3,91
Methylisobutirat C5H10O,
101,77
25750
540,55
387,3
1306,0
3,87
^Methylalkohol CHgOH
31,93
59760
513,0
118,0
533,6
4,52
Aethylalkohol CjHjOH
45,90
47850
516,1
166,9
670,5
4,02
Propylalkobol CjM^OH
59,87
38120
536,7
217,6
875,6
4,02
Essigsäure CHgCOOH
59,86
43400
594,6
170,5
852,0
5,00
Kritischer Zustand, 687
Masseneinheit. Unter v^ ist das „ideale" kritische Volumen
angegeben, also nach
^0 =
berechnet; die für alle Körper gleiche Gasconstante ist
i2 = 84534 ^/^"^
gesetzt, unter v^jv^ ist dann das Verhältniss des idealen zum
thatsächlichen kritischen Volumen berechnet, oder das Ver-
hältniss der thatsächlichen kritischen Dichte zur idealen.^)
Die ersten zehn Stoflfe Benzol und seine Halogenderivate,
die Kohlenwasserstoffe Hexan und Isopentan, endlich Chlor-
kohlenstoff, Zinnchlorid und Aethyläther ergeben nahezu con-
stante Zahlen für »o/r«, im Mittel etwa 3,75. Bei der Be-
urtheilung dieser Zahlen muss man bedenken, dass sowohl
das berechnete v^ den Fehler tragen muss, der durch die
Beobachtungsunsicherheit des kritischen Druckes und der Tem-
peratur bedingt ist, und dass ebenso das beobachtete kritische
Volumen mit einem Fehler behaftet ist, sodass es nicht Wunder
nehmen kann, wenn die Verhältnisse v^jv^ in den Grenzen
von ± 2 Proc. um den Mittelwerth herum liegen.
Einen um etwa 4 Proc. höheren Mittelwerth, etwa 3,9,
zeigen die folgenden zehn höher constituirten Ester; Aethyl-
und Propylalkohol mit {v^jv^) = 4,02 geben einen um etwa
7 Proc. höheren Werth, Methylalkohol uad Essigsäure zeigen
ein ganz abweichendes Verhalten. Von letzterer wissen wir,
dass sie im Dampfzustande ein anderes Moleculargewicht hat,
als ixk flüssigen, ein ähnliches Verhalten ist wohl auch bei
Methylalkohol nicht ausgeschlossen. Auch bei den Estern sind
wohl Polymerisationen oder Dissociationsvorgänge möglich,
während solche bei den Kohlenwasserstoffen kaum anzunehmen
sind; daher verdienen wohl die bei diesen Stoffen beobachteten
kritischen Dichten das meiste Zutrauen. Den bei diesen Stoffen
1) Die OriginalbeobachtuDgen sind enthalten in Phil. Trans. 176.
p. 128. 1886, 178. p. 57. 1887, 180. p. 137. 1889; ferner in Journ. ehem.
Boc. 55. p. 486. 1889, 59. p. 125. 1891, 63. p. 1191. 1893, 67. p. 1071. 1895,
71. p. 446. 1897; Auszüge und Zusammenstellungen der Resultate in
Phil Mag. L c., auch Phys. Rev. 1. p. 385—423. 1892.
688
C. Dieterici,
beobachteten Werthen des Verhältnisses v^ : v,, liegen nahe die-
jenigen, welche vonAmagat^) und Cailletet and Mathias^
an chemisch einfacheren Verbindungen beobachtet und welche ^
in der folgenden Tabelle zusammengestellt sind.
Tabelle 2.
Sabstanz
M
K
in Atm.
v^ cm'
Vq cm*
Kohlensäure CO,
Schweflige Säure SO,
Aethjlen CsH«
Stickoxjdul N,0
48,89
68,90
27,94
48,98
804,85
429,0
2834
308,9
72,9
78,9
51,0
74,0
94,58
122,9
133
107,2
341,5
445,0
454,2
346,1
3,61
8,62
3,42
8,19
Die beiden Substanzen CO, und SO, geben ein Verhält-
niss (3,62) des idealen zum thatsächlichen kritischen Volumen,
welches den von Ramsaj und Young an den Kohlen Wasser-
stoffen beobachteten sehr nahe liegt. Die unbeständigeren
Verbindungen CgH^ und N^O weichen beträchtlich ab.
Es wäre von höchstem Interesse, in dieser Beziehung die
kritischen Daten möglichst einfacher Stoffe festzustellen. Die
YonRamsay neu entdeckten, vermuthlich einatomigen Elemente
würden sich am besten hierzu eignen.^ Da indessen diese
wohl schwerlich in absehbarer Zeit bei und unterhalb ihrer
kritischen Temperatur untersucht werden können, würden wohl
zunächst die Elemente Sauerstoff und Stickstoff ins Auge zn
fassen und für diese die Isothermen in und unterhalb ihrer
kritischen Temperatur zu beobachten sein, damit man aus
ihnen die kritischen Daten nach der Methode von Cailletet
und Mathias mit grösserer Sicherheit ermitteln kann, als es
durch directe Ablesung möglich ist. Die bisher für diese ein-
fachsten Stoffe vorliegenden Daten sind folgende*):
1) £. H. Amagat, Compt. read. 115. p. 1098 u. 1322. 1892; vgl
auch Phys. Rev. 2. p. 33—43. 1892.
2) L. Cailletet u. K Mathias, 1. c.
3) Hr. Ramsaj hob dies besonders hervor in seinem Vortrag auf
der 71. Natnrforscherversammlung in München.
4) Beobachtungen von Wroblewski, Dewar, Hautefeaille
und Cailletet nach Landolt-Börnstein's Tabellen.
Kritischer Zustand.
689
Tabelle 3.
Substanz
M
&.
w cm'
in Atm.
ToCm'
Stickstoff N,
28,02
.127,0 35,0
Sauerstoff O, ! 31,92 ' 154,6
50,4
75,73
63,70
62,30
52,8
50,0
296,9
251,0
3,92
4,66
4,77
4,85
5,00
Man kann aus diesen Zahlen gewiss nicht die Behauptung
ableiten, dass auch bei Sauerstoff und Stickstoff das Verhält-
niss der thatsächlichen kritischen Dichte zur idealen dasselbe
sei, wie das von Ramsaj und Young an den Kohlenwasser-
stoffen gefundene, etwa 3,7 ; aber gewiss kann man auch nicht
die gegentheilige Behauptung aufstellen. Denn es ist eine
Erfahrung, dass stets die directe Beobachtung des kritischen
Volumens wesentlich niedrigere Werthe ergiebt, als die Methode
Ton Cailletet und Mathias. Eine jede Beobachtungsreihe
der reichhaltigen Arbeiten von Ramsay und Young zeigt
dies. Bei Sauerstoff und Stickstoff liegen nur directe Beob-
achtungen vor, sie sind vermuthlich alle zu klein, das Ver-
Verhältniss Vq : v^ daher zu gross. Gelingt es , die Volumina
dieser Stoffe im Sättigungszustande in flüssiger und dampf-
förmiger Phase unterhalb ihrer kritischen Temperatur zu be-
obachten, so ist wohl zu vermuthen, dass man auch bei diesen
Stoffen zu v^iv^ ;= ca. 3,7 geführt wird.
Fasst man das in den angeführten Arbeiten zusammen-
getragene Material zusammen, so glaube ich, liegt alle Ver-
anlassung vor, den von S. Young zuerst ausgesprochenen Satz
dahin zu erweitem: dass bei allen Stoffen, welche ohne che-
mische Veränderungen in den kritischen Zustand übergeführt
werden können, das Verhältniss der thatsächlichen zur idealen
kritischen Dichte nahezu dasselbe ist, etwa 3,7.
II. Ein jeder Versuch, den Zustand der Körper durch
eine Gleichung zwischen den drei Grössen Volumen (»), Tem-
peratur {&) und Druck (p) wiederzugeben, muss davon aus-
gehen, die im kritischen Zustande thatsächlich stattfindenden
Beziehungen qualitativ und quantitativ richtig wiederzugeben.
Ann. d. PbjB. u. Chem. N. F. 69.
44
690 C. Dieterici.
denn der kritische Zustand bestimmt die Constanten, welche
in die Zustandsgieichung eingehen.
Bekannt ist die Zustandsgleichung von van der Waals*
und im Hinblick auf die vielen qualitativ sehr nahe zutreffenden
Folgerungen, welche diese Gleichung zulässt und weiter im
Hinblick auf die eingehende Discussion dieser Gleichung von
Hrn. Boltzmann^), welche ihre Fruchtbarkeit erkennen lässt,
werden wir mit Recht zunächst di^se Zustandsgleichung bei-
zubehalten suchen.
Ich werde nun erstens nachweisen, dass die Zustands-
gleichung von van der Waals nicht im Stande ist, die
Grössenbeziehungen im kritischen Zustand quantitativ richtig
wiederzugeben, auch dann nicht, wenn man die Erweiterungen
heranzieht, welche sowohl van der Waals^), wie insbesondere
Boltzmanu, aus theoretischen Anschauungen entwickelt haben;
dann will ich zweitens nachweisen, dass eine Aenderung des
Gesetzes des van der Waals^schen Cohäsionsdruckes genügt,
um die durch die Beobachtung gegebenen Thatsachen richtig
wiederzugeben. Die theoretische Begründung dieses veränderten
Cohäsionsgesetzes gelingt nicht, vielmehr fuhren theoretische
Ueberlegungen auf eine neue Darstellungsweise, welche auch
die Grössenbeziehungen im kritischen Zustande richtig wieder-
giebt, und welche ich im dritten Abschnitt darlege.
Ich beschränke mich in dieser Arbeit auf den kritischen
Zustand allein. Die Ausdehnung der Betrachtungen auf die
anderen Zustände muss weiteren Arbeiten vorbehalten bleiben.
1. Die Zustandsgleichung von van der Waals lautet
allgemein :
(1) (p + n){v^b)^Rx%
worin die Bedeutung der Zeichen p, v, &, JR schon angegeben
ist, TT bedeutet den von van der Waals eingeführten
Cohäsionsdruck, der von der wechselseitigen Anziehung der
Molekeln herrührt, b die Volumencorrection. Nach van der
Waals ist b das Vierfache des Kemvolumens der Molekeln,
die Differenz (v— ä) stellt das für die Bewegung der Molekeln
1) L. Boltzmann, Gafitheorie, 1897 u. 1898.
2) J. D. van der Waals, Die Continuit&t etc. IL Aufl. 1899.
I
f
Kritischer Zustand, 691
verfugbare Volumen dar, das Covolumen nach Amagat und
J. Traube.
Für den Cohäsionsdruck n macht van der Waals die
Annahme
(2) ^ = -^.
worin a eine Constante ist. Durch diese Annahme wird die
Gleichung (1) vom dritten Grade in Bezug auf v, giebt im
allgemeinen zu jedem Werthepaar von p und & drei Werthe
von V, welche im kritischen Zustande in einen zusammenfallen.
Damit dies geschehe, müssen bestimmte Beziehungen zwischen
den Grössen a, ä, /?«, v^, tA^ obwalten, welche aber ver-
schieden sind, wenn wir b als constant (unabhängig von v)
ansehen, oder b als Function von v betrachten.
Der erste Fall, b = const, führt auf die drei historischen
Gleichungen
(3a) v^=^3b, p^ = -^ y ,9-^ = ^
I
21 b^ " 121 Rb
Die Bedeutung der ersten dieser drei Gleichungen ist von
selbst ersichtlich, die der zweiten erkennt man am besten,
indem man in ihr b durch ^v^ ersetzt, also
Px — 3 p2
schreibt. Bedenkt man, dass nach (2)
a
der van der Waals'sche Cohäsionsdruck im kritischen Zu-
stand ist, so sagt die Gleichung
aus, dass im kritischen Zustande der Cohäsionsdruck gerade
dreimal so gross ist, als der kritische Druck, den wir wahr-
nehmen.
Die dritte der Gleichungen (3 a) liefert die Constante a,
ausgedrückt durch die dem Experiment zugänglichen Grössen
a = R rh^ v^ . ^ ,
44*
692 C. Dieterici.
Dividirt man die dritte der Gleichungen (3 a) durch die
zweite, so föllt die Constante a heraus und ersetzt man wieder
b durch \v^^, so erhält man:
(4 a) ^- = I = 2,67.
Nun ist aber
das ;, ideale^' kritische Volumen oder dasjenige, welches bei
Gültigkeit der idealen Gasgesetze eintreten müsste. Die
van der Wa als 'sehe Zustandsgieichung liefert also unter
Annahme n ^{afv^ und b = const. nothwendig:
^
^
= 2,67.
In der Zusammenstellung der thatsächlichen BeobachtuDgen
sahen wir, dass dieses Verhältniss zu 3,7 oder meist höher
beobachtet ist; keine einzige der vorliegenden Beobachtungen
liefert die Zahl, auf welche die Theorie f&hrt. Hier liegt also
ein Widerspruch zwischen Theorie und Beobachtung vor, der
beseitigt werden muss.
Wir lassen nunmehr die Voraussetzung b = const. fallen
und seilen b als Function von v an.
Von H. A. Lorentz, von van der Waals, von. G. Jäger
und Boltzmann sind Erweiterungen der Theorie in dieser
Hinsicht entwickelt, welche sich darauf gründen, dass bei dem
stark verdichteten Zustand der Gase nicht nur Zusammen-
stösse zwischen zwei Molekeln erfolgen, sondern auch solche,
bei denen drei oder mehr Molekeln zugleich collidiren. Aus
diesen Betrachtungen entspringt, dass wir die Zustands-
gieichung (1) in der Form
, = Ä.^.l(i + l + «,.(l)% .,(!)«...)-.
ZU schreiben haben, worin b constant ist. Nur für den ersten
der Coefficienten a^, u^ , , . lässt sich der Zahlenwerth mit
einiger Sicherheit ermitteln. Van der Waals findet a^^ ^,
1
Kriäsc/ier Zustand. 693
G. Jäger^) und unabhängig Boltzmann a^^^, also sehr
nahe dem von van der Waals gleich. Die weiteren Coeffi-
► cienten a, . . . lassen sich durch theoretische Ueberlegungen
nicht ermitteln; nur Eines wissen wir: dass diese Coefficienten
ebenso, wie das Verhältniss b/v, nur positiv sein können.
Ich breche zunächst die Reihe mit dem Gliede (3/^)^ ab,
schreibe also
(Ib) p^2i&.}(l+^+a,[^f)-n,
worin
(2) n=^^
ist, und weise nach, dass, gleichgültig welchen Werth a^ haben
mag, das Verhältniss v^/v^ = 3,0 erhalten wird, und dass,
wenn man noch mehr Glieder der Beihe hinzuzieht, das Ver-
hältniss nur kleiner wird.
Die Bedingungen für den kritischen Punkt sind:
(
it.) -0 und ff£) -0,
Bedingungen, welche ja nur aussprechen, dass die kritische
Isotherme beim kritischen Volumen einen Wendepunkt hat
Bildet man diese Gleichungen unter Berücksichtigung von (1 a)
und (2), so kommt:
H
v}.
^K
K
}-'[^-Hm
2 + 6(*.Ul2«,(^*)'
v„
»l
6a
Durch Elimination von a erhält man
(3b.) l = 3«:(.7f oder A =. ^^^
und setzt man diesen Werth in eine der Gleichungen ein, so
kommt
1) 6. Jäger, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien 105.
p. 15—21. 1896.
I
694
C, Dieterici,
Setzt man die gefundenen Werthe von bjv^ und a in die
Gleichung (la) ein, welche für den kritischen Zustand
lautet, so erhält man:
n V
H H
R^.
= (i + yi«i + i)-a+yi«i) = i,
oder
(4b)
— - = — = 3
unabhängig von a^ Gleichgültig, ob wir also mit Boltzmann
€Zj = 1^ setzen, oder mit van der IVaals gleich ^, da^ Jer-
hältniss des idealen zum thatsächlichen kritischen Volumen wird
drei, sofern nur «j > 0 ist.
Dieser Werth ist der grosseste, welcher unter den ge-
machten Annahmen erreicht werden kann; denn nimmt man
noch ein Glied der Reihe hinzu, setzt also allgemein
(Ic)
,-^*i[>+l+„.(t)%«.(t)'
a
80 liefern die beiden Bedingungsgleichungen
m =0 und (.j'4) =0
die Gleichungen:
R&.
1+2-^+3«, -^
+ 4
/ b \3
2 a
Rt^.
,.;i
'^0*'''ÄXJ^'H-k''
6 (Jt
Durch Elimination von a erhält man
b \2
h \3
h \3
/ b
. o
(3b,) l = 3«i(^J +8«,(-;j «der«,(^J =|_3«^^^^|
und damit aus einer der beiden Gleichungen:
I
Kritischer Zustand.
696
•:ib,)
a = Ji iV*^ . t^x • 4"
oder
o*
. + 2;_+s.,(.';)%.(i-,..(j>.)-)J
= Ri9^.v
H * '^X
.3.
+ „ +
r
i'-'i^r
Setzt man die gefundenen Werthe für a^ (^/v«)^ und a
in die Druckgleichung (Ic) ein, welche f&r den kritischen
Zustand
^x L
'^'.-<r^<r
a
vi
lautet; so kommt
D V
(4 c)
Ä*.
s+.>K(.^r
*+;-+
nm
= |-i^i
.t \2
Jetzt ist der Quotient p^v^lßif-^ nicht mehr unabhängig
von u^. Aus (3bj) folgt aber
b \2
b \3
und da (Ä/üx) nur positiv sein kann, ebenso «,, so ist ersicht-
lich, dass
seinen maximalen Werth ^^ fllr a^ = 0 hat.
Damit wird aber
Pu • «^
K H
Ri*.
i.
oder
^ *". = -^ = 3
P V V '
wie schon vorher bei Beschränkung der Reihe auf drei Glieder
sich ergeben hatte. Hat a^ einen Werth >0, so wird unter
allen Umständen
V
<3.
y.
Denkt man sich in der Reihe für p unendlich viele Glieder
mit gleichen Factoren «^ = cfg = «3 . . . = 1 , so geht die er-
696 C. DietericL
weiterte Form der Zustandsgieichung in die erste nrsprüDg-
liehe Form über
für welche sich
V — b V*
= 2,67
^Q
^H
ergeben hatte.
Damit ist erwiesen, dass, wenn man die Zustandsglei-
chung von van der Waals in der Weise erweitert, wie es
die theoretischen Ueberlegnngen als möglich erkennen lassen,
für das Verhältniss des idealen zum thatsächlichen kritischen
Volumen nur Werthe erzielt werden können, welche im Maxi-
mum drei ergeben. Sämmtliche Beobachtungen liegen aber
wesentlich über drei und daher ist es ersichtlich, dass man durch
die theoretisch begründeten Erweiterungen die van der Waals'-
sehe Zustandsgieichung nicht mit der Erfahrung in Einklang
bringen kann.
Anders liegt es natürlich, wenn man willkürliche Glieder
der Gleichung hinzufügt.
2. Gelegentlich einer rein empirischen Berechnung machte
ich die Bemerkung, dass man die Abweichungen des gesättig-
ten Wasserdampfes von den idealen Gasgesetzen zwischen
0 und 200^0. sehr viel besser darstellen kann, wenn man
die Zusatzdrucke, die zum beobachteten Dampfdruck hinzu-
treten müssen, um das Gasgesetz zu erfüllen, in der Form
n = {a/v^l*) wiedergiebt. Diese rein empirische Berechnung
war für mich die Veranlassung, der Frage nachzugehen: zu
welchen Folgerungen gelangt man, wenn man in die Gleichung
von van der Waals diese Annahme für den Cohäsionsdruck
einführt.
Diese Folgerungen seien zunächst entwickelt und um die
Parallele besser hervortreten zu lassen, will ich dasselbe Ver-
fahren, wie van der Waals, einschlagen.
Wir behalten also die Form der Zustandsgieichung
(1) {p + n){v-b) = B&
bei, sehen in ihr zunächst b als constant an und machen die
Hypothese;
(5) n = A- .
Kritischer Zustand, 697
Ordnet man dann die Gleichung (1) nach Potenzen von v,
60 kommt
\ 91 bp + R & ti . a ab f.
P P P
oder, indem man durch x = »V» eine neue Variable einfuhrt
und die Zeichen a, ß, y in leicht verständlicher Weise für die
noth wendig positiven Factoren als Abkürzungen benutzt:
f{x) = 2r8 - a jr« + /Sar» - y = 0 .
Diese Gleichung achten Grades für x kann nach der
Regel von Descartes höchstens drei positive reelle Wurzeln
haben, da sie drei Zeichen Wechsel hat; sie hat femer eine
negative reelle Wurzel, wie man nach derselben Regel er-
kennt, wenn man x mit —x vertauscht, und vier imaginäre
Wurzeln. Die Gleichung giebt also ebenso wie die Normal-
form von van der Waals im allgemeinen drei Werthe für x
und damit für v. Im kritischen Punkt fallen die drei Wurzeln
in eine zusammen; die Bedingungen hierfür sind:
r{x)= Sx7^ oax*+Sßx^ =0,
f'(x) = 56x«- 20aa-3 + ßßx = 0,
woraus man ohne Schwierigkeit
erhält, oder, indem man wieder auf die ursprüngliche Variable t;
und die ursprünglichen Factoren zurückgeht:
(6) r^ == 4 3, ;?^ = — -^^ , ^^ =
4.(4by* " 4.(4 6)*/«.^
Diese Gleichungen sind völlig analog den klassischen
von van der Waals und nur durch. die Zahlenfactoren von
jenen verschieden. Das kritische Volumen ist hier viermal
so gross als b; ersetzt man in der zweiten Gleichung b durch
v^ und bedenkt, dass a/v^*!* nach (5) der Cohäsionsdruck im
kritischen Zustand ist, so sagt die zweite Gleichung: der
Cohäsionsdruck im kritischen Zustand ist viermal so gross, als
698 C. Dieterici.
der wahrnehmbare kritische Druck. Bildet man endlich aus
der dritten Gleichung den Quotienten Ji&^lpnV^f so wird:
(7) :^.=J^ = i5 ^3 75.
X «X X
Das ist die Zahl für das Verhältniss des idealen zum
thatsächlichen kritischen Volumen, welches die Beobachtungen
von Ramsay und Young für alle diejenigen Substanzen er-
gaben, bei denen eine molecuiare Veränderung bei der üeber-
führung in den kritischen Zustand unwahrscheinlich ist. Und
damit ist erwiesen, dass die van der Waals'sche Zustands-
gieichung unter Einführung des Gohäsionsgesetzes
a
n = —
V
V.
und unter der Annahpie b = const. eine Darstellung der that-
sächlich im kritischen Punkt stattfindenden Verhältnisse giebt,
welche für diese Stoffe qualitativ und quantitativ mit der Er-
fahrung im Einklang ist.
Für diejenigen Stoffe, bei denen das Verhältniss v^ :v^ grösser
oder kleiner gefunden wird als 3,75, könnte man molecuiare
Veränderungen, wie sie bei der Essigsäure wohl zweifellos sind,
zur Erklärung heranziehen. Man könnte also annehmen, dass
die Molekelzahlen in dem Maasse durch Dissociation oder
Association vergrössert oder verringert ist, als die procentische
Abweichung des Verhältnisses VqIv^ vom theoretischen Werthe
3,75 beträgt; thatsächlich betragen ja diese Abweichungen —
abgesehen von Essigsäure und Methylalkohol — nur wenige
Procente.
Indessen bietet die Theorie noch die Möglichkeit, andere
Verhältnisse VqIv^ zu berechnen, wenn man die Annahme
b = const. fallen lässt, vielmehr b als Function von v betrachtet.
Man könnte ebenso verfahren, wie vorn, dass man die
erweiterte Zustandsgieichung
,-«,»!-(,+» +«,(^r+«.(4r+---)-7r
in der angegebenen Weise behandelt und würde dann Zahlen
für Vf^/v^ erhalten, welche bei positiven Werthen von cfjOfj...
stets grösser sind als 3,75, um einen Betrag, der von der Zahl
f
Kritischer Zustand.
099
der benutzten Eeihenglieder und von dem Werthe der Coeffi-
cienteu a^a^, , . abhängt.
w Es ist aber allgemeiner und übersichtlicher, wenn man
keine bestimmte Form der Abhängigkeit des b vom Volumen
annimmt, sondern die Form
P= v-b
a
7»
beibehält und in ihr b als Function von v ansieht.
Dann liefern die beiden Bedingungen
m =0 und (54) =0
für den kritischen Zustand die Gleichungen:
Ri^.
o
1
-m
= 1
a
"'i: '
B».
._(äb\ ' ^. td'b\ ^
"/.o
)■
Vk
"/.
Setzt man zur Abkürzung
so erhält man durch Elimination von a
db
dv f H
2(1-6T
and damit aus einer der beiden Gleichungen
1(1 - 6') - *" ". r
(682)
a = Ä.'/.tV'.. 1(1-6')
2(1- b')
'\9
Setzt man diese Werthe dann ein in
P>^ =
iv-b)^
a
V
'/. »
60 erhält man
r. U^-b')-b''r^ \
|(1.6'j-6"i;,|
^ — '1 3M h!\
oder
\
700 C. Dieterici.
Diese Gleichung giebt natürlich für den Fall ö = const., also
&'=0 und y=0, den früher berechneten Werth (ro/*^K) = 3j5
wieder, sie zeigt aber, dass die Theorie auch die Möglichkeit
offen lässt, auch Abweichungen von diesem Verhältniss durch
passende Annahmen über die Aenderung des b mit v dar-
zustellen.
Zunächst dürfen wir wohl von diesen Abweichungen ab-
sehen und das rein empirisch gefundene Gesetz für den
Cohäsionsdruck
a
7t = -,
p •
als eine Annahme betrachten, welche im Stande ist, die Zu-
standsgleichung von van der Waals in üebereinstimmung zu
bringen mit den thatsächlichen Beobachtungen des kritischen
Zustandes.
3. Es ist mir nun nicht gelungen, das empirisch gefundene
Cohäsionsgesetz auf dem Boden der Waals 'sehen Anschauungen
theoretisch einwandfrei zu deuten. Vielmehr haben mich alle
Betrachtungen dazu geführt, den Cohäsionsdruck in anderer
Weise, als es van der Waals thut, in die Zustandsgieichung
einzuführen. Da diese Ueberlegungen, wie mir scheint, theo-
retisch richtig begründet sind und die thatsächlichen Beob-
achtungen im kritischen Zustand ebenfalls qualitativ und
quantitativ richtig wiedergeben, so entwickele ich sie hier.
Es sei ein Gas gegeben, zwischen dessen Molekeln Cohä-
sionskräfte wirken. Das Gas sei bei constauter Temperatur in
ein Gefäss eingeschlossen und wir
setzen zunächst voraus, dass es bis
an die Gefässwandung heran con-
; staute Dichte habe. Betrachten
~1 wir dann eine Molekel m, welche
sich zur Wand ^'(Fig. 1) des Ge-
fässes hin bewegt, so wird die
"" " ^ Molekel, solange sie sich noch im
Inneren der Gasmasse (Lage 1) befindet, in seiner Bewegung
keinerlei einseitiger Kraftwirkung unterliegen, da sie von allen
1.
\
Kritischer Zustand. 701
Seiten gleichmässig von der Gasmasse umgeben ist. Nähert sie
sich aber der Wand auf eine Distanz, welche kleiner ist, als
ihre Wirkungsweite q, so muss sie einem Zug nach Innen unter-
liegen, wenn wir voraussetzen, dass die Gohäsionskraft nur.
zwischen den Gasmolekeln wirkt, die Wand selbst also keine
Kraft auf die Molekel ausübt.^) Der Cohäsionszug nach Innen
erreicht ein Maximum, wenn die Molekel die Wand berührt.
Denken wir uns im Abstände q vor der Wand eine
mathematische Fläche, so wird dieselbe vom Innern des Gases
aus getroffen von Molekeln, deren Geschwindigkeitscomponente
senkrecht zur Wand nach dem MaxwelTschen Gesetze alle
möglichen Werthe haben. Diejenigen der auftreffenden Mole-
keln, welche mit kleiner Geschwindigkeit die gedachte Fläche
durchschreiten, gelangen gar nicht an die Wand, denn sie
führen nicht genug kinetische Energie mit, um die Arbeit
gegen die Cohäsiouskräfie zu leisten; diese Molekeln sind nach
Hrn. W. Voigt die „unbefähigten", sie tragen auch nichts zu
dem Druck auf die Wand kV bei. Zu dieser gelangen nur
die „befähigten" Molekeln, also diejenigen, welche genug
kinetische Energie mitführen, um die Arbeit gegen die Cohäsions-
kräfte zu leisten, aber auch diese gelangen zur Wand nur
unter einem Verlust von kinetischer Energie, welcher gleich
ist der aufgewendeten Arbeit.
Die Annahme, dass zwischen den Molekeln nach van
der Waals anziehende Kräfte thätigsind, bedingt also zweierlei :
Erstens wird die Zahl der auf die Wand auftreffenden
Molekeln kleiner und aus diesem einen Grunde wird der Druck
vermindert; damit ist zugleich gegeben, dass die Dichte des
Gases zur Wand hin abnehmen muss, vor derselben also eine
inhomogene Schicht entsteht.
Zweitens wird auch die lebendige Kraft, also auch die
Bewegungsgrösse der befähigten Molekeln kleiner und dies ist
ein zweiter Grund, aus dem der Druck auf die Wand ver-
ringert wird.
Die mathematische Behandlung dieser schon von Clausius
ausgesprochenen Grundanschauungen, welche von Hrn. G.
1) Zu dieser AnDahme sind wir gezwungen, da erfahr ungsmässig
der Gasdruck unabhängig ist von dem Material der Gefässwandungen.
702 C. DietericL
Jäger ^) begonnen, von Hrn. W. Voigt^ und mir') selbst
weitergeführt bezüglich ergänzt worden ist, hat das zuerst auf-
fallende Resultat ergeben^ dass die befähigten Molekeln, welche^
in die inhomogene Schicht mit grossen Geschwindigkeiten ein-
getreten sind, an der Wand doch wieder dieselbe mittlere
lebendige Kraft haben, wie die mittlere lebendige Kraft aller
Molekeln im Innern und dass dieses Verhalten eintritt, gleich-
gültig wie gross die aufgewendete Cohäsionsarbeit ist. Damit
ist zugleich gegeben, dass in jeder Scheibe der inhomogenen
Schicht die mittlere lebendige Kraft der in ihr enthaltenen
Molekeln die gleiche ist oder constante Temperatur besteht
Dadurch erklärt sich das zuerst auffallend erscheinende Re-
sultat der theoretischen Untersuchung.
Der Druck p auf die Wand wird:
worin ^j^ms^ diejenige lebendige Kraft bedeutet, welche eine
Molekel gegen die Cohäsionskräfte aufwenden muss, um zur
Wand zu gelangen und Ya »w c^ die mittlere lebendige Kraft ist,
oder
'^ V — h
Wenn wir in dieser Gleichung eine passende Annahme
darüber machen können, wie die Cohäsionsarbeit ^4 vom Volumen
abhängt, so stellt sie eine Zustandsgieichung dar.
Von allen Annahmen, deren Folgerungen ich untersucht
habe, ergab sich die einfachste als die beste und diese ist:
die Cohäsionsarbeit A proportional der Dichte oder umgekehrt
proportional dem Volumen zu setzen, also
V
anzunehmen.
1) G. Jäger, SitzuDgsber. d. k. Akad. d. Wissensch. za Wien 99.
p. 681—685 und p. 861—869. 1890.
2) W. Voigt, Göttinger Nachr. p. 341—364. 1896; p. 19—47 und
p. 261—272. 1897.
3) C. Dieterici, Wied. Ann. 66. p. 826—858. 1898.
I
Kritischer Zustand.
703
Dann folgen aus
1(8)
'^ V — O
die Bedingungen für den kritischen Zustand, wennman3 = const.
annimmt, durch
dp\ ^ R
/dp
\dv 1^
_c
und
cPp
dv
oder
und
woraus sich sofort
(V - hf
, Ä^ R^v
= 0
R^r^
2(7 l
= 0.
0
2C
l
r^-ft
1
(9i)
und
ergiebt und damit
R&
RK^l K-b)'
2 1 ,1
c
R^ V
= 2
;>x =
".-*
X R&^ V
e
- '- = 2e
_ o
Ä^
P V
= ^ = ^ e» = 3,695
oder
(10)
folgt.
Das Verhältniss des idealen kritischen Volumens zum
thatsächlichen ergiebt sich auch hier so nahe gleich dem beob-
achteten, dass wir auch diese Darstellung als eine quantitativ
richtige Wiedergabe der Beobachtung ansehen dürfen. Auch
hier ist die MögUchkeit gegeben, Abweichungen dadurch Rech-
nung zu tragen, dass man b als Function des Volumens an-
sieht. Setzt man zur Abkürzung "^
dh ,, d^b i„
dv d p^ '
704 C. Bietend.
so erhält man aus den beiden Bedingungen für den kritischen
Punkt die Gleichungen:
2(7 _ (\ -J/ \2 / b" \
woraus
Wx — 0^ = y, ^H
und
folgt, und damit
2 — - — V
_C __o b^_
X X
fr"
— e
X
r
X • X
:/'
2> . r V b
rti • "x "^x j M
1-6'
X
-(
»x
^ X X
Diese Gleichung giebt für Ä = con8t. 3' = 0 und 6" = 0
natürlich den Werth v^ : t;^ = 3,695 zurück, gestattet aber durch
passende Wahl von b' und b" auch andere Werthe zu be-
rechnen.
Ich glaube in dieser Arbeit nachgewiesen zu haben, dass
mit den thatsächlichen Beobachtungen über die Grösse des
kritischen Volumens die Zustandsgieichung von van der
Waals in ihrer ursprünglichen Form nicht vereinbar ist, auch
dann nicht, wenn man diejenigen Erweiterungen heranzieht,
welche sowohl von van der Waals, wie von G. Jäger und
Boltzmann durch theoretische Ueberlegungen entwickelt sind,
dass aber die Gleichung von van der Waals in Einklang
mit den Beobachtungen gebracht werden kann, wenn man ein
anderes Gesetz für den Waals 'sehen Cohäsionsdruck einfuhrt
Diesem rein empirisch gefundenen Gesetze mangelt die theo-
retische Begründung. E^ührt man aber die Grundgedanken
von van der Waals in anderer Weise in die Ausdrücke der
kinetischen Gastheorie ein, so gelangt man zu einer anderen
I
Kritischer Zustand. 705
Form der Zustandsgleichung, aus der sich Folgerungen für
den kritischen Zustand ziehen lassen, welche ebenfalls voll-
kommen mit den Beobachtungen in Uebereinstimmung sind.
Ich habe beide Darstellungen objectiv nebeneinander gestellt;
Aufgabe weiterer Berechnungen wird es sein, diejenige Dar-
stellung herauszufinden, welche sich am besten den Beob-
achtungen in anderen Zuständen anschmiegt.
Hannover, im October 1899.
(Eingegangen 12. October 1899.)
Ann. d. Pbyi. n. Chem. N. F. 69. 45
11, Uebet Hrfi. Liebenow^s th^rmO'
dynamische Theorie der Thermoelektricität;
von W. Voigt.
Hr. Liebenow^) hat in diesen Annalen kürzlich eine
thermodyuamische Theorie der Thermoelektricität entwickelt,
die Beachtung gefunden hat Diese Theorie scheint mir so-
wohl hinsichtlich ihrer Begründung, als auch hinsichtlich der-
jenigen ihrer Resultate, die sich als neu darstellen, zu schweren
Bedenken Veranlassung zu geben; ihre Entwickelung ist die
Aufgabe dieser Mittheilung. Ich bemerke dazu im voraus,
dass ich Hm. Liebenow's eigentliche Meinung mitunter zu
erraihen suchen musste, da seine Darstellung gewisse für die
Theorie wesentliche Fragen überhaupt nicht berührt. Miss-
verständnisse sind somit nicht ganz ausgeschlossen. Immerhin
hielt ich es für geboten, meine Kritik zu veröffentlichen, da
das Problem ein überaus wichtiges ist, und die von Hrn.
Liebenow abgeleiteten Resultate in mehrfacher Hinsicht über-
raschen. Da ich auf meine eigenen Untersuchungen über die
Wechselbeziehungen zwischen Galvanismus und Wärme*) ge-
legentlich zurückgreife, so habe ich die Bezeichnung mit jenen
in üebereinstimmung gebracht.
1. Hr. Liebenow behandelt die beiden Probleme: Er-
regung eines elektrischen Stromes durch ein TemperaturgeMe
und Wärmebewegung durch einen elektrischen Strom gesondert^
obgleich die Vorgänge in Wirklichkeit coexistiren; in der That
schliesst er ja bei der Behandlung des ersten Problems die
Convection von Wärme durch den elektrischen Strom aus-
drücklich aus. Dies ist offenbar so zu verstehen, dass er den
wirklichen Vorgang aus Theüen aufbauen will. Ein primärer
Wärmestrom Q^^^, bestimmt durch ein gewisses Temperatur-
gefälle, erregt einen primären elektrischen Strom J^^^\ J^^^ giebt
dagegen Veranlassung zu einem secundären Wärmestrom Q^\
1) C. Liebenow, Wied. Ann. 6S. p. 316. 1899.
2) W. Voigt, Wied. Ann. 67. p. 717. 1899; zuvor (Jött Nachr.
1895. Heft 2.
I
Liebenoufs thermodynamische Theorie der Tkermoelektricüät 707
^ bewirkt ein J^^ etc., sodass also der factische Vorgang
steht ^] aus einem elektrischen Strom
d einem Wärmestrom
Es ist für das Folgende wichtig, dies Verhältniss fest-
stellen.
Zur Lösung des ersten Problems betrachtet Hr. Liebenow
len, Yon einem elektrischen Strom durchäossenen cylindrischen
3tallstab, dem an dem einen Ende [a) eine Wärmemenge Q^
3 Zeiteinheit zugeführt, an dem anderen Ende {b) gleichzeitig
entzogen wird, und aus dessen Mantelflächen (ohne dass
ruber freilich etwas gesagt wäre) offenbar in jedem Zeit-
^ment soviel Wärme entnommen wird, als die in jedem
ement entwickelte Joule wärme ausmacht; es ist nämlich
itgesetzt, das^ in dem Cylinder derselbe stationäre Tem-
raturzustand stattfinde, als wenn kein elektrischer Strom in
n flösse, und die Mantelfläche gegen Wärmeabgabe isolirt wäre.
Dann setzt Hr. Liebenow
ibei Ä die auf die Zeiteinheit bezogene Arbeit einer hypo-
3ti8chen, allein durch den Wärmestrom hervorgerufenen,
mit thermoelektrischen Kraft im Cylinder bedeutet; er drückt
mit also aus, dass die Differenz der zugeführten und der ent-
mmenen Wärme in diese Arbeit umgewandelt wird.
Indem er nun für Ä den Werth JE einführt, unter / die
pomstärke, unter E die elektromotorische Kraft im Cylinder
rstanden, erhält er
bei ist JE auch nach Hm. Liebenow's Vorstellung zugleich
) der Arbeit von E äquivalente Joulewärme.
. Schon diese Formel muss im Grunde einige Bedenken
regen. Denn denkt man sich etwa den Cylinder als Ver-
idungsstück zwischen zwei grossen Conductoren von den
mperaturen T^ und T^, so bringt der Strom J in jeder
1) Vgl. z. B. £. Riecke, Wied. Ann. 66. p. 383. 1898.
708 /f. Voigt.
Secunde ein Elektricitätsquantnm aus dem einen nach dem
anderen, ohne dass eine Compensation für diese Leistung er-
sichtlich ist Es wird eben keine Wärme umgesetztj sondern
die Differenz von Q^ und Q^ als Wärme entzogen. Doch mag
dies nur als beiläufige Bemerkung gelten.
Weiter betrachtet Hr. Liebenow die durch Leitung be-
wegten Wärmemengen als dem Gylinder auf umkehrbarem Wege
zugeführt, was jedenfalls an sich nicht erlaubt ist, wendet in
der bekannten W. Thomson 'sehen Weise den zweiten Haupt-
satz auf sie an^) und erhält so
(5) «.(^^) = '^^'
oder bei Beschränkung auf ein Element des Cylinders von der
Länge ds
wobei nun S auf die Länge Eins bezogen ist Sds entspricht
dabei dem von Hrn. Liebenow benutzten -- d£.
Nach den gemachten Annahmen gilt femer
(7) q^-gA^l-, J=^qX{S+S,),
falls q den Querschnitt des Cylinders A und X die Constanten
der thermischen und der elektrischen Leitfähigkeit, Sq aber
die neben S wirksame elektromotorische Kraft nicht thermo-
elektrischen Ursprunges bezeichnet. Für S^ gilt bekanntlich
(«) «.— ^.
worin 0 die Potentialfunction der elektrischen Vertheilung
bezeichnet, die man, weil Sq additiv mit S verbunden ist, ohne
Beschränkung der Allgemeinheit auch in den Grenzen zwischen ver»
schiedenen Körpern stetig annehmen darf.
1) Es scheint mir nicht überall beachtet zu werden, dass diese An-
wendung etwas Hypothetisches enthält und demgemäss nicht ganz un-
bedenklich ist Der zweite Hauptsatz bezieht sich zunächst nur auf die
Wärmemengen, die ein und derselbe R5rper bei zwei homogenen Tem-
peraturzuständen in umkehrbarer Weise aufnimmt und abgiebt; er wird
durch W. Thomson aber übertragen auf die Wärmeaustausche, die an
zwei verschieden temperirten Stellen desselben ungleichförmig erwärmten
Körpers stattfinden.
Liebenow^s thermodynamische Theorie der Thermoelektricität 709
Man erhält so
Hr. Liebenow nimmt nun weiter an, man konnte durch
eine geeignete Anordnung J^gkS, d. h. 5^ = 0 machen, und
gelangt dadurch zu seinem merkwürdigen Satz
I
Aber die blosse Gestalt dieser Formeln lässt schon allein
als nahezu sicher erscheinen, dass jener Satz nicht richtig
sein kann; denn eine haltbare Theorie der Thermoelektricität,
die die Grösse der elektromotorischen Kraft liefert, aber ihre
Richtung unbestimmt lässt, ist doch kaum denkbar.
Indessen ist auch die Methode der Ableitung der End-
gleichung, selbst wenn man die Bedenken gegen die Ausgangs-
formel (6) unterdrückt, nach meiner Ansicht nicht zulässig.
Nach der (mit der allgemeinen Vorstellung übereinstimmen-
den) Annahme des Hrn. Liebenow istiS eine der Substanz
indhnduelle Function allein der Temperaturverhältnisse des Cgiinders.
Die Formel (9) ist aber hiermit im directen Widerspruch,
denn 8 erscheint nach ihr auch von S^ abhängig, und 8^ be-
stimmt sich durch die Eigenschaften des ganzen mit dem Cylinder
in leitender Verbindung befindlichen Systemes. Die Grösse S
weiter, wie Hr. Liebenow thut, dadurch zu bestimmen, dass
man 8^ =^ 0 macht, führt, ganz abgesehen von der Frage,
ob diese Annahme realisirbar ist, zu einem weiteren Wider-
spruch; denn die Gleichung (9) wird dann in allen Fällen, wo
8q nicht gleich Null ist, nicht erfüllt, obgleich sie nach der
Ableitung eine allgemeine Geltung haben soll.
Um dies näher zu erläutern und dabei die Bedeutung der
Function 8^ hervortreten zu lassen, sei der einfachste Fall be-
trachtet, dass zwei lineare Leiter Q und {") zu einem £reis
geschlossen sind. Es muss dann die Stromstärke
(11) / = q' V [8' + 8\) = q" X" (5" + 5';)
längs des ganzen Systems constant sein. Auf jedem homogenen
Theil variirt aber 8' bez. 8" mit den Temperaturverhältnissen,
von einem zum anderen mit der Substanz, demgemäss wechselt
710 r. Voigt.
auch S\ und S"^\ die letzteren Grössen sind gewissermaassen
die Regulatoren j welche die Constanz des Stromes bewirken.^)
Da für / die aus (11) folgende Formel gilt
f ^ ds' + f S'da''
J =
^ 8"
+
so sind B\ und S"^ vollkommen bestimmt.
Es dürfte aus dem Vorstehenden erhellen, dass der funda-
mentale Satz (10) des Btn. Liebenow nicht begründet ist. —
Ich wende mich nun zu den Ueberlegungen, durch welche
Hr. Liebenow eine Theorie der Peltier- und Thomson-
erscheinungen zu geben versucht. Er beginnt mit der An-
nahme, dass ,,mit jedem elektrischen Strom ein Wärmestrom
verknüpft sei" und behauptet über denselben: „Der Betrag
dieses Wärmestromes ergiebt sich unmittelbar aus der Gleichung
für den maximalen elektrischen Strom
wenn man statt J den beliebigen Strom i setzt."
Ich bemerke, dass die bezügliche Gleichung fiir den
,,maximalen" Strom bei Hrn. Liebenow nicht wie vorstehend
lautet, sondern
(a) JdE^^^dT,
das doppelte Vorzeichen wird von ihm ohne Begründung ein-
geführt. .
Ein wenig weiter schliesst er „aus der Erfahrung", dass
„für Metalle das negative Vorzeichen gilt", schreibt also bei
Vertauschung von J und Q mit i und q gar nur
1) Beiläufig möchte ich zu Obigem noch bemerken, dass es doch
einigermaassen bedenklich ist, wenn Hr. Liebenow von nkoacimaUr
elektromotorischer Kraft und maximaler Stromstärke spricht, die bei einem
gewissen Temperaturgefölle eintreten, und darunter die Werthe von J und
S versteht, die für 4% =« 0 resultiren. Einmal ist 8 unabhängig von 5o,
und sodann kann 8^ ebensowohl das gleiche, als das entgegengesetzte
Vorzeichen haben, wie 5, J also alle möglichen positiven und negativen
Werthe annehmen.
Liebenotxfs thermodynamische Tkeorie der Thei-moelektricität 711
was in unserer Bezeichnung lauten würde
>(12) 'f^^+V-Ts-
Diese Schlussreihe ist mir nicht verständlich; ich will
aber meine Bedenken gegen die Ableitung unterdrücken und
nur die beiden Formeln (a) und (/?), bez. die äquivalenten (6) und
(12) für die elektromotorische Wirkung einer Wärmeströmung
und für die thermomotorische Wirkung einer elektrischen Strö-
mung combiniren. Sie scheinen mir miteinander nicht ver-
träglich zu sein.
Greifen wir nämlich auf das im Eingang Gesagte zurück
und bauen gemäss (1) und (2) den wirklichen complicirten
Vorgang aus seinen Elementen auf, so wird nach Formel (6)
^ dTIds '
nach Formel (12)
somit wird J^^' + Z^^) = o, ebenso J"^^ + «/<*» = 0 etc. Es kommt
nach Hrn. Liebenow's Theorie in Wirklichkeit also über-
haupt kein elektrischer Strom zu stände. Aehnliche üeber-
legungen gelten in Bezug auf die resultirende Wärmeströmung.
2. Wenn nun auch im Vorstehenden der Nachweis dafür
erbracht sein dürfte, dass die theoretischen Entwickelungen
des Hrn. Li ebene w nicht zu halten sind, so bleibt doch noch
die immerhin überraschende üebereinstimmung seiner End-
formeln mit der Erfahrung zu erklären. Freilich bezüglich
des auffallendsten Gesetzes (10) beschränkt sich nach der von
den Herren Jaeger und Diesselhorst^) vorgenommenen
Prüfung die Üebereinstimmung auf die Grössenordnung\ die
Vorzeichen der beobachteten und der berechneten Werthe
differiren häufig, und die Unterschiede der absoluten Zahlen
sind sehr beträchtlich. Aber immerhin wird man nach einer
Erklärung dafür suchen, dass die bestrittenen Liebenow'-
schen Resultate anscheinend doch der Grössenordnung nach
von der Erfahrung bestätigt weiden.
1) W. Jaeger u. H. Diesselhorst, SitzuDgsber. d. k. Akad. d.
Wissensch. zu Berlin 38. p. 719. 1899.
)
712 r. Voigt.
Ich werde zur AufdeckuDg dieser Beziehung auf die von
mir entwickelte rein thermodynamische Theorie der Be-
ziehungen zwischen Galvanismus und Wärme zurückgreifen, '
die Hm. Liebenow entgangen sein dürfte. Dieselbe liefert
als Folgerungen^ was Hr. Liebenow als Annahmen einfuhrt:
die Existenz räumlicher elektromotorischer Eräfte, die von
den Temperaturverhältnissen abhängen, und die scheinbare
Mitfiihrung von Wärme durch den elektrischen Strom.
Die Componenten X, T, Z dieser elektromotorischen Kräfte
sind innerhalb homogener isotroper Leiter gegeben durch die
Formeln ^)
nox yöö dB bT
wobei 0 eine der Substanz individuelle Function der Tempe-
ratur bezeichnet. Da X hier an der Stelle des früher be-
nutzten & steht, so zeigt die Vergleichung dieser Formel mit
(10), dass nach Hm. Liebenow's Theorie
(14) ~- = ± \[^
^ ' dT ^y 11
sein müsste.
Die Componenten u, v, w der elektrischen Strömung haben
die Werthe
(15) ti = Ä(X+X,), . . .
wobei Xj,, . . . die Componenten der elektromotorischen Kraft
nicht thermoelektrischen Ursprunges bezeichnen; die Compo-
nenten Uy Ff W der gewöhnlichen Wärmeströmung sind
(16) U=-A^,...
die U, SS, SB der elektrisch fortgeführten
(17) u=-«2'4|-....
Wir betrachten nun einen linearen Leiter, dessen Axe
zur X-Axe gewählt werden möge, im stationären Wärmezustand.
Dann muss gelten
(18) -/-(Z7+U)-«JE;, + 0=0,
wobei tiX^jden von der elektromotorischen Kraft nicht-thermischen
Ursprunges herrührenden Antheil der Joulewärme bezeichnet,
1) W. Voigt, 1. c p. 729.
Liebenow^s thermodynamische Theorie der Thermoelektridtät 713
den der Längeneinheit durch äussere Leitung entführten
ärmebetrag. Die durch X bewirkte Joulewärme steckt be-
its in U. ^)
Den linearen Leiter denken wir von einem Punkte (1)
t der Temperatur 7^ bis zu einem Punkte (2) mit der
smperatur T^ erstreckt und integriren die vorstehende Formel
n dem Ende (1) bis zu einem beliebigen Punkte. Das Re-
Itat ist
)) J7+U= U^ + VL^+JuX^dx^fQ,dx,
)fiir wir kürzer schreiben
3) J7+U=-(ü.
Setzen wir die Werthe von ü und U aus (16) und (17)
er ein, so erhalten wir
iese Formel wollen wir auf die beiden homogenen Theile (')
id C) eines wie p. 709 gedachten einfachsten linearen Leiter-
eises anwenden, und indem wir hierfür x mit «, u mit j^
T/dx mit dTjds vertauschen, schreiben
Aldi . mf fftt d KJ I
Alt dT ,f, fn, d ^ ff
Verläuft s' im positiven Sinne von (1) nach (2), «" im
igativen Sinne, so entspricht + (o' und — o" flir die beiden
3itertheile genau dem oben definirten o).
Femer ist nach (15) und (13)
>bei ^> das elektrische Potential bezeichnet, also
^ rrdS'ldT ds' ^^ ^^
^ ^ u''+Ä"d md s"_ _ _A_ r ö" _ cöv
1) W. Voigt, 1. c. p. 730.
714 W. Voigt.
bei Integration dieser Formeln über s' bez. s" und Summatioii
fällt </> heraus, und es resultirt
^ ^ J vT'dß'id'T J r r'de''idT" ~ I ^ I ■+■ I ^ I»
wobei die Ausdrücke rechts z?dschen den Grenzen zu nehmen
sind, die den Temperaturen 7\ und T^ der Löthstellen ent-
sprechen.
Nach dem oben für s und s" festgesetzten Eichtungs-
sinn gilt:
^ ' 1 =(0;-0;')-(0;-0r)-
Dabei ist beiläufig
(27) 0; - &; = J?,
die elektromotorische Kraft der betrachteten Combination an
der Löthstelle n, positiv gerechnet von Q zu ("); l©*! + 0"
stallt also die aus den Messungen von Stromstärke und Wider-
stand, zu schliessende elektromotorische Gesammtkraft des
Kreises dar.
Die Formel (25) ist noch streng. Da es sich nur nm
die Frage der Grössenordnung handelt, so mag nunmehr eine
Annäherung eingeführt werden, indem
(28) 0,'_0; = ^r, 0;'-0'; = ^r
gesetzt wird, und für T, dQjdT xmA cd unter den Integralen
constante Mittelwerthe eingeführt werden. Dann resultirt
^ ^ k' Txde'ldT r Tt d e"ld T " dT dT '
Diese Formel enthält die Antwort auf die gestellte Frage.
Sind nämlich w und a>" bez. gleich 2ät js' und 2 Ä' r/*",
so wird die Gleichung befriedigt durch die Beziehungen
irfTJ "" r T* [df) ~ r T'
welche dem Liebenow'schen Satze entsprechen. Sind (o' und w",
von gleicher Grössenordnung, wie 2 A' r/«' und 2 A" r/s", so wird
I
Liehenaufs thermodynamische Theorie der Thermoelektricität 715
auch der betreffende Satz der Grössenordnung nach erfüllt sein.
Beachtet man, dass Arjs den Werth des mittleren thermi-r
sehen Leitungsstromes angiebt, und dass w das insgesammt
der tieferen ; Löthstelle zufliessende Wärmequantum plua ddm
mittleren Werthe der Joule wärme f uX^dx, minus dem mitt-
leren Werth des Wärmeverlustes fO>dx darstellt, so kann
man xecht wohl verstehen, dass 2 A t/s und co die gleiche Grössen-
ordnung haben.
Hiermit ist nach meiner Meinung die Erklärung dafür
gegeben, dass die bestrittene Liebenow'sche Formel doch der
Grössenordnung nach durch die Erfahrung bestätigt yfitd. —
Weit vollständiger, als der neue von Hm. Liebenow
gegebene Satz (10), ja sehr zufriedenstellend, werden die von
ihm aus seiner Formel {ß) abgeleiteten Folgerungen bezüglich
des Peltier- und des Thomsoneffectes durch die Beobachtung
bestätigt. Hier ist die Erklärung des Sachverhaltes überaus
einfach.
Die Liebenow *sche Gleichung (/?), bez. die damit äqui-
valente (12), ist nämlich, abgesehen vom Vorzeichen, identisch
mit der ersten Formel des Systemes (17), das ich aufthermo-
dynamischem Wege abgeleitet habe, und das, wie ich zeigte,
die W. Thomson 'sehen Gesetze der umkehrbaren elektrischen
Wärmeentwickelung nur in anderer Form enthält.^)
In der That: wird s mit «a:, S mit X, J mit uq, QmitUq
vertauscht, so folgt aus (12) zunächst
X. n dT
uX = -m^—y
T ax
also bei Benutzung des Werthes (13) von X
dS
Vi=-uT
dT
was nur im Vorzeichen von der ersten Formel (17) unter-
schieden ist.
Da aber dies Vorzeichen bei Hm. Liebenow immer nach
ßiner bestimmten Deutung der Erfahrungsthatsachen festgesetzt
1) Wie leicht zu erkennen, sind die von Hrn. Liebenow an-
gestellten Ueberlegnngen, auf dies Problem übertragen^ den Thomson '-
sehen sehr nahe verwandt.
716 r. Voigt.
wird, so macht der hier auftretende Gegensatz f&r die Be-
nutzung der Formeln keinen unterschied aus. g
In der That sind die bezüglichen Liebenow'schen Resul-
tate — abgesehen natürlich von dem durch den Satz (10) ge-
gebenen Werth von 8 — mit den von W. Thomson her-
rührenden dnrchtos identisch, und da Hr. Liebenow bei der
Yergleichung der Theorie mit der Beobachtung auf jenen be-
denklichen Satz nicht zurückgreift, so enthält seine Yerglei-
chung überhaupt kein neues Moment; sie bestätigt hier nur in
alter Weise alte Resultate^)
S. Abschliessend wendet Hr. Liebenow seinen Satz auf
leitende Erystalle und auf beliebige schlechte Leiter an. Es
braucht auf diese Ueberlegungen nach dem Vorstehenden ge-
nauer nicht eingegangen zu werden, doch mögen einige be-
sondere Bemerkungen Platz finden.
Die Anwendung des Satzes (10)
5« = A (ilX
XT\d8J
auf leitende Erystalle zeigt dessen ünhaltbarkeit von einer
neuen Seite. Denn bei Erystallen sind Gesetze für die Ab-
hängigkeit der Grössen 5, A, X von der Richtung aufgestellt,
die mit der Beobachtung vortrefflich stimmen. Aber diese
Gesetze sind nicht von einer Form^ welche das Bestehen der
obigen Gleichung zuliesse.
Der Gedanke, dass in Dielektricis durch ein Temperatar-
gefäUe eine elektromotorische Kraft hervorgerufen werde, ent-
spricht ganz auch meinen Vorstellungen. Es ist aber unmögUch,
durch eine solche Annahme, wie das Hr. Liebenow versucht
die Pyroelektricität der Krystalle zu erklären. Beim TurmaliD,
den Hr. Liebenow als Beispiel nennt, ist die elektrische
Polarisation nicht die Wirkung eines Temperatur^«/a//«« längs
dessen Axe und kehrt sich nicht mit dessen Vorzeichen um,
sondern wird durch eine gleichförmige Erwärmung hervorgerufen,
wobei die Unsymmetrie des Erystalles die Richtung des elek-
trischen Momentes bestimmt.
1) Die Tabelle auf p. 821 der Liebenow*Bchen Arbeit stimmt
z. B. mit der von Hrn. Jahn (Wied. Ann. 84. p. 755. 1888) gegebenen
im Wesentlichen vollständig überein.
Liebenoufs tkermodynamitche Theorie der ThermoeUktricität. 717
Ob die BeibuDgselektricität sich durch die Erwärmung
r BeibuDgsfläche und die infolge davon auftretenden Tem-
raturgefälle in der Nachbarschaft erklären lässt, scheint mir
[ir zweifelhaft. Jedenfalls ist das Resultat dieser Auffassung^
ilches Hr. Liebenow zu ihrer Bestätigung anfuhrt, im Wider-
ruch mit der Erfahrung: bei Beibung eines Metalles gegen
I Dielektricum wird nicht stets das Metall positiv.
Göttingen, im August 1899.
(Eingegangen 3. September 1899.)
12. Bemerhu/ng zur Abhandlung
des Hm. JET« Th. Simon: „lieber einen neuen #
JPlUssigkeitsu/nterbrecher^^f von W. Ziegler.
lu Bd. 6Ö p. 860 dieser Annalen beginnt Hr. H. Th. Simon
seine Abhandlung ^,tJeber einen neuen Flüssigkeitsunterbrecher*'
folgendermaassen :
„Vor kurzem ^) habe ich eine Theorie des Wehneltunter-
brechers entwickelt, welche die Wirkungsweise dieses inter-
essanten Apparates durch eine Localisation von Stromwärme
erklärte, die eintreten muss, wenn man in einer elektrolytischen
Zelle eine kleine Elektrode einer grossen gegenüberstellt In
diesem Falle ist der im übrigen grosse Querschnitt der leiten-
den Flüssigkeitssäule an der Oberfläche der kleineren Elek-
trode schroff auf einen relativ kleinen Betrag verengt, sodass
die Stromdichte und damit die Entwickelung der Stromwärme
dort ein scharf ausgeprägtes Maximum besitzf
Der hierinliegende historische Anspruch scheint mir nicht
ganz berechtigt, hat doch Hr. H. Th. Simon selbst in einer
früheren Abhandlung über „das Wirkungsgesetz des Wehnelt-
unterbrechers" erwähnt*):
„Wie ich nachträglich fand, wird meine Auffassung in
erfreulicher Weise durch die Versuche und Ansichten gestützt,
die Hr. Richarz^ über die Natur der an kleinen Platin-
elektroden auftretenden Uebergangswiderstände mitgetheilt hat.^'
Auch Hr. Wehnelt selbst hatte in seiner ersten Mittheilung^
diese Arbeiten von Richarz und mir selbst nicht erwähnt,
er hat aber dieses Versehen nachträglich berichtigt.*)
Allerdings scheint Hr. Wehnelt anfänglich die Erhitzung
der Elektrode selbst als den ersten Vorgang der Elrscheinong
aufgefasst zu haben, hat aber später jedenfalls, wie andi
1) H. Th. Simon, Wied. Ann. 68. p. 273. 1899.
2) 1. c. p. 275.
3) F. Richarz, Wied. Ann. 89. p. 67 u. 201. 1890; 47. p. 56T.
1892; F. Richarz u. W. Ziegler, Wied. Ann. 63. p. 261. 1897.
4) A. Wehnelt, Elektrotechn. Zeitschr. p. 76. Januar 1899.
5) 1. c. p. 187. Februar 1899; Wied. Ann. 68. p. 233. 1899; P. Spics«
u. A. Wehnelt, Verhandl. d. Deutsch. Physik. Gesellsch. 1. p. 53. 1899.
Bemerkung über einen neuen Fliissigkeitsunterbrecher, 719
. H. Th. Simon, in Uebereinstimmung mit den Versuchen
I Bicharz und mir erkannt, dass die Erhitzung der Flüssig-
t das Wesentliche ist. ^) Richarz nahm auf Grund Yon
obachtungen bei seinen Versuchen zur Bestimmung der
manischen Polarisation bei grosser Stromdichtigkeit an, dass
olge dieser grossen Stromdichtigkeit die Ek'wärmung des
3ktrolyten an der kleinen Drahtelektrode so gross werde,
38 die Flüssigkeit in ihrer Nähe verdampfe und infolge der
h bildenden Dampfhülle die Intensität auf ein Minimum
rabsinke. Diese von F. Bicharz ausgesprochene Ver-
ithung wurde auf seinen Vorschlag hin von mir experimep-
l bestätigt, indem ich durch ein in die Nähe der kleinen
ahtelektrode gebrachtes Thermoelement die Temperatur an
rselben bestimmte und als Resultat erhielt, dass erstens in
r That die Temperatur des Elektrolyten mit wachsender
-omstärke bis zum Siedepunkt steigt, und zweitens die
ige Erscheinung jedesmal erst dann eintritt, wenn der Siede-
nkt des Elektrolyten erreicht ist. ^
Hiemach war auch weiter vorauszusehen, dass eine Ver-
mpfung des Elektrolyten eintreten muss, wenn derselbe in-
ge einer schroffen Querschnittsverehgung an einer anderen
3lle als an der Elektrode von einem Strom grosser Dichte
rchflossen wird, wie Hr. Wehnelt^ und Hr. H.Th. Simon*)
chgewiesen haben.
Unberührt bleibt natürlich das Verdienst von Hm. Weh-
It, gefunden zu haben, dass bei der ursprünglichen Form
nes Unterbrechers durch Einschaltung einer Selbstinduction
den Stromkreis die Unterbrechungen einen regelmässigen
nodischen Charakter erhalten, und dass dies in der modifi-
ten Form auch schon ohne Selbstinduction im Stromkreise
r Fall ist.«)
Greifswald, den 25. August 1899.
1) A. Wehnelt, Wied. Ann. 68. p. 262. 1899.
2) W. Zieg 1er, Inauguraldissertation. 6rei£swald 1897; F. Bicharz
W. Ziegler, Wied. Ann. 63. p. 261. 1897.
8) A. Wehnelt, Wied. Ann. 68. p. 262. 1899.
4) H. Th. Simon, Wied. Ann. 68. p. 861. 1899.
5) A. Wehnelt, Wied. Ann. 68. p. 263. 1899.
(Eingegangen 27. August 1899;7
18. JSrwiderung^); von O. Jäger.
Gegenüber den von Hm. Voigf) gemachten Bemerkungen
möchte ich betonen, dass ich seine Ausführungen nicht an-
erkennen kann, indem ich darauf hinweisen könnte, dass man
eine Zustandsgieichung, in der das bewusste a fehlt, doch nicht
als die Gleichung von van der Waals ansehen darf. Ich
könnte daran erinnern, dass Hr. Voigt eine Beibungsformel
benutzt hat, die in dieser Form nur aus der Annahme, die
Molecüle seien starre Kugeln, für verdünnte Gase folgt etc.
Indess unterlasse ich jede weitere Erörterung, da ich meine
Anschauung in den früheren Abhandlungen voUständig dar-
gelegt habe.
1) Da in der vorliegenden Discussion die verschiedenen AnsichteD
nur Gteltong gekommen sind, glaubt die JEledaction, die DiacuBsion schliesMD
zu dürfen.
2) W. Voigt, Wied. Ann. 69. p. 824. 1899.
(Eingegangen 12. October 1899.)
Drook Ton Metsger A WUtlg in Loipcfg.
1899. ANNALEN ^' 12.
DBB
PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND 69.
1. lieber die höchsten hörbaren
un d nnhörbaren Töne vmi c^ = 4096 Schtoi/ngungen
{uU = 8192 vs), bis über p ifa^,), »u 90000 Schivin"
gtifigen (180000 vs), nebst Bemerkungen über die
Stosstöne ihrer Intervalle, und die durch sie
erzeugtem KundV sehen Staubfiguren;
von Rudolph Koenig.
(8ch]u88 von p. 660.)
II. Ueber die höchsten Töne, welche man ohne directes Stimmen
mit den verschiedenen tönenden Körpern nach der Berechnung^
ihrer Dimensionen und auch durch mechanisch erzeugte Impulse
herstellen kann.
Für die Herstellung von Tönen mit bestimmten Schwin-
gungszahlen vermittelst des directen Stimmens sind die Stimm-
gabeln unbedingt die zweckmässigsten und bequemsten von
allen Ton Werkzeugen, da man ihre Töne mit gleicher Leichtig-
keit erhöhen, wie auch vertiefen kann, will man jedoch mit
geringerer Mühe und Arbeit ohne directes Stimmen für prak-
tische Zwecke noch hinreichend genaue Tonreihen herstellen,
indem man nur den Ton eines einzigen Körpers direct stimmt
und darauf nach seinen Dimensionen die Dimensionen gleich-
artiger Körper für alle andere Töne berechnet und in einem
akustisch durchaus gleichen Material ausführt, so sind Stimm-
gabeln in diesem Falle wegen ihrer zu complicirten Form
natürlich nicht anwendbar und man muss vielmehr Körper
von möglichst einfacher Form benutzen, wie transversal und
longitudinal schwingende Stäbe, Platten, Luftsäulen etc. Im
Folgenden sollen nun die Eigenschaften jeder dieser Körper-
klassen untersucht werden, welche sie mehr oder weniger ge-
eignet macht, die erforderten Bedingungen erfüllen zu können.
Aan. 1. Phys. u. Cbem. N. F. 69. 46
722 jB. Koenig.
1. Transversal schwingende Stftbe.
Transversal schwingende. Stäbe haben vor allen anderen
Körpern den Vorzug voraus, dass sich bei ihnen der schäd-
liche Einfluss der Befestigung so gut wie ganz vermeiden lässt,
denn da sie bei der Erzeugung ihres tiefsten Tones mit zwei
Knoten schwingen, so kann man sie an diesen beiden Stellen
vollständiger Ruhe an Fäden oder dünnen Drähten aufhängen,
ohne dadurch die Freiheit ihrer Schwingungen zu beeinträch-
tigen, weshalb ich auch ganz natürlich sie gewählt hatte, als
ich im Jahre 1866 eine Reihe sehr hoher Töne ohne directus
Stimmen herzustellen unternommen. Diese befand sich denn
1867 unter meinen Apparaten auf der Weltausstellung in
Paris und ist seitdem allgemein bekannt geworden.^) Solche
cylindrische Stäbe lassen beim Anschlagen immer Stösse hören,
und ich habe in meiner Abhandlung „üeber die Stösse und
Stosstöne zweier in demselben Körper erregter Schwingungs-
bewegungen'^ ') beschrieben, wie sich mit Stäben von quadra-
tischem oder rechtwinkeligem Querschnitt zwischen zwei recht-
winkelig zu einander erzeugten Schwingungsbewegungen ein
unisono ohne Stösse ebenfalls nicht erreichen lässt, was auch
der Theorie vollständig entspricht, welche Lord Rayleigb
und besonders seitdem Max Wien^) von diesen und ähnlichen
Erscheinungen gegeben haben. Ausserdem entstehen aber ge-
wöhnlich auch noch in cylindrischen Stäben direct zwei etwas
voneinander verschiedene Töne zugleich, wegen der Ungleich-
heit ihrer beiden Elasticitätsaxen und der nicht absolut gleichen
Länge der Diameter ihres Querschnittes in den verschiedenen
Richtungen. Es sind also meistens mehrfache Ursachen, welche
die Stösse beim Anschlagen der Stahlcylinder hervorrufeD.
weshalb es kaum möglich sein dürfte, experimentell ein
allgemeines Verhältniss zwischen ihrer Frequenz und den
absoluten Schwingungszahlen der Gylinder aufzufinden. Bei
drei Cy lindem beispielsweise, welche aus der gleichen Stahl-
stange geschnitten, die Längen von 771,5 mm, von 298,5 mm
und von 146,5 mm hatten, waren die beobachteten Stösse der
Grundtöne entsprechend 0,60; 0,67 und 3,00 in der Secunde,
1) R. Koenig, Cat. Nr. 51. 1889.
2) R. Koenig, Wied. Ann. 34. p. 400. 1889.
3) M. Wien, 1. c. 61. p. 151. 1897.
Höchste hörbare und unhörbare Töne. 723
worin sich offenbar keine Gesetzmässigkeit erkennen lässt. In
jedem Falle können diese Stösse aber immer nur einen ganz
geringen Einäuss auf die Bestimmung der Tonhöhe des Stabes
ausüben, denn selbst wenn ihre Anzahl für den Grundton
c* = 4096 Schwingungen bis zu 8 oder 10 in der Secunde steigen
sollte, so möchte man doch noch immer den einen wie den andern
der beiden sie hervorrufenden Töne fiir den Ton des Cylinders
annehmen können, ohne dabei einen grossen Fehler zu begehen.
Die Längen der aus ein und derselben Stahlstange fQr be«
stimmte Töne geschnittenen Gylinder müssen zu einander im um-
gekehrten Verhältnisse der Quadratwurzeln aus den Schwingungs-
zahlen dieser Töne stehen , um die Genauigkeit, welche man von
der Anwendung dieses Gesetzes im allgemeinen zu erwarten be-
rechtigt ist, zu prüfen, bestimmte ich die Schwingungszahlen
einiger solcher nach demselben hergestellter Cylinder direct, und
fand,dass bei ihnen nach der Höhe zu die Schwingungszahlen, wenn
auch nur in sehr geringem Maasse, so doch immer mehr und mehr
hinter den geforderten Werthen zurückblieben. So hätte nach
einem Stahlcylinder von 771,5 mm Länge mit dem mittleren
Grundton von 3 1 0 r * berechnet, ein Stahlcylinder für c' = 2048 1; *
die Länge von 300,16 mm haben sollen, er musste jedoch bis
zu 298,5 mm verkürzt werden, um c* wirklich zu erreichen,
und ebenso war es nöthig, die berechnete Länge eines Cylinders
von 150,08 mm für c^ = 8192 üä um 3,6 mm zu verkürzen,
um mit ihm genau c^ zu erhalten. Man kann die gleiche
Beobachtung auch noch an den Tönen der Stahlstäbe von
c^ bis a^ weiter verfolgen, da bei schnell aufeinander folgendem
Anschlagen ihre Intervalle noch sehr gut die Stosstöne hören
lassen und also vermittelst dieser auch nooh direct gestimmt
werden können. Die nach der Länge des für den Grundton
c^ direct gestimmten Cylinders berechneten Länvfen einer Reihe
solchar Cylinder, und ihre beim directen Stimmen erhaltenen
Längen, wie auch die allmählich nach der Höhe hin wachsen-
den unterschiede zwischen beiden, lasse ich hier folgen:
Berechnete Längen
Gefundene Längen
Nöthige Verkürzungen
der berechn. Längen
c» d»
«*
P
9'
a»
188,1
131,0
126,9
119,6
118,5 mm
$,5 mm
137,7
130,3
125,8
118,3
112,1
0,4
0,7
1,1
1,3
1,4 mm
46
724 R, Koeniff.
Der höchste Cylinder a^, dessen beim directen StimmeD
gefundene Länge um 1,4 mm kürzer ist, als seine berechnete,
würde folglich bei seiner berechneten Länge 13318 vs statt
der erforderten 13653 t? 5 gemacht haben und somit um un-
gefähr einen Viertelton zu tief gewesen sein. Würde die Ver-
tiefung der Cyiindertöne nach der Höhe zu immer in gleicher
Weise fortschreiten, so möchte sie dabei für die Töne zwischen
c^ und g^ dann ungefähr drei Viertel eines Tones betragen,
und dieses scheint wirklich der Fall zu sein, da bei einer directen
Bestimmung der Schwingungszahl des Gylinders e^ aus einer
meiner Eeihen, vermittelst der Staubfiguren, Seh wen dt den
Ton desselben näher (P als e^ gefunden hat, was er glaubte
der Verstimmung dieses Gylinders zuschreiben zu dürfen, in
der That aber offenbar in der beschriebenen experimentell
festgestellten Abweichung der wirklichen Schwingungszahlen
von den durch Berechnung nach der Formel L\L = y^' : ^
gefundenen, seinen Grund haben muss, denn ich wüsste wirk-
lich nicht, wodurch eine derartige Verstimmung bei einem
solchen Stahlcylinder hätte bewirkt werden können. Da ich
bei den bis jetzt von mir construirten Cylinderreihen die tiefsten
Töne bis in die Mitte der Octave von c* bis c® immer ver-
mittelst der Stosstöne corrigirt und dann erst über diese
Grenze hinaus das Längengesetz ohne Correctur angewendet,
so dürfte die regelmässig fortschreitende Vertiefung bei aUen
bis zu den Tönen zwischen c^ und g'^ gewöhnlich nur einen
halben Ton erreichen, und auch dieser Fehler wird sich nun
in der Folge noch zum grössten Theile durch eine kleine
Correctur der berechneten Längen der Cylinder, nach den
experimentell gefundenen Forderungen, vermindern lassen.
Was die Hörbarkeit der Töne dieser Stahlcylinder an-
langt, deren ganze Reihe von c^ bis c® reicht, so ist sie fast
eben so gut wie die der Stimmgabeln, sodass man mit ihnen
bei Untersuchungen über die Hörgrenze bei verschiedenen
Personen auch gewöhnlich die gleichen Resultate wie mit den
letzteren erhält. Die Cylinder von c^ bis c^ können dabei auf
ihrem Untersatze aufgehängt bleiben und da angeschlagen
werden, wie Fig. 8 zeigt; die von d^ bis e^ müssen jedoch, an
ihren beiden Fäden hängend, dicht vor dem Ohre gehalten
werden, während man sie mit dem Hammer in ihrer Mitte
Höchste hörbare und unhorbare 'Hme, 725
anschlägt. — Der Einwurf aber, welchen man gegen die
Brauchbarkeit dieser Stahlcylinder für die Bestimmung der
Hörgrenze mitunter hat machen wollen, dass man bei den
nicht gehörten Tönen der kleinsten Cylinder gar nicht mehr
Pig- 8.
wiBsea könne, ob diese überhaupt noch vibriren, ist bekanntlich
schon lange dadurch beseitigt worden, dass Ed. Hagenbach-
Bischoff gezeigt bat, dass sich die Existenz ihrer unhörbaren
Töne vermittelst der sensitiven Flammen sichtbar nachweisen
lässt.i)
2. Longitndinal schwingende StSbe.
Die longitudinal schwingenden Stäbe werden schon in der
Octave von c* bis c* zu kurz, um noch durch Anstreichen in
ihrer Längenrichtuug, sei es an einem Ende für den Grund-
ton, sei es in ihrer Mitte fUr die Octave, bequem zum Tönen
gebracht werden zu können, wo dann also nur übrig bleibt,
sie durch Anschlagen einer ihrer Endflächen in der Richtung
der Axe zu erregen. Hier ist es dann schon sehr schwer, die
Stäbe in ihrer Mitte stark genug zu befestigen, um sie kräftig
mit einem Stahlhammer anschlagen zu können, und ohne dabcü
ihre Tonhöbe beträchtlich zu verändern und auch ihre Scbwin-
gungsdauer in sehr hohem Grade zu beeinträchtigen, nur wenn
man sie in ihrer Mitte blos zwischen zwei Fingerspitzen hält,
vibriren sie noch gut. Immer stellt sich bei ihnen aber
der Uebelstand ein, dass beim Anschlagen zugleich mit dem
Longitadinaltone auch ihr zweiter Transversalton mit drei
Knoten entsteht, und zwar gewöhnlich mit einer solch grossen
Intensität, dass er die Beobachtung des ersteron bei den tieferen
Tönen schon sehr stark beeinträchtigt, bei den höheren aber
in vielen Fällen sogar gerade?.u unmöglich macht, weil er
1) J. Violle, Cours de Fhyaique 2. p. 2«.
726 R. Koenig.
nämlich dann schon selbst so hoch geworden ist, dass man
nicht mehr wissen kann, mit welchem der beiden Töne man
es eigentlich zu thun hat, wie sich aus folgendem Beispiele
ersehen lässt. Ein Stab von 316 mm Länge und 20 mm Durch-
messer giebt den Longitudinalton c®, und den zweiten Trans-
versalton zwischen d^ und «^ um die Hälfte verkürzt sollte
er also den Longitudinalton c' und den Transversalton mit
drei Knoten zwischen d^ und e^ hören lassen, schlägt man
aber diesen Stab von 158 mm Länge und 20 mm Durchmesser
an einer seiner Endflächen in seiner Längenrichtung an, so
hört man zwar einen tieferen, schnell verschwindenden Ton,
und auch einen hohen starken, der für seine Höhe recht lange
fortklingt, und hat auch durchaus den Eindruck, nun einen
Transversalton des Stabes und seinen hoben Longitudinalton
zu vernehmen; untersucht man jedoch die Sache näher, so
findet man, dass der tiefere Ton, der tiefste Transversaltoa
mit zwei Knoten des Stabes ist, der so schnell verschwindet,
weil der Stab in der Mitte, also gerade in seinem Schwingungs-
bauche, mit den Fingern gehalten wird, der hohe vermeintliche
Longitudinalton aber dem Transver^alton mit drei Knoten ent-
spricht, wovon man sich sofort dadurch überzeugen kann, dass
man mit dem Stahlhammer den Stab transversal an einer
Eeihe dicht aufeinander folgender Punkte in seiner ganzen
Länge anschlägt, wo man dann diesen Ton an seinen drei
Knotenstellen vollständig verschwinden hört, während er an
allen anderen immer stark, und an seinen beiden Enden und
in der Mitte zwischen zweien seiner Knoten mit grösster In-
tensität hervorgerufen wird. Statt der beiden erwarteten Töne c"
und dem Tone zwischen d^ und e^ hört man also den Trans-
versalgrundton, welcher etwas höher als a* ist, und den Ton
zwischen d^ und e®, aber Nichts von dem Longitudinalton t",
da dieser wahrscheinlich von dem starken Transversaltone mit
drei Knoten vollständig übertönt wird. Es ist also schon in
dieser Gegend der Tonhöhen nichts Brauchbares mehr von den
Longitudinaltönen zu erwarten, obgleich hier der Abstand des
Transversaltones von dem Longitudinaltone doch noch immer
etwa eine Septime beträgt, wollte man aber gar den Cylinder
noch weiter verkürzen, um schliesslich seinen Longitudinal-
ton c® zu erreichen, so würde der Transversalton sich nicht nur
Höchste hörbare und unhörbare Töne. 727
bald seinem Longitudinaltone bis zum Unisono genähert haben,
sondern sogar auch, wenn der Longitudinalton c® geworden wäre,
über ihn schon um eine kleine Terz hinausgegangen sein. —
Soweit sich aber der Longitudinalton mit Sicherheit ohne
Verwechselung beobachten lässt, also etwa bis in die Mitte
der Octave von c® bis c^, zeichnet er sich vor den Tönen
gleicher Höhe der transversal schwingenden Stäbe und auch
der Stimmgabeln durch eine beträchtlich längere Dauer aus,
und man erhält auch bei der Anwendung des Gesetzes, nach
welchem die Längen der longitudinal schwingenden Stäbe im
umgekehrten Verhältnisse ihrer Schwingungszahlen zu einander
stehen, was die Richtigkeit der Tonhöhe anlangt, mit den
berechneten Längen der Stäbe sehr gute Resultate, denn bei-
spielsweise Hessen drei Stäbe, deren Längen nach der Länge
eines für c* gestimmten Stabes von 1250 mm Länge, für die
Töne e^j y*, c^ berechnet waren, tf* + 2, ^* + 4 und c* + 8 vd
hören, sodass sie also nur in sehr geringem Grade nach der
Höhe zu höher als die absolut richtigen Schwingungszahlen
wurden. Beiläufig sei denn auch noch bemerkt, dass bei den
ersten vier harmonischen Longitudinaltönen einer Stahlstange
von 3,086 m Länge, welche 836 Schwingungen machte, sich
gar keine Abweichung von den erforderten Schwingungszahlen
nachweisen Hess. —
3. Platten.
Um die Leistungsfähigkeit der Platten prüfen zu können,
hatte ich eine Reihe von Quadratscheiben construirt, und die
alle aus demselben etwa 1 mm dicken Messingbleche geschnitten
waren, und deren tiefste bei der Figur des Diagonalenkreuzes
direct auf c^ gestimmt, etwa 112 mm Seitenlange hatte und die
dann für die Berechnung der Seitenlängen aller anderen als
Grundlage gedient hatte.
Es ist sehr schwer, bei solch kleinen dünnen Platten die
Tonhöhe mit grosser Genauigkeit zu bestimmen, denn erstens
verändert sich dieselbe schon unter sonst gleichen Umständen
beträchtlich mit der AmpHtude der Schwingungen, sodass z. B.
bei der Platte c^ der Ton von ihrer grössten Schwingungs-
weite bis zur geringsten beim vollständigen Verklingen sich
etwa um 8 bis 10 Schwingungen, bei der Platte c* um 4 — 5
728 R. Koenig.
vertiefte, und ferner treten bei ihnen auch noch ganz ebenso
wie bei den transversal schwingenden Stäben, und aus den-
selben Gründen oft Stösse auf. Der grösste üebelstand aber,
auf welchen man stösst, wenn man mit Platten feste Töne
herzustellen versucht, ist die bei ihnen sehr grosse Abhängig-
keit ihrer Tonhöhe von der Art ihrer Befestigung. Um diese
klar darzustellen, benutzte ich eine Platte c', welche bequem
in einer Zwinge zwischen drei Paaren kleiner runder Scheiben
von 6, von 8 und von 10 mm Durchmesser festgeschraubt
werden konnte. Diese Scheiben hatten alle eine durchaus
gleiche Dicke, sodass bei gkicher Einstellung der pressenden
Schraube die Platte zwischen ihnen sich immer unter dem-
selben Drucke befand. Die Scheiben, wie die Platten waren
in ihrer Mitte mit einem Löchelchen durchbohrt, durch welches
ein auf der Unterlage befestigtes Stahlstäbchen von der Dicke
einer etwas starken Nähnadel gerade hindurchgesteckt werden
konnte, wodurch die richtige Lage der Scheiben und der Platte
zu einander und zu der Mitte der pressenden Schraube immer
gesichert war. Absolut genaue Tonbestimmungen konnten
natflrlich aus den schon angegebenen Gründen nicht erhalten
werden, dann aber auch, weil in den meisten untersuchten
Fällen der Ton der Platten nur während der Wirkung des
Bogens dauerte und nicht frei nachtönte, und es immer
äusserst schwer ist, während der Wirkung des Bogens einen
Ton mit so durchaus isochronen Schwingungen ohne plötz-
liche Phasensprünge zu erhalten, dass er mit einer frei
schwingenden Stimmgabel regelmässige Stösse bilden kann,
doch waren die Mittelwerthe, welche ich erhielt, folgende. Die
Platte auf die Spitze des Mittelfingers gelegt, mit der Spitze
des Daumens gehalten, und nach dem Anstreichen durch Auf-
heben des Daumens in ihren grösstmöglich freien Schwingungs-
zustand versetzt, machte 1028 Schwingungen; wurde sie dann
der Reihe nach zwischen den Platten von 6, von 8 und 10 nun
Durchmesser mit möglichst schwachem, aber immer gleichem
Drucke eingeschoben , so waren ihre Schwingungszahlen ent-
sprechend 1030, 1060 und 1096, und bei einem mittleren und
dann stärksten Drucke wuchsen sie von 1030 bis zu 1040,
von 1060 bis zu 1080 und von 1096 bis zu 1144, oder vom
schwächsten bis zum stärksten Drucke um 10, um 20 und
Höchste hörbare und unhörbare Töne. 729
um 48 Schwingungen, sodass demnach der Unterschied zwischen
den Tönen der möglichst frei schwingenden, und der unter
stärkstem Drucke zwischen zwei Scheiben von etwa einem
Sechstel ihrer Seitenlänge im Durchmesser vibrirenden Platte
fast einen ganzen Ton betrug.
Bei möglichst freischwingenden und auch nachklingenden
Platten bestätigt sich aber allerdings das Gesetz, nach welchem
ihre Schwingungszahlen im umgekehrten Verhältnisse ihrer
Oberflächen, oder der Quadrate ihrer Seitenlängen zu einander
stehen, sehr wohl, denn von zwei Platten nach demselben für
c^ und c* construirt, schwankte der Ton der ersteren zwischen
ungefähr 512 und 504, und der letzteren zwischen 2045 und
2040 Schwingungen bei den verschiedenen Amplituden, es ist
aber eben nicht möglich, sehr kleine Platten mit sehr hohen
Tönen gut in Schwingungen zu versetzen, ohne sie stark zu
befestigen, und auch wenn dieses möglich wäre, würden sich
Platten doch noch immer nicht zur Herstellung von Reihen
fester Töne eignen, welche zur Bestimmung der Hörgrenze
dienen sollen, wegen der Schwäche ihrer Töne, die für Ohren,
welche sonst noch c^ und d7 gut hören können, schon in dem
untersten Tbeile der Octave von c® bis c' unvernehmbar werden.
Sehr gut eignen sich dagegen kleine Platten dazu, um
überhaupt die Existenz vollständig unhörbarer Töne bequem
zur Darstellung zu bringen, denn man erhält ohne Schwierig-
keit beim einfachen Anstreichen mit dem Bogen das Kreuz
der Diagonalen noch auf Quadratscheiben, deren Seitenlänge
nicht mehr als 9,9 mm beträgt, und deren Ton c® wohl für
alle Ohren schon vollständig unhörbar sein dürfte. Ich habe
dieses Diagonalkreuz sogar noch auf einer Quadratscheibe von
8,85 mm Seitenlänge erhalten, deren Ton also e^ sein musste,
was aber schon etwas schwieriger war. Man hat übrigens für
dieses Experiment gar keine besondere Platte nöthig, sondern
kann dazu irgend ein kleines Geldstück trotz seiner geprägten
Oberfläche verwenden, denn Silbermünzen von 10 und 4 Sous,
4 Pfennigen und 3 Pence gaben mir ganz gleich gute Resultate.
Die kleine Münze wurde dabei zwischen den zwei sich gegen-
überstehenden abgeplatteten Spitzen zweier Schrauben in einer
kleinen Zwinge eingeklemmt, welche selbst in einem Schraub-
stock befestigt war^ und ausserdem auch noch, um ihre Drehung
730
R, Koefdg,
nm ihren Befestigungspunkt während des Anstreichens zn ver-
hindem, ein Punkt auf ihrer Oberfläche nahe am Bande mit
einer Stahlspitze festgelegt. —
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine Öeobachtang,
welche ich an kleinen Platten gemacht, obgleich sie eigentheh
nichts mit den höchsten Tönen zu thun hat, hier mittheilen,
da sie, wie ich glaube, noch nie beschrieben worden ist. Man
kann nämlich auf kleinen Platten ausser den bei grösseren
für ihre tiefsten Töne bekannten Chladni'schen Figuren, die
bei Kreisscheiben aus zwei sich rechtwinklig schneidenden
Diametern, und auf Quadratscheiben in einem Kreuze zweier
durch ihren Mittelpunkt parallel zu ihren beiden Seiten laufen-
den Linien bestehen, auch noch Schwingungsformen mit nur
einer einzigen geraden Linie erhalten, welche auf der Kreis-
Fig. 9.
Scheibe die Lage irgend eines ihrer Durchmesser haben kann,
auf der Quadratscheibe eine Diagonale, oder eine ebenfalls
durch ihren Mittelpunkt gehende Parallellinie zu einer Seite
bildet. So erhält man auf einer Quadratscheibe von 19,8 nun
Seitenlänge, welche für das Diagonalenkreuz auf den Ton c^{ut^
zugeschnitten war, wenn sie mit dem Kreuz der zu ihren Seiten
parallelen Linien schwingt, natürlich f^{fay), dann aber auch
noch bei der Bildung nur einer Diagonale /"* (fa^) und bei nnr
einer Parallellinie zu einer Seite /?**{/« jJe) (Fig. 9). La diesen
beiden letzten Fällen schwingen die beiden gleichen Hälften
der Platte , in welche sie durch die gerade Linie getheilt wird,
mit gleichen Zeichen, wie die beiden Zinken einer schwingen-
den Stimmgabel sich gleichzeitig einander nähern und von
einander entfernen, und wie es auch ein kleiner schmaler Stab
von der Dicke der Platte und der Länge ihrer Seite thut, der
in seiner Mitte in gleicher Weise wie die Platte festgeschraubt
ist und an einem seiner Enden angestrichen wird, der dann
auch nur eine durch seinen Mittelpunkt gehende Querlinie
zeigt und auch den gleichen Ton wie die Platte mit nur einer
Höchste hörbare und unhÖröare Töne, 731
Querlinie giebt. Die Platte bildet also bei der Theilung durch
nur eine gerade Linie gleichsam eine Stimmgabel mit Zinken,
deren innere Flächen in derselben Ebene liegen, und deren
Stiel durch die Klemmschrauben gebildet wird.
Mit zunehmender Grösse der Platte wird es immer schwerer,
die Figuren mit einer einzigen Linie zu erhalten, und nimmt
auch die Schärfe derselben mehr und mehr ab, sodass schon
auf einer Quadratscheibe von 80 mm Seitenlänge sie sich nur
noch sehr unvollkommen bilden.
4. Orgelpfeifen.
Nach Cavaill^ Coli soll die Länge der oifenen recht-
eckigen Orgelpfeifen gleich der Laiben theoretischen Wellen-
länge ihres Tones weniger ihrer doppelten Tiefe sein, und die
der gedeckten Pfeifen gleich der theoretischen Viertel welle,
ebenfalls weniger ihrer doppelten Tiefe. Dieses, obgleich nur
durch die Erfahrung gefundene und vollständig empirische Ge-
setz bestätigt sich in der Praxis dennoch ganz vortrefflich,
wie man sich davon z. B. durch eine Reihe von neun Orgel-
pfeifen überzeugen kann, welche nach diesem Gesetze con-
struirt sind, und von denen fünf bei gleicher Tiefe verschiedene
Längen haben und die Töne c, d\ e\ /", ^' geben, vier aber
gleich lang und verschieden tief, cT, e, /', p, hören lassen.^)
Die gute üebereinstimmung dieses Gesetzes mit den Beob-
achtungen lässt sich ebenso auch noch bis zu c^ direct
ohne jede Schwierigkeit nachweisen, und es ist daher kein
Grund vorhanden, weshalb es nicht auch noch für höhere
Töne sollte gelten können. Ich construirte also im Jahre 187G
für die Ausstellung in Philadelphia nach diesem Gesetze und
unter der Annahme einer Fortpflanzungsgeschwindigkeit des
Schalles von 340 m, eine Reihe von 19 offenen Orgelpfeifen
für die Töne der diatonischen Tonleiter von c^ bis //^, deren
tiefste eine Länge von 33,5 bei 4 mm Tiefe hatte, deren
höchste ^^, aber 5 mm lang und 0,9 mm tief war. Diese
Pfeifen, welche ich noch besitze, tönen am besten, wenn sie
von c* bis e^ unter einem Wasserdrucke- von 80 mm ange-
blasen werden, von e^ bis a® unter einem von 100 mm und
1) Cat. Nr. 97. 1880.
732 R, Koenig,
von a® bis g^ unter einem von 120 mm. Ihre Töne sind in
sehr hohem Grade von der Stärke des Anblasens abhängig,
sodass z. B. der Ton der Pfeife c^ beim Anblasen unter fort-
schreitendem Wasserdrucke von 35 bis zu 120 mm um unge-
fähr 150 Schwingungen, also etwa um einen halben Ton stieg.
Infolge dessen reichen schon sehr geringe Druckveränderuugen
während des Anblasens hin, die Töne dieser Pfeifen beständig
höher und tiefer werden zu lassen, wie das in auffälliger
Weise sich durch die grossen Schwankungen der Tonhöhe der
Stosstöne zu erkennen giebt, welche sich bei den Intervallen
der Pfeifen von c^ bis a^ gut beobachten lassen.
Wollte man nun die Richtigkeit des betreffenden Gesetzes
auch noch für die höchsten Töne prüfen, so könnte man dieses
natürlich thun, indem man die Tonhöhe aller dieser Pfeifen
vermittelst der schon einmal erwähnten Methode von Lord
Rayleigh mit der sensitiven Flamme oder vermittelst der
Staubfiguren bestimmte, eine solche specielle Untersuchung
lag jedoch nicht im Plane dieser Arbeit, und so begnügte ich
mich damit, nur die Töne der Pfeiien von c* bis a^ noch ver-
mittelst der Stosstöne zu bestimmen, welche jede dieser Pfeifen,
unter möglichst gut regulirtem constanten Drucke angeblasen,
mit Stimmgabeln von genau bekannter Tonhöhe hören liess,
und ich fand dabei, dass nach den erhaltenen Mittel wertben
sämmtliche Pfeifen von c^ bis a^ etwas zu hoch waren, un-
gefähr im Verhältniss von 25 : 26, und dass diese Erhöhung
constant zu sein schien und kein regelmässiges Steigen oder
Abnehmen nach der Höhe zu erkennen liess.
Man kann, denke ich, hiernach wohl annehmen, dass in
keinem B^alle die noch höheren Pfeifen plötzlich eine grosse
Vertiefung erfahren sollten, besonders da ihre Dimensionen
noch alle für Orgelpfeifen gut passende Verhältnisse haben,
indem selbst bei ^^ sich die Tiefe zur Länge noch wie 1 : 5.5
verhält, und dass folglich auch noch die für c^ bis g'' con-
struirten Pfeifen wirklich noch ziemlich genau diese Töne
geben dürften, dann aber würden sie die wichtige Thatsache
sehr klar beweisen, dass die Hörbarkeit der höchsten Töne
nicht allein von ihrer Schwingungszahl und Intensität, sondern
auch noch beträchtlich von ihrer Dauer abhängt, denn Per-
sonen, die sonst nur c'^ und d'^ noch gut hören, vernehmen
Höchste hörbare und unhörbare Töne, 733
die Pfeifentöne noch bis g'', wenn auch nicht immer gleich
im Augenblicke, in welchem die Pfeife anspricht, aber nach-
dem ihr Ton schon einige Zeit auf das Ohr gewirkt hat.
5. Saiten und Membranen.
Die durch Spannung elastischen Körper, die Saiten und
Membranen, sind für die Erzeugung der höchsten Töne durch-
aus unbrauchbar. £ine Ciaviersaite, welche auf einem Mono-
cord bei einer Länge von 1 m c [ut^ giebt, müsste fQr die
Töne c^, c®, c^ entsprechend schon bis zu 31,2, 15,6 und 7,8 mm
verkürzt werden, also bis zu Längen, bei denen die Stahlsaite
schon durchaus nicht mehr die nöthige Geschmeidigkeit be-
sitzt, um auf sie noch die allgemeinen Schwingungsgesetze der
Saiten anwenden zu können, da selbst ein 200 bis 250 mm
langes Stück derselben, an einem seiner Enden in horizontaler
Lage befestigt, in dieser noch durch eigene Steifheit bis zu
seinem anderen Ende verbleiben kann. Die Membranen sind
aber ganz unfähig, sehr hohe Töne hervorzubringen, wenn sie
auch durch solche noch in Mitschwingungen versetzt werden
können, wie der auf runde Membranen von Goldschlägerhaut
aufgestreute Sand zeigt, indem er in Bewegung geräth und
sich in Linien zu lagern sucht, wenn die Membranen in einiger
Entfernung über hohen Pfeifen gehalten werden. Eine Mem-
brane von 20 mm Durchmesser zeigte in dieser Weise ihr
Mitschwingen bis e'^ {mig) an, und eine von 15 mm bis g^ {*ö/g).
Dass es in diesem Falle aber wirklich die Töne waren, welche
die Bewegung des Sandes verursachten, und nicht etwa der
aus dem offenen Ende der Pfeife austretende Luftstrom, davon
konnte man sich dadurch zweifellos überzeugen, dass beim
directen Anblasen mit continuirlichem Luftstrome die Mem-
branen in vollständiger Ruhe blieben.
6. Mechanisch erzeugte Impulse.
Um Töne vermittelst mechanisch erzeugter Impulse her-
vorzubringen, hat man Zahnräder und Sirenen angewendet,
von welchen letztere mir durchaus den Vorzug zu verdienen
scheinen. Die Sirenenscheibe, welche ich für die höchsten
Töne construire^) hat einen Durchmesser von 1 m bei einer
1) Cat. Nr. 52. 1889.
734 JR. Koenig,
Dicke von 1,5 mm und trägt zehn Kreise von 8, 16, 32, 64,
128, 256, 512, 640, 768 und 1024 Löchern, sodass die Töne,
welche sich mit ihr bei gleicher Rotationsgeschwindigkeit er-
zeugen lassen, einen Umfang von sieben Octaven haben, wo-
durch es leicht wird, selbst bei Anwendung eines Rotations-
apparates ohne directes Zählerwerk, in allen Fällen die Schwin-
gnngszahlen ihrer höchsten Töne durch die immer leicht zu
schätzende Tonhöhe ihrer tieferen zu bestimmen. Die abso-
lute Höhe der Töne dieser Scheibe kann natürlich soweit ge-
trieben werden, als die Leistungen des Rotationsapparates,
über den man verfügen kann, gestatten, die Intensität und
Hörbarkeit derselben hängt aber in hohem Grade von der
Stärke des anblasenden Windes ab, und ich glaube, dass man
dieses oft beim Experimentiren ausser Acht gelassen hat, in-
dem man annahm, dass beim Anblasen mit jeder Windstärke
immer nothwendig ein der angeblasenen Löcherzahl ent-
sprechender Ton entstehen müsse. Die Tonbildung beruht
aber bei der Sirene darauf, dass der anblasende W^ind durdi
die an der Windröhre vorbeigehenden Löcher durchfahren
und somit auf der freien Seite der Scheibe Explosionen be-
wirken könne. Wenn man nun aber z. B., um c® zu er-
halten, eine Reihe von 32768 Löchern mit Zwischenräumen,
welche ihrem Diameter gleich sind, in einer Secunde anblasen
will, so würde der Wind an der Stelle, wo er in die OeflFnuDgen
eindringt, schon die Schnelligkeit von 32768.1,5 mm = 49m,
1520 in der Secunde, haben müssen, um nur überhaupt in sie
bis zur anderen freien Seite der Sirenenscheibe einzudringen,
und folglich eine noch viel grössere, um auf dieser Seite noch
heraustreten zu können, um Tonimpulse zu erzeugen.
Es ist sehr schwer, Scheiben von dem angegebenen
grossen Durchmesser und verhältnissmässig geringer Dicke so
eben herzustellen, dass ihre Ränder bei der Drehung ohne
jede oscillirende Bewegung bleiben sollten, doch verschwindet
diese bei einer grossen Rotationsgeschwindigkeit fast ganz, in-
dem bei ihr die Scheibe durch die Centrifugalkraft zu einer
wirklich ganz ebenen Fläche gemacht wird. Wenn der Rota-
tionsapparat es gestattet, kann man die Sirenenscheibe auch
auf demselben zwischen zwei starken, ganz ebenen Holz-
scheiben von 0,50 m Durchmesser einspannen, über die dann
Höchste hörbare und unhÖrbare Töne, 785
nur der 250 mm breite Rand mit den zehn Löcherreihen her-
vorragt, wodurch dann . auch schon bei langsamer Rotations-
bewegung die Oscillationen der Ränder fast ganz beseitigt
werden.
Die Resultate der im Vorhergehenden mitgetheilten Unter-
suchungen sind also der Hauptsache nach die folgenden:
I.
1. Man kann vermittelst der Stosstöne Stimmgabeln mit
grosser Genauigkeit für Töne von c^ bis fW stimmen, wenn
diese Stimmgabeln stark genug sind und eine gute Schwingungs-
fähigkeit haben.
Die Stosstöne kann man mit Stimmgabeln von c^ bis a^
noch gut durch Anschlagen erzeugen, über a^ hinaus muss
man aber die beiden Gabeln immer zugleich mit demselben
Bogenstriche zum Vibriren bringen.
2. Die Intervallweite, in deren Grenzen Stosstöne flir einen
gegebenen Grundton möglich sind, nimmt mit der Höhe des-
selben immer mehr ab und beträgt schliesslich für den Grund-
ton f^ nur noch einen halben Ton.
Die Intervallweiten der Grundtöne vom gr. C bis f^ lassen
sich in einer ununterbrochenen Curve darstellen (Fig. 1).
Stosstöne können auch noch gehört werden, wenn die sie
erzeugenden primären Töne schon über der Grenze der Hör-
barkeit liegen.
Die Hörbarkeit der oberen Stosstöne der ersten Periode,
wie die der unteren Stosstöne der zweiten hängt wie bei den
anderen von dem absoluten Abstände des primären höheren
Tones vom Grundtone ab, während seine Stellung zur Octave
dieses Grundtones gleichgültig ist.
Bei den Sechstenintervallen 3 : 5, mit den hohen Grund-
tönen c^ und d^ gebildet, wird der obere Stosston nur noch
allein, und zwar sehr stark, gehört.
Als Hülfsmittel beim praktischen Stimmen hat man nur
die unteren Stosstöne der ersten Periode, deren Schwingungs-
zahl gleich der Differenz der Schwingungszahlen ihrer prir
mären Töne ist, anzuwenden, und welche am deutlichsten bei
736 R, Koeniff,
denjenigen Intervallen entstehen, deren oberer primärer Ton
etwa in die Mitte der ganzen Intervallweite für Stosstöne des
Gnindtones fällt.
Die Tonhöhe der Stosstöne kann man in diesen hohen
Lagen wegen ihrer kurzen Dauer nur durch ihre Vergleichung
mit Hülfsstimmgabeln vermittelst des musikalischen Gehörs
bestimmen, ein hierbei begangener Irrthum entspricht aber
immer nur einem sehr viel kleineren Fehler in der Stimmung
der primären Töne.
3. Vermittelst der Eundt 'sehen Staubfiguren lassen sich
auch die Tonhöhen von Stimmgabeln bestimmen, welche viel
zu schwach sind, um Stosstöne erzeugen zu können.
Man kann mit Hülfe der Staubfiguren Stimmgabeln för
alle Töne von c* bis über f^ hinaus zu 90000 Schwingungen
(180000 vs) mit grosser Genauigkeit stimmen (Fig. 2, 3, 4, 5].
4. Die angewendeten Röhren können für die Töne von
c^ bis c'' noch eine Länge von 100 Halb wellen haben, müssen
aber über c^ hinaus einer immer kleineren Anzahl von Halb-
wellen entsprechen, welche schon in der Mitte der Octave von
c® bis c® nicht mehr 40 überschreiten darf.
#
Der Durchmesser der Röhren kann für den Ton c* gleich
der Länge seiner Viertelwelle sein, muss dann aber von c* bis
zu c® bis zur Länge einer Halbwelle heranwachsen und über
diesen Ton hinaus bis zu den höchsten Tönen hinauf, dann
aber nur noch bis zu ungefähr zwei Drittel der ganzen WeUen-
länge zunehmen.
In einer zu weiten Röhre bilden sich die Rippen der
Staub wellen nicht mehr senkrecht zu ihrer Axe, sondern neiges
sich periodisch den beiden entgegengesetzten Richtungen zu.
Bei einem zu kleinen Durchmesser der Röhre bilden sich
die Staubwellen nur noch gut in dem ihrem geschlossenen Ende
zunächst liegenden Theile derselben, sind unregelmässiger und
haben eine durchschnittlich geringere Länge, welche auch noch
von der Intensität des Tones sehr abhängig ist (Fig. b).
5. Die Prüfung einer vermittelst der Stosstöne gestimmten
Stimmgabelreihe von c^ bis /'^ mit der Methode der Staub-
figuren zeigt, dass beide Methoden für diese Töne fast gleiche
Resultate geben.
Höchste hörbare und unhörbare Töne. 787
IL
1. Transversal schwingende Stäbe werden weniger als alle
anderen Körper durch die Art ihrer Befestigung in der Frei-
heit ihrer Schwingungen beeinträchtigt.
Uie Stösse, welche sie immer beim Anschlagen hören
lassen, kann man bei der Bestimmung ihrer Tonhöhe ausser
Acht lassen.
Die nach den berechneten Längen hergestellten Stäbe
lassen nach der Höhe zu eine Vertiefung erkennen, welche für
ein Sechstenintervall etwa einen Viertelton zu betragen scheint.
Die Hörbarkeit der Töne dieser Cylinder ist fast ebenso
gut, wie die der Stimmgabeln und auch die höchsten, unhör-
baren der Reihe, welche bis c" reicht, schwingen noch wirklich
beim Anschlagen.
2. Longitudinal schwingende Stäbe können schon von etwa
g^ oder a^ ab nur noch durch Anschlagen erregt werden, wo-
bei immer starke Transversaltöne störend mit auftreten.
Schon zwischen c® und c' hört die Möglichkeit auf, die
Longitudinaltöne noch mit Sicherheit beobachten zu können,
so weit sie aber erkennbar sind, haben sie eine grössere Stärke
und eine längere Dauer als die Töne gleicher Höhe aller
anderen festen Körper.
Die nach dem Längengesetze zugeschnittenen Stäbe lassen
nach der Höhe zu nur eine ganz geringe Erhöhung wahr-
nehmen und die longitudinalen Theiltöne einer langen Stahl-
stange scheinen sogar in den absolut rein harmonischen Ver-
hältnissen zu ihrem Grundtone zu stehen.
3. Die Töne der Platten hängen sehr von der Amplitude
ihrer Schwingungen ab und sind in sehr hohem Grade durch
die Befestigungsart in der Freiheit ihrer Schwingungen beein-
trächtigt, auch sind ihre Töne zu schwach, um zur Bestimmung
der Hörgrenze dienen zu können.
An kleinen Platten lässt sich die Existenz unhörbarer
Töne hübsch demonstriren, auch kann man an ihnen eine be-
sondere Schwingungsart beobachten, welche grössere Platten
nicht zeigen (Fig. 9).
4. Die Töne der hohen Orgelpfeifen von c* bis g^ sind
sehr von der Windstärke beim Anblasen abhängig, doch scheint
Aqd. d. Ptays. u. Chem. N. F. 09. 47
738 R» Koeniff. Höchste hörbare und unhÖrbare Töne.
sich auch bei ihnen das empirische Gesetz von Cavaill^ Coli
gut zu bewähren.
Man kann an ihnen wahrnehmen, wie sehr die Hörbarkeit
eines Tones auch von seiner Dauer abhängt.
5. Saiten und Membranen sind für die Erzeugung höchster
Töne unbrauchbar.
6. Bei grossen Sirenenscheiben wird die Grenze ihrer
höchsten Töne nicht nur durch den Rotationsapparat bedingt,
sondern auch noch durch die Stärke und somit auch Geschwindig-
keit des Windes, welche immer gross genug sein muss, dass
derselbe auch wirklich durch die Löcher der Scheibe hindurch-
dringen kann.
Paris, Juni 1899.
(Eingegangen 7. Juli 1899.)
2. JExperi/mentelle Untersuchn/ngen
über die Geschtvi/ndigkeit und die magnetische
Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen;
von JE. WiecherU
(AuB den Nachrichten der Kgl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen,
Math.-phjs. Klasse, Heft 3. p. 260. 189B, in etwas veränderter Form mit-
getheilt vom Verfasser.)
§ 1. Vorwort,
Den Anlass für die weiterhin beschriebenen Versuche gab
Röntgen' s Entdeckung der nach ihm benannten Strahlen.
Aus der Art ihrer Entstehung und aus ihrem Verhalten glaubte
ich schliessen zu dürfen, dass sie elektromagnetische Wellen
von sehr kurzer Schwingungsdauer oder — noch wahrschein-
licher — von stossartigem Charakter sind, die durch Zu-
sammenprallen der von der Kathode fortgeschleuderten Theil-
chen der Kathodenstrahlen mit entgegenstehenden materiellen
Theilchen verursacht werden. Diese Ansicht, die ich in einer
im Frühjahr 1896 veröffentlichten Abhandlung^) näher aus-
führte, verlangt die Richtigkeit der Emissionshypothese der
Kathodenstrahlen und setzt in diesen weit grössere Geschwindig-
keiten voraus, als in den Wärmebewegungen selbst bei den
höchsten unseren Beobachtungen zugänglichen Temperaturen
im Mittel vorkommen. Ich musste daher versuchen, die
damals noch vielfach und von hervorragenden Physikern an-
gegriffene Emissionshypothese zu stützen und ein Urtheil über
die Geschwindigkeit der Strahlen zu gewinnen. Indem ich
für diesen Zweck Beobachtungen über das Potentialgefälle im
Entladungsrohr und über die magnetische Ablenkbarkeit der
Kathodenstrahlen combinirte^), ergaben sich ausserordentlich
hohe Werthe für die Geschwindigkeit, Werthe, die hinter der
Lichtgeschwindigkeit nicht gar weit zurückblieben. Dies ist
freilich in vortrefflicher Uebereinstimmung mit der Ausgangs-
1) £. Wiechert, Abh. d. Physikal.-Ökonom. Gesellsch. in Königs-
berg i. Pr. 37. p. 1. 1896.
2) Vgl. den weiter unten citirten Vortrag vom 7. Januar 1897.
47*
740 E. Wiechert
hypothese über die Röntgenstrahlen; es ergab sich nun aber
weiter, dass die Ablenkbarkeit der Eathodenstrahlen weit
grösser ist, als möglich wäre, wenn sie aus Strömen der ge-
wöhnlichen chemischen Atomen oder Atomgruppen beständen.
Sollte die Emissionshypothese überhaupt beibehalten werden,
so blieb nur übrig, zu schlicssen, dass die von der Kathode
fortgeschleuderten Theilchen vielmals geringere Masse als die
Wasserstoffatome besitzen. Hierdurch gewann die Frage nach
der Natur der Kathodenstrahlen für die von mir in naher
Uebereinstimmung mit H. A. Lorentz vertretene Theorie der
Elektrodynamik eine fundamentale Bedeutung, denn es drängte
sich die Vermuthung auf, dass in den Strahlen eben jene elek-
trischen speciellen materiellen Atome sich frei bewegen, deren
die Theorie bedarf, um die metallische Leitung und die
Aenderung der molecularen Ladung in ihr System befriedigend
einzureiben.
Unter solchen Umständen stellte ich mir die Aufgabe, die
Geschwindigkeit der Kathodenstrahlen dir e et, ohne Benutzung
der Emissionshypothese j zu messen, um so die neu gewonnene
Anschauung einer entscheidenden Prüfung zu unterziehen.
Meine Arbeiten im mathematisch-physikalischen Institut
der Königsberger Universität, die Anfang 1897 abgebrochen
werden mussten, führten zunächst noch nicht zum Ziel. Es
gelang nur sicherzustellen, dass die Geschwindigkeit jeden-
falls so gross ist, dass die Annahme gewöhnlicher chemischer
Ionen völlig ausgeschlossen wird, üeber die vorläufigen Re-
sultate und die sich anschliessenden Folgerungen berichtete
der Vortragt): L Ueber das Wesen der Elektricitätj II. Experi-
mentelles über die Kathodenstrahlen, am 7, Januar 1897. Hier
folgerte ich, dass die Masse der Theilchen in den Kathoden-
strahlen 2000 — 4000 mal kleiner sei, als die der Wasserstoff-
atome. —
Dank dem Entgegenkommen von Hrn. Geheimrath Prof.
Dr. Voigt und der Unterstützung der Königl. Gesellschaft der
1) Vollständig abgedruckt in den Sitzungsber. d. Physik al.- Ökonom.
Gesellsch. zu Königsberg i. Pr. 38. p. 1 — 16. 1897; im ersten Theile ab-
gedruckt in der Naturwissenschaft!. Rundschau, Mai 1897. — £m Keferat
geben die Beibl. 21. p. 443. 1897. (Am Schlüsse steht hier zweimtl
irrthümlich 200 an Stelle von 2000.)
Geschwmdigheit u, magn. Ablenkbarheit der Kathodenstrahlen, 741
Wissenschaften in Göttingen konnte ich die Experimente im
Sommer 1897 wieder aufnehmen und hatte dieses Mal den
gewünschten Erfolg: Us wurde möglich, die Geschwindigkeit zu
messen j und die erhaltenen IVerthe lagen wirklich in dem von
den theoretischen Erwägungen vorgesehenen Intervalle,
Auf der Naturforscherversammlung in Braunschweig^ Sep-
tember 1897, gab ich einen vorläufigen Bericht^); eine aus-
führlichere Mittheilung, die auch spätere Beobachtungen be-
rücksichtigt, folgt weiterhin. Insbesondere wurden genauere
Messungen über die magnetische Ablenkbarkeit hinzugefügt,
um ein schärferes Urtheil über die Masse der bewegten Theil-
chen zu gewinnen als in der ersten Veröffentlichung vom
7. Januar 1897.
Durch das positive Resultat der Untersuchung (in Ver-
bindung mit den neueren hierher gehörigen Entdeckungen und
Messungen von anderer Seite) wird eine sichere experimentelle
Stütze für die folgenden Ansichten gewonnen, welche ich in
früheren Arbeiten ^ nur mit grösster Zurückhaltung aus-
sprechen durfte:
Die j, elektrische Ladung''^ eines jeden materiellen Theilchens
bedeutet eine elektrodynamische Verkettung mit dem Aether, welche
in der Eigenart des Theilchens fest begründet ist und sich niemals
ändert Jede Aenderung der Ladung eines materiellen Körpers
ist zugleich eine Aenderung seines materiellen Bestandes
und jeder elektrische Strom eine Convection der Elektricität
durch materielle Theile. Bei der metallischen Leitung be-
wegen sich gewisse elektrische Atome, welche neben den
Atomen der Chemie vorhanden sind, und diese besonderen
Atome werden ausgetauscht, wenn bei elektrolytischen Vor-
gängen die molecularen Ladungen sich ändern. — Die „Elek-
1) E. Wiechert, Verhandl. d. Gesellsch. Deutscher Naturforscher
u. Aerzte, Vers, zu Braunschweig, 2. Theil, I. Hälfte p. 50—52. 1897.
2) £. Wiechert, Sitzungsber. d. Physikal.-Ökonom. Gesellsch. zu
Königsberg i. Pr. 35. p. [4]. 1894; Abh. ders. Gesellsch. 37. p. 1. 1896;
Naturwissenschaftl. Rundschau IJ. Nr. 47. 1896. — Vgl. auch die neueren
Arbeiten: Nachrichten d. Kgl. Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen,
Math.-phjs. Klasse, p. 1. 1898, und Festschrift zur Feier der Enthüllung
des Gau SS -Web er- Denkmales in Göttingen. II. Theil. Leipzig bei
Teubner. 1899.
742 E. Wiechert
tricität^^ wird so gewisser maassen zur Materie selbst, bez. zu einer
Erscheinungsform der Materie, —
Durch die Kathodenstrahlen wird nur die Existenz be-
sonderer negativer Atome angezeigt. Wir besitzen, so weit
ich sehe, kein bestimmtes Anzeichen dafUr, dass es auch eine
entsprechende Art positiver Atome giebt. Selbst das Hall-
phänomen in Metallen verlangt diese Annahme nichts denn zu
seiner Erklärung ist es nicht nothwendig, eine fortschreitende^
sondern es genügt eine hin- und hergehende Bewegung von posi-
tiven Theilchen anzunehmen. — Natürlich ist trotzdem selbst
die weitest gehende Hypothese denkbar, dass die Materie sich
ganz in zwei Arten von elektrischen Atomen, eine negative
und eine positive, auflösen lässt. —
Es gereicht mir zu hoher Freude, den Directoren der
physikalischen Institute in Königsberg und Göttingen, den
Herren Professoren Volkmann, Voigt und Riecke, sowie
der KÖnigl, Gesellschaft der ^Wissenschaften zu GÖttingen für die
gütige Unterstützung meiner Arbeit an dieser Stelle meinen
tiefgefühlten Dank aussprechen zu können.
§ 2. Methode der GeschwindigkeitsmeBsung.
Frühere Schätzungen und Messungen der Geschwindigkeit
der Kathodenstrahlen ohne Benutzung der Emissionshypotbese
liegen vor von Goldstein^), Spottiswoode und Fletcher
Moulton*), J. J. Thomson^) und Th. Des Coudres.*) Die
Methoden von Goldstein und von Spottiswoode nnd
Fletcher Moulton, welche die Deflexion der Kathoden-
strahlen an einer zweiten Kathode benutzen, können nach
unseren heutigen Kenntnissen nicht als einwandfrei anerkannt
1) E. Golds teiD, Monatsber. d. k. Akad. d. WisseDsch. zu Berlin
Jahrg. 1880. p. 122; Wied. Ann. 12. p. 101. 1880.
2) W. Spottiswoode u. Fletcher Moulton, Phil. Trans. Ro/.
Soc. 171. p. 627. 1880.
8) J. J. Thomson, Phil. Mag. 38. p. 358. 1894.
4) Th. Des Ooudres, Verhandl. d. phjsikal. Gesellsch. zu Berlin
14. p. 86. 1895; 16. p. 157. 1897; Verhandl. d. Gesellsch. Deutscher
Naturforscher u. Aerzte, Vers, zu Frankfurt a. M., 2. Theil, I. Hälfte
p. 69. 1896.
Oeschwindiffheit u. magru Ablenhbarkeit der KcUhodenstrahlen. 743
werden^), so gilt denn das Gleiche auch von ihren Resul-
taten. Nach Ooldsteiu wäre die Geschwindigkeit grösser als
800000 m/sec, nach Spottiswoode und Fletcher Moulton
erheblich kleiner als die Lichtgeschwindigkeit. -^ J. J. Thom-
son benutzte den rotii-enden Spiegel, um die Zeitdifferenz des
Aufleuchtens zweier in verschiedener Entfernung von der
Kathode befindlichen phosphorescirender Flächen zu beob-
achten. Er fand eine Geschwindigkeit von 200 000 m/sec, hat
dieses Resultat aber neuerdings selbst als viel zu klein auf-
gegeben. Th. Des Coudres wendete zur Zeitmessung elek-
trische Schwingungen an und stellte fest, dass die Geschwindig-
keit jedenfalls grösser als 2000000 m/sec ist; über die Methode
werden weiterhin noch nähere Angaben gemacht werden.
Für meine eigenen Messungen schien mir der rotirende
Spiegel im Hinblick auf die zu erwartenden ausserordentlich
hohen Geschwindigkeiten zu wenig Aussicht auf Erfolg zu
bieten, und ich entschloss mich daher, nach dem Vorgang von
Des Coudres, die elektrischen Schwingungen zu verwerthen.
Die Geschwindigkeitsmessung verlangt, das Zeitintervall
festzustellen, in dem eine gewisse Strecke von den Strahlen
durchlaufen wird. In unserem Falle muss hierzu Beginn und
Ende des Laufes auf die Schwingungsphasen des messenden
elektrischen Systemes bezogen werden. In Bezug auf den Beginn
ist das Nächstliegende jedenfalls, ebenso wie Des Coudres
bei seinen wirklichen Messungen, die Beobachtungsmethode da-
durch zu vereinfachen, dass man die Aussendung der Eathoden-
strahlen dem messenden System selbst überträgt. Dann kann
der Anfang der Messstrecke an die Elektrode selbst gelegt
werden, und der Beginn des Laufes der Strahlen ist dadurch
bestimmt, dass er vor sich geht, während das System negative
Elektricität zur Elektrode schickt. Zur zeitlichen Festlegung
der Ankunft d er Strahlen kann man entweder, wie DesCoudres,
das Verhalten der Strahlen gegen die magnetische Einwirkung
eines stromführenden Theiles des messenden Systemes, oder
das Verhalten gegen die elektrische Einwirkung einer zweiten
EJlektrode benutzen.
1) Vgl. die eingehendere Besprechung in der Originalabhandlung,
Gott. Nachrichten, Math.-phys. Klasse, Heft 1. 1898.
744 E. ^Viechert
Experimente dieser Art im Herbst 1896 zeigten mir, dass
wenig Aussicht vorhanden ist, so zum Ziele zu kommen, denn
es war nicht möglich, auch nur annähernd genügend lange
Eathodenstrahlen zu erhalten. Im Interesse des Folgenden
ist nöthig, dieses etwas näher auseinanderzusetzen.
T sei die Dauer einer vollständigen Schwingung des mes-
senden Systemes, L die Wellenlänge der zugehörigen elektro-
dynamischen Wellen, sodass
ist, wenn V die Lichtgeschwindigkeit bedeutet. Es sei femer /
die Länge der von den Eathodenstrahlen durchlaufenen und
zur Messung der Geschwindigkeit verwertheten Bahnsirecke.
t das zugehörige Zeitintervall, dann ist
wenn v die Geschwindigkeit der Eathodenstrahlen bedeutet,
und wir erhalten:
V " L ' t '
l und L sind leicht festzustellen, um also den gesuchten
Quotienten vjV zu bestimmen, ist erforderlich tjT zu messen,
d. h. den Werth der Wegzeit t in Einheiten der Periode 1
aufzusuchen.
t darf gegenüber T nicht zu klein sein, denn die Beob-
achtung kann nur dann zu einem positiven Resultat führen,
wenn die Einwirkung des messenden System am Ende der
Bahn merklich anders ist- als am Anfang, wenn also nach
Verlauf der Zeit t die Phase der Schwingungen sich merklich
geändert hat. Man kann hoflfen, mit einer Viertelperiode
auszukommen; verlangen wir demgemäss t^\T, so ergiebt
sich als Bedingung für die Brauchbarkeit der experimentellen
Anordnung:
l ^ — - . --- .
— 4 v
Erzeugt man die Kathodenstrahlen mittels der Entladungen
von Leydener Flaschen unter Benutzung des Teslatransformators,
so kann mit der Wellenlänge L des elektrischen Systemes auf
60 m bequem herabgegangen werden. Setzen wir ferner, ent-
sprechend meinen Vorversuchen, v'^^^ }\ so müsste für die
Oeschwindigheit u, magn, Äblenkbarkeit der Kathodenstrahlen. 745
Bahn der Kathodenstrahlen mindestens die Länge /=sl,5m
verlangt werden. Für v = ^F wäre schon / = 3 m noth-
wendig.
Bei der gewöhnlichen Ek*zeugung8wei8e der Kathoden-
strahlen mittels eines Funkeninductors ist es nun freilich nicht
schwierig, die Kathodenstrahlen meterweit zu verfolgen, wenn
man nur die Vorsicht gebraucht, durch passend aufgestellte
Magnete die ablenkende Wirkung des Erdmagnetismus auf-
zuheben; ganz anders aber gestaltet sich die Sache bei den
schnellen Schwingungen des Teslatransformators. Einmal werden
weit grössere Gasdichten im Entladungsrohr nothwendig, was
stärkere Absorption zur Folge hat, dann aber, und das ist
die Hauptsache, wird bei schnellen Schwingungen der Gang
der Kathodenstrahlen schon in verhältnissmässig geringen Ent-
fernungen von der Kathode unregelmässig, sodass sie für die
Beobachtung verloren gehen. Wie es scheint, stellt sich die
regelmässige Vertheilung der elektrischen Kräfte, welche für
einen geradlinigen oder nur schwach gekrümmten Verlauf der
Kathodenstrahlen nöthig ist, im Innern der Entladungsröhre
von den Elektroden aus erst allmählich her, sodass mit
schneller werdenden Schwingungen der Bereich der regel-
mässigen Fortpflanzung sich nach der Kathode hin mehr und
mehr verkleinert.
Bei meinen Versuchen im Herbst 1896 gelang es mir nicht,
die Kathodenstrahlen mittlerer Steifigkeit i) {11 r = 200—400)
weiter als 80 oder 40 cm mit hinreichender Intensität zu er-
halten, sodass die noth wendige Bahnlänge nicht entfernt er-
reicht wurde.
Unter solchen Umständen schien es erforderlich, zur all-
gemeineren Methode zurückzukehren und darauf zu verzichten,
dem messenden System auch die Aussendung der Kathoden-
strahlen zu übertragen. Es entsteht dann eine Complication
insofern, als noch besonders dafür gesorgt werden muss, den
Eintritt der Kathodenstrahlen in die Messstrecke auf die
1) Unter jj Steifigkeit^^ ist das bekaontlicb für eine jede Art von
Kathodenstrahlen charakteristische Product Hr zu verstehen, wobei r
den Krümmungsradius der Bahn, H die ablenkende magnetische Kraft
bedeutet; IjHr ist entsprechend als j, Äblenkbarkett*^ zu bezeichnen.
746 E. fViechert.
Schwingungen des messenden Systemes zu beziehen. Für
diesen Zweck ist es nöthig, die Anfangsstelle mittels des mes-
senden Systemes durch eine Hülfselektrode oder einen strom-
führenden Draht elektrischen oder magnetischen Kräften aus-
zusetzen, um so künstlich die zur Geschwindigkeitsmessung
nothwendige Periodicität des weiteren Verlaufes der Strahlen
herzustellen y die sich von selbst einstellt, wenn im vorhin be-
trachteten einfacheren Falle das messende System selbst die
Strahlen erregt.
Die eigentliche Schwierigkeit der Anordnung liegt in dem
schnellen Abklingen der Schwingungen von so kurzweUigen
elektrischen Systemen, wie sie zur Geschwindigkeitsmessung
gebraucht werden. Es hat dieses zur Folge, dass nur Eathoden-
strahlen für die Messung in Betracht kommen, die während eines
ausserordentlich kleinen Zeitintervalles ausgeschickt werden.
Bei einer Wellenlänge von 10 m z. B., der eine Periode von
^30 Mikrosecunde entspricht, bieten die ersten zehn vollständigen
Schwingungen, die bei guter Anordnung wohl noch verwendet
werden können, für die Messung nur ein Intervall von ^s Miki*o-
secunde. — Um trotzdem an das Ziel zu gelangen, kann man
entweder daran denken, das messende System ausserordentlich
oft in der Secunde auszulösen, oder man muss versuchen, die
Hauptmenge der Eathodenstrahlen in das kleine Intervall
hineinzudrängen, in dem die Schwingungen des messenden
Systemes stark genug sind. Da der erste Weg zu grosse
experimentelle Schwierigkeiten zu bieten schien, habe ich nur
den zweiten verfolgt. Als brauchbar fand ich dabei die directen
Entladungen einer Leydener Batterie bei kurzem Schliessungs-
kreis und die durch Batterieentladungen bewirkten Teslaströme.
Die zunächst vielleicht gefährlich scheinende Bedingung, dass
die zur Messung der Geschwindigkeit und zur Aussendung der
Kathodenstrahlen dienenden beiden Systeme genau zusammen-
stimmend ausgelöst werden müssen, liess sich erfüllen, ijulem
ich den Kunstgriff' anwandte , beiden Systemen die gleiche aus-
lösende Funkenstrecke zu geben; im übrigen müssen und können
sie dabei völlig unabhängig voneinander sein.
Man wird bemerken, dass es wiederum, gerade ebenso
wie bei der zuerst besprochenen vereinfachten Methode, darauf
ankommt, für die Erzeugung der Kathodenstrahlen schnell
Geschwindigkeit u, magn. Ablenkbar keit der KathodenstraJden, 747
arbeitende Systeme zu benutzen. So findet man sich denn
auch jetzt bei gegebenem messenden System in der erreich-
baren Länge der Eathodenstrahlen beschränkt, und wiederum
wird die Länge um so kleiner, je schneller das messende
System schwingt. Immerhin aber ist man gegen früher weit
im Vortheil, weil das aussendende System laugsamer sein darf
als das messende, — und in der That wird es bei sorgfältiger
Anordnung des Versuches ohne grosse Schwierigkeiten möglich,
die Geschwindigkeitsmessung auszuführen.
§ 3. Versuchsanordnung für die Oeschwindigkeitsmessung.
Dem messenden System gab ich Wellenlängen zwischen
ca. 6 und 20 m. Bei der Construction musste zunächst darauf
Bedacht genommen werden, die Schwingungen einheitlich zu
machen, also Oberschwingungen zu vermeiden. — Ich wählte
darum die Lecher'sche Anordnung, bei der
zwei Condensatoren C, C, Fig. 1, einerseits
durch die auslösende Funkenstrecke F, anderer- ZZI
seits metallisch miteinander verbunden werden.
Ferner mussten recht grosse Stromstärken
erstrebt werden, um die Wirkung auf die Ka-
thodenstrahlen gross zu machen. — Zu diesem *^'
Zweck wurde den Condensatoren möglichst grosse Capacität
und dafür den Verbindungen zwischen ihnen möglichst kleine
Selbstinduction gegeben.
Endlich war es nöthig, die Dämpfung der Schwingungen
möglichst herabzusetzen, um so den zeitlichen Messbereich
möglichst gross zu machen. — Dieses Gesichtspunktes wegen
benutzte ich für die Messung nicht die elektrische Einwirkung
auf die Eathodenstrahlen, wodurch stark dämpfende, zum mes-
sendem System gehörige Elektroden im Entladungsrohr noth-
wendig geworden wären, sondern die magnetische Einwirkung,
für welche es genügt, stromführende Drähte des messenden
Systemes an das Entladungsrohr heranzubringen.
Das Entladungsrohr erhielt eine Hohlspiegelkathode {K,
Fig. 2); die Entladungen wurden so regulirt, dass die Kathoden-
strahlen einen schlanken Kegel mit ziemlich feiner Spitze
bildeten, wie dies in der schematischen Fig. 2 angedeutet ist.
Da der Weg der Strahlen sich im Innern des Rohres durch
748 E, fViechert
Aufleuchten des Gasinhaltes kennzeichnete, war er wenigstens
bis zur Spitze und eine Strecke darüber direct sichtbar.
Bei der Spitze des Strahlenkegels erhielt die Röhre eine
Metallblende B^ mit einer kleinen, der Spitze entsprechenden
Oefifnung. In einer wechselnden Entfernung hinter B^ wurde
eine zweite Blende B^ mit einem Schlitz und ein paar Cen-
timeter hinter dieser ein Glasstreifen G quer zum Schlitz auf-
gestellt. Die durch B^ und B^ hindurchtretenden Kathoden-
strahlen erzeugten auf G einen grünen Fluorescenzfleck.
Um mit Hülfe des messenden Systemes magnetisch auf
die Kathodenstrahlen einzuwirken und so zunächst den Anfang
der Messstreckq festzulegen, wurde ein Verbindungsdraht der
Condensatoren C (Fig. 1) an das Rohr so herangebracht, wie
es Fig. 3 in abcde des näheren zeigt. Der Theil ab cd ist
eben und liegt in einem Schnitt durch die Axe des Rohres,
um die Darstellung bequemer zu machen, wollen wir an-
nehmen, dass dieser Schnitt horizontal verläuft. Die Wechsel-
ströme, welche das messende System durch ab cd hindurch-
schickt, bewirken dann ein wechselndes magnetisches Feld,
dessen Kraftlinien die horizontale Mittelebene des Rohres
vertical durchsetzen; die Ablenkungen des Strahlenbündels er-
folgen daher in der Horizontalebene. Indem man ab cd immer
näher an das Rohr heranbiegt und so die Wirkung allmählich
verstärkt, bemerkt man zunächst, dass die Spitze sich in der
horizontalen Ebene verbreitert. Bei stärkerer Wirkung und
passender Regulirung der ganzen Einrichtung scheint das
Bündel sich in zwei zu zerspalten, wie in Fig 3 angedeutet
ist. Die Zertheilung ist eine Täuschung, die sich leicht er-
klärt, wenn man bedenkt, dass das pendelnde Bündel die
Mittcllage mit grösster Geschwindigkeit passirt und bei den
Endlagen während verhältnissmässig langer Zeiten nur geringe
Verschiebungen erleidet. Offenbar zeigt die Theilung an, dass
im wesentlichen nur Kathodenstrahlen ausgesandt werden.
Geschwindigkeit u, magn. Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen, 749
während das messende System kräftig schwingt, und dass
während dieser Zeit die Amplitude der Schwingungen nicht
erheblich abnimmt. Findet die Aussendung der Strahlen
während einer längeren Periode statt, so erscheint auch der
Raum zwischen den Grenzlagen der Spitze mit kräftigem Licht
erfüllt; wird endlich ein grosser Theil der Strahlen noch aus-
geschickt, während das messende System schon unwirksam ist,
so sieht man in der Mitte ein stark leuchtendes unabgelenktes
Strahlenbündel und seitlich schwächer leuchtend die abgelenkten
Theile. Die letzteren verschwinden, sobald das messende System
ausser Thätigkeit gesetzt wird. Da die nicht abgelenkten
Kathodenstrahlen für die Messung unbrauchbar und störend
sind, muss man sie durch zweckmässige Anordnung des die
Strahlen liefernden Systemes möglichst zu vermeiden suchen.
M
Fig. 4.
M
Fig. 5.
Denken wir uns um das Rohr in Fig. 2 den Draht ab cd
gelegt. Zum Glasstreifen G gelangen dann nur die nicht ab-
gelenkten Strahlen. Wegen der vorhin beschriebenen Eigen-
art der Bewegung des pendelnden Strahlenbündels sind das
nur wenige Strahlen, solange das messende System kräftig
einwirkt. In dem besonders günstigen Falle, wenn keine un-
nöthigen Kathodenstrahlen vorhanden sind und das Bündel ge-
theilt erscheint, zeigt sich dieses augenfällig darin, dass der
Glasstreifen G dunkel wird. Da die Einwirkung des mes-
senden Systemes nicht nur am Anfang, sondern auch am Ende
der Bahn der Kathodenstrahlen beobachtet werden muss, ist
unsere Anordnung hiernach unzweckmässig.
Um sie zweckmässiger zu machen, bringen wir an das
Rohr zwischen K und B^ einen kleinen Hufeisenmagneten if,
Fig. 4 und 5, heran. Wirkt, wie in Fig. 4 angenommen, das
messende System nicht ein, so triflFt die Spitze des Strahlen-
bündels nun nicht mehr die Oeffnung von B, der Luminescenz-
fleck auf G erlischt. Wird dann das messende System ein-
geschaltet (Fig. 5), so gehen bei passender Stellung von M
750 E. meckert
die durch a b c d entgegengesetzt wie durch M abgelenkten
Strahlen durch B^ und B^ und erhellen G, Damit ist dann
eine Anordnung hergestellt, die auf das bequemste für unsere
Geschwindigkeitsmessung brauchbar ist.
Um noch die Zeit der Ankunft der Strahlen bei jB,, G
festzustellen, wird an das Bohr bei B^ und G ein weiterer
zum messenden System gehöriger Draht a' b' c' d' e in ähnlicher
Weise herangebracht wie abcde, und seine Einwirkung auf
die Lage des Luminescenzfleckes auf G beobachtet, — etwa
indem man ihn bald an das Rohr heranbiegt, bald abbiegt
Wir wollen eine solche Anordnung annehmen , dass die
Wechselströme in a V c' d' stets ebenso verlaufen, wie in ab cd.
Dann müsste, wenn die Geschwindigkeit für unsere Versuebs-
anordnung unmessbar gross sein sollte, offenbar die Einwirkung
von OL V c d' die gleiche sein, wie die von ab cd. In dem in
Fig. 5 dargestellten Falle also müsste der Fleck auf G unter
der Einwirkung von a b' c d' nach der Seite von d U hin
wandern. Eine Abweichung hiervon würde anzeigen ^ dass die
Geschwindigkeit im Messbereich der experimentellen Anordnung Uegt
Bei meinen Beobachtungen, bei denen -83, G^ und d b' c d'
verschiebbar waren, ergab sich folgendes:
Lagen a' V c d' und B^^ G sehr nahe bei abc d, so ver-
urs0.chte a' V c d' die gleiche Ablenkung wie ab cd. Wurde
der Magnet M umgekehrt, so kehrte sich dementsprechend auch
die Verschiebung des Phosphorescenzfleckes auf G um.
In einer gewissen grösseren Entfernung des Systemes
(-8,, G, ab' c d') wurde der Fleck nach beiden Seiten gleich-
massig in die Breite gezogen oder in zwei Theile getheilt;
dies Phänomen änderte sich nicht, wenn M umgekehrt wurde.
Es konnte geschlossen werden j dass die Kathodenstrahlen dann
die Strecke von ab cd bis d U c' d' in der Zeit durchliefen^ in
der das messende System ein Viertel der vollständigen Schwingung
vollführte, sodass die Eathodenstrahlen, welche an ab cd während
der Zeit der grössten Stromstärke vorübergingen, in d V d d'
die Zeit des Stromumkehres antrafen. Dass eine Verbreiterung
des Luminescenzfleckes oder gar eine Zweitheilung eintrat,
hängt mit der schon besprochenen Eigenart der Pendel-
schwingungen des Strahienbündels zusammen. Ihretwegen
gehen ja während einer verhältnissmässig langen Zeit Strahlen
Geschwindigkeit u, moffn, Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen, 751
durch -Bj hindurch, — während einer Zeit, die hei meinen
Versuchen meist auf etwa ^4 Periode des messenden Systemes
zu schätzen war.
Je nachdem das System von der neutralen Stelle nach
der einen oder der anderen Seite verschoben wurde, überwog
die Ablenkung nach der einen oder anderen Seite. Bei Ver-
grÖsserung der Entfernung kam es schliesslich dahin ^ dass die
Ablenkung wiederum ganz nach einer Seite erfolgte und zwar im
entgegengesetzten Sinne wie bei ab c d. Dann ergab die Um-
kehrung des Magneten M wiederum eine ümkehrung der Ab-
lenkung. Die Kathodenstrahlen fanden nun in ol b' c d' die ent-
gegengesetzte Phase vor wie bei ab cd.
Das Experiment bei der beschriebenen einfachsten An-
ordnung so weit zu verfolgen, verlangte viel Vorsicht und
sorgfältigste Abstimmung aller Versuchsbedingungen , weil
andernfalls die Intensität der nach G gelangenden f)ir die Be-
obachtungen tauglichen Eathodenstrahien zu schwach wurde,
um sie bei dem nicht zu vermeidenden Nebenlicht noch deut-
lich bemerkbar zu machen. Bei weitem intensiver und in der
That sehr leicht beobachtbar werden die Erscheinungen, wenn
man magnetische Kräfte zur Hülfe nimmt, um die Zerstreuung
der Strahlen zwischen B^ und B^ möglichst herabzuzetzen.
Zu diesem Zwecke umgab ich die Glasröhre zwischen B^ und
jB, mit einer Drahtspirale, durch die ein kräftiger elektrischer
Strom geschickt wurde. Das im Innern des Entladungsrohres
entstehende magnetische Feld mit seinen parallel der Axe des
Rohres verlaufenden Kraftlinien nöthigt dann die nur wenig
gegen die Axe geneigten Strahlen in langgezogenen Spiralen
durch das Rohr zu gehen, sodass ein grosser Theil nach B^
gelangt, der sonst die Glaswand getroffen hätte. Die gering-
fügige Vergrösserung des Weges kommt wegen der immerhin
ziemlich groben Natur der Versuche nicht in Betracht.
Unter Benutzung der magnetischen Spirale und wiederum
bei sorgfältigster Abstimmung der Fersuchsbedingungen gelang es
— in etwa 1 m Entfernung von K — auch den zweiten von der
Theorie vorgesehenen neutralen Punkt xu erreichen und deutlich
zu Überschreiten, —
Ehe im folgenden Paragraphen die detaillirte Beschreibung
der verwendeten Apparate begonnen wird, sollen nun noch ein
752
E. Wiechert
paar Woi*te über die allgemeine Anordnung der beiden elek-
trischen Systeme und ihre Verbindung gesagt werden.
Da eine möglichst geringe Selbstinduction des messenden
Systemes erstrebt werden muss, wäre es unpraktisch, die
Drähte abcde und d b' c d' e' in einer und derselben Leitung
zwischen den Condensatoren C hintereinander zu schalten.
Besser ist es, zwei getrennte, parallel geschaltete Leitungen
zu benutzen. In meinem Falle waren diese nahe gleich be-
schafiPen und lagen symmetrisch zur Funkenstrecke.
Für das zweite elektrische System benutzte ich in beiden
Fällen — bei Anwendung von Teslaströmen sowie bei der
Anwendung directer Batterieentladungen — eine Fig. 1 ent-
sprechende Anordnung.
Für den Fall der Teslaströme wird das vollständige Scluma
des Experimentes dann durch Fig. 6 dargestellt. Es sind dabei
Z, L zwei isolirt aufgestellte Ley-
dener Flaschen, deren äussere
Belegungen durch die Funken-
strecke F, und deren innere
Belegungen durch die primäre
Spule PP des Teslati'ansforma-
tors verbunden sind. Von der
secundären Spule SS des Trans-
formators fuhren Drähte zu den
Elektroden des Entladungsroh-
res. — Sollen die directen Ent-
ladungen benutzt werden, so wird
SS fortgelassen und den Elek-
troden des Entladungsrohres die
Elektricität durch Drähte zugeführt, die von der Verbindungs-
leitung der inneren Belegungen zu beiden Seiten der ein-
gefügten Spirale PP ausgehen. Diese Spirale auszuschalten,
und die inneren Belegungen der Leydener Flaschen nur durch
das Entladungsrohr zu verbinden, ist unpraktisch, weil dann
bei der Ladung der Batterie vor der Auslösung und bei der
Entladung nach der Auslösung zu viel nicht für die Messung
verwerthbare Elektricität durch das Rohr hindurchgeht, und
so das Phänomen, auf welches es ankommt, zu sehr ver-
deckt wird.
vs^
Fig. 6.
Geschwindigkeit u. magn, Ablenkbarkeit der KatJiodenstrahlen, 753
Bei der gewählten Anordnung finden in dem die Kathoden-
strahlen liefernden System Schwingungen statt Bemerkens-
wertherweise habe ich meist nur dann die für die Versuche
nothwendigen in einem Kegel geordneten Kathodenstrahlen
erhalten, wenn nicht die erste durch den Funken F eingeleitete,
sondern erst die zweite Schwingung negative Elektricität zu
der Hohlspiegelelektrode K führte; die Wirkung des Drahtes
ab cd zeigte dann, dass diese zweite Schwingung auch die
einzige blieb, bei der das kegelförmige Bündel ausging. l£s
scheint hiernach, als ob das Rohr einer gewissen Vorbereitung
bedarf, bevor die Kathodenstrahlen sich in der hier gebrauchten
regelmässigen Weise entwickeln, und dass die nothwendigen
Bedingungen bald wieder verloren gehen.
§ 4. Apparate zur GeBchwindigkeitsmesBung.
Das Entladungsrohr für die definitiven Beobachtungen er-
hielt folgende Einrichtung:
Fig. 7.
Ein Glasrohr von ca. 40 mm lichter Weite trägt an einem
Ehide, dem „Kopf^S zunächst die Hohlspiegelelektrode K von
ca. 20 mm Durchmesser, 2 mm Dicke und ca. 10 cm Krüm-
mungsradius. Durch Abschleifen auf einem Brillenglas war es
leicht, die richtige Form mit der hier erforderlichen Genauig-
keit zu erhalten.
Die 4 mm weite Oeffnung 0 der Blende B^ ist 8 cm
von K entfernt und steht an der Stelle, wo das Kathoden-
strahlenbündel seine grösste Einschnürung zeigt. Dass diese
nicht erst im Convergenzpunkt der geometrischen Normalen,
also 10 cm vor iT, zu stände kommt, erklärt sich der Rech-
nung nach vollständig durch die magnetische Einwirkung des
sehr bedeutenden Stromes, welcher während der Erzeugung
der Kathoden strahlen das Rohr durchsetzt. Man kann über
seine Intensität leicht ein Urtheil gewinnen, wenn man die
magnetische Einwirkung des zu K führenden Drahtes auf das
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 69. 48
754 E. meckert.
Kathodenstrahlenbündel untersucht und mit der Einwirkung
bekannter magnetischer Kräfte vergleicht. Bei meinen Ver-
suchen fand ich Werthe von 20 — 40 Ampere.
Da die Anode einen störenden Einfluss auf Entwickelung
und Fortpflanzung der Kathodenstrahlen zeigte, gab ich ihr
die Form eines Ringes A Ä und setzte sie in die Ebene von 0.
Um dieses möglich zu machen, musste die Blende B^ die
Form eines Kegels erhalten. — Der mit B^ vereinigte Ring B[
hat nur den Zweck, B^ eine gesicherte Lage zu geben.
Sobald die Elektroden der Glaswand zu nahe kommen^
bilden sich während des Durchganges der Elektricität in dem
Zwischenraum leuchtende Punkte, von denen sehr störende
Sonderentladungen ausgehen; es wurde darum Sorge getragen,
dass um die Elektroden überall ein freier Raum von einigen
Millimetern blieb.
Als Material für die Elektroden nahm ich Aluminium,
als Material für die Blenden Messing. Es ist nicht zweck-
mässig, neue Elektroden sogleich den heftigen für die Ekpen-
mente gebrauchten Entladungen auszusetzen, weil dann in der
Regel einzelne Punkte sich hervorthun, von denen die Ent-
ladung vornehmlich und in einer unbrauchbaren Form aus-
geht; es empfiehlt sich vielmehr , zunächst eine Zeit lang die
directen Entladungen eines Funkeninductors durch das Bohr
hindurchzuschicken .
Jenseits B^ liegt im Rohr leicht verschiebbar ein System
von drei Messingscheiben tf^, B[y B^. JS, enthält in der Mitte
ein rechteckiges Loch von 4 mm X 7 mm; JS, trägt quer zur
Längsrichtung der Oeffnung in B^ einen Streifen G von
Thüringer Glas, hergestellt durch Zusammendrücken eines
Röhrchens oder Stäbchens; J?, trägt ein flaches Eisenstäbchen £.
B[ und B^ sind durch einen Messingdraht fest verbunden;
von jSj aus geht ein Draht frei durch ein an B^ gelöthetes
Röhrchen, das als Führung dient, und klammert sich lose um
den Verbindungsdraht von B^ und B^, sodass B^ gegen das
System JSJ, B^ ohne wesentliche Drehung verschiebbar ist
Mittels eines kleinen Elektromagneten kann man durch Ver-
mittelung des Eisens tückchens auf B^ das System von aussen
bewegen, und es gelingt dabei leicht, B^ an eine beliebige
Stelle und G in einem gewünschten Abstand dahinter zu bringen.
Geschwindigkeit u, magn, Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen» 755
Das Entladungsrohr blieb bei meinen Versuchen stets durch
eine Glasfeder mit der (Quecksilber-)Luftpumpe in Verbindung.
Es ruhte dabei auf einem Hartgummilager bei B[, wo es zur
grösseren Sicherheit noch festgebunden war, und wurde im
übrigen nur durch die ihrerseits von einem Stativ gehaltene
Glasfeder und eine BindfadenscLlinge getragen. Die letztere
hing von einem primitiven Waagebalken herab und trug die
Last des Rohres auf der Seite der Feder.
Zur Verbindung des Rohres mit der Glasfeder benutzte
ich anfänglich Siegellack, später, als ich im Winter durch
immer wiederkehrende Undichtigkeiten bei zu starken Ab-
kühlungen des Zimmers schlechte Erfahrungen gemacht hatte,
nur noch directe Verschmelzung von Glasröhren, die mit einer
guten Bunsenflamme sehr leicht herzustellen ist
Zur Füllung des Rohres wurde stets WasserstoflF benutzt,
weil dieser wegen der geringeren Absorption der Kathoden-
strahlen sich bei weitem günstiger als andere Gase erwies.
Der Druck variirte etwa von ^j^^ bis Y2 ^^'
Die Magnetspirale zum Zusammenhalten der Eathoden-
strahlen jenseits B^ war aus einzelnen getrennten Theilen zu-
sammengesetzt. Für das vorhin beschriebene Entladungsrohr
bestand jeder der Theile aus einem 10 cm langen Stück eines
Messingrohres von ca. 55 mm lichter Weite mit umgekanteten
Rändern, auf das ein baumwoUumsponnener Kupferdraht von
0,8 mm Dicke in drei Lagen
aufgewickelt war. Die Theile
umgaben das Entladungsrohr,
ohne es zu berühren, und er-
hielten ihren Halt durch eine
Holzlatte unter dem Entladungs-
rohr, auf der sie beliebig ver-
schoben werden konnten.
Ich benutzte für die Spirale
Ströme von 2 — 4 Ampere, wo- Fig. 8.
durch im Innern Magnetfelder von 60— 120 Einheiten entstanden.
Das schon in Figg. 1 und 6 schematisch skizzirte messende
System wurde aus zwei Lufbcondensatoren zusammengesetzt.
Bei dem für die definitiven Experimente benutzten System,
das in Fig. 8 dargestellt ist, bestand jeder der Condensatoreu
4S*
756 E. ^iechert.
aus drei ebenen, parallel und vertical gestellten Messingplatten
von 8 mm Dicke, 15 cm Höhe und 50 cm Breite mit ab-
gerundeten Kanten und Ecken. Die beiden äusseren Platten,
unter sich durch die Messingbügel a und /* verbunden, bilden
dabei zusammen die eine Condensatorfläche, die in der Mitte
dazwischenstehende dritte Platte die andere. Ihren Halt finden
die Blechplatten auf der hölzernen Grundplatte des ganzen
Systemes und an dem aus Glasröhren und paraffinirtem Holz
gebildeten Rahmen B durch Vermittelung der Bügel a, von
denen zwei sich auf zwei Hartgummistäbchen h stützen, während
die übrigen einfach um die Glasröhren des Rahmens gelegt
sind. Die inneren Platten werden durch Blechhaken ß und
Hartgummistäbchen h gehalten.
Die Verbindungsbügel f haben unter den Befestigungs-
schrauben Schlitze und können darum ein wenig auf und ab
verschoben werden; auf diese Weise wird die auslösende
Funkenstrecke, die sich zwischen zwei in die Bügel /' ein-
gefügten abgerundeten Zinkstücken befindet, um einige Milli-
meter regulirbar. Ich gab ihr in der Regel eine Länge von
ca. 7 mm. Auf der Seite, welche in der Figur vom Beschauer
abgewandt ist, der „ Rückseite <S tragen die Bügel f Klemm-
schrauben für die Verbindungsdrähte mit dem elektrischen
System zur Erzeugung der Eathodenstrahlen.
Der Abstand der Platten voneinander betrug in der Regel
1 cm; für die Versuche mit besonders kurzen Wellenlängen
(6^/2 m), bei denen es gelang, auch den zweiten neutralen
Punkt zu überschreiten, wurde er durch Biegen der Klammerna
auf 2 cm vergrössert.
Von den beiden inneren Blechplatten gehen je zwei
ca. 20 mm breite Blechstreifen y, / nach innen und vorne.
Die gegenüberstehenden Strei-
fen ;', y und y\ y werden ein-
. ander schliesslich parallel und
*^' enthalten hier Löcher für Schrau-
ben, durch welche die zu den Drähten abcde und ol V c d t
führenden beweglichen Leiter befestigt werden. Diese bestehen
aus je einem oder zwei Glieder der in Fig. 9 dargestellten
Art: Zwei 20 mm breite Kupferblechstreifen, die an dem einen
Ende etwas auseinander gebogen sind und an dem anderen
Geschwindigkeit u. magn, Ahlenkbarkeü der Kathodenstrahlen, 757
Ende aufgelöthete Messingscheiben mit Schraubenlöchern tragen,
werden durch festaufgesteckte Hartgummiklammem in ca. 7 mm
Abstand gehalten. An y, y oder y' y wird das erweiterte
Ende des ersten und eventuell einzigen Gliedes geschraubt;
das andere Ende trägt dann entweder das nächste Glied oder
den Draht a b c d e, bez. a h' c' d! e. — Man wird erkennen,
dass diese Construction Beweglichkeit neben nahezu constanter
und sehr geringer Selbstinduction gewährleistet.
Für das System zur Aussendung der Kathodenstrahlen be-
nutzte ich zwei auf Paraffin oder Glas isolirt aufgestellte
Leydener Flaschen aus Flintglas mit 40 cm hohen, 13 cm
weiten, etwa 2 mm dicken Gläsern und etwa 18 qdm grossen
Stanniolbelegungen. Um überall zuverlässige Contacte zu er-
reichen, erhielten die Belegungen je einen 2 cm breiten federnden,
mit Stanniol umwickelten Messingring. Bei den äusseren Be-
legungen bestehen die Ringe aus einem Stück und üben selbst
die nöthige Federkraft aus; bei den inneren Belegungen ist
jeder Ring aus vier getrennten Stücken zusammengesetzt, die
durch vier von einer Klemme ausserhalb der Flasche ausgehen-
den federnden Drähten fest an die Flasche gedrückt werden.
Von den äusseren Ringen gehen 2 mm dicke, und 60 cm
lange Kupferdrähte zu der Funkenstrecke h\ Fig. 6, bez. zu
den Bügeln f des Systemes CC in Fig. 8. Für die Versuche
mit sehr kurzen Wellenlängen wurde jede der Verbindungen
durch mehrere — bis sechs — parallele Drähte hergestellt,
um so die Selbstinduction möglichst herabzusetzen. Die Zu-
leitungsdrähte vom Funkeninductor (Fig. 6) können irgendwo
an die äusseren Ringe der Leydener Flaschen angelegt, oder
in die angeschlossenen Drähte eingehakt werden.
Die Spirale PP (Fig. 6) wurde aus 2 mm dickem Kupfer-
draht gewunden und mit den gerade gelassenen Enden in den
Klemmen der inneren Armaturen von Z, L befestigt. Die
Länge des ganzen verwendeten Drahtstückes betrug in der
Regel 1 m, der Durchmesser der Windungen 8 cm, ihre An-
zahl 10, die Länge der eigentlichen Spirale 5 cm; doch waren
bedeutende Variationen erlaubt. Für die Versuche mit sehr
kurzen Wellenlängen wurden nur fünf Windungen in einer
Spiralenlänge von 3 cm genommen. Sollten Teslaströme ver-
wendet werden, so wurde über die Spirale ein enge anUegendes
758 E. Wiechert
reichlich 2^ mm dickes Glasrohr geschoben, welches die secundäre
Spirale SS des Transformators trug. Diese hatte etwa gleiche
Länge wie die primäre Spirale, bestand aus enge aneinander
liegenden Windungen eines gewöhnlich 0,8 mm dicken, mit
Baumwolle übersponnenen Kupferdrahtes und zwar zur Er-
höhung der Isolation mit Paraffin getränkt. Es kam zuweilen
vor, dass das Glasrohr der secundären Spirale durchschlagen
wurde; in solchen Fällen genügt es meist, die Löcher mit
Klebwachs zu verschliessen.
T>er Funketiinductorj von der Firma Max Kohl in Chemnitz
bezogen, hat eine nominelle Schlagweite von 30 cm. Ich be-
nutzte einen „rotirenden Quecksilberunterbrecher*' der gleichen
Firma und regulirte die Geschwindigkeit auf 15 — 20 Unter-
brechungen in der Secunde. Der Stromverbrauch des Inductors
war dann etwa 6 Ampöre. —
Zum Schluss mögen nun noch einige Worte über die
gesammte Anordnung der Apparate gesagt werden.
Das Entladungsrohr war in der Nähe und parallel der
vorderen Kante des Experimentirtisches horizontal in 30 cm
Höhe über der Tischplatte befestigt. Darunter befanden sich,
dem Experimentirenden bequem zur Hand, der Regulirungs-
widerstand des Funkeninductors und der Schalter für die
Magnetisirungsspirale. Dahinter, in etwa 20 cm Abstand,
waren die beiden elektrischen Systeme aufgestellt und zwar
am Kopfende des Entladungsrohres zunächst das die Kathoden-
strahlen aussendende System, daneben dann das in Fig. 8
skizzirte messende System. Die Stellung des letzteren musste
so abgepasst werden, dass seine durch F gehende Mittellinie
mit der Mittellinie des Entladungsrohres in gleiche Höhe kam,
weil die sich an y^ y und /, / ansetzenden Arme im Wesent-
lichen nur in einer horizontalen Ebene beweglich sind. Der
Inductionsapparat mit seinem Unterbrecher stand zur Ver-
hütung von magnetischen Störungen mehrere Meter weit von
dem Entladungsrohr entfernt auf einem besonderen Tisch.
§ 5. Messung der magneÜBOhen Ablenkbarkeit.
Wie im nächsten Paragraphen dargelegt werden wird, er-
geben sich mit den vorstehend beschriebenen Apparaten f&r
die Geschwindigkeit v der Kathodenstrahlen Werthe, die unter-
Geschwindigkeit u, magn, AbUnkbarkeit der Kathodenittrahlen. 759
halb der Lichtgeschwindigkeit V liegen, sodass wir auf die
Emissionshypothese verwiesen werden. Um die Messungen für
diese zu verwerthen, muss cc, d. i. das auf 1 Elektron der
Ladung kommende Moleculargewicht für die sich bewegenden
Theilchen, festgestellt werden. Die Theorie ergiebt bei mag-
netischer Ablenkung:
a J, =3.1,073.10-7(r^); «t? = 0,965. 10* (rÄ^)
und bei elektrischer Ablenkung:
a l.yj= 1,073. 10-9 (ri?); «ü« = 0,965 . 10^«(rB),
r bedeutet den Krümmungsradius, H die ablenkende magne-
tische, B die elektrische Kraft in Volt/Centimeter. Die Masse
eines Sauerstoffatomes ist dabei gleich 16 gesetzt, und es ist
angenommen, dass durch 1 Coulomb also -^^ V elektrostatische
Elektricitätseinheiten 0,8288 . 10-* g SauerstoflF elektrolytisch
abgeschieden werden, woraus folgt:
«= "^.0,9653. 10* r,
wenn m die Masse und e die elektrostatisch gemessene La-
dung der Theilchen bedeutet.
Nach den Formeln lässt sich u berechnen, wenn ausser
der Geschwindigkeit t? noch die magnetische oder die elektrische
Steifigkeit r II oder r li bekannt ist. Ich wählte die weit be-
quemere Messung der magnetischen Steifigkeit.
--» — w---"
<-,
Fig. 10.
Da es nicht unmöglich schien, dass die Geschwindigkeit
und damit die Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen von der
Kathode ab bis zur Blende B^ variirt, hielt ich es für rathsam,
die Ablenkbarkeit erst hinter B^ festzustellen, und verwendete
dabei folgende Methode, welche bei verhältnissmässig einfachen
Rechnungen vollständig übersehbare Verhältnisse bietet
In der Weise, wie es Fig. 10 deutlich machen wird, wurde
ein elektrischer Strom in geraden, parallelen Leitungen zu
760
E. Wuchert
beiden Seiten des Entladungsrohres entlang geführt und zwar
in solcher Anordnung, dass nur diese Leitungen für die mag-
netische Ablenkung in Betracht kamen. Die Strahlen krümmten
sich so, wie es die Figur in übertriebener Weise zeigt; mittels
einer Theilung in Form eines sägeartig gefeilten Messing-
bleches, das den Glasstreifen zum Theil bedeckte, wurde die
Verschiebung des Schattens eines über die Oe£Fhung der Blende 5,
gespannten Drahtes auf dem Glasstreifen G beobachtet. — Zar
Feststellung der Stromstärke dienten dabei sorgfältig geaichte
Ampferemeter.
Bei der Beobachtung wurden stets nur solche Stromstärken
angewandt, dass die zu G gelangenden Strahlen sehr wenig ge-
bogen waren; es darf daher für die Bahn geschrieben werden:
dx* "^ S '
wobei S die magnetische Steifigkeit der Strahlen und H die
Intensität des Feldes auf der Geraden durch JS^ und B^ bedeutet
In H zeigt sich die
vereinigte Wirkung beider
Drähte. Wir können fär
die Rechnung entsprechend
Fig. 11 nur einen Draht
annehmen, wenn wir ihn
von der Linie y = 0 in
den mittleren Abstand der
wirklich verwendeten Drähte stellen und ihm die Summe ihrer
Stromintensitäten geben. Ist t diese Summe, so folgt nach
dem Biot-Savart'schen Gesetz:
X
JO»0
^'-:((> + :)-(>+>■
wobei die Abstände r, / (im Gegensatz zu x) stets positiv zu
rechnen sind. Hiemach ist:
d^y _
dx*
wenn gesetzt wird:
'+i)-(-+f))
*^ h
ü
(» =
Geschwindigkeit u. magn. Äblenkbarkeit der Kathodenstrahlen, 761
Durch Integration ergiebt sich:
und weiter:
wenn:
ih
y = -^(7-r) + cA|+C,
2S
^' = ((>' + r)l' + lognat((>' + |').
Von den beiden Integrationsconstanten c und C bedeutet c
den ideellen Werth von dyfdx f[ir|=--oo, ^=— oo und.
wird bestimmt durch die Bedingung, dass y^ =y, sein soll;
hieraus folgt nämlich:
C lässt sich mittels der Bedingung yj = ^ eliminiren. Es er-
giebt sich dann für die gesuchte magnetische Steifigkeit:
«=^.{((J'3-j;)-(^.'-^,'))-|;:|;-((i;-^i)-u;'-:»';)))-
Sind die Drähte einigermaassen lang, sodass noch x^
mehrere Mal grösser ist als h^ so genügt es völlig, in An-
näherung zu setzen:
y ' y Q ^a — ^s
r; _ r; = 2 *■' ~ "*»
JJj T" S/g
J
Bei meinen Versuchen wurden zur Stütze der Leitungen
für i zwei mittels Zapfen zusammensteckbare Holzrahmen be-
nutzt (vgl. Fig. 12), auf deren Innen- ^
flächen dicht beieinander je zwei Drähte
liefen. Auf diese Weise wurde der Strom
an jeder Seite des Rohres im Ganzen
4 mal entlang geführt. Ist J der Strom
des einzelnen Drahtes in Ampere, so
ergiebt sich demgemäss für die in
C.G.S.-Einheiten zu rechnende Strom-
stärke I der Werth
8 j
^=10^-
Fig. 12.
762 M. Wiechert
h war =8,00 cm, /, die Länge der Stromstücke, = 40 cm.
Der Fehler, den die hier nicht berücksichtigten Leitungen yer-
orsachten, betrug der Rechnung nach noch nicht 1 Proc und
konnte darum vernachlässigt werden.
§ 6. Die Beobachtungen.
Bei allmählicher Verdünnung des Wasserstoffgases im Ent-
ladungsrohr trat das conische Kathodenstrahlenbündel schon
auf, wenn der Druck auf etwa 4 mm gesunken war, doch
hatten die Strahlen dann noch nicht die Kraft, das Oks
merklich zum luminesciren anzuregen, waren also für die Be-
obachtung noch unbrauchbar; brauchbar wurden sie erst etwa
bei Y2 ^^ Druck; bei etwa ^lo ™^ Druck begann das Bündel
seine scharfe Spitze zu verlieren, sodass die Beobachtung bald
unmöglich wurde. Die magnetische Steifigkeit [S = Hr) variirie
in dem brauchbaren Bereich etwa von 200 bis 450. Wenn
diese Grenzen inne gehalten wurden, war es leicht, mit dem
zweiten Draht {a V c' d) Entfernungen zu erreichen, in welchen
seine Einwirkung der des ersten Drahtes {ab cd) entgegen-
gesetzt war, d. h. es konnte der erste Umkehrpunkt leicht er-
reicht und weit überschritten werden. In genauer Ueber-
einstimmung mit der Emissionstbeorie wurde beobachtet, dass
der Umkehrpunkt um so weiter rückte, je höher die magne-
tische Steifigkeit anwuchs. Auch die Lage des zweiten Um-
kehrpunktes, so weit sie festgestellt werden konnte, entsprach
vollständig der Theorie, denn der Abstand vom Anfang der
Messstrecke war dreimal grösser als beim ersten Umkehr-
punkt.
Für die Berechnungen wurde nur der bei weitem sicherer
zu bestimmende erste Umkehrpunkt verwerthet. Bedeutet l
seinen Abstand vom Beginn der Messstrecke, L wiederum die
Wellenlänge des messenden Systenies, so ergiebt die Formel
V "" L~
die Geschwindigkeit v in Theilen der Lichtgeschwindigkeit F. —
L wurde in der gebräuchlichen Weise mittels Resonanz von
Drähten bestimmt.
Oesehwindiffkeit ti. maffn. Ablenkbarkeit der Kathodensiraklen, 768
Das Verhältniss der elektrischen Ladung e der Theilchen
zu ihrer Masse m ergiebt sich mittels
je nachdem e elektrostatisch oder elektromagnetisch gemessen
wird, a folgt dann mittels
cz= —-0,9653. 10* r,
oder kann auch direct mittels
a = 3,22. 10-7 A
~V
berechnet werden. (Vgl. § 5).
Bei der Beurtheilung von X macht sich störend bemerk-
bar, dass wegen der langsamen Bewegung des pendelnden
Strahlenbündels bei den äussersten Ausschlägen während einer
Terhältnissmässig langen Zeit Eathodenstrahlen durch die
Blende By^ hindurchgehen. Infolge dessen beobachtet man mit
dem System a b' c' d^ B^, G schon erheblich vor dem ersten
Umkehrpunkt neben den noch in gleichem Sinne wie durch
ab cd abgelenkten Strahlen auch solche, die gar nicht, oder
schon entgegengesetzt abgelenkt sind; und ähnlich ist es hinter
dem Umkehrpunkt. So fällt es denn schwer, ein Urtheil über
die Lage des Umkehrpunktes zu gewinnen, und man kommt
leicht in die Gefahr, sich einem systematischen Irrthum hin-
zugeben, der bei allen Beobachtungsreihen A in gleicher Weise
zu gross oder zu klein erscheinen lässt. — Hiergegen ist die
nothwendiger Weise recht beträchtliche Ausdehnung der Sy-
steme Ky jBj , ab c d und B^ , G^ a! V c' d, um deretwegen
die Beurtheilung von X ebenfalls unsicher wird, verhältniss-
mässig unschädlich. Indem ich als Anfang der Messstrecke
einen Punkt nahm, der in ^s ^®^ Entfernung K — -B^ vor K
lag, und als Ende die inmitten des Drahtes d b' c d stehende
Blende B^, werde ich den Verhältnissen in dieser Hinsicht
wohl genügend Rechnung getragen haben.
Wegen der zu fürchtenden systematischen Fehler will ich
das Beobachtungsmaterial hier nicht häufen, sondern mich
764 E. Wiechert
darauf beschränken, zwei Beobachtungsreihen anzuführen, die
mir besonders zuverlässig erscheinen.
Der Abstand der Condensatorplatten war ca. 1 cm; iur
jede der Leitungen wurde nur je ein Zwischenglied der in
Fig. 9 dargestellten Art benutzt. Bei der Reihe I entsprachen
die ablenkenden Drähte genau der Fig. 6, bei der Reihe 11
wurden sie zweimal in der gezeichneten Weise um das Rohr
herumgeführt, sodass die Einwirkung auf die Kathodenstrahlen
verdoppelt wurde. Die grössere Selbstinduction der Leitungen
bei II bewirkte eine grössere Wellenlänge des messenden
Systemes, nämlich j& = 1140 cm gegen L = 940 cm bei I.
Nach Regulirung des Gasdruckes mit Hülfe der Luftpumpe
wurde bei jeder Messung die magnetische Steifigkeit 5, dann
die Geschwindigkeit v und dann wieder die magnetische Steifig-
keit 8 beobachtet. Ueber die Bestimmung von S ist im vorigen
Paragraphen das Nöthige gesagt. Bei der Bestimmung von t,
bezüglich von 7. erhielt die Messstrecke / nacheinander ver-
schiedene Werthe, und es wurde in jedem Falle aus der Ein-
wirkung des Drahtes a V c d geschlossen, ob und wie viel
das Ende der Messstrecke vor oder hinter dem ersten Um-
kehrpunkt lag, d. h. ob und wie viel / kleiner oder grösser
war als A.
Von den beigefügten Tabellen enthält die Tab. I die directen
Beobachtungsdaten; in der Tab. II sind die Ergebnisse zn-
sammengestellt, wobei fbr die magnetische Steifigkeit das
arithmetische Mittel der jedesmaligen beiden Werthe genommen
wurde.
Der Gasdruck war bei den ersten Versuchen der beiden
Reihen ^4 bis Ya ^^ ^^^ ^^i den letzten ungefähr ^/j^, mm.
Nach den Beobachtungen erscheinen etwa
1
1300 '
i±-] =3,77. 10^ U] =1,26.10'
V W /elektroBt. ' \ W /elektromagn.
als die wahrscheinlichsten Werthe für das auf 0 = 16 be-
zogene und auf ein Elektron kommende Atomgewicht a und
für das Verhältniss ejm von Ladung in elektrostatischen oder
elektromagnetischen Einheiten und Masse in Grammen. Im
QeachwituGffkeit u. magn. Ablenkbarkeit der KaAodautrahUit. T65
-ü «tj -t> «ü «ü"
^ |l
t ^-g :2| ^1
« 1^ |i |i
« H CD U CQ UM
II
Cd n
— 6
+ + + + + +
33
ii 11
766 ^. Wiechert Geschwindigkeit u. magn. Äblenkbarkeit etc.
Tabelle IL
s
a
m
elektrostatiBch elektromagn.
I. L = 940 cm
279
362
420
0,132
0,153
0,166
1470
1
1810
1
326
364
403
0,137
0,151
0,168
1230
[. L
1
1300
1
1290
1
T29Ö
4,25.
.10"
1,42.
.10^
8,80.
10"
1,27,
10^
3,56 .
.10"
1,19.
10^
[140 cm
3,78.
10" ,
1,26,
10-
3,73.
10"
1,24.
10'
3,75.
10" '
1,25.
10'
Hinblick auf die zu fürchteuden systematischen Beobachtungs-
fehler müssen für a die Werthe
und
1600 1050
noch als recht wohl möglich bezeichnet werden; die Werthe
-— — - und -— -
1900 900
dagegen sind schon sehr unwahrscheinlich. Entsprechend er-
geben sich für ejm bei elektrostatischem oder elektromagne-
tischem Maass die Werthe
4,64.10^7 und 3,04. lOl^
1,55. 10^ und 1,01.10'
als gut möglich, die Werthe
5,51.10^7 ^ind 2,61. 10^^
1,84.10^ und 0,87.10^
dagegen als sehr unwahrscheinlich.
(Eingegangen 6. September 1899.)
3. Ueber die Abhängigkeit
des elektrischen Leitvermögens vom Druck;
von G. Tammann.
Wie früher gezeigt wurde, kann man den Druckeinfluss
auf das Leitvermögen verdünnter Lösungen bis zu Drucken von
500 Atm. in guter Uebereinstimmung mit der Erfahrung
unter gewissen Voraussetzungen, die sich zum Theil aus den
allgemeinen Anschauungen über die Elektrolyse ergeben, be-
rechnen.^) Sowohl über die Abhängigkeit des Druckeinflusses
vom Dissociationsgrad der Elektrolyte, als auch über die Ab-
hängigkeit desselben von der Concentration, der Temperatur
und der Natur des Lösungsmittels sind wir einigermaassen
entweder durch die directe Erfahrung oder durch Folgerungen
aus den allgemeinen Anschaunngen über Elektrolyse, die
bisher durch die directe Erfahrung bestätigt wurden, unter-
richtet.
Ganz unbekannt war bisher der Einfluss höherer Drucke,
über 1000 Atm., auf das Leitvermögen. Diese Lücke ist durch
die im Folgenden mitgetheilten Versuche über den Einfluss
des Druckes auf die Lösungen eines fast vollständig und eines
wenig dissociirten Elektrolyten, auf je eine verdünnte Lösung
von Chlornatrium und Essigsäure, bis zu Drucken von 3600 Atm.
gefüllt worden.
Mit der Frage nach dem Druckeinfluss auf das Leitver-
mögen von Lösungen hängt eng zusammen die Frage nach
dem Druckeinfluss auf die Zähigkeit des Wassers und seiner
Lösungen, und die nach der Abhängigkeit der Zähigkeit einer
Lösung von ihrer Concentration. Auch auf diese Fragen soll
im Folgenden etwas näher eingegangen werden.
1) Zeitschr. f. phys. Chem. 17. p. 726. 1895; 27. p. 457. 1898.
768 G. lammann.
Versuohsresultate.
Das Widerstandsgeßlss, das am besten die Wirkung hoher
Drucke ohne erhebliche Capacitätsänderung vertrug, hatte die
früher beschriebene Form.*) Der Abstand der Elektroden
voneinander betrug nur 0,4 cm. Durch Drucksteigerung auf
3500 Atm. wurden dieselben um 2 Proc. ihres ursprünglichen
Abstandes einander genähert, wenn die Spannweite des Glas-
bogens, in dem die Platindrähte eingeschmolzen sind, 1 cm
beträgt. Die durch diesen Umstand bedingten Correctionen
sind nicht angebracht worden, weil ihre Beträge wahrscheinlich
durch Streckung der Platindrähte, an denen die Elektroden
befestigt waren, nicht unerheblich herabgedrückt werden. Diese
den Resultaten noch anhaftende Unsicherheit kann ihrer Grösse
nach die weiteren Folgerungen kaum beeinflussen. Wider-
standsgefässe anderer Form und grösserer Capacität mit ins
Gefäss führenden, eingeschmolzenen oder eingekitteten Elek-
trodendrähten konnten nicht verwandt werden, weil hier ent-
weder die Eintrittsstellen zerdrückt oder die Elektroden ver-
schoben wurden. Die Zuleitungsdrähte wurden, wie früher'),
isolirt aus dem Druckcylinder geführt. Ueber den Druck-
apparat selbst und die Manometercorrectionen ist in diesen
Annalen ^ nachzusehen. Die Widerstandsbestimmungen wurden
nach der bekannten Methode von F. Kohlrausch ausgeführt.
Der Widerstand der Zuleitung betrug 0,015 Ohm, der Wider-
stand der Lösung 50 — 100 Ohm. Anfänglich, beim Druck
einer Atmosphäre, wurde gegen den Widerstand der Lösung
ein gleicher Widerstand geschaltet und derselbe während einer
Versuchsreihe nicht geändert. Die Einstellung aufe Telephon-
minimum konnte immer bis auf 0,2 Theilstriche der Brücken-
walze, also auf 0,001 des Widerstandes, genau ausgeführt
werden. Zum Schluss. nach Erreichung des höchsten Druckes,
wurde nochmals der Widerstand bei gewöhnlichem Druck be-
stimmt. Die Difi'erenz beider Bestimmungen betrug -bei den
1) Vgl. A. Bogojawlensky u. 6. Tammann, Fig. 1, Zeitschr.
f. physik. Chem. 27. p. 467. 1898.
2) Vgl. Fig. 2, 1. c.
8) Wied. Ann. 68. p. 557. 1899.
Abhängigkeit des elektrischen Leitvermögens vom Druck, 769
r mitgetheilten Bestimmungen höchstens 0,002 des Wider-
ndes. Die Temperaturabgaben beziehen sich auf die Scala
Physikalischen Reichsanstalt. Die Badtemperatur wurde
auf 0,02^ während Festlegung einer Isotherme constant
alten. Nach einer Druckänderung von 500 kg wurde 20 Min.
zur Vornahme der endgültigen Einstellungen des Telephon-
limums gewartet.
In folgender Tabelle sind die Resultate der Messungen,
corrigirten Drucke, gemessen in Kilogramm pro 1 qcm
\ die zu diesen gehörigen Verhältnisse der Widerstände beim
ick i?=lkg und ;? kg, R^jJR^^i, nach Anbringung der
ibercorrectionen des Drahtes der Brückenwalze aufgeführt.
m folgen beistehend die für Drucke von 500 zu 500 kg
phisch interpolirten Werthe von B^jB^^i,
Chlomatriural5sung \/,o-normal.
t =
0,06 <>
/ = 20,05 0
Rp
R,
R.
R,
r
>
^.=1
Pkg
^.=1
P kg
~^P^l
P kg
4>=i
L
1,000
1
1,000
1
1,000
1
1,000
\
0,904
500
0,925
774
0,941
500
0,956
\
0,875
1000
0,889
1250
0,924
1000
0,932
\
0,862
1500
0,869
1725
0,914
1500
0,918
1
0,856
2000
0,858
2216
0,911
2000
0,912
»
0,854
2500
0,854
2713
0,911
2500
0,910
\
0,856
3000
0,855
3222
0,911
3000
0,910
1
0,856
3500
0,857
3720
0,913
3500
0,912
4000
0,858
Rp
40,07 *>
Rp
4000
0,915
P kg
Ä.=r
pkg
Ä,.t
1
1,000
1
1,000
776
0,962
500
0,973
1237
0,958
1000
0,958
1723
0,945
1500
0,949
2214
0,944
2000
0,943
2693
0,944
2500
0,944
3192
0,949
3000
0,947
kan.
. d. PhTS. \
3710
1. Chein. N.
0,953
F. 69.
3500
4000
0,952
0,956
49
770
G, Tammann.
EesigsäurelösuDg ^j^^-norm^X,
pkg
.0,110
Ä,.i
Pkg
t^ 20,14«
Rp
1
1,000
1
1,000
1
1,000
1
1,000
777
0,787
500
0,855
787
0,784
500
0,855
1259
0,687
1000
0,734
1252
0,692
1000
0,738
1729
0,615
1500
0,644
1725
0,619
1500
0,650
2218
0,554
2000
0,582
2211
0,550
2000
0,582
2720
0,497
2500
0,526
2709
0,510
2500
0,526
8214
0,478
3000
0,487
3210
0,468
3000
0,487
8714
0,447
3500
0,460
3714
0,482
3500
0,447
4000
0,430
4000
0,410
P^^
Rp
40,07 *
Rp
Äp=l
1
1,000
1
1,000
776
0,793
500
0,862
1250
0,698
1000
0,742
1713
0,627
1500
0,653
2219
0,562
2000
0,588
2671
0,518
2500
0,532
3214
0,472
3000
0,490
3712
0,439
3500
4000
0,454
0,420
Wie vorauszusehen, beeinilusst der Druck den Widerstand
der verdünnten Chlomatrinm- und Essigsäurelösungen in ganz
verschiedener Weise (vgl. Fig. 1). Der Widerstand der Essig-
säurelösung nimmt mit steigendem Druck langsamer als pro-
portional dem Druck ab und übertrifft diese Abnahme bei
gleichen Drucken die der Widerstände der Chlornatriumlösung
recht erheblich. Die Widerstandscurven der Essigsäure für 0 ^,
20^ und 40" liegen nahe zusammen, die für 0^ und 20^'
schneiden sich mehrmals, die für 40® überlagert bis 3000 kg
die beiden anderen, über 3000 kg schneidet sie die Curve
für 0®. Ganz anders ist das Verhalten des Widerstandes der Chlor-
natriumlösuug, hier nimmt mit steigendem Druck der Wider-
stand zuerst ab, erreicht ein Minimum und nimmt schliesslich viel
langsamer, als anfangs ab, wieder zu. Das Minimum des Wider-
standes verschiebt sich mit der Temperatur. Für 0® liegt das Mini-
mum bei ca. 2600, für 20® bei ca. 2700 kg und für 40® bei 2000 kg.
Gleichzeitig nimmt mit steigender Temperatur der Einfluss des
fiffkeit des elektrischen Leitvermögens vom Druck, 771
0-90-
bei gleichen Drucken ab, und die Curven werden in
af eine durch das Minimum gehende Symmetrieaxe
Bcher.
keit der lonenreibung und der Zähigkeit vom Druck.
Dissociation in einer Lösung ist bekanntlich im Gegen-
Dissociation in Gasen, soweit die Erfahrung reicht,
3n einer Contraction be-
3mentsprechend muss die-
Lösungen mit steigendem
mehmen, in Gasen aber
1 oder, falls keine Volumen-
die Gasreaction begleitet,
\\g vom Druck sein.
den Dissociationsgrad
t vollständig dissociirten
ten, wie Chlornatrium in
aler Lösung («=0,9), kann
^ksteigerung von 1 auf
eine Vergrösserung des ^^
ionsgrades um höchstens
. hervorrufen, wenn die
Inderung bfei der Disso-
dnes g-Moleciiles Chlor-
10 ccm beträgt. Nun
letztere Grösse sicher be-
kleiner und beträgt in
keit vielleicht nicht mehr
ner. Dass diese Volumen-
sehr gering ist, folgt aus
den eines Einflusses der
070^
060
Fig. 1.
ion auf den Binnendruck
natriumlösungen. Infolge dessen kann man den Druck-
uf den Dissociationsgrad der Chlornatriumlösungen ver-
gen, und erhält nahezu den Druckeinfluss auf die
►ung 17, wenn man von der Druckänderung des Wider-
(*, die der Volumenänderung J ü, der Lösung subtrahirt:
1 Ari _ ^_ AJ^ _ 1 Av
%^\ ^P " ^p=:l ^P ^p^l ^P '
49 ♦
I
772 G. Tammann.
Man findet die zur Ausführung dieser Rechnung noth-
wendigen Daten in folgender Tabelle. Zuerst für die Drucke p
die Werthe ARIRp^i^ dann die Werthe Jv/vp^i, interpolirt aus
der Tabelle Amagat's und schliesslich die Differenzen beider
Werthe, die Druckänderungen der lonenreibung Afijfip^\.
t
= 0,0«
t = 20,0 **
pkg
AR
Av
Afj
AB
^P=i
Av
Vi
500
0,075
0,023
- 0,052
0,044
0,021
0,023
1000
0,111
0,043
- 0,068
0,068
0,039
— 0,029
1500
0,131
0,059
-0,071
0,082
0,055
- 0,027
2000
0,142
0,074
- 0,068
0,088
0,069
- 0.019
2500
0,146
0,088
- 0,058
0,090
0,082
— O.OOd
3000
0,145
0,095
- 0,050
0,090
0,094
+ 0004
3500
0,143
0,110
- 0,033
0,088
0,104
-r 0,016
4000
0,142
0,120
- 0,022
t = 40,0
0,085
0
0,113
-r 0.026
/'kg
AR
.
Av
Vi
Afj
Vi
500
0,027
0,020
- 0,007
1000
0,042
0,038
- 0,004
1500
0,051
0,053
+ 0,002
2000
0,057
0,068
+ 0,011
2500
0,056
0,080
+ 0,024
3000
0,053
0,092
4- 0,039
3500
0,048
0,102
+ 0,054
4000
0,044
0,111
+ 0,067
Die Druckänderungen der inneren Reibung sind Fig. 2
graphisch dargestellt. Die Minima der lonenreibungsisotberme
sind viel deutlicher ausgesprochen als die der Widerstantls-
isothermen und liegen natürlich bei kleineren Drucken als
diese. Auch die Verschiebung der Minima der lonenreibuogs-
isothermen mit steigender Temperatur zu niederen Drucken
tritt deutlicher auf. Bei ca. 50 — 60® würde das Minimum
bei gewöhnlichem Druck liegen, von dieser Temperatur an
würde sich das Wasser auch in dieser Beziehung wie die
übrigen Flüssigkeiten verhalten.
Um den Vergleich zwischen den Druckänderungen der
lonenreibung einer verdünnten Lösung und der Zähigkeit des
Abhängigkeit des elektrischen Leitvermögens vom Druck. 773
reinen Wassers durcbzuflihreu , tragen wir in das Diagramm
jener auch diese ein.
Ueber den Einfluss des Druckes auf die Zähigkeit des
Wassers sind von Röntgen'), Warburg und Sachs*] und
schliesslich von ß. Cohen^ Versuche angestellt worden. Voa
m
'
H V
i
/
"..
4%
/
/
/
^ 1
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^
y
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-
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i-^
^
03
ly
» •/
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^
^
»d
J
Fig. 2.
den ersten Beobachtern wurde constatirt, dass die Zähigkeit
des Wassers mit steigendem Druck abnimmt, dass dagegen
die Zähigkeit anderer Flüssigkeiten mit steigendem Druck zu-
nimmt. Von K. Cohen wurden die Untersuchungen Über den
Einfluss des Druckes auf die Ausilasszeit von Wasser aus
einem Qlasrohr auf grössere Druck* und Temperatnrgebiete
1) W. C. RöDtgeD, Wied. Ann. -i2. p. 510. 1884.
2) E. Wftrburg u. J. Sachs, 1. c. p. 518.
3) R. Cohen, Wied. Ann. 4&. p. 66«. 1892.
774 G. Tammann.
ausgedehnt. Man findet in der Arbeit B. Cohen 's die relaÜTen
Aenderungen der Ausflusszeiten T— (r^^i- jP^/T;,^! _ fftr + 15<>
bis zu 900 Atm. und für + 1 ^ bis zu 600 Atm. Wie man aus
den einzelnen Bestimmungen der Ausflusszeit ersieht, kann der
Fehler der relativen Aenderung derselben bis 0,01 steigen. Da
bei der Temperatur 23^ nur wenige Beobachtungen vorliegen
und hier der mögliche Fehler grösser ist als die gemessene Aende-
rung, so sind die bei 23^ angestellten Beobachtungen ihrer
grossen relativen Fehler wegen nicht weiter berücksichtigt
worden. Die Mittel der bei +1® und +15^ ca. 5 mal wieder-
holten Bestimmungen mögen schliesslich mit einem Fehler von
±0,002 behaftet sein.
Druckänderungen der Ausflusszeiten des Wassers nach R. Cofaeo.
^--f-l«
^= + 15''
p
^P^l-'^P
P T^^x-T^
Atm.
^. = 1
Atm. T^ ^ 1
100
0,021
100 0,007
800
0,0S8
200 0,018
600
0,068
300 0,015
400 0,021
500 0,025
Da die Zähigkeit proportional der Ausflusszeit ist, so
kann man, um den Vergleich zwischen der Abhängigkeit der
Zähigkeit und der lonenreibung vom Druck durchzuflihren,
die Daten obiger Tabelle in das Diagramm, Fig. 2, eintragen.
Die von Kreisen umzogenen Kreuze beziehen sich auf die
letzteren. Man übersieht nun sofort, dass die lonenreibnng
einer verdünnten Lösung und die Zähigkeit des Lösungsmittels
sich, soweit die Erfahrung reicht, in gleicher Weise mit dem
äusseren Druck ändern. Man kann also die Isothermen der
lonenreibung auch als die der Zähigkeit des iVassers betrachten.
Man ersieht, dass das Wasser betreffs Abhängigkeit seiner
Zähigkeit vom Druck sich abweichend von anderen Flüssig-
keiten nur in einem Zustandsgebiet, das sich von ca. 50^ über
0^ hinaus und den entsprechenden Drucken von 1 und 1450 Atm.
erstreckt, verhält.
Abhängigheit des elektrischen Zeitvermögens vom Druck. 775
Berechnung des Druckeinflusses auf die Zähigkeit von
Chlomatrinmlösungen.
Macht man Gebrauch von dem Satze, dass die Druck-
iderungen der Eigenschaft einer Lösung gleich sind denen
3S Lösungsmittels unter einem äusseren Druck , der gleich
t der Binnendrucksdifferenz J K zwischen der Lösung und
3m Lösungsmittel unter gleichem äusseren Druck, so kann
an den Druckeinfluss auf die Zähigkeit verdünnterer Lö-
mgen in ganz befriedigender Uebereinstimmung der Zähig-
)itsisotherme des Lösungsmittels entnehmen. R. Cohen hat
ich den Druckeinfluss auf die Zähigkeit einiger Chlomatrium-
sungen bestimmt und gefunden, dass derselbe mit steigender
3ncentration von negativen in positive Werthe übergeht. Ver-
dten sich nun Chlomatriumlösungen verschiedener Concen-
ation wie Wasser unter verschiedenen äusseren Diiicken, so
Igt das Resultat R. Cohen's direct aus der Gestalt der
Ihigkeitsisotherme des Wassers.
In folgender Tabelle sind erstens die Concentrationen der
m R. Cohen untersuchten Chlomatriumlösungen aufgeführt,
um folgen unter A K die Unterschiede zwischen den Binnen-
*ucken des Wassers und der Chlomatriumlösungen^), ferner
iter a die Differenzen der Werthe 1/ 17^=^1, ArjjAp für die
rucke AK + 1 und ^^"4- 310kg und unter b die von
. Cohen gefundenen Aenderungen der Zähigkeit bei Druck-
eigerung von 1 auf 310 kg, schliesslich wiederholen sich die-
Iben Daten für den Zuwachs des äusseren Druckes von
K+1 auf J A: + 620 kg und von 1 auf 620 kg.
Druckeinfluss auf die Zähigkeit von Chlornatriumlösungen.
Proc- Gehalt 40/0 8^ 13,8 7o 25,7%
J i^ in kg 444 887 1264 2845
bei Qo a
- 0,012
- 0,005
+ 0,007
bei +2 b
- 0,015
- 0,008
+ 0,021
bei 20 a
—
+ 0,000
+ 0,002
+ 0,007
bei 14,5 b
+ 0,002
+ 0,008
+ 0,022
bei 0 a
- 0,021
- 0,006
+ 0,016
bei +2 b
- 0,028
- 0,007
—
+ 0,041
bei 20 a
+ 0,001
+ 0,007
+ 0,014
bei 14,5« 6
+ 0,003
+ 0,017
—
+ 0,044
1) Zeitschr. f. physik. Chem. 13. p. 174. 1894.
776 G, Tammann,
Bis zur Concentration 1 5 Proc. ist die Uebereinstimmang
eine befriedigende. Bei 25 Proc. ist der berechnete Zuwachs
der Zähigkeit kleiner als der gefundene, was durch eine schnellere
Zunahme des Druckeinflusses auf die Zähigkeit des gelösten
Stoffs bedingt ist.
Die Druckänderung der Zähigkeit von Lösungen wechselt
bei derjenigen Concentration ihr Vorzeichen, deren Binnen-
druckdifferenz gleich ist dem äusseren Druck, bei dem die
Zähigkeitsisotherme des Wassers ein Minimum hat.
Abhängigkeit der Zähigkeit wässeriger IiÖBungen von der
Concentration.
Man ersieht sofort, dass, wenn die Zähigkeit des gelösten
Stoffs sich von der Zähigkeit des Lösungsmittels nicht unter-
scheidet, die Zähigkeit einer solchen Lösung sich mit der
Concentrsition, entsprechend der Aenderung des Binnendnickes,
ändern wird. Ist diese Aenderung des Binnendruckes in ihr
Abhängigkeit von der Concentration im speciellen Falle bekannt
so hat man für die entsprechenden JÜT-Werthe die Zähig-
keiten der Lösungen unter dem Drucke 1 Atm. der Zähig-
keitsisotherme des Lösungsmittels zu entnehmen. Dieser ideale
Fall wird wohl aber kaum vorkommen. In vielen Fällen wird
die Abhängigkeit der Zähigkeit des Lösungsmittels vom Binnen-
druck ganz von der Zähigkeitsänderung durch den gelösten
Stoff verdeckt, und nur bei starken Verdünnungen kann dann
die Verminderung der Reibung des Wassers zum Vorschein
kommen. Diese Verminderung der Zähigkeit des Wassers
durch geringe Salzzusätze muss bei Abnahme der Temperatur
(von 50 — 0®) bei gleichen Zusätzen wachsen.
üeberblickt man die von A. Sprung^) gegebenen Tafeln,
auf denen die Abhängigkeit der Zähigkeit für mehrere Salz-
lösungen in Wasser von der Concentration dargestellt ist, so
findet man unter den Curven mehrere, die für Ammonium-
chlorid, -bromid, -nitrat und die für Ealiumchlorid , -bromid,
-Jodid, -nitrat, welche der Zähigkeitsisotherme des Wassers
sehr ähnlich sind und mit steigender Temperatur ihre Gestalt
in ganz ähnlicher Weise wie die Zähigkeitsisotherme des Wassers
ändern. Stellt man für Chlorammonium die Zähigkeiten gra-
1) A. Sprung, Pogg. Ann. 159. p. 1. 1876. Taf. I.
Abhängigkeit des elektrischen Leitvermögens vom Druck. 111
phisch in Abhängigkeit von der Binnendrucksdifferenz A K dar,
so fällt die Zähigkeitscurve der Chlorammoniumlösangen für
20^ mit der Zähigkeitsisotherme des Wassers für 20** bis zur
Concentration 16 Proc, entsprechend dem JiT-Werth 930 kg,
zusammen. Die Zähigkeitscurve der Chlorammoniumlösungen
für 0^ liegt dann unterhalb und die für 40® oberhalb der ent-
sprechenden Zähigkeitsisotherme des Wassers. Die Abhängig-
keit der Zähigkeit des gelösten Chlorammoniums von der Tem-
peratur ist also von der des Wassers merklich verschieden.
Aehnliches findet man bei den Lösungen des Kaliumjodids.
Die Abhängigkeit des Dissociatioiisgrades der Essigsäure vom
Druck.
Unter zwei Voraussetzungen kann man aus den Messungen
des Druckeinflusses auf den Widerstand der Essigsäurelösung
den Druckeinfluss auf den Dissociationsgrad der gelösten Essig-
säure ableiten. Die erste dieser Voraussetzungen ist die, dass
sich die Volumina der Yio'^^^"^^!®^ Essigsäure und der ^lo"
normalen Chlornatriumlösung mit dem Druck so ändern, wie
das Volumen des Wassers. Der höchstmögliche Fehler dieser
Annahme übersteigt nicht 1 Proc. der Volumenänderungen.
Das Zutreffen der zweiten Voraussetzung, dass die lonen-
reibungen in beiden Lösungen in gleicher Weise vom Druck
abhängen, ist fraglich. Eine Entscheidung über diese Frage
könnten Untersuchungen über die Abhängigkeit der lonen-
reibung des Natriumacetats vom Druck bringen.
Unter diesen Voraussetzungen kann man den Eiufluss des
Druckes auf den Dissociationsgrad a der Essigsäure erfahren,
wenn man von den relativen Widerständen der Chlornatrium-
lösungen die der Essigsäurelösungen unter gleichen Drucken
subtrahirt:
1 1
^
(») ^;:x
NaCl
^p _ P = l J>
P P =
^p = l/ Essigsäure ^
«1»
«P=l
Diesen Quotienten kann man auch noch auf anderem Wege
berechnen. Bekanntlich gilt nach M. Planck die Beziehung:
(2)
<^lo^nat^ ^^
dp 1000 AT
778 G. Tammann.
wo K die Dissociationsconstante und J v die Volumenände-
ruDg bei der Dissociation der Essigsäure in ^/j^- normaler
Lösung bedeutet. Um diese Gleichung integriren zu können,
machen wir die Annahme, dass Jv vom Druck, wie das Vo-
lumen des Wassers und von der Temperatur, wie die Volumen-
änderung bei der Neutralisation^) abhängt Als Werth von Av
bei 20^ nehmen wir 10,3 ccm an.*) Berechnet man dann für
von 1000 zu 1000kg steigende Drucke die Werthe Jv/ 1000 RT,
so erhält man folgende Interpolationsgleichungen:
Qo d\^K ^ 0,0002073 - 7,15 X lO-»/? + 4,5 X 10" V
(3) ] 20« -^^^ = 0,0001809 - 7,20 x 10'^ p + 5,5 X 10- V
400 ä}^ ^ 0,0001622 - 7,00 x 10'^ p + 6,5 x 10-^^pK
Integrirt man diese Gleichungen, so erhält man die Glei-
chungen für die Werthe log [KpjKp^ijy mit deren Hülfe die
Wertiie log(Äp/jKp«i) von 1000 zu 1000 kg berechnet wurden.
Schliesslich ergeben sich mit Hülfe der Gleichung
H) «-^(l/W-')
die Werthe a^.
In folgender Tabelle sind die so erhaltenen Quotienten
(op— «^«i)/aj, unter her. verzeichnet, unter gef. findet man
die aus den Messungen des elektrischen Widerstandes mit Hülfe
der Beziehung (1) abgeleiteten Werthe (c^— ap = i)/aj,. Diese
Werthe sollten übereinstimmen. Doch findet man eine ziem-
lich befriedigende Coincidenz nur bei einer Temperatur bei 20»,
bei 0^ sind die gefundenen Werthe kleiner als die berech-
neten und bei 40^ findet man das umgekehrte Verhältniss.
Man ersieht aus Formel (2), dass der Druckeinfluss auf die
Dissociationsconstante für die Dissociation im Wasser und wohl
auch in anderen Lösungsmitteln mit steigender Temperatur
abnehmen muss, weil T im Nenner zunimmt und J o im Zähler
für das Lösungsmittel Wasser von 0 — 50^ ebenfalls abnimmt
Die nach (1) abgeleiteten Aenderungen des Dissociationsgrades
1) Zeitschr. f. physik. Chem. 16. p. 142. 1895.
2) I. c. 27. p. 461. 1898.
Abhängigkeit des elektrischen Leitvermögens vom Druck, 779
ben aber ein Anwachsen desselben mit steigender Temperatur.
T Grund hierfür ist wahrscheinlich der, dass die Reibung
r Ionen der Essigsäure nicht so wie die der Chlornatrium-
len von der Temperatur und dem Drucke abhängt Man
Lsste, um ein besseres Resultat zu erhalten, in Gleichung (1)
:ht die Druckabhängigkeit der Widerstände der Chlomatrium-
ung, sondern die der äquivalenten Natriumacetatlösung ein-
iren.
«P
P kg
^-0*
20*>
AO^
500
—
0,100
0,103
0,076 ber.
0,111 gef.
1000
0,190
0,155
0,169
0,194
0,153 ber.
0,216 gef.
2000
0,341
0,276
0,304
0,330
0,277 ber.
0,355 gef.
3000
1 0,464
1 0,368
0,417
0,423
0,383 ber.
0,457 gef.
4000
1 0,562
l 0,428
0,504
0,505
0,472 ber.
0,536 gef.
Beim Drucke von 8600 kg enthält die Essigsäurelösung
derselben Gewichtsmenge doppelt so viel Ionen als unter
wohnlichem Druck. In demselben Yerhältniss ändert sich
ch ihre Avidität der Salzsäure gegenüber (J. Thomsen-
Arrhenius). Bei anderen Stoffen, wie beim Ammoniak und
r Kohlensäure, deren A v ca. 2,5 mal grösser ist als das der
sigsäure, würde die Verdoppelung der lonenzahl schon bei
vas über 1000 kg erreicht werden. Dem grossen Druck-
ifluss auf die wenig dissociirten Elektrolyte steht die Un-
hängigkeit des Dissociationsgrades stark dissociirter Elek-
>lyte gegenüber.
Bei Aenderung des Druckes in Flüssigkeiten um wenige
mosphären darf man Aenderungen der Gleichgewichte zwischen
n gelösten Stoffen und durch diese bedingte Aenderungen
r Reactionsgeschwindigkeiten , die durch die gewöhnlichen
ithoden der Concentrationsbestimmung wahrnehmbar sind,
;ht erwarten. Dagegen könnte in tiefen Meeren der Einfluss
3 Druckes auf Reactionen im Meerwasser schon merklich
780 G. Tammann, Abhängigkeit etc,
werden. In der Tiefe von 5000 m (550 kg) wäre der Disso-
ciationsgrad der gelösten Kohlensäure ungefähr 1,4 mal und
in der Tiefe von 10000 m 1,7 mal so gross als an der Ober-
fläche. Dementprechend würde auch die Lösungsgeschwindig-
keit des neutralen kohlensauren Kalkes mit der Tiefe zu-
nehmen. In der That finden sich Calciumcarbonatablagerungen
nur bis ca. 5000 m Meerestiefe.
lieber den Einfluss des Druckes auf das chemische Gleich-
gewicht in Flüssigkeiten und die hiermit zusammenhängenden
Aenderungen der Reactionsgeschwindigkeit sind unrichtige An-
sichten, die sich zum Theil auf eine unrichtige Interpretation
von Versuchsresultaten stützen, sehr verbreitet. Soll unter-
sucht werden, ob zwei Stoffe aufeinander einwirken, so werden
sie gewöhnlich in einem geeigneten Lösungsmittel gelöst und,
nachdem dfe Mischung einige Zeit bei Zimmertemperatur ver-
blieb, auf eventuelle Veränderungen der ursprünglichen Stoffe
gefahndet. Bleibt eine solche aus, so wird die Mischung auf
der Temperatur des Siedepunktes der Lösung unter Luftdruck
erhalten, bleibt auch hier die gewünschte Beaction aus, so
wird schliesslich das Gemisch im geschlossenen Glasrohr auf
ca. 130^ erwärmt. Häufig wird die erwartete Reaction unter
diesen Bedingungen deutlich merkbar. Ist nun das erste
Temperaturintervall grösser als das zweite, so glaubt man sich
besonders berechtigt, der geringen Drucksteigerung von 10
bis 20 Atm. im Schiessrohre einen ganz erheblichen Einfiuss
auf die Reactionsgeschwindigkeit zuschreiben zu dürfen. Das
Anwachsen der Reactionsgeschwindigkeit ist hier aber einzig
und allein der Temperatursteigerung und nicht der Druck-
steigerung zuzuschreiben.
(Eingegangen 25. September 1899.)
4. lieber einen eooperi/mentellen und theoretischen
Trugschltiss i/n der Elehtricitütslehre;
von Ernst Lecher.
(Nach den Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien Bd. CVllI,
Abtb. IIa, 13. Juli 1899, bearbeitet vom Hm. Verfasser.)
\9
0<
W. König ^) hat ein Verfahren beschrieben, welches eine
fortdauernde Drehung eines Magnetpole« um einen strom-
durchflossenen Leiter hervorbringt. Er bezieht sich dabei auf
p. 160 des bekannten Werkes von Bbert ,, Magnetische Kraft-
felder". — Ich hingegen leugnete seinerzeit^ die Thatsache,
dass ein stromdurchflossener Leiter einen
Magnetpol constant längst den Stromkraft-
linien herumrotiren lasse. —
Der entsprechende alte Pohl' sehe (?)
Versuch ist in fast allen Lehrbüchern der
Elektricitätslehre beschrieben und wird ge-
wöhnlich als äusserst bequemer Ausgangs-
punkt für weitere Schlüsse benutzt, trotz-
dem er theoretisch und experimentell falsch
ist, wie sich durch folgende einfache Ab-
änderung dieses Versuches leicht zeigen
lässt.
Die beiden Magneten s n und s n
hängen mittels des zweimal rechtwinklig
gebogenen Drahtes s r r s an dem Faden eg,
— In der Mitte von r r sind zwei Zacken
angelöthet, welche in die kleine Queck-
silberrinne w w eintauchen. B B' ist die
Batterie. Der eine Pol B bleibt dauernd
mit dem möglichst langen verticalen Drahte a verbunden.
Am oberen Ende dieses Drahtes ist das Quecksilbernäpfchen b,
— Von da kann der Strom in zweierlei Weise weitergehen.
Fig. 1.
1) W. König, Wied. Ann. 60. p. 519. 1897.
2) E. Lecher, Wied. Ann. 54. p. 282. 1895.
782 E. Lecher.
Er fliesst entweder über den horizontalen Draht p in die
Quecksilberrinne f und über den Draht z zur Batterie B
zurück. Es ist das die alte Schaltung und der allbekanDte,
nach meiner Ansicht falsche Verauch. Oder aber man ver-
bindet B nicht mit Zy sondern in weitem Bogen mit der oberen,
kleinen Quecksilberrinne w\ dann fliesst der Strom wieder
durch den geraden Draht a, das Quecksilbemäpfchen b, geht
jedoch nun in die oberen Hälften der beiden Magnete und
über srw und s r w zm B zurück. Bei der ersten Schaltang
genügt eine Stromstärke von 1,5 Amp., um die bekannte
Drehung hervorzubringen. — Bei der zweiten Schaltung aber
ist bei dem Maximum der Stromstärke, die ich ohne Ge-
fährdung des Apparates anwenden konnte, bei ca. 30 Amp.
keine Spur einer Bewegung zu bemerken. Wenn nun die Be-
wegungsursache bei der ersten Schaltung durch die Wirkung
des Drahtes a auf die Pole n und n gegeben ist, so müsste
diese Wirkung auch bei der zweiten Schaltungsweise vorhanden
sein und das ist, wie der Versuch zeigt, nicht der Fall.
Somit ist die Ursache der Rotation auch bei der ersten Schal-
tung sweise nicht im Drahte a, sondern im Drahte z zu suchen.
Die behauptete Drehung ist aber auch theoretisch un-
möglich. Vom Standpunkte der Fernwirkungstheorie aus be-
wies dies schon Margules.^) Aber auch die neue
Kraftlinientheorie erbringt gar keinen Grund für
eine derartige Rotation.
Ueberblicken wir etwas eingehender den
Verlauf der Kraftlinien in Fig. 2. Es sei n der
zu betrachtende Pol, dem irgendwo ein ent-
sprechender 5-Pol zugeordnet sein muss. Der
" Leiter, der die Rotation hervorbringen soll, sei
aa\ Derselbe wird nun von den Kraftlinien
des Magneten (punktirt gezeichnet) einmal ge-
"'^' ^ schnitten. Für den Zweck der Betrachtung ist
CS gleichgültig, ob wir die Kraftlinien fest mit dem Magnete
verbunden denken oder ob wir die ursprüngliche Anschauung
Faraday's einführen, welche ich in der früher citirten Arbeit
vertreten habe, wonach die Kraftlinien im Räume, aber nicht
1) M. Margules, Wied. Ann. 6. p. 59. 1879.
Trugschhiss in der EUktricitäUlehre,
783
am Magneten haften. Nie kann bei einer Rotation von n s um
aa ein Schneiden von Kraftlinien stattfinden, es ist daher
eine Rotation infolge des Stromes in aa' unmöglich.
Wenn man sich nicht mit einem so qualitativen Experi-
ment, wie es in Fig. 1 geschildert ist, begnügen wUI, so zeigt
es sich, dass die Durchführung eines quantitativ genaueren
Versuches auf einige Schwierigkeiten stösst.
Ich versuchte experimentell die ablenkende Wirkung
eines Stromes auf einen Magnetpol nach dem Oerstedt'schen
f
p
D^
Z
Or
u.
O
n
a
Fig. 3 a. Fig. 3 b.
und dem in Frage stehenden Principe zu vergleichen. Der
Magnet ns (Fig.. 3a) ist fest verbunden mit dem Drahte cc,
der in seiner weiteren Verlängerung das Gegengewicht ff trägt.
Der Strom geht durch aa über das Quecksilbernäpfchen b,
dann durch die eine Magnethälfte über s nach dem Punkte u
in die kleine Quecksilberrinne w. Das ganze System hängt
an einem Coconfaden und besitzt eine Spiegelablesung. Indem
man zwei Schrauben bei s und u löst, kann man dann den
Magneten an dieselbe Aufhänge- und Ablesevorrichtung in
horizontaler Lage hängen (Fig. 3 b) und unten horizontal einen
Stromleiter r r vorbeiführen. Wenn die Entfernung des Poles n
vom Stromleiter die gleiche ist, so ist in beiden Versuchen
alles gleich bis auf die Hebelarme und den umstand, dass im
784 E. Lecher.
zweiten Falle zwei Pole wirken. Bei einer so feinen An-
ordnung zeigt sich nun das merkwürdige Resultat, dass auch
in der ersten Stellung (Fig. 3a) immer eine Ablenkung ein-
tritt, die aber in ihrer Grösse mit der zweiten Ablenkung
(Fig. 3 b) absolut nicht stimmen will. Sie ist meist kleiner
und auch im Zeichen oft entgegengesetzt. Die Fehlerquelle
ist leicht zu finden. Wenn aa nicht genau centrirt ist oder
wenn dieser Draht irgendwo kleine Verbiegungen besitzt, dann
werden bei der Rotation Kraftlinien geschnitten und das ist
die Ursache der Ablenkung. Wenn aber der Draht a a während
der Beobachtung mechanisch um die eigene Axe rotirt wird,
so verschwindet jede Ablenkung. Dasselbe tritt ein, wenn der
Magnet n« in zwei Lagen beobachtet ist, welche um 180^ ver-
schieden sind, also einmal rechts und einmal links vom Drahte
und wenn in mehreren Azimuthen die entsprechenden Beob-
achtungen zu einem Mittelwerthe combinirt werden. Ebenso
verschwindet jede Drehung fast ganz, wenn man — der ge-
bräuchlichen Anordnung entsprechend — zwei gegenüber-
stehende Magnete verwendet. Die reducirte Ablenkung bei
Fig. 3 a ist dann etwa 1000 mal kleiner, als die nach Fig. 3 b.
Diese restlichen Impulse rühren wohl von dem gegenseitigen
elektrodynamischen Einflüsse der Leitertheilchen her, welche
sich kaum ganz vermeiden lassen.
Es liegt, wie ich glaube, in der historischen Entwickelang
unserer Anschauungen über Kraftlinien, dass die Idee der
Rotation eines Poles um den Strom sich so lange erhalten
konnte. Farad ay nämlich beschäftigte sich mit dieser Rotation
lange Zeit vor Conception seines Kraftlinienbegriffes. Damals
— 1821 — spricht Faraday von den Polen als selbst-
ständigen Existenzen, er betrachtet damals den Pol als blossen
Wirkungsmittelpunkt. ^) Damals sagte er z. B.^), dass Eisen-
feilicht, über die Stromspirale gestreut, „sich sehr bald über
dem Magnet in krummen, von dem einen Ende zum andern
gehenden Linien anordnen und den Ifeg angeben, den der Pol
nehmen würde^'. Seine bekannten Rotationsversuche unter-
nimmt er von dieser Voraussetzung aus, die sehr einfach und
1) Vgl. Uebereetzung von Kalischer 2. p. 116 u. 137. 1891.
2) 1. c. p. 127.
Trugschluss in der Elektricitätslehre.
785
verlockend erscheint. Die Entdeckung von Oersted und die
Arbeiten von Biot und Savart schienen alle mit dieser
Voraussetzung in bester üebereinstimmung. Dass Farad ay
erst später — 1831 — zu einem genaueren Begriffe der
Kraftlinien kam, sagt er selbst gelegentlich in einem Briefe
an TyndalP): ,,Es sind nun heutzutage 24 Jahre her, dass
ich zum ersten Male die Aufmerksamkeit auf diese Linien
lenkte.^' In späteren Jahren giebt Faraday zu wiederholten
Malen Definitionen von Kraftlinien, z. B. 1851^) und fast
identisch 1852.^) — In diesen Definitionen fehlt die bis heute
oft ausgesprochene Vorstellung, dass die Kraftlinien Linien
seien, längst welchen sich ein Pol bewegen müsse. Faraday
war eben inzwischen zu einer bestimmteren Vorstellung ge-
kommen^]: „Absoluter oder beziehungsloser Nord- und Süd-
magnelismus ist unmöglich.^' In dieser späteren Zeit kam aber
Faraday nicht mehr auf den in Bede stehenden Rotations-
versuch zurück. Und da dieser Versuch zur Anschauung der
Femwirkungstheorie scheinbar stimmte, wurde es ermöglicht,
dass er auch im experimentellen Studium sich mit solcher
Hartnäckigkeit erhalten konnte.
Bei dem Faraday 'sehen Botationsversuch gleitet der
bewegliche Magnet durch die im Quecksilber feststehenden
Kraftlinien, welch' letztere die Ursache der
Rotation sind.
Auch die eingangs erwähnte neue An-
ordnung von W. König halte ich in vor-
liegender Frage nicht für beweisend. Der-
selbe verwendet eine stromdurchflossene
Röhre rr und bringt die gleichnamigen
Pole hackenförmig umgebogener Magnet-
stäbe in das Innere derselben. Das wesent-
liche der Anordnung ist in Fig. 4 (mit nur
einem Magneten) schematisch skizzirt. So-
wohl Magnet als auch Röhre sind, jedes
für sich, um die gemeinsame Axe a a dreh- p|g 4^
1) Vgl. Uebersetzung von Kalischer 8. p.637. 1891.
2) 1. c. p. 298. § 3071.
8) 1. c p. 867.
4) 1. c p. 388. § 8277.
Ann. d. Phjt. u. Chem. N. F. 69. 50
786 S. Lecker.
bär. — Der Strom tritt in die Röhre mittels eines Qaeck-
silbercontactes in rr ein und vermittelst eines zweiteo in r'r'
aus. Fliesst durch die Röhre ein starker Strom, so roürt
Röhre und Magnet nach entgegengesetzter Richtung. Mir
erscheint dieser Versuch nur als nene Form des alten Barlow'-
achen Rädchens. Die Kraftlinien zwischen n und t werdeD
durch den Leiter r r' fortwährend geschnitten. Diese Bewegung
hat aber mit der angeblichen Rotation eines Poles um einen
axialen stromdurchäossenen Leiter nichts zu thun.
Was schliesslich die Darstellung dieser Angelegenheit bei
Ebert anlangt, so seien mir folgende Bemerkungen gestatteL
Ebert spricht sich zwar zu wiederholten Malen gegen die
Existenz „eines" Poles aus and scheint auch') meinen Blia-
wand gegen den in Rede stehenden Versuch für begründet
zu halten. Gleichwohl ist aber an einer anderen Stelle*) eine
diesbezügliche Fictiou ziemlich weit ausgeführt Als üeber-
Schrift des in Rede stehenden Paragraphen setzt Ebeit
„Dia^amm des elektromagnetischen Grundversnches". Nach
dem vorhergehenden ist aber das Resultat des Versuches durch
secundäre Umstände bedingt und kann er daher nicht ala
örundversuch bezeichnet werden. Gleichwohl könnte aber auch.
1) H. Ebert, Hagoetische Kraftfelder p. ISO. § 1&8. Leipzig 189«.
2) L c. p. 179. § 174.
Truffschluss in der Elektricitätslehre, 787
rie ich glaube, die weitere Darstellung des Gegenstandes viel-
eicht zu Irrthümern Anlass geben. Durch die bekannte Super-
)08ition der Kraftfelder des Stromes und des Magneten erhält
5bert vorstehende Zeichnung (Fig. 5), welche der üebersichtlich-
Leit wegen etwas vereinfacht ist. Der Punkt links ist der Durch-
schnitt des Stromes, der Punkt rechts ein Südpol. Die spiral-
Örmigen Linien stellen die Kraftlinien dar. Der Siidmagnetpol
st eine Sinkstelle. Ebert erwähnt hier auch, dass, da die Linien
Lur scheinbar endigen, sie in den Magnet hineingehen und so
Lus dem Felde verschwinden. Doch sollte dann meiner Meinung
tach auch ganz besonders betont werden, dass diese Linien
rgendwo aus dem Nordpol herausquellen und ins Feld zurück-
:ehren müssen. Ebert sagt in Bezug auf den Eindruck vor-
tehender Fig. 5: „Die sonst in sich zurückkehrenden Strom-
Lraftlinien sind dadurch zu einer unendlichen Spirale geöffnet."
Meses Beispiel könnte unter der Fiction nur eines Poles als
;eometrisch richtig gelten, hätte aber, und das scheint mir in
Sbert's Darstellung leicht übersehen werden zu können, keine
physikalische Bedeutung. Es darf daher- auch der Anblick
lieses Kraftfeldes nicht zu weiteren physikalischen Schlüssen
erwendet werden. Die vom Pole ausgehenden Kraftlinien
liegen sich ja immer einmal nach oben oder unten zum
»nderen Pole um und treten so aus der Zeichnungsebene
leraus. Denken wir uns einen Leiter und parallel zu dem-
elben einen Magneten, so werden die Kraftlinien des Mag-
leten schraubenförmig um den Leiter sich herumwickeln, immer
,ber in sich geschlossene Curven bilden.
Aus den angeführten Gründen glaube ich den hier erörterten
ogenannten Fundamentalversuch als einen theoretischen und ex-
perimentellen Trugschlvss erklären zu müssen: nach den theore-
ischen üeberlegungen kann eine Rotation nie eintreten und
ie experimentell gezeigte Rotation hat ganz andere Ursachen
Is die bisher angenommenen.
Prag, Physikal. Institut der k, k. deutschen Universität.
(Eingegangen 5. August 1899.)
50*
5. lieber die Vertheilung von freier Ulektrityität
an der Oberfläche einer Crookes^schen Bohre;
von Eduard Riecke.
Die Entladungserscheinungen der Elektricität in verdünnten
Gasen bergen trotz der vielen auf ihre Untersuchung gerichteten
Arbeit noch so viele Räthsel, dass man immer hoffen kann,
durch die Anwendung eines neuen Untersuchungsmittels zu
neuen Aufschlüssen zu gelangen. Dieser Gedanke veranlasste
mich, bei einigen mit verdünnten Gasen gefüllten Röhren Be-
stäubungsversuche mit dem Lichten berg'schen Gemisch Ton
Mennige- und Schwefelpulver zu machen. Ich hatte ursprüng-
lich die Versuche auf eine grössere Zahl von Röhren aus-
gedehnt, die sich im Besitze des hiesigen physikalischen In-
stitutes befinden; zuletzt habe ich mich auf die etwas aus-
führlichere Untersuchung von vier Röhren beschränkt, welche
besonders charakteristische Resultate zu geben schienen. Ich
schicke im Folgenden zunächst einige Bemerkungen über den
Zusammenhang der Bestäubung mit der elektrischen Ladung
der Glasoberfiäche voraus und gehe dann über zu einem Be-
richte über die Versuche selbst und über ihre Ergebnisse.
1. Die Vertheilung der freien Elektricität im Inneren
einer Geis sl er 'sehen oder Crook es 'sehen Röhre lässt sich
berechnen, sobald der Verlauf des Potentiales in dem Inneren
der Röhre bekannt ist. Die Vertheilung der freien Elektricität
an der inneren und an der äusseren Oberfläche der Röhre
würde zu bestimmen sein, wenn auch die Potentialvertheilung
in dem Glase und in dem umgebenden äusseren Räume bekannt
wäre. Bei einer verhältnissmässig geringen Dicke des Glases
dürfte man annehmen, dass der Differentialquotient des Poten-
tiales nach einer zu der Oberfläche senkrechten Richtung an
der inneren und an der äusseren Oberfläche des Glases in
diesem denselben Werth besitze. Die Summe der an der
inneren und an der äusseren Oberfläche des Glases befindlichen
«
Fertheilnng von freier Elektricität 789
freien Elektricität könnte dann berechnet werden, sobald der
Potentialverlauf im Inneren der Röhre und in dem umgeben-
den äusseren Räume bekannt wäre.
Man kann nun an Stelle von Potentialmessungen die
Methode der Bestä.ubung benutzen, um über die Vertheilung
der Elektricität an der Oberfläche einer Geissler'schen Röhre
wenigstens einen qualitativen Ueberblick zu gewinnen.
Für die Beurtheilung der Resultate ist die folgende Be-
merkung von Wichtigkeit. Während man sich vorstellen darf,
dass die Potentialflächen an der inneren Oberfläche des Glases
zu dieser senkrecht stehen, ist das an der äusseren Oberfläche
keineswegs der Fall; die elektrischen Kräfte werden hier im
allgemeinen gegen die Oberfläche mehr oder weniger geneigt
sein. Wenn nun zwischen der Oberfläche des Glases und den
angezogenen Staubtheilchen keine Reibung vorhanden wäre,
so könnten diese nur an solchen Stellen der Oberfläche im
Gleichgewicht sein, an denen die elektrische Kraft zu der
Oberfläche senkrecht steht. Wenn zwischen der Glasoberfläche
und den angezogenen Theilchen Reibung vorhanden ist, so
kann Gleichgewicht auch noch bei schiefer Richtung der Kraft
bestehen. Es sei K die ganze Intensität der elektrischen
Kraft, (f der Winkel, den sie mit der Normale bildet, rj der
Reibungscoefficient; Gleichgewicht wird dann vorhanden sein,
solange tg rp < rj ist. Wenn also auf der Glasoberfläche ein
Punkt vorhanden ist, in welchem die Kraft K gegen die Ober-
fläche senkrecht steht, so wird dieser umgeben sein von einem
Hofe, innerhalb dessen der Staub haftet. Dieser Hof wird
sich um so weiter ausbreiten, je langsamer die Neigung der
Kraft K gegen die Normale sich ändert. Wenn auf der Glas-
oberfläche eine Linie vorhanden ist, in der die Kraft K gegen
die Oberfläche senkrecht steht, so bildet der angezogene Staub
ein Band von einiger Breite, dessen Axe durch jene Linie ge-
bildet wird.
Betrachten wir solche Stellen, in denen die Kraft K zu
der Oberfläche senkrecht steht, so werden wir annehmen
dürfen, dass die Menge des angezogenen oder haftenden Staubes
der Kraft K proportional ist. Bezeichnen wir durch n^ die
in den äusseren Raum hineingehende Normale der Oberfläche,
das Potential durch F, so ist die gegen die Oberfläche ge-
\
790 E. Rieche.
richtete, auf die Einheit der positiven Elektricität ausgeübte
Ktslü K = {dFIdn^y Die Bestäubung liefert hiernach einen
gewissen Maassstab für die verschiedenen Werthe, welche
dieser Differentialquotient an der äusseren Oberfläche des
Glases besitzt. Die Summe tr der elektrischen Dichtigkeiten
an der äusseren und an der inneren Oberfläche des Glases
wird, wenigstens bei sehr dünner Glaswand, gegeben sein durch:
dV , dV .
Hier bezeichnet n^ die innere Normale der Oberfläche. Nnr
da, wo dVjdn^ Null ist, giebt die Bestäubung ein Bild f&r
die Summe der inneren und der äusseren Oberflächendichte.
Wir nehmen zwei Stellen der Glasoberfläche Ä und B von
der Art, dass in beiden die Kraft K zu der Oberfläche senk-
recht steht, dass sie aber in A nach der Glasfläche hin, in B
von ihr weg gerichtet ist. Es wird dann an der Stelle A
positives Mennigepulver, in B negatives Schwefelpulver an-
gezogen werden. Ziehen wir auf der Glasoberfläche irgend
eine Linie, welche die Punkte A und B verbindet. Die Stetig-
keit des Ueberganges erfordert dann, dass auf dieser Linie
zwischen A und B ein Punkt C sich finde, in welchem die
Kraft K der Oberfläche parallel wird. Der Punkt C liegt auf
alle Fälle in dem von Staub freien Gebiet. In C ist dF/dn^=^0\
wenn also ausserdem dF/dn^ = 0 ist, so wird auch a gleich
Null, d. h. es verschwindet in diesem Punkte die Summe der
äusseren und der inneren Oberflächendichtigkeit.
Die Bestäubungsversuche, über welche im Folgenden be-
richtet werden soll, beziehen sich auf Röhren, welche so weit
evacuirt waren, dass der Kathode gegenüber auf der Glaswand
ein heller Fluorescenzfleck entstand. Die Versuche wurden so
ausgeführt, dass der Strom einer Toep 1er 'sehen Influenz-
maschine mit 40 Plattenpaaren in einem bestimmten Moment
durch die zu untersuchende Röhre geschlossen wurde. Nach
einer bestimmten Zahl von Secunden wurde mit der Bestäubung
begonnen; während der Strom weiter durch die Röhre ging,
wurde so lange bestäubt, bis eine deutliche Figur auf der
Glasoberfläche hergestellt war. Da es nicht gelang, den Staub
hinreichend regelmässig aus dem Bestäuber fallen zu lassen,
Vertheilung von freier Mektricität 791
80 war die Bestäubungsdauer bei verschiedenen Versuchen
nicht dieselbe. Die Versuche waren lästig, weil zu der Be-
stäubung der ausgedehnten Objecte eine ziemliche Menge von
Staub noth wendig war. Bei den Versuchen war entweder die
Kathode oder die Anode zu der Erde abgeleitet. Nach dem
Versuche wurde der nur mechanisch haftende Staub durch
Abklopfen entfernt. Die Bestäubungsfigur wurde mit Hülfe
einer Projectionslampe nachgezeichnet und meist auch photo-
graphirt. Für die Anfertigung der Photographien bin ich
Hrn. Dr. H. Th. Simon zu Dank verpflichtet.
Da die Bestäubung immer einige Zeit in Anspruch nahm,
und da die verschiedenen Theile einer Röhre nicht gleichzeitig
und gleichmässig von dem Staube getroffen wurden, so ist es
möglich, dass durch die Bestäubung selbst eine gewisse Ver-
änderung in der elektrischen Ladung erzeugt wird; die durch
die Bestäubung angezeigte Vertheilung der Elektricität darf
also nicht ohne weiteres als identisch mit derjenigen betrachtet
werden, welche auf der unbestäubten Röhre vorhanden war.
Zum Theil mögen die Verschiedenheiten, welche bei wieder-
holten Bestäubungsversuchen mit derselben Röhre und unter
sonst gleichen Umständen sich einstellten, hiermit zusammen-
hängen.
2. Am ausführlichsten habe ich eine kugelförmige Röhre
untersucht, welche zur Demonstration der durch die Kathoden-
strahlen erzeugten Fluorescenz diente. Das Entladungspotential
betrug 4250 Volt. Der Durchmesser des kugelförmigen Theiles
der Röhre betrug 10,5 cm; der Durchmesser der ebenen Kathode,
welche in einem seitlichen Ansätze eingeschmolzen war, betrug
2,4 cm; die Länge der drahtförmigen Anode, welche gleich-
falls in einem seitlichen Ansatzrohre sich befand, 2,5 cm. Die
Anode bildete mit ihrer Verlängerung einen Durchmesser des
kugelförmigen Röhrentheiles; in der zu diesem Durchmesser
senkrechten Aequatorialebene lag der Mittelpunkt der Kathode;
ihre Fläche stand zu dem nach dem Mittelpunkt gehenden
Radiusvector senkrecht.
Von dem Erfolg der Bestäubung geben die Figg. 1 — 4
ein Bild; sie sind dadurch entstanden, dass zuerst die Con-
turen der Photographien so gut wie möglich durchgezeichnet
wurden. In diesen Pausen wurden dann die fehlenden Einzel-
792
E. Jtiecke.
Leiten nachgetragen mit Hülfe der Zeichnungen, welche darch
Projection erhalten worden waren. Die Figuren sind nicht genas
vergleichbar, weil die Stellung der Röhre gegen den photo-
graphiBchen Apparat bei den verBcbiedenen Aufnahmen nicht
ganz dieselbe war
Bei den Versuchen deuen die Figg. 1 und 2 entsprachen,
war die Anode der Röhre zur Erde abgeleitet, bei den zu den
Figg 3 und 4 gehörenden Versuchen die Kathode. Bei Fig. 1
Pig 8 (U)
Fig. 4. (IV.
begann die Bestäubung 30 sec nach Stromschiusa und dauerte
120 sec Bei Fig 2 begann die Bestäubung 50 sec nach Strom-
schlusB und dauerte 60 sec. Bei Fig. 3 sind die entsprechenilen
Zeiten 10 sec und 30 sec, bei Fig. 4 50 sec und 70 sec
Die mit Mennige roth bestäubten Stellen sind horizontal
schraffirt, die Stärke der Bestäubung ist durch den Abstand
der Striche angedeutet, die mit Schwefel gelb bestäubten Stellen
sind vertical gestrichelt.
Gemeinsam iitt den vier Staubfiguren die folgende Eigen-
schaft. Der Eatbode gegenüber entsteht auf der Glasober-
fläche ein Ring, der den ausserhalb sich ausbreitenden gelben
Staub sehr scharf begrenzt; auf die gegen den Ring hin zu-
Vertheilung von freier Elektricität 793
nehmende gelbe Bestäubung folgt im Inneren des Ringes zu-
nächst eine von Staub frei Zone. Zieht man von dem Mittel-
punkt der Kugel Radien nach dem Ringe, so erhält man einen
Kegel, dessen Oeffnungswinkel im Mittel etwa 90® beträgt. Im
übrigen ist, wie von vornherein zu erwarten war, die Dauer
des Strom durchganges auf den Erfolg des Versuches von Ein-
fluss und ausserdem der Umstand, ob die Anode oder die
Kathode zur Erde abgeleitet ist Im ersteren Falle, bei ab-
geleiteter Anode, ist das Innere des Ringes in unregelmässiger
Weise mit rothem Pulver erfüllt, zwischen das nur wenige
schmale Streifen von gelbem Pulver eingelagert sind. Besonders
eigenthümlich sind die strahlen- oder keulenartigen rothen
Massen an der rechten Seite der Figur. Sie gewinnen an
Ausdehnung und Intensität, wenn der Strom länger durch die
Röhre geht. Bei Ableitung der Kathode finden sich im Inneren
des Ringes ausgedehnte Massen gelben Pulvers, welche zum
Theil durch schmale Brücken mit dem ausserhalb des Ringes
befindlichen gelben Staube zusammenhängen. Die Ausbreitung
des rothen Pulvers ist namentlich bei Fig. 3 eine kleine; die
eigenthümlichen rothen Strahlen, die bei den Figg. 1 und 2
vom rechten Rande auftreten, fehlen.
Der bei allen Figuren erscheinende Ring entspricht ziem-
lich genau der Grenze des Bereiches, über den sich die grüne
Fluorescenz des Glases ausbreitet.
Die auffallende Unregelmässigkeit, mit der sich der Staub
im Inneren des Ringes vertheilt, hat vielleicht in einer ungleich-
förmigen Beschafl'enheit der KathodeniJäche ihren Grund. Diese
Vermuthung wird besonders durch die Thatsache nahegelegt,
dass das Ansehen der Figuren während der Dauer der Be-
obachtungen eine Verändeiung erlitt. Leider habe ich von
den zuerst hergestellten Staubfiguren keine Photographien an-
gefertigt und keine Projectionen gezeichnet, sondern mich
darauf beschränkt, die erhaltenen Figuren aus freier Hand
nachzuzeichnen. Immerhin genügen die Zeichnungen, um eine
Veränderung der Figuren zu erkennen. Bei abgeleiteter Anode
war zu Anfang die rothc Bestäubung im Inneren des Ringes
durch eine mit vielen Lappen und Einbuchtungen versehene
Curve nach aussen abgegrenzt. Die Bestäubung war im Inneren
schwach und nahm nach aussen zu, sodass die äusseren Enden
N
794 E. Blecke.
der Lappen intensiv roth erschienen, ähnlich wie die keulen-
förmigen Strahlen auf den rechten Seiten der Figg. 1 und 2.
Die besonders in den Figg. 8 und 4 bei abgeleiteter Kathode
hervortretenden sichelförmigen Gebilde fehlten zu Anfang ganz:
sie sind vielleicht als die vergrösserten Bilder einer ähnUchen
geschwärzten Stelle aufzufassen, die sich auf der Kathode ge-
bildet hatte.
Die zeitliche Aufeinanderfolge der Versuche, welche den
Figg. 1 bis 4 entsprechen, ist durch die beigesetzten römischen
Zahlen gegeben. Zwischen den Figuren, welche bei abgeleiteter
Anode und bei abgeleiteter Kathode auftreten, scheint ein
gewisser Gegensatz zu bestehen. Es war namentlich bei den
Vorversuchen zu bemerken, dass Stellen, welche sich bei ab-
geleiteter Anode mit rothem Staub bedeckten, bei abgeleiteter
Kathode frei blieben und umgekehrt. Bei späteren Beob-
achtungen trat dieser Gegensatz mehr zurück, bei den Figg. 1
bis 4 ist er kaum noch zu bemerken.
Die Kathode lag etwas im Inneren des kugelförmigen
Röhren theiles; etwas hinter ihrer Fläche erschien auf der Ober-
fläche des Glases ein feiner intensiv rother Ring; die den Zu-
leitungsdraht zur Kathode enthaltende Ansatzröhre bedeckte
sich mit rotbem Staube.
Bei einem Theile der Versuche erschien auf dem die
Anode umschliessenden Röhrenansatz ein feiner, gelber Streifen
parallel dem Anodendraht; der Streifen lief, sich allmählich
verbreiternd, nach dem Ringe hin, welcher die der Kathode
gegenüberliegende Staubflgur umgiebt. Ich vermuthe, dass
dieser Streifen im Zusammenhang steht mit einem weissen
Lichtbande, das von der Anode nach dem von den Kathoden-
strahlen getroffenen Flecke hingeht. Die von den Kathoden-
strablen negativ geladenen Theile der Glaswand wirken wie
eine secundäre Kathode; zwischen ihnen und zwischen der
Anode findet ein Ausgleich der Elektricitäten statt, dessen
Bahn durch jenen Lichtstreif angezeigt wird.
3. Birnförmige Böntgenröhre, Die Röhre war als solche
wenig wirksam; ihre Länge betrug 24 cm, der Durchmesser
der Kathode 2,4 cm. Bei abgeleiteter Kathode treten keine
besonderen Erscheinungen auf; die Röhre bedeckte sich ziem-
lich gleichmässig mit Schwefelpulver, nur gegenüber der Kathode
Fertheilunff von freier Elektricität,
795
Fig. 5.
auf dem abgeplatteten Theile der Glaswand erschien ein rother,
negativ elektrischer Fleck, von nahezu kreisförmiger Gestalt.
Zu beiden Seiten der Kathode blieb auf der Oberfläche des
Glases ein ziemlich breiter Eing von Staub frei. Hinter der
Fläche der Kathode bedeckte sich das spitze Ende der Röhre
mit Mennigepulver. Diese rothe Zone erstreckte sich an-
scheinend eben so weit, als die Fluorescenz, welche durch die
von dem Träger der Kathode seitlich ausgesandten Strahlen
erregt wurde. (Vgl. in
Fig. 5 die horizontal ge-
strichelte Partie hinter
der Kathode.)
Wurde die Anode
abgeleitet, so trat in der
Vertheilung des gelben
Staubes eine sehr eigen-
thümliche Veränderung
ein, welche durch die
Figg. 5 und 6 anschau-
lich gemacht wird. Die
Figuren sind in der-
selben Weise entstan-
den, wie die zuvor er-
wähnten. Auf dem vor
der Kathode liegenden
Theile der Röhre bildet der Schwefelstaub einen geschlossenen
Ring. Seine Mittellinie erhält man, wenn man die Röhre durch
eine gegen ihre Axe geneigte Ebene schneidet. Von dem Punkte
des Ringes, welcher der als Halter dienenden Ansatzröhre am
nächsten liegt, zieht sich ein gelbes Band nach dieser und
nach der Anode. Ausserdem aber ziehen sich Bänder gelben
Staubes nach dem auf der Endfläche der Röhre sich bildenden
negativen Fleck. Bei Fig. 5 ist nur ein einziges solches Band
vorhanden, sein Ursprung liegt in der Ansatzröhre; bei Fig. 6
sind mehrere Bänder zu sehen, welche von der Anode aus-
gehen. In Fig. 5 erscheint das Band in unsymmetrischer Weise
auf die Seite geschoben, in Fig. 6 ist der Verlauf ein ziemlich
symmetrischer. Auch hier liegt es nahe anzunehmen, dass
die nach dem FluorescenzÜeck hingehenden Bänder Strömungen
Fig. 6.
796
E. Rücke.
entsprechen, in welchen sich die neg&tive Ladung des Flnore»-
cenzfleckes mit der positiven Ladung der Anode ansgleicbt
4. Schattenkreuzröhre. Die Länge der Bohre betrug 22 cm,
der Darchmesser der Kathode 1 cm. Beinabe alle Versuche
wurden mit niedergelegtem Kreuze ansgeiUhrt. Die ResdI&te
werden durch die Figg. 7 — 9 erläutert. Bei den Versuchen,
welche die Figg. 7 und 8 lieferten, war die Anode zur Erde
Flg. 8.
Fig. 10.
abgeleitet, bei dem der Fig. 9 entsprechenden Versuche die
Kathode. Bei dem Versuche von Fig. 7 begann die Bestäu-
bung 30 sec nach Stromscbluss und dauerte 60 sec; bei den
Versuchen der Figg. 8 und 9 sind die entsprechenden Zeiten
40 sec und 80 sec.
Am einfachsten sind die Verhältnisse von Fig. 7. Dem
Rande der Kathode entspricht ein durch eine stärkere An-
häufung rothen Pulvers gebildeter King. Innerhalb dieses
Ringes tindet sich kein Schwefelpulver. Der Ring selbst ist
in seiner unteren H&lfte unterbrochen durch den Schatten des
Vertheilung von freier JBlektricität 797
Kreuzes. In der Ebene des Kreuzes zieht sich durch den
Ring ein intensiv rother Streifen; dieser scheint durch Strahlen
erzeugt, die an dem Kreuze eine Art von streifender Reflexion
erlitten haben. In den Ring ragt hinein der ungemein scharf
begrenzte Schatten des Drahtes, von welchem das Kreuz ge-
tragen wird. Das Innere des Schattens ist von Staub ganz
frei, der Saum des Schattens wird von einer scharf begrenzten
rothen Linie gebildet. In der Mitte des Ringes befindet sich
eine eigen thümliche rothe Figur, aus einer Sichel und einem
kleinen Kreise zusammengesetzt.
Die Bestäubungsfigur 8 unterscheidet sich von Fig. 7
wesentlich dadurch, dass Theile der Figur, die in Fig. 7 von
Staub ganz frei geblieben waren, in Fig. 8 mit Schwefelpulver
bedeckt sind. So ist insbesondere der Schatten des Drahtes,
von dem das Kreuz getragen wird, nicht von Staub frei, sondern
durch seine Mitte zieht sich ein scharfer gelber Strich; das
rothe Band, welches von den an dem Kreuze streifend reflec-
tirten Strahlen gebildet wird, ist schwächer; in dem darunter
liegenden Schatten des Kreuzes befindet sich ein Streifen von
Schwefelpulver, welcher auf beiden Seiten mit der ausserhalb
des Ringes liegenden, gelb bestäubten Glasfläche zusammen-
hängt; der unter der Fläche des Kreuzes liegende Theil des
rothen Ringes ist nur angedeutet durch kleine rothe Stellen.
Diese liegen in der Mitte staubfreier Flächen, die dadurch
entstanden sind, dass der zuvor erwähnte gelbe Streifen mit
der äusseren Bestäubung durch schmale Brücken zusammen-
hängt. Fig. 9 unterscheidet sich von Fig. 8 höchstens da-
durch, dass die rothe Bestäubung noch mehr zurückgedrängt ist.
Bei aufgerichtetem Kreuze habe ich nur eine einzige Beob-
achtung gemacht mit abgeleiteter Kathode. Die ganze Be-
stäubungsfigur reducirte sich auf vier scharfbegrenzte, pfeil-
artige Mennigeflecken in den einspringenden Winkeln des
Kreuzschattens.
5. Kugelförmige Röntgenröhre mit PlatinspiegeL Der Durch-
messer der Kugel betrug 9,5 cm, die Kathode hatte die Form
eines Hohlspiegels, dessen Randkreis einen Durchmesser von
3,2 cm besass. Der Kathode gegenüber lag der Platinspiegel ;
der ihn tragende Draht war in einen kleinen Ansatz der
Kugel eingeschmolzen und fiel zusammen mit der Axe der
798 E. Riech£.
Hohlspiegelkathode. Die Anode war durch eine ebene Alu-
miniumscheibe dargestellt, und lag seitlich in der durch die
Axe des Hohlspiegels und die Normale des Platinspiegels gehen-
den Ebene.
Die Anode war abgeleitet, der Spiegel isolirt. Die Be-
stäubung begann 30 sec nach Stromschluss und dauerte
90 sec. In der Bestäubungsfigur fällt vor allem eine von
Schwefelpulver erfüllte Fläche auf, deren Form dem Quer-
schnitt eines auf einem Uhrglase ruhenden Quecksilbertropfens
ähnelt. Diese Fläche grenzt nach aussen scharf an einen zu-
nächst staubfreien Baum ; in einigem Abstand folgt eine zweite
Grenzlinie, jenseits welcher die Glasfläche wieder mit Schwefel-
pulver bedeckt ist. Der von gelbem Staube freie Bing hat
auf der Seite des Spiegels eine grössere Breite als auf der
Seite der Kathode. Durch die Mitte dieses breiteren Theiles
zieht sich ein scharfer rother Strich. Die Lage des von gelbem
Staube freien Ringes kann durch die Annahme erklärt werden,
dass er von Randstrahlen der hohlspiegelformigen Kathode
erzeugt wird, welche an dem Platinspiegel in regelmässiger
Weise reflectirt worden sind. Weiter unten auf der Ober-
fläche der Röhre findet sich ein intensiv rother Streifen; er
liegt in der Ebene des Platinspiegels auf seiner von der Ka-
thode abgewandten Seite. Der Streifen liegt so, wie wenn er
von Kathodenstrahlen hervorgebracht wäre, die von dem Spiegel
streifend reflectirt wären. Der von dem Mennigepulver ge-
bildete Streifen ist umgeben von einer von Staub freien Zone;
in dieser wird durch die Glaswand hindurch die von hinten
in die Röhre eingeführte Anode sichtbar. Die staubfreie Zone
hängt auf der linken Seite mit dem früher besprochenen staub-
freien Ring zusammen. Im übrigen schiebt sich zwischen den
Ring und die Zone eine mit Schwefelstaub bedeckte Fläche;
hinter ihr liegt der Piatinspiegel, dessen Fläche gegen den
Zuleitungsdraht unter einem Winkel von etwa 45** geneigt ist
6. Die Resultate der mit den vier besprochenen Röhren er-
haltenen Versuche lassen sich in folgender Weise zusammenfassen.
a) Der Kathode gegenüber bildet sich auf der Wand des
Glases ein Ring, welcher den nach aussen hin sich verbrei-
tenden gelben Staub scharf begrenzt. Der Ring fällt etwa
an die Grenze des hell üuorescirenden Theiles der Glaswand.
Vertheilung von freier Elektricität 799
b) Nur innerhalb dieses Ringes finden sich — von der
Eintrittsstelle der Kathode und dem Schnitte ihrer Fläche mit
der Glaswand abgesehen — rothe Stellen, d. h. solche, welche
das positiv elektrische Mennigepulver anziehen.
c) Die Vertheilung des rothen Pulvers im Inneren des
Ringes ist ungleichmässig, wahrscheinlich infolge der ungleich-
massigen Beschaffenheit der Eathodenfläche. Gegen den gelben
Ring hin ist der rothe Staub stets scharf begrenzt; die
zwischen dem rothen Staub und dem Ringe liegende Glas-
fläche ist von Staub ganz frei.
d) Zwischen die roth bestäubten Stellen im Inneren des
Ringes schieben sich, nach aussen hin, häufig gelb bestäubte
Stellen ein. Diese Stellen können sich der durch den Ring
begrenzten äusseren Bestäubung bis auf einen sehr kleinen
Abstand nähern, in der Regel tritt aber in dem schmalen Bande,
welches die äussere Bestäubung von inneren gelben Staubmassen
trennt, ein scharfer Streifen rothen Staubes auf.
e) Im Inneren des gelben Ringes überwiegt der rothe
Staub bei abgeleiteter Anode; aber auch bei abgeleiteter Ka-
thode nimmt die Menge des rothen Staubes mit der Strom-
dauer zu.
f) Verlängert man die Kathodenebene bis zum Schnitt
mit der Glasfläche, so bildet die Schnittlinie die Axe eines
etwa 1 cm breiten Ringes, der von Staub beinahe ganz frei
ist. Von der Eintrittsstelle des die Kathode tragenden Drahtes
bis zu diesem Ringe bedeckt sich das Glas mit rothem Staube.
In dem Ringe selbst tritt meist noch eine feine, in sich ge-
schlossene rothe Linie auf, welche von Randstrahlen der Ka-
thode erzeugt wird.
g) Bei abgeleiteter Anode bildet der Schwefelstaub an
der Oberfläche des Glases scharf begrenzte Bänder, welche
von der Anode einerseits nach der Kathode, andererseits nach
dem ihr gegenüber auf der Glaswand entstehenden negativen
Fleck hingehen. Es liegt nahe, diese Bänder mit Strömungen
in Verbindung zu bringen, durch welche die Elektricität der
Anode mit den entgegengesetzten Elektricitäten der Kathode
und des Fluorescenzfleckes sich ausgleicht, der letztere würde
dabei die Rolle einer zweiten Kathode spielen.
800 E, Rieche. Fertheilung von freier Elehtricüät
h) Metalldrähte und Bleche, welche in den Weg der Ka-
thodeustrahlen gestellt werden, geben auf der von den Strahlen
getroffenen Glaswand elektrische Schatten, welche von scharf
begrenzten Streifen rothen Staubes umgeben sind; der Schatten
bleibt entweder ganz frei von Staub, oder er bedeckt sich in
der Mitte mit Schwefelstaub.
i) Wenn ein Metallblech von Kathodenstrahlen getroffen
wird, 80 entsteht auf der Glaswand und zwar auf der von der
Kathode abgewandten Seite eine intensiv rothe Linie von etwa
1 mm Breite; ihre Länge entspricht dem Durchmesser des
Bleches. Die Sache verhält sich so, wie wenn von der Ka-
thode ausgehende Strahlen von dem Bleche streifend reflectirt
worden wären.
k) Ein von Kathodenstrahlen getroffenes isolirtes Metall-
blech erzeugt aber ausserdem auf der gegenüberliegenden Glas-
wand einen Ring von derselben Art, wie er bei einer gewöhn-
lichen Röhre der Kathode gegenüber auftritt. Die Lage des
Ringes macht es wahrscheinlich, dass er durch eine regel-
mässige Reflexion der Kathodenstrahlen an der Oberfläche des
Spiegels erzeugt wird.
(Eingegangen 13. October 1899.)
6. Nachweis der in den Olasthränen
vorhandenen i/nneren Spannungen mit Hülfe des
polarisirten Lichtes, ei/n Vorlesungsversuch;
von K. Mack.
Dass rasch gekühlte Glasplatten infolge innerer Span-
nungen die Eigenschaft der Doppelbrechung besitzen, und
dementsprechend Farbenerscheinungen im polarisirten Licht
zeigen, pflegt in den Vorlesungen über Optik mittels Pro-
jection nachgewiesen zu werden. Der Planparallelismus dieser
Glaspräparate gestattet, dass die Projection in derselben Weise
ausgeführt werden kann, wie bei Krystallplättchen , die von
parallelen, senkrecht auffallenden Strahlen durchsetzt werden.
Es liegt nahe, bei denjenigen Glaspräparaten, die durch die
Stärke ihrer inneren Spannungen besonders berühmt sind,
nämlich den Glasthränen oder Bologneser Tropfen, ebenfalls
auf optischem Wege das Vorhandensein dieser Spannungen
zu veranschaulichen. Bei der Ausführung dieses Gedankens
stösst man indessen zunächst auf die Schwierigkeit, dass in-
folge des mangelnden Planparallelismus der Begrenzungsflächen
der Glasthräne die die letztere treflfenden Lichtstrahlen sämmt-
lich zur Seite gelenkt werden, sodass das Projectionsbild der
Thräne als schwarzer Schattenriss sich darstellt. Diesem
üebelstande kann jedoch leicht dadurch abgeholfen werden,
dass die Glasthräne in ein kleines, mit planparallelen Wan-
dungen versehenes Glasgefäss gebracht wird, das eine Flüssig-
keit von demselben Brechungsexponenten enthält, wie ihn die
Glasthräne im Mittel besitzt.^) Unter diesen Umständen stellt
sich die Thräne in der Projection, wenn zunächst die Nicols
aus dem Gang der Strahlen ausgeschaltet werden, nicht mehr
als schwarze Silhouette, sondern als vollkommen durchsichtiger,
nahezu unsichtbarer, farbloser Körper dar, dessen Umrisse nur
ganz zart angedeutet sind, während die meistens in den Glas-
thränen eingeschlossenen kleinen Hohlräume als schwarze,
1) Die hierbei zu Grunde liegende Methode der Verbringung eines
zu untersuchenden durchsichtigen Körpers in ein flüssiges Medium von
gleicher Brechbarkeit stammt von Biot (Memoire sur la Polarisation
lamellaire p. 586 u. 688. 1841). Vgl. auch C. Klein, Sitzungsber. d. k.
Akad. d. Wissensch. zu Berlin, Math.-phjs. Klasse, p. 847. 1890, p. 91. 1895.
Ann. d. Phys. u. Chem. N. F. 69. 51
802 K. Mach.
scharfbegrenzte Flecken hervortreten. Werden jetzt die beiden
Nicola eingeschaltet, so ist das Bild der Glasthräne, am
schönsten bei gekreuzten Nicols, mit leuchtenden Farben be-
deckt, die, wie bei doppelbrechenden Erystallen oder rasch
gekühlten Glasplatten, an die Farben exotischer Schmetterlinge
oder von Pfauenfedern erinnern. In dieser Form eignet sich
der Versuch in hohem Maasse als Vorlesungsversuch.
Als diejenige Flüssigkeit, welche angenähert denselben
Brechungsexponenten wie die Glasthränen besitzt, empfiehlt
sich am meisten das Cedemholzöl. Ich habe diese Flüssigkeit
von der Firma E. Merck in Darmstadt in solcher Beschaffen-
heit erhalten, dass ich sie unmittelbar für die Versuche ver-
wenden konnte; alle Glastiiränen, die ich untersuchte, ver-
schwanden beim Eintauchen in die Flüssigkeit fast vollständig,
und nur jene kleinen in den Thränen enthaltenen Hohlräume
wiesen auf das Vorhandensein der Glaskörper hin. Statt Cedem-
holzöl kann man übrigens auch eine sehr leicht durch Pro-
biren herzustellende Mischung von Schwefelkohlenstoff und
Aethyläther benützen. Auch einer sehr concentrirten Lösung
von Chloralhydrat in Glycerin kann man denselben Brechungs-
exponenten geben, den die Glasthränen besitzen; bloss treten
in dieser sehr dicken Flüssigkeit bei der Projection leicht
Schlierenbildungen in der Umgebung der Glasthränen auf.
Die Projection lässt sich leicht sowohl in parallelem, als
auch in schwach convergentem polarisirtem Lichte ausführen.
Die entweder vom Heliostaten oder von einer Bogenlampe ge-
lieferten parallelen Lichtstrahlen treffen, wenn es sich um den
ersten der vorhin genannten Fälle handelt, zunächst eine
Sammellinse von grossem Durchmesser und 20 — 30 cm Brenn-
weite; in der Nähe des Brennpunktes befindet sich das polari-
sirende Nicol. Eine zweite ähnliche Linse macht die Strahlen
wieder parallel, die jetzt durch das die Flüssigkeit mit der
Glasthräne enthaltende Gefäss hindurchgehen. Die Glasthräne
wird mittels eines an ihrem dünnen Ende befestigten Fadens so
aufgehängt, dass sie ganz in die Flüssigkeit untertaucht Es folgt
eine dritte Convexlinse, die das Bild auf dem Projectionsschirm
entwirft; nahe ihrem Brennpunkt ist das analysirende Nicol an-
gebracht. Soll das Verhalten im schwach convergenten Licht
gezeigt werden, so geht man mit der Glasthräne zwischen den
Glastkränen, 803
Polarisator und die zweite Linse; statt der zweiten und dritten
Linse genügt dann bei entsprechender Verschiebung eine einzige.
Es empfiehlt sich, namentlich bei Benützung von Cedem-
holzöly die Dicke der die Glasthräne enthaltenden Flüssigkeits-
schicht möglichst gering zu wählen , um die Absorption des
Lichtes im Oel möglichst zu verkleinem. Ein Gefäss, in
welchem der Abstand der zwei planparallelen Glaswände
1 — 2 cm beträgt, genügt vollkommen.
Die Farbenerscheinuugen, die man im parallelen und im
schwach convergenten polarisirten Licht erhält, sind nicht er-
heblich verschieden. Der Rand der Glasthräne ist im all-
gemeinen nach innen von farbigen Streifen begleitet, welche
da, wo im Inneren Hohlräume sich befinden, Störungen er-
fahren. Diese Streifen drängen sich nach dem Schwanz der
Glasthräne immer mehr zusammen. Das dicke Ende der
letzteren erinnert an den Anblick, den eine senkrecht zur
optischen Axe geschnittene Platte eines einaxigen Krystalles
im convergenten Licht darbietet. Insbesondere nimmt man
meistens bei gekreuzten Nicols ein schwarzes, bei parallelen
ein weisses Kreuz wahr. Bei vereinzelten Exemplaren habe
ich auch bei entsprechender Stellung der Nicols schwarze
Hyperbeln erhalten. Diejenigen Glasthränen, in welchen die
Anordnung der Hohlräume eine einigermaassen regelmässige
ist, zeigen auch die farbigen Streifen am regelmässigsten.
Selbstverständlich können die Farbenerscheinungen auch
subjectiv in einem gewöhnlichen Polarisationsapparat beobachtet
werden. Ist die Axe des letzteren vertical, so legt man die
Glasthräne in ein Glasgefäss mit ebenem Boden und übergiesst
sie mit einer Schicht von Cedernholzöl.
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass eine genauere Unter-
suchung dieser Farbenerscheinungen Schlüsse auf die molecu-
laren Verhältnisse und den Charakter der Spannungeu im Inneren
der Glasthränen ziehen, und sich zur Prüfung bez. Verification
der in dieser Hinsicht aufgestellten Theorien^) verwenden Hesse.
Hohenheim, im October 1899.
1) Vgl. L. Dufour, Compt. Rend. 68. p. 398. 1869 und Pogg. Ann.
137. p. 640. 1889; De Luynes, Ann. de chim. et de phys. 30. p. 229.1873.
(Eingegangen 17. October 1899.)
51*
7. Ueber longitudi/nale Töne van Kautschukfäden;
von Viktor v. Lang.
(Aus den Sitznngsber. d. k. Akad. d. Wissenscfa. zu Wien. Mathem.-natarw.
Klasse; Bd. GVIII. Abth. IIa. Juli 1899.)
Ich habe vor nicht langer Zeit Bestimmungen der Trans-
versaltöne von Kautschukfäden mitgetheilt. ^) Es waren da-
mals an diesen Fäden auch schon einzelne Bestimmungen ihrer
longitudinalen Töne vorgenommen worden, dieselben erwiesen
sich aber als zu unvollständig, um veröffentlicht zu werden.
Ich habe daher diese Versuche später noch fortgesetzt und
bin, obwohl anfangs die Sache Schwierigkeiten hatte, doch zu
ziemlich übereinstimmenden Resultaten gelangt.
Als Material für diese Versuche dienten hauptsächlich
Stücke von einem ähnlichen Faden mit quadratischem Quer-
schnitte (1,5 mm Seitenlänge), wie er schon zur Bestimmung
der Transversaltöne verwendet worden war. Auch war die
Versuchsanordnung dieselbe wie früher, nur dass der Faden
durch Streichen mit dem nassen Finger ins Tönen gebracht
wurde. Während einer Versuchsreihe wurde wieder der Faden
niemals entlastet und dann immer zu grösseren Belastungen
fortgeschritten. Uebereinstimmende Resultate wurden aber
nur erhalten, wenn dem Faden nach jeder Erhöhung der Be-
lastung viele Stunden Zeit zur Ausfädelung gelassen wurde.
Je nach der Grösse der Belastung waren so 6 — 24 Stunden
nöthig, damit die Beobachtungen keine wesentlichen Aende-
rungen mehr zeigten.
Es wurde nun jedesmal der transversale Ton {n) und der
longitudinale (wj) am Monochord bestimmt. Die Bestimmung
des letzteren war freilich bei niederer Spannung sehr schwierig,
da dann kaum ein ordentlicher Ton zu hören ist. Auch sonst
kann man leicht Täuschungen ausgesetzt sein über die richtige
Octave und ob man es nicht mit einem Obertone zu thun hat.
1) V. V. Lang, Sitznngsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien,
Abth. IIa, 107. p. 1041. 1898; Wied. Ann. 68. p. 335. 1899.
LongitudiTuile Kne von Kautschukfäden. 805
Das Verhältniss n^/n der beiden Töne ist natürlich durch das
Verhältniss der am Monochord bestimmten Längen gegeben
und wenigstens von Fehlern, welche die Tonbestimmung der
Monochordsaite betreffen, frei. Ich gebe nun die beobachteten
Werthe dieses Verhältnisses für sechs Stücke des quadratischen
Fadens, wie sie für verschiedene Belastungen S ermittelt
wurden.
Fadenlänge in Millimeter
o
nJn
Mittel
s
50
56
62
64
68
76
70 g
1,51
—
1,51
1,47
—
1,50
100
1,26
1,36
1,48
—
—
1,37
140
1,50
1,46
1,44
1,46
1,62
1,50
190
—
2,06
1,75
1.98
—
—
1,98
240
2,87
—
2,84
2,89
2,93
2,83
2,87
340
8,36
—
—
—
3,26
3,31
440
3,72
—
—
—
3,70
3,71
540
3,69
—
—
3,89
3,79
640
3,80
—
—
—
—
3,80
740
3,91
—
—
—
—
3,91
Aus dieser Tabelle geht wohl unzweifelhaft hervor, dass
das Verhältniss n^/n unabhängig von der Länge des Fadens
ist, wenigstens innerhalb der Grenzen dieser Untersuchung.
Bemerkens werth ist das Minimum bei 100 g Belastung; es ist
dies die Stelle, wo der Transversalton ein relatives Maximum
hat, wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht, welche die
beobachteten Längen (/) und Transversaltöne (n) gleich in
Mittelwerthen fiir eine anfängliche Länge von 100 mm giebt.
s
/
n
n'
n—n'
og
100 mm
—
—
70
177
75,5
76,6
-1,1
100
232
78,2
77,9
+ 0,3
140
327
76,5
76,7
-0,2
190
461
75,4
74,7
+ 0,7
240
563
75,2
75,1
+ 0,1
840
651
82,6
82,2
+ 0,4
440
697
89,3
89,5
-0,2
540
735
96,1
96,0
+ 0,1
640
764
102,5
102,1
+ 0,4
740
787
107,8
107,8
+ 0,0
806 V. V. Lang.
Die vierte Columne der vorhergehenden Tabelle giebt die
nach der empirischen Formel
„'= ll/^^,*^ = 112,43l/f +- "
2 (^ ö /+62 ' (^ /+62
41
62
berechneten Werthe der Transversaltöne. Das Gewicht des
Fadens (0,194 g für 100 mm Länge) war zwar dasselbe wie
das des ähnlichen Fadens, der zu den in der früheren Ab-
handlung angegebenen Beobachtungen gedient hatte ^ für die
Constanten der empirischen Formel mussten aber doch andere
Werthe gewählt werden, um die Differenzen n—n nicht zu
sehr anwachsen zu lassen. Der Grund hiervon mag darin
liegen, dass die beiden Fäden zwar von derselben Quelle, aber
zu verschiedenen Zeiten bezogen wurden. Auch war die Tem-
peratur bei beiden Beobachtungsreihen nicht dieselbe.
Was nun den theoretischen Werth des Verhältnisses n^/n
betrifft, so hat man nach der Taylor 'sehen Formel für n und
mit demselben Grade der Annäherung für n^
1 .fE i , Aä"
99
WO B der Elasticitätscoefficient, p die Dichte und q der Quer-
schnitt des Fadens ist. Hieraus würde
n Y S
S
folgen. Versucht man nun, von der anfänglichen Länge (100 mm)
ausgehend mit den Zahlen der letzten Tabelle die Grösse g E
zu ermitteln und hiermit aus der letzten Formel das Verhält-
niss n^jn zu. rechnen, so erhält man eine ganz ungenügende
Darstellung der Beobachtungen.
Die üebereinstimmung wird dagegen recht gut, wenn man
durch besondere Versuche die Grösse q£ aus der Verlänge-
rung (A) ermittelt, die bei der gerade stattfindenden Belastung{5\
ohne Rücksicht auf diese, durch ein kleines Zulagegewicht a
hervorgebracht wird. Setzt man also
so wird
Longitudinale Time von Kautschukfaden. 807
Zugleich mit den Beobachtungen von /, n, n wurden
daher immer auch solche ausgeführt, welche die Ermittelung
von a und X betrafen. Hierzu wurde die Belastung G um
1 — 5 g vermehrt und die^ bewirkte Verlängerung des Fadens
mit dem Katbetometer gemessen. Das Zulagegewicht wurde
so klein gewählt, dass nach dessen Entfernung der Faden
genau auf die ursprüngliche Länge zurückging. Die so er-
mittelten Werthe von Eq nehmen nach Vermehrung der Ge-
sammtbelastung anfangs nicht unbeträchtlich zu, nähern sich
aber einer bestimmten Grösse, die in der früher angegebenen
Zeit wohl meist erreicht worden sein dürfte.
Da die an den verschiedenen Fäden beobachteten Werthe
von X hinreichend übereinstimmen, gebe ich in der folgenden
Tabelle gleich die Mittel der auf die Länge von 100 mm und
rr = 1 g reducirten Werthe von h Die letzte Columne giebt
dann die mit diesen Zahlen nach der letzten Formel berech-
neten Werthe von n^jn,
l njn
1,30
1,12
1,14
1,94
2,85
3,45
8,81
8,85
8,96
4,00
Die Vergleichung der letzten Zahlenreihe mit den filiher
angegebenen, durch directe Beobachtung ermittelten Werthen
des Verhältnisses n^/n lehrt, dass, von der Belastung 190 g
angefangen, die Uebereinstimmung eine vollständige ist. Für
kleinere Belastungen bleiben die gerechneten Werthe allerdings
etwas hinter den beobachteten zurück, obwohl sie denselben
Gang zeigen. Die Uebereinstimmung ist am schlechtesten in
der Gegend, wo der Transversalton sein relatives Maximum hat.
Die vollkommene Uebereinstimmung bei höheren Be-
lastungen ist jedenfalls nicht uninteressant, besonders da dies
auch für andere Kautschukfäden zu gelten scheint, wie einige
70 g
1,492 mm
100
1,835
140
1,790
190
0,647
240
0,289
340
0,161
440
0,109
540
0,092
640
0,076
740
0,066
808 V, V, Lang. Longiiudinale Töne von Kautschukfaden,
Versuche an einem Stücke des runden B'adens lehren, welchen
ich auch schon in der früheren Mittheilung erwähnte. Ich fand
nämlich an dem Stücke, dessen anfängliche Länge 104 mm
betrug, bei 440 g Belastung nach 24 Stunden
/= 311 mm, «i/w= 1,67.
Die Vermehrung der Belastung um 5 g brachte eine Ver-
längerung von 1,35 mm hervor, woraus ftir das letzte Ver-
hältniss 1,62 folgt.
Nachdem die Belastung auf 640 g erhöht worden war,
wurde nach 24 Stunden
/= 397 mm, nj/n = 2,03.
Jetzt bewirkten 5 g Zulagegewicht eine Verlängerung von
0,77 mm, was den Werth 2,06 giebt.
Die Uebereinstimmung ist also auch hier eine vollständige.
(Eingegangen am 27. October 1899.)
8. Zur Thermodynamik; von K. Wesendonck.
Claus ius hat im Jahre 1867 in einem gemeinverständ-
lichen Vortrage ^) über den zweiten Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie die Hoffnung ausgesprochen, man werde diesen
bald ebenso einfach und natürlich finden wie den Satz
von der Erhaltung der Energie. Dieser Wunsch hat sich
nicht ganz erfiillt. Wenn auch die Mehrzahl der Forscher
den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik vollständig an-
erkennt, so hat es doch auch nicht an energischer Kritik der
ganzen Lehre wie einzelnen Theilen derselben gegenüber ge-
fehlt. Verfasser erlaubt sich in dem Folgenden, ohne auf Voll-
ständigkeit Anspruch erheben zu wollen , eine Reihe der hierbei
zu Tage getretenen Bifferenzpunkte zu besprechen und speciell
hinzuweisen auf die noch heute bestehende Berechtigung und
Geltung der Anschauungen von Clausius, wobei jedoch Beweise
aus der sogenannten kinetischen Wärmetheorie nicht berück-
sichtigt werden sollen.
Clausius ist sich des hypothetischen Charakters mancher
seiner Ausführungen bekanntlich stets bewusst gewesen, und
hat strenge zu scheiden gesucht zwischen dem, was er als ge-
sicherten Besitz der Wissenschaft ansah, und dem, was er nur
für wahrscheinlich hielt*), wie z. B. die kinetische Natur der
Wärme. Den zweiten Hauptsatz in seiner Anwendung auf
Kreisprocesse sah er allerdings als streng mathematisch be-
wiesen an'), soweit man seinen Grundsatz gelten lasse. Wir
wollen in Zukunft den berühmten Ausdruck
/
rfO-0
T "
einfach als die Claus ius 'sehe Ungleichung bezeichnen, sie
wurde von Clausius stets in den Fordergrund gestellt. Bertrand
1) Im Druck erschienen bei Vieweg&Sobn. Braunschweig 1868.
2) Vgl. E. Clausius, Ges. Abhandl. 1. p. 242—244, p. 309, p. 310,
Anm. 1. Vorrede p. VI. 1864; Mech. Wärmeth. 8. p. 1. 1889; Pogg. Ann.
142. p. 460. 1871.
3) 1. c. p. 243.
810 K, Wesendonck,
hingegen sah 1887 in seiner Thermodynamik eben dieses
Theorem weder als sicher noch als wahrscheinlich an, und
Hr. Karl Neumann^) findet 1891, dasselbe sei weder tod
Clausius noch von einem anderen Autor in deutlicher Weise
ausgesprochen worden. Doch folge aus den Clausius* sehen
Untersuchungen ein ganz bestimmter wichtiger Satz, den Hr.
Neumann aber mehr in Anlehnung an W. Thomson' sehe
Betrachtungen zu beweisen sucht. Poincar^*) hat bekanntlich
gegenüber Bertrand die von Clausius erhaltenen Ergebnisse
vertheidigt, durch Betrachtungen, die dessen Ausführungen
erheblich näher stehen, als die Neu man naschen, und während
dieser das Princip der Vermehrung der Entropie als sehr be-
denklich bezeichnet'), gelangt der französische Mathematiker
zu eben diesem durch Betrachtung eines Kreisprocesses, welche
Schlussweise tibereinstimmend auch von mehreren anderen
Forschern angewendet wird.*) Clausius selbst hat leider die
Lehre von der Entropie nicht eingehend erörtert, sondern mehr
nur angedeutet, es ist wohl dadurch hauptsächlich bedingt
worden, dass bis in die neueste Zeit in den Lehrbüchern,
selbst eingehenden Special werken , wie Bühlmann's Hand-
buch der mechanischen Wärmetheorie, nur so wenig ge-
nügende Auskunft über die Entropie zu finden war.^ Den
BegriflF der Entropie hat Clausius, nachdem er bereits zuvor
deren wesentliche Eigenschaften erkannt^, erst 1865 ein-
l)Karl Neumann, Leipziger Berichte, Math.-phjs. Klasse 1.
p. 76. 1891.
2) H. Poincar^, ThermodTnamik. Deutsch von Jäger u. Garn-
lieh 1893.
8) Karl Neumann, 1. c p. 135.
4) Vgl. z. B. G. Kirchhoff, Vorlesungen über Theorie d. Wärme.
Herausgegeben von M. Planck p. 69. 1894; A. Winkehnann, Htnd-
buch der Physik (11) 2. p. 436. 1896; P. Duhem, M^canique chimiqae
1. p. 83. 1897.
5) Vgl. P. Duhem, Mecanique chimique 1. p. 4. 1897, ferner
E. Buckingham, Phys. Rev. 4. p. 39. 1896.
6) R. Clausius, 1. c. 1« p. 150. 1854 wird nachgewiesen, d ^/Tmüflse
ein vollständiger Differential sein für umkehrbare Processe, 1. c. 2. p. 31
wird id QjT) = d S gesetzt und der Ausdruck
dQ
S
= *^%+J 2'
Thermodynamik . 811
geführt^), und zwar definirt er sie als Summe der Verwandlungs-
werthe des Wärmeinhaltes und der augenblicklich stattfindenden
Anordnung der Bestandtheile. Entsprechend erscheint die
Energie als Summe der Wärme und Werkinhaltes.^) Weiterhin ^)
wird dann die Lehre von der Vermehrung der Entropie eben nur
angedeutet; da eine vollständige Behandlung dieses Gegenstandes
nicht am Orte sein würde. ,,Der zweite Hauptsatz in der Gestalt,
welche ich ihm gegeben habe^^^ heisst es wörtlich, ^^sagt aus, dass
alle in der Natur vorkommenden Verwandlungen in einem gewissen
Sinne, welchen ich als den positiven angenommen habe, von selbst,
d, /i. ohne Compensation geschehen können, dass sie aber in entgegen-
gesetztem, also negativem Sinne nur in der IVeise stattfinden können,
dass sie durch gleichzeitige positive Verwandlungen compensirt
werden,^^ Daraus folge dann, das Weltall nähere sich ohne
ünterlass einem Grenzzustande, der sich durch die oben erwähnte
Entropie genannte Grösse einfach und bestimmt charakteri-
siren lasse. Die Betrachtung müsse aber noch auf strahlende
Wärme und auf solche Bewegungen, die nicht unter dem
Namen Wärme zu begreifen sind, ausgedehnt werden. Bei
Bewegung einer ponderablen Masse, wenn sie nur so gross ist,
dass ein Atom dagegen als verschwindend klein betrachtet
werden kann, sei der Verwandlungswerth alsdann verschwin-
dend klein gegen deren lebendige Kraft*), woraus folge, dass
abgeleitet; weiter dann (1. c. p. 40 u. 41 j wird gegeben (im wesentlichen
aber schon 1. c. 1. p. 163. 1856)
irr.
WO iV^O und irr. bedeutet, das Integral beziehe sich auf einen irre-
versibeln Vorgang.
1) 1. c. p, 34. Energie und Entropie werden maUiematisch behandelt
1. c. p. 35 ff. und Zusatz dazu.
2) Die Bedeutung von Werk erläutert Clausius, Ges. Abband! .
]. p. 283 und obengenannter Vortrag p. 15.
3) 1. c. p. 42 ff.
4) Der Sinn dieser Angaben von Clausius ist wohl der folgende:
Unter der absoluten Temperatur ist zu verstehen die mittlere lebendige
Kraft der kleinsten, sieb selbstständig bewegenden Körpertbeilchen.
Wenn ein solches und eine bewegte endliche Masse gleiche Temperatur
haben sollen, so müssen beide gleiche kinetische Energie besitzen und das
ergebe einen enorm hohen Wärmegrad, der alsdann ja in den Nenner
des Verwandlungswerthes der Massenbewegung käme.
812 K, Wesendonck.
bei Umsatz der Bewegung in Wärme durch passive Wider-
stände der Aequivalenzwerth der dabei eintretenden uncom-
pensirten Verwandlung einfach durch den Verwandlungswerth
der erzeugten Wärme dargestellt werde. Die lebendige Kraft
trägt also direct so gut wie nichts zur Entropie bei, und auch
die Ungleichung gilt noch, wenn auch das betreffende System
nicht immer in Buhe befindlich ist, während der Kreisprocess
ausgeführt wird. Hierüber war sich Clausius jedenfalls klar^
was Hrn. Duhem^) gegenüber bemerkt sein möge. Der Ver-
wandlungswerth der Massenbewegung ist hiernach nicht völlig
gleich NuU^, es lässt sich ja nach Verfassers Ansicht auch
nicht von vornherein behaupten, dass mechanische Vorgänge
vollständig reversibel sind, auch abgesehen von passiven Wider-
ständen. Alle mechanischen Systeme sind ja doch nur Theile
grössei'er solcher, mit denen sie schon durch sogenannte Fem-
wirkungen in Wechselwirkung stehen. Praktisch sind diese
Einflüsse aber wohl fast immer als verschwindend anzusehen.^)
Die strahlende Wärme hat Clausius nicht näher mehr be-
trachtet^), nur vorläufig wolle er angeben, dass bei richtiger
Berechnung der von ihm Entropie genannten Grösse für das
ganze Weltall, man zu dem Satze gelange, die Entropie des
Weltalls strebt einem Maximum zu.
Das hierin ausgesprochene Princip der Vermehrung der
Entropie gelangte zur weiteren Verbreitung in der Wissen-
schaft zunächst durch die geistreichen Anwendungen von
Horstmann ^), dann besonders die grossen so hervorragenden
Arbeiten vonGibbs^), der sich anscheinend direct an Clausius
anlehnt^), ferner seit 1879 durch Hrn. Planck, welcher in-
dessen bei der Herleitung anders als Clausius®) verfahren zu
1) P. Duhem, Leonville's Journal 10. p. 229. 1894.
2) Vgl. femer R. Clausius, Mech. Wärmetheorie 2. p.812— 314. 1879.
3) Vgl. M. Planck, Thermodynamik p. 77. § 113. 1897.
4) Abgesehen natürlich 1. c. 1. p. 322 und Pogg. Ann. 121. p. 1. 1864.
5) Vgl. insbesondere Liebig's Ann. 170. p. 192. 1873.
6) J. W. Gib bs,Thennodyn. Studien. Deutsch von Ostwald 1892.
7) Vgl. 1. c. p. 66 die beiden Sätze an der Spitze seiner grossen
Abhandlung.
8) M. Planck, Ueber den zweiten Hauptsatz, München 1879, ferner
Thermodynamik 1897. Der daselbst gegebene Beweis, die Entropie könne
nicht verkleinert werden, ohne entsprechende Veränderungen in anderen
Thermodynamik, 813
sollen glaubte, ohne dass indessen der nach Clausius sich
fast von selbst ergebende Begriff der Entropie als einer den
Zustand des betrachteten Systemes charakterisirenden Grösse
dadurch plausibler geworden sein dürfte.^) Bei Planck wird
derselbe mit einem Male für vollkommene Gase aufgestellt
und dann auf einigen Umwegen allgemein auf beliebige Körper
übertragen, die Entropie erscheint dabei wie eine von aussen
künstlich in die Betrachtungen hineingetragene Grösse. In
hohem Maasse fördernd und aufklärend für die Erkenntniss
der Bedeutung des zweiten Hauptsatzes in seinen Consequenzen
wirkten die klassischen Arbeiten von v. Helmholtz*), femer
kommen hier in Betracht die ausgedehnten Untersuchungen
von Hrn. Duhem seit dem Jahre 1886. Dieser Forscher
anerkennt zwar den zweiten Hauptsatz und seine Folgerungen,
auch das Princip der Vermehrung der Entropie, aber er sieht
die Betrachtungen^ von Clausius nicht als einen Beweis an,
meint vielmehr, die Grundlagen des ganzen Gebäudes bedürften
einer Revision.*) Von grossem Interesse erscheinen die ein-
gehenden Untersuchungen über umkehrbare Vorgänge, die als
continuirliche Folgen von Gleichgewichtszuständen aufgefasst
Körpern zaräckzulassen, erscheint nicht unbedingt plausibel, indem die
dabei nöthige isentropische Veränderung bedeutenden Arbeitsaufwand ver-
anlassen kann, sodass unter Umständen die betreffende periodisch func-
tionirende Maschine gar nicht Arbeit leistet, woraus ja der Widerspruch
mit Thomson's Grundsatz gefolgert wird. Femer muss eine isentropische
Aenderung immer als möglich vorausgesetzt werden, was doch nicht ohne
weiteres angenommen werden kann. (Thermodynamik p. 86 u. 93.) Fast
einfacher und einleuchtender dürfte es sein, grundsätzlich zu erklären, ein
von selbst verlaufender Process könne nicht ohne Compensation rückgängig
gemacht werden. Der Ausdruck d ü-\-pdv nach Planck für das Dif-
ferential der Entropie ist auch wohl zu eng, da doch überhaupt rever-
sibles Werk zu rechnen ist nicht nur p ,dv. Vgl. die Arbeiten von
V. Helmholtz, Duhem, Voigt, Buckingham.
1) Vgl. G. Helm, Energetik p. 193. 1898.
2) H. V. Helmholtz, Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu
Berlin vom 2. Februar und 27 Juli 1882, femer Verhandl. d. Phjsikal.
Gesellsch. zu Berlin 6. p. 98—101 u. p. 112—114. 1887, wo v. Helm-
holtz den zweiten Wärmesatz gegen Pictet vertheidigt
3) P. Duhem, M6c. chim. 1. p. 73. 1897.
4) P. Duhem, Journ. de math^m. pure et appl. (4) 8. p. 268.
18^2; (4) 9. p. 334. 1898; (4) 10. p. 203. 1894.
814 K, fFesendonck.
werden^) und über die Bedingungen, unter welchen man eine
beliebige Veränderung in eine reversible verwandeln kann, was
nicht immer zu erreichen sei.^ Kann man aber von einem
Zustande Ä zu einem zweiten B ein System durch umkehrbare
Veränderungen bringen, so zeigt Duhem durch ziemlich lang-
wierige Betrachtungen, dass dann mit grosser Allgemeinheit
gilt (nicht völlig allgemein), jedes Integral fdQjT hat den
selben Werth für jede solche reversible Transformation von
Ä nach B. Zum Beweise werden zwei Grundsätze verwendet,
die denen von Clausius und Thomson entsprechen. Die
sogenannten uncompensirten Verwandlungen erscheinen ledig-
lich als Folgen der Arbeit passiver Kräfte, ist sie Null, ist
das System ohne Fiscosität, so gilt auch für nicht umkehrbare
Ereisprocesse noch
/
-f ?- = 0
Zum Beweise der Clausius'schen Ungleichung muss aber
noch eine Annahme über die sogenannte wirksame Arbeit ein-
geführt werden. Diese kommt also zu den Grundsätzen hinzu,
was für die absolute Strenge von Duhem 's Beweis nicht
gerade spricht. Wie Verfasser scheinen will, wird mit Recht
die Clausius'sche Ungleichung als der allgemeinste Ausdruck
des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik angesehen.^) Das
Princip der Vermehrung der Entropie*) und seine Consequenzen,
ebenso wie die sogenannten thermodynamischen Functionen*)
ergeben sich ja aus jener Ungleichung, die für endliche, wie
unendliche kleine Processe besteht. Hr. Duhem glaubt femer,
für Erscheinungen, wie die der Reibung der sogenannten
falschen chemischen Gleichgewichte etc., die bisherige klassische
Thermodynamik erweitern zu sollen durch Einführung gewisser
Ungleichungen, wie sie in der Mechanik für die Probleme der
Reibung bereits bestehen.^) Ein System^ welches unter solchen
1) Die Umkehrung ist indessen nicht immer zulässige wie die
Hysteresis zeigt
2) Z. B. nicht bei unstationären Strömen und bei Elektrolyten, die
durch einen Strom zersetzt werden.
3) P. Duhem, M6c. chim. 1. p. 79. 1897.
4) Dazu müssen aber reversible Veränderungen möglich sein.
5) 1. c. p. 88 u. 83.
6) P. Duhem, M^c. chim. 1. p. 204, p. 209 f. 1897.
Thermodynamik, 815
Bedingungen einen Kreisprocess beschreibt j genügt aber immer
noch der Clausius'schen Ungleichung.
Wie bei V. Helm holt z die freie Energie, so tritt bei Hm.
Duhem^) das thermodynamische Potential in den Vordergrund,
bei Bürn. Planck dagegen das Princip der Vermehrung der
Entropie, als allgemeinster Ausdruck des zweiten Hauptsatzes,
die einzige Form, welche sich ohne jede Beschränkung für
jeden beliebigen endlichen Process aussprechen lasse. ^ Hr.
Nernst^ dagegen sieht die Zehre von der freien Energie bez.
der maximalen Arbeit für ebenso allgemein an, sie gelte für
constante Temperatur j die Vermehrung der Entropie für unver^
änderlichen Energieinhalt. Die gleiche Anschauung findet sich
auch bei einigen anderen Forschern*), während eine Anzahl
solcher annimmt, das Princip der Entropievermehrung bestehe,
sobald ein System lediglich gegen Wärmeaustausch nach aussen
hin abgeschlossen sei, sonstige Energie aber noch aufnehmen
könne. ^) Den hier zur Geltung kommenden Gegensatz ver-
schiedener Gelehrter hat Hx. Voigt etwas näher betrachtet.
Er nimmt lediglich als Resultat der Erfahrung an®), alle nicht
umkehrbaren Kreisprocesse könnten nur Arbeit in Wärme ver-
wandeln^, die daraus folgenden Schlüsse, wie z. B. der in Bezug
auf Vermehrung der Entropie, litten daher an einer gewissen
Unsicherheit.®) Eine hypothetische Erweiterung der Gleich-
gewichtsbedingungen der Mechanik führt zu der von N ernst
vertretenen Auffassung. ®)
Diese eine sichere Orientirung in der Thermodynamik
recht erschwerenden Meinungsverschiedenheiten bei hervor-
1) Leider ist hier eine eingehendere Darlegung von Duhcm's An-
sichten nicht angängig.
2) M. Planck, Thermodynamik p. 193. 1897.
3) W. Nernst, Theoretische Chemie p. 25 u. 29. 1898.
4) Vgl. z. B. P. Duhem, M6c. chim. 1. p. 83. 1897; A. Winkel-
mann, Handbuch der Physik (II) 2. p. 435. 1896.
5) Vgl. z. B. G. Kirchhoff, Vorlesungen über Wärme p. 70. 1894;
M. Planck, Thermodynamik p. 102. 1897.
6) W. Voigt, Compendium der theoretischen Physik 1. p. 508. 1896.
7) Dies scheint Verfasser nicht ohne weiteres identisch zu sein mit
/{d Q/T) < 0, sondern vielmehr mit fdQ<0,
8) 1. c. p. 547.
9) 1. c. p. 564 Q. 565, ein strenger Beweis ist das natürlich nicht.
816 K, Wesendonck,
ragenden Forschei*n, lassen es wenig wunderbar erscheinen,
wenn endlich die Frage gestellt wird, ob die Wärmelehre in ihrer
Entwickelung nicht besser einen anderen Verlauf genommeD,
als geschehen, wie das Hr. Wiedeburg^) andeutet. Der En-
tropiebegriff deckt sich nach diesem Forscher mit dem alten
Begriffe des Wärmeinhaltes, das Princip der Vermehrung*)
wird nicht anerkannt, vielmehr soll auch bei nicht umkehr-
baren adiabatischen Vorgängen die Entropie constant bleiben.
Hr. Helm^) meint denn auch, es könnte in der Clausius'schen
Formel
(II) N^S^8,^j
±9.
T
Ixr.
N zugleich mit den dQ verschwinden, S also constant bleibe»,
während man bekanntlich sonst schliesst S — S^ = iV > 0 in
diesem Falle. Andererseits hat sich der zweite Wärmesatz
und die Lehre von der Vermehrung der Entropie bewährt
bei den scharfsinnigen Untersuchungen der Herren Boltzmann^)
und Wien^) über strahlende Entropie, die Geltung hört nur
auf nach Hrn. Wien®), sobald man auf die einzelnen von der
Wärme erregten Schwingungen zu wirken vermag. Etwas
Aehnliches zeigt sich ja auch bei molecular-kinetischen Be-
trachtungen.
Hat sich denn nun Glausius wirklich so sehr geirrt,
wenn er seine berühmte Ungleichung als mathematisch be-
wiesen ansah, sind die Betrachtungen von Poincar6, Neu-
mann, Planck etc. wirklich so wenig beweiskräftig, oder sind
sie nur zum Theil zwingend, zum Theil aber der Ergänzung
bedürftig? Verfasser^) hat vor einiger Zeit geglaubt, darauf hin-
1) 0. Wiedeburg, Zekschr. f. phjeik. Chem. (1) 29. p. 27ff.
1899; Wied Ann. 61. p. 705—736. 1897; 62. p. 652—679. 1897; 64.
p. 519—548. 1898.
2) 1. c. p. 45.
3) G. Helm, Energetik p. 126 u. p. 318. 1898.
4) L. Boltzmann, Wied. Ann. 22. p. 291—294. 1884.
5) W. Wien, Wied. Ann. 49. p. 633—641. 1893; Sitzungsber. d. k.
Akad. d. Wissensch. zu Berlin p. 25—32. 1893; Wied. Ann. 62. p. 132—165.
1894.
6) W. Wien, Wied. Ann. 52. p. 151. 1894.
7) K. Wesendonck, Wied. Ann. 67. p. 444—451. 1899.
Tiiermodynamik, 817
weisen zu sollen, d'ass die Gl au sin s 'sehen Erörterungen noch
zu Becht bestehen und seine Auffassung der Verwandlungs-
werthe nicht aufzugeben sei. Die Art und Weise, wie in der
Abhandlung über eine veränderte Form des zweiten Haupt-
satzes, besonders wenn man die in verschiedenen Theilen
seiner verschiedenen Arbeiten verstreuten Bemerkungen von
Clausius beachtet, der Beweis geführt wird, erscheint sehr
allgemeiner Natur und ist z. B. von dem Verhalten des Druckes,
der Anzahl der Variablen ^), die zur Definition eines Zustandes
nöthig sind und dergleichen mehr, vollständig unabhängig.
Auch bedarf es der langwierigen Betrachtungen über die Mög-
lichkeit, mit den betreffenden Systemen umkehrbare Processe
vorzunehmen, ganz und garnicht. Die arbeitende Substanz
braucht ja keine selbst durchzumachen. Carnot'sche Pro-
cesse, und zwar solche einfacher Art, deren theoretische Mög-
lichkeit ja feststeht*), werden dazu herangezogen, um darzuthun,
wie man die betreffenden vorkommenden Verwandlungen wieder
rückgängig machen, bez. entgegengesetzte an ihre Stelle treten
lassen kann. So vermag man jede Wärmemenge Q bez. dQ
von einer bestimmten Temperatur T, die in mechanische Arbeit
verwandelt worden ist, aus mechanischer Arbeit auf diese Weise
wieder zu erzeugen und dafür eine gewisse Wärmemenge von
niederer Temperatur in solche von höherer zu verwandeln*), und
mutatis mutandis gilt Entsprechendes für den umgekehrten
Fall. Es ist nicht einmal direct nöthig für die Beweisführung,
dass die W^ärmereservoire , welche beim Kreisprocess benutzt
worden sind, selbst hierbei wieder zur Anwendung kommen, es
fragt sich nur, ob alle eingetretenen Wärmeübergänge compen-
sirt worden sind oder nicht und welches der Sinn der etwa
übrigbleibenden uncompensirten Verwandlungen ist. Es dürfte
vielleicht rathsam sein, hier einiges zu wiederholen, was sein
1) Diese Fragen spieleo bei Bertrand und Poincare eine Rolle.
2) Gegenüber den Ausführungen des Hrn. F. Wald (Zeitscbr. f.
phyß. Chem. 1. p. 408—415. 1887 und 2. p. 523—530. 1888) sei bervor-
geboben, dass Clausius genau wusste, dass die umkehrbaren Vorgänge
nur einen tbeoretiscb möglicben Grenzfall bilden; vgl. z. B. Abhdndl. 1.
p. 252. 1864.
3) leb gebe bier etwas näher auf diese Verhältnisse ein, da meine
Angaben 1. c. p. 448—449 vielleicht etwas zu knapp gebalten sind und
missverstanden werden könnten.
Ann. d. Phjt. u. Chem. N. F. 68. 52
818 K, H^'esendanck.
Begründer über den bekannten Grundsatz: ,\ Wärme kann nicht
von selbst yon einem kälteren zu einem wärmeren Körper
übergehen/^ ausgesagt hat, da eine mangelhafte Orientirung
über dessen Tragweite wohl mehrfach der Grund zu Hiss-
verständnissen des zweiten Wärmesatzes gewesen ist. Es
heisst da an einer Stelle^): Der Grundsatz solle nicht nur
für directe Wärmeübergänge gelten, sondern auch für alle
anderen Vorgänge, durch welche ein Wärmeübergang zwischen
Körpern verschiedener Temperatur veranlasst werden kann,
wobei hervorzuheben seien die Fälle, bei denen der Wärme-
austausch durch einen oder mehrere veränderliche Körper
vermittelt wird, welche bei ihren Zustandsänderungen bald
Wärme aus einem Körper aufnehmen, bald Wärme an eioen
anderen Körper abgeben. Dabei können entgegengesetzte
Wärmeübergänge, die bei demselben Processe vorkommeii,
sich gegenseitig compensiren. Ferner kann ein aufsteigender
Wärmeübergang (d. h. von kälteren zu wärmeren Körpern) von
einer bleibenden Veränderung begleitet sein, welche nicht
rückgängig gemacht werden kann, ohne entweder eine bleibende
Veränderung ähnlicher Art zu ergeben oder einen absteigenden
Wärmestrom zu veranlassen. Hierbei ist also der aufsteigende
Wärmestrom mittelbar mit einem absteigenden verbunden und
jene bleibende Veränderung kann als Gompensation angesehen
werden. Demnach würde aber alsdann sich ergeben, dass.
wenn bei einem Kreisprocesse einer der Ausdrücke
2 1 ^- 1'-? "^ m ■' ^- ISF?- ■
welche hier in Betracht kommen, einen positiven Werth er-
hielte, dies gleichbedeutend wäre mit aufsteigenden, uncom-
pensirten Wärmeströmen, die also wenigstens theoretisch durch
den Kreisprocess des arbeitenden Systems veranlasst werden
könnten.
Hiernach ist aber die Clausius^ sehe Ungleichung durch
ihres Urhebers Begründung so sicher bewiesen, als der Grund'
1) R. Cläusius, 1. c. 1. p. 134. Anm.
2) Die Summe, das einfache, das doppelte oder das dreifache Ii>te-
gral, kommen hier in Betracht, je nachdem durchweg gleiche Temperatur
herrscht oder Oberflächenelemente oder Körperelemente mit verschiedenen
Temperaturen in Rechnung zu ziehen sind.
Thermodynamik. 819
satz selbst es ist und bedarf keiner Hülfshypothese, wie bei
Buhem, Da bei den Betrachtungen nur die von aussen zu-
geführte Wärme zu rechnen ist, so spielt die lebendige Kraft,
welche das System etwa zu Zeiten besitzt, weiter gar keine
Rolle und gilt die Ungleichung, ob diese stets Null ist oder
nicht. Nur erscheint eine Beschränkung vorhanden, die aber
auch von Planck^) und Neumann ^ bei ihren Betrachtungen
über Ereisprocesse ausdrücklich angenommen werden. Es ist
nämlich immer nur von Wärmeübergängen und Verwandlungen
zwischen Wärme und mechanischer Arbeit die Rede und nicht
von solchen in andere Energieformen. Nun ist zuerst zu be-
denken, dass man alle Systeme, die andere als mechanische
Veränderungen erleiden, in den Kreisprocess mit einbeziehen
kann, dann wird nach aussen nur noch eventuell mechanische
Arbeit geleistet und der Satz ist dann in solcher Fassung
schon von sehr grosser Allgemeinheit. Aehnlichen Beschrän-
kungen unterliegt ja auch der Beweis von Poincarö^), die
Reservoire zusammen mit den veränderlichen Körpern müssen
dort ein isolirtes System bilden und erstere hängen in ihren
Zuständen nur von zwei Variablen ab. Man kann aber gewiss
auch mit Recht fragen, ob die Ungleichung noch gilt, wenn
anderes Werk gethan wird, als nur mechanisches. Nur muss
man alsdann streng darauf achten, dass das veränderliche
System, nachdem es einen Kreis durchlaufen, genau wieder im
Anfangszustande sich befinde. Denn es ist zu bedenken, dass
sein Zustand von dem der Umgebung vielfach abhängt, also
Aenderuugen dieser genau zu beachten sind. Man denke nur
an die Oberflächenenergie, au Deformationen durch sogenannte
Fernwirkungen, elektrische Verschiebungen etc., Einflüsse, die
unter Umständen wohl nicht vernachlässigt werden dürfen.
Anstatt in mechanische Arbeit, wird dann die überschüssige
Wärme in das entsprechende Werk verwandelt und es dürfte
vielleicht fraglich erscheinen, ob man noch immer einen Car-
not'sohen Process direct oder indirect finden kann, der die
betrefi'enden Wärmemengen aus der gewonnenen Energie wieder
erzeugt, zugleich mit einem aufsteigenden äquivalenten Wärme-
1) M. Planck, Thermodynamik p. 88. 1897.
2) Karl Neumann, 1. c. p. 77.
3) H. Poincar^, Thermodynamik p. 156. 189S.
52*
820 K. IVesendonck.
ström wie das der Beweis erfordert. Kann man die gewonnene
Energie vollständig (wenn auch nur theoretisch) oder fast toII-
ständig in mechanische Arbeit umwandeln, wie das z. B. bei
elektrischer Energie unter Verwendung yerschwindender Strom-
stärke möglich ist, so gelingt es natürlich, besagte Rückver-
wandlung zu erreichen. ISa genügt ja stets in allen solchen
Fällen, wenn diese nur soweit gelingt^ dass irgendwie uncom-
pensirte aufsteigende Wärmeströme schliesslich übrig bleiben.
Durch derartige Betrachtungen lässt sich also schon zeigen,
dass die Ungleichung für eine fast unbegrenzt grosse Zahl
von Forgängen gilt und es ist hiemach jedenfalls ein sehr
berechtigter H^ahrscheinlichkeitsschluss , anzunehmen, gleich der
Ferwandlung von ß^ärme in mechanische Arbeit sei eine solche
in eine äquivalente andere Energie ebenfalls eine negative Ver-
wandlung, die eine Compensation erfordert. Es dürfen alsdann
bei einem Kreisprocesse nicht schliesslich lauter solche mit netfa*
tiven Äequivalenzwerthen versehene Vorgänge als // irkung der
arbeitenden Substanz übrig bleiben. Wie weiterbin die ent-
standene Energie sich in Wirklichkeit umwandelt, kommt hier-
bei nicht in Betracht. Entstünde etwa auf diese Weise Wärme
von solcher Temperatur, dass man einen compensirendeu ab-
steigenden Wärmestrom erhalten könnte, so käme dies durch-
aus nicht in Rechnung, denn dies geschähe erst, nachdem der
Qesammtprocess ein Stadium durchgemacht, zu dem negative
Verwandlungen gehören, und ein solcher Zustand kann nach
dem Grundsatz überhaupt nicht erreicht werden. Erinnert
man sich des Ausspruches von Glausius, dessen wir oben
Erwähnung gethan haben, dem entsprechend die Summe aller
Verwandlungswerthe nie negativ sein kann, wenn keine Com-
pensation damit verbunden ist und bedenkt, dass bei einem
Kreisprocesse die vermittelnde Substanz nur Verwandlungen
von Wärme bewirkt^), da ja ihr Zustand am Ende des Processes
derselbe wie am Anfang ist, so kommt man zu dem gleichen
Resultate. Nur muss man die Wahl der Vorzeichen für die
Wärmemengen beachten. Qeht die Wärmemenge q von einem
Körper A'j von der Temperatur T^ zu einem solchen K^ von der
tieferen Temperatur T^ über, so ist der Verwandlungswerth
>
1) Man sehe die Auaführungen weiter unten.
Thermodynamik* 821
eines derartigen Vorganges bekanntlich ein positiver, nämlich
g I T^^q I T^, wenn man die dem K^ entzogene Wärmemenge q
von der Temperatur T^ negativ ansetzt und die von £^ auf-
genommene Wärmemenge von der Temperatur T^ dagegen
positiv rechnet. Man kann diesen Vorgang nach Clausius
auch als die Summe zweier Processe ansehen, eines positiven
q I T^ und eines negativen — q / Ty Wird nun aber ein solcher
Wärmeübergang von einem Wärmebehälter zu einem anderen
von niederer Temperatur durch eine arbeitende Substanz wie
bei einem Carnot'schen Process vermittelt, so gilt der posi-
tive Werth für einen solchen Process natürlich nur dann,
wenn man die von den Reservoiren aufgenommenen bez. ab-
gegebenen Wärmequantitäten positiv, bez. negativ rechnet.
Nimmt man aber eine von dem arbeitenden System auf-
genommene Wärmemenge positiv bez. eine abgegebene negativ,
so trifft obige Bestimmung des Vorzeichens des ganzen Pro-
cesses nicht mehr zu. Ist bei den isothermen Veränderungen,
die ja zu einem Carnot'schen Processe gehören, die Tempe-
ratur der Behälter und des Körpers die gleiche, so muss die
von dem höher temperirten Reservoire abgegebene Wärme-
menge jetzt als positiv verrechnet werden, dagegen die bei
einem anderen isothermen Vorgange an einen kälteren Wärme-
speicher überführte Wärmemenge das negative Zeichen er-
halten. Geht also, wie oben, auf diese Weise Wärme von £^
auf Ä'g über, so hat dieser Vorgang dfen Verwandlungswerth
q I T^ — q r^o ^°^ ^^ ^2 Weiner als T^ ist, so hat dieser
Ausdruck einen negativen Werth. Sagt man also bei ersterer
Annahme der Vorzeichen, dass die Summe aller in Betracht
kommenden Verwandlungswerthe eines Processes nicht negativ
sein könne, so müssen wir bei der anderen Bezeichnungsweise
nunmehr aussprechen, sie könne nicht positiv sein, und dies
führt dann also direct zu der Claus ins 'sehen Ungleichung.
Was nun die Grösse N, welche die uncompensirte Ver-
wandlung darstellt, anbetrifft, so hat Clausius allerdings nur
gezeigt^ sie könne nicht negativ sein, Sie ist nicht nothwendig
positiv, wenigstens nach den thermodynamischen Betrachtungen
allgemeiner Natur. Da auch nach manchen Stellen bei Clausius
es anders erscheinen könnte, sei ausser auf die Beweisführung
selbst noch auf eine Stelle hingewiesen, wo es ausdrücklich
822 K. Wesendonck.
heisst:^) Ist der Kreisprocess nicht umkehrbar, so brauchen
die Aequivalenzwerthe der positiven und negativen Verwand-
lungen nicht gleich zu sein, aber der Unterschied kann nur
in dem Sinne stattfinden, dass die positiven überwiegen. Nach
Duhem ist ja, wie bereits erwähnt, N=Q fär alle Kreis-
processe, die ohne Viscosität verlaufen, ob aber solche wirk-
lich vorkommen, ist nicht dargethan. In keiner Weise aber
ist nachgewiesen und nach Verfassers Ermessen auch nar
wahrscheinlich, dass für
^ dQ
I
= 0
T
irr.
bez. wenn alle dQ = 0 sind, auch N verschwindet. Bei den
vollkommenen Gasen ist es vielmehr längst bekannt, dass, wenn
bei ihnen adiabatische Vorgänge umkehrbar verlaufen, die
Entropie allerdings constant bleibt, dagegen stets wächst, wenn
irreversible adiabatische Processe vor sich gehen, sei es nun,
dass das Gas dabei Arbeit leistet, sei es, dass es welche er-
leidet, also die Energie keineswegs constant bleibt. ^ Zu einem
viel allgemeineren Resultate in dem gleichen Sinne gelangt
man durch Betrachtungen, ähnlich wie sie Clausius^) in seiner
Abhandlung über Erweiterung des zweiten Hauptsatzes an-
stellt, wobei wir zunächst von Complicationen des Processes,
wie chemische Umwandlungen infolge des veränderten Druckes
und Temperatur, absehen wollen. Sind Druck und Gegendruck
einer ihr Volumen adiabatisch ändernden Substanz einander
gleich und daher der Process umkehrbar, so ist er auch isen-
tropisch, wenn aber Ueber- oder Unterdruck zur Wirksam-
keit kommen und endliche Geschwindigkeiten auftreten, dann
wird, nachdem wieder Ruhe eingetreten, schon infolge der
dabei entstandenen Wärme die Temperatur des Körpers im
Endzustande eine höhere sein, als wenn er zu diesem isen-
tropisch gelangt ist, und sein Entropiewerth hat daher zu-
genommen. Ebenso in Fällen, wo durch elektrische Ströme,
1)R. Clausius, Abhandl. 1. p. 245. AusseFdem sind zu beachten
die weniger bestimmten Stellen, Abhandl. 1. p. 151 u. p. 163; Abhandl
2. p. 3.
2) R. Ritter, Ingenieur- Mechanik p. 512. 1885.
3) R. Clausius, 1. c. p. 273 u. 274.
Thermodynamik, 823
Beibung, Stoss und sonstige mechanische Vorgänge Wärme
erzeugt wird, wo durch Leitung oder Strahlung Wärmeaus-
tausch eintritt, überall da wird man mit Poincarö') bei einem
isolirten Systeme Zunahme der Entropie wohl in der bei weitem
überwiegenden Zahl der Fälle nachweisen können, denn nur
ganz ausnahmsweise wird etwa eine Volumen- oder sonstige
Aenderung die entropievermehrende Wirkung obengenannter
Vorgänge aufheben. Man kann also ruhiy, wie dies ja auch
Claus ins andeutet, N im allgemeinen als positiv ansehen und
zwar auch für adiabatische Processe und damit wird man auch
das Princip der Vermehrung der Entropie anerkennen müssen
und entsprechend natürlich die daraus folgenden Gleichgewichts-
bedingungen. Das Maximum der Entropie unter gegebenen
Umständen bestimmt immer eine Grenze für adiabatische Ver-
änderungen eines Systems, üebrigens giebt die bekannte oben
mit n bezeichnete Gleichung noch zu einigen weiteren Be-
merkungen Veranlassung, die Verfasser merkwürdigerweise
nirgends erwähnt gefunden hat. Sicher muss nämlich S ^ S^
grösser als 0 sein, sobald
^ dQ
I
f
irr.
positiv, selbst dann, wenn N verschwinden würde. Insbesondere
also gilt dies, wenn die Werthe aller dQ positiv sind, d. h.
wenn Wärme von dem System während der Veränderung nur
aufgenommen wird. Die Entropie kann constant bleiben oder
sogar abnehmen, wenn
T
irr.
negativ ist. Es lässt sich aber darüber nichts bestimmen, da
man von vornherein nicht weiss, wie grosse positive Werthe N
annehmen kann. Wenigstens ist keine nähere Angabe darüber
zu Verfassers Kenntniss gelangt. Auch bei ausschliesslichem
Wärmeverlust kann daher unter Umständen die Entropie eines
Systems noch wachsen. Die Unbestimmtheit des Werthes von A^
dürfte mit Becht als ein Hauptmangel der Thermodynamik an-
gesehen werden. Bei näherer Kenntniss derFactoren, welche zu
l) H. Poincare, 1. c. p. 103.
824 A*^ fFesendonck.
den uncompeBsirten Verwandlungen führen, ist es aber vielleicht
möglich, zu präciserer Einsicht zu gelangen.^)
Claus ins selbst hat bekanntlich seine Gleichungen nicht
direct dazu benutzt, um die Vermehrung der Entropie zu be-
weisen, wenn er auch durch seine Ausführungen nahelegt,
dies zu versuchen. Wer zuerst so verfahren, dass er schloss,
wenn
f
y =0,
Irr.
also insbesondere, wenn alle ^/Q = 0, d. h. wenn ein adiaba-
tischer Vorgang vorliegt, so ist S — 8^ = N, also grösser als
Null, also muss auch 8 grösser als 8^ sein, vermag Verfasser,
nicht anzugeben. Die Schlussweise ist, wie bereits früher ge-
sagt, von mehreren Autoren adoptirt worden. Eirchhoff
wie andere heben als Beschränkung für diesen Satz hervor,
dass er voraussetze, man könne jeden Zustand eines Systems
in umkehrbarer Weise erreichen, was allerdings a priori nicht
zu beweisen ist. Indessen ist auch hier zu bedenken, dass
nicht der wirkliche Vorgang, durch den ein gewisses System
in einen gewissen Zustand gebracht wird, in einen umkehr-
baren verwandelt zu werden braucht, was ja nach Duhem nicht
allgemein möglich ist. Es genügt mitHrn.Planck*) anzunehmen,
dass es nur gelingt, jedes Element des zu betrachtenden Kör-
pers in den Zustand, in dem es sich in dem Augenblicke,
für welchen die Entropie bestimmt werden soll, gerade be-
findet, auf irgend einem reversiblen Wege überzufuhren. Dies
gilt auch für einen, in seinen einzelnen Theilen uugleichmässig
bewegten wie temperirten Körper, was Hr. Planck mit Becht
1) Vielleicht ist es einer oben erwähnten Andeutung Duhem's
folgend möglich, in manchen Fällen A' aus der durch Viscofität ve^
brauchten Energie zu berechnen, wie man ja ähnlich auch die Jonle'-
sche Wärme ansehen kann. Aus dem so bestimmten N und dem etvi
aus Beobachtungen sich ergebenden
dQ
T
irr.
Hesse sich dann die Entropieänderung berechnen. Ob das allgemein mög-
lich, dürfte jedoch noch nicht zu bestimmen sein.
2) M. Planck, Thermodynamik p. 92. 1897.
/
Thermodynamik. 825
bemerkt. Clausius sprach es aus, in allen Fällen würde man
unter Gewinn oder Verbrauch von Arbeit die Verbindung oder
Trennung der StoflFe nach Willkür leiten können, wenn wir
die Mittel besässen, auf die einzelnen Atome beliebig einzu-
wirken und sie in jede beliebige Lage zu einander zu bringen.
Hierdurch wird allerdings nur auf die theoretische Möglich-
keit, umkehrbare Wege zu finden, hingewiesen, aberPoincar^^)
bemerkt, dass in Fällen, wo kein directer umkehrbarer Weg
aus dem Anfangs- in den Endzustand vorhanden sei, man in
den meisten, wenn nicht allen Fällen die Aenderung der En-
tropie mittels eines Hülfssatzes bestimmen könne und giebt
ein Beispiel für solches Verfahren. Sollte das nicht gelingen
für gewisse Processe, so könne man immer noch aus den
Integralen
irr.
eine untere Grenze für die Entropieänderung zu finden suchen,
da ja die bewussten Integrale alle kleiner sind als S — Sq,
Indessen, soweit reichend auch die Möglichkeit reversibler Pro-
cesse ist, die Clausius 'sehe Ungleichung bleibt insofern all-
gemeiner als das Princip der Entropie, als sie die Annahme der
unbeschränkten Möglichkeit umkehrbarer Wege gar nicht enthält.
Eine von Hrn. Planck eingeführte Erweiterung des
Begriflfes der Reversibilität scheint mir im Widerspruche zu
Hm. Helm^) einen Fortschritt zu bilden gegenüber den sonst
herrschenden Ansichten. Damach genügt es für einen Process,
um reversibel zu sein, dass es irgend ein Mittel giebt, den
Anfangszustand wieder vollständig herzustellen, ohne dass
sonstige Veränderungen eintreten. Eine directe Umkehr des
Processes ist nicht nöthig. Hätte man z. B. einen Ereisprocess,
der einen negativen Werth des fdQjT ergiebt, und liessen
sich die dabei eingetretenen Veränderungen (Wärmeübergänge,
Arbeitsverbrauch etc.) wieder vollständig rückgängig machen,
so hätte man nun einen zweiten Ereisprocess mit positivem
Aequivalenz werth, was ja ausgeschlossen ist. Es muss also
auch in diesem Falle der Kreisprocess den Werth 0 für das
Ij H. Poincar^, 1. c p. 163—165.
2) G. Helm, Energetik p. 194. 1898.
826 K, JFesendonck,
Integral f d^lT me bei der alten Definition der ümkehrbarkeit
ergeben, und ist der bezügliche Clausius'sche Beweis in
diesem Sinne zu ergänzen. Geht ein System aus einem Zu-
stande Ä in einen zweiten B über und lässt sich diese Ver-
änderung durch eine zweite vollständig rückgängig machen,
so bilden beide zusammen einen Kreisprocess^ dessen Aequi-
valenzwerth gleich Null, weil ja schliesslich gar keine Ver-
änderung mehr existirt. Es müssen dann alle Wege, die tou
Ä nach ß führen, denselben Verwandlungswerth ergeben, d. h.
der Werth für £ ist eindeutig bestimmt wie bei der Entropie.
Clausius hat sich bekanntlich in seinen Betrachtungen
nicht auf die Kreisprocesse beschränkt, sondern eine Er-
weiterung des zweiten Hauptsatzes versucht, die auch die
innere Arbeit berücksichtigt und ferner dazu dienen sollte,
das Theorem plausibler zu machen. Diese Betrachtungen
haben wohl nicht den Erfolg gehabt, den der Autor sich von
ihnen versprochen hat, aber sie verdienen dennoch auch nicht,
ganz in Vergessenheit zu gerathen, oder etwa gar lediglich
als ein Abweg angesehen zu werden.^) Die einem Körper
zugeführte Wärme dQ ist bekanntlich gleich dU+dH^, wo U
die innere Energie und ff^ das äussere Werk bezeichnet. Für
einen umkehrbaren Vorgang giebt dann
d U-^dW
r dQ^_ rdj[±i
J T ^J T
die Entropieänderung, d. h. {d U-\-d ^)IT ist ein vollständiges
Differential. Dieses formt nun Clausius um, indem er inneres
und äusseres Werk zusammenzieht, zu welchem Zwecke er dU
zerlegt in dH+dJ, wo / das gethane innere Werk bedeutet.
H die lediglich als Wärme in dem Körper vorhandene Energie
bezeichnet. Durch eine gewisse Annahme über die Fähigkeit
der Wärme Arbeit zu leisten, gelangt dann Clausius dazu,
die Grösse
dJ+dW jry
f- ~ = äZ
zu setzen und als ein vollständiges Differential anzusehen.
Z wird Disgregation genannt und ist als der Ausdruck der
Anordnungsänderung der Elemente des variablen Systems au-
1) G. Helm, 1. c. p. 120.
Thermodynamik, 827
zasehen^ welcher nur abhängig erscheint von dem Zustande,
in dem sich das System gerade befindet, nicht von dem Wege,
auf dem es dahin gelangt ist. Da flir einen umkehrbaren
Ereisprocess
dQ
f
y =0,
also nach obigen
und da fdZ=0 für einen Kreisprocess, so muss auch
sein, d.h. dB/T stellt ein vollständiges Diflferential dar. Daraus
folgert dann Clausius, dass der Wärmeinhalt H eines Körpers
nur von der Temperatur, nicht aber von der Anordnung der
Körperelemente abhängig sei. Der weiter sich ergebende Satz
von der Constanz der wahren Wärmecapacität ist meines
Wissens nicht direct widerlegt worden^), aber er hat in der
Erfahrung auch keine Bestätigung gefunden.^) Das liegt wohl
an der Unbestimmtheit der Begrifi'e Wärmeinhalt und innere
Arbeit, was Clausius indessen keineswegs entgangen ist, wie
er denn ja auch die obigen Folgerungen durchaus nicht als
streng bewiesen ansah. Das IVesentliche an der Sache scheint
dem Verfasser zu sein, dass die Betrachtungen von Clausius
auf eine Zerlegung des vollständigen Differentiale s der Entropie
dQjT in die Summe zweier anderer ebensolcher Grösseri heraus-
kommen, eine Aufgabe, die an sich ja ziemlich unbestimmt er-
scheint und eventuell auf verschiedene fFeise auszuführen ist.
Möglicherweise wird sich in Zukunft noch zeigen, dass eine
solche Zerlegung für die Darstellung mancher Torgänge zweck--
massig ist, und sind daher die Clausius'schen Betrachtungen
nicht ganz aus dem Auge zu verlieren. Clausius^) zeigt
dann weiter, dass, wenn man mit
dS^ ""^ +dZ
1) Vgl. A. Winkelmann, Handb. d. Physik 2. p. 848. 1896.
2) Vgl. A. Wüllner, Experi mental -Physik 3. p. 605. 1885. In
der neuesten Auflage des Werkes sind dieselben Ansichten dargelegt.
3) R. Clausius, p. 275, Gleichung (5a).
828 A^ fFesendanck,
das vollständige Entropiedifferential dQjT bezeichnet, welches
also reversiblen Vorgängen entspricht, und unter dq das Ele-
ment der bei einem entsprechenden beliebigen Processe auf-
genommenen Wärmemenge versteht, dann stets gilt
wobei zu beachten ist, dass alle vorkommenden Grössen in dieser
Gleichung sich nur auf das arbeitende System beziehen, Reser-
voire, Umgebung etc. spielen gar keine Rolle dabei. ^) Handelt
es sich um adiabatische Vorgänge, wo dq =^ 0, so gilt wie
früher dS^O, oder die Entropie nimmt zu. Diese letzteren
Betrachtungen bedürfen, wie es dem Verfasser scheint, rächt
der speciellen Clausius^ sehen Erörterung, welche zu der Auf-
stellung der Disgregation genannten Grösse führen^ sondern gelten
ganz unabhängig davon, soweit als man im Stande ist, die Existenz
der Entropie S nachzuweisen, bez. anzunehmen,
Clausius weist ferner darauf hin, wie seine Ausführungen
sich auf elektrische Vorgänge ausdehnen lassen, was aus
folgenden beiden Stellen erhellt. Es heisst da^): Ein anderer
Fall (nämlich Vorgänge, durch welche Wärme Arbeit leisten
kann), der von dem vorherigen (Volumenausdehnung, Aende-
rung des Aggregatzustandes) sehr verschieden ist und zeigt,
wie mannichfaltig die hierher gehörigen Wirkungen sind,
ist der, dass bei der Berührung zweier verschiedenartiger
Stoffe durch die Wärme Elektricität von dem einen Stoffe
zum anderen getrieben wird, worauf die Entstehung der thermo-
elektrischen Ströme beruht. Etwas weiter *) heisst es dann:
1) Verallgemeinert und in Worten ausgedrückt bedeutet diese Glei-
chung nach Clausius: die Summe aller vorkommenden Verwandlungen
kann nicht negativ sein. Auf einen Kreisprocess angewendet, ei^ebt
die betreffende Gleichung
— dq _
f
T '"'
d. h. also die bekannte Ungleichung. In dem Beweise, den Clausins
für seine Gleichung (5 a) giebt, ist implicite das Princip der maximaleD
Arbeit enthalten, dessen sich Hr. N ernst bei seinen thermodjmamischen
Ableitungen bedient.
2) R. Clausius, 1. c. 1. p. 247.
3) 1. c. p. 248.
Thermodynamik. 829
Was den zuletzt erwähnten Fall betrifft, so wird in diesem
die Anordnung der Elektricität geändert, eine Aenderung,
welche sich in entsprechender Weise darstellen und in Rech-
nung bringen lässt, wie die Aenderung der Lage der Molecttle
und welche wir uns, wo sie vorkommt, immer in dem all-
gemeineren Ausdruck, Anordnungsänderungen oder Aende-
rungen der Disgregation miteinbegriffen denken wollen und
femer *) wird gesagt, so viel Elektricität wird geschieden, bis
die aus elektrischer Spannung entstehende Gegenkraft der
hinübertreibenden Kraft das Gleichgewicht hält. Die der
Wärme entgegenwirkende Kraft ist eine einfache und leicht
bestimmbare Grösse. Das sind tcesentiich dieselben Gedanken,
die später Hr, Planck ausgeführt hat^, nur die Uebergänge
der Elektricität von einer Art Stoff zu einem anderen kommen
bei EntropieäJiderungen in Betracht^ während elektrostatisches
Potential und p ander omotorische Kräfte elektrischen oder mag^
netischen Ursprunges ohne Einfluss sind. Femer spricht Clau-
sius mit Bestimmtheit aus, dass sich seine Erörterungen
auch auf chemische Vorgänge anwenden lassen^, Trennung
chemischer Verbindungen sei auch eine Vermehrung der Dis-
gregation und ähnlich zu behandeln, wie Dampfbildung und
Dampfniederschlag. Wo Wärme Verbindungen bewirkt, soll
sie nur die Atome in die Lage bringen, dass die Verbindungs-
kräfte in Wirksamkeit treten können. Allerdings seien che-
mische Vorgänge meist nicht umkehrbar, doch kämen solche
Fälle vor, besonders bei elektrochemischen Erscheinungen.
Die Zelle, in welcher chemische Vorgänge eintreten, bilde
selbst ein Element, dessen elektromotorische Kraft entweder
im Sinne des Stromes wirkt, oder ihm entgegen, sodass Ge-
winn bez. Verbrauch von Arbeit stattfindet. Eingehender
werden solche Fälle allerdings nicht untersucht, nur die An-
wendung des Satzes über den wahren Wärmeinhalt wird an
dem über Gase vorhandenen Beobachtungsmaterial zu prüfen
versucht. *)
Diese Art der Betrachtung setzt nun allerdings voraus.
1) R. Clausius, 1. c. p. 249.
2) M. Planck, Wied. Ann. 44. p. 387. 1897.
8) R. Clausius, 1. c. 1. p. 269.
4) 1. c. 1. p. 268 u. 270.
830 K. H^esendoncL
dass man jede unendlich kleine Veränderung in umkehrbarer
Weise vorzunehmen vermöge , was ja wohl eine gewisse Ein-
schränkung bedeutet. Claus ins ist, wie gesagt, die ün Voll-
ständigkeit seiner Erörterungen keineswegs fremd, es mus.%
wie schon erwähnt, die Zukunft zeigen, ob ein Weitergehen
auf dem von ihm angegebenen Wege nicht doch noch von
Bedeutung für die Aufklärung des zweiten Wärmesatzes ist
Was nun Duhems interessante Theorie der sogenannten
falschen Gleichgewichte betrifft, so kann es wohl sein, dass
die Untersuchungen des französischen Physikers von Werth
sind für die Darstellung mancher Zustände, die man zur Zeit
nicht näher zu durchschauen vermag.. Bei den unter zu-
nehmender Eraftein Wirkung aushaltenden Reibungs -Gleich-
gewichten dürfte es sich indessen wohl nur um eine unmerk-
liche Deformation handeln, die solange vor sich geht, bis dass
eine Art Zerreissen, Zerquetschen oder Ueberspringen der
Hindernisse eintritt. Damit ändert sich dann natürlich die
Geschwindigkeit der Bewegung plötzlich in sehr erheblichem
Maasse, ohne dass sie aber vorher völlig Null war. Es sind
deshalb doch nur Kräfte , wie sie die gewöhnliche Mechamk
behandelt j die man schliesslich als in Wirksamkeit tretend anzu-
nehmen hat So sehen denn auch manche Autoren, wie z. B.
Hr. N ernst, in den falschen chemischen Gleichgewichten
nur äusserst langsam verlaufende chemische Processe, oder es
kommen, nach van't Hoff^), neben MolecularverschiebuDgen
und Orientirungen bei chemischen Umwandlungen noch Ver-
schiebungen bez. Austausch von Atomen in Betracht, welche
eventuell durch hemmende Einflüsse zurückgehalten werden.
Schon Clausius weist ja darauf hin, die Wärme, die im all-
gemeinen zersetzend wirke, könne dadurch Verbindungen her-
vorrufen, dass sie die Atome in Lagen bringe, bei denen die
Verbindungskräfte erst zu wirken vermöchten. Dann ist aber
Hoffnung vorhanden, auch die sogenannten falschen Gleich-
gewichte bei Berücksichtigung aller mitwirkenden Einflüsse
1) J. H. van't Hoff, Vorlesungen über chemische DTnamik p. 206.
1898, ferner p. 208—209; ferner p. 176 n. 177, wo auf die thermodjna-
mische Erklärung des fraglichen Verhaltens hingewiesen wird. Neuester
Zeit ist Bodenstein gegen die Lehre von den sogenannten falschen
Gleichgewichten aufgetreten, vgl. Zeitschr. f. phys. Cham. 29. p. 321. 1899.
Thermodynamik . 831
aus der klassischen Thermodynamik zu erklären. Man wird
daher auch keines eigenen Beweises für die Ungleichung be^
dürfen j falls solche Hemmungen vorhanden sind, die zu so-
genannten falschen Gleichgewichten führen, sondern imOegen-
theil erwarten müssen, dass ein Ausdruck ^ der die besagten
Erscheinungen darstellen soll, der Ungleichung entspricht.
Der Hinweis auf anscheinende Ausnahmen von dem be-
kannten Clausius'chen Grundsatze hat des öfteren zur Auf-
klärung der fraglichen Verhältnisse nicht wenig beigetragen.
Man denke nur an die erfolgreich widerlegten Einwände von
Hirn, Tolver-Preston, Bauschinger, Rankine, Tait,
Bartoli u. a. So können wir denn auch Hrn. E. Wiede-
mann^) nur dankbar sein dafür, dass er auf gewisse weitere
Schwierigkeiten hingewiesen hat, welche bei Strahlungsvorgängen,
die als Luminescenzerscheinuilgen bezeichnet werden, auftreten.
Da soll Wärme von einem Körper niederer Temperatur zu
einem solchen hölierer übergehen können, ohne gleichzeitige
Arbeitsleistung, wobei der phosphorescirende Körper nur ein
Zwischenglied sein soll zwischen der luminescenzerregenden,
primären Energiequelle (etwa der Sonne) und dem schliesslich
erwärmten Körper (Platinhülle), dessen Temperatur höher sein
dürfte, als die der leuchtenden Substanz. Der Clausius'sche
Grundsatz soll dann gelten für den Uebergang der Wärme
von der primären Quelle zum betreffenden erwärmten Körper.
Verfasser glaubte dieser Auffassung entgegentreten zu sollen^),
da, wie ihm schien, ein Vorgang seine thermodynamische Mög-
lichkeit in sich selbst aufweisen müsse. Ausserdem wird aber
auch noch auf das Verhalten gew^isser Flammen hingewiesen,
die doch wohl kaum nur als Zwischenglied anzusehen sind.
Trotz der freundlichen Erwiderung, welche Hr. E. Wiede-
mann^) seiner damaligen Notiz hat zukommen lassen, glaubt
Verfasser auf seinem früheren Standpunkte beharren zu sollen.
Die Wärmeaufnahme seitens eines Körpers (hier also der Platin-
hülle) ist eine positive Verwandlung und nur dann tritt ein H ider-
Spruch mit dem Grundsatze hervor, wenn eine grössere Negative
1) £. Wiedemann, Wied. Ann. 38. p. 485. 1889.
2) K. Wesendonck, Wied. Ann. 62. p. 706—708. 1897.
3) £. Wiedemann, Wied. Ann. 66. p. 1180. 189S.
832 K, H'esendoncL
damit verbunden ist Eohlrausch gegenüber hat Clausius ^)
ausgeführt, wie man Wärme von beliebig hoher Temperatur
erhalten kann durch Verbrauch von Arbeit , ohne dass dabei,
wenn man den Process im Ganzen betrachtet, eine negative
Verwandlung vorzuliegen braucht. Nun ist aber gar rächt
gesagt j dass bei dem Abklingen der Fhosphorescenz eine ne-
gative Verwandlung eintritt^ welche die positive an dem er-
wärmten Körper übertrifft. Solange dies nicht nachgewiesen,
ist auch kein Conflict mit dem Gl aus ins 'sehen Grundsatze
bez. dem zweiten Haupttheorem vorhanden. Strahlungsenergie
ist eben nicht Wärme und nur in übertragener Bedeutung ist
hier von Temperatur zu sprechen. Verfasser hat hierauf be-
reits *) hingewiesen und aus neueren Untersuchungen von
Hrn. Voigt geht dies ebenfalls hervor. ^) „Ofifenbar sind/'
so heisst es da, „die hier stattfindenden Schwingungen ge-
ordnete in dem Sinne, dass dabei der zweite Hauptsatz der
mechanischen Wärmetheorie, auf dem Kirchhofes Beweis
seines Satzes beruht, die Gültigkeit verliert." Das ist nach
Verfassers Ansicht so zu verstehen, dass man es eben nicht
mit Wärme, sondern mit Strahlungs- bez. Luminescenzenergie
zu thun hat. Nur wenn Strahlung ganz in derselben Art
wirkt, wie directe Wärmeleitung, ist ein von selbst verlaufender,
aufsteigender calorischer Strom ausgeschlossen. Durch In-
ductionswirkungen (Wirbelströme), durch chemische, mecha-
nische Processe, oder elektrische Entladungsvorgänge kann
man ja bekanntlich leicht höhere Wärmegrade erzielen, als
in der Umgebung vorhanden sind, natürlich durch geeigneten
Energieaufwand. Aehnlich kann der Verbrauch derjenigen
Energie, durch welche die Körper luminesciren, andere Sub-
stanzen zu höheren Temperaturen bringen. Man denke nur
an ein mechanisches System, das z. B. gespannte Uhrfedern
enthielte, deren abnehmende potentielle Energie durch einen
geeigneten Mechanismus im umgebenden Medium Schwingungen
erregt. Werden diese an einer umgebenden Hülle vernichtet,
was der Absorption entspräche, so kann sich diese Hülle wohl
über die Temperatur des die Schwingungen aussendenden
1) R. Clausius, Mech. Wärmetheorie. 2. p. 309—312. 1879.
2) K. Wesendonck, 1. c.
3) W. Voigt, Wied. Ann. 67. p. 873. 1899.
Thermodynamik, 883
^rpers erwärmen. Freilich passt dieser Vergleich nicht voll-
Indig^ solange die Schwingungen im Verhältniss zu denen
8 Lichtes nur sehr langsame sind, und die Federn nicht
)leculare Dimensionen haben. Weiter oben wurde der Ver-
indlungswerth von Massenbewegungen besprochen, der sich
\ verschwindend klein herausstellte. Im Falle luminescirender
bstanzen kann man zwar nicht mehr sagen, man habe es
t schwingenden Massen zu thun, welche gegen die eines
omes als unendlich gross anzusehen sind, aber es lässt sich
ch keineswegs von vornherein behaupten, es träten nega-
e Verwandlungen von solcher Grösse auf, um den ganzen
wussten Vorgang zu einem negativen zu machen. Gewisse
iklarheiten, welche in dem Begriffe des Wärmeinhaltes ^)
d der inneren Arbeit ja immer noch liegen, erschweren
erdings die Aufklärung solcher Vorgänge, aber in Fällen,
B neuerdings wieder bei Strahlen, die von Körpern, wie dem
an oder Radium, ausgehen, wird man nicht sofort eine Ver-
zung desCarnot'schen Satzes annehmen dürfen, wenn auch
scheinend eine solche stattfindet, sondern wird vorerst nach
m wahren Wesen der vorliegenden Verwandlungen zu forschen
ben.
1) Vgl. E. Riecke, Experimeutalphysik 2. p. 466—467. 1896.
(Elingegangen b. Augast 1899.)
Ann. d. Phyi. n. Cb«m. N. F. 69. 53
9. Veher die AblenkbarkeU
der Becquerelstrahlen im magnetischen Felde;
von F. Giesel.
Vor kurzem ist von Elster und Geitel gezeigt, dass die
durch Becquerelstrahlen ertheilte Leitfähigkeit stark ver-
dünnter Luft durch magnetische Kräfte vermindert wird. Da
die Wirkung vielleicht einer unmittelbaren Ablenkung der
Strahlen durch das Magnetfeld zuzuschreiben war, so wurde
untersucht, ob die auf einem Phosphorescenzschirm durch die
aus dem Vacuum heraustretenden Strahlen erregte Licht-
erscheinung eine Lageänderung erfahrt, sobald das Hagnetfeld
hergestellt wurde. Es ergab sich, dass „die BecquerelstrahleD
keine Ablenkung durch magnetische Kräfte erfahren, die mit
der der Kathodenstrahlen vergleichbar wäre**.*)
Im lufterfiillten Räume habe ich nun eine deutliche Ein-
wirkung eines Magnetfeldes auf die Becquerelstrahlen erhalten.
Als Quelle der Strahlen dienten 0,1 g eines frisch bereiteten
und daher äusserst wirksamen Poloniumpräparates. ^ Die
Versuchsanordnung war höchst einfach. Auf die Pole eines
vertical stehenden Hufeisenelektromagnetes 5, A
^ f ® wurde der Leuchtschirm gelegt, etwa 1 cm darunter
I zwischen die Pole das Poloniumpräparat P, Bei
Erregung des Magneten in dem bezeichneten Sinne
wich der Lichtschein in der Pfeilrichtung aus, indem er auf
dem Schirme eine kometenschweifartige Figur zeichnete. Bei
Polwechsel des Magneten sprang er auf die andere Seite über.
Bringt man das Präparat in gleiche Lage über den Schirm, so
erfolgt die Verschiebung des Lichtscheines in entgegengesetztem
Sinne.
1) J. Elster u. H. Geitel, Verhandl. d. Deutsch. Phya. Geselbch.
1. 5. Mai 1899; Wied. Add. 69. p. 88. 1899.
2) F. Giesel, Wied. Ann. 69. p. 91. 1899. Es hat sich bestltigt.
dass die PoloDiumpräparate und zwar nicht nur das Sulfid, sondern an<di
das elektrolytisch abgeschiedene Metall und Präparate in Form Ton BiOCI
und BiO • OH allmählich aber beständig in der Wirksamkeit zurückgehen.
BecyuerehtraltUn. 835
Die Strahlen von Radiumpräparaten verhalten sich genau
so, wenn auch die Deutlichkeit der Erscheinung eine etwas
geringere ist. Ebenso zeigte das Radinmpräparat, dessen sich
Elster nnd Qeitel für oben genannten Zweck bedienten, den
EiaäuBS des Magneten anzweifelhaft.
Die geschilderten Erscheinungen lassen sich auch mit
ÜUlfe der photographischen Platte fiziren. Es wurde hierbei
der Deutlichkeit der Bilder halber vorgezogen, die Substanz F
Fig. 1.
Fig. 2.
(Polonium) nicht in 1 cm Entfernung, sondern der in schwarzes
Papier gehüllten und mit der Schichtseite den Polen zuge-
wendeten Platte unmittelbar anliegend anzubringen. Die Ex-
positionszeit betrug 3 — 10 Minuten. Von den verschieden-
artigen, durch Veränderung der Form und Lage der Pole, wie
Anordnung der Substanz zu den Polen erhaltenen Radio-
grammen habe ich zwei Aufnahmen nach dem Negativ in
Zeichnung wiedergegeben. Bei Fig. 1 befindet sich P ausser-
halb der Flacbpole S und N, bei Fig. 2 innerhalb der Rund-
836 F, Giesel, BecquerehtrcJden.
pole des Magneten, die sich durch die StraMen von selbst
markiren.
Neben der einseitigen Ablenkung treten auf den Platten
die durch den Magneten hervorgerufenen Anhäufungsstellen der
Strahlen (^, Figg. 1 u. 2) deutlich hervor, ausserdem aber zeigt
sich noch eine neue mit dem Phosphorescenzscbirm nicht zu
verfolgende Eigenthümlichkeit. Die Ausbreitung der Strahlen
erscheint in der Nähe der Substanz in der Ablenkungsrichtung
nicht gleichmässig abgetönt, wie um dieselbe nach der ent-
gegengesetzten Richtung (a, Figg. 1 u. 2) und bei den übrigen
Theilen im Magnetfelde [b und c, Figg. 1 u, 2), sondern wellig
in S-förmig gewundenen Linien {s, Figg. 1 u. 2).
Die S-Form erinnert an die Beeinflussung der Aureole des
Inductionsfunkens zwischen den Magnetpolen.
Braunschweig, 31. October 1899.
(Eingegangen 2. November 1899.)
10. Nachtrag; von It. von Hirsch.
In meiner Abhandlung*) habe ich geglaubt, aus dem Ver-
halten der Substanzen bei der kritischen Temperatur, den
Schluss ziehen zu müssen, die kritischen Dichten von Flüssig-
keit und Dampf seien nicht gleich, da die mir bekannten
anderweitigen Erklärungen für das Verschwinden des Meniscus
an bestimmten Stellen im Rohr den Erscheinungen nicht zu
genügen schienen. Dem dort gegebenen Gedankengang liegt
die stillschweigende Voraussetzung zu Grunde, der Zustand
sei bei vollkommen constanter Temperatur in der ganzen Aus-
dehnung der Flüssigkeit, bez. des Dampfes derselbe. Durch
eine Arbeit von Hrn. Gouy^). in der derselbe den Einfluss
der Schwere auf die kritischen Erscheinungen hervorhebt, bin
ich darauf aufmerksam geworden, dass diese selbstverständ-
lich scheinende Annahme in der Nähe der kritischen Tem-
peratur nicht berechtigt ist: Da nämlich hier dvjdp sehr
gross wird, so vermag selbst der geringe hydrostatische Druck
im Rohr eine stetig mit der Höhe fortschreitende Dichte-
änderung hervorzubringen, sodass nur an der Trennungsfläche
Dampf — Flüssigkeit der kritische Zustand herrscht, während
oberhalb die Dichte abnimmt, unterhalb wächst.
Bei Versuchen werden stets die mittleren Dichten der
ganzen Flüssigkeits- bez. Dampfmenge bestimmt, es müssen
sich also hier einseitige Abweichungen ergeben, die um so
stärker ausfallen werden, je grösser der vorhandene hydro-
statische Druck, d. h. je länger die Röhre ist. Für diese ge-
messenen mittleren Werthe gilt also die an früherer Stelle
gegebene Entwickelung, die auf die Ungleichheit der kritischen
Flüssigkeits- und Dampfdichte führt, nicht für die wahren dem
Sättigungszustand entsprechenden Grössen, die allein Bedeutung
für die Theorie haben.
1) R. von Hirsch, Wiod. Ann. 69. p. 456. 1899.
2) Gouy, Compt. rend. 115. p. 720. 1892.
(Eingegangen 20. October 1899.)
11. m/ne Methode zur Demonstration und Photo-
graph4e von Stromcurven^); von J. Zenneck.
1.
Den Ausgangspunkt bildet die von F. Braun 2) beschriebene
Methode, um die Curven variabler Ströme sichtbar zu machen.
Sie besteht bekanntlich darin, dass durch ein in einer Eathoden-
strahlenröhre befindliches Diaphragma ein dünnes, kreisförmiges
Eathodenstrahlenbündel ausgeschnitten wird, das auf einem
ebenfalls in der Eöhre angebrachten und mit einer lumines-
cirenden Substanz bestrichenen Schirm einen hellen Luminesceoz-
fleck erzeugt. Der in Frage stehende variable Strom wird
durch eine Spule geschickt, deren Axe senkrecht zur Röhrenaxe
steht. Das Eathodenstrahlenbündel und damit der Luminescenz-
fleck bekommt durch das magnetische Feld der Spule eine
Ablenkung, die der Intensität des Stromes jedenfalls annähernd
proportional ist und bei horizontaler Stellung der Köhren- und
Spulenaxe verticale Richtung hat. Betrachtet man die Be-
wegung des Fleckes durch einen gleichmässig rotirenden Spiegel
mit verticaler Drehungsaxe, d. h. ertheilt man dem Spiegelbild
des Fleckes eine der Zeit proportionale horizontale Bewegungs-
componente, so erscheint im Spiegel die Stromcurve.
Will man in ähnlicher Weise die Curve der Spannungs-
dififerenz zwischen zwei Polen etwa einer Wechselstrom dynamo-
maschine oder eines Inductoriums bekommen, so braucht man
nur die horizontale Spule durch zwei horizontale (Dondensator-
platten zu ersetzen; durch das elektrische Feld zwischen den
Platten wird der Luminescenzfleck ebenso in der Richtung
des elektrischen Feldes abgelenkt wie durch das magnetische
Feld der Spule senkrecht zur Richtung dieses Feldes.*)
1) Vgl. meine Notiz Elektrotechn. Zeitschr. 20. p. 228 1899.
2) F. Braun, Wied. Ann. 60. p. 552 f. 1897; vgl. auch Elektrotechn.
Zeitachr. 19. p. 204. 1898.
3) Vgl. H. Ebert, Wied. Ann. 04. p. 240ff. 1898.
Demonstration und Photographie von Stromcurven. 839
Es war meine Absicht die Methode so umzuändern, dass
man die Stromcurve direct photographisch aufnehmen kann.
Will man, womit man sich seither begnügte, nach dem Bild
im rotirenden Spiegel zeichnen, so hängt die erreichte Ge-
nauigkeit von der Geschicklichkeit des Zeichnenden ab und
das ist gerade hier sehr bedenklich, da ein genaues Zeichnen
nach dem unruhigen Bild des rotirenden Spiegels durchaus
nicht leicht ist. Um diesem Mangel abzuhelfen, suchte ich die
Anordnung so zu treffen , dass die Stromcurve auf dem
Luminescenzschirm selbst zur Darstellung kommt.
A. Frincip der Methode.
2.
Zu diesem Zwecke muss die horizontale und der Zeit
proportionale Bewegungscomponente, welche in der Braun'-
schen Anordnung das Spiegelbild des Luminescenzfleckes er-
hält, dem Flecke selbst ertheilt werden.
Man erreicht dies, indem man ausser der horizontalen
Spule, durch welche der variable Strom hindurchgeht, eine
zweite verticale Spule anbringt und diese mit einem Strom
beschickt, dessen Intensität der Zeit proportional ist.
Die erste Aufgabe ist also einen Strom zu beschaffen,
dessen Intensität der Zeit proportional ist.^)
3.
Das genügt indess für die meisten Zwecke noch nicht.
Würde man nämlich einen solchen Strom nur ein einziges
Mal durch die verticale Spule hindurchschicken, so würde der
Luminescenzfleck die Stromcurve auch nur ein einziges Mal
beschreiben. Würde man ihn mehrmals hindurchschicken, so
würde zwar der Fleck die Curve mehrmals durchlaufen, aber
entsprechende Theile der Curve würden im allgemeinen nicht
jedesmal auf dieselben Stellen des Schirmes fallen. £ine
photographische Aufnahme, bei der eine längere Exposition
nothwendig ist, wäre nicht möglich und für die Demonstration
wäre gegenüber der Braun'schen Anordnung nicht viel ge-
wonnen.
1) Er soll im Folgenden einfach als linearer Strom bezeichnet
werden.
840
/. Zenneck.
Die zweite Aufgabe ist also die, den linearen Strom mehr-
mals durch die verticale Spule zu schicken und zwar so, dass
entsprechende Punkte der Stromcurve immer wieder auf die-
selben Punkte des luminescirenden Schirmes fallen.
4,
Die erste Aufgabe, einen Strom zu bekommen, dessen
Intensität der Zeit proportional ist, lässt sich im Princip in
folgender Weise lösen.
Das eine Ende der Spule S (Fig. 1), welche mit dem
linearen Strom beschickt werden soll, wird verbunden mit
Fig. 1.
Fig. 2.
dem einen Endpunkte A eines gleichmässig dicken, homogenen
Drahtes A -ß, welcher in den Stromkreis des Elementes E ein-
geschaltet ist. Das andere Ende der Spule steht in Ver-
bindung mit einem Schleifcontact C, der auf dem Drahte A B
verschiebbar ist. Wird dieser Schleifcontact mit constanter
Geschwindigkeit auf dem Drahte von A nach B verschoben,
so ist die Intensität des durch die Spule S gehenden Stromes
sehr annähernd der Zeit proportional, wenn der Widerstand
des Zweiges ASC gross ist gegen denjenigen des Drahtes ACB
und wenn der Selbstinductionscoefficient der Spule S dividirt
durch den Widerstand des Zweiges ASC verschwindet gegen
die Zeiteinheit.
5.
Der zweiten Aufgabe wird man wenigstens in dem Falle,
wenn der variable Strom, dessen Curve aufgenommen werden
soll, der Strom eines Wechselstromgenerators ist, gerecht in
der folgenden Weise (vgl. Figg. 1, 2 u. 5). Der Draht J B
Demonstration und Photographie von Stromcuroen, 841
(Fig. 1) wird auf der Peripherie einer drehbaren Scheibe so
angebracht, dass die Enden A und B einander sehr nahe
liegen, ohne einander zu berühren (Fig. 2). Der Strom der
Elemente £ (Fig. 2) wird den Drahtenden A und JS durch
Vermittelung von Schleifringen und Bürsten {A^ und B^) zu-
geführt.*) Der feststehende Schleifcontact C, der bei Drehung
der Scheibe auf dem Drahte AB schleift, ist mit dem einen
Pole der Ablenkungsspule S verbunden; der andere Pol der
Spule steht in Verbindung mit der Bürste A^ und dadurch
mit A.
Wird die Äxe der Scheibe uun fest mit dem Dynamo-
anker verbunden, so entspricht derselben Stellung des Ankers
auch stets dieselbe Stellung der Scheibe gegenüber dem Schleif-
contact C. Die Wechselstromcurve auf dem Schirm der
Braun'schen Röhre muss sich also bei jeder Umdrehung der
Maschine in genau derselben Weise wiederholen.
Ist der variable Strom, dessen Curve aufgenommen werden
soll, nicht der Wechselstrom einer Dynamomaschine, so muss
die Anordnung entsprechend abgeändert werden (vgl. unten
§ 12 b).
H. Die praktische Ausführung.
6.
Construction der Kathodenstrahlenröhre.
Die erste Aenderung, die ich an der Braun'schen Röhre
anbrachte, war ein zweites Glasdiaphragma I)^^) (Fig. B). Mau
gewinnt dadurch den Vortheil, dass man nach Belieben durch Ab-
lenkung mit einem Magneten das ganze Kathodenstrahlenbündel,
welches vom ersten Diaphragma JD^ ausgeschnitten wird, durch
das zweite Diaphragma hindurchsenden kann oder nur einen
Theil desselben. Man kann auf diese Weise den Luminescenz-
fleck grösser oder kleiner und damit auch die Wechselstrom-
curve kräftiger (für Demonstrationszwecke) oder feiner (für
photographische Aufnahmen) gestalten.
Eine beträchtliche Unbequemlichkeit dieser Röhren be-
stand aber darin, dass die photographischen Aufnahmen sehr
1) Die stromführenden Theile sind in Fig. 2 schraffirt.
2) Die von mir verwandten Röhren sind sämmtlich von Dr.
H. Geissler's Nachf. (F. Müller) in Bonn angefertigt worden.
842 J. Zenneck.
lange Zeit in Anspruch nehmen. Curven von der Grösse der
Fig. 8 erforderten eine Bxpositionsdauer von ungefähr 10 Min.
Es gelang durch Aenderung in der Construction der Röhre
die Expositionsdauer auf wenige Secunden^), bei raschester
Rotation der zum Betrieb der Röhre verwandten Töplermaschine
und bei nicht zu grosser Ausdehnung der Curven auf Brucb-
theile einer Secunde herunterzudrücken.
Diese Aenderung bestand einmal darin, dass der Raum
hinter der Kathode in der in Fig. 4 abgebildeten Weise ab-
geschlossen wurde. Es wurde dadurch erreicht, dass man mit
den höchsten Tourenzahlen der Töplermaschine arbeiten konnte,
ohne dass die Entladung in der Röhre flackerte und die Curveo
Fig. 3. Fig. 4.
unscharf wurden. Bei der in Fig. 3 dargestellten Röhre
hatte man die Tourenzahl sehr niedrig halten müssen, da sonst
die Kathodenstrahlen und damit die Curven — und zwar, wie es
scheint, infolge von Entladungen hinter der Kathode zwischen
Kathode und Glaswand — unregelmässig wurden.^
Dann wurde der Schirm in der Braun 'sehen Röhre, für
den ursprünglich Glimmer benutzt worden war, aus Glas her-
gestellt, da Glimmer die ultravioletten Strahlen in bedeutend
höherem Maasse absorbirt als Glas.
Endlich versuchte ich die bisherige verwandte lumines-
cirende Substanz (CaS) durch eine andere zu ersetzen, deren
Luminescenzlicht eine bessere photographische Wirkung er-
geben sollte. Calciumwolframat, das nach W. Arnold^ starke
1) Bei den unten beigegebenen Wechselstromcurven, bei deren Auf-
nahme die Töplermaschine nicht annähernd die maximale Tonreuxihi
hatte, betrug die Ezpositionsdauer 6 — 20 sec; bei maximaler Toorenxahl
genügt für denselben Zweck eine Exposition von 1 — 2 sec
2) Von den Röhren, deren Kathode die in Fig. 3 abgebildete Form
hat, hielt allerdinp^s eifie auch die stärksten Entladungen aus, ohne ta
flackern.
3) W. Arnold, Wied. Ann. 61. p. 313 ff. 189T.
Demonstration und Photographie von Stromcurven, 843
•
Kathodoluminescenz zeigt, musste wegen der bekannten Ver-
wendung dieser Substanz in der Röntgenphotographie für den
vorliegenden Zweck als besonders geeignet erscheinen. Ein
Vergleich zwischen CaS und CaWO^ führte zu folgendem Er-
gebuiss. Bei sehr starker Entladung, unter deren Einfluss
das CaS-Licht nahezu weiss, nur wenig grünlich ist, ist die
photographische Wirkung des CaS -Lichtes derjenigen von
CaWO^ sicher ebenbürtig. Bei schwacher Luminescenz da-
gegen, sei es infolge schwacher Entladung, sei es infolge davon,
dass der Luminescenzfleck sich mit grosser Geschwindigkeit
auf dem Schirme bewegt, ist das CaS-Licht stark grünlich
und dann viel weniger photographisch wirksam als dasLumines-
cenzlicht von CaWO^. Ich habe deshalb die letzte Röhre,
mit deren Hülfe ich alle unten beigegebenen Photographien
gewonnen habe, mit einem CaWO^ -Schirm versehen lassen.
7.
Der Betrieb der Kathodenetrahlenröhre.
Zum Betrieb der Röhre habe ich fast ausschliesslich eine
20 plattige Töplermaschine verwandt, die durch einen kleinen
Wassermotor getrieben wurde. Eine Töplermaschine ist für
den vorliegenden Zweck auch wohl am besten geeignet. Wo
eine solche nicht zur Verfügung steht, kann an Stelle davon
sehr gut jede Holtz'sche Influenzmaschine benutzt werden.
Zu gebrauchen sind auch die kleinen selbsterregenden Influenz-
maschinen; eine mit einer einzigen drehbaren 'Glasscheibe von
25 cm Durchmesser, ebenso grössere Whimshurstmaschinen
eigneten sich noch zum Betrieb der Röhre jedenfalls für
Demonstrationszwecke.
Der Betrieb durch ein Inductorium mit gut functionirendem
Deprez- oder besser Wehneltunterbrecher hat den Vortheil,
dass sich damit ein sehr kräftiges Luminescenzlicht erzeugen
lässt. Er besitzt aber den beträchtlichen Nachtheil, dass die
Entladung stark intermittirend ist und das Curvenbild nicht
so scharf und ruhig wird, wie bei der Influenzmaschine.
Auch den Wechselstrom der Centrale (118 Volt 100 Wechsel
in der Secunde), der in einem Inductionsapparat auf hohe
Spannung transformirt worden war, habe ich versuchsweise
benutzt. Er liefert eine sehr kräftige und auch verhältniss-
844 /. Zenneck,
massig ruhige Luminescenz, die Röhre erhitzte sich dabei
aber trotz Vorschaltung sehr grosser ZnSO^- Widerstände in
bedenklicher Weise.
s.
Die Ablenkungsspulen.
In 2. und 3. war stets nur von einer einzigen horizontalen
und einer einzigen verticalen Ablenkungsspule die Kede. That-
sächlich ist es nicht zulässig, je nur eine einzige Spule zu
verwenden. Da nämlich das magnetische Feld einer einzigen
Spule nicht im geringsten homogen ist, so passiren die ein-
zelnen Theile des Kathodenstrahlenbündels Stellen, wo die
Feldstärke nach Grösse und Richtung verschieden ist. Die
Folge davon ist, dass der Luminescenzfleck auf dem Schirm
der Röhre nicht mehr kreisförmig bleibt und deshalb die ein-
zelnen Theile der Wechselstromcurve sehr ungleichmässig dick
werden. Fast vollständig lässt sich dieser Fehler vermeiden,
wenn man je ein Paar von gleichen Spulen einander zu beiden
Seiten der Röhre gegenüberstellt.
Die von mir gebrauchten Spulen, von denen ich von jeder
Art ein Paar, von Nr. 2 zwei Paare besass, hatten ungefähr
Nr. 1 265 Windungen, 0,24 Ohm Widerstand
Nr. 2 1740 ,, 6,14 „ ,,
Nr. 3 16400 „ 1045
,, a.\i^%' ,, yj
Die Dimensionen waren im übrigen bei allen gleich, nämlicb:
Länge 10 cm, Durchmesser der äussersten Wickelung 5 cm.
der innersten 1,5 cm.
Die Spulen, welche mit dem linearen Strom beschickt
wurden, waren ein Paar Nr. 2.
Mit Eisenkernen dürfen die Spulen wegen der Hysteresis-
und Reraanenzerscheinungen unter keinen Umständen versehen
werden. Selbst Kerne aus feinstem, gut ausgeglühten und
isolirten Eisendraht (Blumendraht) erwiesen sich als durchaus
unbrauchbar.
Ausser den genannten Spulenpaaren verwendete ich ein
drittes mit einem Eisenkerne, durch welches der constaiite
Strom irgend eines Elementes mit vorgeschaltetem Widerstand
geschickt wurde. Es hatte den Zweck, die Curve auf jeden
Demonstration und Photographie von Stromcurven. 845
beliebigen Theil des Schirmes zu legen und damit eine bessere
AusnatzuDg des ganzen Schirmes zti ermöglichen.
Der Apparat zur ErKCUgUDg oines linearen StromeB.
Die Construction des Apparates, wie er nach mannich-
fachen Vorversucben vom Mechaniker Bosch inStrassburgi.E.>)
augefertigt wurde, i^t aus der Abbildung (Fig. 5) wohl ohne
weiteres zu entnehmen und mit Hülfe der Fig. 2 auch leicht
verständlich.
Pig. ft.
Der Draht A B (Figg. 1 u. 2) ist ersetzt durch einen
Streifen dUnnen Blechs von 0,1 mm Dicke, 4 mm Breite und
ungefähr 120 cm Lunge.') Der Blecbstreifen liegt auf einer
aus einer isolirenden Substanz gefertigten Scheibe in einer
ungefähr 1 mm tiefen Nuthe. Die Scheibe selbst ist an ein
Messiiigrad angeschraubt Die Befestigung des Blechstreifens
1) Der Apparat kann, mit einigen Aenderungen versehen, die eich
im Laufe der Versuche als EweckmflbBig herausgestellt hatten, von dem-
■elben beioßen werden.
2) Dan Blech („ Widersland ablech") wurde mir von den west-
ffilischcn Nickdwakwerken Flcltmann, Witte & Co. in Schwerte
(Westfalen) zur Verfügung gestellt und hat sich trotz der starken
mechanischen und elfktrischeii Beanspruchung sehr gut bewährt. Der
Widerstand (ca. 1,3 Ohm fQr 1 m LSogel ist sehr gleichmSaaig.
846 /. Zennech.
in den Punkten A and S (Fig. 2) ist derart, dass der Streifen
leicht durch einen neuen ersetzt werden kann.
Der Schleifcontact C (Fig. 2), von dessen tadellosem
Funktiouiren die Sauberkeit der Curven in hohem Maasse ab-
hängt, bekam die in Figg. 6a u. 6b abgebildete Form. Der
Thei! MI^ ist eine kleine Dynamobürste, PQ ist ebenfalls
ein Stück einer solchen und &n M^ angelöthet.
Der Strom (2 — 4 Accumulatoren) wird durch die in Fig. 5
links oben befindlichen und mit Papierstreifen versehenen
Drähte — die in Fig. 5 nach rechts unten ver-
laufenden Drähte gehen zu den Ablenkung«-
spulen — den beiden kleinen Dynamobürsten
und durch diese den beiden Schleifringen J,, £,
(Fig. 2) zugeführt. An letztere sind Kupfer-
Fie Sa. 6 b krähte angelöthet, welche die Ringe mit den
Enden des Biechstreifens verbinden.
In Nebenschluss zu den Punkten C und B (Fig. 2) wurde
eine Reihe von hintereinander geschalteten Zellen C — H,0— C
gebracht. Der Zweck derselben ist der, den Funken, welcher
sich an dieser Stelle bildet, wenn der Strom ASC (Fig. 2)
unterbrochen wird, möglichst zu verkleinern. Ehe diese Yor-
sichtsmaassregel getrofTen war, wurde der Streifen an dieser
Stelle mehrmals durch den Funken durch gefressen -
um die Verbindung des Apparates mit dem Anker der
Wecbselstrommaschine möglichst fest zu machen, was bei der
langen Expositionszeit, die ich anfänglich nöthig hatte, unoiu-
anglich war, wurde dieselbe durch Zahnräder bewerkstelligt.
Zwei derselben, das grossere mit doppelter Zabnzahl wie dsä
kleinere, sind in Fig. 5 sichtbar. Das dritte von derselben
Grösse wie das kleinere in Fig. 5 sitzt auf einem in die
Axe der Dynamomaschine eingedrehten Zapfen. Bei Benutzung
des grösseren Zahnrades erhält man auf dem Schirm der
Brann'schen Röhre zwei Perioden des Wechselstromes, nicht
nur eine wie in den unten stehenden Figuren.
Jetzt, nachdem für die pbotographischen Aufnahmen der
Curven nur noch wenige Secunden nöthig sind, würde vohl
eine Verbindung des Apparates mit der Dynamomaschine ver-
mittelst Schnur- oder Riemscheibe genügen.
DemomtroHon und Photographie von Stromcurven. 847
C. Qenanigkeit und Verwendbarkeit der Methode.
10.
Die Genauigkeit der Methode.
Die Oenauigkeit der Methode hängt ab:
a) davon, ob die Ablenkung des Fleckes der Stärke des
magnetischen Feldes zwischen den Spulen bez. des elektrischen
Feldes zwischen den Condensatorplatten ') genau proportional ist,
b) davon, ob der unter 9. beschriebene Apparat einen
genau der Zeit proportionalen Strom liefert.
Daas die Ablenkung des Lumin es cenz Heckes durch das
elektrische Feld zwischen den Condensatorplatten der Stärke
dieses Feldes jedenfalls sehr annähernd proportional ist, wurde
schon von Ebert I. c. angegeben. Zu zeigen ist also nur
noch, dass bei Verwendung von Äblenkungsspulen die Ab-
lenkung des Fleckes der Intensität des Stromes in den Spulen
proportional ist. Der Beweis lässt sich in der Weise flihren,
dass man durch die Spulen einen Strom von beliebiger In-
tensität hindurchscfaickt, dann einen solchen von doppelter
Intensität, dann einen solchen von 3 facher etc. Bei jeder der
verschiedenen Intensitäten bekommt der Fleck eine andere
Stellung auf dem Schirm und alle verschiedenen Stellungen
werden auf dieselbe Platte photographirt.
Ist die Ablenkung genau der Stromstärke
proportional, so muss man eine Reihe
von Flecken erhalten, welche unter-
einander genau denselben Abstand haben.
Die Fig. 7, die in der angegebeneu Weise
aufgenommen wurde, zeigt, dass die Ab-
stände thatsäcfalich fast genau gleich sind, pj ^
die Ablenkung des Luminescenzfleckes
also innerhalb der Grenzen, die hier überhaupt in Betracht
kommen, der Stromstärke proportional ist.
Die Frage, ob der unter 9. beschriebene Apparat einen genau
der Zeit proportionalen Strom liefert, ist für die Zeiten, in
denen der Punkt Ä (Fig. 2) sich in unmittelbarer Nachbar-
schaft des Schleifcontactes C befindet, zweifellos zu verneinen,
1) Vgl. p. 638.
•'is
.'>:
7/
1 1 ^
"•'ii
848 •/. Zenneck,
schon wegen der Art, in welcher der Blechstreifen befestigt
ist und in welcher ihm der Strom zugeführt wird. Dass aber
im übrigen der von dem Apparate gelieferte Strom der Lange AC
(Figg. 1 u. 2) und damit bei gleichmässiger Rotation der
Zeit proportional ist, lässt sich bis zu einem gewissen Grade
zeigen, indem man den Schleifcontact auf die verschiedenen
Stellen des ßlechstreifens einstellt und den Strom im Zweige ^56*
(Figg. 1 u. 2) misst. Eine solche Messung ergab bei einer
Entfernung des Schleifcontactes C von A um
Vi2 der ganzen Länge AB als Intensität 0,03 Amp.
Differenz 0,037
" " " °'°" " „ 0,035
" " " "'* " „ 0,039
" " '^ 0,141 ,,
„ 0,039
1, ., ,, 0,180 „
„ 0,039
»^ u 1» 0,^19 „
Die Proportionalität ist also iür den vorliegenden Zweck
durchaus genügend. Allerdings werden diese Verhältnisse,
wenn der Apparat in Bewegung ist, durch die Selbstinduction
der Ablenkungsspulen etwas modificirt. Man überzeugt sich
indess durch Rechnung leicht, dass bei den Dimensionen
meiner Spulen eine w^esentliche Aenderung nicht eintreten kann.
Die Genauigkeit der Methode ist also, soweit sie von den
erwähnten Factoren abhängt, vollkommen ausreichend. In
anderer Beziehung ist aber die Genauigkeit und Verlässlich-
keit bei der Braun 'sehen und damit auch bei dieser Methode
beträchtlich giösser als bei irgend einer anderen. Der Um-
stand nämlich, dass der Kathodenstrahl für alle hier über-
haupt in Betracht kommenden Zwecke als trägheitslos an-
gesehen werden muss, garantirt — worauf schon F. Braun ^)
aufmerksam gemacht hat — , dass der Luminescenzfleck der
raschesten Variation des Stromes folgt und z. B. auch die
höchsten Oberschwingungen eines Wechselstromes unbedingt
richtig registrirt, was von einer Anzahl der sonst gebräuch-
lichen Wechselstromindicatoren nicht behauptet werden kann.
Die grössere Sauberkeit der Curven , die man mit Hülfe
dieser letzteren erhält, ist in den meisten Fällen keineswegs
der Ausdruck grösserer Genauigkeit.
1) F. Braun, Wied. Ann. 60. p. 552. 1897.
Demonstration und Photographie von Stromcurven, 849
11.
Grenzen für die Verwendbarkeit der Methode.
Soll nach der angegebenen Methode die Curve eines
Stromes aufgenommen werden, so lässt sich für die Intensität
desselben weder nach oben noch nach unten eine Grenze an-
geben, bei welcher die Methode versagen würde: man muss
nur die Ablenkungsspulen passend wählen. Bei Verwendung
der Spulen Nr. 3 und der Röhre von Fig. 3 genügte z. B. schon
ein Strom von 0,03 Amp., um den Luminescenzfleck über den
halben Schirm weg abzulenken.
Dasselbe gilt, wenn die Curve einer variabeln Potential-
differenz zwischen zwei Polen in der Weise gewonnen werden
soll, dass man zwischen die beiden Pole ausser den Ablenkungs-
spulen hohe inductionsfreie Widerstände einschaltet. Ich habe
schon mit den mir zur Verfügung stehenden Spulen Wechsel-
stromcurven aufgenommen, bei denen die affective Spannung
zwischen 0,5 und 5000 Volt^) variirte. Sollen dagegen Po-
tentialdifferenzen zwischen zwei offenen Polen unmittelbar mit
Hülfe von Condensatorplatten nach der beschriebenen Methode
registrirt werden, so giebt es nach unten eine Grenze. Bei
der Röhre Fig. 3 und bei Benutzung von Condensatorplatten,
deren Länge in der Richtung der Röhrenaze etwa 12 cm be-
trug, brauchte ich wenigstens 200 — 300 Volt effective Spannung,
um eine für Curvenaufnahmen genügende Ablenkung zu be-
kommen. Jedoch liegt nichts im Wege, diese Grenze wesent-
lich herunterzudrücken dadurch, dass man den Theil der Röhre
zwischen Schirm und dem zweiten Diaphragma verlängert.
Eine gewisse Grenze für die Verwendbarkeit der Methode
in derjenigen Form, in welcher sie oben beschrieben wurde,
liegt in der Geschwindigkeit^ welche dem Luminescenzfleck durch
den linearen Strom bei Benutzung des unter 9. beschriebenen
Apparates ertheilt werden kann. Macht der Apparat 600 Touren
pro Minute, so erhält bei meiner Anordnung der Luminescenz-
tieck eine Geschwindigkeit von etwa 1 m/sec. Diese Ge-
schwindigkeit würde bei einem Wechselstrom von 200 Wechseln
in der Secunde noch eine brauchbare Photographie ergeben,
1) Wobei grosse ZnSO« • Widerstände in dünnwandigen Glasröhren
mit Kaltwasserspülung vorgeschaltet waren.
Ann. d. Phjs. u. Ch«m. N. F. 68. ^^
850 J. Zmaeck.
reicht also fllr die praktisch gebrauchten Wechsel- oder Mehr-
phasenströme vollkommen aus. Allein, wenn sich diese Ge-
schwindigkeit durch eine bessere Anordnung auch noch asf
das 3 — 4 fache steigern lässt, so genügt sie doch H)r Strom-
schwankangen von einigen 1000 Wechseln in der Secunde
nicht.
U&ü kann sich in diesem Falle helfen, indem man den
unter 9. beschriebenen Apparat durch eine Wechselstrom-
dynamomaschine ersetzt. Die Stromcurve der praktisch ge-
brauchten Wechsel strominascbinen verläuft nämlich, jedenfalls
wenn man genügende Selbstinduction vorschaltet, in der Nähe
der Abscissenaxe ziemlich linear (vgl. Figg. 8 u. 9). Nimmt
Fig. 9.
man also an Stelle des oben beschriebenen Apparates einen
beliebigen Wechselstromgenerator und entnimmt man dem-
selben einen genQgend starken Strom, so lässt sich leicht er-
reichen, dass die Ablenkung des Kathodenstrablenbündels in
denjenigen Zeitintervallen, in denen es den luminescirenden
Schirm überhaupt trifft, der Zeit proportional, die Geschwindig-
keit des Luminescenzlleckes also eine gleichförmige ist. ') Bei
dieser Anordnung kann dann aber auch eine Grenze Ittr die
Geschwindigkeit des Fleckes nicht angegeben werden, da die-
selbe nicht nur der Wechselzahl des Wechselstromes, sondern
auch der Intensität desselben proportional ist und da ansser-
dem in diesem Falle in den verticalen Spulen die Wirkung
anbedenklich durch Eisenkerne verstärkt werden kann. Sicher-
lich lassen sich auf diese Weise rasche Stromschwankungen
eben no weit analysiren, als mit dem rotirenden Spiegel.
Ei«p Voraussetzung ist dabei aber immer vorhanden —
und diese bildet eine thatsachliche Beschränkung für die Vcr-
I) Vgl. Fig. 14.
Dtmonstration und Photographie von Stromcurven. 851
wendbarkeit der Metliode zu photograpbiBchen Aufnahmen — :
es muss müglicb sein, die Anordnung so zu treffen, dass die
Carve sich mehrmals auf dem Schirm in genau derselben
Weise wiederholt.
12.
Beispiele,
a) Die Fig. 8 zeigt die Stromcurve einer Vierphaoenstrom-
maschine'), wenn dieselbe nicht merklich belastet ist. Die
Abscissenaxe ist hier wie in den folgenden Figuren dadurch
gewonnen, dass der Strom in dem horizontal gestellten Spulen-
paar unterbrochen wurde. Fig. 9 ist die Curve, welche man
bei sonst gleichen Verhällnissen erhält, wenn man mit hoher
Fig. 10.
Selbstinduction (Drosselspulen) belastet: die Curve ist mehr
sinusförmig als Fig. 8 und zeigt ausserdem gegenüber dieser
letzteren eine nicht unbeträchtliche Phasenverschiebung — der
Funkt, in welchem die Intensität durch Null hindurchgeht, fällt
nicht mehr mit dem Anfang der Abscissenaxe zusammen — .
Deutlicher und an schan lieber wird die Phasenverschiebung
noch, wenn man beide Curven auf dieselbe Platte bei der-
selben Stellung des photographischen Apparates photographirt
(Fig. 10); aus der Verschiebung der beiden Curven, gemessen
auf der Abscissenaxe, lässt sich der Phasenwinkel unmittelbar
bestimmen.
In Fig. 11 ist die Veränderung ersichtlich, welche die
Stromcurve irgend einer Phase erleidet^ wenn die um 90* da-
gegen verschobene Phase der Maschine stark belastet wird.
Fig. 12 unterscheidet sich davon nur dadurch, dass die be-
lastete Phase nicht die um 90", sondern die um ISO** diffe-
1) Gleichstrommuchine der Allgemeinet) ElektiiciUti-GeMllBchaft,
AiK aDch für die Abgabe von Vierphuenetrom eiiigericht«t Ut.
852
/ Zennech.
rirende ist. Sie besitzt gegenüber der Carve der UDbelasteteu
Maschine (Fig. 8] kaum taerkliche Unterechiede.
b) Die Figg. 13 u. 14 stellen die Curven des Oeffnungs-
und Schliessungsextrastromes in der secundären Wicklang eines
Inductoriums dar, unij zwar Fig. 13, wenn der lineare Strom
von dem unter 9. beschriebenen Apparat, Fig. 14, wenn er
von der unter a) besprochenen Wecbselstrommaschiii'
Fig. 13.
liefert wird. In beiden Gurren ist da, wo sie abbrechen, je
ein verticales Stück zu ergänzen (»gl. Fig. 13a); dasselbe wir
auf dem Schirm schwach, aber vollkommen deutlich zu sehen,
es war aber nicht hell genug, am bei der photographischen
Aufnahme zum Vorschein zu kommen.
Die Anordnung war in diesem Falle so getroffen, dass
an dem Apparate (Fig. 5) bez. an dem Anker der Wechsel-
strommaschine ein kleines Anschlagssttkck befestigt war. Da<'
selbe unterbrach bei jeder Umdrehung durch Aufschlagen eine«
Uorsetasters den primären Strom des Inductoriums und schlosj
ebenso diesen Strom wieder, indem es den Taster wieder zu-
schlagen Hess.
c) In Fig. 15 endlich ist eine Hysteretittchleife eines
dünnen Eisendrahtes abgebildet. Sie wurde in folgender Weise
1) \'gl. p, 850.
Demonstration und Photographie von Stromcurven. 853
gewonnen. Der von dem Apparat (Fig. 5) gelieferte lineare
Strom wurde getheilt. Ein Theil desselben wurde durch das
oben erwähnte verticale Spulenpaar geschickt, der andere Theil
durch das horizontale Spulenpaar, in das ein Bündel aus feinen
Eisendrähten geschoben war. Die horizontale Ablenkung des
Luminescenzüeckes wird also proportional der Stromintensität,
die verticale der in den Drähten durch den Strom erzeugten
Induction. Man dreht dann den Apparat in der einen Rich-
tung, sodass der von ihm gelieferte Strom von Null bis zu
einem gewissen Betrage anwächst und dreht ihn dann ebenso
zurück; der Luminescenzfleck beschreibt dann eine Hysteresis-
schleife.
Die Methode gestattet also auch eine sehr einfache Auf-
nahme von Hysteresiscurven. Es würde sich nur empfehlen,
wenn die Methode ausschliesslich dafür verwandt werden sollte,
den Apparat Fig. 5 durch einen für diesen Zweck günstiger
construirten zu ersetzen.
Die angeführten Beispiele genügen wohl, um die Brauch-
barkeit der Methode für die verschiedensten Zwecke zu er-
läutern. Nur eines möchte ich noch hinzufügen. Schon bei
verhältnissmässig geringen Tourenzahlen ist das Bild, welches
sich, besonders wenn man sich etwas von der Kathodenstrahlen-
röhre entfernt, dem Auge darbietet, die Stromcurve, welche als
hellleuchtende f scharf begrenzte und unbewegliche Linie von dem
dunkeln Hintergrunde sich abhebt. Die beschriebene Methode
ist damit in hervorragender Weise geeignet zur Demonstration
der meisten Erscheinungen, welche für die Erzeugung und
Wirkung variabler Ströme in Betracht kommen.
Für die Anregung zu der Arbeit bin ich Hrn. Prof. Dr.
F. Braun zu grossem Danke verpflichtet.
Strassburg i. E., Physikalisches Institut.
(Eingegangen 26. September 1899.)
12. Ennlttelung der Oberschwingung eines lyreh-
Stromes; von J. Zenneck.
Je mehr die Intensitätscurve eines Drehstromes von der
Sinusform abweicht, um so grösseres, praktisches und theo-
retisches, Interesse besitzen die Fragen:
1. Welches ist die hauptsächlich zur Geltung kommende
Oberschwingung ?
2. Wie gross ist ihre Amplitude im Verhältniss zur
Grundschwingung ?
Die Beantwortung dieser Fragen ist selbst dann, wenn
man die Stromcurve kennt, ohne besondere Hülfsmittel zum
mindesten umständlich. Sie wird sehr einfach bei Benutzung
der folgenden Anordnung.
Der Drehstrom soll als Vierphaseustrom angenommen
werden. Man schickt dann eine Phase desselben durch ein
/ Paar von Spulen mit gemeinsamer Axe, ebensc»
B eine zweite, um 90^ dagegen verscTiobene Phase
,/-1<, gleicher Amplitude durch ein eben solches
jr(iiiinn](-i^ciiiiiinjr ° ^ i ui. j
'—^ Spulenpaar, dessen Axe senkrecht zu der-
B jenigen des ersten Spulenpaares steht (Fig. 1)
* In den Schnittpunkt der beiden Spulenaxeu
Fig. 1. bringt man eine Braun 'sehe Röhre mit der
Axe senkrecht zur Ebene der beiden Spulenaxen.
Ist die n^^ Oberschwingung die hauptsächlich in Betracht
kommende, so lässt sich die Intensität ii bez. in des Stromes
in den Spulen I und II ausdrücken durch die Gleichungen
I ix ^ A%\x\ vt + B ^mnvt ,
(1) r. '
I in = Ä cos vt + B cos nvty
in welchen t die Zeit, die übrigen Grössen Constante be-
zeichnen. Da die Ablenkung des Luminescenzfleckes auf dem
Schirm der Braun 'sehen Röhre der Intensität des Stromes
Oberschicingung eines Drehstromes, 855
in den Spulen proportional ist*), so bekommt der Fleck ße-
wegungscomponenten in der x- und y-Richt;iting (Fig. 1) von
der Form:
( o: = a sin y / + Z» sin ?i V / ,
(2)«) \
I y = a cos vi '\- b cos nvt ,
Für die Curve, welche der Fleck beschreibt, gilt:
(3) jr* + y2 = a2 + Ä2 + 2a*cos(7i- \)vi
oder, wenn die Amplitude h der Oberschwingung gegenüber
derjenigen der Grundschwingung a als klein betrachtet werden
darf, was wohl thatsächlich stets zulässig ist:
(4) r /^x^^y^^a'\-hQ!Q%{n-~'\)vt.
Da ausserdem
(5) </ arctg = approx. v t
und
80 lässt sich Gleichung (4) folgendermaassen interpretiren. Ist
die n^ Oberschwingung die ausschliesslich oder hauptsächlich
zur Geltung kommende, so kann man sich die Curve, welche
der Luminescenzfleck beschreibt, entstanden denken dadurch,
dass auf einer Kreisperipherie als Abscisse n — 1 Perioden
einer Sinuslinie aufgetragen wurden, deren Amplitude (b) zum
Radius des Kreises (a) sich verhält wie die Amplitude der
Oberschwingung {B) zu derjenigen der Grundschwingung {Ä).
Ist z. B. die fünfte Oberschwingung vorhanden und ist ihre
Amplitude ^s derjenigen der Grundschwingung, so muss die
Curve, welche man erhält, die in Fig. 2 ausgezogene sein.
1) Vgl. p. 847.
2) Liegt nicht Vier-, sondern Dreiphasenfitrom vor, dessen drei
Phasen man durch drei um je 120^ gegeneinander geneigte Spulen
schickt, so gelangt man für die x- und y-Componenten des entstehenden
Drehfeldes ebenfalls auf die Gleichungen (2). £a ist also fQr das Folgeode
gleichgültig, ob man es mit Vier- oder Dreiphasenstrom xu thun hat
856 J. Zermeck.
Bekommt man umgekehrt durch die oben bescfariebeoe
Anordnung die /^urve (Fig. 2), so können mit Hülfe dieser
Curve die anfangs aufgestellte»
Fragen nnmittelbar beantwortet
werden :
1. Die Anzahl der Ausbuch-
tungen A^ bis A^ = 4 = (n— 1) zeigt,
dass die in Betracht kommende
Oberschwingung die um eins höhere
fünfte ist.
2. Das Verhältniss der Am-
plitude der Obeiflchwingung zu
derjenigen der Grundschwingung
erhält man, indem man den Radiu»-
vector an der Stelle der stürksten Einbuchtung (B) auf OJ,
allträgt, gleich 0 C, und A^C in ß halbirt. Es ist dann
OD^a, CD= DA^ =i.
Ks verhält sich also die Amplitude der Oberschwingung zu
derjenigen der Grundscliwingung wie CD: OD oder wie i:6-
Wendet man das Torgaschlagene Verfahren auf die hier
im Institut befindliche Drehstrommaschine') an, deren Strom-
Fig. 2.
Fig. 3.
curve diejenige von Fig. 3^ ist, so erhält man die Fig. 4.
Die Anzahl der Ausbuchtungen (gleich 8) zeigt, dass die zu
Geltung kommende Oberschwingung die neunte ist, und «iie
Ausmessung in der eben angegebenen Weise ergiebt als Ver-
1) QleichBtromdynaino auch i
gerichtef.
2) Photo^raphJBi'he Aufnahm
Methode.
r Abgabe von
iJHch tlür p. :
Oherschwingung eines Drehstromes, 857
hältniss ihrer Amplitude zu derjenigen der Grundschwingung
im Mittel ungefähr 1:86. Der Wechselstrom lässt sich also
darstellen durch die Gleichung
i = A (sin vt ^ sin 9 v t).
OD
Das bisherige beruhte auf der Voraussetzung, dass nur
eine Oberschwingung vorhanden sei, oder wenigstens die Am-
plitude einer Oberschwingung diejenigen aller anderen weit
überrage. Sind die Amplituden mehrerer Oberschwingungen
ungefähr von derselben Grössenordnung, so treten an Stelle
der Gleichungen (1) und (4) die folgenden:
(1 a) i = // sini' ^ + ^^^ sin n «/ ^,
n
(4a) r=^a-\-^^b^. cos [n—Vjv t,
n
Die Curve also, welche in diesem Falle auf dem Kreis vom
Radius a aufgezeichnet erscheint , unterscheidet sich von der
Stromcurve (la) dadurch, dass die Grundschwingung ausge-
schaltet und die Ordnung jeder Oberschwingung um eins er-
niedrigt ist. Die angegebene Methode liefert dann nicht ohne
weiteres die Oberschwingungen selbst, bleibt aber auch in
diesem Falle ein sehr empfindliches Beagenz auf das Vorhanden-
sein von Oberschwingungen.
Strassburg i. E., Physikalisches Institut.
(EiDgegaDgen 26. September 18)^9.)
13« Die Transformation ei/nea Wechselstromes auf
doppelte Wechselzahl mit Hülfe eines ruhenden
Transformators; von J. Zenneck.
Für eine Reihe von Versuchen liegt das Bedürfniss nach
einem Wechselstrom von hoher Wechselzahl vor, der gleich-
zeitig verhältnissmässig constante Amplitude und beträchtliche
Energie besitzen sollte. Dieses Bedürfniss ist in einfacher
Weise durchaus nicht zu befriedigen , sobald die gewünschte
Wechselzahl diejenige der praktisch gebrauchten Wechsel- und
Drehstromgeneratoren übersteigt.
Steht indess schon ein Wechsel- oder Drehstrom zur Ver-
f&gungy so giebt es ein sehr einfaches Verfahren, um denselben
Fig. 1.
und zwar mit Hülfe eines ruhenden Transformators auf doppdto
Wechselzahl zu transformiren.
Die Anordnung ist wohl aus Fig. ] ohne weiteres ?er-
ständlich. Der zu transformirende Wechselstrom wird verzweigt
Iti jeden Zweig ist eine Graetz'sche Kohle- Alaun- Aluminium-
zelle eingeschaltet und zwar in den einen Zweig mit der
Richtung C-Al^ in den anderen mit der Richtung Al-C. Jeder
der Zweige setzt sich in eine Wickelung eines Transformators
(I und n Fig. 1) fort. Aus einer dritten Wickelung (III Fig. I)
desselben Transformators kann dann der auf doppelte Wechsel-
zahl transformirte Wechselstrom abgenommen werden.
Bei der Erklärung der Wirkungsweise dieser Anordnung
soll der Einfachheit wegen angenommen werden, dass der
verwandte Wechselstrom genau sinusförmig ist. dass die Kohle-
Aluminiumzelle den Strom nur in einer Richtung durchlässt
Tramformation eines H'echtelttromet auf doppelte H^eduelzaht. 859
und zwar ohne im Übrigen die Stromcarve zu venindeni, und
dasa der Transformator hysteresisfrei ist.
Dann iBt die durch den Zweig I allein in dem Trans-
formator erzeugte Indnction während einer vollen Periode des
ursprünglichen Wechselstromes von der Form der Fig. 2, während
Fig. 3 dasselbe darstellt f(ir den Fall, dass die Induction nur
Fig. *. Fig. 5.
durch deu Zweig II hervorgerufen wird. Sind beide Zweige
gleichzeitig wirksam, so ist die Induction im Transformator
von der Form der Fig. 4, d. h. sie besitzt während einer
Periode des ursprünglichen Wechselstromes zwei Maxima.
Dasselbe gilt dann fUr die in der Wickelung III induclrte
elektromotorische Kraft, deren Curve unter den gemachten
Annahmen diejenige von Fig. 5 ist. Das Resultat ist also in
Wickelung III ein — allerdings nicht sinusförmiger — Wechsel-
strom doppelter Wechselzahl.
Wenn die gemachten Voraussetzungen nicht genau zu-
treffen, so tritt an Stelle der Fig. 5 eine andere Curve, am
Wesen der Sache wird aber nichts geändert. Ich erhielt z, B.
860 /. Zenneck, Transformation eines H^'eckselstromes etc,
mit einem Wechselstrom, dessen Stromcurve in Fig. 6^), ab-
gebildet ist, einen solchen doppelter Wechselzahl von der
Form der Fig. 7.
Der IVirkungsgrad der ganzen Anordnung war bei meinen
Versuchen ein wenig günstiger. Da es mir nur darauf an-
kam, zu zeigen, dass man in der angegebenen Weise that-
sächlich einen Wechselstrom doppelter Wechselzahl erhält, so
war auf besonders günstigen Bau des Transformators kein
Werth gelegt worden. Ausserdem Hessen die für den Versuch
frisch zusammengesetzten C-Al- Zellen verhältnissmässig viel
Strom auch in der Richtung C-Al durch, was den Wirkungs-
grad sehr beeinträchtigt; überdies deformirten sie auch noch
die Stromcurve in sehr ungünstiger Weise — die Stromcune
hatte, wenn die Zelle eingeschaltet war, die Gestalt Fig. 8 — .
Da unter günstigen Bedingungen die Ventilwirkung der C-AI-
Zellen eine fast vollkommene ist und eine nur unerhebliche
Deformation der Stromcurve durch dieselben eintritt, so darf,
wenn man ausserdem einen besser gebauten Transformator
verwendet, erwartet werden, dass ein viel besserer Wirkungs-
grad und ein mehr sinusförmiger Wechselstrom doppelter Wechsel-
zahl erreicht werden kann.
Strassburg i. £., Physikal. Institut.
1) Photographirt nach der p. 838 ff. angegebenen Methode.
(Eingegangen 26. September 1899.)
14. Photographische Darstellung von Strom- und
Spannung scurven mittels der Braun^ sehen Röhre;
von A. Wehnelt und B. Donath.
Wir beschreiben nachfolgend eine Versuchsanordnung,
welche es gestattet, die im rotirenden Spiegel beobachteten
Curven des Luminescenzfleckes der Braun'schen Röhre^)
photographisch zu fixiren und gleichzeitig die Möglichkeit bietet,
die erhaltenen Curvenbilder quantitativ auszuwerthen. Diese
Augwerthung ist bei Rohren in der gangbaren Form stets
möglich, da die Ablenkung a des Lichtfleckes für die durch die
Grösse des Luminescenzschirmes gegebenen kleinen Ablenkungs-
winkel praktisch vollkommen proportional der Intensität i des die
Indicatorspule durchfliessenden Stromes ist. Hierfür möge eine
beliebig herausgegriffene Messuugsreihe veranschaulichend sein.
•
t
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
n
1,1
1,5
1,9
2,3
2,7
3,1
Au80chlag pro Amp. in cm
0,74
0,75
0,76
0,76
0,77
0,77
Die Röhre muss vor jeder neuen Messungsreihe von neuem
geaicht werden, da man den Luftdruck in derselben und als
Function desselben das Entladungspotential, sowie auch letzteres
an und für sich, nicht als constant betrachten kann und
die magnetische Ablenkbarkeit abhängig vom Entladungs-
potential ist.
Wenn bisher mit der photographischen Fixirung der
Curvenbilder unseres Wissens keine befiiedigenden Resultate
erreicht zu sein scheinen, so ist man wohl an dem Versuch
gescheitert, das sehr lichtschwache Bild im rotirenden Spiegel
zu photographiren. Wir umgingen daher den Gebrauch des-
selben ganz.
1) F. Braun, Wied. Ann. 60. p. 553—555. 1897.
A. tfehnelt u. B. Donath.
VenuotiHano rdnunE-
Dem photographischen Apparat A (Fig. I) gegenüber niiJ
etwa soweit tod ihm entfernt, dass die Büdgrösse ^/, des Object«8
wird, ist die Braun'acbe Bohre R aufgestellt. Der Winkel
zwischen der optischen Äxe des Objectives und der R5hrenaze
wird so klein gewählt, als es die bilderverzerrende Slaswand
der Röhre znlässt. Unmittelbar unter der ß5hre, in derselben
VerticalebeDe mit dem Lichtpunkt auf der lumiDescirendeii
Scheibe und normal zur optischen Axe, schwingt vertical eine
kleine Aluminiumblende B. Sie ist in ihrer Mitte mit einem
Loch von etwa 0,3 mm Durchmesser versehen und au der
elektromagnetischen Stimmgabel C befestigt Letztere macht
100 Schwingungen in der Secunde. Sy ist ein System von
10 cm grossen Beleuchtungslinsen, welches das Licht einer sehr
hellen Lenchtquelle L so auf die Blende B wirft, dass sich bei
Nichtvorhandensein der letzteren das convergirende Strahlen-
bUndel in Objectiv 0 schneiden würde. Wird die ßOhre erregt.
Strom" und Spannung scurven. 863
80 erscheint auf der Mattscheibe der blaue Fleck vom Lu-
minescenzschirm und darüber der leuchtende Punkt der Stimm-
gabelblende. Beim Schwingen der Blende und Arbeiten der
Röhre verzerren sich beide Bilder zu Streifen, welche so justirt
wurden, dass sie in derselben Verticalebene liegen. S ist eine
die Ablenkung des Kathodenstrahlenbündels bewirkende Draht-
spule. Die Zuleitungen a^ a^ sind mit den Polen einer vier-
plattigen Influenzmaschine, b^ b^ mit dem jeweilig auf seine
Beschaffenheit zu untersuchenden Stromkreise verbunden.
Aus den bereits dargelegten Gründen wurde auf eine Aus-
einanderlegung des Lichtstreifens durch rotirende Spiegel ver-
zichtet. Um das Bild zu verschieben und dabei eine in allen
Theilen gleich scharfe Aufnahme zu erhalten, wurde statt dessen
eine Schlittenvorrichtung V für die photographische Platte an-
geordnet. Sie besteht in einem, oben und unten mit Laufnuthen
versehenen Brett von etwa dreifacher Eassettenlänge. In einem
schmalen Schlitz Sp desselben bewegen sich die Lichtpunkte
auf und ab. Diese Verengerung der hinteren Cameraöffnung
ist zwar nicht unbedingt nöthig, aber zweckmässig, da sie die
aufgezogene, sich anfangs seitlich rechts von dem Schlitz be-
findliche Kassette K vor Nebenlicht schützt.
Eine Bewegung der Kassette von Hand ist gleichmässig
genug, da die gleichzeitig zur Darstellung gelangende Stimm-
gabelcurve eine Controle und Bewerthung nach der Zeit für
jedes Curvenelement gestattet.
Es ist jedoch durchaus erforderlich, dass die Influenz-
maschine in sehr gutem Zustande ist und sehr schnell umläuft,
um bei grossen Kassettengeschwindigkeiten noch einigermaassen
zusammenhängende Curvenbilder zu liefern. Auch so reicht
das Licht des Luminescenzfleckes, wennschon seiner blauen
Farbe wegen ziemlich aktinisch, bei rapidem Anstieg oder
Abfall der Curve kaum aus, um auf der Platte eine Spur zu
hinterlassen. Bedingung für das Gelingen ist daher femer ein
lichtstarkes Objectiv und eine hochempfindliche Trockenplatte.
Wir verwendeten einen Portraitkopf von ^/3, welcher für die
von uns untersuchten Curven eben ausreichte. Die Aufnahmen
wurden auf Schleussner-Momentplatten gemacht und mit
Rodinal kräftig entwickelt.
Für die Stimmgabelcurve kann bei der in der Fig. 1
864 A. IVehneÜ u. B. Donath.
skizzirten Aufs tellungs weise Gasglühlicht allenfalls ausreichen;
die in der Figur reproducirten Curven wurden jedoch mit
Bogenlicht erhalten.
Soll statt der Stromcurve die Spannungscurve erscheinen,
so kann man die Ablenkung der Kathodenstrahlen nach dem
Vorgange von H. Ebert^) durch Condensatorladung erreichen.
Doch eignet sich diese Methode nur f&r relativ hohe Spannungen
und wird mit einer für praktische Zwecke genügenden Ge-
nauigkeit besser durch die Ablenkung einer Spule von hohem
Widerstände ersetzt.
Stehen zwei Influenzmaschinen zur Verfugung ^ so kann
man Strom- und Spannungscurve auch gleichzeitig auf der-
selben Platte fixiren und hierbei die durch Vorhandensein
von Selbstinduction oder Capacität im Stromkreise hervor-
gerufenen Phasenverschiebungen, desgleichen die Erscheinungen
bei der Transformation von Wechselströmen etc. untersuchen.
Die Stimmgabelvorrichtung fällt dann fort und an ihre Stelle
tritt eine zweite Braun 'sehe Röhre, deren Kathodenstrahlen
ihre Ablenkung durch Condensator oder eine Drahtspule von
hohem Widerstand erfahren. Die Luminescenzschirme beider
Röhren bilden dann etwa einen rechten Winkel und sind vom
Objectiv gleich weit entfernt, sodass beide Lichtstreifen auf
der Mattscheibe gleich scharf erscheinen. Soll die Phasen-
verschiebung genau bestimmt sein, so ist darauf zu achten,
dass die Lichtstreifen genau in derselben Verticalebene liegen.
Die Platte liefert dann beide Curven untereinander und zwar
so, dass die senkrecht zur Nulllinie geschnittenen Curvenelemente
denselben Zeittheilchen angehören.
Sollen beide Curven nicht untereinander, sondern — was
jedenfalls instructiver ist — ineinander verschränkt erscheinen^
so lässt sich dies auf zweierlei Weise erreichen, entweder nämlich
durch Superposition zweier Abzüge oder durch zwei Objectife.
Das erstere der beiden Verfahren, nach dem auch die Curve
(Fig. 10 der Tafel, p. 866) hergestellt ist, setzt voraus, dass von der
Originalplatte zunächst ein Contactabzug wiederum auf einer
Platte hergestellt wird, die dann die Curven weiss auf dunklem
Grunde zeigt. Diese Platte dient als Matrice für eine Copie
1) H. Ebert, Wied. Ann. 64. p. 240ff. 1898.
Strom- und Spannung scurven, 865
auf sogenanutem Abzieh-CoUodium-Papier, dessen Schicht sich
nach Fixage, Vergoldung und Äuswässerung in warmem Wasser
von seiner Papierfolie ablösen und — indem man die letztere
vorsichtig unter der CoUodiumJiaut hervorzieht — auf einer Glas-
platte befestigen lässt. Bei einiger Uebung gelingt es leicht,
Strom- und Spannungscurve übereinander zu bringen, nachdem
dieselben vorher auf der Copie voneinander getrennt sind.
Die richtige Lage wird durch Deckung der Nulllinien und
einer vor dem Copiren auf der Platte zu ihr gezogenen Nor-
malen erreicht. (Letztere auf der Abbildung sichtbar.) Sind
zwei lichtstarke Objective vorhanden, so ist die zweite Methode
ihrer Einfachheit halber vorzuziehen. Die von den beiden
Röhren herrührenden Lichtstreifen werden durch sie auf der
Mattscheibe zur Deckung gebracht und liefern dann auf der
bewegten Platte ohne weiteres die ineinander verschobenen
Curven. Das Bild auf der Mattscheibe gestattet dann auch
eine directe Betrachtung im rotirenden Spiegel.
Von den im Laufe der Versuchsreihen erhaltenen Curven
bilden wir auf der beigegebenen Tafel, Figg. 1 — 10, p. 866
einige der charakteristischsten ab und geben nachfolgend für
jede derselben eine kurze Erläuterung.
Erläuterung der Tafel, Figg. 1—10, p. 866.
Fig. l . Stromcurve eines Deprezunterbreckers, Indicatorspule
im Stromkreise eines grösseren Inductoriums. Unregelmässiger
Gang des Unterbrechers bemerkbar an dör verschiedenen
Curvenhöhe. In einem Falle zickzackformiger Anstieg durch \
schlechten Contact. Relativ langes Aussetzen des Stromes
zwischen Oeffnung und Schluss, dargestellt durch die zwischen
den einzelnen Aufstiegen horizontal verlaufenden Curvenstücke,
welche gleichzeitig die Nulllinie des Curvenbildes darstellen. ,
Während dieser Ruhepausen findet das Ausschwingen des aus*
Selbstinduction und Capacität bestehenden Systems (die in ;
der Curve auftretenden Verwaschungen am Fusse des Abfalls)
statt, wie sie von Hrn. B. Walser nach der Betrachtung im .
rotirenden Spiegel bereits ge:5eichnet wurden.*) ;
1) B. Walter, Wied. Ann. 62. p. 312. 1897. ^. i^. j
Ann. d. Phyi. o. Chem. N. F. 69. ^ 55
A. Wehneü u. B. DonaA.
T»feL
Strom- und Spannungscurven, 867
Fig. 2. Stromcurve des elektrolytUchen Unterbrechers. Auch
die photographische Fixirung der Gurve zeigt im wesentlichen
den bereits früher nach der directen Betrachtung im rotiren-
den Spiegel zeichnerisch dargestellten Verlauf, nämlich Maximal-
amplitaden von gleicher Höhe.^) Der Stromabfall erfolgt so
rapide, dass er auf der Reproduction nicht erscheint (auf der
Originalplatte war er schwach vorhanden). Stromabfall und
Anstieg folgen einander unmittelbar, wodurch sich auch (als
eine der Ursachen) die höhere efifective Stromstärke gegenüber
derjenigen der mechanischen Unterbrecher (z. B. Deprezunter-
brecher) bei gleicher Funkenlänge (also annähernd gleicher
Maximalamplitude des Primärstromes) erklärt. Bemerkens-
werth ist das ausserordentlich regelmässige Arbeiten des
Unterbrechers.*)
Fig. 3. Inductionsspule mit magnetisch übersättigtem Eisen-'
kern im Stromkreise des elektrolytischen Unterbrechers, Zu be-
achten ist der Knick im Aufstieg, welcher den Sättigungspunkt
im Eisenkern bezeichnet. Er kommt naturgemäss auch im
Abfall zur Geltung.
Fig. 4. JSinfluss von Capacität an den Klemmen des elektro»
lytischen Unterbrechers.^ Der Abfall der Curve reicht bis
anter die Nulllinie (letztere erhalten durch Vorbeiziehen der
photographischen Platte bei Stromruhe).
Fig. 5. Selbstinduction und Capacität an den Klemmen des
elektrolytischen Unterbrechers, *) Der Abfall reicht nicht bis zur
Nulllinie herab.
1) A. Wehnelt, Wied. Ann. 08. p. 250. 1899.
2) Hr. Jul. West (Elektrotechn. Zeitßchr. 20. p. 747— 750. 1899)
spricht dem Unterbrecher regelmässiges Arbeiten ab, doch ist seine
Versachsanordnnng nicht ein wandsfrei, da er die Fankenfolge an der
Secundärspule eines Indnctoriums als Rriterium benutzt. Nun nnterliegt
der Widerstand der Fankenstrecke darch abfliegende MetaUtfaeilchen,
Wirbel aafsteigender warmer Luft und das durch sie bewirkte fortwährende
Ueberspringen der Fankenerscheinung in eine mehr liohtbogenartige Bil-
dung, dauernder Veränderung. Die variable Belastung bewirkt dann
ihrerseits eine Aendernng der Selbstinduction in der Primärspule und
damit auch eine Aenderung der Unterbreohungsiahl. Ein Urtheil über
die Regelmässigkeit des Ganges lässt sich daher bei Anwesenheit einer
Punkenstrecke nicht gewinnen.
3) Vgl. A. Wehnelt, Wied. Ann. 68. p. 255 u. 256. 1899.
4) 1. c.
55* •
868
A. Wehnelt u. B. Donath.
Fig. 6. Schwingungen eines Systems bestehend aus Selbat-
induction und Capacität. An den Klemmen des Unterbrechers U
(Fig. 2) liegen in Hintereinanderschaltung die
SelbstinductionsspuleZ (mit Eisenkern), die
Capacität C und die Ablenkung8-(Indicator)-
/p\J Spule S an der Braun'schen Röbre. Bei
SX-J^ Stromöffnung ladet sich der Condensator
infolge der an den Klemmen des elektro-
lytischen Unterbrechers auftretenden hoben
Spannung. Unmittelbar darauf Wlt die
Unterbrecherflüssigkeit wieder zusammen
und giebt, indem sie das System in sich
schliessty demselben Gelegenheit, sich oscil-
latorisch zu entladen. Das Abklingen dieser
Schwingungen zeigt die Curve. Durch die
über derselben erscheinende Stimmgabel-
curve ist man in der Lage, bei bekannter Capacität die im
System vorhandene Selbstinduction nach der Formel
Fig. 2.
Z =
4n*C
ZU berechnen (bez. umgekehrt).
Die in diesem Falle durchgeführte Berechnung ergab
beispielsweise bei einem Condensator von 4 Mikrof. den Selbst-
inductionscoefficienten i/ = 0,125, während sich derselbe bei
der gleichen Spule, aber ohne Eisen, nach der MäxwelTschen
Methode gemessen zu 0,012 ergab. Nimmt man mit Ledeboer^)
an, dass ein Eisenkern den Selbstinductionscoefficienten etwa
um das Zehnfache (der Grössenordnung nach) erhöht, so würden
sich beide Werthe ih guter Uebereintimmung befinden.
Fig. 7. Ifechselstromctirve, Stromspender ist eine Gleich-
strommaschine von der durch Schleifringe Wechselstrom ab-
genommen wird. Die Curve zeigt einen sehr rein sinoidalen
Verlauf.
Figg. 8 und 9. Umformung sinoidalen Wechselstromes in
puLsir enden Gleichstrom mitteU Graetz' scher Zellen.^)
Curve 8. Zellen in Hintereinanderschaltung. Die eine
Phase des Wechselstromes ist nahezu vernichtet bis auf einen
1) Vgl. A. Heydweiller, Hülfsbuch elektr. Messungen p. 183. 189t
2) L. Graetz, Wied. Ann. 62. p. 226. 1897.
Strom- und Spannung scurven. 869
kleinen Rest, welcher einen üeberschuss der Maximalspannung
über die Polarisationsspannung der Zellen darstellt. Die
horizontalen Curvenstücke liegen ober- und unterhalb der
Nulllinie, was sich ohne weiteres aus der Nachwirkung des
jeweiligen Polarisationszustandes der Zellen erklärt.
CurveO, Schaltung der Zellen in Form einer Wheatstone'-
schen Brücke. Es werden beide Phasen dargestellt, sodass
der Wechselstrom die Form eines pulsirenden Gleichstromes
annimmt. Es bleibt zu untersuchen, warum der Abfall steiler
verläuft als der Anstieg.
Fig. 10. Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung.
Aufstellung von zwei Braun'schen Röhren in der oben be-
schriebenen Weise, die eine beeinflusst durch eine Spule in
einem Stromkreis von hoher Selbstinduction und geringem
Ohm 'sehen Widerstände, die andere durch eine Spule von
hohem Widerstände. Die Spannungscurve (in der Abbildung
die höhere) hat, da sie durch Stromablenkung, nicht durch
Condensatorablenkung gewonnen wurde, allerdings gegen die
wirkliche Spannungscurve eine geringe Phasen -Verschiebung;
diese wird jedoch sehr gering sein, da IV gross und L ent-
sprechend klein gewählt wurde. Ausser der Nulllinie zeigt die
Abbildung noch zwei durch Gleichstromablenkung erhaltene
Aichungslinien , die untere der Stromcurve, die obere der
Spannungscurve zugehörig. Da, wie in der Einleitung aus-
einandergesetzt, die Ausschläge proportional der Stromstärke
sind, so lassen sich mit ihrer Hülfe maximale, effective und
mittlere Stromstärken berechnen. Gemessen wurde beispiels-
weise mit Hitzdrahtinstrumenten:
«^ffectiT = 0,6 Amp.,
^effecÜT = 16,0 Volt.
Aus der Curve ergab sich mit Hülfe der Aichungsstriche
die Maximalamplitude zu
«^max = 0,85 Amp.,
Amax = 22,63 Volt,
und hieraus berechnet
870 A. Wehnelt u. B. Donath. Strom- und Spannungscurven,
^effecUT = 0,707. Jn^ = 0,599 Amp.,
^efltecüT = 0,707. .EL« = 15,99 Volt,
was gut mit den Werthen der Hitzdrahtinstramente überein-
stimmt.
Beaultat.
Die Brau nasche Röhre zeigt sich bei photographiscber
Fixirung ihrer Curvenbilder auch für Zwecke quantitativer
Ausmessung von Strom- und Spannungscurveu geeignet.
Charlottenburg, im November 1899.
(Eingegangen 7. November 1899.)
k
Namenregister zum Jahrgang 1899.
A.
Abraham, M., Phase Uertz*8cher
SchwioguDgeu 67, 834.
Abt, A., Magnetische Eigenschaften
des Hämatits 68, 658.
Angström, K., Absolute Bestim-
mungen der Wärmestrahlung mit
dem elektrischen Compensations-
pyrheliometer, nebst einigen Bei-
spielen der Anwendung dieses In-
strumentes 67, 633.
Appunn, A., Bestimmung der
ochwinguu^zahlen meiner hohen
Pfeifen auf optischem Weee 67,
217. — Warum können Difterenz-
töne nicht mit Sicherheit zur Be-
stimmung hoher Schwingunes-
zahlen angewandt werden? 97,
222.
Arons, L., Notiz zum Saitenunter-
brecher 67, 682.
Aschkiuass, £., Wirkung elek-
trischer Schwingungen auf be-
netzte Contacte metallischer Leiter
67, 842.
Aschkinass, £. u. Rubens, H.,
Isolirung langwelliger Wärme-
Strahlen durch Quarzprismen 67,
459.
B.
Beckenkamp, J., Kinetische
Theorie der Drehung der Polari-
sationsebene 67, 474.
Behrendsen, 0., Beiträge zur
Kenntniss der Bccquerelstrahlen
69, 220.
inender, C, Brechungsexponenten
reinen Wassers und normaler Salz-
lösungen 68, 843. — Brechungs-
ex poneuten reinen Wassers und
normaler Salzlösungen (II. Ab-
handlunff) 69, 676.
B c rg, 0., Bedeutung der Kathoden-
strahlen undCanalstrahlen für den
Entladungsmechanismus 68, 688.
Berkenbusch, F., Zur Messung
von Flammentemperaturen durch
Thermoelemente, insbesondere
über die Temperatur der Bunsen-
flnmme 67, 649.
Bock, A., Blauer Dampfstrahl 68,
674.
Bohr, Gh., Definition und Methode
zur Bestimmung der Invasions-
und Evasionscoefficienten bei der
Auflösung von Gasen in Flüssig-
keiten. Werthe der genannten
Constanten sowie der Absorptions-
coefficienten der Kohlensäure bei
Auflösung in W^aaser und in
Chlomatriumlösungen 68, 500.
Boltzmanu, L. u. Mache, H.,
Modification der von der Waals*-
schen Zustandsgieich uug 68, 850.
Breitenbach, P., Innere Reibung
der Gase und deren Aenderung
mit der Temperatur 67, 803.
Breithaupt, G., Optisches Ver-
halten eingebrannter Gold- und
Platinschichten 68, 46.
C.
Cantor, M., Entladungsform der
Eiektricität in verdünnter Luft 67,
481. — Dampfdruck coexistenter
Phasen 67, 683.
Christiansen, C. , Ezpeiimental-
untersuchungeu über den Ur-
sprung der Berührungselektricität.
(Vierte Mittheilung) 69, 661.
Coolidge, W. D., Neue Methode
zur Demonstration der elektrischen
Drahtwellen 67, 578. — Dielek-
trische Untersuchungen und elek-
trische Draht wellen 69, 125.
D.
Day, A. u. Uolborn, L., Luft-
thermometer bei hohen Tempera-
turen 68, 817.
872
Namenregister,
Dennhardt, R., Beziehuogen
zwischen Fluidität uod elektro-
lytischer Leit^higkeit von Salz-
lösungen, sowie über die Leit-
fähigkeit von Oelsäure und deren
Alkalisalzen in Wasser bez. Alko-
holen bei verschiedenen Tem-
peraturen 67, 325.
Dieterici, C, Dampfdrucke ver-
dftnnter wässeriger Lösungen bei
0<>C. 67, 859. — Kritischer Zustand
69, 685.
Dietz, ß. u. Dittenberger, W.,
Elektrolytisches Verhalten des
Platin- und Zinnchlorids 68, 853.
Dittenberger, W. u. Dietz, R.,
Elektrolytisches Verhalten des
Platin- und Zinnchlorids 68, 853.
Donath, B.u.Wehnelt,A., Photo-
graphische Darstellung von Strom-
und Spannungscurven mittels der
Braun^schen Röhre 69, 861.
Donle, W., Versuche zur Ermit-
telung der Grössenordnung der in
Radiometern auftretenden Drucke
68, 306.
Drude, P., Elektrische Dispersion
67, 489.
E.
Ebert, H., Die in Entladungs-
rohren umgesetzten Werthe an
elektrischer Wechselstromenergie
67, 608. — Entwickelungsgesetz
desHittorfschenKathodendunkel-
raumes 69, 200. — Glimmlicht-
erscheinungen bei hochfrequentem
Wechselstrome 69, 372.
Elster, J. u. Geitel, H., Weitere
Versuche an Becquerelstrahlen
69, 83. — Zweckmässige Anord-
nung des Mac Farlan Moore'schen
Vacuumvibrators 69, 483. — Ein-
wirkung von Becquerelstrahlen auf
elektrische Funken und Büschel
69, 673.
Emden, R., Ausströmungserschei-
nungen permanenter Gase. An-
fang 69, 264—289; Schluss 69,
426—458. — Luftwiderstand flie-
gender Geschosse 69, 454.
Eschenhagen, M., Werthe der erd-
magnetischen Elemente zu Pots-
dam fdr das Jahr 1898 68, 917.
Ewers, P., Mechanik der Canal-
und Kathodenstrahlen 69, 167.!
Fischer, K. T., Geringste Dicke
von Flüsaigkeitshäutchen 68, 414.
Pocke, Th. M., Thermische Leit-
fähigkeit verschiedener Gläser mit
Rücksicht auf ihre chemische Zu-
sammensetzung 67, 132.
Fomm, L., Eine neue Erscheinung
bei elektrischen Entladimgen in
verdünnten Gasen 68, 620. —
Elektrische Abbildungen 69, 479.
Forch, C, Oberflächenspannung
wässeriger Lösungen 68, 801.
G.
G ei gel, R., Notiz über theil weise
Polarisation natürlichen Lichtes
bei vielmaliger Totalreflexion 68,
698.
Geitel, H. u. Elster, J., Weitcrc
Versuche an Becquerebtrahlen
69, 83. — Zweckmässige Anord-
nung des Mac Farlan Moore*schcn
Vacuumvibratoro 69, 483. — Ein-
wirkung von Becquerelstrahlen aof
elektrische Funken und Büschel
69, 673.
Giesel, F., Einiges über das Ver-
halten des radioactiven Baryts
und über Polonium 69, 91. —
Ablenkbarkeit der Becquerel-
strahlen im magnetischen Felde
69, 834.
G o 1 dh a m m e r , D. A., Zeeman*schc8
Phänomen, die magnetische Cir-
cularpolarisation und die magne-
tische Doppelbrechung 67, 696.
Goldstein, E., Structur des Kt-
thodenlichtes und die Natur der
Lenard'schen Strahlen 67, 84.
Graden witz, A., Bestimmung von
Capillarconstanten an erstarrten
Tropfen 67, 467.
Grunmaoh, L., Eiufluss dc0
Streckens durch Zugbelastung taf
die Dichte des Materiales 67, 227.
Grützmacher, Fr., Thcrmome-
trische Correctionen 68, 769.
H.
de Hagn, E., Radioactive Substanz
68, 902.
Haga, H. u. W ind, C. H.. Beugung
der Röntgenstrahlen 68, 884.
Namenregister,
87»
Hallwachs, W., Doppeltrogre-
fractometer und Untersuchungen
mit demselben an Losungen von
Bromcadmium, Zucker, Di- und
Trichloressigsfture , sowie deren
Kaliumsalzen 68, 1.
Ha8obek,£. u. Mache, H., Druck
im Funken 68, 740.
Heinke, C, Messung elektrischer
Grössen bei periodisch veränder-
lichen Strömen 69, 612.
Hempel, W., Vergleichende Be-
stimmung der Wärmeisolation ver-
schiedener Einrichtungen 68, 137.
Hey d weiller, A., Bewegte Körper
im elektrischen Felde und über
die elektrische Leitfähigkeit der
atmosphärischen Luft 69, 581.
Hillers, W., Einfluss des Gas-
druckes auf elektrische Ströme,
die durch Röntgenstrahlen hervor-
gerufen werden 68, 196.
Himstedt, F., Spitzenentladung
bei Hochfrequenzströmen 68, 294.
V. Hirsch, R., Dichtebestimmungen
von gesättigten Dämpfen und
Flüssigkeiten 69, 456. — Nach-
trag 69, 837.
Holborn, L. u. Day, A., Luft-
thermometer bei hohen Tempera-
turen 68, 817.
J.
Jäger, G., Kinetische Theorie der
Flüssigkeiten 67, 894. — Kine-
tische Theorie der Flüssigkeiten
68, 615. — Erwiderung 69, 720.
Jäger, G. u. Meyer, St., Magne-
tislrungszahl des Wassers 67, 427.
— Magnetisirungszahl des Wassers
67, 707.
J au mann, G., Interferenz der Ka-
thodenstrahlen (I. Mittheilung)
67, 741.
K.
Kahle, K., Behandlung des Silber-
voltameters und seine Verwendung
zur Bestimmung von Normal-
elemcnten 67, 1.
Kaufmann, W., Diffuse Zer-
streuung der Kathodenstrahlen in
verschiedenen Gasen 69, 95.
Kette 1er, E., Studien zur Total-
reflexion und Metallreflezion 67,
879. — Pendel in Luft als Wellen-
erreger und als Resonator 68, 74.
— Notiz, betreffend magneto-
optische Erscheinungen 68, 125.
Koch, K. R., Verbesserungen am
Normalbarometer 67. 485.
Koenig, R., Höchste hörbare und
unhörbare Töne von c^ = 409ft
Schwingungen [ut^ &= 8192 1^ «), bis
über /•• (/a„), zu 90000 Schwin-
gungen (1800009«), nebst Be-
merkungen über die Stosstöne
ihrer Intervalle, und die durch
sie erzeugten Kundt'schen Staub-
figuren. Anfang 69, 626—660;
Schluss 69, 721—738.
Kohl rausch, F., Bemerkung zu
einer Arbeit von Hrn. E. Riecke
67, 630.
König, W., Methoden zur Unter-
suchung langsamer elektrischer
Schwingungen 67, 535. — Dis-
persionsmessungen am Gyps 69, 1.
Kösters, W., Elektrische I^dung^
elektrolytisch frisch hergestellter
Gase 69, 12.
Kurlbaum, F., Aenderung der
Emission und Absorption von
Platinschwarz und Russ mit zu-
nehmender Schichtdicke 67, 846.
L.
V. Lang, V., Transversale Töne
von Kautschukfäden 68, 335. —
Longitudinale Töne von Kaut-
schukfäden 69, 804.
Lech er, E. , Versuche mit dem
Wehnelt-lnterruptor 68, 623. —
Experimenteller und theoretischer
Trugschluss in der Elektricitäts-
lehre 69, 781.
Lemke, H., Theorie der Dämpfung
von Galvanometerschwingungen
67, 828.
Lewis, P., Einfluss kleiner Bei-
mengungen zu einem Gase auf
dessen Spectrum 69, 398.
Liebenow, C, Thermodynamik
der Thcrmoketten 68, 316.
M.
Mache, H. u. Boltzmann, L.,
Modification der van der Waals'-
schen Zustandsgleichung 68, 350.
Mache, H. u. Haschek, £., Druck
im Funken 68, 740.
i
874
jSamenregister.
Mack, K.) Experimentelle Unter-
suchung gewisser Strömungs-
gebilde in Flüssigkeiten 6S, 188.
— Nachweis der in den Glas-
thränen vorhandenen inneren
Spannungen mit Hülfe des pola-
risirten Lichtes; ein Vorlesungs-
versuch 69, 801.
Maier, M., Beugungsversuche und
Wellenlängenbestimmung der
Röntgenstrahlen 68, 908.
Mannesmann, 0., Luftwider-
standsmessungen mit einem neuen
Rotationsapparat 67, 105.
Martienssen, H., Methode und In-
strument zur Messung sehr kleiner
Inductionscoefficienten 67, 95.
Melde, F., Verschiedene Methoden
der Bestimmung der Schwingungs-
zahlen sehr hoher Töne 67, 781.
Meyer, G., Tropfelektroden 67, 483.
Meyer, St., Magnetische Eigen-
schaften der Elemente 68, 825. —
Magnetisirungszahlen anorgani-
scher Verbindungen 69, 236.
Meyer, St. u. Jäger, G., Magne-
tisirungszahl des Wassers 67, 427.
~ Magnetisirungszahl des Wassers
67, 707.
Mie, G., Mögliche Aetherbewe-
gungen 68, 129.
Müller-Erzbach, W., Neue Ver-
suche über die Wirkungsweite
der Molecularkräfte 67, 899.
Keugschwender, A., Neue Me-
thode, elektrische Wellen nach-
zuweisen 67, 430. — Neue Me-
thode, elektrische Wellen nach-
zuweisen (2. Abhandlung) 68, 92.
Neuroann, E., Polarisationscapa-
cität umkehrbarer Elektroden 67,
500.
0.
Oberbeck, A., Neue Art von Vo-
lumenometem 67, 209. — Span-
nung an dem Pole eines Induc-
tionsapparates (Dritte Mittheilung)
67, 592.
P.
Patterson, G. W., Experimentelle
und theoretische Untersuchung
über das Selbstpotcntial 69, 34.
Pfaundler, L., Vermeidung einer
Fehlerquelle in der Andrews'-
schen Methodezur Bestimmung der
specifischen Wärme von Flüssig-
keiten 67, 439.
Pockels, A., Untersuchung von
Grenzflächenspannungen mit der
Cohäsionswaage 67, 668.
R.
Richarz, F., Bemerkungen zur
kinetischen Theorie mehratomiger
Gase und über das Gesetz von
Dulong und Petit 67, 702. •
Riecke, E., Arbeit, welche in
grösseren Funkenstrecken einer
Töplerschen Influenzmaschine
verbraucht wird 68, 729. — In
Radiometern auftretender Druck
69, 119. — Vertheilung von freier
Elektricität an der Oberfläche
einer Orookes'schen Röhre 69, 788.
Rosonthal,H., Absorption, Emis-
sion und Reflexion von Quarz,
Glimmer und Glas 68, 783.
Rubens, H., Reststrahlen desFluss-
spathes 69, 576.
Rubens, H. u. Aschkinass, £.,
Isolirung langwelliger Wärme-
strahlen durch Quarzprismen 67,
459.
S.
Seh au fei berger, W., Polarisation
und Hysteresis in dielektriBchen
Medien 67, 807.
Schiller, N., Bedeutung des osmo-
tischen Druckes in der Thermo-
dynamik der Lösungen 67, 291.
Schmidt, G. C, Photoelektrische
Ströme 67, 563. — Nachtrag zu
meiner Arbeit über „Polansirte
Fluorescenz" 68, 779.
S c h 0 1 1 , H., Veränderungen von Jod-
silber im Licht und der Daguerre'-
sche Process 68, 149.
Schreber, R., Maaase der elek-
trischen Grössen 68, 607.
Schulze, F. A., Bestimmung der
Seh wingungszahlen Appunn scher
Pfeifen für höchste Töne auf
optischem und akustischem Wege
68, 99. — Bestimmung der Schwin-
gungszahlen sehr hoher Töne 6$,
869.
Namemregüter.
Scott, A. M,, Studien über Polui-
satioDBcapBcit&t 67, 388.
ScckeUoa, E., Bestimmung der
DimftgTietiBirungscoiistante (Siu-
ceptibilitflt) einiger Metalle 67, 87.
Simon, H. Th., WirkungageMti
des WebnelMInterbrechen 68,
273. — Ein neuer FlttBiigkeits-
onterbTecher 6S, 860.
Simon, S., Verhaltniw der elek-
trischen Ladung inr Huae der
KatbodenstrahleD 6>, &89.
gkinner, C. A., AnodeneeAlle bei
der GlimmeotladmiK 68, 752.
Sommerfeld, A., ror^flonzuiig
elektrodTnamiscber Weflen Iftngi
eines Drabtes 67, 2SS.
Stark, J., PHeadoAllung und
Flockenbildung 68, 117. — Coa-
falfttion kolloidaler LdBungeo
8, ei8. — Elektriicber Strom
cwiscben gaivaniscb glübender
Kohle und einem Heball dnrcb
verdünntes Qtie 68, 9S1. — Ent^
tadnng der ElektricitAt von gal-
vaniBL'h glühender Koble in rer-
dQnutes Oa« 68, 910. — Elek-
triacber Strom durch erhitztes
verdünntes Qaa 68, 942.
Straubel, R., Elatticititatahlen
und ElB«iicitStsmodnln dee Ulases
«8, S69.
Stumpf, C, BesUmmung hoher
Scbwingnngaiahlen durch Dif-
ferenztOne 66, 105.
Snndorph, Th., Uraache xu den
VerftndeTOngen derLeitungsftbig-
keit eines Metallpulvers 68, SB4.
— Uisache der Verflnderong des
LeitungsTennOgena in Bleianper*
oiyd 6», 319.
T.
Tarn mann, ü,, Aenderung der
Schmelzwftime wai der Schmelz-
dmckcurve67,871. — Grenzen des
festen Znatandet IIL Anfang 68,
S53— 58S; SebloM 68, 629— 6&7.
— Abh&i^igkeit des elektrischen
LeitvermOgenaTom Druck 60,767.
Tbiesen, H., Spannung des ge-
sKttigtenWanerdampfM bei Tem-
perataren unter 0* 67, 690.
Toepler,U^ Verbalten de* BOMihel-
lichtbogena im Uagnetfelde 69,
6S0.
V.
Voigt, W., Ueber dt* bei der so-
Senanntan totalen Reflexion in
aa zweite Medium eindringende
Licht 67, ie&. — Bemerkung über
die Grfisae der Spannungen und
Deformationen, bei denen Gleit-
Bchichteu im Kalkspath entstehen
67, 201. — Theorie der magneto-
optiscben Erscheinungen 67, 345.
— Proportionalität von Emissions-
nnd AbsorptionavermOgen 67, 366.
— Beobachtungen über Festig-
keit bei homogener Deformation,
angestellt von L. Januszkiewicx
67,452. — ThermodTnamisches EU
den Wechselbeziebungen i wischen
Galvaniimns und Wfirme 67, 717,
— Nochmals die gebrochene Welle
bei der sogenannten totalen Be*
flezion 68, 135. — Kinetische
maneffectes 68, 352. — Aenderung
der SchwingoDgsform des Lichtes
beim Portscbreiten in einem dis-
S ehrenden oder absorbirenden
[ittel 66, 593. — Erkl&rung der
unter gewissen Umständen ein-
tretenden Verbreitenmg und Um*
kehrung der Spectrailimen 68,
604. — Bemerkung über die b«i
dem Zeeman'schen Phänomen
stattfindenden Inteuaitltsverbält-
nisae 69, 290. — Theorie der Ein*
Wirkung eines elekbrostatiscben
Feldes auf die optischen Eigen-
schaften der KCrper 69, 397. —
Erwiderung 6», 324. — Hm. Liebe-
noVe tbermodynamiscbe Theorie
der Thermoelektridtat 69, 706.
Voller, A. u. Walter, B., Vor-
gSnge im Wehnelt'scben elektro-
lytischen Unterbrecher 68, 526.
rechten Componente der Ober-
fllcbenapannung 68, 496.
Walter, B., EntatehöngnreiM des
elektriseben Punkena (8. Hitthm-
Inng) 68, '776.
876
Namenregister.
Walter, B. u. Voller, A., Vor-
gänge im Wehnelt'scheD elektro-
lytiBchen Unterbrecher 68, 526.
Wanner, H., Notiz über die Ver-
breiterang der />• Linien 68, 148.
Warburg, E., Spitzenentladung
(2. Mittheilung) 67, 69. — Ver-
halten sogenannter unpolarisir-
barer Elektroden gegen Wechsel-
strom 67, 498.
Weber, R. H., Anwendung der
Dftmpfung durch Inductionsströme
zur Bestimmung der Leitfähig-
keiten von Legirungen 68, 705.
W e h n e 1 1 , A., Kenntniss der Canal-
strahlen 67, 421. — Elektrolj-
tischer Stromunterbrecher 68, 288.
— Kathodenstrahlen 68, 584.
Wehnelt, A. u. Donath, B.,
Photographische Darstellung von
Strom- und Spannungscuryen
mittels der Brau naschen Röhre
69, 861.
W e s e n d o n c k , R., Thermodynamik
67, 444. - Thermodynamik 69, 809.
Wetzstein, G., Abweichungen vom
Poiseuille*schen G^etz 68, 441.
Wiechert, E., Elxperimentelle Un-
tersuchungen über die Geschwin-
digkeit und die magnetische Ab-
lenkbarkeit der Kathodenstrahlen
69, 789.
Wiedeburg, O., Znstandsglei-
chungen und Energiegleichungen
69, 66.
Wiedemann, E., Dauer gewisser
Vorgänge an der Kathode 67, 714.
Wiener, 0., Beobachtung von
Streifen beim Entwickeln belich-
teter Daguerre*scher Platten mit
keilförmiger Jodsilberschicht 68,
145. — Ursache und Beseitigung
eines Fehlers bei der Lippmann'-
schen Farbenphotograpnie, zu-
fleich ein Beitrag za ihrer Theorie
9, 488.
Wind, C. H., Deutung der Bea-
gungserscheinungen bei Röntgen-
8tn£len 68, 896. — Deutung
der Beugungserscheinangen bei
Röntgenstraluen ( Berichtigung )
69, 827.
Wind, C. H. u. Haga, H., Beu-
gung der Röntgenstrahlen 68, 884.
Winkelmann, A., Wftrmeleituiig
verschieden znnamfnengeeetrter
Gläser 67, 160. — Bemerkuneea
zu der Arbeit des Hm. Fodie:
,,Ueber die thermische Leitflhig-
keit verschiedener Gläser mit
Rücksicht auf ihre chemische Zu-
sammensetzung'' 67, 794.
Wolff, W., Bei Elxploeionen in der
Luft eingeleitete Vorgänge 69,
829.
Z.
Zenneck, J., Freie Schwingungen
nur annfthemd vollkommener
kreisförmiger Platten 67, 165. —
Genaue Controle der Wechsekahi
eines Wechselstromes 68, 865. ~
Methode zur Demonstration und
Photographie von Stromcorven
69, 888. — Ermittehing der Ober-
schwingung eines Drehstromes
69, 854. — Transformation einet
Wechselstromes auf doppelte
Wechselzahl mit Hülfe eines
ruhenden Transformators 69, 858.
Ziegler, W., Bemerkung xur Ab-
himdlung des Hm. H. 'Thu Simon:
„Ueber einen neuen Flüsaigkeits-
Unterbrecher'' 69, 718.
Berichtigung.
In der Abhandlung von Albert Neugschwender Bmnd 68, p. 92
muss es am Anfange heissen:
„. . . ergab sich mir folgendes'' statt „nur".
Druck roD Metsger St Wittig in LeipUg.
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