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Full text of "Annalen der Physik"

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ANNALEN 


DER 


PHYSIK  UND  CHEMIE 


NS  TTS    FO  !•  a 

BAND  69. 


'^ 


ANNALEN 

DEB 

PHYSIK  UND  CHEMIR 


¥.  A.  C.  ORBN,  L.  W.  eiLBBRT,  J.  C.  POefiENDORFF. 
BAND  «9. 


DSB  DBüTSCHEN   FHTBIKAliIBOHKN    OBSMÜiLBOIUIT 


H.  PXjAITOK 


e.  UND  E.  WIEDEMANS. 


LEIPZIG,  1899. 
VBKLAQ  TON  JOHANN  AHBR0S1Ü8  BARTH. 


LIBRARY  OF  THE 
LELAI4D  8TA/\/F0RD  JR.  UNIVERSITY. 

SEP  6    1900 


Inhalt 

Neue  Folge.     Band  69. 


Neuntes  HefL 

Seite 

1.  W.  König.    Dispenionsmesanngen  am  Gyps  .*  >-...,•        1 

2.  W.  Kösters.    lieber  die  elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch 
hergestellter  Grase j.  -.  V    •    •    •] 12 

3.  G.  W.  Patte rson.     Experimentelle   und   theoretische   Unter- 
suchung über  das  Selbstpotential 34 

4.  0.  Wiedeburg.     Ueber    Zustandsgieichungen    und    Energie- 
gleichungen 66 

5.  J.  Elster  und  H.  Geitel.     Weitere  Versuche  an  Becquerel- 
strahlen 83 

6.  F.  Giesel.    Einiges  über  das  Verhalten  des  radioactiven  Baryts 
und  über  Polonium 91 

7.  W.  Kaufmann.    Ueber  die  diffuse  Zerstreuung  der  Kathoden- 
strahlen in  verschiedenen  Gasen 95 

8.  Eb  Riecke.    Ueber  den  in  Radiometern  auftretenden  Druck    .     119 

9.  W.  D.  Goolidge.     Dielektrische   Untersuchungen   und   elek- 
trische Drahtwellen 125 

10.  P.  Ewers.    Zur  Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen    .     167 

11.  H.  Ebert     Das  Entwickelungsgesetz  des  Hittor  fischen  Ka- 
thodendunkelraumes 200 

12.  O.  Behrendsen.    Beitrüge  zur  Kenntniss  der  Becquerelstrahlen    220 
18.  St  Meyer.    MagnetisirnngsKahlen  anorganischer  Verbindungen    236 

14.  R.   Emden.      Ueber    die    Ausströmungserscheinungen    perma- 
nenter Gkhse 264 

15.  W.  Voigt.    Bemerkung  über  die  bei  dem  Zeeman 'sehen  Phä- 
nomen stattfindenden  Intensitfttsverhflltnisse 290 

16.  W.  Voigt.    Zur  Theorie  der  Einwirkung  eines  elektrostatischen 
Feldes  auf  die  optischen  Eigenschaften  der  Körper      ....    297 


Yi  Inhalt, 

Seite 

17.  Th.  Sundorph.    Die  Ursache  der  Veränderang  des  Leitungs- 

yerxnögens  in  Bleisuperoxyd 319 

18.  W.  Voigt.     Erwiderung 324 

19.  C.  H.  Wind.    Ueber  die  Deutung  der  Beugungserscheinungen 

bei  Röntgenstrahlen 327 

Ausgegehen  am  14.  September  1899, 

Zehntes  Heft. 

1.  W.  Wolf  f.  Ueber  die  bei  Explosionen  in  der  Luft  eingeleiteten 
Vorgänge 329 

2.  H.  Ebert  Glimmlichterscheinungen  bei  hochfrequentem  Wechsel- 
strome   372 

« 

8.  P.  Lewis.  Ueber  den  Einfluss  kleiner  Beimengungen  zu  einem 
Gase  auf  dessen  Spectrum 398 

4.  R.  Emden.  Ueber  die  Ausströmungserscheinungen  permanenter 
Gase 426 

5.  R.  Emden.    Ueber  den  Luftwiderstand  fliegender  Geschosse  .    454 

6.  R.  V.  Hirsch.    Dichtebestimmungen  von  gesättigten  Dämpfen 

und  Flfissigkeiten 456 

7.  L.  Fomm.    Elektrische  Abbildungen 479 

8.  J.  Elster  u.  H.  Geitel.    Ueber  eine  zweckmässige  Anordnung 

des  Mac  Farlan  Moore'schen  Vacuumvibrators 483 

9.  0.  Wiener.  Ursache  und  Beseitigung  eines  Fehlers  bei  der 
Lippmann'schen  Farbenphotographie,  zugleich  ein  Beitrag  zu 

.     ihrer  Theorie 488 

Ausgegeben  am  11.  Octoher  1899. 

softes  Heft 

1.  A.  Heydweiller.  Ueber  bewegte  Körper  im  elektrischen 
Felde  und  über  die  elektrische  Leitfähigkeit  der  atmosphäri- 
schen Luft 531 

2.  H.  Rubens.    Ueber  die  Reststrahlen  des  Flussspathes    .    .    .    576 

8.  S.  Simon.  Ueber  das  Verhältniss  der  elektrischen  Ladung  zur 
Masse  der  Kathodenstrahlen 589 

4.  C.  Heinke.  Zur  Messung  elektrischer  Grössen  bei  periodisch 
veränderlichen  Strömen 612 

5.  R.  Koenig.  Ueber  die  höchsten  hörbaren  und  unhörbaren  Töne 
von  €^  »  4096  Schwingungen  (ut^  =  8192  9«),  bis  über  P  {fa^i\ 
zu  90000  Schwingungen  (180000  v  s\  nebst  Bemerkungen  über 


Inhalt.  VII 

Seite 
die   Stosstdne   ihrer  Intervalle,   und   die   durch   sie   erzeugten 

Kundt*8chen  Staubfigureu 626 

6.  C.  Christiansen.  Experimentaluntersuchungen  über  den  Ur- 
sprung der  Berührungselektricität.    (Vierte  Mittheilung)   .     .    .    661 

7.  J.  £  1  s  t  e  r  und  H.  G  e  i  t  e  1.  Ueber  die  Einwirkung  von  Becquerel- 
strahlen  auf  elektrische  Funken  und  Büschel 673 

8.  C.  Bender.  Brechungsezponenten  reinen  Wassers  und  nor- 
maler Salzlösungen.    (IL  Abhandlung) 676 

9.  M.  Toepler.    Verhalten  des  Büschellichtbogens  im  Magnetfelde    680 

10.  C.  Dieterici.     Ueber  den  kritischen  Zustand 685 

11.  W.Voigt.    Ueber  Hm.  Li  ebene  w*8  thermodynamische  Theorie 

der  Thermoelektricität 706 

12.  W.  Ziegler.     Bemerkung   zur  Abhandlung  des  Hm.   H.  Th. 
Simon:  „Ueber  einen  neuen  Flüssigkeitsuuterbrecher**    .     .     .     718 

13.  Gr.  Jäger.    Erwiderung 720 

Ausgegeben  am  7,  November  1899, 

Zwölftes  Heft. 

1.  R.  Koenig.  Ueber  die  höchsten  hörbaren  und  unhörbaren  Töne 
von  e^  =  4096  Schwingungen  (ut^  »  8192  v  8\  bis  über  P  (fo^^), 
zu  90000  Schwingungen  (180000  r«),  nebst  Bemerkungen  über 
die  Stosstöne  ihrer  Intervalle,  und  die  durch  sie  erzeugten 
Kundt'schen  Staubfiguren.   (Schluss) 721 

2.  E.  Wiechert  Experimentelle  Untersuchungen  über  die  Ge- 
schwindigkeit und  die  magnetische  Ablenkbarkeit  der  Kathoden- 
strahlen               739 

8.  O.  Tammann.  Ueber  die  Abhängigkeit  des  elektrischen  Leit- 
vermögens vom  Druck 767 

4.  £L  Lecher.  Ueber  einen  experimentellen  und  theoretischen 
Trugschluss  in  der  Elektricitfttslehre 781 

5.  £.  Riecke.    Ueber  die  Vertheilung  von  freier  fUektricitftt  an 

der  Oberfläche  einer  Crookes'schen  Röhre 788 

6.  K.  Mack.  Nachweis  der  in  den  Glasthränen  vorhandenen 
inneren  Spannungen  mit  Hülfe  des  polarisirten  Lichtes;  ein  Vor- 
lesungsversuch    801 

7.  V.  T.  Lang.     Ueber  longitudinale  Töne  von  KautschukflKden    804 

8.  K.  Wesendonok.    Zur  Thermodynamik 809 

9.  F.  Giesel.  Ueber  die  Ablenkbarkeit  der  Becquerelstrahlen  im 
magnetischen  Felde 834 


vm  Inhalt 

Seite 

10.  R.  von  Hirsch.    Nachtrag 837 

11.  J.  Zenneck.  Eine  Methode  zur  Demonstration  und  Photo- 
graphie von  Stromcurven 838 

12.  J.  Zenneck.  Ermittelung  der  Oberschwingung  eines  Dreh- 
stromes       854 

13.  J.  Zenneck.  Die  Transformation  eines  Wechselstromes  auf 
doppelte  Wechsekahl  mit  Hülfe  eines  ruhenden  Transformators    858 

14.  A.  Wehnelt  und  B.  Donath.  Photographische  Darstellung 
von  Strom-  und  Spannungscurven  mittels  der  Hraun*schen 
Röhre 861 

Ausgegeben  am  15.  Decetnber  1899. 


Nachweis  zu  den  Figurentafeln. 


Taf.       I.  Ewers,  Figg.  1—9. 

II.  Meyer. 

III.  Emden,  Figg.  1—15. 

IV.  Emden,  Diagramme  J.—£^. 
V.  Wolff,  Figg.  1-6. 

VI.  Wolff,  Figg.  1-4. 

VII.  von  Hirsch. 

„  VIII.  Fomm,  Figg.  1—5. 


1899.  Ali^NALEN  -« 9. 


f 


DBB 


PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.    BAND  69. 


1.  DispersionsmeHsungen  am  Oyps; 
von  Walter  König. 


Eine  Untersuchung  über  Doppelbrechung,  bei  der  die  im 
weissen  Lichte  auftretenden  Interferenzerscheinungen  photo- 
graphisch aufgenommen  wurden,  führte  mich  auf  das  Pro- 
blem, die  mittlere  Wellenlänge  des  bei  der  Aufnahme  wirk- 
samen Strahlencomplexes  zu  bestimmen.  Diese  Aufgabe  war 
für  den  vorliegenden  Zweck  am  einfachsten  dadurch  zu  lösen, 
dass  man  eine  in  ihrer  Abhängigkeit  von  der  Wellenlänge  be- 
kannte Interferenzerscheinung  photographirte  und  aus  dem 
dabei  erhaltenen  Abstand  der  Interferenzstreifen  einen  Rück- 
scbluss  auf  die  Wellenlänge  machte.  Um  in  den  beiden  zu 
vergleichenden  Fällen  möglichst  gleichartige  Verhältnisse  zu 
haben,  wurden  die  Interferenzen  eines  Gypskeiles  zwischen 
gekreuzten  und  zwischen  parallelen  Nicols  photographirt.  Der 
Schluss  auf  die  Wellenlänge  setzt  dann  die  Kenntniss  der  . 
Dispersionsverhältnisse  des  Gypses  voraus.  Ist  a  der  Winkel 
des  Keiles,  d  der  Streifenabstand  für  die  Wellenlänge  A,  und 
sind  n^  und  n^  die  Brechungsexponenten  für  einen  den  Keil 
senkrecht  durchsetzenden  Lichtstrahl  von  der  gleichen  Wellen- 
länge Ä,  so  ist  X       w/  X 

Man  muss  also  zur  Auswerthung  der  beschriebenen  Versuche 
die  Abhängigkeit  der  Differenz  n^—  n^  von  der  Wellenlänge  kennen. 
Da  die  gebräuchlichen  Gypskeile  —  die  im  Folgenden  benutzten 
waren  von  der  Firma  Dr.  Steeg  und  Reuter  in  Homburg  — 
mit  ihrer  einen  Fläche  der  Spaltungsebene  des  Gypses  parallel 
geschliffen  werden,  so  ist  die  in  Betracht  kommende  Differenz 
des  Brechungsexponenten  sehr  nahe  gleich  der  Differenz 
7<j  —  Wj  des  grössten  und  des  kleinsten  Hauptbrechungsexpo- 
nenten des  Gypses.  Für  diese  Brechungsexponenten  liegen 
eine  Reihe  von  Messungen  für  verschiedene  Wellenlängen  vor, 

^         Ann.  d.  Phyi.  u.  Chem.    N.  F.    69.  1 


ff"^,  König, 


und  es  konnte  daher  zunächst  der  Versuch  gemacht  werden, 
diese  älteren  Messungen  für  den  vorliegenden  Zweck  zu  benutzen. 
Ich  gebe  in  Tab.  I  eine  Zusammenstellung  über  die  Werthe 
der  DifiFerenz  n^  —  nj,  wie  sie  sich  aus  den  Messungen  von 
V.  Lang^),  Quincke^),  Dufet^)  und  Mülheims*)  ergeben, 
und  bemerke  dazu,  dass  die  Brechungsexponenten  von  v.  Lang 

Tabelle  I. 

Werthe  von  rii  —  n^  nach  den  Messungen  von 


l 

V.  Lang 

Quincke 

Dufet 

Mülheims 

1 

A 

760 

0,00864 

a 

719 

■ 

— 

0,00875 

B 

687 

0,00982 

— 

0,00883 

Li 

671 

— 

— 

0,00902 

C 

656 

0,00982 

0,00911 

0,00905 

0,00896 

D 

589 

0,00966 

0,00937 

0,00916 

0,00904 

Th 

535 

0,00923 

E 

527 

0,00986 

0,00949 

0,00916 

b 

517 

— 

— 

— 

0,00919 

F 

486 

0,00972 

0,00964 

0,00932 

0,00925 

0 

431 

0,00986 

0,00997 

0,00948 

— 

und  Dufet  nach  der  Prismenmethode,  von  Quincke  und  Mül- 
heims durch  Totalreflexion  gemessen  worden  sind ;  dieWellen- 
•  längen  sind  im  Folgenden  immer  in  Milliontel  Millimetern 
gerechnet.  Nachstehende  Figur  stellt  diese  vier  Beobachtungs- 
reihen graphisch  dar.  Die  Zahlen  von  v.  Lang  zeigen  einen  sehr 
unregelmässigen  Verlauf ;  diejenigen  der  drei  anderen  Beobachter 
lassen  ein  stetiges  Ansteigen  der  DifiFerenz  mit  abnehmender 
Wellenlänge  erkennen.  Einige  Unregelmässigkeiten  in  der  Gleich- 
förmigkeit des  Anstieges  rühren  wohl  von  der  Unsicherheit  der 
Beobachtungen  her.  Man  kann  sie  eliminiren,  indem  man  die  Be- 
obachtungen durch  die  Cauchy'sche  Dispersionsformel  darstellt: 

7?j  —  7^3  =  a  +  bJAr  +  c/A* . 

1)  V.  V.  Lang,  Sitzungsber.  der   k.  Gesellsch.    der  Wissensch.  zu 
Wien  (2)  76.  p.  803.  1877. 

2)  G.  Quincke,    Festschr.    d.    naturf.  Gesellsch.    zu  Halle    1879; 
Beibl.  4.  p.  124.  1880. 

3)  H.  Dufet,    Bull.  Soc.  Miner.  11.  p.  123—143.  1888;  Beibl.  18. 
p.  225.  1889. 

4)  A.  Mülheims,  Zeitschr.  f.  Krystall.  14.  p.  232.  1888. 


JDispersionsmessungen  am  Gyps. 


V.  V.  Lang  hat  seine  Beobachtungen  für  die  einzelnen 
Brechungsexponenten  nach  dieser  Formel  dargestellt,  indem 
"er  die  Constanten  nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
ermittelte.  Man  braucht  nur  die  Constanten  flir  den  grössten 
und  den  kleinsten  Hauptbrechungsexponenten  voneinander 
abzuziehen,  um  die  für  die  Darstellung  der  Differenz  erforder- 


o.ojoo 


00095 


0.GO3O 


V0085  l 


'tOO 


liehen  Constanten  der  obigen  Formel  zu  erhalten.  Für  die 
drei  anderen  Beobachtungsreihen  habe  ich  die  Rechnung  durch- 
geführt, und  zwar  wurden  die  Constanten  für  die  Reihen  von 
Quincke  und  Dufet  aus  drei  einzelnen  Beobachtungen,  für 
diejenige  von  Mülheims  nach  der  Methode  der  kleinsten 
Quadrate  aus  allen  Beobachtungen  berechnet.     Tab.  II  enthält 

Tabelle  IL 

Werthe  der  Constanten  a,  h  und  c,  berechnet  aus  den 

Beobachtungen  von 


a 


V.  Lang 
Quincke 
Dufet 
Mülheims 


0,01009 
0,00884 
0,00865 
0,00772 


1 

-193 

+  353 

+  184 

+  686 

+  27,79  X  10« 

-  9,32  xlO« 

-  5,24  X  10« 

-  77,66x10« 


als  Ergebniss  dieser  Rechnungen  die  Werthe  der  drei  Con- 
stanten a,  h  und  c  für  die  vier  verschiedenen  Beobachtungs- 
reihen. Inwieweit  sich  die  letzteren  durch  die  genannte  Formel 
mit  Hülfe  der  angegebenen  Constanten  darstellen  lassen,  zeigt 
Tab.  III;  sie  enthält  die  berechneten  und  die  beobachteten 
Werthe  und  die  DifiFerenzen  zwischen  beiden.  Die  Ueberein- 
stimmung  zwischen  Berechnung  und  Beobachtung  ist  nament- 
*  1* 


W,  König, 


Tabelle  IIL 

VergleichuDg  der  berechneten  und  beobachteten  Werthe  von  n^ 

1-^3 

nach  den  Beobachtern: 

-  —  — 

1.     V. 

Lang 

,    Diff. 

3.    Dufet 

1 

ber.       i 

beob. 

Li 

ber. 

beob. 

Diff. 

1 
B      \    0,00981 

0,00982 

+   1 

0,00903 

0,00902 

-1 

G          0,00979 

0,00982 

4-   3 

C 

1 

0,00905 

0,00905 

D         0,00977 

0,00966 

-11 

D 

0,00914 

0,00916 

+  2 

E         0,00976 

0,00086 

+  10 

Th 

0,00923 

0,00923 

F 

0,00977 

0,00972 

-   5 

F 

0,00934 

0,00932 

-2 

Q 

0,00986 

0,00986 

0 

Cr 

0,00948 

0,00948 

2.    Q 

luinckc 

4.    Mülheims 

C         0,00911 

0,00911 

— 

A 

0,00868 

0,00864 

-4 

D 

0,00928 

0,00937 

+   9 

a 

0,00876 

0,00375 

-1 

E 

0,00949 

0,00949 

— 

B 

0,00883 

■ 

0,00883 

0 

F         0,00967 

0,00964 

-   3 

C 

0,00890 

0,00896 

+  6 

0         0,00997 

0,00997 

— 

D 

0,00905 

0,00904 

-1 

,     E 

0,00918 

0,00916 

-2 

b 

0,00920 

0,00919 

-1 

F 

0,00923 

0,00925 

+  2 

lieh  für  die  Reihen  von  Dufet  und  Mülheims  eine  ganz  be- 
friedigende. Grössere  Abweichungen  zeigt  die  Reihe  von 
V.  Lang.  Sie  ist  aber  gegenüber  den  drei  anderen  vor  allem 
dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Berechnung  ein  ganz  ab- 
weichendes Verhalten  der  Diflferenz  Wj  —  Wg  zur  Wellenlänge 
ergiebt;  diese  Diflferenz  nimmt  erst  ab  und  dann  wieder  zu. 
In  denWerthen  der  Constanten  drückt  sich  diese  Verschieden- 
heit dadurch  aus,  dass  b  und  c  für  die  v.  Lang 'sehe  Reihe 
das  entgegengesetzte  Vorzeichen  haben,  wie  für  die  drei 
anderen  Reihen.  Diese  letzteren  stimmen  im  Gang  der  Er- 
scheinung, dem  Vorzeichen  der  Constanten  überein;  die  ab- 
soluten Beträge  der  Constanten  dagegen  zeigen  beträchtliche 
Verschiedenheiten.  Auch  die  Figur  liess  von  vornherein  erkennen, 
dass  die  drei  Reihen  sich  um  Beträge  voneinander  unter- 
scheiden, die  oflfenbar  grösser  als  die  Beobachtungsfehler  sind. 
Aus  diesen  Abweichungen  wird  man  demnach  auf  eine  ge- 
wisse Verschiedenheit  des  in  den  drei  Fällen  benutzten  Ma- 
teriales  schliessen  müssen. 


Dispersionsmessungen  am  Gyps.  5 

Unter  diesen  Umständen  erschien  die  Uebertragung  der 
iilteren  Dispersionsbestimmungen  auf  die  von  mir  benutzten 
Gypskeile  von  zweifelhaftem  Werthe.  Ich  habe  es  daher  vor- 
gezogen, die  Dispersion  der  Doppelbrechung,  d.  h.  die  Ab- 
hängigkeit der  Streifenbreite  von  der  Wellenlänge,  unmittelbar 
an  den  benutzten  Gypskeilen  selbst  zu  bestimmen.  Dafür  wurde 
das  folgende,  mit  einfachen  Mitteln  und  schnell  zum  Ziele 
fuhrende  Verfahren  benutzt.  Der  zu  untersuchende  Gyps- 
keil,  der  in  üblicher  Weise  auf  einer  stärkeren  Glasplatte  als 
Unterlage  aufgekittet  und  mit  einem  dünnen  Glase  überdeckt 
war,  wurde  auf  einer  in  Glas  geritzten  Millimetertheilung  be- 
festigt und  mit  dieser  vertical  so  aufgestellt,  dass  die  Inter- 
ferenzstreifen  horizontale  Lage  hatten  und  die  Theilstriche  der 
Theilung  ihnen  parallel  liefen.  Sonnenlicht,  durch  Spiegel  in 
horizontale  Richtung  geworfen,  fiel  durch  ein  polarisirendes 
Nicol'sches  Prisma  auf  den  Gypskeil,  hinter  diesem  in  grösserer 
Entfernung  auf  das  analysirende  NicoTsche  Prisma  und  un- 
mittelbar hinter  diesem  auf  einen  Projectionskopf,  der  ein 
stark  verkleinertes  Bild  der  Millimeterscala  und  der  Interferenz- 
erscheinung zugleich  auf  dem  Spalt  eines  Spectralapparates 
entwarf.  Der  Abstand  des  Keiles  von  dem  Projectionskopfe 
betrug  etwa  66  cm,  der  des  Spaltes  18  cm.  Die  Ausführung 
dieser  Versuchsanordnung  setzt  die  Anwendung  grosser  Nicols 
voraus,  die  den  ganzen  Keil  oder  wenigstens  einen  grösseren 
Theil  auf  einmal  zu  projiciren  gestatten;  die  von  mir  be- 
nutzten, von  Schmidt  und  Haensch  für  einen  grossen  Pro- 
jectionsapparat  angefertigten  Prismen  hatten  eine  lange  Dia- 
gonale von  4  cm  Länge.  Um  eine  vollständige  Erhellung  des 
Gesichtsfeldes  zu  erzielen,  wurde  vor  dem  polarisirenden  Nicol 
noch  eine  schwache  Convexlinse  angebracht,  die  das  Strahlen- 
bündel auf  den  Projectionskopf  concentrirte.  Man  könnte 
gegen  diese  Anordnung  einwenden,  dass  dabei  die  den  Gyps- 
keil an  verschiedenen  Stellen  durchsetzenden  Strahlen  nicht 
genau  parallel  waren,  die  GangdiflFerenz  also  durch  die  Neigung 
der  Strahlen  verändert  werden  musste.  Doch  ist  dagegen  zu 
bemerken,  dass  bei  dem  gewählten  grossen  Abstände  des  Keiles 
von  dem  Projectionskopfe  diese  Difi'erenzen  in  der  Richtung 
der  Strahlen  nur  sehr  geringfügig  sind;  da  die  Ausdehnung 
des  Gesichtsfeldes  28  mm    betrug,    so  war  die  Neigung  eines 


6  fr.  König. 

Randstrahles  gegen  den  Centralstrahl  in  der  That  nicht  grösser 
als  1,2^  Ausserdem  ist  zu  bedenken,  dass  von  diesem  ohne- 
hin nur  unbedeutenden  Fehler  alle  Farben  in  nahezu  gleicher 
Weise  getroffen  werden;  der  Einäuss  dieses  Umstandes  auf 
die  Darstellung  dei  Dispersionsverhältnisse  dürfte  daher  wohl 
zu  vernachlässigen  sein.  Da  der  Spalt  des  Spectroskopes 
senkrecht  zu  den  Interferenzstreifen  verläuft,  so  erscheint  das 
Spectrum  durchzogen  von  schwarzen,  im  violetten  Theile  fast 
horizontal  verlaufenden,  nach  dem  Roth  zu  sich  etwas  auf- 
wärts krümmenden  Streifen.  Ihr  verticaler  Abstand,  gemessen 
längs  einer  der  Fraunhofer'schen  Linien  des  Spectrums, 
giebt  die  Streifenbreite  für  die  Wellenlänge  der  betreffenden 
Linie.  Der  Abstand  kann  unmittelbar  in  Millimetern  gemessen 
werden,  da  zugleich  mit  den  Interferenzstreifen  die  Glasscala 
auf  den  Spalt  projicirt  wird.  Das  Spectrum  erscheint  infolge- 
dessen von  feinen  horizontalen  Linien  durchzogen,  den  Bildern 
der  Millimeterstriche;  wurden  die  verticalen  Abstände  der 
Interferenzstreifen  in  dieser  das  ganze  Spectrum  durchziehenden 
Scala  gemessen,  so  stellten  die  gefundenen  Zahlen  die 
Streifenabstände  am  Orte  des  Gypskeiles,  in  Millimetern  aus- 
gedrückt, dar. 

Bei  Anwendung  directen  Sonnenlichtes  unter  passender 
Abbiendung  durch  rothes  oder  blaues  Glas  konnten  in  dieser 
Weise  die  Streifenabstände  im  ganzen  Bereiche  des  sichtbaren 
Spectrums  von  Ä  bis  H  schnell  und  mit  grosser  Schärfe  er- 
mittelt werden.  Die  Messungen  sind  an  zwei  Gypskeilen  von 
verschiedenem  Winkel  ausgeführt,  und  die  Ergebnisse  in  Tab.  IV 
zusammengestellt.  Für  jede  der  angegebenen  Linien  wurde 
der  Abstand  der  äussersten  sichtbaren  Streifen  und  die  Zahl 
der  zwischen  ihnen  liegenden  Streifenintervalle  sowohl  für 
parallele  wie  für  gekreuzte  Nicols  bestimmt.  Tab.  IV  enthält 
in  Columne  3  und  6  die  Gesammtzahl  der  ausgemessenen 
Intervalle,  d.  h.  die  Summe  der  beiden,  in  den  zwei  Nicol- 
lagen  beobachteten  Zahlen,  desgleichen  in  Columne  4  und  7 
die  Summe  der  beiden  gemessenen  Abstände  in  Millimetern; 
die  mittlere  Streifenbreite  d  in  Columne  5  und  8  ist  dann 
einfach  durch  Division  der  Zahlen  der  beiden  vorhergehenden 
Columnen  erhalten. 

Um  auch  auf ,  diese  Messungen   die  oben    benutzte  Dis- 


D isper sionsmessunffen  am  Gyps. 


Tabelle  IV. 

Messung  des  Streifenabstandes  c^  an  2  Gypskeilen. 


A 

a 

B 

C 

D 

E 

F 

O 


A 

a 

B 

C 

D 

E 

F 

O 


1.  Gypskeil 


2.  Gypskeil 


Zahl  der 
Streifen 


760,4 
718,6 
687,0 
656,3 
589,4 
527,0 
486,1 
430,7 
396,6 


24 
26 
27 
29 
33 
88 
41 
48 
52 


Summe 
der  d 


m  mm 


Zahl  der !  Summe 
Streifen     der  d 


47,8 
48,4 
48,0 
48,9 
49,4 
50,2 
49,6 
50,8 
50,4 


1,992 
1,862 
1,778 
1,686 
1,497 
1,321 
1,210 
1,057 
0,969 


7 

7 

8 

9 

10 

12 

13 

15 

16 


45,6 
42,6 
46,3 
49,6 
48,8 
51,8 
51,4 
52,0 
50,2 


m  mm 

6,51 
6,09 
5,79 
5,51 
4,88 
4,32 
3,95 
3,47 
3,14 


Tabelle  V. 

Vergleichung  zwischen  Berechnung  und  Beobachtung. 


Ijd  beob.     Xld  ber. 


A 

381,7 

a       1 

385,9 

B 

886,4 

C 

389,8 

D 

393,7 

E 

898,9 

F 

401,7 

0 

407,5 

H, 

409,3 

882,8 
384,9 
386,7 
388,6 
393,5 
398,8 
402,5 
407,4 
409,3 


116,7 
118,1 
118,7 
119,1 
120,8 
122,1 
122,9 
124,3 
126,4 


117,4 
118,0 
118,5 
119,0 
120,3 
121,9 
123,1 
124,9 
126,0 


1.  Gypskeil. 

-M 
+  1,0 

-0,3 

+  0,7 

+  0,2 

+  0,1 

-0,8 

+  0,1 

0,0 

2.  Gypskeil. 

-0,7 
+  0,1 
+  0,2 
+  0,1 
+0,5 
+  0,2 
-0,2 
-0,6 
+  0,4 


1,992 
1,862 
1,778 
1,686 
1,497 
1,321 
1,210 
1,057 
0,969 


1,986 
1,867 
1,777 
1,689 
1,498 
1,321 
1,208 
1,057 
0,969 


6,51 
6,09 
5,79 
5,51 
4,88 
4,32 
3,95 
3,47 
3,14 


6,47 
6,09 
5,80 
5,52 
4,90 
4,32 
3,95 
3,45 
3,15 


+  0,006 

-  0,005 

+0,001 

-0,003 

-0,001 

0,000 

+  0,002 

0,000 

0,000 


+0,04 

0,00 

-0,01 

-0,01 

-0,02 

0,00 

0,00 

+  0,02 

-0,01 


8  /^.  König, 

persionsfoiinel  anwenden  zu  können,  wurden  zunächst  aus  den 
Beobachtungen  die  Werthe  der  Grösse  Xjd  berechnet.  Diese 
ist  nach  der  eingangs  angeführten  Formel  der  DiflFerenz  der 
Brechungsexponenten  proportional,  wird  sich  also  durch  eine 
Formel 

darstellen    lassen,  deren  Constanten  sich  von  den  Constanten 
a,  b,  c  nur  durch  einen  constanten  Factor  unterscheiden  werden. 
Die  Durchfiihrung  der  Rechnung  nach  der  Methode  der  klein- 
sten Quadrate  ergiebt  folgende  Werthe. 
Für  den  ersten  Gypskeil: 

^         Qßi  7    I     13,962  X  10«           1,0197  X  10^« 
_  =  dbl,7  + ^ -^ , 

für  den  zweiten  Gypskeil: 

X         1  lo  Q    ,      3,3102  X  lO'»            0,1796  x  10^« 
-^-=ll.,d+  -^,  -^ 

Wie  weit  sich  die  Beobachtungen  durch  diese  Formeln 
darstellen  lassen,  lehrt  Tab.  V.  Sie  enthält  nebeneinander 
erstens  die  aus  den  Beobachtungen  gewonnenen  und  die  nach 
obigen  Formeln  berechneten  Werthe  von  A/^,  zweitens  die 
direct  beobachteten  und  die  aus  den  berechneten  Werthen  von 
A/rf  hergeleiteten  „berechneten"  Werthe  von  d.  Die  Columnen, 
welche  die  Differenzen  enthalten,  zeigen,  dass  diese  im  Ganzen 
ungleichmässig  vertheilt  und  sehr  gering  sind;  sie  gehen  für 
den  ersten  Keil  nicht  über  0.3,  für  den  zweiten  nicht  über 
0,6  Proc.  hinaus.  Am  grössten  sind  die  Abweichungen  für 
das  rothe  Ende,  besonders  für  die  ^-Linie;  für  diese  waren 
aber  auch  die  Ablesungen  am  ungenauesten,  weil  die  Streifen 
diese  Linie  nicht  senkrecht,  sondern  unter  starker  Neigung 
schnitten,  und  weil  sie  ausserdem  über  die  ^-Linie  hinaus 
kaum  noch  zu  verfolgen  waren.  Gleichwohl  gehen  auch  diese 
Differenzen  über  die  möglichen  Beobachtungsfehler  kaum  hinaus. 
Wenn  die  grösste  Differenz  r/beob.  —  ^ber.  für  den  ersten  Keil 
0,006,  für  den  zweiten  0,04  beträgt,  so  entspricht  dieser  Diffe- 
renz für  den  „Mittelwerth  der  6/"  eine  Differenz  für  die  be- 
obachtete „Summe  der  d'^  (vgl.  Tab.  IV)  bei  dem  ersten  Keil 
von  24  X  0,006  =  0,144  mm,  bei  dem  zweiten  Keil  von 
7  X  0,04  =  0,28  mm.     Die    beobachtete    „Summe  der  r/"    ist 


Dispersionsmessungen  am  Gi/ps,  9 

aber  aus  vier  Ablesungen  der  Streifenlage  auf  der  Millimeter- 
theilung  erhalten,  und  die  einzelne  Ablesung  ist,  namentlich 
am  rothen  Ende,  höchstens  auf  0,1  mm  genau.  Man  kann 
also  sagen,  dass  die  üebereinstimmung  innerhalb  der  Fehler- 
grenzen eine  vollkommene  ist. 

um  die  hier  gefundenen  Dispersionsconstauten  unter- 
einander und  mit  denjenigen  der  älteren  Beobachter  vergleichen 
zu  können,  berechne  ich  noch  die  Verhältnisse  ßfa  und  y/ay 
sowie  dia  und  c/«,   und   stelle  sie    in  Tab.    VI  untereinander. 


Tabelle 

VI. 

• 

Dispersionsconstantcn : 

Für  den  1.  Keil 

^--  =  38  602 
n 

^  =-  2819  X  10« 
a 

Für  den  2.  Keil 

'     =  29  485 
n 

/  =-  1600  X  10« 
a 

Nach  Quincke 

-  42  330 
a 

^  =-  1118  X  10«» 
a 

Nach  Dufet 

-  -  21270 
a 

—  -  -  606  X  10« 
a 

Nach  Mülheims 

-  -  88  794 
a 

-     =-10057  X  10« 

Im  allgemeinen  Verlaufe  der  Erscheinung,  dem  Vorzeichen  der 
Constanten  und  der  Grössenordnung,  ist  üebereinstimmung 
zwischen  den  verschiedenen  Beobachtern  vorhanden.  Im  ein- 
zelnen aber  sind  die  Abweichungen  der  Constanten  vonein- 
ander beträchtlich  grösser,  als  aus  Beobachtungsfehlern  folgen 
würde.  Auch  die  beiden  von  mir  untersuchten  Keile  zeigen 
merkliche  Verschiedenheit.  Sie  könnten  vielleicht  auf  einer 
Ungleichmässigkeit  in  der  Orientirung  der  Keilttächen  beruhen, 
die  sich  an  den  Präparaten  nicht  mehr  controliren  Hess. 
Doch  kann  auch  hier  eine  Verschiedenheit  des  Materiales  vor- 
liegen, da  die  beiden  Keile  zu  ganz  verschiedenen  Zeiten  von 
der  Firma  Dr.  Steeg  und  Reuter  bezogen  wurden  und  daher 
sicherlich  nicht  aus  demselben  Stück  geschnitten  sind. 

Ich  komme  endlich  auf  die  im  Eingang  berührte  Frage 
zurück,  die  die  Veranlassung  zu  der  vorliegenden  Untersuchung 
gegeben  hatte.  Will  man  aus  dem  Streifenabstand  für  einen 
Strahlencomplex  auf  die  mittlere  Wellenlänge  desselben 
schliessen,    so    würde    es    schwierig   sein,    aus    der  Formel  zu 


10 


W.  König. 


einem  gegebenen  d  den  Werth  von  A  zn  ermitteln.  Am  ein- 
fachsten ist  es,  eine  Tabelle  über  den  Zusammenhang  von  d 
und  J.  zu  berechnen  und  aus  ihr  mittels  Interpolation  zu  ge- 
gebenem d  das  zugehörige  X  zu  entnehmen.    Tab.  VII  ist  eine 

Tabelle  VII. 
Tabelle  Ober  den  ZiuammeDhang  von  X  und  d  fUr  die  beiden  Keile. 


1.  Keil 

2.  Keil 

* 

J_ 

DiflF. 

d:d„ 

d 

Diff. 

djd^ 

800 

2,100 

0,14S 

1,408 

e,838 

0,459 

1,398 

750 

.,957 

n,143 

'■" 

8,379 

0,461 

1,302 

700 

1,814 

0,143 

1,211 

S,918 

0,460 

1,208 

850 

1,671 

0,143 

1,118 

5,458 

0,461 

1,114 

600 

1,52S 

0,142 

1,020 

4,997 

0,461 

1,0» 

550 

1,388 

0,928 

4,536 

0,926 

0,140 

0,45D 

fiOO 

1,846 

0,137 

0,BS2 

4,077 

0,455 

0,832 

450 

1,109 

0.131 

0,740 

3,832 

0,446 

0,789 

400 

0,978 

0,120 

0,653 

9,176 

0.427 

0,618 

SBO 

0,868 

0,091 

0,573 

2.749 

0,385 

0,581 

SOO 

0,7(57 

0,512 

2,364 

0,433 

derartige  Tabelle  für  die  beiden  von  mir  untersuchten  Keile. 
Sie  enthält  ausser  Jl  und  d  noch  die  Werthe  von  djdo,  d.  li. 
des  Verhältnisses  der  Streifenbreite  d  für  die  Wellenlänge  A 
zur  Streifenbreite  für  die  i)- Linie.  Diese  letzteren  Zahlen  geben 
noch  einmal  in  anderer  Form  einen  Vergleich  der  beiden  Keile 
miteinander.  Auch  könnte  man  sie ,  falls  man  die  Ver- 
schiedenheit des  Materiales  vernachlässigen  dürfte,  benutzen, 
um  aus  Messungen  der  Streifen  breite  an  einem  beliebigen 
Gypskeil  Schlüsse  auf  die  Wellenlänge  zu  macheu.  Innerhalb 
des  ausgemessenen  Spectralbereiches  stimmen  die  Werthe  von 
djda  für  die  beiden  Keile  sehr  nahe  Uberein.  Bei  Extra- 
polation in  das  Ultraviolett  treten  aber  grosse  Unterschiede 
auf.  Allerdings  stimmen  auch  hier  beide  Keile  insofern  Uber- 
ein, als  sie  zwischen  den  Wellenlängen  300  und  200  eine 
Umkehrung  im  Verlaufe  der  </- Werthe  ergeben;  doch  liegen 
die  berechneten  Umkehrpunkte  an  verschiedenen  Stellen  des 
Spectrums,   für  den    ersten  Keil    bei  X  =  272  (rf  =  0,747},  für 


Dispersionsmessnngen  am  Gyps,  11 

den  zweiten  bei  A  =  236  [d  =  2,074).  Bei  weiterer  Extra- 
polation über  diese  Werthe  hinaus  zeigen  die  d  mit  ab- 
nehmender Wellenlänge  eine  starke  Zunahme. 

Um  ein  Beispiel  für  die  Anwendung  der  Tab.  VII  zu 
geben,  habe  ich  von  den  Interferenzstreifen  der  beiden  Keile 
photographische  Aufnahmen  auf  gewöhnlichen  Schleussner'- 
schen  Trockenplatten  gemacht.  Die  Keile  waren  dabei  wieder 
auf  der  gläsernen  Millimetertheilung  befestigt,  sodass  im  Bilde 
die  Streifenbreite  auf  der  mitphotographirten  Scala  unmittelbar 
in  Millimetern  abgelesen  werden  konnte.  Eine  grössere  An- 
zahl von  Streifen  war  allerdings  bei  der  Breite  des  wirksamen 
Spectralbereiches  nicht  zu  beobachten ;  von  der  vierten  Ordnung 
an  waren  die  Streifen  schon  ziemlich  verwaschen ;  konnten 
an  dem  ersten  Keil  aber  noch  bis  zur  zehnten  Ordnung  verfolgt 
werden.  Die  Streifenbreite  ergab  sich  fiir  den  ersten  Keil 
zu  1,04  mm,  für  den  zweiten  zu  3,48  mm.  Daraus  würde 
als  zugehörige  Wellenlänge  folgen  für  den  ersten  Keil  423, 
für  den  zweiten  433.  Im  Mittel  würde  demnach  die  mittlere 
Wellenlänge  der  Empfindlichkeitscurven  der  gewöhnlichen 
Trockenplatten  0,000  428  mm  sein. 

Frankfurt  a.  M.,   Inst.  d.  Physikal.  Vereins,  Juli  1899. 

(Eingegangeu  19.  Juli  1899.) 


2.  Ueber  die  elektrische  Ladung 

elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase  ^); 

von  Wilhelm  Kösters. 


Es  ist  eine  seit  langem  wohl  bekannte  Thatsache,  dass  bei 
Regenfall  oder  an  Wasserfällen  die  positive,  normale  Luft- 
elektricität  in  eine  negative  übergeht.  Lenard^)  führte  über 
diese  Erscheinung  die  erste  eingehendere  Untersuchung  aus 
und  stellte  fest,  dass  diese  negative  Elektrisirung  der  Luft 
immer  dann  eintritt,  wenn  fallende  Tropfen  oder  ein  Wasser- 
strahl auf  ein  Hinderniss  treffen.  Er  erklärt  die  Erscheinung 
durch  die  einfache  Annahme  von  PotentialdiflFerenzen  zwischen 
Gasen  und  Flüssigkeiten.  Der  Vorgang  ist  dann  folgender: 
Während  des  Tropfenfalles  bildet  sich  zwischen  Tropfen  und 
Luft  eine  elektrische  Doppelschicht  (Wasser  +,  Luft  — ),  die 
beim  AuftreflFen  auf  ein  Hinderniss  so  schnell  mechanisch  zer- 
rissen wird,  dass  die  negative  Elektricität  der  Luft  sich  mit 
der  positiven  des  Wassers  nicht  ebenso  schnell  wieder  ver- 
einigen kann  und  von  der  Luft  mit  fortgenommen  wird.  Seit 
Lenard  haben  sich  eine  Reihe  Forscher  mit  der  Lenard'- 
schen  „Wasserfallelektricität"  beschäftigt.  ^)  Lord  Kelvin  war 
der  erste,  welcher  eine  Umkehrung  des  Phänomens  ausführte, 
indem  er  Gasblasen  durch  W^asser  treten  Hess  und  eine  Elektri- 
sirung des  Gases  und  Wassers  nach  dem  Austreten  nachwies.*) 

Im  Februarheft  des  „Philosophical  Magazine"  1898  erschien 
nun  eine  Arbeit  von  John  S.  Townsend^)  im  Anschluss  an 


1)  Auszug  aus  einer  Bonner  Inuugural- Dissertation. 

2)  Ph.  Lenard,  Wied.  Ann.  46.  p.  584.  1892. 

3j  K.  Wesendonck,  Wied.  Ann.  51.  p.  353.  1895;  H.  Usener, 
Bonner  Diss.  Juli  1895;  J.  J.  Thomson,  Phil.  Mag.  37.  p.  341.  1895; 
Lord  Kelvin,  Magnus  Maclean,  Alesander  Galt,  Proc.  Koy.  Soc. 
97.  p.  835.  1895;  F.  B.  Kenrick,  Zeitschr.  f.  physikal.  Chem.  19. 
p.  625.  1896:  K.  A.  Holmgrem,  Soc.  physiograph.  de  Lund.  April  1893. 
Xov.  1894;  Magnus  Maclean,  Makita  Goto,  Phil.  Mag.  80.  p.  148 
bis  152.  1890. 

4)  Lord  Kelvin  etc.,  Proc.  Roy.  Soc.     Ö7.  p.  335.  1895. 

5)  John  S.  Townsend,  Phil. Mag.  45.  p.  125.  1898;  Proc.  Cambr. 
phil.  Soc.   9.   p.  244—258.  1898. 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase,       13 

eine  frühere  Arbeit,  in  welchen  er  nachweist,  dass  bei  der 
Elektrolyse  aufsteigende  Gase  eine  elektrische  Ladung  mit- 
führen, die  bei  verschiedenen  Elektrolyten  und  Gasen  ver- 
schieden war.  Positive  Ladung  besass  Wasserstoff  und  Sauer- 
stoff aus  der  Elektrolyse  von  Schwefelsäure  und  Wasserstoff 
aus  Kalilauge;  negativ  geladen  waren  Sauerstoff  aus  Kali- 
lauge und  Chlor  aus  Salzsäure.  Eigenthümlich  verhielt  sich  der 
Wasserstoff  aus  der  Elektrolyse  von  Salzsäure.  Bei  Benutzung 
von  Platinelektroden  war  er  positiv;  bei  Benutzung  frischer 
Kohleelektroden  war  er  im  Anfang  ebenfalls  positiv,  wechselte 
nach  wenigen  Minuten  Stromdurchgang  seine  Ladung  und  blieb 
sodann  negativ.  Durch  diese  Arbeiten  veranlasst,  hatte  ich  mir 
zur  Aufgabe  gemacht,  den  Ursprung  dieser  Ladung  fest- 
zustellen. Nach  einigen  Voruntersuchungen  kam  uns  der  Ge- 
danke, dass  diese  Elektricitätserregungen  vielleicht  nur  eine 
Form  der  Lenard'schen  Wasserfallelektricität  seien,  und  da- 
mit entstand  der  Wunsch,  diese  Frage  zu  entscheiden.  Die 
vorliegende  Arbeit  soll  ein  Beitrag  zur  Lösung  derselben  sein. 

Townsend  stellt  über  diese  Ladungserscheinungen  bei 
der  Elektrolyse,  ohne  experimentell  auf  ihren  Ursprung  zurück- 
zugehen, die  Hypothese  auf,  dass  die  elektrolytischen  Ionen 
aufsteigen,  ohne  ihre  Ladung  an  die  Elektrode  abzugeben. 
Es  müsste  demnach  Wasserstoff  positive,  Sauerstoff  negative 
Elektricität  mitführen.  In  der  positiven  Ladung  des  Sauer- 
stoffes aus  der  Elektrolyse  von  Schwefelsäure  und  in  dem 
Zeichenwechsel  beim  Wasserstoff  aus  der  Elektrolyse  von  Salz- 
säure zwischen  Kohleelektroden  liegt  jedoch  ein  Widerspruch 
gegen  diese  Hypothese.  Dazu  kommt,  dass  die  Richtigkeit 
der  Townsend*schen  Hypothese  eine  Abweichung  des  Fara- 
day'schen  elektrolytischen  Gesetzes  bedeutete.^)  Dies  ver- 
anlasste   mich,   die  Townsend'sche  Hypothese  zu  verwerfen. 

1.  Die  Versuche  Townsend's  habe  ich  in  ihrem  qualitativen 
Theil  (so  weit  es  den  Zweck  meiner  Arbeit  anging)  wiederholt 


1)  Die  Elektricität smengen,  welche  Wasscratoif  aus  Schwefelsäure 
bei  einem  Strome  von  6  Amp.  mitführte,  waren,  wie  sich  später  zeigte, 
von  der  Grösse,  dass  sie  (nach  Berechnung)  einen  dauernden  Strom  von 
etwa  der  Ordnung  10-^^  Amp.  hätten  erzeugen  können,  der  sich  eventuell 
galvanometrisch  hätte  nachweisen  lassen.  Ich  hoffe,  diesen  Nachweis 
später  führen  zu  können. 


14 


fy.  Kiiiters. 


und  ihre  Beeultate  bestätigt  gefuuden.  lu  Townsend's  Ar- 
beiten ist  bereits  erwähut,  dass  mit  steigender  Temperatur 
des  Elektrolyten  die  Ladung  des  Gases  wächst. ')  Diese 
Zunahme  mit  der  Temperatur  habe  ich  an  Wasserstoff  aus  der 
Elektrolyse  Yon  Schwefelsäure  festzustellen  versucht;  ich  bediente 
mich  dazu   des  Apparates  Fig.  1.     Von   dem   Entwickelungs- 


Pig.  1. 

gefäss  A,  dessen  Temperatur  durch  einen  umgebenden  Wasser- 
behälter constant  gehalten  wurde,  wird  der  entwickelte  Wasser- 
stoff oder  Sauerstoff  mit  Hülfe  eines  isohrenden  Paraffin- 
rohres durch  eine  weitere  Röhre  mit  Metallgaze  geführt,  deren 
Ladung  mit  dem  Elektrometer  gemessen  wurde.  Bei  den  mit 
Wasserstoff  und  Sauerstoff  aus  Schwefelsäure  durchgeführten 
Versuchen  zeigte  sich  jedoch,  dass  die  Grösse  der  Ladung  des 
Gases    noch  von  einer  Reihe  von  uncontrolirbaren    und    nicht 


1)  Vgl.  auch  H.  Da» 


p  Diss.  p.  Sä.  Juli  189S. 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase.       1 5 

zu  beseitigenden  Factoren  abhing,  die  eine  genauere  Bestim- 
mung der  Abhängigkeit  von  der  Temperatur  vereitelten.  Mit 
längerem  Stromdurchgang  nahm  die  erhaltene  Ladung  über- 
haupt in  den  meisten  Fällen  bis  auf  Null  ab,  was,  wie  sich 
experimentell  zeigte,  von  Veränderungen  in  der  Schwefelsäure 
herrührte.  ^) 

2.  Die  von  den  Gasen  aus  der  Elektrolyse  mitgefuhrten 
Elektricitätsmengen  konnten  noch  etwa  von  einer  Reibung  des 
vom  elektrolytischen  Gase  mitgeftihrten  Flüssigkeitsstaubes  an 
den  Wänden  der  Fortleitungsröhren  des  Gases  herrühren.  Um 
diese  Frage  zu  entscheiden,  wurde  die  ganze  Vonichtung  zur 
Fortleitung  des  Gases  entfernt  und  direct  über  dem  Ent- 
wickelungsgefass  ein  Blatt  feiner  Messinggaze  isolirt  befestigt, 
welches  der  aus  Schwefelsäure  entwickelte  Wasserstoff  und 
Sauerstoff  passiren  musste.  Auch  in  diesem  Falle  lud  sich 
bei  der  Gasentwickelung  die  Gaze  zunehmend  positiv.  Rührt 
die  Ladung  des  Gases  überhaupt  von  einem  Vorgang  zwischen 
Gas  und  Ableitungsrohr  her,  so  muss  dieses  die  zugehörige 
entgegengesetzte  —  negative  —  Elektrisirung  annehmen.  An- 
gestellte Versuche  zeigten  indessen  in  jedem  Falle  positive 
Elektrisirungen  des  Auffangesystemes. 

3.  Die  zur  Gasladung  gehörige,  entgegengesetzte  Elek- 
tricität  fand  sich  vielmehr  im  Entwickelungsgefäss.  Wurde 
nämlich  dieses  (mit  verdünnter  Schwefelsäure  gefüllt)  mitsammt 
den  Strom  liefernden  Accumulatoren  und  den  Zuleitungen  durch 
Paraffin  vom  Erdboden  isolirt  mit  dem  Elektrometer  verbunden 
und  der  Strom  geschlossen,  so  lud  sich  die  ganze  Vorrichtung 
negativ,  also  entgegengesetzt  wie  die  aufsteigenden  Gase 
(Wasserstoff  und  Sauerstoff  +).  Die  Ladungen  von  Entwicke- 
lungsgefäss und  Gas  waren  ausserdem  gleich  und  entgegen- 
gesetzt. Bedeckte  man  das  Entwickelungsgefäss  mit  Pappe 
oder  besser  gut  anschliessendem  Filz,  so  wurde  der  Ausschlag 
des  Elektrometers  fast  unmerklich.  ^)  Versuche  mit  Kalilauge 
und  Salzsäure  lieferten  —  auch  im  Vorzeichen  —  gleiche 
Resultate. 


t 


1)  Vgl.  Bonner  Dias,  des  Verf.  1899.  Ich  vermuthe,  dass  diese 
Verftnderung  in  der  Bildung  von  Nebenproducten  des  Stromes  Wasser- 
stoffsuperoxyd, Ueberschwefelsäure  etc.  beruht 

2)  Näheres  vgl.  die  Diss.  des  Verf. 


16 


/f.  Kösters, 


4.  Zum  Vergleich  der  Ladungserscheinungen  bei  der  Elek- 
trolyse mit  der  Lenard'schen  Wasserfallelektricität  wurde  nun 
folgender  Apparat  construirt  (Fig.  2):  In  einem  Kipp'schen 
Apparat  entwickelter  Wasserstoff  passirt  zunächst  die  etwa 
15  cm  lange  Röhre  mit  feuchter,  festgepfropfter  Watte  £, 
welche  mit  der  Erde  verbunden  ist.  Diese  dient  dazu,  das 
Gas   zunächst   vom   Flüssigkeitsstaube  —   der    von   der   Ent- 

•'Hl 


Fig.  2. 

Wickelung    in    dem    Kipp'schen   Apparat   herrührt    — ,    dann 
aber  auch  von  seiner  Ladung  zu  befreien.^) 

Es  hatte  sich  herausgestellt,  dass  die  von  Gasentwicke- 
lungen stammenden  Gase  durch  ein  solches  Filter  vollständig 
entladen  werden.  Von  dieser  Watteröhre  trat  das  Gas  in  die 
etwa  5  /  haltende  Sammeltiasche  F  und  konnte  von  da  aus 
unter  dem  von  der  Wasser  enthaltenden  Flasche  L  gelieferten 
Druck  durch  Flüssigkeiten  geblasen  werden,  was  durch  ein 
isolirtes  Rohr   mit   feiner  Spitze   geschah.     Die  Flüssigkeiten 


1)  Der  aus  Zink  und  Schwefelsäure  entwickelte  Wasserstoif  führt 
«ine  positive  Ladung  mit  sieh.  Vgl.  W.  Hankel,  Wied.  Ann.  22.  p.  387. 
1884.     Vgl.  auch  die  Bonner  Diss.  des  Verf.  1899. 


Elektische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase.        1 7 

befanden  sich  in  dem  isolirten  Gefässe  K,  das  mit  dem  Elektro- 
meter verbunden  war.  Das  Sicherheitsrohr  des  Kipp 'sehen 
Apparates  war  durch  ein  Rohr  mit  Hahn  ersetzt,  wodurch  es 
möglich  war,  durch  den  Druck  des  sich  entwickelnden  Gases 
das  in  F  befindliche  Wasser  etwa  2  m  hoch  bis  Z  zu  treiben. 
Es  gingen  nun  die  folgenden  Operationen  der  Reihe  nach 
vor  sich: 

Die  Hähne  A  und  B  werden  geöflfnet,  die  Schwefelsäure 
im  Kipp 'sehen  Apparat  sinkt  herab;  A  und  B  werden  ge- 
schlossen, I)  geöflfnet.  Der  WasserstoflF  strömt  durch  JE  in 
die  Flasche  F  und  drückt  das  in  F  befindliche  Wasser  nach 
L.  An  F  befindet  sich  eine  Marke,  bis  zu  der  man  das  Wasser 
in  F  sinken  lässt.  Jetzt  wird  2>  geschlossen  und  A  geöflfnet. 
Zum  Versuch  öfifhet  man  den  Hahn  /  und  notirt  den  Ausschlag 
des  Elektrometers.  Wollen  wir  mit  SauerstoflF  arbeiten,  so 
brauchen  wir  den  Kipp'schen  Apparat  nur  durch  eine  Sauer- 
stoflfbombe  zu  ersetzen.  Die  Spitze  in  AT  —  auf  deren  Be- 
schaflfenheit  es  sehr  ankommt,  worauf  ich  noch  näher  eingehen 
werde  —  taucht  immer  zu  gleicher  Tiefe  (3  cm)  in  die  zu  unter- 
suchende Flüssigkeit.  Das^Gefäss  K,  etwa  7  cm  hoch,  besitzt 
einen  ziemlich  engen  Hals,  welcher  etwa  zur  Hälfte  von  dem 
Rohre  N  ausgefüllt  wird,  um  ein  Umherspritzen  der  Flüssig- 
keit zu  vermeiden. 

Bevor  wir  den  beschriebenen  Apparat  zu  Messungen  be- 
nutzen, müssen  wir  uns  vergewissern,  ob  nicht  durch  etwaiges 
Umherschleudern  der  Flüsoigkeit  in  K  durch  das  durchströmende 
Gas  eine  bemerkbare  Tropfensammlerwirkung  eintritt.  Dies 
können  wir  einfach  dadurch  constatiren,  dass  wir  dem  Gefäss  K 
eine  starke  Ladung  (2 — 5  Volt)  mittheilen  und  beobachten,  ob 
unter  diesen  Umständen  beim  Gebrauch  derselben  Lösung  sich 
dieselbe  Ladung  beim  Durchblasen  zeigt,  als  ohne  vorher- 
gegangene Ladung  des  Gefässes.  Eine  Prüfung  Hess  keinen 
Einfiuss  dieser  vorher  mitgetheilten  Ladung  zu  Tage  treten. 
Der  Sicherheit  halber  wurde  jedoch  das  Luftpotential  häufig 
mit  dem  Tropfensammler  untersucht;  während  der  Versuche 
überstieg  es  niemals  die  Grösse  von  etwa  +  2  bis  3  Volt. 

Ausserdem  versicherte  ich  mich  häufig  während  der  Ver- 
suche, dass  der  aus  F  kommende  Wasserstoflf  keine  Spur  einer 
Ladung  mehr  zeigte,  indem  ich  ihn  gegen  ein  isolirtes  Zink- 
Ann,  d.  Phjs.  11.  Chem.    N.  F.    69.  2 


18  //'.  KÖsters, 

blech  strömen  Hess;  bei  EinschaltuDg  des  Wattefilters  habe 
ich  niemals  die  geringste  Ladung  bemerkt,  während  er  ohne 
Filter  in  allen  untersuchten  Fällen  positive  Ladung  zeigte. 

5.  Es  galt  nun,  mit  diesem  Apparat,  den  ich  der  Kürze 
halber  als  „Ausströmungsapparaf  bezeichnen  will,  die  Elektri- 
sirungen  mit  denen  bei  der  Elektrolyse  —  zunächst  dem  Vor- 
zeichen nach  —  zu  vergleichen.  Es  waren  bei  der  Elektrolyse 
die  Ladungsvorzeichen  der  Gase: 

Wasserstoff— Schwefelsäure  + 

Sauerstoff— Schwefelsäure  + 

Wasserstoff—  K  alilauge  + 

Sauerstoff— Kalilauge  — 

Wasserstoff— Salzsäure  + 

Chlor— Salzsäure  — 

Wasserstoff— Salzsäure  +  0  — 

Chlor— Salzsäure  - 


Platinelektroden 
Kohleelektroden 


I 
{ 


Im  „  Ausströmungsapparat'^  war  Wasserstoff  und  Sauerstoff 
gegen  Schwefelsäure  positiv,  wie  bei  der  Elektrolyse. 

Wasserstoff — Kalilauge  war  im  einen  wie  im  anderen  Falle 
positiv. 

Sauerstoff  aus  einer  Bombe  von  Dr.  Elkan  fand  sich 
dagegen  im  Ausströmungsapparat  gegen  Kalilauge  positiv,  in  der 
Elektrolyse  negativ. 

Hier  schien  ein  unlösbarer  Widerspruch  zu  bestehen.  In- 
dessen existirt  doch  eine  Verschiedenheit  zwischen  beiden  Fällen, 
der  Sauerstoff  aus  der  Elektrolyse  von  Kalilauge  enthält  Ozon. 

Um  zu  prüfen,  ob  das  elektrolytische  Gas  auch  im  Aus- 
strömungsapparat das  verlangte  Vorzeichen  gebe,  wurde  der 
Sauerstoff  aus  der  Elektrolyse  von  Kalilauge  in  die  Sammel- 
flasche F  des  Ausströmungsapparates  geleitet  (ohne  Filter). 
Zunächst  wurde  seine  Ladung  festgestellt,  indem  ich  ihn  aus 
der  Spitze  des  Apparates  auf  ein  Zinkblech  strömen  liess,  sie 
war,  wie  zu  erwarten,  stark  negativ.  Das  Gefäss  K  wurde  jetzt 
mit  derselben  Kalilauge  gefiillt^  die  soeben  bei  der  Elektrolyse 
gebraucht  war^  und  der  Apparat  in  Thätigkeit  gesetzt.  Das 
Resultat  war,  trotz  der  im  Gase  vorhandenen  stark  negativen 
Ladung,  die  zum  grossen  Theil  an  die  Flüssigkeit  überging, 
eine  starke  positive  Ladung  des  Gefässes  £,  in  üeberein- 
stimmung  mit  der  Ladung  des  Gases  bei  der  Elektrolyse.    Diese 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergesteUter  Gase,       19 

auffällige  und  prägnante  Erscheinung  macht  es  schon  sehr 
^  wahrscheinlich,  dass  die  bei  Gasentwickelungen  auftretenden 
Elektricitaten  mit  der  Lenard 'sehen  „Wasserfallelektricität'' 
identisch  sind.  Auffällig  war  hierbei  auch  die  ausserordentlich 
grosse  Ladung,  die  man  mit  diesem  Gase  aus  der  Elektrolyse 
im  Ausströmungsapparat  erhielt.  Sie  übertraf  die  von  solchen 
Lösungen  und  gewöhnlichen  Gasen  erhaltenen  Werthe  um  das 
5 — lOfache.  Ich  werde  später  auf  dieses  Resultat  zurück- 
kommen. 

Merkwürdig  waren  noch  die  Resultate,  welche  Townsend 
erhalten  hatte,  wenn  er  Salzsäure  einmal  zwischen  Platin-  ein- 
mal zwischen  Kohleelektroden  elektrolysirte.  In  Folgendem  will 
ich  diese  Resultate  kurz  recapituliren.  Benutzt  man  bei  der 
Elektrolyse  von  Salzsäure  Platinelektroden,  so  zeigt  der  Wasser- 
stoff nach  dem  Aufsteigen  positive,  das  Chlor  negative  Ladung. 
Auch  nach  längerem  Stromdurchgang,  wenn  also  die  Salzsäure 
durch  Platinchlorid  und  Chlor  verunreinigt  ist,  wechselten  diese 
ihr  Vorzeichen  nicht.  Gebraucht  man  dagegen  frische  Kohle- 
elektroden, so  zeigt  der  aufsteigende  Wasserstoff  zuerst  posi- 
tive Ladung,  die  aber  bald  schwächer  wird  und  schon  nach 
wenigen  Minuten  Stromdurchgang  in  negative  Ladung  über- 
geht, die  sodann  bestehen  bleibt.  Das  Chlor  bleibt  während- 
dessen negativ.  Ich  habe  diese  Versuche  wiederholt  und  ihre 
Resultate  bestätigt  gefunden.  Ich  vermuthete  zunächst,  dass 
die  Veränderung  in  der  Salzsäure  durch  den  Strom  diese 
Wirkung  hervorbrächte,  da  bei  Platinelektroden  Chlor  und 
Platinchlorid,  bei  Kohleelektroden  Chlor  allein  in  der  Lösung 
gebildet  würde.  Indessen  zeigte  sich  bald,  dass  der  Zeichen- 
wechsel an  die  Elektroden  gebunden  war.  Hatte  man  den 
Strom  längere  Zeit  mit  Platinelektroden  durch  Salzsäure  gehen 
lassen,  und  setzte  nun  statt  der  Platinkathode  eine  schon  ge- 
brauchte —  negative  Ladung  des  Wasserstoffs  gebende  — 
Kohlekathode  ein,  so  wurde  der  vorher  positive  Wasserstoff 
negativ.  Wurde  nun  wieder  die  Platinkathode  eingesetzt,  so 
erschien  die  Ladung  des  aufsteigenden  Wasserstoffs  wieder 
positiv.  Es  zeigte  sich  ausserdem  gewöhnlicher  Wasserstoff 
im  Durchströmungsapparat  sowohl  gegen  die  zwischen  Platin- 
ais auch  Kohleelektroden  elektrolysirt  gewesene  Salzsäure 
positiv.  Leider  und  merkwürdigerweise  gelang  es  mir  nur  bei 
•  2* 


20  r.  Kösters. 

zwei  EohleelektrodeupaareD ,  den  Zeichenwechsel  hervorzu- 
bringen; sämmtliche  von  mir  später  benutzten  frischen  Kohle- 
elektroden lieferten  auch  nach  stundenlangem  Durchgang  von 
starken  Strömen  nur  positive  Ladung,  welche  langsam  abnahm. 
Diese  Erscheinung  verhinderte  mich,  näher  zu  untersuchen, 
wie  sich  dieser  Zeichenwechsel  im  Durchströmungsapparat 
verhielt;  ich  vermuthe,  dass  der  elektrolytische  Zeichenwechsel 
von  Verunreinigungen  des  Wasserstoffs  herrührt,  die  sich  ja 
bei  Kohleelektroden  leicht  bilden  können.  Der  von  den  Platin- 
oder Kohleelektroden  herrührende  positive  Wasserstoff  zeigte 
auch  im  Ausströmungsapparat  das  entsprechende  Vorzeichen, 
auch  ergab  sich  hier  wieder  mit  dem  ohne  Filter  in  die  Sammel- 
flasche geleiteten  Wasserstoff  eine  aussergewöhnlich  grosse 
Ladung.  Ich  hoffe,  dass  es  mir  später  gelingen  wird,  den 
Zeichenwechsel  zu  beobachten,  um  die  Untersuchung  desselben 
im  Ausströmungsapparat  vornehmen  zu  können. 

6.  Bevor  ich  über  die  nunmehr  angestellten  quantitativen 
Versuche  mit  dem  Ausströmungsapparat  berichte,  muss  ich  noch 
eines  Umstandes  oder  Uebelstandes  bei  der  Benutzung  desselben 
erwähnen.  Die  Versuche  mit  diesem  wurden  immer  in  der 
Weise  angestellt,  dass  der  Hahn  /  plötzlich  geöffnet  und  von 
diesem  Punkte  an  eine  Minute  lang  alle  15  Secunden  der 
Stand  des  Elektrometers  abgelesen  wurde.  Dabei  trat  die 
Erscheinung  hervor,  dass  die  in  jeder  Viertelminute  er- 
haltenen Werthe  mit  der  Dauer  des  Durchströmens  abnahmen. 
Ich  gebe  hier  ein  Beispiel: 

Es  ergab  sich  bei  Benutzung  von  Schwefelsäure  specifisches 
Gewicht  1,202  und  Wasserstoff: 


mf'on 

Ablenkung 

lUtCll 

Seal  entheile 

0 

0 

V« 

5,2 

V, 

4,0 

'/« 

3,3 

1 

2,7 

Diese  Abnahme  rührt,  wie  eine  nähere  Untersuchung  er- 
gab, von  zweierlei  Umständen  her. 

Während  des  Versuches  trat  zunächst  eine  Verminderung 
des  Druckes  ein,  unter  dem  der  Wasserstoff  ausströmte,  da- 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase,       21 

durch  y  dass  das  Wasser  in  dem  die  Gefasse  L  und  P  ver- 
bindenden Schlauch  eine  Reibung  erfahr  und  deshalb  nicht  so 
schnell  nachströmen  konnte,  wie  der  Wasserstoff  ausströmte^), 
femer  dadurch,  dass  die  Höhendifferenz  der  beiden  Wasser- 
spiegel Z  und  J^  durch  das  Hinabfliessen  des  Wassers  vermindert 
wurde.  Eine  zweite  Erscheinung,  welche  die  Wirkung  ver- 
minderte, war  die  Absorption  von  Wasserstoff  in  der  Lösung 
während  des  Durchströmens.  Das  letztere,  d.  h.  allgemein  ge- 
sagt, eine  Veränderung  der  Lösung  zeigte  sich  schon  dadurch, 
dass  dieselbe  Lösung,  zum  zweiten  Male  geprüft,  kleinere  Werthe 
ergab;  ich  werde  später  etwas  ausführlicher  darauf  eingehen. 
Was  die  Druckverminderung  angeht,  so  versuchte  ich,  ob 
constanter  Ausströmungsdruck  gleiche  Werthe  der  Elektri- 
sirung  pro  Zeiteinheit  ergab.  Zur  Herstellung  des  constanten 
Druckes  benutzte  ich  das  Ausströmungsdruckregulirventil  einer 
Elkan 'sehen  Bombe  mit  dem  sich  nach  vielen  mühevollen 
Versuchen  immer  für  einige  Zeit  constanter  Ausströmungsdruck 
herstellen  liess,  wie  mit  einem  Quecksilbermanometer  geprüft 
wurde.  Bei  den  Versuchen  mit  Wasserstoff  ergab  sich,  dass 
unter  Verwendung  einer  einige  Minuten  zu  Versuchen  ge- 
brauchten, oder  mit  Wasserstoff  gesättigten  Lösung  bei  con- 
stantem  Ausströmungsdruck  in  der  Zeiteinheit  gleiche  Elektri- 
citätsmengen  erhalten  wurden;  andererseits  ergab  sich,  dass 
bei  Verwendung  des  Durch  Strömungsapparates  mit  solchen 
Lösungen  und  Wasserstoff  in  zwei  aufeinanderfolgenden  Ver- 
suchen gleiche  elektrische  Werthe  erhalten  wurden.  —  Bei  dieser 
Gelegenheit  habe  ich  zugleich  den  Einfluss  des  Druckes,  unter 
welchem  das  Gas  ausströmt,  auf  die  erhaltene  Elektricitäts- 
menge  pro  Zeiteinheit  festgestellt.  ^)  Es  zeigte  sich,  dass  diese 
mit  Vergrösserung  des  Druckes  ausserordentlich  stark  zunahm. 
Die  Versuche  wurden  mit  Schwefelsäure  vom  specifischen  Gewicht 
1,185  und  Wasserstoff  ausgeführt.     Folgende  Tabelle  enthält 


1)  Dies  wurde  später  durch  einen  weiten  Schlauch  vermieden,  wo- 
durch die  pro  Zeiteinheit  erhaltenen  Werthe  bedeutend  weniger  differirten. 

2)  Die  Geschwindigkeit  des  ausströmenden  Gases  nahm  mit  zu- 
nehmendem Drucke  in  noch  geringerem  Maasse  zu,  als  wenn  [sich  die 
Spitze  in  K  wie  eine  Oeffnung  in  dünner  Wand  verhalten  hätte.  Die 
AuBströmungsgeschwindigkeiten  von  H„  0),  CO,  verhielten  sich  bei  con- 
stantem  Druck  wie  1  : 0,43  :  0,27. 


22 


}F.  Kösters, 


die  Resultate,  die  ans  einer  Reihe  von  Beobachtungen  graphisch 
interpolirt   wurden.     Die  zugehörige  Curve   zeigt  Fig.  3,  Ab- 
scissen  sind  die  Drucke  in  cm  Quecksilber,  Ordinaten  die  er-  ^ 
haltenen  Elektricitätsmengen  in  Scalentheilen  in    ^4  Minute: 


Druck 

Scalen  theile 
V4  Min. 

Druck 
cm  Hg 

Sc&lentheile 

cm  Ug 

V4  Min. 

0,0 

0,00 

7,0 

3,17 

1,0 

0,15 

8,0 

3,96 

2,0 

0,43 

9,0 

4,89 

3,0 

0,85 

10,0 

5,97 

4,0 

1,30. 

11,0 

7,45 

5,0 

1,88 

12,0 

9,55 

6,0 

2,45 

13,0 

12,75 

Fig.  8. 


13  cm  ä(f. 


7.  Ich  schritt  nun  zur  quantitativen  Vergleichung  der 
Erscheinung  bei  der  Elektrolyse  mit  der  des  Durchströmungs- 
apparates. Es  Hess  sich  erwarten,  dass  bei  einem  Bestehen 
der  Identität  zwischen  L  e  n  a  r  d  'scher  Wasserfallelektricität 
und  „elektrolytischem  Vorgang^'  die  bei  verschiedenen  Lösungen 
und  verschiedenen  Temperaturen  bei  der  Üllektrolyse  erhaltenen 
Werthe  denen  beim  Durchströmen  unter  gleichen  Verhältnissen 
erhaltenen  proportional  seien.  Die  erwartete  Proportionalität 
zeigte  sich  jedoch  nicht.    Die  Versuche  wurden  mit  Schwefel- 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase,       23 

säurelösungen  vom  specifischen  Gewicht  1,3  und  1,137  durch- 
gef&hrt.     Es  ergab  sich: 


Elektrolyse : 

Durchstr. : 

Scalentheile 

Scalentheile 

Min. 

Min. 

4,69 

15,92 

15,00 

11,64 

H^SO«  specifiBches  Gre wicht      1,8 
H.SO,  „  „  1,137 

Es  besteht  also  nicht  nur  keine  Proportionalität,  sondern 
die  Lösung  von  geringerem  specifischen  Gewicht  liefert  im 
Durchströmungsapparat  geringere,  in  der  Elektrolyse  grössere 
Werthe  als  die  conceritrirtere  Lösung.  Es  ist  schwer,  über  die 
Erscheinung  sich  ein  Urtheil  zu  bilden,  ich  vermuthe,  dass 
bei  der  Elektrolyse  besonders  die  Zähigkeit  der  Lösung  eine 
grosse  Rolle  spielt.  ^) 

8.  ßei  einer  Reihe  von  Versuchen,  die  ich  nun  mit  dem 
Durchströmungsapparat  und  Wasserstoff  anstellte,  fand  ich  die 
meisten  Lösungen  gegen  Wasserstoff  negativ.  Ausserordent- 
liche variable,  meist  negative  Werthe  lieferte  Alkohol.  *) 
Lieferungen  derselben  Bezugsquelle  aus  verschiedenen  Flaschen 
ergaben  —  wohl  infolge  von  geringfügigen  fremden  Bei- 
mengungen —  vollständig  —  auch  im  Vorzeichen  —  ver- 
schiedene Werthe.  Unter  anderen  fand  ich  auch  einen  wässe- 
rigen Alkohol,  welcher  sich  gegen  Wasserstoff  stark  positiv 
verhielt.  Dieser  giebt  uns  ein  vortreffliches  Mittel  an  die 
Hand,  zu  erweisen,  dass  die  bei  der  Elektrolyse  erhaltene 
Ladung  an  der  Oberfläche  des  Elektrolyten  entsteht  und  von 
der  Art  der  durchströmten  Flüssigkeit  abhängig  ist.  Wir 
schichten  auf  die  zur  Elektrolyse  gebrauchte  Schwefelsäure 
vorsichtig  eine  etwa  2  cm  dicke  Schicht  dieses  Alkohols,  welche 
mit  Magdalaroth  gefärbt  ist,  nachdem  wir  uns  überzeugt  haben, 
dass  die  Färbung  und  ausserdem  eine  ziemlich  starke  Ver- 
unreinigung des  Alkohols  mit  Schwefelsäure  das  Vorzeichen 
im  Durchströmungsapparat  nicht  ändert.  Schliessen  wir  nun 
den  Strom,  so  geschieht  folgendes:  die  aufsteigenden  Wasser- 
stoffblasen durchbrechen  den  Alkohol  und  vermengen  ihn 
schon  nach  wenigen  Secunden  mit  der  Schwefelsäure.     Diese 


1)  Vgl. über  ähnliche  Folgen  W.Hankel,  Wied.  Ann. 22. p.  402. 1884. 

2)  Vgl.  auch  Ph.  Lenard,  Wied.  Ann.  46.  p.  628.  1892. 


24  //'''.  KÖsters, 

knrze  Zeit  genügt  aber  schon,  dem  im  Anfange  aufsteigenden 
Wasserstoff  eine  negative  Ladnng  zu  geben,  welche  nach 
kurzer  Zeit  wieder  in  die  gewohnte  positive  übergeht.  Unter-  ^ 
suchen  wir  nun  die  benutzte  Schwefelsäure  im  Durchströmungs- 
apparat mit  Wasserstoff,  so  finden  wir  auch  hier  positive  La- 
dung des  Wasserstoffs. 

9,  Ein  Punkt  war  an  dem  Vorgange  bei  der  Elektrolyse 
noch  besonders  auffällig,  das  war  die  auserordentliche  Grösse 
der  Ladungen  im  Verhältniss  zu  der  verbrauchten  Gasmenge, 
verglichen  mit  diesem  Verhältniss  beim  Durchströmungs- 
apparat. ^)  Auch  die  Annahme,  dass  infolge  der  feinen  Ver- 
theilung  des  Gases  in  der  Elektrolyse  bei  gleichem  Gasvolu- 
men eine  hundertmal  so  grosse  Oberfläche  beim  Platzen  der 
Blasen  verschwindet  als  beim  Ausströmuugsapparat,  reicht 
nicht  vollständig  hin,  die  grossen  Ladungen  bei  der  Elektro- 
lyse zu  erklären.  Es  war  aber,  wie  schon  früher  bemerkt  (5), 
aufgefallen,  dass  elektrolytische  Gase  oder  Wasserstoff  aus 
der  Entwicklung  durch  Zink  und  Schwefelsäure,  welche  ohne 
Wattefilter  in  den  Ausströmungsapparat  geleitet  wurden,  da- 
selbst ganz  bedeutend  grössere  Elektricitätsmengen  ergaben, 
wie  filtrirte  Gase.  ^)  Da  nun  der  bei  der  Eutwickelung  von 
Gasen  aus  Flüssigkeiten  auftretende  feine  Flüssigkeitsstaub 
vom  Wattefilter  zurückbehalten  wird,  so  lag  es  nahe,  diesen 
für  die  Grösse  der  Wirkung  bei  der  Elektrolyse  verantwort- 
lich zu  machen.  Eine  genauere  Beobachtung  des  Vorganges 
bei  der  Elektrolyse  lässt  zunächst  erkennen,  dass  aus  jeder 
an  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  zerplatzenden  Blase  ein 
feines  Wölkchen  aufsteigt,  während  die  Blase  selbst  beim  Zer- 
platzen gröbere  Flüssigkeitstheilchen  umherschleudert.  Es 
scheint  daher,  dass  die  Blasen  schon  beim  Aufsteigen  mit 
Flüssigkeitsstaub  beladen  sind,  zum  mindesten  ist  es  plausibel, 


1)  Die  Elektricitätsmenge  pro  Einheit  des  Gasvolumens  in  der 
Elektrolyse  übertraf  denselben  Werth  bei  dem  Durchströmungsapparat 
um  etwa  das  Tausendfache ;  genauere  Z<ahlen  anzugeben  ist  nicht  möglich 
und  zwecklos,  da,  wie  wir  in  6.  fi^esehen  haben,  das  Verhältniss  Elektri- 
citätsmenge :  Gasmenge  mit  der  Geschwindigkeit  des  Ausströmens  be* 
deutend  variirt,  andererseits  keine  Proportionalität  zwischen  den  beiden 
Erscheinungen  bestand. 

2)  Vgl.  auch  Lord  Kelvin,  Proc.  Roy.  Soc.  57.  p.  845.  1895. 

V 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase,       25 

das8  ein  grosser  Theil  des  im  elektrolytischen  Gase  suspen- 
dirten  Staubes  durch  ,, Znsammenplatzen ^'  der  kleinen,  sich 
an  der  Elektrode  zunächst  bildenden  Bläschen  entsteht 

flinen  ähnlichen  Flüssigkeitsstaub  suchte  ich  nun  in  das 
Gas  des  Ausströmungsapparates  zu  bringen  und  dessen  Ein- 
fiuss  auf  die  erhaltene  Ladung  festzustellen.  Zu  diesem  Zwecke 
wurde  zwischen  Sammelflasche  F  und  Wattefilter  ein  Zer- 
stäuber eingeschaltet,  wie  Fig.  4  zeigt.  Der-    _^ -i 

selbe  war  in  ein  weites  Rohr  eingelassen,       ^ 


r 


auf  dessen  Wandung  die  grösseren  Tropfen  /  \ 

aus  dem  Zerstäuber  aufprallten,  während  11 

der  feinere  Staub  in  die  Sammelflasche  ein- 
trat. Das  Gefäss  K  und  der  Zerstäuber  ^^' 
sind  zunächst  mit  derselben  verdünnten  Schwefelsäure  ge- 
füllt. Wir  bringen  nun  etwas  Flüssigkeitsstaub  in  die 
Sammelflasche,  indem  wir  durch  einen  einzelnen  Stoss  mit 
Wasserstoff  den  Zerstäuber  in  Thätigkeit  setzen.  Wir  füllen 
sodann  die  Flasche  vollständig  mit  reinem  staubfreien  Wasser- 
stoff. Lassen  wir  nun  diesen  durch  die  Schwefelsäurelösung 
in  JT  strömen,  so  ergeben  sich  10  —  40 mal  so  grosse  La- 
dungen als  mit  staubfreiem  Wasserstoff.  Vor  dem  Ver- 
suche wurde  die  Ladung  des  mit  Staub  versehenen  Gases 
constatirt,  indem  ich  es  auf  ein  Zinkblech  strömen  liess,  sie 
zeigte  sich,  wie  zu  erwarten  war,  positiv;  trotz  dieser  Ladung 
lud  sich  die  Schwefelsäure  in  K  zu  den  erwähnten  grossen 
Werthen  negativ  (H,SO^  spec.  Gew.  1,2  bis  4—5  Volt  in 
der  Minute).  ^)  Die  positive  Ladung  des  Wasserstoffs,  die  von 
dem  Zerstäuber  herrührt,  ist  deshalb  äusserst  günstig,  weil 
die  starke  beobachtete  Ladung  des  Gefässes  niemals  der  Zer- 
stlLuberwirkung  zugeschrieben  werden  kann.  Ganz  ähnliche 
Ergebnisse  liefert  KOH- Staub  in  KOH-Lösung,  Salzsäurestaub 
in  Salzsäure,  Wasserstaub  etc.,  wobei  es  im  allgemeinen  gleich- 
gültig ist,  ob  z.  B.  das  Gas  zum  Durchblasen  durch  Schwefel- 
säure mit  Schwefelsäurestaub  oder  etwa  Salzsäurestaub  ver- 
setzt wird. 

Es   giebt  noch   andere  Mittel^   Gase   mit  feinem  Staube 
zu  versehen,   dazu   gehört   ein  glühender  Platindraht.  *)     Wir 

1)  Vgl.  die  folgenden  Tabellen  (10). 

2)  Vgl  E.  Nahrwold,  Wied.  Ann.  81.  p.  467  ff.  1887. 


26 


W,  Kösters, 


schalten  an  Stelle  des  Zerstäubers  eine  Röhre  ein,  durch  die 
ein  Platindraht  geschmolzen  ist  und  lassen  denselben  beim 
Durchströmen  des  Wasserstoffs  schwach  roth  glühen.     Prüfen   ^ 


>.«. 


Ho'  vow 


XOE/H-HCL/IR 


Fig.  5. 


23% 


lO 


^oW 


J%Mbv 


JOr 

9  ■ 
8  ■ 
7  - 

e  - 

5  ' 
♦  - 
3  - 

1 


fooX 


Fig.  6. 

wir  vor  dem  Versuche  die  Ladung  des  so  behandelten  Wasser- 
stoffs, indem  wir  ihn  aus  der  Sammelflasche  auf  ein  Blech 
strömen  lassen,  so  finden  -wir  ihn  für  unsere  Verhältnisse 
ausserordentlich    stark    positiv    geladen  ^)   (2 — 3  Volt  in   der 


1)  Vgl.  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  81.  p.  123.  1887. 


Elektrische  Ladwng  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase.       27 

Minute  bei  ungefähr  gleicher  Ausströmongsgeschwindigkeit,  wie 
bei  den  Durchblasangsyersuchen) ;  trotzdem  ergab  sich  beim 
Durchströmen  durch  Schwefelsäure  specifisches  Gewicht  1,2 
noch  eine  beträchtlich  grössere  negative  Ladung,  als  mit  staub- 
freiem Wasserstoff.  Aehnliche  Erscheinungen  erhielt  man 
auch  bei  den  übrigen  Lösungen.  Ftlllte  man  K  mit  destillir- 
tem  Wasser  —  welches  sich  positiv  ladet  — ,  so  erhielt  man 
bei  Anwendung  von  Wasserstoff  mit  Platinstaub  ausserordent- 
lich  grosse  Ausschläge   (20  Volt  pro  Minute),   da   in   diesem 


tOOAi 


Fig.  7. 

Falle  die  positive  Ladung  des  Wasserstoffs  durch  Platin- 
staub sich  zu  der  durch  das  Durchströmen  erzeugten  addirte. 
10.  Ich  habe  nun  eine  Keihe  von  Lösungen  auf  ihre 
elektrische  Wirkung  im  Ausströmungsapparat  gegen  einfache 
reine  Oase  untersucht.  Eine  Anzahl  derartiger  Bestimmungen 
liegen  schon  vor,  die  jedoch  zum  grössten  Theil  mit  Luft  ge- 
macht sind.  Vor  den  Versuchen  wurde  die  Ausströmungs- 
spitze noch  einmal  einer  gründlichen  Prüfung  unterzogen. 
Nach  vielen  Proben  erwies  sich  eine  Spitze  von  0,3  mm  Oeff- 
nung  als  die  günstigste.  Grössere  Oeffungen  Hessen  das  Gas 
zu  heftig  austreten,  wodurch  die  Flüssigkeit  leicht  umher- 
geschleudert wurde,  während  kleinere  Oeffnungen  wegen  des 
langsamen  Gasdurchflusses  weniger  Elektricität  lieferten.  Bei 
den  Versuchen  wurde  nach  Oeffnung  des  Hahnes  /  immer 
eine   Minute   lang   alle   Viertelminute   am   Elektrometer   eine 


28 


W,  Kosters. 


Ablesung  gemacht;  zu  jedem  neuen  Versuche  wurde  in  K 
frische  Lösung  eingefüllt,  da  wie  erwähnt,  durch  Wasserstoff- 
absorption  in  der  Lösung  eine  kleine  Verminderung  der  Wir- 
kung eintrat.^)  Der  mittlere  Fehler  der  angegebenen  Mes- 
sungen beträgt  2  bis  3  Proc.  Folgende  Tabelle  giebt  die 
Resultate  einiger  besonders  untersuchter  Lösungen.  Zur  Gon- 
struction  der  Gurven  wurde  noch  eine  Anzahl  anderer  Lösungen 
untersucht  y  die  nicht  in  der  Tabelle  enthalten  sind.  Unter 
„Proc.-Gehalt"  steht  bei  den  Säuren  der  Gehalt  der  Gesammt- 
lösung  in  Gewichtsprocenteu  wasserfreier  Säure;  bei  Kalilauge 
der  Gehalt  in  Gewichtsprocenteu  KOH,  bei  den  Salzen  der 
Gehalt  an  (bei  20^  gesättigter  Lösung.  Die  Vorzeichen  sind 
die  der  Gase. 


^ 


I.  WaBseratoff— Schwefelsäure  (Fig.  6  u.  7). 


Proc-Grehalt 

0,000 
0,007 
0,015 
0,080 
0,97 


10"^  Volt 
^U  Min. 
-  145,10 
0,00 
+  1,09 
+  2,66 
+      2,68 


Proc- Gehalt 

16,14 
27,44 
39,19 
41,44 
100,00 


10-^  Volt 
V4  Min. 
+  2,81 
+  3,05 
+  3,75 
+  3,84 
0,00 


II.    Wasserstoff  —  Kalilauge  (Fig.  5  u.  7). 


Proc.-Gehalt 

0,008 

0,015 

0,022 

0,34 

2,35 

4,60 


10-2  Volt 


V4  Min. 

-  3,08 

-  0,66 

-  0,31 
+  1,78 
+  3,67 
+  4,02 


.-2 


Proc.-Gehalt 

5,75 

9,20 
11,88 
19,18 
23,00 


10"  "  Volt 
"  V4  Min. 
+  4,48 
+  6,67 
-^  5,76 
+  4,33 
+  8,50 


III.   Wasserstoff—  Kupfersulfat  (Fig.  6). 


Proc.-Gehalt 

0,00 

1,80 

4,49 

16,67 


10~2  Volt 


V4  Min. 
-  145,40 
0.00 
+      1,19 
+      2,64 


Proc-Gehalt 

40,78 

41,31 

66,67 

100,00 


10-  2  Volt 

V4  Min. 

+  4,32 

+  4,29 

+  3,83 

0,00 


1)  Vgl  Abschnitt  6. 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase,       29 

IV.    WasBeretoff— Essigsäure  (Fig.  6). 


Proc-Gehalt 

10-  2  Volt 
V'4  Min. 

Proc-Gehalt 

10-2  Volt 
V4  Min. 

0,023 

-4,62 

7,15 

-0,09 

0,07 

-  3,52 

16,67 

0,00 

0,50 

-  1,46 

33,33 

0,00 

0,53 

-  1,36 

66,67 

0,00 

3,46 

-0,47 

100,00 

+  2,74 

V. 

Wasserstoff— 

Kalisalpeter  (Fig.  6). 

Proc-Gehalt 

10-2  Volt 
V4  Min. 

Proc-Gehalt 

10-2  Volt 
V4  Min. 

0,042 

-  11,34 

40,00 

+  6,77 

1,15 

-    0,93 

50,00 

+  7,94 

1,67 

-    0,29 

83,36 

+  6,58 

7,69 

+    1,32 

100,00 

+  3,98 

VI.  Wasserstoff 

—Salzsäure  (Fig.  5). 

Proc-Gehalt 

10-2  Volt 
V*  Min. 

Proc-Gehalt 

10- 2  Volt 
V4  Min. 

0,004 

0,00 

5,52 

+  2,623 

0,009 

+  1,16 

5,59 

+  2,630 

0,028 

+  2,06 

7,45 

+  2,73 

0,11 

+  2,07 

11,18 

+  2,86 

0,52 

+  2,12 

13,04 

+  2,95 

1,87 

+  2,24 

22,86 

+  4,47 

VII.   Wasserstoff— Kochsalzlösung. 

Proc-Gehalt 

10-  2  Volt 
V4  Min. 

Proc-Gehalt 

10-2  Volt 
V4  Min. 

1,6 

+  0,62 

33,33 

+  3,46 

8,3 

+  1,72 

50,00 

+  4,92 

14,0 

+  2,05 

VIIL 

W  asserstoff- 

-Bonner  Leitungswasser. 

-  4,64  - 

10-2  Volt 
V4  Min. 

IX. 

Sauerstoff— 1 

Schwefelsäure  (Fig.  7) 

I. 

"  Proc-Gehalt 

10-2  Volt 
V4  Min. 

Proc-Gehalt 

10-2  Volt 
V4  Min. 

0,00 

-  75,77 

13,81 

+    7,63 

0,043 

-    1,66 

20,65 

+    8,11 

0,206 

+     2,82 

27,10 

+    9,02 

0,449 

+    3,86 

34,53 

+  11,36 

0,52 

+    3,89 

41,44 

+  16,19 

0,95 

+    4,40 

57,78 

+  23,93 

6,91 

+    7,18 

100,00 

+    7,73 

30  /r.  Kösters. 

X.  Sauerstoif— Kalilauge  (Fig.  7). 

ix.      r.  u  u        10"^  Volt  ^        ^  ,    ,.         10-2  Volt 

Proc-Gehalt        -^t-tt- —  Proc-Gehalt        -,7—^7; — 

'/4  Min.  V4  Min. 

0,017  -    0,992  14,50  +  20,47 

0,44  +    5,43  29,00  +  12,46 

4,92  +  14,60 

XI.  Sauerstoff —  Kupfersulfatlösung. 

.«.«  T.        r^  v  1.  r  ..    10"^  Volt 

13,18  Proc-Gehalt,  +  5,14  -    rr— ü; 

V4  Min. 

XI 1.  Sauerstoff — Salzs&ure. 

Spec.  Gew.  1,124,  +  11,714  -?rnsT-^ 

'^  U  Min. 

Das  Verhältniss  der  Ausströmungsgeschwindigkeiten  für 
Wasserstoff  und  Sauerstoff  betrug  0,43.  In  den  Tabellen  fällt 
zunächst  die  Grösse  der  Wirkung  des  reinen  Wassers  gegen 
Wasserstoff  auf,  ausserdem  die  ausserordentliche  Empfindlich- 
keit derselben  gegen  geringe  Beimengung  fremder  Substanzen. 
Schon  0,007  Proc.  Schwefelsäure  machen  die  Wirkung  zu  Null, 
während  allerdings  von  den  Salzen  verhältnissmässig  viel  grössere 
Mengen  dazu  nöthig  sind.  Destillirtes  Wasser  habe  ich  in 
zwei  frischen  Proben  von  derselben  Firma  untersucht,  von 
denen  die  eine  nur  etwa  die  Hälfte  der  positiven  Elektri- 
sirung  ergab  als  die  andere.  Der  in  der  Tabelle  mitgetheilte 
Werth  ist  der  von  letzterer  Lösung,  den  ich  durch  vielmaliges 
sorgfältiges  Beinigen  und  Ausspülen  des  Gefässes  K  erhielt, 
der  grösste,  welcher  mit  käuflichen  destillirtem  Wasser  zu  er- 
zielen war.  Nach  etwa  3  monatlichem  Stehen  in  der  Flasche  war 
der  grosse  Werth  dieses  Wassers  etwa  auf  die  Hälfte  gesunken. 

Von  der  Empfindlichkeit  mancher  Lösungen  gegen  einzelne 
schwache  Verunreinigungen  mögen  auch  folgendes  Beispiel 
Zeugniss  ablegen.  Bei  einer  durch  Kochen  frisch  hergestellten 
50  proc.  Lösung  von  Kochsalz  fand  ich  plötzlich  die  Wirkung 
fast  gleich  Null,  während  sie  nach  den  vorhergehenden  Ver- 
suchen etwa 

-    10"^  Volt 

V4  Min. 

ergeben   musste.     Wie   die  Untersuchung   bewies,   rührte   die 
Wirkungsabnahme  von  einem  winzigen  Partikelchen  Siegellack 


Elektrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase.       31 

her^  welches  durch  Zufall  in  die  Kochflasche  gelangt  war,  und 
von  dem  wahrscheinlich  noch  winzigere  Theilchen  in  Lösung  ge- 
gangen waren. 

Ein  sehr  interessantes  Beispiel  dieser  Empfindlichkeit 
einzelner  Lösungen  giebt  J.  J.  Thomson^).  Setzte  man  des- 
tillirtem  Wasser  Spuren  von  Rosanilin  zu,  so  konnte  man  eine 
Aenderung  in  der  elektrischen  Wirkung  gegen  Luft  schon 
wahrnehmen,  ehe  eine  Färbung  des  Wassers  erkennbar  war. 

Die  Curven  für  die  Wirksamkeit  verschiedener  Concen- 
trationen  anorganischer  Säuren  und  Salze  zeigen  alle  nahezu 
den  gleichen  Verlauf.  Interessant  ist  noch  die  Eigenthüm- 
lichkeit,  dass  concentrirte  Lösungen  entweder  den  Werth  Null 
ergeben,  oder  sich  doch  der  Grenze  Null  nähern.  2) 

11.  Ausser  diesen  Bestimmungen  habe  ich  nun  noch  an 
einer  Lösung  festgestellt,  wie  die  Erscheinung  im  Durchströ- 
mungsapparat sich  gegen  Temperaturänderungen  verhielt.  Be- 
nutzt wurde  hierzu  Schwefelsäure,  spec.  Gewicht  1,300  und  Wasser- 
stoff. Die  Lösung  wurde  gerade  deshalb  gewählt,  weil  sie  sich 
gegen  die  im  nächsten  Abschnitt  zu  besprechende  Absorption 
von  Wasserstoff  während  des  Versuches  als  sehr  unempfindlich 
erwies.  Es  ergab  sich  bei  diesen  Versuchen,  dass  »ein  Tempe- 
ratureinfluss  innerhalb  eines  Intervalls  von  15 — 75**  nicht  zu 
erkennen  war.  Der  besseren  lUustrirung  halber  und  zugleich 
zur  Beleuchtung  der  Fehlergrenzen  des  Apparates  gebe  ich 
hier  einige  Beobachtungsresultate  direct: 

_  Scalentheile 


iperaiur 

V4 

Minute 

15 

11,8 

11,9 

11,9 

19,5 

12,2 

11,8 

— 

29 

12,0 

12,0 

11,8 

45 

11,8 

11,7 

12,3 

60 

11,9 

— 

— 

73 

11,8 

11,9 

— 

76 

11,9 

12,3 

12.  Zuletzt  will  ich  noch  einige  Beobachtungen  besprechen, 
die  sich  auf  die  Aenderung  der  elektrischen  Wirkung  durch 

1)  J.  J.  Thomson,   Phil.  Mag.   37.    p.    343.    1894;  Discharge   of 
Electridtj  trough  Gases  p.  20.  1898. 

2)  lieber  diese  Eigenthümlichkeit   bei  Luft  vgl.  J.  J.  Thomson, 
PhiL  Mag.  87«  p.  850.  1894;  H.  Usener,  Bonner  Dias.  p.  88.  1895. 


32  ^\  Rösters. 

absorbirte  atmosphärische  Luft,  Sauerstoff  und  Wasserstoff  in 
der  benutzten  Lösung  beziehen.  Wie  ich  schon  früher  be-  ^ 
merkte,  erhält  man  geringere  Wirkung  bei  fast  allen  Lösungen, 
wenn  man  schon  einmal  zu  Versuchen  mit  Wasserstoff  ge- 
brauchte Lösung  zum  zweiten  Male  benutzt.  Ich  vermuthete, 
dass  diese  Verminderung  der  Wirkung  in  der  Absorption  von 
Wasserstoff  seinen  Grund  hatte.  Die  Versuche  bestätigten 
dies.  Eiine  von  allen  Gasen  befreite  öOproc.  Kochsalzlösung 
wurde  mit  Wasserstoff  gesättigt  und  untersucht,  sie  ergab  um 
rund  10  Proc.  geringere  Werthe,  als  gasfreie  Lösung.  Auf 
denselben  Werth  gelangt  auch  letztere,  wenn  man  sie  längere 
Zeit  (2 — 3  Minuten  genügen  schon)  im  Ausströmungsapparat  be- 
nutzt. Für  Schwefelsäure,  spec.  Gewicht  1,3,  war  der  Einfluss 
der  Wasserstoffabsorption  nicht  mit  Sicherheit  zu  constatiren. 
Sättigte  man  vor  dem  Versuche  50  proc.  Kochsalzlösung  mit 
atmosphärischer  Luft,  so  ergaben  sich  in  der  ersten  Minute 
des  Durchströmens  bedeutend  grössere  elektrische  Werthe^  als 
in  den  folgenden.  Die  mit  solcher  Lösung  in  den  Verschie- 
denen Minuten  erhalteneu  Werthe  verhielten  sich  wie  folgt: 


1.  Minute 

2.  Minute 

3.  Minute 

4.  Minute 

1,85 

1 

0,99 

0,99 

Von  der  vierten  Minute  an  blieb  die  Ladung  constant.  Ich 
denke  mir,  dass  von  dem  durchströmenden  Wasserstoff  die 
gelöste  Luft  ausgetrieben  und  Wasserstoff  absorbirt  wird.  Aehn- 
lich  wie  Luftabsorption  wirkte  Sauerstoffabsorption.  —  Die  be- 
sproch  ene  Wirkung  der  Luftabsorption  wird  ausserordentlich  gross, 
wenn  man  die  zu  den  Versuchen  gebrauchte  Kochsalzlösung  statt 
mit  Luft  zu  schütteln,  aus  gleichen  Theilen  mit  Luft  gesättig- 
ten Wassers  und  concentrirter  Kochsalzlösung  zusammensetzt. 
(Das  Verhältniss  der  in  der  ersten  Minute  erhaltenen  Elektrici- 
tätsmenge  zu  der  in  der  zweiten  Minute  erreichte  den  Werth  2:1). 
Wahrscheinlich  wird  durch  diese  Mischmethode  eine  übersättigte 
Lösung  hergestellt^  ich  bin  jedoch  nicht  in  der  Lage,  ein  be- 
stimmtes ürtheil  abzugeben,  da  die  Absorption  von  Luft  und 
anderen  Gasen  in  solchen  Salzlösungen  noch  nicht  bestimmt 
ist.  Genauere  Untersuchungen  über  die  Wirkung  der  Ab- 
sorption von  Gasen,  besonders  Sauerstoff,  gedenke  ich  noch 


i 


Ekktrische  Ladung  elektrolytisch  frisch  hergestellter  Gase,       33 

anzustellen,  da  diese  Erscheinungen  für  die  Erklärung  der 
Wechselbeziehungen  zwischen  Gasen  und  Flüssigkeiten  frucht- 
bar zu  werden  versprechen. 

Zum  Schluss  erfülle  ich  die  angenehme  Pflicht,  Hm,  Prot 
Dr.  Kayser  sowie  Hrn.  Privatdocenten  Dr.  Hagenbach  für 
ihre  gütige  Unterstützung  und  freundliche  Antheilnahme  an 
meiner  Arbeit  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen. 

(Eingegangen  14.  Juni  1899. 


▲an.  d.  Phji.  n.  Gbam.    N.  F.    68.  8 


3.  Experi/nientelle  und  theoretische  TJntersuchMng 
über  das  SelbstpotetUiaV);  von  G.  W.  Patter son. 


%  1.  Einleitung. 

Die  vorliegende  Untersuchung  über  das  Selbstpotential 
ist  in  zwei  Abschnitte  getheilt,  einen  experimentellen  und  einen 
theoretischen.  In  dem  ersteren  werden  die  Maxwell'sche  und 
die  Oberbeck 'sehe  Methode,  zur  Bestimmung  des  Selbst- 
potentiales  aus  Ohm  und  Secunde,  mit  besonderer  Rücksicht 
auf  ihre  Anwendbarkeit  auf  kleine  Selbstpotentiale,  verglichen. 
Die  Ursachen  der  jeder  Methode  anhaftenden  Fehler  werden 
ausführlich  besprochen. 

Bei  der  MaxwelTschen  Methode  habe  ich  eine  etwas  aus- 
gedehnte Untersuchung  über  die  Anwendung  des  d'Arsonval- 
Deprez'schen  Galvanometers  als  ballistisches  Galvanometer 
mitgetheilt. 

Im  zweiten  Theile  habe  ich  die  Berechnung  des  Selbst- 
potentials von  Rollen  als  Function  der  Energie,  welche  in  dem 
magnetischen  Felde  vertheilt  ist,  gegeben.  Soviel  ich  weiss, 
ist  diese  Methode  bisher  nicht  zur  Berechnung  des  Selbst- 
potentials angewendet  worden,  obgleich  die  Principien,  auf 
welche  sie  gegründet  ist,  in  den  bekannten  Werken  über  die 
Elektricität  und  den  Magnetismus  vollständig  erklärt  sind. 

Erster  Theil. 
Die  Vergleichung  der  Methoden  von  Maxwell  und  von  Oberbeck. 

§  2.    Die  Maxweirsche  Methode. 

MaxwelTs^  Methode,  das  Selbstpotential  aus  dem  Maass 
von  Widerstand  und  Zeit  zu  bestimmen,  ist  später  von  Lord 
Rayleigh  bei  seinen  Ohmbestimmungen  in  verbesserter  Form 
benutzt  worden. 


1)  Auszug  aus  der  Inaugural-Dissertation. 

2)  J.  C.  Maxwell,  Phil.  Trans.  Roy.  Soc.  155.  p.  475.  1865;  J.  C. 
MaxwelTs  Collected  Papers.  1.  p.  547.  1890. 


Untersuchung  über  das  Selbstpotential, 


35 


Zum  Zweck  meiner  Untersuchung  habe  ich  weitere  kleine 
Aenderungen   an    der   Methode   vorgenommen   und   habe   viel 
w   grössere  Vorsicht   angewandt,    um  eine   gleichmässige  Tempe- 
ratur der  Rollen  zu  erzielen. 


§  3.    Versuchsanordnung. 

Fig.  1  zeigt  die  von  mir  gewählte  Versuchsanordnung, 
P  ist  die  Rolle,  deren  Selbstpotential  L  gemessen  werden  soll, 
Mj,  W^j  q^  und  q^  sind  Widerstände,  deren  Selbstpotentiale 
und  Capaci täten  möglichst  klein  sind;  der  Gesammtwiderstand 


Fig    1. 

von  q^  und  q^  (parallel  geschaltet)  ist  Q.  C^  und  C^  sind 
Wippen,  G  ist  ein  ballistisches  Galvanometer,  und  B  ist  eine 
Batterie,  deren  elektromotorische  Kraft  und  Widerstand  con- 
stant  sind.  Alle  vier  Widerstände  P,  Q,  /f\,  W^  sollen  ein- 
ander so  gleich  sein  als  möglich.  Q  soll  in  seinen  Ab- 
stufungen anpassbar  sein.  Das  wird  dadurch  erreicht,  dass 
man  zwei  Widerstände  in  Parallelschaltung  anwendet  Wenn 
der  Widerstand  q^  etwas  grösser  ist  als  der  gewünschte  Werth 
von  Q  {=  PH^JW^),  so  ist  es  möglich,  ein  Gleichgewicht  in 
der  Wheatstone'schen  Brücke  zu  erhalten  dadurch,  dass  man 
q^  einen  passenden  grossen  Werth  giebt.  Wegen  seines 
grossen  Werthes  ist  es  möglich,  q^  mit  grosser  Genauigkeit 
anzupassen.  Ueberdies  kann  die  Wirkung  des  veränderlichen 
Contactwiderstandes   zwischen    den  Stöpseln   und  den  Klötzen 

8- 


36  G.  W.  PaUerson, 

des   Widerstandskastens    und    zwischen   den    Leitungsdrähten 
und  den  Klemmschrauben  weniger  zur  Geltung  kommen. 


§  4.    Beobaohtung^en. 

In  seiner  ursprünglichen  Methode  beobachtete  Maxwell 
die  Ablenkung  a  des  ballistischen  Galvanometers  beim  Schliessen 
des  Kreises,  wenn  die  Widerstände  so  abgepasst  waren,  dass 
sie  keinen  dauernden  Strom  durch  das  Galvanometer  gaben, 
und  die  grösste  durch  den  dauernden  Strom  hervorgebrachte 
Ablenkung  ß  fiir  den  Fall,  dass  der  Widerstand  eines  Zweiges 
im  Verhältniss  von  1  zu  (>  vergrössert  wurde.  Das  Galvanometer 
wurde  erst  einige  Zeit  eingeschaltet,  nachdem  die  Batterie 
geschlossen  war.     Er  giebt  die  Formel: 

p  ist  das  Selbstpotential  und  P  der  Widerstand  der  zu  messen- 
den Rolle  (gleich  Q  genommen),  T  ist  die  Schwingungsdauer 
des  Galvanometers  (Zeit  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden 
Durchgängen  durch  die  Nulllage),  und  n  die  Ludolf'sche  Zahl 
8,14159....  Um  die  Wirkung  des  Widerstandes  der  Luft  zu 
eliminiren,  sollte  ß  gleich  2a  sein. 


§  5.    Lord  Rayleigh*B  VerbeBsemngen. 

Lord  Raylei gh  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  kleine 
Fehler,  die. auf  der  Anwendung  von  1  — (>  in  der  Formel  (1) 
beruhen,  und  giebt  eine  andere  Formel  an  ihrer  Stelle,  nämlich: 

(2)  L  ^L  ^^g/^^B^-; 

L  ist  das  Selbstpotential  der  Rolle  P\  die  Widerstände  P  und 
Q  sind  hier  gleich.  A  Q  ist  die  Aenderung  in  Q,  um  die  dau- 
ernde Ablenkung  0  hervorzubringen;  x  i^^  ^i^  Stromstärke  in 
Q,  wenn  das  Widerstandsgleichgewicht  vollkommen  ist.  T  und 
a  sind  wegen  der  Dämpfung  corrigirt.   Die  Ablenkung  a  wird 


Untersrichung  über  das  Selbstpotential.  87 

durch  ümkehrung  des  Stromes   der  Batterie   hervorgebracht 
^  JFalls  der  Stromkreis  nnr  geschlossen  oder  unterbrochen  wird, 
muss  ein  Factor  2  in  den  Zähler  eingeführt  werden. 


§  6.    Aenderungen  für  den  Gebrauch  des  d^Arsonval- 

D  6  p  r  6  z'sohen  Qalvanometers. 

Wegen  der  magnetischen  Störungen  in  dem  Laboratorium 
fand  ich  es  räthlich,  ein  d'Arsonval-Deprez'sches  Galvano- 
meter für  meine  Arbeit  zu  verwenden.  Die  Anwendung  dieses 
Galvanometers  kann  eine  Veränderung  in  der  Formel  (2)  ver- 
langen ;  diese  setzt  eine  zum  Cosinus  der  Ablenkung  proportio- 
nale Ablenkungskraft  und  eine  zum  Sinus  proportionale  rück- 
treibende Kraft  voraus. 

Der  erstere  Fall  tritt  ein,  wenn  das  d'Arsonval- 
Deprez'sche  Galvanometer  ein  gleichmässiges  Feld  senkrecht 
zur  mittleren  Ebene  der  aufgehängten  Rolle  hat;  und  der  zweite 
tritt  mit  Annäherung  ein,  wenn  die  Aufhängung  der  Rolle 
bifilar  ist. 

Wenn  das  Feld  gleichmässig  ist  und  die  Aufhängung 
unifilar  und  cylindrisch  ist,  lautet  die  Formel: 

(3)  i,  =  JQ__.___  . 

Es  ist  nämlich  die  Ablenkungskraft  proportional  dem  Cosinus 
des  Ablenkungswinkels  (beim  unveränderlichen  Strom),  und 
die  rücktreibende  Kraft  proportional  dem  Winkel.  Bei  den 
ballistischen  Ablenkungen  nimmt  man  an,  dass  die  Ablenkungs- 
kraft zu  wirken  aufgehört  hat,  ehe  der  Cosinus  des  Ablenkungs- 
winkels wesentlich  verschieden  von  Eins  ist. 

Wenn  das  Feld  nicht  gleichmässig  und  die  Aufhängung 
bifilar  ist»  darf  man  die  Formel  schreiben: 

worin    ^0)   in   der    Weise    eine    Function   von    0  ist,   das» 
0/y^(0)  genau  proportional  zur  Stromstärke  ist.     ^(0)  wird 
^  gleich  Eins  für  unendlich  kleine  Ablenkungen. 


38  G.  JF.  Patterson. 

Wenn  das  Feld  nicht  gleichmässig  und  die  Aufhängung 
unifilar  und  cylindrisch  ist,  lautet  die  Formel:  % 

(5)  L.A<i'lJ^^^. 

Bei  der  cylindrischen ,  unifilaren  Aufhängung  ist  die 
Schwingungsdauer  unabhängig  von  der  Amplitude;  bei  der 
bifilaren  ist  sie  grösser  für  grössere  Amplituden.  Der  Werth 
für  y  in  den  Formeln  (2)  und  (4)  ist  der  Werth  für  den  sehr 
kleinen  Ausschlag. 

Die  von  mir  benutzte  Aufhängung  war  ein  feines  Kupfer- 
band ,  welches  für  grosse  Amplituden  gewissermaassen  einer 
Bifilarauf hängung  glich.  Die  Gomplicationen,  welche  diese 
Art  der  Aufhängung  bedingen,  werden  weiter  unten  besprochen 
werden.     Vgl.  §§  8  und  17. 

§  7.    Annahme  einer  kleinen  Zeitconstante. 

In  den  vorhergehenden  Formeln  wird  angenommen,  dass 
die  Schwingungsdauer  des  Galvanometers  im  Vergleich  zu  der 
Zeitconstante  L  j  R  des  Systems  so  gross  ist,  dass  der  erzeugte 
Strom  durch  das  Galvanometer  geht,  ehe  die  Rolle  in  einen 
Theil  des  Feldes  gelangt  ist,  in  welchem  die  wirkende  Com- 
ponente  einen  wahrnehmbar  verschiedenen  Werth  besitzt.  Wenn 
dies  nicht  so  wäre,  könnte  ein  bedeutender  Fehler  gemacht 
werden.^)  In  den  vorliegenden  Versuchen  konnte  dies  des- 
halb nicht  eintreten,  weili/Ä  immer  kleiner  war  als  0,001, 
und  die  Schwingungsdauer  des  Galvanometers  grösser  war  als 
12  Secunden. 

§  8.    Empfindlichkeit  und  Dämpfung  des  Galvanometers. 

Das  Galvanometer,  welches  ich  benutzte,  war  von  Prof. 
Edelmann  in  München.  Die  Bolle  war  rechteckig,  8  cm  lang 
und  2,5  cm  breit.  Sie  bestand  aus  ungefähr  60  Windungen 
von  ziemlich  starkem  Draht  und  hatte  einschliesslich  der  Auf- 
hängung einen  Totalwiderstand  von  4,24  Ohm.  Ohne  erhöhten 
Widerstand  war  das  Instrument  ganz  aperiodisch.  Bei  meinen 
Versuchen  jedoch  wurde  es  immer  mit  erhöhtem  Widerstände 


1)  P.  H.  Ledeboer,  La  Lumi^re  «^lectrique  81.  p.  309.  1889. 


Untersuchung  über  das  Selbstpotential,  39 

angewendet.  Um  die  Schwingungsdauer  und  die  E^pfindlich- 
0  Jceit  zu  vei^össem,  ersetzte  ich  das  ursprüngliche  Aufhängungs- 
rohr durch  ein  doppelt  so  langes.  Zur  Aufhängung  benutzte 
ich  nach  Vorversuchen  Eupferband;  es  gab  die  gewünschte 
Empfindlichkeit  und  war  nahezu  frei  von  thermoelektromoto- 
riscber  Kraft.  Besondere  Versuche  zeigten,  dass  die  Schwingungs- 
dauer  etwas  von  der  Amplitude  abhing.     Vgl.  §  17. 

Wie  sich  aus  der  folgenden  Darlegung  ergeben  wird,  ist 
es  nicht  räthlich,  die  Empfindlichkeit  des  Galvanometers  über 
einen  gewissen  Punkt  hinaus  dadurch  zu  erhöhen,  dass  man 
die  Stärke  des  Feldes  oder  die  Zahl  der  Windungen  der  Rolle 
vermehrt,  da  beides  zu  vergrösserter  Dämpfung  der  Schwingungen 
f&hrt.  Wenn  ein  Galvanometer  eigens  für  einen  solchen  Zweck 
hergestellt  würde,  sollte  es  eine  Bolle  von  grossem  Trägheits- 
moment, aber  relativ  kleiner  Masse  an  einer  langen  cylin- 
drischen  Aufhängung  von  geringer  Torsionskraft  besitzen.  Die 
Zahl  der  Windungen  sollte  klein  und  das  Feld  stark  genug 
sein,  um  die  gewünschte  Empfindlichkeit  zu  geben.  Diese 
Bedingungen  widersprechen  sich  einigermaassen  und  gestatten 
nicht,  dass  dieses  Galvanometer  die  Empfindlichkeit  eines 
Nadelgalvanometers  erreicht. 

§  9.    Theorie  des  d'Ar8onval-Deprez*8ohen  Galvanometera. 

Wenn  wir  annehmen,  dass  die  Luftreibung  der  Rolle  der 
Winkelgeschwindigkeit  proportional,  dass  das  magnetische  Feld 
um  die  Rolle  constant  ist,  und  dass  die  Zeitconstante  der  Rolle 
im  Verhältniss  zu  der  Schwingungsdauer  gering  ist  (was  der 
Forderung  entspricht,  dass  die  durch  die  Bewegung  erzeugte 
elektromotorische  Kraft  die  gleiche  Phase  wie  der  Strom  hat), 
80  ist  die  Bewegungsformel  der  Rolle  nach  einem  Impuls 

^^\  ^-d^  +  r  +    -R-  ^^'    ^jdT  +  "^  0  =  0  . 

worin  K  das  Trägheitsmoment  der  Rolle  ist,  0  die  Winkel- 
ablenkung, /  die  Zeit,  F  das  Luftreibungsmoment  bei  der  Ein- 
heitswinkelgeschwindigkeit, H  die  äquivalente  Feldstärke  um 
die  Rolle  (wir  ziehen  in  Rechnung,  dass  die  Rolle  nicht  aus 
einer  Windung  besteht),  n  die  Zahl  der  Windungen,  S  die 
^  mittlere  Windungsfläche,  S  der  Widerstand  des  Stromkreises 


40  G,  fr.  Patterson. 

des  Galvanometers,  und  w  das  Moment  entsprechend  der  Torsion 
der  Aufhängung  um  die  Winkeleinheit.     Alle   diese  Grössen  ^ 
müssen  einem  Einheitssystem  angehören. 

ü  n  S  cos  0  -r- 
d  t 

ist  die  von  der  Bewegung  der  Rolle  erzeugte  elektromotorische 

Kraft; 

HnS        ridS 
__^_cos0^^ 

ist  der  erzeugte  Strom  von  gleicher  Phase  und 

—R-  ^^^    ®  -dt 

ist  das  Verzögerungsmoment,  welches  auf  die  Rolle  wirkt  und 
von  dem  erzeugten  Strom  herrührt. 

Wenn  0  gering  hleibt,  so  kann  der  Unterschied  zwischen 
cos*0  und  der  Einheit  vernachlässigt  werden,  und  die  Be- 
wegungsgleichung kann  geschrieben  werden  wie  folgt: 

Unter  den  Bedingungen,  dass 

und  0  =  0,  wenn  ^=0,  ist  die  Lösung  der  Gleichung  (7): 

{S)oj  =  e,e  -^^       ^   ^  sin(|/-^--r;^.(^+— ^— )  f 

Zur  Vereinfachung  kann  dies  geschrieben  werden: 

;9)  0=0,e'  ^isiny. 

Dieses  ist  die  Gleichung  einer  gedämpften  harmonischen 
Bewegung.  0^  ist  eine  von  Anfangsbedingungen  abhängige 
Constante.  T^  ist  die  Schwingungsdauer  und  A  das  natürliche 
logarithmische  Decrement.     Wenn 


Untersuchung  über  das  Selbstpotential,  41 

dann   hören    die  Schwingungen  auf,   und   die  Bewegung  wird 
I  aperiodisch.    Das  Galvanometer  ist  dann  für  ballistische  Zwecke 
nicht  geeignet. 


§10.     Correction  der  Sohwingungsdauer  wegen  Dämpfung. 
Die  Schwingungsdauer  ist,  nach  (8)  und  (9): 


\ 


7'  =  ^ 


(10) 


'  Vi-M'*-i^' 


-^]ß{^*M'^-4^'"^- 


Wenn  es  keine  Dämpfung  gäbe,  würde  die  Schwingungs- 
dauer: 


(11)  ^=''l/? 


Deshalb 


,12)  r,-.(,  +  -l-(r+^l^)'eto.). 

Aus  den  Gleichungen  (8)  und  (9)  ergiebt  sich  auch,  dass 


J.             [/      J»              f2 

mithin 

(13) 

n 
m_   rp 

^-  ^iy„t+^« 

Wenn  die  Dämpfung  gering  ist,  kann  der  Unterschied 
zwischen  T  und  T^  für  gewöhnlich  vernachlässigt  werden.  Bei 
starker  Dämpfung  ist  es  schwierig  T  mit  Genauigkeit  zu  er- 
halten, da  die  Zahl  der  Schwingungen,  welche  man  beob- 
achten kann,  sehr  beschränkt  ist.  Aus  diesem  Grund  habe 
ich  vorgezogen,  die  Schwingungsdauer  des  Galvanometers  bei 
offenem  Stromkreise  zu  bestimmen,  wobei  ich  eine  geringe 
Dämpfung  und  lange  andauernde  Schwingungen  hatte.  Der 
Werth  von  T  kann  dann  mit  viel  grösserer  Genauigkeit  be- 
rechnet werden. 


42  G.  IT.  Fatterson, 

Bei  dieser  Anordnung  fand  ich 

^  =  0,0287    und    -  ^-   =0,999958, 

d.  h.  der  Unterschied  zwischen  T^  und  T  kann  vernachlässigt 
werden. 

§  11.     Correction  der  Amplitude  wegen  der  Dämpfung. 

Um  die  erste  Ablenkung  mit  Rücksicht  auf  die  Dämpfung 
zu  corrigiren,  muss  man  wissen,  welcher  Bruchtheil  0  einer 
Schwingungsdauer  zwischen  einem  Durchgang  durch  den  Null- 
punkt und  der  folgenden  Elongation  verfliesst.  Aus  Glei- 
chung (9)  folgt: 

(9)  0  =  00^     ^«sin-^^. 

Die  Ablenkung  ist  Null,  wenn  t  Null  oder  irgend  ein 
ganzes  Vielfaches  von  T^  ist.  Für  die  Maximal-  und  Minimal- 
werthe  muss  die  Winkelgeschwindigkeit 

(1^)  -Tt-==^o'       ^'  (-JT  "'•'  "7-.'  -  TT  "'"  X) 

gleich  Null  sein;  oder 

(15)  (t«  x)-''-^  =  0  =  *«  ("  *^  =  1 ' 
und 

TT  <rr  7^ 

(16)  7t  0  =  arctg  —  =  arc  sin  -7:=  —  =  arc  sin 


A  1/71«  +  ^»  T, 

Die  Winkelgeschwindigkeit  am  Anfang  ist 

(")  (-'3?),=.=«.lr- 

Wenn  &  und  0i  die  Entfernung  und  die  Amplitude  mit 
eliminirter  Dämpfung  sind,  und  die  anderen  Bedingungen  die- 
selben bleiben,  dann  ist 

Daraus  folgt,   dass  die  erste  Ablenkung  0^    wie  folgt  ausge- 
drückt wird: 

(19)      0,  =0oi?-'^*sin;ra)=01-5-i?-^*sin7ra>=01tf-^*. 


Untersuchung  über  das  Selbstpotenäal.  43 

Daher  ist  die  erste,  wegen  Dämpfung  corrigirte  Amplitude 

Wenn  Aq,  ä^,  A^y  .  .  .  ,  A^  die  aufeinander  folgenden 
Amplituden  in  Scalen theilen  (cm)  bedeuten,  und  A  die  erste, 
wegen  der  Dämpfung  corrigirte  Amplitude  ist,  so  ist 

(21)  A^A^l^, 

wobei 


A  =  A  =  A =  n^A.   (VgL§9.) 

Wenn  die  Dämpfung  gering  ist,  ist  ^  beinahe  genau  0,5, 
und  wir  können  es  annähernd  schreiben: 

(22)  A^Aq'}/1=aA\  +  ~^     (beinahe) . 


§  12.     Qebrauch  der  Doppelamplitude. 

Aenderungen  der  Temperatur  der  Rollen  und  Thermoströme 
verursachen  eine  allmähliche  Verschiebung  des  scheinbaren  Null- 
punktes des  Galvanometers.  Die  daraus  entstehenden  Fehler 
kann  man  eliminiren,  wenn  A  (=logA)  von  den  Doppel- 
amplituden, welche  dasselbe  logarithmische  Decrement  wie  die 
Amplituden  haben,  gerechnet  wird.  Die  erste  corrigirte  Ampli- 
tude ist: 

(23)  A  =  A±^  A *  =  (^,  +  A,)  '—-- . 

Wenn  das  Decrement  klein  ist,  kann  man  annähernd 
entweder 

(24)  ^  =  (^0  +  ^i)  4 
oder 

(25)  ^  =  (^0  +  ^i)  ^4"^- 
setzen. 

Bei  meinen  Versuchen  war  A  zu  gross,  um  diese  An- 
näherungen zu  erlauben. 


44  G.  }f^,  Patterson. 


§18.     Sohema  eines  d'ArBonval-Deprez^Bchen  Qalvanometers. 

Viele  der  Angaben  über  den  besten  Querschnitt  der  Rolle 
des  d'Arsonval-Deprez'schen  Galvanometers,  obwohl  schein- 
bar von  allgemeiner  Anwendbarkeit^),  gelten  für  das  ballistische 
Galvanometer  nicht.  Die  Angabe,  dass  die  Rolle  lang  und 
schmal  sein  sollte,  ist  ohne  Zweifel  richtig  für  Galvanometer, 
welche  zu  jedem,  ausgenommen  ballistischem  Gebrauche  be- 
stimmt sind.  Eine  solche  Rolle  ist  höchst  empfindlich,  bewegt 
sich  schnell,  und  hat  starke  Dämpfung.  Die  zwei  letzten 
Eigenschaften  sind  bei  einem  ballistischen  Galvanometer  zu  ver- 
meiden; dieses  soll  empfindlich  sein,  und  grosse  Schwingungs- 
dauer und  massige  Dämpfung  haben. 

Betrachten  wir  diese  drei  Forderungen.  Die  Empfindlichkeit 
ist  proportional  dem  Ausdrucke  HnSjwR-,  die  Schwingungs- 
dauer ist  annähernd  proportional  YKjWj  und  die  Dämpfung 
pro  Secunde  ist  proportional 


w-'^'-y 


Es  ist  sofort  klar,  dass  F  und  w  klein  und  K  gross  sein 
muss.  Aenderungen  der  anderen  Grössen  bringen  wider- 
sprechende Erfolge  hervor;  nämlich:  entweder  verstärken  sie 
die  Empfindlichkeit  und  die  Dämpfung,  oder  sie  verringern 
beide.  Jedoch  ergiebt  sich,  dass  die  Empfindlichkeit  unver- 
ändert bleiben  wird,  wenn  sowohl  der  Widerstand  R  als  die 
Zahl  der  Windungen  im  gleichen  Verhältniss  verringert  werden. 
IPn^S^  wird  auch  in  demselben  Verhältniss,  mit  einer  ent- 
sprechenden Verminderung  der  Dämpfung,  verringert  sein. 

Es  ist  vortheilhafter  n  statt  S  oder  H  zu  verringern,  da 
sowohl  die  Zeitconstante  als  das  Selbstpotential  der  Rolle  n' 
annähernd  proportional  sind.  Diese  beide  Grössen  sollten 
selbstverständlich  klein  sein.  Eine  Verminderung  von  S  hat 
eine  ähnliche,  obgleich  kleinere  Wirkung  auf  die  Zeitconstante; 
sie  würde  aber  auch  das  Trägheitsmoment  zugleich  mit  der 
Masse  vermindern,  was  ungünstig  wäre.    Wenn  es  aus  irgend 


1)  A.  Gray,  The  theory  and  practice  of  absolute  measttrements  in 
electricity  and  magnetism,  2.  part  2,  p.  878,  1898;  T.  Math  er,  PhiL 
Mag.  p.  434.  May  1890. 


1 


Untersuchung  über  das  Selhstpotential,  45 

einem  Grunde  nicht  thunlich  ist,  n  oder  8  soviel  wie  gewünscht 
zu  vermindern,  dann  wäre  es  gut,  H  zu  verringern.  Das  habe 
ich  gethan  dadurch ,  dass  ich  ein  paar  Magnete  von  dem 
Galvanometer  entfernt  habe.  Nachdem  ich. die  frühere  Em- 
pfindlichkeit durch  Aenderung  des  Widerstandes  des  Galvano- 
meterzweiges wieder  hergestellt  hatte,  fand  ich,  dass  die 
Dämpfung  in  dem  erwarteten  Verhältniss  verringert  war. 

§  14.    Wirkungen  der  Temperaturänderungen. 

Der  praktischen  Anwendbarkeit  der  MaxwelTschen 
Methode  bei  kleinen  Selbstpotentialen  setzen  sich  wegen  der 
Fehler  bei  Temperaturänderungen  bedeutende  Schwierigkeiten 
entgegen.  Dies  ist  besonders  der  Fall,  wenn  die  Zeit- 
constante  der  Rolle  klein  ist;  denn  die  zufällige  Aenderung 
in  P  infolge  Aenderung  der  Temperatur  kann  gleich  einem 
bedeutenden  Theile  der  absichtlichen  Aenderung  AQ'm  Q  sein. 

um  eine  merklich  constante  Temperatur  der  Kupfer- 
rollen zu  erhalten,  wurden  sie  in  ein  grosses  Glas  gebracht, 
welches  in  ein  noch  grösseres  mit  Wasser  gefülltes  Glasgefäss 
gestellt  wurde.  Das  Wasser  besass  die  Temperatur  der  Um- 
gebung, und  die  Rollen  wurden  mit  Baumwollabfall  in  einer 
Höhe  von  15  cm  bedeckt. 

§  15.  Beobachtungen  bei  maximalen  und  minimalen  Temperaturen. 

Schliesslich  wurde  zu  einem  sehr  einfachen  Hülfsmittel 
gegriffen,  um  die  Wirkungen  der  Temperatur  genau  zu  be- 
rücksichtigen. Wenn  die  Temperatur  des  Wassers  in  dem 
Gefäss  gefallen  war,  so  war  die  Temperatur  der  Rolle  höher. 
Wenn  die  Luft  in  der  Nähe  des  Gefässes  etwas  erhitzt  wurde, 
80  wurde  die  fallende  Temperatur  des  Wassers  allmählich  zum 
Steigen  gebracht.  Die  Temperatur  der  Rolle  ging  dann  sehr 
langsam  durch  einen  Minimalwerth.  Während  die  Temperatur 
durch  dieses  Minimum  ging,  war  Gelegenheit  zu  einer  Reihe 
von  durch  eine  Temperaturänderung  nicht  gestörten  Beobach- 
tungen gegeben. 

Nachdem  diese  Reihe  vollendet  war,  wurde  eine  andere 
angefangen,  nachdem  entweder  die  Batterie,  das  Galvanometer, 
oder  beide  umgeschaltet  waren.  Diese  vier  bildeten  thatsäch- 
lich  eine  Gruppe,  welche  von  den  durch  thermische  Wirkungen 


46  G.  W.  Patterfton, 

verursachten    Unregelmässigkeiten    und    der   Asymmetrie   des 
Galvanometerfeldes    etc.    frei    war.     Während    der   Beobach- 
tungen wurde  die  Temperatur  des  Zimmers  durch  einen  Gas-^ 
ofen  so  geregelt,   dass  die  Maximal-  und  Minimal werthe  der 
Temperatur  der  Rolle  einander  folgten. 

§17.    Abhängigkeit  der  SchwingimgBdauer  von  der  Amplitude 

und  der  Temperatur. 

Genaue  Versuche  ergaben,  dass  die  Schwingungen  bei  einer 
Drahtaufhänguug  isochron  in  den  Grenzen  von  Beobachtungs- 
fehlern sind,  wenn  die  Temperatur  constant  bleibt.  Bei  einem 
Kupferband  ist  dies  nicht  der  Fall.  Glücklicherweise  ist  für 
Amplituden,  wie  ich  sie  benutzte  (weniger  als  22  cm  bei  einem 
Scalenabstand  von  270  cm),  die  Abweichung  in  der  Schwingungs- 
dauer gering.  Das  Kupferband  wirkt  in  gewisser  Beziehung 
als  bifilare  Aufhängung,  für  welche  das  zurücktreibende  Drehungs- 
moment dem  Sinus  der  Winkelablenkung  entspricht,  wenn  der 
Winkel  klein  ist,  während  ein  cylindrischer  Draht  ein  dem  Winkel 
entsprechendes  zurücktreibendes  Drehungsmoment  besitzt. 

Die  Wirkung  der  Temperaturänderung  auf  die  Schwingungs- 
dauer ist  fast  eine  lineare  Function  der  Temperatur.^)  Eine 
Temperaturerhöhung  bringt  eine  Ausdehnung  sowohl  des  Quer- 
schnitts als  der  Länge  der  Aufhängung  hervor.  Die  einander 
entgegengesetzten  Wirkungen  dieser  Ausdehnung  würden  eine 
Verminderung  der  Schwingungsdauer  verursachen,  wenn  nicht 
die  begleitende  Vermehrung  des  Trägheitsmomentes,  welche 
auch  von  der  Ausdehnung  und  der  Aenderung  in  dem  Torsions- 
modulus  des  Aufhängemateriales  herrührt,  es  verhinderte. 
Diese  letzten  Wirkungen  erhalten  das  Uebergewicht  und  daraus 
entsteht  eine  geringe,  dem  Wachsen  der  Temperatur  propor- 
tionale Zunahme  der  Schwingungsdauer. 

Die  folgende  Tab.  1  (vgl.  p.  47)  zeigt  die  relativ  kleine 
Abhängigkeit  der  Schwingungsdauer  von  der  Amplitude  und 
der  Temperatur.  Das  logarithmische  Decrement  ist  auch 
mitgetheilt.  Die  Entfernung  zwischen  Galvanometer  und  Scala 
war  270  cm. 

Um  die  Abhängigkeit  der  Schwingungsdauer  von  der 
Amplitude  zu  zeigen,  fand  ich  es  nöthig,  kurze  Zwischenzeiten 

1)  Gr.  W.  Patterson  and  K.  E.  Guthe,  Phys.  Rev.  7.  p.  274.  1898. 


Vnterguchung  über  das  Selbstpotential. 


47 


Tabelle  1. 

#4   o   ^^ 

Doppel- 
amplituden 

Log.  Doppel- 
amplituden 

(Baais  10) 

1 

Logarithmisches 
Decrem  ent 

Zwischenzeit 
sec 

1 

S)   o 

1  3 

M    TS 

iperatur 
elsius) 

lös 

(Basis  10) 

(Basis  e) 

1 

86,85 

1,938770 

31 

34,80 

1,541579 

0,013239 

0,030484 

365,2 

12,173 

22,0 

35 

80,93 

1,490380 

65 

12,75 

1,105510 

0,012829 

0,029540 

364,6 

12,153 

22,0 

72 

10,66 

1,027757 

100 

4,68 

0,670246 

0,012765 

0,029393 

364,2 ») 

12,140 

22,0 

1 

84,98 

1,929317 

27 

39,55 

1,597146 

0,012776 

0,029418 

316,3 

12,165 

15,9 

31 

35,22 

1,546789 

57 

16,79 

1,225051 

0,012374 

0,028492 

315,6 

12,138 

16,0 

61 

14,97 

1,175222 

87 

7,18 

0,856124 

0,012273 

0,028260 

315,6 

12,138 

16,1 

93 

6,09 

0,784617 

119 

2,97 

0,472756 

0,011995 

0,027620 

315,0 

12,115 

16,2 

125 

2,50 

0,397940 

151 

1,21 

0,082785 

0,012121 

0,027910 

315,0 

12,215 

16,2 

1 

93,45 

1,970579 

1 

21 

52,88 

1,723291 

0,012364 

0,028469 

242,5 

12,125 

9,15 

25 

47,30 

1,674861 

45 

27,27 

1,435685 

0,011959 

0,027537 

242,0 

12,100 

9,17 

49 

24,47 

1,388634 

i 

69 

14,24 

1,153510 

0,011756 

0,027069 

241,5 

12,075 

9,20 

73 

12,77 

1,106191 

93 

7,46 

0,872739      0,011673 

0,026878 

241,5 

12,075 

9,20 

97 

6,69 

0,825426 

1 

117     1 

3,92 

0,593286      0,011607 

0,096726  ' 

241,5    , 

12,075 

9,20 

ZU   bei 

lutzen. 

Deshalb 

können 

die  Schwi 

ngungs< 

dauern  \ 

fehler- 

haft  bis  zu  0,1  Proc.  sein.  Sie  zeigen  also  deutlich,  dass  die 
SchwiDgungsdauer  zuerst  langsam  und  darauf  schneller  mit 
der  Amplitude  zunimmt. 

Die  Schwingungsdauer  nimmt  auch  mit  der  Temperatur 
deutlich  zu,  und  zwar  ungefähr  um  0,004  Secunden  oder 
0,03  Proc.  pro  Grad. 


1)  Von  der  70.  bis  zu  der  100.  Doppelamplitude. 


48 


G.  IV.  Patterson, 


Wie  zu  erwarten,  ist  das  logarithmische  Decrement  grösser, 
wenn  die  Schwingungsdauer  grösser  ist.  Es  entsteht  auch  ein 
Zuwachs  in  dem  logarithmischen  Decrement  mit  der  wachsen-^ 
den  Amplitude,  da  grosse  Schwingungen  mehr  und  mehr  von 
einer  einfachen  harmonischen  Bewegung  abweichen,  nämlich: 
die  zurücktreibende  Kraft  wächst  in  geringerem  Grade  als  die 
Abweichung.  Das  in  der  angeführten  Tabelle  gegebene  loga- 
rithmische Decrement  ist  in  keinem  Falle  gross  genug,  um 
die  Schwingungsdauer  wahrnehmbar  zu  beeinflussen.    Vgl.  §  10. 


§  18.    Correotion  wehren  Ungleichförmlgkelt  des  Feldes. 

Die  Gleichungen  (4)  und  (5)  §  6  enthalten  eine  unbekannte 
Function  V(0)  der  Ablenkung,  welche  experimentell  bestimmt 
werden  muss.  Wie  in  §  6  erwähnt,  wird  diese  Function 
gleich  cos  0,  wenn  das  Feld  gleichförmig  ist.  In  den  folgenden 
Tab.  2  u.  3  werden  die  Daten  und  Resultate  für  die  beiden 
Beobachtungsfolgen  gegeben.  Der  Strom  wurde  in  jedem  Falle 
um  bekannte  Beträge  vergrössert  und  die  Ablenkungen  an- 
gegeben. Jede  Reihe  ist  der  Mittelwerth  zweier  in  entgegen- 
gesetzter Ordnung  genommener,  um  fortschreitend  verändernde 
Wirkungen  zu  eliminiren,  wie  allmähliche  Veränderung  der 
Temperatur  der  Batterie  und  der  Rollen,  und  die  Polarisation 
der  Batterie.  In  keinem  Falle  waren  weniger  als  10  000  Ohm 
im  Kreise. 

Tabelle  2. 


Relativ- 
strom 

Ablenkung 
in  cm 

Mittlere 
Ablenkung 

Secunden 
-i-  Strom 

1255,5 

WO) 

Verhältniss 
zum  ersten 

1,0000 

Cosinus 
des  Ab- 
lenkungs- 
winkels 

linke 

rechte 

cm         sec  *) 

2 

6,56 

6,59 

6,575  ■    2511,0 

0,9999 

3 

9,85 

9,89 

9,870      3768,5 

1256,2 

1     1,0006 

0,9998 

5 

16,63 

16,525 

16,477  ,    6286,0 

1257,2 

1,0014 

0,9995 

7 

22,99  1  23,175 

23,082      8795,4 

1256,5 

j.    1,0009 

0,9991 

9 

29,59 

29,895  1  29,742    11815,0 

1257,2 

1,0014 

0,9985 

11 

86,20 

36,62 

36,410  1  13824,0 

1256,7 

1,0010 

0,9977 

18 

42,79 

43,435 

43,112,  16829,5 

1256,1 

1,0005 

0,9969 

1)  Die  Entfernung  zwischen  Gkilvanometer  und  Scala  war  270  cm. 


Untersuchung  über  das  SelbstpotentUU. 


49 


T 

abelle 

3. 

Relativ- 

flxinriTffi 

Ablenkung 
in  cm 

Mittlere 
Ablenkung 

1 
Secundeu 

-^  Strom 

1 

VerhältnlBs 
zum  ersten 

Cosinus 
des  Ab- 
lenkungs- 
winkels 

linke     rechte  j 

1 

cm 

sec*) 

1 

4,142      4,092 

4,117 

• 

1572,3 

1572,3 

1,0000 

1,0000 

2 

8,240      8,230 

8,235 

3144,6 

1572,3 

1,0000 

0,9999 

8 

1  12,321  1  12,416 

12,368 

4720,9 

1573,6 

1.0008 

0,9997 

4 

16,448  '  16,573 

16,508 

6297,7 

15T4,4 

1,0013 

0,9995 

5 

20,560    20,765 

20,662 

7876,9 

1775,4 

1,0020 

0,9993 

6 

24,680    24,96 

24,820 

9453,9 

1575,6 

1,0021 

0,9990 

7 

28,835 

29,142 

28,988 

11030,3 

1575,8 

1,0023 

0,9986 

8 

32,952 

33,385 

83,168 

12606,0 

,    1575,7 

1,0022 

0,9981 

9 

37,070    37,630 

37,350;  14176,6 

1    1575,2 

1,0019 

0,9976 

10 

41,225 

41,925 

41,575 

i  15756,7 

1575,7 

1,0022 

0,9971 

Aus  den  Tabellen  ist  ersichtlich,  dass  die  Rolle  bei  der 
Ablenkung  sich  in  ein  stärkeres  Feld  bewegte,  weil  die  Ab- 
lenkungen schneller  zunahmen  als  die  Str(">me;  in  einem  gleich- 
massigen Felde  würden  die  Ablenkungen  langsamer  zunehmen 
als  die  Ströme,  da  die  Neigung  der  Rolle  zu  dem  Feld  einen 
Factor  cos  0  einführt.  Bei  ungefähr  2,5^  erreicht  die  wirksame 
Komponente  ihren  höchsten  Werth,  und  erfährt  jenseits  dieses 
Punktes  eine  Abnahme  in  dein  Verhältniss  der  Ablenkung 
durch  den  Strom. 

Da  der  Nullpunkt  nicht  genau  der  gleiche  für  die  ver- 
schiedenen Beobachtungen  war,  so  konnte  nicht  erwartet  wer- 
den, dass  die  Resultate  genau  übereinstimmen  würden.  Ausser 
einer  geringen,  von  Tag  zu  Tag  fortschreitenden  Veränderung 
veränderte  sich  der  Nullpunkt  mit  der  Temperatur  um  ^4  cm 
pro  Grad.  Die  Einheit  des  Stromes  ist  in  den  zwei  Tabellen 
verschieden. 

Die  letzte  Tabelle  (3)  wurde  den  Correctionen  zu  Grunde 
gelegt,  da  die  Bedingungen,  unter  welchen  man  sie  erhielt, 
f&r  günstiger  erachtet  wurden,  als  diejenigen  der  früheren. 
V(0)  ist  das  Verhältniss  in  der  Tabelle,  so  corrigirt,  dass 
sein  Werth,  dem  unendlich  schwachen  Strom  entsprechend, 
gleich  Eins  war.     Diese  Function,  für  0  =  0,  muss  durch  ein 

1)  Die  Entfernung  zwischen  Galvanometer  und  Scala  war  270  cm. 

Ano.  d.  PbTB.  Q.  Ch«m.     N.  F.    69.  4 


60 


G.  IV,  Patterson. 


Maximum  oder  ein  Minimum  gehen,  da  sie  auf  den  durch 
Plus-  und  Minusablenkungen  erhaltenen  Durchschnittswerth  a 
gegründet  ist.  Die  Ablenkungen  als  Functionen  des  Stromes 
müssen  der  Natur  der  Sache  nach  durch  schwach  gekrümmte 
Gurven  dargestellt  sein.  Da  sich  aus  den  Tabellen  ein 
Maximal werth  zwischen  2^  und  3°  ergiebt,  so  dürfte  0  =  0 
dem  Minimalwerth  des  Verhältnisses  entsprechen.  Es  ist  bei 
dieser  Berechnung  angenommen  worden,  dass  der  Werth  des 
Verhältnisses  thatsächlich  nicht  zwischen  seinem  Minimalwerth 
für  0  =  0  und  dem  für  die  erste  Ablenkung  (0  =  1572,3") 
gegebenen  Werth  verändert  werden  kann.  Deshalb  sind  die 
in  der  Tabelle  gegebenen  Werthe  des  Verhältnisses  für  ^^(0) 
der  Gleichung  (25)  genommen  worden. 


§  19.   Messungen  nach  der  Maxwell-Raylelgh*schen  Methode. 

Ich  komme  nun  zu  den  Messungen  (mit  Rolle  1),  bei 
welchen  ich  meine  Modification  der  Maxwell-Rayleigh'schen 
Methode  anwendete.  Die  Tabellen  geben  die  beobachteten 
Grössen  und  die  berechneten  Resultate  folgen.  Der  Wider- 
stand des  Galvanometerzweiges  war  24,44  Ohm  und  die  Ent- 
fernung zwischen  Galvanometer  und  Scala  war  270  cm.  Ta- 
belle 4  giebt  die  Ablesungen    und  Doppelamplituden,  welche 


Tabe 

Ue  4. 

Ente  Reihe,  Rolle 

1,  3.  Januar  1899 

• 

(1) 

(2) 

0 

5) 
Doppel- 

(4) 

Ab- 

Doppel- 

Ab- 

Doppel- 

Ab- 

Ab- 

Doppel- 

lesung 

ampl. 

lesung 

ampl. 

lesung 

ampl. 

lesung 

ampL 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 
45,49 ») 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 

45,11 1) 

44,96 ») 

— 

44,71») 

— — 

67,13 

23,93 

— 

23,515 

— 

66,60 

27,22 

39,91 

63,82 

39,89 

63,43 

39,915 

26,76 

89,84 

60,65 

83,43 

30,30 

83,52 

29,40 

34,03 

60,18 

83,42 

82,81 

27,84 

— 

57,76 

28,36 

32,39 

27,79 

56,10 

23,29 

34,76 

34,45 

23,31 

55,67 

23,28 

36,70 

19,40 

54,18 

19,42 

53,85 

19,40 

36,28 

19,89 

52,93 

16,13 

37,90 

16,28 

87,59 

16,26 

52,58 

16,25 

89,405 

13,525 

51,43 

13,53 

51,13 

13,54 

39,01 

18,52 

1): 

NfuUpunkt 

Untersuchung  über  da»  Selbstpotential. 


51 


Tabelle  5. 

• 

(1) 

■ 

(2) 

(3)           i 

(4) 

9,  {jxk  Ohm) 

21,1 

21,1 

21,1            1 

21,1 

9t       T9               7) 

1758,8 

1771,4 

1793,4 

1800,7 

ft    >«        »» 

1518,8 

1581,4 

1553,4 

1560,7 

0     ,y         ,» 

20,84987 

20,85163 

20,85464 

20,85562 

^  0   „          „ 

0,08898 

1            ' 

0,08840 

0,03740 

0,03708 

Nullpunkt 

,        46,422 

44,50 

44,81 

45,787 

Ablesung 

87,68 

4,515 

5,375 

84,935 

Ablenkung 

;        41,258 

39,985 

38,935 

39,148 

man  bei  der  Umschaltung  der  Batterie  fllr  jede  der  vier  Ver- 
tanschungen  der  Batterie-  und  Galvanometerverbindungen  er- 
hält. Tab.  5  giebt  die  entsprechenden  andauernden,  durch 
die  Aenderung  des  Widerstandes  Q  in  Q  +  A  Q,  hervor- 
gebrachten Ablenkungen.  Q  ist  der  Gesammtwiderstand  von 
q^  und  q^  (parallel  geschaltet),  und  Q  +  AQ  ist  der  von  q^ 
und  q^. 

Das  logarithmische  Decremen  t 

^  =  legi  =  0,180253,     A=  1,19752,      arctg^  =86M2'58", 


0  =  0,481  756 , 


A  +  1 


=  0,59438; 


tg2a  = 


erste    mittlere  Doppelamplitude  gleich   Aq+  Ä^=^  39,889  cm; 
erste  wegen  Dämpfung  corrigirte  Amplitude 

^  =  (4,H-^,)A!^^  =  23,715cm, 

a  =  20  30' 35,3"; 
erste  mittlere  Ablenkung 

Ä  =  39,832  cm,      tg2  0=   ^^'^^^ 


23,715 
270 


270     '      0  =  4Mr4O,7", 
V(0)=  1,002; 
Schwingungsdauer  T=  12,190  sec, 
HtÜfswiderstände  der  Wheatstone'schen  Brücke 

rj- ^2=  94,07  Ohm,     JQ=0,037965  Ohm,     -^  =  0,99966; 
Widerstand  des  Galvanometerzweiges  =  44,24 . 

A  =  ^^^  '^iTe^^  =  0,043705  Henry. 


52 


O.  W.  Patterson. 


Tabelle  6. 

Zweite  Reihe,  Bolle  1,  4.  Januar  1899. 


0)      ; 

(2) 

(3) 

(4) 

Ab- 

DoppeU 

Ab- 

Doppel- 

Ab- 

Doppel- 

Ab- 

Doppel- 

lesang 

ampl. 

lesung 

ampl. 

lesung 

ampl. 

lesung 

ampl. 

(in  cm) 

(in  cm)  j 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 

(in  cm) 

45,76 ») 

46,11») 

— 

46,32  >) 

— 

46,08  >) 

— 

67,40 

24,54 

— 

24,89 

— 

67,78 

— 

27,89 

40,01 

64,42 

89,88 

64,83 

39,94 

27,86 

89,92 

60,90 

38,51 

80,94 

33,48 

31,28 

83,55 

61,32 

88,46 

82,96 

27,94 

58,75 

27,81 

59,17 

27,89 

38,48 

27,84 

56,81 

28,35 

85,43 

28,32 

35,78 

23,39 

56,78 

23,30 

86,83 

19,48 

54,83 

19,40 

55,23 

19,45 

37,40 

19,38 

53,10 

16,27 

38,59 

16,24 

38,93 

16,30 

53,62 

16,22 

89,51 

13,59 

52,10 

13,51 

52,48 

18,55 

40,11 

13,51 

Tabelle  7. 


(1) 

(2) 

(3) 

(4) 

9i  (in  Ohm) 

21,1 

21,1 

^       21,1 

21,1 

?j    »»      » 

1792,3 

1792,0 

1797,9 

1803,9 

9t    »      » 

1552,8 

1552,0 

1557,9 

1568,9 

Q  „     „ 

20,85449 

20,85445 

20,85525 

20,85605 

^  e  „     „ 

0,08745 

0,03746 

0,03720 

0,08694 

Nullpunkt 

45,93 

45,513 

45,92 

46,785 

Ablesung 

85,43 

6,545 

7,185 

85,75 

Ablenkung 

89,50 

38,968 

38,785 

88,965 

Ä  =  1,19755,     ^=0,180277,    0=0,48175,     f-^  =  0,59439 

^0+^=89,9375,    ^  =  23,74,     a  =  2"  30' 39,2",     Ä  =  39,042 
0  =  4«  06' 50,0",    V(0)=  1,002,    2"=  12, 190,    H'^  =  W^  =  M,Q'l 

'-  =  0,99966,      G  =  44,24,     J  Q  =  0,03726. 

ii  =  0,04375  Henry. 


1)  Nullpunkt. 


Untersuchung  über  das  SelbstpotentiaL 


53 


Tabelle  8. 

Dritte  Reihe,  Bolle  1,  4.  Januar  1899. 


(1) 

i              (2) 

(3) 

w 

Ab- 

Doppel-;     Ab-     \ 

Doppel 

-,      Ab- 

1 

Doppel - 

Ab- 

1 Doppel- 

lesung 

ampl. 

lesung  1 

ampl. 

lesung 

ampl. 

lesung 

ampl. 

(in  cm)  < 

(in  cm)  !i  (in  cm)  ; 

(in  cm] 

1  ,|  (in  cm) 

(in  cm) ' 

(in  cm 

)  \  (in  cm) 

45,90 ») 

]   46,51»); 

1    46,63») 

46,275») 

•— 

67,60 

— 

25,21 

il    25,11 

— 

68,19 

— 

27,79 

39,81 

'    64,99     ! 

39,78 

,1    64,95 

39,84 

28,35 

89,84 

61,21 

33,42 

•    1    31,51 

33,48 

31,45 

33,50 

61,73 

33,38 

33,43 

27,78 

\        59,29     ' 

27,78 

II    59,28 

il 

27,83     1 

33,97 

27,76 

56,73 

23,30 

1        35,97 

23,32 

'    35,94 

23,34 

57,23 

23,26 

37,37 

19,34 

\    \    55,34     1 

19,37 

;i    55,32 

19,38 

i  37,87 

19,36 

53,63 

16,26 

39,08 

'                  1 

16,26 

,|    39,04 

16,28 

1  54,11 

16,24 

40,10 

13,58 

\    1    52,59     i 

13,51 

1    52,55 

13,51 

40,59 

13,52 

51,47 

1    11,37 

!    41,21      1 

11,38 

Tab 

!|    41,20 

eile  9. 

11,35 

51,94 

11,35 

(1) 

1 
1 

"^     i 

(2) 

(3) 

(4) 

qi  (inC 

)hm) 

21,1 

Jl,l 

21,1 

21,1 

9s     )> 

»» 

1942,0 

1963,9 

1977,7 

1990,0 

9s'  »» 

>» 

1642,0 

1663,9 

1677,7 

1690,0 

Q  „ 

»> 

10,87321 

20,87572 

20,877! 

26 

20,87863 

^<?  V 

» 

0,04091 

t 

0,03994 

0,0391 

53 

0,03882 

NuUpu 

nkt 

47,533 

45,63 

45,697 

47,413 

Ablesu 

Qg 

90,86 

4,18 

4,88 

88,425 

Ablenk 

:ung 

43,327 

41,45 

40,817 

i 

41,012 

3*+l 

A  =  l,19 

752, 

^  =  0,180253, 

0  =  0,48 

1756,      , 

1  j^ 

1 

0,59438; 

A^  +  Ä^^  89,82 ,      Ä  =  23,67,      a  =  2^30'  17",     B  =  41,65, 
e=4«23'05,2";     V(0)=  1,002,     ?=  12,190,     r,  =  r,  =  94,07, 

^  =  0,99966 ;     J  Q  =  0,03975,      G  =  44,24 . 

ij  =  0,04387  Henry. 
Diese  drei  Resultate  zusammenfassend,   erhalten  wir  den 

Mittelwerth  _        /v/^j«««-'  tf 
Xj  =  0,043  77o  Henry. 

1)  Nullpunkt 


54 


O,  W.  Fatterson. 


§  20.    Die  Oberbeck'sehe  Methode. 

Die  zweite  in  dieser  Untersuchung  angewendete  Methode  \ 
war  die  ursprünglich  von  0  b erb  eck  stammende  ^),  in  welcher 
die  Rolle  von  unbekanntem  Selbstpotential  L^,  aber  bekanntem 
Widerstand  fF^  einen  Zweig  einer  Wheatstone'schen  Brücke 
bildete.  Eine  Rolle  (vom  Selbstpotential  Zq  und  Widerstand 
^q)  eines  Elektrodynamometers  ersetzte  das  Galvanometer  in 
dem  Galvanometerzweige;  ein  Sinusinductor  I  ersetzte  die 
Batterie.  Die  anderen  drei  Zweige  bestanden  aus  so  weit  wie 
möglich  von  Selbstpotential  und  Gapacität  freien  Widerständen. 
Die  zweite  Rolle  des  Elektrodynamometers  war  in  dem  Sinus- 


Fig.  2. 

inductorzweige.  Die  Widerstände  werden  adjustirt,  bis  die 
Ablenkung  des  Elektrodynamometers  verschwindet.  Letzteres 
beweist  nicht  die  Abwesenheit  des  Stromes  in  der  Rolle  des 
Instrumentes,  sondern  nur  einen  Phasenunterschied  von  ^l^n 
der  Ströme  in  den  zwei  Rollen.  Die  mittlere  Ebene  der  zwei 
Rollen  sollte  senkrecht  sein,  um  ein  gegenseitiges  Potential 
zwischen  den  Rollen  zu  vermeiden. 

Oberbeck  vernachlässigt  die  Wirkung  des  Selbstpotentials 
Lq.  Die  vollkommene  Z^  berücksichtigende  Formel  verdanken 
wir  Troje^,  nämlich: 


(26) 


I^\  + 


L.L.  = 


71«  W« 


1)  A.  Oberbeck,  Wied.  Ann.  17.  p.  816  u.  1040.  1882. 

2)  0.  Troje,  Wied.  Ann.    47.  p.  501.    1892:    vgl.  auch  J.  Puluj, 
Elektrotechn.  Zeitschr.  Heft  27.  p.  348.  1891. 


Untersuchung  über  das  Selbstpotential.  55 

n  =  die    Zahl    der    ümkehrungen    pro    Secnnde ,    und    n  = 
3,14159 .... 

Dieser  Ausdruck  kann  vereinfacht  werden,  wenn  W^  =  /T^. 
Unter  dieser  Bedingung  giebt  Troje  die  folgende  angenäherte 
Lösung  für  die  Gleichung  (26): 


Ich  benutzte  die  vollständige  Lösung,  da  ich  keinen 
besonderen  Vortheil  bei  dem  Gebrauch  der  Annäherung  sah. 
Diese  vollkommene  Lösung  kann  eine  der  beiden  folgenden 
Formen  annehmen.    Wenn  L^  absolut  bekannt  ist  und  W^  =  /T^, 

so  ist 


'0   FTo  +  2  li^, 


Wenn  andererseits  L^  nicht  absolut  bekannt  ist,  kann  man 
sein  Verhältniss  zu  L^  durch  die  Maxwell'sche  Methode  ^)  oder 
eine  ihrer  Modificationen  *)  erhalten.  Ist  etwa  L^^^aL^y 
8o  ist 


(29)  A  =^,  --^j^K  ]/(^3  -  '^i)  ( ,^'^•-^7+  ^^1  +  ^.)  ■ 

Ich  bestimmte  dieses  Verhältniss  a  für  Rolle  1  und  die 
bewegliche  Rolle  des  verwendeten  Elektrodynamometers  zu 
a  =0,09470.  Für  die  Versuche  mit  Rolle  2  gebrauchte  ich 
den  aus  dem  gemessenen  Werth  von  L^  berechneten  Werth 
von  J/q,  und  wendete  dann  die  Gleichung  (28)  an. 

Als  Quelle  der  elektromotorischen  Kraft  benutzte  ich  einen 
Sinusinductor,    welcher  aus  einem  sich   innerhalb  einer  Rolle 


1)  J.  C.  Maxwell,  Elect.  and  Mag.  2.  (2.  Ausg.)  p.  367.  18S1. 

2)  H.  S.  Carhart  and  6.  W.  Patterson,  Electr.  Measurem.  p. 255 ff. 
1895. 


56  G.  IV.  Fatterson. 

drehenden  Stahlmagneten  bestand.  Der  Magnet  wurde  bei 
hoher  Geschwindigkeit  von  einem  Elektromotor  durch  Riemen 
und  Zahnrad  in  Bewegung  (Uebersetzung  1 :  100)  versetzt 
Die  Geschwindigkeit  wurde  dadurch  berechnet^  dass  man  mit 
einem  Chronometer  75  Umdrehungen  des  ersten  Rades  maass. 
Das  entsprach  15  000  Umkehrungen  des  Stromes.  Da  der 
Motor  durch  eine  mit  anderen  Stromkreisen  in  Verbindung 
stehende  und  für  allgemeine  Zwecke  in  dem  Gebäude  benutzte 
Accumulatorenbatterie  getrieben  wurde,  war  es  etwas  schwierig, 
eine  constante  Geschwindigkeit  zu  erhalten.  Viele  Beobachtungs- 
reihen wurden  wegen  der  Inconstanz  in  der  Geschwindigkeit 
verworfen,  welche  sich  durch  die  Instabilität  in  dem  Gleich- 
gewicht der  Wheatstone'schen  Brücke  zeigte.  Wenn  da?* 
Gleichgewicht  stabil  blieb,  während  die  Geschwindigkeit  ge- 
messen wurde,  so  sah  man  die  letztere  als  constant  an. 

Es  sei  bemerkt,  dass  die  Formeln  den  Widerstand  H  ]^ 
der  Elektrodynamometerrolle  enthalten.  Da  diese  Rolle 
aus  feinem  Kupferdrahte  war,  würde  sich  ihre  Temperatur 
durch  die  Joule' sehe  Wirkung  erhöht  haben,  wenn  der 
Strom  dauernd  benutzt  worden  wäre.  Das  würde  eine  ent- 
sprechende Vergrösserung  des  Widerstandes  hervorgebracht 
haben.  Da  es  nicht  durchfuhrbar  war,  den  Widerstand  Wq 
bei  jeder  Gelegenheit  direct  zu  messen,  wurde  //'J,  ein  für  alle 
Mal  gemessen  und  darnach  wurde  sein  Werth  wegen  der 
Temperaturänderung  corrigirt,  wobei  als  Temperaturcoefficient 
0,4  Proc.  pro  Grad^)  verwendet  wurden.  Es  wurde  ange- 
nommen, dass  seine  Temperatur  die  der  umgebenden  Luft  sei. 
Diese  Annahme  konnte  nicht  zu  bemerkenswerthen  Fehlern 
im  Endresultat  führen,  wenn  die  Temperatur  des  Raumes  con- 
stant war,  und  überdies  wurde  der  Kreis  nur  kurze  Zeit 
geschlossen  gehalten. 

Der  Widerstand  /f  ^  der  Rolle  von  unbekanntem  Selbst- 
potential wurde  durch  die  gewöhnliche  Wheatstone'sche 
Brückenmethode  sowohl  vor  als  nach  jeder  Beobachtungsreilie 
mit  dem  Wechselstrome  gemessen,  wozu  ein  Element  statt  des 
Sinusinductors  eingeführt  wurde. 


1)  A.  E.  Kennelly  u.  R.  A.  Ftssendcii,  Phys.  Rev.  1.  p.  260.  1893. 

I 


Untersuchung  über  das  Selbstpotential. 


57 


§  21.   Beobachtungen  und  Resultate. 

\  Unten  werden  die  Beobachtungen  und  Resultate  für  die 

Rolle  1    gegeben.     Zu  den  Berechnungen  wurde  Formel  (29) 
benutzt  (vgl.  Tab.  10). 

Der  mittlere  Werth  ist 

Xi  =  0,043867  H^nry, 

woraus 

aXj  =  X^,  =  0,00415  Henry. 

Der  durch  diese  Methode  gefundene  Mittelwerth  für  Z^ 
(0,043867)  stimmt  nahezu  mit  dem  nach  der  Maxwell-Ray- 
leigh' sehen  Methode  gefundenen  (0,043775),  §  19,  überein. 

Tabelle  10. 


Reihe  1 


16,0°  C.i  88,68  Ohm 


li 


9,6  20,39 

16,0  9,443 

16,0        i  44,50 


a 
Zwischenzeit  für 
15000  Umkehr, 
n 


0,09470 

51,6  sec 
290,7  pro  aec 
0,04404 


Reihe  2 


Reihe  3 


87,96  Ohm 
20,55 

9,443 
43,65 


0,09470 


52,6  sec 
285,2  pro  sec 
0,04376 


17,0*  C. 
11,5 

17,0 
17,0 


89,04  Ohm 
20,57 
9,443 
43,92 


0,09470 

52,2  sec 
287,4  pro  sec 
0,04380 


§  22.   Vergleich  der  beiden  Methoden. 

Wenn  man  die  Vortheile  der  beiden  Methoden  bei 
ziemlich  grossen  Selbstpotentialen  vergleicht,  müssen  viele  That- 
sachen  berücksichtigt  werden.  Die  Maxwell-Rayleigh'sche 
Methode  verlangt  genaue  Widerstände,  ein  gutes  ballistisches 
Galvanometer  und  constante  Temperatur.  Die  Oberbeck'sche 
Methode  erfordert  nur  ziemlich  genaue  Widerstände  (keine 
kleinen  Aenderungen  wie  AQ,  der  anderen  Methoden  sind  er- 
forderlich), ein  empfindliches  Elektrodynamometer  von  relativ 
hohem  Widerstände  und  geringem  Selbstpotential  und  eine 
beständige  Quelle  von  elektromotorischer  Kraft  von  Sinus- 
gestalt, aber  keine  grosse  Gonstanz  der  Temperatur.  Bei 
sehr  kleinen  Selbstpotentialen   sind  die  von  der  Joule'schen 


68  G.  }V,  Patterson. 

WirkuDg  entstehenden  Nachtheile  zu  gross,  um  die  Maxwell- 
Bayleigb'sche  Methode  in  Anwendung  zu  bringen.  Daraus 
können  wir  schliessen,  dass  bei  der  Wahl  der  Methode  die 
Frage  der  constanten  Temperatur  gegen  die  constante  sinus- 
gestaltige  elektromotorische  Kraft  entscheidend  ist. 

Die  Oberbeck'sche  Methode  hat  den  weiteren  Vortheil, 
in  gewisser  Beziehung  eine  Nullmethode  zu  sein,  denn  man 
muss  zwei  Gleichgewichte  mit  dem  Elektrodynamometer  er- 
halten, das  eine  mit  dem  Gleich-  und  das  andere  mit  dem 
Wechselstrome,  welche  den  zwei  dauernden  und  ballistischen 
Ablenkungen  der  anderen  Methode  entsprechen.  Diese  letzteren 
müssen  wegen  Unregelmässigkeiten  in  dem  Felde^  bez.  in  der 
Dämpfung  corrigirt  und  beide  auf  eine  Function  des  Winkels, 
welche  nicht  durch  directe  Beobachtung  gegeben  ist,  zurück- 
geführt werden.  Es  kann  auch  eine  Correction  wegen  unvoll- 
kommenen Isochronismus  in  der  Bewegung  der  Rolle  noth- 
wendig  werden. 

Einen  Ersatz  für  diese  Nachtheile  bietet  die  Empfindlich- 
keit des  Galvanometers,  welche  die  eines  Elektrodynamometers 
weit  übersteigt,  wofern  dieses  nicht  einen  Eisenkern  hat.  Ein 
Eisenkern  bewirkt,  dass  das  Selbstpotential  M^'^  eine  Function 
des  Stromes  und  nicht  eine  constante  Grösse  wird,  was  seiner 
Anwendung  unüberwindliche  Schwierigkeiten  entgegenzusetzen 
scheint.  Jedoch  benutzte  Oberbeck^)  ein  Galvanometer  mit 
einem  Eisenkern  wie  Puluj.*) 

§  23.    Anwendung  auf  kleine  Selbstpotentlale. 

Beide  Methoden  wurden  zu  der  Messung  des  Selbst- 
potentials von  noch  einer  Rolle  (Rolle  2)  angewendet,  deren 
Selbstpotential  Z^  viel  kleiner,  etwa  0,00585  Henry,  und  deren 
Widerstand  etwa  7,28  Ohm  war.  Ihre  Zeitconstante  war  etwa 
0,0008  Secunde.  Bei  der  Maxwell-Rayleigh'schen  Methode 
war  es  noth wendig,  einen  Werth  für  JQ  von  nur  0,003  Ohm 
zu  benutzen,  um  eine  dauernde  Ablenkung  zu  geben,  welche 
der  durch  die  ümschaltung  der  Batterie  erzeugten  ballisti- 
schen entsprach.    Wegen  des  geringen  Werthes  von  L^  wurde  es 


1)  A.  Oberbeck,  Wied.  Ann.  17.  p.  816.  1882. 

2)  J.  Puluj,  Elektrotechn.  Zeitschr.  Heft  27.  p.  348.  1891. 


I 


Untersuchung  über  das  SelbstpotentiaL  59 

för  noth wendig  erachtet,  den  Widerstand  des  Galvanometer- 
zweiges auf  den  möglich  niedrigsten  Werth  zu  vermindern 
und  die  Stromstärke  durch  die  Rolle  zu  vergrössem.  Das 
erste  verstärkte  die  Dämpfung  und  das  zweite  die  Joule'sche 
Wirkung.  Infolge  des  sehr  geringen  Werthes  von  AQ  ent- 
stand ein  bedeutender  Fehler  durch  von  Erhitzung  herrühren- 
den Widerstandsveränderungen.  Der  Mittelwerth  der  Resultate 
Ton  sechs  Beobachtungsreihen  war  0,0057,  aber  die  einzelnen 
Reihen  unterschieden  sich  bis  zu  etwa  5  Proc.  voneinander. 
Ich  bin  überzeugt,  dass  die  Rolle  ein  zu  geringes  Selbst- 
potential hatte,  um  eine  befriedigende  Anwendung  dieser  Me- 
thode zu  gestatten. 

Die  Oberbeck'sche  Methode  andererseits  gab  ziemlich 
übereinstimmende  Resultate  mit  einem  Mittelwerthe  für  vier 
Reihen  von  0,00585  und  eine  mittlere  Abweichung  von  0,00025 
oder  von  etwa  0,5  Proc. 

Zweiter  Theil. 

Die  Berechnung  von  Selbstpotentialen  in  Ausdrücken  der  Energie 

des  magnetischen  Feldes. 

§  24.    Die  drei  von  Maxwell  vorgeschlagenen  Methoden. 

In  seiner  Schrift  „A  dynamical  Theory  of  the  Electro- 
magnetic  Field**^)  hat  Maxwell  drei  Methoden,  um  die  Coeffi- 
cienten  der  elektromagnetischen  Induction  zu  berechnen,  vor- 
geschlagen. In  der  ersten  definirt  er  als  das  elektromagnetische 
Moment  (electromagnetic  momentum)  des  einen  Kreises,  falls 
durch  den  anderen  ein  Einheitsstrom  fliesst: 

(30)  M=j[Ff,^G^l.  +  H'/,]äs', 

worin  Fj  G  und  H  die  Componenten   des  elektromagnetischen 
Momentes   sind,   welches  dem  Einheitsstrom   in   dem    zweiten 
Kreise  entspringt^  und  ds   ein  Längenelement  des  ersten  ist. 
Diese  Gleichung  kann  auch  die  Form 

(31)  M=fffA-^^^^cos{ds,ds) 

1)  J.  C.  Maxwell,  Collected  Paper#l.  p.  589.  1890;  Trans.  Roy. 
Soc.  155.  p.  617.  1865. 


■  \ 


60  G.  H\  Patterson. 

annehmeii,  welche  zuerst  von  Franz  E.  Neumann  gegeben 
wurde  ^),  worin  fi  die  magnetische  Permeabilität  des  isotrop  . 
und  constant  vorausgesetzten  Mediums  ist,  und  r  die  Ent- 
fernung zwischen  ds  und  dsj  welche  Elemente  der  zwei  Kreise 
sind,  und  einen  Winkel  {ds.ds')  miteinander  bilden.  In  dem  Falle 
des  Selbstpotentials  gehören  ds  und  ds    demselben  Kreise  an. 

Mit  Ausnahme  des  Factors  ^,  entspricht  diese  Formel  dem 
früheren  Begriff  von  Fernwirkung.  Der  Factor  ii  giebt  jedoch 
eine  Andeutung,  dass  etwas  in  dem  umgebenden  Räume  mit 
dem  Phänomen  in  Beziehung  steht. 

Bei  der  zweiten  Methode  wird  das  gegenseitige  Potential 
durch  die  Zahl  der  magnetischen  Kraftlinien  gemessen,  welche 
durch  den  einen  Stromkreis  gehen,  wenn  der  Einheitsstrom 
durch  den  anderen  fliesst.  Wenn  eine  Kraftlinie  mehrmals  den 
Stromkreis  schneidet,  gilt  sie  als  ebenso  viele  einzelne  Linien; 
wenn  sie  aber  nur  einen  Theil  des  Stromkreises  schneidet,  so 
gilt  sie  als  die  entsprechende  Bruchzahl.  Sind  die  zwei  Kreise 
identisch,  so  wird  das  gegenseitige  Potential  Selbstpotential. 

Diese  zweite  Methode  entspricht  in  ihrem  Wesen  einer 
Anwendung  des  Farad ay 'sehen  Begriffes  des  elektrotonischen 
Zustandes  (electrotonic  state)*),  der  Zahl  der  durch  ihn  ge- 
bundenen Kraftlinien^. 

Diese  zwei  Methoden,  und  besonders  die  erste,  sind  viel- 
fach von  Physikern  zur  Berechnung  des  Selbstpotentials  und 
des  gegenseitigen  Potentials  der  Kreise  benutzt  worden,  so  von 
Maxwell*),  Fröhlich«),  Weinstein»*)  und  Stefan.^ 

Bei  der  dritten  Methode  bezeichnet  Maxwell  das  gegen- 
seitige Potential  als  den  Theil  der  magnetischen  Energie  des 
ganzen  Feldes,  das  von  dem  Product  des  Stromes  in  den 
beiden  Kreisen  abhängt    Sind  Uj  ß,  y  bez.  a,  ß",  y   die  Com- 


1)  F.  £.  Neu  mann.  Abhandlung,  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin 
p.  8.  1845. 

2)  M.  Faraday,  Ezperimental  Researches,  Art  60.  1839. 

3)  J.  C.  Maxwell,  Collected  Papers.  1.  p.  206.  1890;  Trans.  Camb. 
Phil.  Soc.  10.  part.  1.  p.  65.  1849. 

4)  J.  C.  Maxwell,   Collected  Papers  1.  p.  593.  1890;  Elect  and 
Mag.  (2.  Ausg.)  2.  p.  316.  1881. 

5)  J.  Fröhlich,  Wied.  Ann.  19.  p.  106.  1883;  22.  p.  117.  1884. 

6)  B.  Weinstein,  Wiedl  Ann.  21.  p.  329.   1884. 

7)  J.  Stefan,  Wied.  Ann.  22.  p.  107.  1884. 


K 


Untersuchung  über  das  SelbstpotenäaL  61 

ponenten   der   magnetischen  Intensität,   die   von   dem    ersten 
\   bez.    zweiten  Stromkreise  herrühren,   so  ist  die  Energie  des 
Elementes  des  Feldes  vom  Volumen  dF. 

(32)  g^{(«  +  «r  +  09  +  /?•)«  +  (y  +  /)»  }  rf  r. 

Der  TOD  dem  Prodact  der  Ströme  abhängige  Theil  ist 

(33)  JL{aa'  +  ^^  +  y/jdr. 

Maxwell  macht  keinen  Gebrauch  von  diesem  Ausdrucke, 
and  meines  Wissens  ist  er  nie  zur  Berechnung  der  Potentiale 
angewendet  worden. 

Wenn  die  zwei  Stromkreise  identisch  sind,  so  wird  dieser 
Ausdruck  (33)  die  Basis  für  die  Berechnung  des  Selbstpotentials 
des  Kreises.     Das  magnetische  Feld  hat  als  Werth 

(34)  H^yaa+ßß'-hrr, 
und  das  Selbstpotential  wird 

00 

worin  /  die  Stromstarke  ist.     Das  Integral  ist  auf  das  ganze 
Feld  auszudehnen. 

Diese  Gleichung  kann  einfacher  gewonnen  werden  dadurch, 
dass  man  nur  einen  Stromkreis  betrachtet.  MaxwelTs  Art, 
die  Methode  darzulegen,  hat  jedoch  den  Vortheil  allgemeiner 
Anwendbarkeit  auf  gegenseitiges  und  Selbstpotential. 

§  25.    Ableitung  der  Gleichung  ^  =*  /  £j  /  )    ^  ^' 


oo 


E^  ist  eine  Folge  von  dem  G reen 'sehen  Satz  ^),  dass  die 
aus  der  magnetischen  Polarisation  des  Feldes  entstehende  Energie 


(36) 


'^=87^/'*^*'^^ 


00 


ist.      Es    ergiebt    sich   auch   aus   der   Definition   des   Selbst- 
potentials eines  Kreises  in  Ausdrücken  von  elektromotorischer 


1)  George  Green,  Math.  PaperS)  Essay  on  the  application  of  Math. 
to  elect  and  mag.  p.  1.  1871;  J.  C.  Maxwell,  Elect  and  mag.  (2.  Anag.) 
^    1.  p.  127.  1881;  2.  p.  249  u.  261.  1881. 


62  G.  W.  Patterson. 

Kraft  und  Stromstärke,  dass  die  zur  Erzeugung  eines  Stromes 
im  Kreise  angewendete  Arbeit  % 

(37)  W  =  \  LP 

ist.     Aus  (36)  und  (37)  ergiebt  sich  durch  Elimination  von  W 


00 


wie  in  §  24  bereits  abgeleitet  wurde.  Die  Gleichungen  (35) 
und  (36)  sind  derselben  Bedingung  unterworfen  wie  (31),  näm- 
lich: dass  II  die  constante  magnetische  Permeabilität  eines 
isotropen  Mediums  ist  Wenn  diese  Bedingung  fehlt,  ist  L 
keine  bestimmte  Grösse  des  Stromkreises,  sondern  ist  von  dem 
jeweiligen  Zustand  des  Kreises  und  des  ihn  umgebenden 
Feldes  abhängig. 

Wenden  wir  Gleichung  (35)  zu  der  Berechnung  der  Selbst- 
potentiale einiger  Kreise  an. 


§  26.  Anwendung  auf  ein  Solenoid  von  groBser  Länge. 

Nehmen  wir  ein  Solenoid  von  gleichförmigem  Querschnitt  S 
und  sehr  grosser  Länge  /  an,  welches  aus  n  Windungen  pro 
Längeneinheit  aus  einem  sehr  dünnen  bandförmigen  Leiter 
besteht,  dessen  Dicke  vernachlässigt  werden  kann.  Nehmen 
wir  auch  an,  dass  der  Isolationsraum  zwischen  den  einander 
folgenden  Windungen  unendlich  klein  ist.  Wenn  man  die 
Wirkungen  der  sehr  entfernten  Enden  yemachlässigt,  so  ist 
das  magnetische  Feld  innerhalb  des  Solenoids  constant,  und 
ausserhalb  desselben  Null.  Also  haben  wir  den  bekannten 
Ausdruck 

(38)  ^  =  4;rn. 
Woraus  folgt,  dass 

(39)  L  =  47C(in*fdF=^47ifin*lS. 

Das  Selbstpotential  pro  Längeneinheit  ist  dann,  mit  Ausnahme 
der  Enden, 

(40)  j=^4nfjiSnK 


Untersuchung  über  das  Selhstpotentiai. 


63 


\    §  27.    Anwendung  auf  ein  Bingsolenoid  von  reohteokigem  Quer- 
schnitt. 

Betrachten  wir  zunächst  den  Fall  eines  ßingsolenoids  von 
rechteckigem  Querschnitt.  Nehmen  wir  die  in  §  26  gegebenen 
analogen  Bedingungen  in  Beziehung 
auf  Form  und  Stellung  der  Leiter 
an.  Mögen  die  ganze  Anzahl  der 
Windungen  N^  der  innere  Radius  r^, 
and  der  äussere  r,,  und  der  Axial- 
durchmesser a  sein.  Die  Stärke 
des  Feldes  ist  dem  reciproken 
Werthe  der  Längen  der  Kraftlinien  proportional.  Daraus  er- 
halten wir: 

(41) 

and 

0    r. 


Fig.  3. 


H        .  2N 

-=-  =  4;rn  =  — , 

/  r 


was  bei  Durchfährung  der  Integration 


(43) 
giebt. 


i  -  2  a /iiVMog.  (^) 


§  28.   Anwendung  auf  ein  Ringsolenoid  von  kreisförmigem 

Querschnitt. 

Wenn  das  Ringsolenoid 
einen  kreisförmigen  Quer- 
schnitt hat,  so  wird  die  For-   ^"^  x— B-4— -^-x--/— 

mal  etwas  complicirter.   Wie 

Torher  ist  ^„  ^ 


(41) 

S        2N 
I  -     r      ' 

and  schreiben  wir 

^-'•' 

-'■"     und   B-   '■•t'"' 

2 


2 


64 


G.  ^\  Patterson. 


worin  A  der  Radius  des  Querschnittes  und  £  der  Mittelradius 
des  Ringes  ist.    Nehmen  wir  als  Volumenelement  einen  Ring  % 
von  der  Dicke  dr  und  Breite 

2y^>-{Ä-rj"2  , 
wie  in  der  Figur  4  gezeigt  ist,  dann  ist 


(44) 


dF=4nr^A^-{B  -  r^dr. 


Indem  wir  (41)  und  (44)  in  (35)  setzen,  erhalten  wir  den  fol- 
genden Ausdruck 

r^B  +  Ä 


(45) 


Z  =   [—/'i/a*  -  (ä  -  r)2  dr  . 


r  =  «  -  ii 

um  diese  Gleichung  für  die  Integration  vorzubereiten,  schreibt 


man 
woraus 


y^«  -  (J?  -  r)2  =  ^  -  ;^(Ä  -  r)  , 

JB^r^-^^-,    und    rfr=-AAil-_g_^A. 
1  +  /«  (1+  /«)« 

Wenn  wir  diese  Substitution  vornehmen,  erhalten  wir 

f      r  =:  B  +  A  ;f=-l 


(46) 


V^^(^-^)'^^^ 


5(1-    ~J^    +/')(!+/')* 


Z=  +1 


2  (5«  -  ^•) 


5(1-    ^^-  +  r') 


2B     _       4A/ 

1+/'     li  +xy 


dX  . 


Dieses  können  wir  integriren,  wie  folgt: 

r  =  B  +  ii 


(47) 


A/it' - (g - r) '  rf^_  _  2yÄ»  -  ^^1  arctg  |/J~ 


r  =  B--ä 


+  25 


T  +  t] 


Untersuchung  über  das  SMsipotentiaL  65 

Wir  haben  demnach  gesehen,  dass  diese  dritte  Methode 
^  bei  den  drei  verschiedenen  Formen  des  Solenoids  dasselbe  ße- 
"    sultat  liefert,  wie  die  gewöhnlich  angewendeten.^) 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  Hrn.  Prof.  Dr.  von  Lommel, 
Hm.  Prof.  Dr.  Graetz  und  Hrn.  Prof.  Dr.  Seeliger  meinen 
tiefgefühlten  Dank  aussprechen. 

München,  Physikal.  Inst  d.  Univ.,  12.  Mai  1899. 


1)  In  der  Dissertatioii  ist  auch  noch  der  Fall  einer  kreisförmigen 
Rolle  von  rechteckigem  Querschnitt  behandelt    Vgl.  p.  40  daselbst 

(Eingegangen  17.  Juni  1899.) 


Ann.  d.  PhjB.  o.  Ghem.    N.  F.    69. 


4.  lieber  Zustandsgieichungen  und  Energie^ 
gleichfungen;  von  O.  Wiedeburg. 


Seitdem  einmal  der  Energiebegriff  als  der  allgemeinste, 
auf  allen  Gebieten  der  Physik  anwendbare  aufgefunden  worden 
ist,  benutzt  man  als  Ausgangspunkt  theoretischer  Herleitungen 
mit  Vorliebe  Gleichungen,  die  sich  auf  Energiegrössen  be- 
ziehen, wie  sie  in  den  beiden  „Hauptsätzen*'  der  Thermo- 
dynamik und  ihrer  Erweiterung,  der  Energetik,  ihren  all- 
gemeinen Ausdruck  finden.  Und  doch  zeigt  es  sich  anderer- 
seits in  so  manchen  Fällen  vortheilhafter,  zur  Darstellung 
der  Erscheinungen  Gleichungen  anderer  Art  als  Grundlage 
zu  wählen,  die  keineswegs  Gleichungen  zwischen  Energie- 
grössen sind,  denen  gegenüber  die  allgemeinen  Energie- 
gleichungen nur  die  Rolle  von  principiell  gültigen  Relationen 
spielen,  die  bei  jedem  Ansätze  erfüllt  sein  müssen.  Es  lohnt 
sich  wohl,  das  gegenseitige  Verhältniss  solcher  verschiedenen 
Ausgangspunkte  theoretischer  Herleitungen  näher  ins  Auge  zu 
fassen  und  klarzustellen. 

In  meinen  Arbeiten  über  nicht-umkehrbare  Vorgänge  und 
den  sich  daran  anschliessenden^)  habe  ich  eine  bestimmte 
Kategorie  von  Gleichungen  in  den  Vordergrund  gestellt,  die 
nicht  selbst  Energiegleichungen  sind,  aber  doch  zum  Energie- 
begriff von  Haus  aus  in  naher  Beziehung  stehen,  als  nach  be- 
stimmtem Schema  gebaute  Gleichungen  zwischen  den  ^^FactorerV'^ 
der  verschiedenen  Energiearten.  Für  diese,  im  allgemeinsten 
Falle  sich  auf  nicht- umkehrbare  Vorgänge  beziehenden  Glei- 
chungen habe  ich  die  Bezeichnung  als  ^^Zustandsgleicliungen^'' 
des  betreffenden  Körpers  angewendet. 

•  Diese  Zustandsgieichungen  also  stellen  die  Grundlage  der 
Rechnung  dar,  ihnen  gegenüber  erscheinen  die  Energie- 
gleichungen nur  als  eine  eigenartige  Ausdrucksform  für  die- 
selben Erscheinungen.    Dieses,  den  vielfach  üblichen  Gedanken- 


1)  0.  Wiedeburg,  Wied.  Ann.  61.  p.  705.  1897;  62.  p.  652.  1897; 
68.  p.  154.  1897;  64.  p.  519.  1898;  Zeitechr.  f.  physik.  Chem.  29.  p.  27.  1899. 


< 


Zustandsgleiciiungen  und  Energiegleichungen,  67 

gaDg  gewissermaassen  umkehrende  Verfahren  möchte  ich  gerade 
^  mit  Rücksicht  hierauf  im  Folgenden  noch  näher  erläutern,  um 
dann  einige  weitere  Bemerkungen  über  die  Formulirung  der 
Erscheinungen  in  Zustandsgieichungen  und  Energiegleichungen 
anzuknüpfen. 

Snergiecoeffloienten  und  Factoren  der  ZuBtandsgleiohungen. 

Da  der  Unterschied  zwischen  der  jetzt  üblichen  Behand- 
lungsweise  und  der  von  mir  neu  vorgeschlagenen  überall  da 
besonders  hervortritt,  wo  thermische  Vorgänge  mitspielen,  so 
wollen  wir  das  zur  Erläuterung  dienende  Beispiel  derart 
wählen,  dass  auch  thermische  Zustandsänderungen  mit  in  Be- 
tracht kommen:  In  meiner  letzten,  speciell  die  thermischen 
Begiiffe  behandelnden  Arbeit  wurde  ein  Metalldraht  betrachtet, 
der  infolge  Aenderung  seiner  Temperatur  &  und  seiner  Span- 
nung P  Aenderungen  seiner  Länge  /  erfährt. 

In  der  thermodynamischen  Schluss weise,  wie  sie  von 
Clausius,  Kirchhoff  etc.  durchgeführt  ist,  geht  man  davon 
aus,  dass  sich  bei  solchen  gleichzeitigen  Aenderungen  der  un- 
abhängigen Variabein  P  und  &  die  „dazu  nöthige"  Zufuhr  an 
Wärme  (thermischer  Energie)  Q  und  mechanischer  Arbeit  Ä 
darstellen  lasse  in  der  Form: 

(1)  \>Q=-XdP  +  Yd&,     bA==MdP  +  Nd&, 

wo  die  als  Functionen  von  P  und  i9^  anzusehenden  Energie- 
coefficienten  X,  Y,  M,  N  ihrer  speciellen  Bedeutung  nach 
leicht  charakterisirt  werden  können.^) 

Die  beiden  Hauptsätze  besagen  nun  in  unserem  Falle, 
dass  sowohl  die  Summe  b  Q  +  bA  als  auch  der  Quotient  b  Q/i9", 
wenn  &  die  „absolute**  Temperatur,  vollständige  DiflFerentiale 
von  Zustandsfunctionen  sein  müssen,  nämlich  der  Energie  £ 
bez.  Entropie  S  des  Drahtes: 

(2)  bQ  +  bA==d£, 

(3)  -ir=^^' 


1)  Zeichen   b    benutzt   zur    Unterscheidung   der  „Diminutive*^    von 
^     Differentialen  (vgl.  Zeitschr.  f.  physik.  Chem.  29.  p.  35.  1899). 


68  0.  W'iedeburg. 

und   daraus   ergeben   sich   sofort   zwei  Beziehungen  zwischen 

den  Diflferentialquotienten  jener  vier  Energiecoefficienten  nacb^ 

P  und  &j  nämlich 

(A\  aZ        dY  _dN  _  dM 

^^  d&        dP        dP         d& 

und 

,-,  dX        dY         X       ,  ,     ÖY        ^   d  (X\ 

Nun  könnte  man  zu  den  beiden  Grundgleichungen  (2)  und 
(3)  eine  speciell  zu  (3)  ganz  analoge  hinzufügen,  die  sich  auf 
die  mechanische  Arbeit  bezieht: 

(6)  ^-  =  dl, 

WO  auch  /  gerade  wie  S  eine  Function  der  Variabein  P  und 
&\  aus  ihr  würde  sich,  zu  (5)  analog,  ergeben: 

wonach  man  statt  Gleichmig  (4)  auch  schreiben  könnte: 

(8)  ^-^-;- 

Führt  man  die  nähere  Bedeutung  der  Grössen  M  und  iV,  die 
sich  aus  der  Darstellung 

bA=:Pdl  =  P^^dP+PP-d& 

0  P  Ox^ 

ergiebt,  in  Gleichung  (7)  ein,  so  reducirt  sich  diese  auf  die 
als  „selbstverständlich^^  angesehene  Gleichung 

^^  d&dP        dPd&  ' 

Also  unser  Ansatz  (6),  wonach  hA/P  ein  vollständiges  Diffe- 
rential, liefert  nur  ein  selbstverständliches  Resultat,  weil  wir 
nämlich  gewöhnt  sind,  wenn  wir  den  Zustand  unseres  Drahtes 
beschreiben  wollen,  die  direct  anschauliche  Grösse  /  als  Function 
von  P  und  i9-  mit  zu  benutzen. 

Können  wir  nicht  den  zu  (6)  ganz  analogen  Ansatz  (3) 
und  das,  was  sich  daraus  ergiebt,  nämlich  Gleichung  (5),  unter 
demselben  Gesichtspunkte  betrachten?  Wird  es  sich  nicht 
empfehlen,  in  der  Wärmelehre  von  Haus  aus  eine  Grösse  S 
mit  zu  benutzen,  die  mit  der  Temperatur  &  den  augenblick- 
lichen   thermischen  Zustand    des  Drahtes  gerade   so   gut  be- 


Zustandsgieichungen  und  Energiegleichungen.  69 

schreibt,  wie  /  und  P  zusammen  den  elastischen,  die  von  x)- 
und  P  gerade  so  gut  abhängt  wie  die  Drahtlänge  /? 

Anschaulich  wird  uns  eine  solche  thermische  Grösse  S 
sofort,  wenn  wir  die  alte  Vorstellung  vom  „Wärmestoff*'  in 
abgeklärter  Form  wieder  aufnehmen,  wenn  wir  dem  Körper 
eine  „thermische  Ladung"  S  zuschreiben,  wie  wir  ohne  Be- 
denken von  einer  „elektrischen  Ladung"  zu  sprechen  pflegen. 
In  meiner  letzten  Arbeit  habe  ich  diese  Fragen  zusammen- 
fassend näher  behandelt  und  ich  möchte  darauf  verweisen. 
Hier  kommt  für  uns  in  Betracht  die  Grundlage,  die  wir  bei 
solcher  Anschauungsweise  für  unsere  Darstellung  der  zu  be- 
handelnden Vorgänge  ohne  weiteres  gewinnen  in  den  beiden 
.yZustandsgleichungen",  die  lediglich  die  Abhängigkeit  des  / 
und  5  von  P  und  &  constatiren.  Dabei  ist  der  Draht  als 
ein  „eindeutiges  System"  vorausgesetzt,  das  nämlich  nur  t^m- 
kehrbarer  Zustand sänderungen  fähig  ist.  Da  wir  nur  zwei  Zu- 
standsseiten  nebeneinander  betrachten,  so  bestimmen  zwei 
Variable  den  Zustand  vollständig,  insofern  die  beiden  anderen 
noch  mit  benutzten  ihren  eigenen  Werthen  nach  stets  durch 
die  jeweiligen  Werthe  jener  beiden  mit  bestimmt  sind. 

Schreiben    wir    also   die    beiden   Zustandsgieichungen   in 

der  Form: 

j  dS:=^(Td&  +  sdP, 

^^^^  \dl  ^IdP  +tid{^, 

wo  die  Factoren  o-,  6,  A,  i]  als  Functionen  von  P  und  i?  an- 
zusehen sind^),  so  sind  uns  die  folgenden  beiden  Eelationen 
zwischen  den  Differentialquotienteu  dieser  Factoren  als  selbst- 
verständlich gegeben: 

^^^)  TP=d»  ""^  TF=  dp- 


1)  Oanz  entsprechend  ist  der  Ansatz,  den  G.  Lippmann  seiner 
Zeit  machte  für  das  Zusammenwirken  von  elektrischen  und  andersartigen 
Vorgftngen  auf  Grund  des  Satzes  von  der  Erhaltung  der  Elektricitäts- 
mengen  (Compt.  rend.  92.  p.  1049  u.  1149.  1881;  Ann.  de  Chim.  et  de 
Phys.  (5)  24.  p.  145.  1881). 

2)  Die  zweite  der  Gleichungen  (11),  identisch  mit  (9),  stellt  die  Be- 
ziehung dar  zwischen  der  Aenderung  des  thermischen  Ausdehnungs- 
coefficienten  mit  der  Spannung  und  der  Aenderung  des  Elasticitäts- 
coefficienten    mit    der   Temperatur,    die   von    G.    Dahlauder    geprüft 

^  worden  ist  (Pogg.  Ann.  145.  p.  147.  1872). 


70  0.  IFiedeburg. 

um  nuu  aus  diesem  Ansatz  mit  der  Erfahrung  überein- 
stimmende Schlüsse  zu  ziehen,  ist  es  noth wendig  und  hin- 
reichend, dass  wir  zwischen  den  vier  Factoren  noch  eine  einzige 
Beziehung  als  vorhanden  ansehen,   nämlich  die  Beziehung 

(12)  f;  =  6, 

die  die  beiden  voneinander  sonst  ganz  unabhängigen  Zustands- 
gieichungen miteinander  verknüpft,  die  gegenseitige  Beeinflus- 
sung der  beiden  Zustandsseiten  näher  formulirt,  die  Wechsel- 
wirkung der  verschiedenen  „Naturkräfte"  enger  gestaltet. 

Aus  dieser  Relation  ergiebt  sich  sofort  als  Folgerung,  dass 

(13)  &dS+  Pdl=^dE 

ist,  d.  h.  vollständiges  Diflferential  einer  Function  E  von  P  und  &y 
wir  werden  dazu  geführt,  den  den  verschiedenen  Zustands- 
seiten gemeinsamen  Begriff  der  Energiegrössen  einzuführen, 
indem  wir 

(14)  i9'dS=bQ     und     Prf/=b^ 

als  solche  bezeichnen,  wir  gewinnen  die  beiden  Häuptsätze 
der  Thermodynamik. 

Um  zu  diesen  beiden  Hauptsätzen  zu  gelangen,  hatten 
wir  also  nur  eine  Annahme  nöthig  (Gleichung  12),  nachdem  wir 
einmal  die  zu  behandelnden  Vorgänge  unter  Mithülfe  der  in 
Anlehnung  an  die  alte  Vorstellung  veranschaulichten  Grösse  S 
formulirt  hatten. 

Diejenigen  Grössen,  durch  die  wir  von  unserem  Standpunkt 
aus  den  behandelten  Körper  charakterisiren,  seiner  speciellen 
Natur  nach  von  anderen  unterscheiden,  sind  die  vier  Factoren 
(Tj  X,  6,  fj  der  beiden  Zustandsgieichungen  (10);  zwischen  diesen 
bez.  ihren  Differentialquotienten  bestehen  die  drei  Relationen 
(11)  und  (12);  vom  thermodynamischen  Standpunkte  aus  spielen 
die  vier  Energiecoefficienten  X,  Z,  Jf,  N  die  Rolle  der  charakte- 
ristischen Grössen,  deren  Zusammenhang  durch  die  drei  Re- 
lationen' (4)  [bez.  (8)],  (5)  und  (7)  geregelt  wird.  Um  die  eine 
Gruppe  von  Relationen  aus  der  anderen  herzuleiten,  braucht 
man  nur  die  Beziehungen: 

zu  beachten. 

t 


ft 


Zustandsgieichungen  und  Energiegleichungen.  71 

(Eine  Differentialgleichung  höherer,  nämlich  2.  Ordnung, 
lässt  sich  noch  ohne  weiteres  hinschreiben: 

(16)  ''"         ''' 


dP*         ö  ^« 
und  dementsprechend  bei  Benutzung  der  Energiecoefficienten: 

Können  wir  annehmen,  dass  die  Factoren  unserer  Zustands- 
gieichungen Constanten  seien,  so  verlieren  die  beiden  Differential- 
relationen (11)  ihre  Bedeutung  für  uns,  es  ist  das  Verhalten 
des  in  zt^etfacher  Hinsicht  (thermischer  und  elastischer)  seinen 
Zustand  ändernden  Körpers  quantitativ  völlig  bestimmt  durch 
die  drei  voneinander  unabhängigen  Constanten  o-,  A,  6,  von 
denen  g  auf  die  rein  thermische,  X  auf  die  rein  elastische 
Seite  der  Zustandsänderung,  8  auf  die  Wechselwirkung  zwischen 
beiden  sich  bezieht. 

Aufgabe  des  Experimentes  ist  es  jedenfalls,  diese  Grund- 
grössen  für  die  verschiedenen  Körper  zahlenmässig  zu  er- 
mitteln, um  dann  durch  Vergleich  zwischen  ihnen  Gesetze  für 
ihre  Abhängigkeit  von  der  Natur  des  Körpers  aufzufinden. 
Solche  Gesetzmässigkeiten  darf  man  nicht  immer  gerade  bei 
den  am  leichtesten  und  directesten  zu  messenden  Grössen  er- 
warten, sondern  viel  eher  bei  solchen,  die  zu  einer  möglichst 
einfachen  und  systematischen  Formulirung  der  Grunderschei- 
nungen  dienen,  wie  wir  sie  in  unseren  Zustandsgieichungen 
aufzustellen  suchten.  Warburg  ^)  hat  einmal  darauf  hin- 
gewiesen, dass  man,  um  Beziehungen  zwischen  der  chemischen 
Constitution  und  den  physikalischen  Eigenschaften  bei  tropf- 
baren Flüssigkeiten  zu  constatiren,  sich  nicht  auf  die  Ver- 
gleichung  der  specifischen  Wärme  bei  constantem  Druck,  der 
thermischen  Ausdehnung  und  der  isothermischen  Compres- 
sibilität  für  die  verschiedenen  Flüssigkeiten  beschränken  solle, 
sondern  auch  die  specifische  Wärme  bei  constantem  Volumen 


C   und  den  Ausdruck 

V 


*  m.  - 


» 


1)  £.  Warburg,  Arch.  des  scienc.  phys.  et  nat.  (3)  2S.  p.  388.  1892; 
Beibl.  17.  p.  1031.  1893. 


72  0.  Wiedeburg. 

in  Betracht  ziehen  müsse,  die  als  partielle  Differentialquotienten 
der  Gesammtenergie  nach  ß-  bei  constantem  v  bez.  nach  v  bei  ^ 
constantem  &  vielleicht  in  einfacherer  Beziehung  zur  chemi- 
schen Constitution  ständen  als  die  oben  genannten  directer 
messbaren  Grössen.  Von  unserem  Standpunkte  aus  werden 
wir  an  Stelle  dieser  Energiecoefficienten  noch  mehr  die  Fac- 
toren  unserer  Grundgleichungen  in  den  Mittelpunkt  stellen. 
Als  erstrebenswerthes  Ziel  muss  es  uns  dabei  immer  vor- 
schweben, diese  Grundgleichungen  so  zu  formuliren,  dass  ihre 
Factoren  wirklich  als  Kö'rperconstanten  anzusehen  sind,  nament- 
lich also  auch  unabhängig  vom  jeweiligen  Aggregatzustand.  Wie 
man  dazu  vielleicht  gelangen  könne  durch  die  —  zunächst 
rein  formale  —  Einführung  zweier  besonderer  Zustandsseiten 
(Cohäsion,  Constitution),  die  durch  die  Veränderlichkeit  der 
ihnen  entsprechenden  Zustandsvariabeln  den  Wechsel  der 
Aggregatzustände  darstellen  sollen,  das  habe  ich  früher  dar- 
gelegt. 1) 


Das  Frinoip  der  virtuellen  Zustandsänderungen. 

Kehren  wir  zurück  zum  Hauptpunkt  unserer  Erörterungen, 
dem  gegenseitigen  Verhältniss  von  Zustandsgieichungen  und 
Energiegleichungen.  Wenn  wir  den  ersteren,  die  den  einfach- 
sten Ausdruck  der  zu  behandelnden  Vorgänge  darstellen  (so- 
bald wir  für  die  Wärme  von  Haus  aus  den  anschaulichen 
Begriff  der  thermischen  Ladung  mitbenutzen),  die  eine  durch 
Gleichung  (12)  gegebene  Beziehung  hinzufugen,  so  genügt  dies, 
wie  wir  sahen,  um  die  in  der  üblichen  Thermodynamik  als 
Grundlage  benutzte  Energiegleichung  aus  unseren  Grundlagen 
hei'zuleiten. 

Was  nun  den  physikalischen  Inhalt  dieser  Beziehung 

(12)  n  =  6 

betrifft,    so   besagt   sie,    dass   die  durch  die  beiden  partiellen 
Dift'erentialquotienten 


(t?1=*    "'^^    (14)^=*' 


1)  0.  Wiedeburg,  Wied.  Ann.  64.  p.  541.  1898. 


I 


Zustandsgieichungen  und  Energiegleichungen,  73 

dargestellte  Wechselwirkung  der  beiden  verschiedenen  Zustands- 
seiten  nicht  eine  zweifach  verschiedene  sei,  sondern  eine  ein- 
fach bestimmte: 

Rein  mathematisch  gesprochen  ist  das,  was  zu  unseren 
allgemeinen  Zustandsgieichungen  als  wesentliches  Merkmal  der 
behandelten  Zustandsänderungen  hinzutritt,  nichts  Anderes 
als  die  Bedingung  der  Integrabilität  der  Productensumme 
^dS+Pdl]  der  erste  Hauptsatz,  das  Energieprincip ,  in 
seiner  den  zweiten     Hauptsatz  mitenthaltenden  Form: 

(13)  &dS+  Pdl=^dE 

ist  seinerseits  der  directe  Ausdruck  dieser  Integrabilität 

Je  nach  der  Wahl  der  unabhängigen  Variabein  kann 
man  ja  die  Relation  (18)  auf  verschiedene  Form  bringen:  die 
vier  thermodynamischen  Relationen  Maxwell's: 


(19) 


[dSlp"        \dp)s'      [dl  Is^ydSli 


besagen  im  Grunde  alle  dasselbe,  unterscheiden  sich  nur  durch 
die  physikalische  Deutung,  deren  sie  fähig  sind,  und  die  durch 
Einfuhrung  anderer  partieller  Diflferentialquotienten  an  Stelle 
der  direct  vorkommenden  ja  noch  mannichfach  abgeändert 
werden  kann. 

Es  lassen  sich  nun  diese  verschiedenen  Relationen  (19) 
zusammenfassen  in  eine  einzige  Formel,  von  der  ich  glaube, 
dass  sie  in  der  Allgemeinheit,  in  der  wir  sie  aufstellen  wollen, 
noch  nicht  gegeben  worden  ist: 

Die  Energiegleichung  (13)  gilt  für  jede  mögliche  Zustands- 
änderung  des  betrachteten  Körpers;  kennzeichnen  wir  also 
zwei  verschiedene,  voneinander  unabhängige,  mögliche  Zustands- 
änderungen durch  Verwendung  des  Variationszeichens  S  mit 
verschiedenem  Index,  so  bestehen  nebeneinander  die  Glei- 
chungen : 


74  0.  Wiedeburg. 

wir  variiren  nun  die  erste  Gleichung  in  der  Weise,  wie  es 
durch  das  Zeichen  S^,  und  umgekehrt  die  zweite  in  der  Weise, 
wie  es  durch  S^  angedeutet  ist,  und  erhalten: 

bei  der  vorausgesetzten  gegenseitigen  Unabhängigkeit  der  beiden 
Variationen  liefert  Subtraction  dieser  beiden  Gleichungen: 

(22)  S^i'hS,  5  +  ^2  P*i  /  =  *i  ^^^3^8+  d\  PS^l. 

Aus  dieser  allgemeinen  Formel  ergeben  sich  sofort  die  ver- 
schiedenen Gleichungen  (19),  wenn  man  jedesmal  die  Variation 
S^  einer  der  vier  Grössen  und  die  Variation  d^  einer  anderen, 
der  anderen  Zustandsseite  angehörigen,  gleich  Null  setzt 

Wir  wollen  Formel  (22)  noch  allgemeiner  schreiben,  näm- 
lich bezogen  auf  einen  Körper,  an  dem  wir  die  gleichzeitigen,  um- 
kehrbaren Aenderungen  irgend  zweier  beliebiger  Zustandsseiten 
verfolgen,  die  wir  durch  ihre  Intensitätsgrössen  /  bez.  J'  und 
ihre  Quantitätsgrössen  3f  bez.  M'  kennzeichnen  wollen,  sodass 
also  die  Energiegleichung  hier  lautet: 

(23)  JdM+J'dM'  =-dE\ 

es  ergiebt  sich,  Gleichung  (22)  entsprechend: 

(24)  ä^  J. ä^M+  S^  J\  8^  W  =  8^  J.  8^  M  +  8^  J\d\  M' . 

Die  allgemeine  Bedeutung  dieser  Formel  rechtfertigt  es  wohl, 
wenn  wir  ihr  eine  besondere  Bezeichnung  beilegen,  sie  etwa 
nach  bekannten  Analogien  benennen  als  das  Princip  der  vir^ 
tuellen  Zustandsänderungen, 

Es  ist  Formel  (24)  zugleich  der  allgemeine  Ausdruck  des 
von  Ostwald*)  aufgestellten  und  verwendeten  „Princips  der 
virtuellen  Energien",  schliesst  auch  die  von  Peddie*)  als 
„Verallgemeinerung  des  zweiten  Hauptsatzes"  aufgestellte  For- 
mel und  ein  von  Le  Chatelier^)  gegebenes  „Gesetz  für  das 
Gleichgewicht  bei  physikalischen,  chemischen  und  mechanischen 
Erscheinungen"  in  sich. 


1)  W.  Ostwald,  Zeitachr.  f.  physik.  Chera.  10.  p.  363.  1892. 

2)  W.  Peddie,  Proc.  Roy.  Soc.  Edinb.  19.  p.  253.  1892;  Zeitschr. 
.  physik.  Chem.  13.  p.  128.  1894. 

3)  H.  Le  Chatelier,  Zeitschr.  f.  physik.  Chem.  1.  p.  565.  1887. 


ZtjLsiandsgleichungen  und  Energiegleichungen.  75 

Ein  Beispiel  der  leichten  Anwendbarkeit  unserer  Formel 
sei  hier  gegeben.  Wir  betrachten  ein  System  aus  zwei  Mengen 
desselben  Körpers  in  verschiedenen  Aggregatzuständen;  hier 
kann  unter  Aufwand  von  thermischer  und  mechanischer 
Elnergie  in  zweierlei  ganz  verschiedener  Weise  der  Zustand 
umkehrbar  geändert  werden: 

1.  Es  wird  üebergang  einer  Menge  dn  des  Stofifes  aus 
der  einen  Phase  in  die  andere  bewirkt  bei  constanter  Tempe- 
ratur ^  (  = /)  und  constantem  Druck  p  (=  —  e/')  unter 
Aenderung  des  Volumens  V  und  der  thermischen  Ladung 
(Entropie)  S: 

d.J=Oy  &J'  =  0,   d\M=   i^  dn,    S,M'^4^dn', 
1  '      *  '1  dn         '      *  an         ' 

2.  Es  wird  ohne  Stoffübergang  durch  gleichzeitige  Aende- 
rung von  &  und  p  ein  neues  Gleichgewicht  hergestellt: 

S^J=d&,     S^r  r=.  --dp', 
unser  Princip  liefert  sofort: 

0  =  d&-^  -  dn  —  dp  -ä—  dni 

dn  ^    dn 

eine  Gleichung,  die  durch  Einführung  der  thatsächlich  kalori- 
uietrisch  gemessenen  thermischen  Energiezufuhr 

dS 


«„=* 


dn 


in  die  bekannte  Clapeyron-Clausius'sche  Beziehung  übergeht. 

Wie  dies  Beispiel  schon  zeigt,  bietet  unser  so  allgemein 
gültiges  Princip  ein  bequemes  und  dabei  correct  formulirtes 
Schema  dar,  dessen  Anwendung  die  sonst  meist  unter  Behand- 
lung passend  construirter  Kreisprocesse  durchgeführten  Rech- 
nungen wesentlich  abzukürzen  gestattet. 

Man  kann  auch  Gleichung  (24)  selbst  herleiten  aus  der 
Anwendung  der  in  ihrer  allgemeinsten  Form  (23)  aufgestellten 
Energiegleichung  auf  einen  im  Unendlichkleinen  durchgeführten 
Ereisprocess.  Benutzen  wir  zur  graphischen  Darstellung  der 
zweiseitigen  Veränderlichkeit  im  Zustand  des  Körpers  sowohl 
die  J,  M'  als  auch  die  /',  Jlf'-Coordinatenebene,  so  ergiebt 
sich  ja,  abgesehen  von  einem  Minuszeichen,  dass  die  in  beiden 
Ebenen   bei   einem   solchen  Kreisprocess   von   der   Bahn   des 


76  0.  Wiedeburg. 

darstellenden  Punktes  umschlossenen  Flächen  an  Inhalt  ein- 
ander gleich  sein  müssen: 

fjdM=  ^  JJ'dM\ 

Nun  sei  diese  Bahn  in  der  J,  Jlf- Ebene  —  und  ganz 
entsprechend  in  der  J%  JI/'- Ebene  —  ein  Parallelogramm, 
dessen  Seiten  die  Projectionen  S^M,  d\J  und  ä^M,  S^J  be- 
sitzen; dann  ist  dessen  Inhalt  bekanntlich 

und  man  hat  also  die  Beziehung: 

(24a)     S^  Jd\  M  -  S^  Jd\  M=  -{S,  J'  8^  M'  -  8^  J'  d\  M') 

in  Uebereinstimmung  mit  (24).  Wir  können,  worauf  ich  schon 
einmal  hinwies,  die  Wechselwirkung  der  beiden  Zustandsseiten 
auch  formuliren  als  eine  Abbildung  der  beiden  Coordinaten- 
ebenen  aufeinander  derart,  dass  einander  entsprechende  ge- 
schlossene Curven  in  beiden  gleichen  Flächeninhalt  haben. 

So  findet  denn  jenes  für  die  Wechselwirkung  zweier  Zu- 
standsseiten charakteristische  Merkmal,  dem  wir  ursprünglich 
durch  das  Gleichsetzen  zweier  Factoren  der  Zustandsgieichungen 
Ausdruck  verliehen,  noch  mannichfach  verschiedene  Darstellung: 
im  Energieprincip,  im  Princip  der  virtuellen  Zustandsände- 
rungen,  in  dessen  geometrisch-anschaulicher  Deutung. 

Sin  allgemeiner  Satz 
über  den  Sinn  der  „Gegenwirkung**  eines  stabilen  Systems. 

Mit  dieser  quantitativ  festgelegten  Gesetzmässigkeit  hin- 
sichtlich der  Wechselwirkung  steht  nun  in  naher  Beziehung  ein 
nur  qualitativ  zu  formulirender  allgemeiner  Satz  über  das 
Verhalten  eines  im  stabilen  Gleichgewicht  befindlichen,  nur  um- 
kehrbare Zustandsänderungen  erfahrenden  Systems.  Er  ist 
mit  allgemeiner  Gültigkeit  von  Ostwald,  Braun,  Gouy  in 
verschiedener  Form  ausgesprochen  worden,  von  anderer  Seite 
mehrfach  für  specielle  Gebiete. 

um  diesen  Satz  im  Anschluss  an  unsere  bisherigen  Be- 
trachtungen zu  formuliren,  wollen  wir  ausgehen  von  dem 
System  der  Zustandsgieichungen,  wie  wir  es  aufzustellen  haben 
in   dem   allgemeinen   Fall,   wo   zwei   beliebige  Zustandsseiten 


{cdJ  =  dM  — ci 
durch  Umformung  € 


Zustandsffleichunffen  und  Energiegleichungen.  77 

mit  den  Variabein  J,  M  und  c/',  jI/'  aufeinander  wirken,  sodass 
zwischen  diesen  vier  Grössen  zwei  Gleichungen  bestehen,  die 
wir  als  Differentialgleichungen  schreiben  so,  wie  es  in  meinen 
früheren  Arbeiten  geschehen: 

cdJ  ^dM-'CrdM' , 

rdM\ 

durch  Umformung  ergeben  sich  daraus  die  Gleichungen: 

(1  ''Ccr^dM=^cdJ  +  ccrdJ\ 
(1  -'Ccr^)dM'^cdX  +  ccrdJ, 

die  Verallgemeinerung  der  in  unserem  obigen  Beispiel  gültigen 
Gleichungen  (10). 

Die  für  den  betrachteten  Körper  charakteristischen  Grössen 
c,  Cj  r,  die  im  allgemeinen  als  selbst  variabel  gelten  mögen, 
sind,  wie  man  sieht,  schon  derart  eingeführt,  dass  diese  Zu- 
standsgleichungen  der  allgemeinen  Wechselwirkungsbedingung 
[im  obigen  speciellen  Fall  Gleichung  (12)]  genügen. 

Hinsichtlich  dieser  Grössen  c,  c',  r  wollen  wir  nun  für 
das  folgende  eine  Annahme  benutzen,  die  wohl  als  selbst- 
verständlich gelten  darf;  wir  wollen  nämlich  annehmen,  dass 
wir  für  jede  beliebige  Zustandsseite  die  sie  kennzeichnenden 
Variabein  J  und  M  immer  so  wählen  können,  dass  J  gleich- 
zeitig mit  M  wächst  und  abnimmt,  gleichgültig,  welche  von 
den  Variabein  der  fremden  Zustandsseiten  wir  dabei  constant 
setzen,  d.  h.  es  soll 

als  positiv  angesehen  werden,  ebenso  entsprechend 

Man  braucht  sich  nur  einige  Beispiele  zu  vergegenwärtigen, 
um  das  Zutreffende  dieser  Annahme  zu  erkennen:  wir  setzen 
die  Temperatur  anwachsend  durch  Wärmezufuhr  (in  unserer 
Auffassung  Vermehrung  der  thermischen  Ladung),  die  Länge 
eines  Drahtes  anwachsend  mit  seiner  Spannung,  setzen  die 
Dielektricitätsconstante,  die  Magnetisirungsconstante  positiv  — 
Grössen,  die  nach  unserer  Darstellungsweise  als  Differential- 
quotienten einer  Quantitäts-  nach  der  zugehörigen  Intensitäts- 


78  0.  medeburg. 

grosse  erscheinen.     Auch  für  das  Verhältniss  zwischen  Druck 
und  Volumen  gilt  dies,   sobald  wir  hier  nur  consequent  —  p  % 
als  Intensität  betrachten. 

Danach  haben  wir  also  von  den  Factoren  unserer  Zu- 
standsgleichung  c  und  c  als  positiv  anzusehen  und  ebenso 
den  Ausdruck  1  —  cc  r^ .  Für  den  Wechselwirkungsfactor  r 
ergiebt  sich  daraus  eine  obere  Grenze: 

CO 

Beachten  wir  das,  so  kommen  wir  nun  zu  folgenden 
Schlüssen  über  das  gegenseitige  Verhältniss  von  DifiFerential- 
quotienten,  die  sich  nicht  wie  die  obigen  auf  nur  eine  Zustands- 
seite,  sondern  auf  die  Wechselwirkung  zwischen  zwei  solchen 
beziehen. 

Wir  berechnen: 


(26) 


[dMJj,      ""^^   \dM')j 


=  CTj 


und  finden  also,  dass  die  beiden  Grössen 

d 
(27) 


^^1  und  (^  ,77]  gleiches  Vorzeichen,  dagegen 


\fi  Afi    ^^^  (^"7~)  ß^^ßgöög^setztes  Vorzeichen  haben. 

Durch  diese  qualitativen  Beziehungen  ist  nun  jener  all- 
gemeine Satz  analytisch  formulirt,  um  dessen  begrifflich -au> 
schauliche  Aussprache  man  sich,  wie  erwähnt,  verschiedent- 
lich bemüht  hat. 

Am  nächsten  schliesst  sich  unserer  Herleitung  an  die  von 
Gouy^)  gegebene  Darstellungsweise.-   Gouy  betrachtet  ein  im 

1)  Da  also  1  —  cc'r*  <  1 ,  so  folgt: 

[  dJ  jj'^  \  dJ  )m'' 
d.  h.  z.  B.  die  isothermische  Compressibilität  grösser  als  die  adiabatische, 
die  isothermisch  gemessene  Dielektricitätsconstaute  grösser  als  die  adia- 
batisch gemesscDe,  die  thermische  Capacität  bei  constantem  Druck  grösser 
als  die  bei  coDstantem  Volumen,  etc.  (allgemein  formulirt  von  Cl.  Maxwell, 
Theory  of  heat  p.  131. 

2)  Gouy,  Compt.  rend.  108.  p.  341.  1889;  auch  Jouru.  de  Phy8.(2) 
8.  p.  501.  1889. 


\ 


Zustandsgieichungen  und  Energiegleichungen.  79 

I  stabilen  Gleichgewichte  befindliches  System,  auf  das  von  aussen 
^  ein  bestimmter  Etnfluss  ausgeübt  wird  (action  de  Top^rateur), 
der  in  einer  Aenderung  des  Volumens  oder  der  Form,  in 
einer  Zuführung  von  Elektricität  oder  Wärme,  d.  h.  nach 
unserer  Ausdrucksweise:  in  der  Aenderung  einer  bestimmten 
Quanätätsgrösse  M  des  Systems  besteht.  Die  Wirkungen  (efifets) 
dieses  Einflusses  sind  nun  zweierlei  Art,  entweder  unbeständige, 
wie  Aenderungen  der  Temperatur,  des  Druckes,  des  elektri- 
schen Potentials,  d.  h.  allgemein  einer  fremden  Intensitäts- 
grosse  •/',  oder  beständige,  zu  denen  er  Aenderungen  der  Form, 
des  Volumens,  der  chemischen  Zusammensetzung  etc.  rechnet, 
d.  h.  Aenderungen  einer  fremden  Quanätätsgr6sse  M\ 

Es  ist  diese  Unterscheidung  und  Bezeichnung  durchaus 
zutrefiFend,  denn  Aenderungen  der  Intensitäten  können,  da  die 
gleichen  Grössen  der  Umgebung  als  constant  vorausgesetzt 
werden,  nicht  bestehen  bleiben,  sondern  werden  wieder  zu 
verschwinden  streben,  was  für  Aenderungen  der  Quantitäts- 
grössen  nicht  gilt.  Aus  seinen  unter  Anwendung  des  Begriffs 
der  „nutzbaren^*  Energie  durchgeführten  Betrachtungen  er- 
schliesst  nun  Gouy  folgenden  Satz: 

„Die  unbeständigen  Wirkungen  widersetzen  sich  dem  Ein- 
flüsse des  Experimentators,  die  beständigen  Wirkungen  be- 
günstigen ihn.'' 

Wir  können  darin  eine  directe  Aussprache  unserer  obigen 
Beziehungen  sehen;  denn  denken  wir  uns  die  Wirkungen  des 
äusseren  Einflusses  d  M,  d.  h.  die  Aenderungen  d  J'  und  ö  M\ 
selbst  als  Ursache  von  „Gegenwirkungen"  des  Systems,  von  Rück- 
wirkungen desselben  auf  die  primär  geänderte  Grösse  M,  so 
besagen  unsere  Relationen:  Die  Rückwirkung  d  JI/  hat  das  ent- 
gegengesetzte Vorzeichen  wie  der  ursprüngliche  Einfluss  d  M, 
wenn  sie  durch  dessen  ,junbeständige^^  Wirkung  dJ',  dagegen 
das  gleiche  Vorzeichen,  wenn  sie  durch  die  j,beständige^^ 
Wirkung  d  M'  veranlasst  ist  —  das  ist  genau  der  Inhalt  des 
Gouy 'sehen  Satzes. 

Einige  der  bekanntesten  Beispiele  seien  hier  angeführt: 
Durch  adiabatische  Volumverminderung  erwärmt  sich  ein  Gas, 
d.  h.  [d&jdv)8  <  0,  also  muss  gelten  {dvld&)p  >  0,  d.  h.  das 
Gas  dehnt  sich  bei  isobarischer  Temperatursteigerung  aus. 
Andererseits:    Die   durch    Steigerung    der   Concentration   {M) 


80  0.  Wiedeburg. 

einer  gesättigten  Lösung  bedingten  Volumenänderungen  {dM) 
sind  immer  derart ,  dass  sie  selbst  ihrerseits  eine  verstärkte^ 
Auflösung   bedingen   würden;    das   Gleiche   gilt  für   den   be- 
gleitenden  Wärmeaustausch  mit  der  Umgebung  (die  Aendemng 
der  thermischen  Ladung  8). 

Die  Herleitung  unserer  beiden  Beziehungen  (27)  beruht 
wesentlich  auf  jener  einen  allgemeinen  Reciprocitätsbedingung, 
die  die  beiden  Zustandsgieichungen  miteinander  in  Verbindung 
setzt  und  in  der  Einführung  des  beiden  Gleichungen  gemein- 
samen Factors  r  ihren  directen  Ausdruck  findet.  Die  bloss 
qualitative  Folgerung  aus  jener  quantitativen  Festsetzung  ist 
also  auch  schon  in  jeder  einzelnen  der  beiden  Beziehungen  (27) 
enthalten  y  es  lässt  sich  die  andere  dann  mit  Berücksichtigung 
unserer  als  selbstverständlich  bezeichneten  Annahmen  über 
die  Factoren  c  und  c  ohne  weiteres  herleiten.  Dem  entsprechend 
kommt  in  der  Form,  in  der  Ostwald ^)  und  Braun ^  den 
allgemeinen  Satz  ausgesprochen  haben,  auch  nur  eine  unserer 
Beziehungen  (27),  nämlich  die  zweite,  zur  unmittelbaren  Wieder- 
gabe: dJ'  IdM^f  und  dM/dJ'j  haben  entgegengesetztes  Vor- 
zeichen. 

Ostwald's  Formulirung ^)  lautet: 

„Die  correlative  Begleiterscheinung  bei  einer  zwangsweisen 
Veränderung  eines  Systems  wirkt  diesem  Zwange  entgegen.^' 

Dabei  muss  man  also,  wenn  als  das  primäre,  der  Zwang, 
die  Aenderung  einer  Quantitätsgrösse  bezeichnet  wird,  unter 
der  correlativen  Begleiterscheinung  die  Aenderung  einer 
fremden  Intensität  verstehen  —  und  umgekehrt. 

Braun  stellt  den  Satz  in  folgender  Fassung  auf: 

„Der  üebergang  eines  Systems  in  einen  neuen  Gleich- 
gewichtszustand ist  immer  derart,  dass  diejenige  willkürlich 
hervorgebrachte  Aenderung  der  einen  Variabein,  welche  den 
üebergang  veranlasst,  bei  dem  üebergange  von  selber  ihrem 
absoluten  Betrage  nach  abnimmt.  Ein  stetig  stabil  ver- 
änderliches System  ist  also  gleichzeitig  ein  sich  selbst  be- 
ruhigendes." 

Wenn  es  sich  darum  handelt,   durch  Beispiele,   wie  sie 

1)  W.  Oatwald,  Lehrbuch  d.  allg.  Chemie  2.  p.  735.  1887. 

2)  F.  Braun,  Zeitechr.  f.  physik.  Chem.  1.  p.  269.  1887;  Wied. 
Ann.  33.  p.  337.  1888.  . 


Zustandsgieichungen  und  Energiegleichungen,  81 

namentlich  Braun  in  grösserer  Zahl  giebt,  diese  Sätze  zu  be- 
legen und  zu  erläutern,  so  wird  vielfach  stillschweigend  von 
unseren  ^^selbstverständlichen'^  Voraussetzungen  über  die 
Grössen  c  Gebrauch  gemacht,  und  der  specielle  Ausdruck  des 
Satzes  erscheint  dann  vielfach  in  einer  Form,  die  sich  direct 
als  eine  Anwendung  unserer  ersten  Beziehung  (27)  erweist: 
ÖÄT IdMjf   und  öMjdM'j  haben  gleiches  Vorzeichen. 

Schon  bevor  der  hier  behandelte  Satz  in  seiner  ganzen 
Allgemeinheit  —  zuerst  von  Ostwald  —  aufgestellt  wurde, 
war  er,  darauf  sei  hier  kurz  hingewiesen,  verschiedentlich  für 
E^nzelgebiete  ausgesprochen  worden.  Lippmann ^)  hatte  ihn 
in  seiner  Behandlung  der  Wechselwirkung  zwischen  elektrischen 
und  andersartigen  Vorgängen  als  Erweiterung  des  Lenz 'sehen 
Inductionsgesetzes  formulirt,  van't  Hoff^,  Le  Chiitelier^), 
Potier*)  zeigten,  wie  speciell  der  Sinn  umkehrbarer  chemi^ 
scher  JReactionen  unter  Bezugnahme  auf  die  damit  verknüpften 
thermischen  Erscheinungen  durch  solch  ein  allgemeines  Gesetz 
bestimmt  sei,  das  in  gewissem  Sinne  an  die  Stelle  des  an 
sich  unbegründeten  Berthelot'schen  „Princips  der  grössten 
Arbeit"  treten  kann. 

Einen  Punkt  möchte  ich  schliesslich  noch  hervorheben: 
Der  von  uns  behandelte  Satz  über  das  gegenseitige  Verhält- 
niss  zweier  DifiFerentialquotienten  von  der  Art  öM/dJ'j  und 
dT  IöMm'  lässt  das  Vorzeichen  des  einen  bestimmen,  wenn 
das  des  anderen  bekannt  ist.  Eine  andere  Frage  ist  nun 
aber  die,  ob  wir  etwa  von  Haus  aus  über  das  Vorzeichen 
eines  der  beiden  bestimmte  Aussagen  machen  können.  Nach 
dem  Obigen,  Gleichungen  (26),  kommt  dies  darauf  hinaus,  ob 
das  Vorzeichen  des  Wechselwirkungsfactors  r  allgemein  be- 
stimmt, ob  r  z.  B.  als  wesentlich  positiv  anzusehen  ist  so  gut 
wie  die  c.  In  dem  Eingangs  benutzten  Beispiele  der  thermisch- 
elastischen  Vorgänge  in  einem  Drahte  ergiebt  sich 


U/1 


1)  G.  Lippmann,  Ann.  de  Chim.  et  de  Phys.  (5)  24.  p.  172.  1881. 

2)  J.  H.    van*t    Hoff,    foudes   de    dynamique    chiinique,    p.   161. 
Amsterdam  1884;  Vorles.  über  theoret.   u.  phys.  Chem.  1.   p.  154.  1898. 

3)  H.  Le  Chatelier,  Compt.  rend.  99.  p.  786.  1884. 

4)  A.  F^oticr,  Joum.  de  Phys.  (2)  5.  p.  56.  1886. 

%  Ans.  d.  PbTi.  a.  Chem.    N.  F.    69.  6 


82     0.  Wiedeburg.   Zustandsgieichungen  und  Energiegleichungen. 

erfahrungsgemäsB  als  positiv.  Aber  schon  beim  Eautschuli 
versagt  die  hier  zu  vermuthende  Regel,  insofern  bei  ihm  ? 
mit  wachsender  Spannang  sein  Vorzeichen  wechselt.  Aehnlicl: 
finden  wir  auch  in  anderen  Fällen  das  Vorzeichen  des  Wechsel- 
wirkungsfactors  schwankend.  Trotzdem  glaube  ich,  dass  man 
diese  Frage  im  Auge  behalten  soll.  Sie  wird  neues  Interesse 
gewinnen,  wenn  wirklich  gelingt,  was  ich  oben  als  erstrebens- 
werth  bezeichnete:  die  Grundgleichungen  durch  vollständige 
Berücksichtigung  aller  mit  ins  Spiel  tretender  Zustandsseiteii 
so  auszubauen,  dass  ihre  Factoren  als  wirkliche  Constanten 
des  Körpers  erscheinen. 

Leipzig,  Juli  1899. 

(Eingegangen  15.  Juli  1899.) 


5.  Weitere  Versuche  an  Becquerelstrahlen; 
van  J.  Ulster  und  JET*  GeiteL 


I.  Bemühungen,  die  Energiequelle  der  Becquerelstralilen 

zu  finden.*) 

Im  Folgenden  erlauben  wir  uns  über  eine  Reihe  von  Ver- 
suchen zu  berichten,  die  das  Ziel  hatten,   die  Energiequelle 
der  von  Hm.  H.  Becquerel  entdeckten  Strahlen  zu  finden. 
Diese  Strahlen  werden  von  dem  Metalle  Uran  und  allen  seinen 
Verbindungen,  ferner  (nach  den  Untersuchungen  von  Hrn.  und 
Frau  Curie  und  Hm.  G.  C.  Schmidt)   auch  von  allen  thor- 
haltigen   Substanzen   ausgesandt;    kürzlich   haben    die   erstge- 
nannten   französischen    Physiker    in   Gemeinschaft    mit   Hrn. 
B^mont^  die  Existenz  zweier  weiterer  „radioactiver"  StofiFe 
als  wahrscheinlich  hingestellt,  die  aus  dem  Uranpecherz  von 
Joachimsthal  in  Böhmen  gewonnen  werden  können. 

Die  Becquerelstrahlen  sind  am  einfachsten  zu  charakteri- 
siren,  indem  man  sie  als  Röntgenstrahlen  geringer  Intensität 
bezeichnet;  wie  diese  wirken  sie  auf  die  photographische 
Platte,  ertheilen  der  Luft  ein  elektrisches  Leitungsvermögen 
und  gehen  durch  Metallschichten,  auch  lassen  sich  Leucht- 
erscheinungen an  phosphorescirenden  Körpern  durch  sie  hervor- 
rufen. 

Soweit  die  bis  jetzt  gesammelten  Erfahrungen  reichen, 
bleibt  die  Intensität  der  Strahlung  ohne  erkennbare  Energie- 
zufuhr andauernd  constant. 

Unsere  Versuche,  die  wir  zumeist  an  einem  elliptischen 
Stücke  Joachimsthaler  Pechblende  von  300  g  Gewicht  und 
etwa  7  cm  Länge,   5  cm  Breite  und   1,5  cm  Dicke  ausführten. 


t 


1)  Mitgetheilt  a.  d.  XI.  Jahreaber.  d.  Vereins  f.  Naturwisseusch.  in 
Braunschweig  1898/99.    Sitzung  vom  19.  Januar  1899. 

2)  P.  Curie,  Mme.  P.  Curie  et  M.  G.  B^mont,  Compt.  rend.  127. 
p.  1215.  1898. 

6* 


84  J.  Elster  u,  U.  GeiteL 

gingen  darauf  aus,    eine  Veränderung  in    der  Intensität   der 
Strahlen  künstlich  herbeizuführen.     Trotz    der   negativen   Er-^ 
gebnisse  dürften  diese  Bemühungen  nicht  ohne  Interesse  sein, 
da  hierdurch  das  Eigenartige  jener  wunderbaren  Erscheinung 
deutlich  hervortritt.^) 

Da,  wie  bemerkt,  die  Becquerelstrahlen  dem  Wesen  nach 
den  Röntgen'schen  gleichen,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  dass 
sie  wie  diese  durch  Kathodenstrahlen  erregt  oder  wenigstens 
zu  grösserer  Intensität  entfacht  werden  könnten.  Wie  andere 
Substanzen,  so  senden  auch  die  Uran  Verbindungen ,  solange 
sie  von  Eathodenstrahlen  getroffen  werden,  Röntgenstrahlen 
aus;  es  kam  nun  darauf  an,  festzustellen,  ob  irgend  eine 
Nachwirkung  dieser  Erregung  erkennbar  sei.  Ein  Stück  üran- 
kaliumsulfat  wurde  eine  Zeit  lang  im  Yacuum  durch  Eathoden- 
strahlen in  lebhafte  Phosphorescenz  versetzt,  dann  heraus- 
genommen und  auf  eine  photographische  Platte  gelegt,  die  in 
lichtdichtes  Papier  gewickelt  war.  Zwischen  der  Platte  und 
dem  üranpräparate  befand  sich  eine  durchlochte  Scheibe  aus 
dickem  Stanniol,  von  deren  Oeffnungen  nach  dem  Entwickeln 
der  Platte  das  Bild  erschien.  Indessen  Hess  sich  kein  unter- 
schied in  der  Stärke  des  Bildes  gegen  ein  anderes  erkennen, 
das  auf  derselben  Platte  mit  demselben  Stücke  Urankalium- 
sulfat in  gleicher  Zeit  (24  Stunden)  erhalten  war,  bevor  das 
letztere  den  Eathodenstrahlen  ausgesetzt  wurde. 

Man  könnte  gegen  diese  Versuchsanordnung  den  Ein- 
wand erheben,  dass  eine  durch  die  Kathodenstrahlen  hervor- 
gerufene Erregung  der  Uransubstanz  vielleicht  sehr  schnell 
abklingen  könne,  sodass  sie  schon  nahezu  unmerklich  würde 
während  der  Zeit,  die  das  Herausnehmen  aus  der  Vacuum- 
röhre  erfordert.  Um  daher  die  Untersuchung  möglic^ist  bald 
nach  Einwirkung  der  Kathoden  strahlen  vornehmen  zu  können, 
construirten  wir  eine  Vorrichtung  nach  der  Art  der  von  Hm. 
Lenard  angegebenen,  durch  die  wir  die  Kathodenstrahlen  — 
allerdings  stark  mit  Röntgenstrahlen  vermischt  —  im  freie 
Lufträume  erhielten.     Ein  cylindrisches   Glasrohr  von    54  cm 

1)  Auch  Hr.  H.  Hccquerel  bemerkt  am  Schlüsse  einer  inzwischen 
erschienenen  Arbeit,  dass  es  ihm  nicht  gelungen  sei,  durch  physikalische 
Einflüsse  eine  merkbare  Aenderung  in  der  Intensität  jener  Strahlen  her- 
vorzurufen (vgl.  Compt.  rend.  128.  p.  777.  1899). 


I 


BecquereUtrahlen.  85 

• 

LäDge  und  5  cm  Durchmesser  ist  an  beiden  Enden  durch  auf- 
gekittete Metallkappen  verschlossen.  Durch  die  eine  ist  ein 
Glasrohr  geführt,  in  dem  ein  Draht  entlang  läuft,  der  im 
Innern  des  Rohres  die  Eathodenscheibe  trägt,  ein  zweites 
stellt  die  Verbindung  mit  der  Pumpe  her.  Die  der  Kathode 
gegenüber  stehende  Kappe  hat  eine  kreisförmige  Oefihung  von 
etwa  4  cm  Weite,  über  diese  ist  ein  Drahtnetz  von  Ya  ^is 
1  mm  Maschenweite  gespannt,  das  am  Rande  fest  mit  der 
Metallkappe  verlöthet  ist.  Auf  das  Drahtnetz  wird  lose  ein 
Stück  Aluminiumfolie  (Dicke  0,02  mm)  von  etwas  grösserem 
Durchmesser  gelegt,  seine  Ränder  werden  dann  durch  einen 
leichtflüssigen  Kitt  (Colophonium  und  Wachs)  auf  der  Metall- 
kappe luftdicht  befestigt.  Beim  Auspumpen  legt  sich  das 
Alominiumblatt  fest  auf  das  darunter  liegende  Drahtnetz  und 
wird  von  diesem  vor  dem  Zerreissen  bewahrt.  Das  Drahtnetz 
dient  zugleich  als  Anode. 

Man  erkennt  in  dieser  Vorrichtung  das  Lenard'sche 
Bohr  wieder,  nur  mit  der  Modification,  dass  statt  eines  Fensters 
mehrere  Hundert  verwendet  werden,  allerdings  ist  zugleich 
die  Dicke  der  Aluminiumfolie  (da  so  grosse  Flächen  sonst 
schwerlich  lochfrei  zu  haben  sind)  wesentlich  stärker  gewählt. 
Schliesst  der  Apparat  luftdicht,  so  kann  man  mittels  eines 
Inductors  von  etwa  15  cm  Schlagweite  für  kurze  Zeit  sehr 
kräftige  Strahlen  ins  Freie  treten  lassen,  durch  die  phosphores- 
cirende  Körper  zu  einem  intensiven  Leuchten  gebracht  werden, 
das  an  Kathodoluminescenz  im  Vacuum  erinnert  Wir  maassen 
nun  die  durch  das  oben  genannte  Stück  Pechblende  hervor- 
gerufene Elektricitätszerstreuung,  und  zwar  zuerst,  bevor  wir 
dasselbe  den  Strahlen  ausgesetzt  hatten  und  dann  unmittel- 
bar nachher.  Aber  auch  hier  war  ein  Unterschied  nicht  er- 
kennbar. Natürlich  wurden  diese  Zerstreuungsversuche  in 
einem  anderen  Räume  angestellt,  der  gegen  die  Einwirkung 
des  Inductors  geschützt  war. 

Auch  das  Sonnenlicht  erwies  sich  als  ohne  Einfluss  auf 
die  durch  die  Becquerelstrahlen  verursachte  Elektricitätszer- 
streuung^), dagegen  stellte   sich  bei  Beobachtungen  im  Freien 

1)  Uebereinstimmend  mit  uiiaeren  früheren  Ergebnissen.  Versuche 
über  Hjperphosphorescenz  (vgl.  X.  Jahresber.  d.  Vereins  f.  Naturwissensch. 
zu  BrauDBchweig  1897). 


86  e/.  Elster  u.  H.  Geüel 

* 

heraus,  dass  durch  Luftbewegung  stets  eine  Verminderung 
dieser  Zerstreuung  bewirkt  wird.  Bei  diesen  Versuchen  wurde 
das  Uranerz  entweder  direct  auf  ein  kleines,  am  Elektroskope 
befestigtes  Metallschälchen  oder  auf  die  obere  Fläche  eines 
den  Knopf  des  Elektroskops  umschliessenden  Drahtnetzes  ge- 
legt. Wie  gross  der  Radius  des  von  den  Becquerelstrahlen 
leitend  gemachten  Luftvolumens  ist,  erkennt  man  daraus,  dass 
ein  Anblasen  des  Uranerzes  durch  ein  Gebläse  die  Elektrici- 
tätszerstreuung  viel  weniger  hindert,  wie  die  gleichmässige, 
durch  den  Wind  im  Freien  bewirkte  Bewegung  der  gesammten 
umgebenden  Luft.  Im  ersten  Falle  werden  nur  die  leitenden 
Lufttheilchen  in  unmittelbarer  Nähe  des  Uranerzes  entfernt, 
während  im  zweiten  auch  die  weiter  abliegenden  bei  Seite  ge- 
trieben werden.  Erwähnenswerth  ist  noch,  dass  eine  künst- 
liche Elektrisirung  der  Zimmerluft  (vermittelst  einer  isolirten, 
mit  der  eine  Polstange  einer  thätigen  Influenzmaschine  ver- 
bundenen Flamme)  in  gleicher  Weise  diese  Zerstreuung  von 
dem  geladenen  Elektroskope  zu  dem  umgebenden  Drahtnetze 
vermindert.  Es  liegt  hier  offenbar  die  von  deij  Herren 
J.  J.  Thomson  und  E.  Rutherford  beobachtete  Erscheinung 
vor,  dass  die  durch  Röntgenstrahlen  leitend  gemachte  Luft 
diese  Fähigkeit  eben  dadurch  wieder  einbüsst,  dass  sie  eine 
Elektricitätsübertragung  vermittelt. 

Ein  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Emission  der  Bec- 
querelstrahlen liess  sich  mit  Sicherheit  nicht  feststellen.  Die 
experimentellen  Schwierigkeiten  sind  in  diesem  Falle  beson- 
ders gross,  da  bei  der  elektrischen  Methode  der  Messung  der 
Einfluss  der  Wärme  auf  die  Elektricitätszerstreuung  in  An- 
•  rechnung  zu  bringen  und  bei  der  photographischen  die  Tempe- 
ratur der  Platte  constant  zu  halten   wäre. 

In  Betreff  der  von  Hm.  und  Frau  Curie  angekündigten 
neuen  Elemente  können  wir  bestätigen,  dass  in  der  That  das 
nach  den  Angaben  jener  Forscher  aus  der  Joachimsthaler 
Pechblende  auf  chemischem  Wege  abgeschiedene  Wismuth 
Becquerelstrahlen  von  weit  grösserer  Intensität  aussendet,  als 
irgend  eine  Uran  Verbindung.  Da  das  reine  Wismuth  keine 
Strahlen  giebt,  so  muss  die  Wirkung  einer  noch  unbekannten 
Beimengung  zugeschrieben  werden.  Unter  der  Voraussetzung, 
dass  sie  von    einem  Elemente  ausgeht,   haben   Hr.  und  Frau 


Becquerelstrahlen.  87 

Carle  für  diesen  noch  nicht  isolirten  Stoff  bekanntlich  den 
Namen  Polonium  vorgeschlagen. 

Bei  diesen  chemischen  Arbeiten  fiel  es  uns  auf,  dass  auch 
das  aus  demselben  Uranerze  (durch  Fällen  der  salpetersauren 
Lösung  mit  Schwefelsäure)  gewonnene  Bleisulfat  kräftige 
Strahlen  aussandte,  während  reine  Bleiverbindungen  unwirk- 
sam sind.  Durch  Ammoniumtartrat  lässt  sich  das  inactive 
Bleisulfat  ausziehen  und  ein  Rückstand  von  sehr  hohem 
Strahlungs vermögen  gewinnen.  Wie  Hr.  und  Frau  Curie 
und  Hr.  B^mont  in  der  schon  erwähnten,  soeben  erschie- 
nenen Arbeit  mittheilen,  haben  sie  aus  der  Pechblende  einen 
zweiten  „radioactiven**  Körper  gewonnen,  der  in  seinem  chemi- 
schen Verhalten  dem  Barium  nahe  steht  und  für  den  sie  den 
Namen  Radium  gewählt  haben.  Wir  können  daher  nach 
unseren  Erfahrungen  die  Existenz  eines  unlöslichen  Sulfates 
bestätigen,  das  sehr  intensive  Becquerelstrahlen  aussendet  Ob 
dieses  einem  neuen  Elemente  angehört,  wird  mit  Sicherheit  auf 
spectroskopischem  Wege  feststellbar  sein.  Sehr  interessant  ist 
daher  die  Angabe  des  Hm.  Demar9ay^),  dass  er  bei  einer 
ihm  von  Hm.  und  Frau  Curie  übersandten  Substanzprobe 
neben  den  Spectrallinien  des  Baryums  eine  neue  nicht  mit 
anderen  bekannten  zu  identificirende  gefunden  habe. 

Hr.  F.  Giesel  hat  den  Weg  eingeschlagen,  die  Rück- 
stände von  der  Urangewinnung  auf  solche  radioactiven  Be- 
standtheile  zu  verarbeiten.  Es  ist  ihm  gelungen,  auf  diese 
Weise  geringe  Mengen  einer  Substanz  zu  erhalten,  die  den 
Barj'umplatincyanürschirm  zu  deutlichem  Leuchten  bringt,  wie 
es  auch  die  französischen  Forscher  an  ihren  Präparaten  ge- 
funden haben.  Diese  Lichtentwickelung  ohne  irgend  eine  bis 
jetzt  bekannte  Energiequelle  ist  sehr  merkwürdig.  Von  weit 
geringerer  Intensität,  aber  dem  im  Dunkeln  vollständig  aus- 
geruhten Auge  deutlich  sichtbar,  ist  das  andauernde  Leuchten 
eines  mehrere  Millimeter  dicken  Kuchens  von  Urankalium- 
sulfat. Vorherige  Belichtung  oder  monatelanges  Halten  im 
Dunkeln  ist  anscheinend  ohne  jeden  Einfluss  auf  diese  schwache 
Lichtentwickelung,  die  demnach  der  Phosphorescenz  des  Uran- 
kaliumsulfats unter  der  Einwirkung  der  von  derselben  Sub- 
stanz ausgesandten  Becquerelstrahlen  zuzuschreiben  ist. 

1)  E.  Demaryay,  Compt.  rend.  127.  p.  1218.  1898. 


88  J.  Elster  u,  H,  GeiteL 

Da  die  Eigenschaft,  Becquerelstrahlen  auszusenden,  wie 
es  scheint,  allen  chemischen  Verbindungen  eines  wirksamen  ^ 
Elementes  zukommt,  so  kann  sie  nicht  wohl  als  Begleit- 
erscheinung eines  im  eigentlichen  Sinne  chemischen  Vorganges 
gedeutet  werden,  man  wird  vielmehr  aus  dem  Atome  des  be- 
treffenden Elementes  selber  die  Energiequelle  ableiten  müssen. 
Der  Gedanke   liegt  nicht  fem,    dass   das  Atom   eines   radio- 

_  ■ 

activen  Elementes  nach  Art  des  Molecüles  einer  instabilen 
Verbindung  unter  Energieabgabe  in  einen  stabilen  Zustand 
übergeht.  Allerdings  würde  diese  Vorstellung  zu  der  An- 
nahme einer  allmählichen  Umwandlung  der  activen  Substanz 
zu  einer  inactiven  nöthigen  und  zwar  folgerichtiger  Weise 
unter  Aenderung  ihrer  elementaren  Eigenschafben.  Ob  diese 
gewagte  Annahme  aufrecht  erhalten  werden  kann,  wird  zu- 
nächst von  dem  Erfolge  der  Bemühungen  abhängen,  die 
Energie  der  Becquerelstrahlen  auf  eine  bekannte  Quelle  zu- 
rückzuführen. 

II.  neber  den  Einfluss  eines  magn^ettschen  Feldes  auf  die  durch 
die  Becquerelstrahlen  bewirkte  Ijeitfähigkeit  der  Luft.^) 

Es  ist  bekannt,  dass  der  elektrische  Widerstand  einer 
Strecke  verdünnten  Gases  durch  die  Erregung  eines  magne- 
tischen Feldes  beeinflusst  wird,  und  zwar  beobachtet  man  im 
allgemeinen  eine  Zunahme  des  Widerstandes,  sofern  nur  nicht 
die  Stromesrichtung  mit  der  der  magnetischen  Kraftlinien  zu- 
sammenfällt. Sehr  deutlich  zeigt  sich  diese  Wirkung  bei  der 
durch  Belichtung  einer  photoelektrisch  empfindlichen  Kathode 
oder  vermittelst  glühender  Elektroden  eingeleiteten  Gasentladung, 
sobald  der  günstigste  Druck  (etwa  0,5 — 1,0  mm)  hergestellt 
ist.  Auch  die  gewöhnliche  Elektricitätszerstreuung  in  einem 
verdünnten  Gase  wird,  wie  Hr.  A.  Righi  gefunden  hat,  inner- 
halb eines  magnetischen  Feldes  verzögert. 

Es  schien  uns  nun  von  Interesse  festzustellen,  ob  auch 
die  durch  die  Becquerelstrahlen  einem  Gase  mitgetheilte  Leit- 
fähigkeit durch  magnetische  Kräfte  verändert  werden  kann. 
Der  Ausführung  des  Versuches  steht  die  Schwierigkeit  gegen- 
über,  dass   dies  Leitvermögen   bei   so   niedrigen  Gasdrucken, 


1)  Aus  den  Verhandl.  der  Deutschen  Pbysikal.  Gesellsch.,  I.  Jahrg. 
Nr.  7.    5.  Mai  1899  mitgetheilt. 


i 


Becquerelstrahlen,  89 

wie  sie  für  den  zu  erwartenden  magnetischen  Effect  erforder- 
^  lieh  sind,  ohnehin  sehr  gering  wird.  Es  gelang  uns  daher 
auch  nicht,  mit  den  doch  nur  schwach  wirkenden  Uran- 
präparaten unzweideutige  Ergebnisse  zu  erzielen.  Dagegen 
versprach  die  weit  intensiver  strahlende  Substanz,  die  man 
nach  dem  Verfahren  von  Hrn.  und  Frau  Curie  und  Hm. 
Bömont  aus  der  Pechblende  als  Begleiter  der  Baryumver- 
bindungen  gewinnen  kann,  denen  sie  in  äusserst  geringer  Menge 
anhaftet,  viel  eher  einen  Erfolg.  Wir  verdanken  der  Freund- 
lichkeit des  Hm.  Giesel  in  Braunschweig  ein  Präparat, 
das  sich  chemisch  wie  Chlorbaryum  verhält,  aber  in  Berührung 
mit  der  Luft  wie  eine  Flamme  diese  leitend  macht  und 
selbst  durch  eine  4  mm  starke  Messingplatte  hindurch  noch 
eine  entladende  Wirkung  äussert.  Baryumplatincyanür  sowie 
krystallisirtes  Urankaliumsulfat  werden  in  einigen  Centimetern 
Entfernung,  selbst  bei  Einschaltung  eines  metallenen  Schirmes, 
zu  deutlicher  Phosphorescenz  erregt. 

Wir  füllten  mit  diesem  „radiumhaltigen**  Salze  ein  kleines 
Aluminiumschälchen  von  etwa  10  mm  Durchmesser  und  2  mm 
Tiefe,  das  innerhalb  eines  Glasrecipienten  von  etwa  30  mm 
Weite  von  einem  eingeschmolzenen  Platindraht  getragen  wurde. 
Etwa  2  cm  über  der  Substanz  befand  sich  die  zweite,  durch 
eine  aufgekittete  Ebonitplatte  geführte  Elektrode.  Wurde  nun 
der  Recipient  auf  etwa  1  mm  Druck  evacuirt,  und  das  Schälchen 
durch  eine  Zamboni'sche  Säule  auf  ein  Potential  von  etwa 
500  Volt  geladen,  während  die  darüber  befindliche  Elektrode 
mit  einem  Bohnenberger'schen  Elektroskop  in  Verbindung 
stand,  so  liess  sich,  bei  Aufhebung  der  Erdleitung  des  Elektro- 
skops  an  der  Bewegung  des  Blättchens  dieses  Instrumentes  der 
infolge  der  kräftigen  Strahlung  sehr  merkliche  Elektricitäts- 
übergang  von  der  Schale  zur  Elektrode  beobachten.  Brachten 
wir  nun  einen  Hufeisenelektromagneten  so  an,  dass  die  Ver- 
bindungslinie seiner  Pole  senkrecht  zu  der  von  Schale  und 
Elektrode  verlief,  so  bewirkte  seine  Erregung  sofort  eine  be- 
trächtliche Verlangsamung  in  dem  Gange  des  Blättchens,  die 
mit  dem  Erlöschen  des  Magnetfeldes  verschwand. 

Indessen  ist  hierbei  die  Möglichheit  nicht  ausgeschlossen, 
dass  die  von  dem  Salze  ausgehenden  Becquerelstrahlen  selbst 
in  dem  verdünnten  Gase  durch  das  Magnetfeld  eine  Ablenkung 


90  J.  Elster  u.  H.  GeiteL    Becguerehirahlen, 

erlitten  hätten,  der  zufolge  sie  yielleicht  aus  dem  Baume  zwischen 
Elektrode  und  Schale  herausgedrängt  wären.  Auch  so  konnte  ^ 
eine  Verminderung  der  Entladungsgeschwindigkeit  zu  Stande 
kommen,  indem  nun  das  Gas  vorzugsweise  an  solchen  Stellen 
leitend  gemacht  wäre,  wo  das  elektrische  Potentialgefälle  ver- 
hältnissmässig  gering  war. 

Um  die  hier  hervortretende,  ganz  abgesehen  von  der  vor- 
liegenden Untersuchung  bedeutungsvolle  Frage  zu  entscheiden, 
ob  die  Becquerelstrahlen  eine  Ablenkung  durch  magnetische 
Kräfte  erfahren,  benutzten  wir  die  Phosphorescenz  des  Baryum- 
platincyanürs.  Wir  brachten  wiederum  die  Substanz  in  das 
erwähnte  Schälchen,  schlössen  nun  aber  den  Recipienten  in 
etwa  15  mm  Höhe  über  diesem  durch  eine  0,1  mm  starke 
Aluminiumplatte,  durch  die  wir  die  Strahlen  ins  Freie  treten 
Hessen,  luftdicht  ab,  und  stellten  durch  Evacuireu  den  gleichen 
Druck,  wie  bei  dem  oben  beschriebenen  Versuch  her.  Legten 
wir  nun  auf  die  Aluminiumplatte  einen  kleinen  Leuchtschirm 
aus  Baryumplatincyanür,  so  war  auf  diesem  im  völlig  dunkelen 
Zimmer  ein  LichtÜeck,  herrührend  von  der  Strahlung  des  In- 
haltes der  Schale,  deutlich  sichtbar.  Bei  Erregung  des  Magnet- 
feldes behielt  er  seine  Lage  unverändert  bei,  auch  wenn  wir 
den  Gasdruck  soweit  erniedrigten,  dass  in  einem  zugleich  an 
die  Pumpe  angeschlossenen  G  ei  ssler 'sehen  Rohre  durch  die 
Entladung  eines  Inductoriums  lebhafte  Kathodenstrahlen  ent- 
wickelt wurden. 

Die  Becquerelstrahlen  erfahren  demnach  keine  Ablenkung 
durch  magnetische  Kräfte,  die  mit  der  der  Kathodenstrahlen 
vergleichbar  wäre,  stimmen  also  auch  in  dieser  Beziehung  — 
wie  in  allen  übrigen  bis  jetzt  bekannten  Eigenschaften  —  mit 
den  Röntgenstrahlen  überein. 

Die  durch  sie  bewirkte  Leitfähigkeit  der  Luft  wird,  wie 
in  anderen  Fällen  der  Entladung  durch  verdünnte  Gase,  bei 
einem  Druck  von  etwa  1  mm  durch  Erregung  eines  magne- 
tischen Feldes  vermindert. 

(EingegaDgen  den  5.  August  1899.) 


6.  Hin4ge8  über  das  Verhalten 
des  radioactiven  Baryts  u/nd  über  Polonium; 

von  F.  Oiesel. 


Im  Anschlüsse  an  die  vorstehende  VeröfiFentlichung  von 
Elster  und  Geitel  halte  ich  es  für  angezeigt,  einige  Beob- 
achtungen; welche  ich  bei  Darstellung  radioactiver  Präparate 
aus  Uranerzen  gemacht  habe,  anzufügen,  weil  mir  dieselben 
unsere  Eenntniss  der  Becquerelstrahlen  wesentlich  zu  erweitern 
scheinen. 

Ich  hatte  zu  gleicher  Zeit  und  unabhängig  von  P.  und 
S.  Curie  aus  Producten  der  Uransalzfabrikation,  die  ich  der 
Freundlichkeit  des  Hm.  de  Haen  (chemische  Fabrik  in  Han- 
nover) verdankte,  einen  wesentlich  aus  schwefelsaurem  Baryt 
bestehenden  Körper  isolirt,  der  stark  Becquerelstrahlen  ausgab 
und  den  Baryumplatincyanürschirm  zum  Leuchten  brachte. 
Der  Körper  erwies  sich  als  identisch  mit  der  von  Curie  dar- 
gestellten, das  sogenannte  Radium  enthaltenden  Substanz,  ob- 
wohl nicht  Pechblende,  sondern  andere  Uranerze  das  Aus- 
gangsmaterial bildeten.  Das  gereinigte  Chlorid  ergab  ein  sehr 
wirksames  Präparat,  welches  Elster  und  Geitel  benutzten 
und  welches  auch  der  Deutschen  Physikalischen  Gesellschaft 
vorgelegen  hat. 

Da  es  nicht  ausgeschlossen  schien,  dass  eine  noch  weiter 
gehende  Anreicherung  der  activen  Substanz  unter  Verwendung 
grösserer  Mengen,  als  mir  darzustellen  möglich  war,  zu  er- 
reichen sein  würde,  veranlasste  ich  die  genannte  Fabrik, 
.grosse  Erzquantitäten  auf  diesen  StofiF  zu  verarbeiten.  Ich 
erlangte  auf  diese  Weise  soviel  der  nur  in  äusserst  geringen 
Mengen  in  den  Uranerzen  vorkommenden  Substanz,  dass  ich 
bereits  etwas  eingehender  die  Eigenschaften  studiren  konnte. 

Folgende  Thatsachen  sind  bis  jetzt  von  mir  beobachtet 
worden: 


92  F.  Giesel 

1.  Die  radioactiven  Barytsalze  (also  die  radiumbaltigeu) 
zeigen,  frisch  aus  Wasser  krystallisirt,  anfangs  nur  ganz  ge- 
ringe Activität.  Dieselbe  nimmt  aber  im  Laufe  einiger  Tage 
bis  Wocben  immer  mebr  zu,  bis  ein  Maximum  der  Wirkung 
erreicht  ist,  um  dann  constant  zu   bleiben. 

2.  Eine  concentrirte  Lösung  des  activen  Chlorids  in  Wasser 
giebt  anfangs  fast  dieselbe  Strahlung  wie  das  feste  Salz.  Nach 
einiger  Zeit  aber  nimmt  die  Activität  immer  mehr  ab  und 
verschwindet  fast  vollständig.  Die  aus  der  Lösung  abge- 
schiedenen Krystalle  gewinnen,  gerade  wie  es  unter  1.  geschil- 
dert ist,  ihre  Activität  allmählich  wieder. 

3.  Alle  radioactiven  Barytsalze,  die  ich  untersucht 
habe  (etwa  ein  Dutzend),  besitzen  in  den  ersten  Krystallisa- 
tionen  die  stärkste  Wirkung,  während  aus  der  Mutterlauge 
successive  immer  weniger  wirksame  Präparate  erhalten  werden. 

Je  concentrirtere  Laugen  hergestellt  werden  können,  um 
so  schneller  und  vollständiger  ist  der  gewünschte  Effect  zu 
erreichen, 

4.  Das  Chlorid,  besonders  aber  das  Bromid  (auch  das 
Jodid)  zeigt  eine  von  einer  etwaigen  Vorbelichtung  unab- 
hängige Phosphorescenz  in  den  eigenen  Strahlen,  die  beson- 
ders stark  bei  den  (durch  Erhitzen  der  Krystalle)  entwässerten 
Salzen  hervortritt  Das  wasserfreie  Bromid  phosphorescirt  sehr 
kräftig  in  blaugrünlichem  Lichte.  An  feuchter  Luft  zieht  es 
Wasser  an  und  die  Phosphorescenz  wird  geringer,  lässt  sich 
aber  beliebig  oft  durch  erneutes  Erhitzen  zur  gleichen  Li- 
tensität  bringen.  Die  Phosphorescenz  verschwindet  in  der 
Hitze  und  tritt  nur  in  der  Kälte  hervor. 

Diese  Eigenphosphorescenz  des  Bromids  tritt  nach  dem 
Entwässern  sofort  in  voller  Stärke  auf,  noch  bevor  sich  die 
Becquerelstrahlung  desselben  voll  entwickelt  hat.  Je  stärker 
die  Phosphorescenz  an  ein  und  demselben  Präparate  ist,  desto 
geringer  scheint  die  Becquerelstrahlung  zu  sein. 

5.  Das  aus  activem  Baryumchlorid  und  Kaliumplatin- 
cyanür  unter  Zusatz  von  wenig  Cyankalium  dargestellte  grüne 
Doppelsalz  von  Baryumplatincyanür  phosphorescirt,  wie  zu  er- 
warten war,  sehr  stark  von  selbst.  Das  Leuchten  wird  aber 
mit  der  Zeit  schwächer,  weil  allmählich  durch  die  fortgesetzte 
Einwirkung  der  eigenen  Strahlen  das  grüne  Salz   zunächst  in 


Verhalten  des  radioactiven  Baryts  und  Poloniums,         93 

das  weniger  empfindliche  gelbe  und  schliesslich  in  das  braune 
übergeht,  analog  dem  Verhalten  des  gewöhnlichen  Baryum- 
platincjanürs  bei  andauernd  intensiver  Einwirkung  von  Röntgen- 
strahlen. Durch  Auflösung  des  braunen  Salzes  und  erneute 
ELrystallisation  ist  das  grüne  Salz  wieder  darstellbar. 

6.  Ein  sehr  stark  wirksames  Chlorbaryum,  welches  an- 
fangs farblos  war,  färbte  sich  mit  zunehmender  Activität  mit 
einem  Stich  ins  Gelbliche.  — 

Die  Hauptfrage,  yne  weit  die  Radioactivität  überhaupt 
gesteigert  werden  kann  und  ob  eventuell  der  eigentlich  active 
Stoff  vom  Baryum  getrennt  und  isolirt  werden  kann,  ist  noch 
nicht  erledigt  Nur  soviel  scheint  sicher  zu  sein,  dass  durch 
fractionirte  Erystallisation  allein,  auch  bei  der  jetzt  möglichen 
Verwendung  weit  grösserer  Quantitäten,  als  früher,  eine  noch 
weiter  gehende  Verbesserung  der  Präparate,  als  im  Anlange 
schon  erreicht  worden  ist,  nicht  möglich  ist. 

Mit  der  Untersuchung  der  neben  Radium  gleichzeitig,  aber 
in  geringeren  Mengen  gewonnenen,  stark  activen,  polonium- 
haltigen  Stoffe  bin  ich  noch  beschäftigt.  Ich  habe  aber  aus 
ihnen  durch  Schwefelwasserstoff  einen  Niederschlag  erhalten, 
der  an  Wirksamkeit  das  beste  Baryumpräparat  noch  übertrifft. 
Ebenso  wirksam  ist  das  aus  dieser  Schwefelverbindung  dar- 
gestellte Chlorid,  sowie  das  aus  der  Lösung  des  letzteren 
durch  metallisches  Zink  oder  den  galvanischen  Strom  sich  ab- 
scheidende freie  Metall. 

Ein  auffallender  Unterschied  tritt  bezüglich  des  Durch- 
dringungsvermögens der  von  den  beiden  chemisch  sich  unter- 
scheidenden radioactiven  Körpern  ausgesandten  Strahlen  hervor. 
Während  die  Strahlen  des  Radiums  z.  B.  einen  Silberthaler  noch 
ziemlich  durchdringen,  werden  die  Strahlen  des  Poloniums, 
obgleich  dieselben  intensiver  sind,  schon  von  erheblich  dünneren 
Metallplatten  vollständig  zurückgehalten.  Das  Schattenbild 
der  Hand,  eines  Metallgegenstandes  etc.  erscheint  daher  durch 
Poloniumstrahlen  weit  intensiver  und  contrastreicher  auf  dem 
Schirme,  als  durch  Radiumstrahlen. 

Ueber  etwaige,  den  Radiumpräparaten  ähnliche  Verände- 
rungen der  Activität  sind  bei  den  Poloniumpräparaten  nur 
wenige  Versuche  angestellt  und  will  ich  nur  erwähnen,  dass 
zwei  vor  einigen  Monaten  erhaltene  geringe  Mengen  von  gut 


94  F,  OieseL    Verhalten  des  radioactiven  Baryts  etc. 

wirksamen  SchwefeIwasser8tofffä.llungen  gegenwärtig  ihre  Acti- 
vität  vollkommen  verloren  haben.  Dieselbe  Hess  sich  durch 
erneutes  Lösen  der  Substanz  und  Fällen  mit  Schwefelwasser- 
stoflF  nicht  wieder  regeneriren. 

Im   Uebrigen   habe   ich   die   Angaben    der   französischen 
Forscher  über  Polonium  und  Radium  bestätigen  können. 

Braunschweig,  August  1899. 

(EiDgegangen  5.  August  1899.) 


7.  Ueber  die  diffuse  Zerstreuung 
der  Kathodenstrahlen  in  verschiedenen  Gasen; 

van  TT.  Kaufmann. 

(Göttinger  Habilitationsschrift.) 


1.   Einleitung. 

Von  Hrn.  Ph.  Lenard^)  ist  gezeigt  worden,  dass  Kathoden- 
strahlen, welche  ein  Gas  durchsetzen,  in  diesem  theils  absorbirt, 
t/ieüs  diffus  zerstreut  werden,  und  zwar  so,  dass  einer  grösseren 
Absorption  auch  stets  eine  grössere  Zerstreuung  entspricht. 

Femer  hat  Hr.  E.  Goldstein*)  in  einer  neueren  Arbeit 
dargelegt,  dass  das  Licht  der  dritten  Kathodenschicht,  auch 
Glimmlichtstrahlen  genannt,  von  dem  Zusammentreffen  der 
Kathodenstrahlen  mit  den  Gastheilchen  herrühre  und*  dass 
jedes  Volumenelement  des  Gases  der  Ausgangspunkt  eines 
nach  allen  Seiten  sich  ausbreitenden  secundären  Strahlen- 
bündels sei,  das  seinerseits  auch  wieder  längs  seiner  Bahn 
Glimmlicht  erzeuge.  Hr.  Goldstein  lässt  es  hierbei  vorläufig 
unentschieden,  ob  die  secundären  Strahlen  qualitativ  mit  den 
eigentlichen  Kathodenstrahlen  identisch  sind  oder  nicht.  Doch 
macht  die  magnetische  Ablenkbarkeit ,  sowie  die  sonstigen 
Eigenschaften  der  secundären  Strahlen  die  erstere  Annahme 
mindestens  recht  wahrscheinlich,  wobei  natürlich  eine  etwaige 
Aenderung  dieser  Eigenschaften  in  quantitativer  Hinsicht 
nicht  ausgeschlossen  ist.  Man  kann  also  wohl  mit  Recht  von 
einer  diffusen  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen  an  den  Gas- 
theilchen sprechen. 

Zweck  der  vorliegenden  Untersuchung  ist,  die  erwähnte 
Erscheinung  in  einigen  Gasen  quantitativ  zu  untersuchen  und 
daraus  eventuell  Schlüsse  auf  ihren  Mechanismus  zu  ziehen. 

2.   Methode  der  Untersuchung. 

Es  boten  sich  zwei  principiell  verschiedene  Wege  zu  einer 
Messung  der  Zerstreuung.    Die  erste  Methode  ist  eine  optische 


• 


1)  Ph.  Lenard,  Wied.  Ann.  56.  p.  255.  1895. 

2)  £.  Goldstein,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin  40« 
p.  905.  1897. 


96  /F.  Kaufmann, 

und  würde  der  von  Hrn.  Lenard  angewandten  durchaus  ent- 
sprechen;   sie   besteht  darin,    dass  man  von  dem   diffus    zer- 
streuten   Strahlencomplexe    durch    Diaphragmen    ein     engest 
Bündel  herausschneidet  und  dessen  Intensität  mit  Hülfe  eines 
fluorescirenden  Schirmes  photometrisch  bestimmt. 

Als  zweite  Methode  bietet  sich  die  von  Hm.  Perrin^) 
zuerst  angegebene  Anordnung,  die  Menge  der  Kathodenstrahlen 
durch  Messung  der  mitgeführten  Elektricitätsmenge  zu  be- 
stimmen. *) 

Es  ist  von  vornherein  klar,  dass  beide  Methoden  nicht 
zu  demselben  Resultate  zu  fuhren  brauchen.  Denkt  man  sich 
nämlich  zwei  Kathodenstrahlenbündel  von  gleichem  Querschnitte, 
welche  zwar  elektrisch  gemessen  gleich  stark,  aber  bei  ver- 
schiedenem Entladungspotential  erzeugt  sind,  so  entspricht 
dem  höheren  Entladungspotential  stets  eine  grössere  Fluores- 
cenzhelligkeit.  Man  kann  also  nur  dann  nach  beiden  Methoden 
dasselbe  Resultat  erhalten,  wenn  sämmtliche  Eigenschaften 
der  Strahlen  bei  der  Zerstreuung  unverändert  bleiben;  dass 
letzteres  aber  nicht  der  Fall  ist,  folgt  aus  den  Versuchen 
Lenard 's,  welcher  nicht  nur  eine  diffuse  Zerstreuung,  sondern 
auch  eine  Absorption  der  Kathodenstrahlen  in  Gasen  feststellte 
(vgl.  p.  115). 

Ich  habe  schon  der  viel  grösseren  erreichbaren  Genauig- 
keit wegen  die  elektrische  Methode  vorgezogen. 

Das  Princip  derselben  ist  folgendes:  Ein  durch  geeignete 
Diaphragmen  abgeblendetes  Kathodenstrahlenbündel  durchsetzt 
einen  Metallcylinder,  der  durch  ein  Galvanometer  zur  Erde 
geleitet  ist,  und  zwar  ohne  die  Wände  des  Cylinders  zu 
treffen;  das  Bündel  trifft  jenseits  des  Cylinders  auf  einen 
ebenfalls  durch  ein  Galvanometer  zur  Erde  geleiteten  Metall- 
schirm. Beobachtet  man  nun,  dass  von  dem  Cy linder  aus  ein 
negativer  Strom  zur  Erde  fliesst,  so  kann  dieser  nur  von 
Kathodenstrahlen  herrühren,  die  entweder  diffus  zerstreut  oder 
innerhalb  des  Cylinders  von  dem  Gase  absorbirt  sind.  Nach 
dem  Gesetze  der  Erhaltung  der  elektrischen   Quantität  kann 


1)  J.  Perrin,  Ann.  de  Chim.  et  de  Phys.  (7)  11.  p.  496.  1897. 

2)  lieber  quantitative  Messungen  mittels  dieser  Methode  vgl.  die 
Arbeiten  von  J.  J.  Thomson,  Phil.  Mag.  44.  p.  293.  1897;  H.  Starke, 
Wied.  Ann,  66.  p.  49.  1898. 

i 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen. 


97 


unter  Absorption  der  Kathodenstrahlen  nur  eine  Vernichtung 
ihrer  Energie  verstanden  werden,  während  die  mitgeführten 
Elektricitätsmengen,  da  sie  sich  nicht  bis  zu  beliebiger  Dichte 
anhäufen  können,  auf  irgend  einem  Wege,  sei  es  durch 
Leitung,  sei  es  durch  Convection,  die  Wand  des  Cylinders  er- 
reichen müssen. 

Man  misst  also  auf  diese  Weise  die  diffuse  Zerstreuung 
und  Absorption  der  Eathodenstrahlen  zusammen.  Nimmt  man 
fiir  die  letztere  die  von  Lenard  angegebenen  Zahlen  als 
richtig  an,  so  sieht  man  aus  den  weiter  unten  folgenden  Be- 
obachtungsresultaten leicht,  dass  nur  ein  minimaler  Bruchtheil 
des  beobachteten  Stromes  von  Absorption  herrühren  kann; 
ich  werde  daher  im  Folgenden  stets  nur  von  der  Zerstreuung 
der  Eathodenstrahlen  sprechen. 


3.  Beschreibung  des  Apparates. 

Nachdem  durch  eine  Reihe  von  Vorversuchen,  über  welche 
weiter  unten  noch  kurz  berichtet  werden  soll,  über  die  nöthigen 
Dimensionen  des  Apparates  Klarheit  erlangt  war,  wurde  fol- 
gende, zu  den  definitiven  Messungen  benutzte  Anordnung  ge- 
troffen (Fig.  1). 


L 


->^ — j. 

G 


± 


-> 

s 


<-2 


2 V 


^1 


rr« 


.*^ 


Erde 


OJi 


fclili 


Fig.  1. 

Das  von  einer  in  der  Figur  nicht  gezeigten  Aluminium- 
kathode ausgehende  Kathodenstrahlenbündel  passirte  zuerst 
einen  2  cm  langen,  0,2  cm  breiten  Canal  in  dem  Messing- 
klotze Äj  welcher  zur  Erde  geleitet  war  und  als  Anode  diente. 
Der  enge  Canal  hat  hauptsächlich  den  Zweck,  die  Kraftlinien 
des  eigentlichen  Entladungsraumes  abzufangen,  sodass  man 
jenseits  des  Canals  wirklich  „reine**  Kathodenstrahlen  hat, 
ohne  Ueberlagerung  eines  Leitungsstromes.  ^) 


1)  Ich  verdanke  diese  Anordnung  einer  liebenswürdigen  Mitt Heilung 
meines  Collegen,  des  Hrn.  H.  Starke. 

Ann.  d.  Phji-  u.  Chem.    N.  F.    69.  7 


98  /^.  Kaufmann, 

Da  das  Bündel,  infolge  mehrfacher  diffuser  Reflexionen 
an  den  Wänden  des  Canals,  diesen  sehr  stark  diffus  verlässt, 
so  ist  in  2,  cm  Entfernung  ein  0,2  cm  weites  Diaphragma  ß  ^ 
angebracht,  welches  mit  Ä  durch  das  Rohr  C  metallisch  ver- 
bunden ist.  Jenseits  dieses  Diaphragmas  gelangen  die  Strahlen 
in  den  eigentlichen,  zur  Messung  der  Zerstreuung  dienenden 
Apparat,  Derselbe  besteht  aus  einem  Messingcylinder  I)  mit 
den  axialen  Oeffhungen  E  und  F\  die  Dimensionen  dieser  Oeff- 
nungen  (-B=0,3  cm,  JP=0,4  cm  Durchmesser)  sind  so  ge- 
wählt, dass  das  sie  durchsetzende  Strahlenbündel  ihre  Ränder 
keinesfalls  treffen  kann.  Schliesslich  gelangen  die  Strahlen  in 
den  Hohlraum  H,  wo  sie  von  der  Verschlussplatte  /  aufge- 
fangen werden;  letztere  ist  aus  Aluminium  hergestellt  behuis 
möglichster  Verminderung  der  Reflexion  (vgl.  weiter  unten). 
Mit  H  metallisch  verbunden  ist  noch  ein  Cylinder  ff,  welcher 
den  Cylinder  D  concentrisch  umgiebt  und  von  ihm  durch  ein 
dünnes  Glimmerblatt  isolirt  ist;  er  dient  nur  als  Stütze  für  JD, 
Ebenfalls  durch  Glimmer  ist  die  Isolation  zwischen  I)  bez.  G 
und  B  hergestellt,  und  zwar  ist  das  Blatt  zwischen  den 
beiden  Diaphi*agmen  E  und  B  so  dünn  gewählt  als  irgend 
möglich.  Die  Blechdicke  sämmtlicher  Cylinder  betrug  etwa 
0,5  mm. 

Der  ganze  Apparat  war  in  eine  ihn  eng  umschliessende 
Glasröhre  eingeschlossen,  welche  ausserdem  noch  eine  Alu- 
miniumkathode von  etwa  1  cm  Durchmesser  enthielt. 

Da  es  schwer  ist,  die  Kathode,  so  genau  zu  centriren, 
dass  das  Strahlenbündel  genau  axial  verläuft,  so  wurde  das 
letztere  mit  Hülfe  eines  Magneten  in  die  richtige  Lage  ge- 
bracht. 

Ausser  dem  soeben  beschriebenen  wurde  noch  ein  anderer 
Apparat  benutzt,  der  sich  von  dem  obigen  hauptsächlich  durch 
die  grössere  Länge  des  inneren  Cylinders  (9,65  cm)  unter- 
schied. Ausserdem  hatte  bei  diesem,  nur  zu  den  Vorver- 
suchen benutzten  Apparate  der  innere  Cylinder  keine  End- 
platten; es  ging  infolge  dessen  ein  nicht  unbeträchtlicher  Theil 
der  zerstreuten  Strahlen  dadurch  wieder  verloren,  dass  die- 
selben an  den  Wänden  des  Cylinders  reflectirt  wurden  und 
durch  die  Endöffnungen  nach  aussen  gelangten.  Man  erhielt 
deshalb  mit  diesem  Apparate  zu  kleine  Werthe,  und  zwar  be- 

I 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen, 


99 


trug    die   Abweichung  gegenüber   den    definitiven   Zahlen  bei 
StickstoflF  etwa  16  Procent. 

Die  elektrische  Anordnung  zeigt  Fig.  2.  Von  den  Polen 
(P,  P)  einer  20 plattigen  Influenzmaschine,  die  durch  einen 
Elektromotor  angetrieben  wurde,  ist  der  positive  zur  Erde  ge- 
leitet, der  negative  ist  mit  demBraun'schen  Elektrometer  (^)  ^), 
einem  Jodkadmium  widerstand  (R)  und  durch  einen  Ausschalter  (^) 
mit  der  Kathode  (AT) 
verbunden.  Die  punk- 
tirten  Linien  stellen  eine 
zur  Erde  abgeleitete 
Schutzhülle  dar,  welche 
sämmtliche  Hochspan- 
nungsleitungen ,  sowie 
die  Maschine  selbst  um- 
giebt.  Diese  Vorsichts- 
maassregel  ist  zur  Er- 
zielung zuverlässiger 
Resultate  unbedingt  er- 
forderlich ,  weil  ohne 
dieselbe  infolge  von 
Spitzenausströmungen 
leicht  E^ektricität  durch 
die  Luft  in  die  weiter 
unten  zu  beschreibende 

Galvanometerleitung  übertritt  und  auf  diese  Weise  falsche  Aus- 
schläge des  Galvanometers  hervorruft. 

Zur  Messung  der  Zerstreuung  diente  folgende  Einrichtung: 
Von  dem  inneren  Cy linder  (i?,  Fig.  1)  und  von  der  Endplatte 
(e/,  Fig.  1)  fuhrt  je  eine  Leitung  durch  die  Stöpselwider- 
stände W  bez.  w  zur  Erde;  die  dem  Apparate  zugewandten 
Enden  der  Widerstände  sind  durch  ein  d'Arsonval-Galvano- 
meter  {G)  miteinander  verbunden.  Ist  J^  der  gesammte  Kathoden- 
strom, der  in  den  Cylinder  eindringt,  i  der  durch  Zerstreuung 


Fig.  2. 


1)  Das  Brau  nasche  Elektrometer  war,  abweichend  von  der  ge- 
wöhnlichen Form,  mit  einer  Gradtheilung  versehen;  es  ist  von  Hrn. 
A.  Orgler  gelegentlich  einer  von  ihm  im  hiesigen  Institut  ausgeführten 
Arbeit  mittels  einer  Hochspannungsbatterie  und  einer  elektrostatischen 
Waage  geaicht  worden. 


1 00  M^.  Kaufmann. 

an  den  Cylinder  gelangende  Theil^  so  trifft  anf  die  Endplatte 
noch  der  Strom  {J^  —  i);  wie  leicht  einzusehen,  bleibt  das 
Galvanometer  in  Ruhe,  wenn  t  /{Jq  --  i)  —  w  j  W. 

Von  den  beiden  Widerständen  betrug  der  eine,  IF,  con- 
stant  10000  Ohm,  während  w  variirt  wurde.  Das  Galvano- 
meter^) war  von  Siemens  &  Halske  gebaut  und  hatte  eine^ 
Empfindlichkeit  von  5 .  10-^^  Amp.  pro  Sealentheil  bei  einem. 
Widerstände  von  ca.  10000  Ohm. 

Die  Stärke  des  in   den  Cylinder  gelangenden  Kathoden- 
Stromes  betrug  10-®  bis  IQ-^  Amp.     Da  bei  der  vorzüglichen^ 
Buhelage   des    Instrumentes    Ausschläge   von    Y20   ScalentheiL 
noch  sicher  bemerkt  wurden,  so  war  die  Einstellung  bei  starkem. 
Entladungen  auf  etwa   1 — 2  Proc,  bei  schwächeren  auf  etwit» 
3-1-5  Proc.  sicher. 

Der  Flüssigkeitswiderstand  R  bestand  aus  einer  10  proc- 
Lösung  von  Jodcadmium  in  Amylalkohol,   die   durch  Zusatz 
von  Benzol  in  geeigneter  Weise  verdünnt  worden  war.     Durch 
Verschieben  der  mit  der  Erde  verbundenen  beweglichen  Elek- 
troden konnte  das  Potential  der  Kathode  in  beliebigen  Grenzen 
variirt  werden. 

Evacuirt  wurde  mittels  einer  automatischen  Pumpe  vom 
SprengeTschen  Typus;  zur  Druckmessung  diente  ein  Mac 
Leod'sches  Manometer.  Sämmtliche  Glastheile  waren  ent- 
weder miteinander  verblasen  oder  durch  gute  Schliffe  ver- 
bunden; die  Dichtigkeit  des  Apparates  konnte  als  eine  abso- 
lute bezeichnet  werden.  Wegen  der  grossen  Länge  der 
Glasleitungen  wurde  das  Trockengefäss  an  der  Luftpumpe  für 
nicht  ausreichend  gehalten  und  in  unmittelbarer  Nähe  des 
Manometers  ein  zweites  mit  PgOg  gefülltes  Gefäss  angebracht. 
Ohne  diese  Vorsicht  kann  man  unter  Umständen  sehr  falsche 
Angaben  des  Manometers  erhalten. 

Zur  EinfüUung  der  untersuchten  Gase  diente  ein  Baro- 
meterrohr, in  welches  eine  in  eine  feine  Spitze  ausgezogene 
Glasröhre  von  unten  eingeführt  wurde;  die  vorher  gereinigten 
und  getrockneten  Gase  stiegen  aus  der  Spitze  in  einzelnen 
Blasen  durch  das  Quecksilber  auf. 


1)  Nach  d^Arsonval. 


I 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen,  101 

4.    Berechnung  des  Zerstreuungscoeffioienten. 

Id  Fig.  3  ist  der  innere  Gylinder  noch  einmal  schematiscb 
dargestellt.  Derselbe  werde  durchsetzt  von  einem  unendlich 
düDnen  Strahlen  bündel,  dessen  elektrisch  gemessene  Intensität 
beim  Eintritt  gleich  «^  sei;    von  diesem  Bündel  werde  längs 


l  '3.13 


CT 


^ JC-     —  ■ 


— in 1ii:::r-^^^sxd.si^. 


Fig.  3. 

des  Wegstückes  dx  der  Betrag  Jhdx  zerstreut,  wobei  /  die 
Intensität  im  Punkte  x  und  h  den  j^Zerstreuungscoefficienten^^ 
darstellt,  welch  letzterer  abhängig  ist  von  der  Natur  und  dem 
Drucke  des  Gases,  sowie  von  dem  Entladungspotential,  bei 
welchem  die  Strahlen  erzeugt  werden.     Es  ist  also 

(1)  1^  =  -«^* 

oder 

(2)  /=e/o^-^', 

folglich  wird  die  auf  der  Strecke  dx  zerstreute  Menge  gleich 

J^be^^"  dx. 

Nimmt  man  die  Oeffnuiigen  des  Cylinders  als  unendlich  klein 
an,  so  gelangt  die  ganze  zerstreute  Menge  an  die  Cylinder- 
wandung  und  es  ist 


i  ^  Jj^b e-^^ dx  =  J^{1  ^  e-^^) . 


u 


(2  a)  4-  =  (1  -e-^'). 

Thatsächlich  gelangt  ein  Theil  der  zerstreuten  Strahlen  durch 
die  Oeffnungen  nach  aussen  und  zwar  namentlich  von  den 
nahe  den  Enden  gelegenen  Funkten  aus.  Dieser  Verlust  wird 
jedoch  dadurch  compensirt,  dass  für  jede  von  irgend  einem 
Punkte  nach  aussen  gelangende  Menge  eine  fast  genau  gleiche 
von  dem  symmetrisch  gelegenen  Punkte  jenseits  der  OefiEhung 


102  fF.  Kaufmann. 

nach  innen  gelangt.  Diese  Compensation  wird  erst  dann  un- 
vollkommen, wenn  die  Zerstreuung  so  stark  ist,  dass  das  directe 
Strahlenbündel  auf  dem  Wege  von  dem  inneren  zum  äusseren 
Punkte  (oder  umgekehrt)  bereits  merklich  geschwächt  ist. 

Zum  genaueren  Nachweis  des  Gesagten  soll  im  Folgenden 
die  Rechnung  für  die  thatsächlich  vorhandenen  Dimensionen 
der  Oeffnungen  durchgeführt  werden.  Zu  diesem  Zwecke 
werde  die  Annahme  gemacht,  dass  die  Zerstreuung  von  jedem 
Punkte  nach  allen  Seiten  gleichmässig  erfolgt. 

Bezeichnet  man  den  körperlichen  Winkel,  unter  dem  vom 
Punkte  X  aus    die  Cylinderwandung  erscheint,    mit  cö^,  so  ist^ 
demnach  die  gesammte,  an  den  Cylinder  gelangende  Strahlen- 
menge: 

(3)  i  =  Jo 4^  f '».'-"' dx. 


Es  erübrigt  noch  die  Grenzen  des  Integrals  festzustellen;  derr" 

äusserste  Punkt  {xq)  auf  der  nach  der  Kathode  zu  gelegeneiB. 

Seite,   von   dem   aus    noch    die  Innenwand    des  Cylinders   ge — 
sehen  werden  kann,  ist  durch  die  Gleichung  gegeben: 

/^\  ~  ^0     __      ~  ^0   "^   ^    . 

nun  ist  für  die  rückwärts  gelegenen  Punkte,  wie  leicht  ziz 
sehen,  für  q^  nicht  der  Radius  der  Cylinderöffnung  selbst, 
sondern  der  des  Diaphragmas  B  (Fig.  1)  einzuführen,  d.  h. 
Pj  =  0,1;  Q^  ist  =  0,2,  sodass  ar^^  =  —  /=  —3,13.  Die  obere 
Grenze  ist  die  Entfernung  der  Endplatte  vom  Eintrittspunkte, 
also  gleich  /  +  3  =  6,13. 
Es  ist  also: 

6,13 

(5)  i=^jQ-^a)^e-^dx. 

-  3,13 


Nun  ist: 

(6)  0,,  =  2;r 

sodass: 

6,13 


X __   (l-x) 


n)  _i  =  A  f(—^—  + ^-^-5^—1  e-^'  dx 


-3,13 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstralden,  103 

Es  werde  dieses  Integral  in  drei  Theile  zerlegt  zwischen  den 

Grenzen: 

-  3,13  bis  0        [5J 

0        bis  3,13  [Äg] 

3,13  bis  6,13  [S,] 

sodass: 

(8)  Ai-  =  5,  +  5,  +  53. 

Von  diesen  drei  Intergralen  ist  S^  das  bei  weitem  grösste, 
während  die  beiden  anderen  nur  Correctionsglieder  darstellen. 

Da  eine  genaue  Berechnung  nur  mittels  einer  höchst  un- 
bequemen Reihenentwickelung  möglich  ist,  so  soll  im  Fol- 
genden eine  angenäherte  Berechnung  unter  Berücksichtigung 
der  durch  Vorversuche  ermittelten  thatsächlichen  Werthe  von 
h  ausgeführt  werden: 

Es  werde  für  die  Rechnung  eine  Genauigkeit  von  2  Proc. 
verlangt. 

Dann  kann  man  für  :r  ^  1   bez.  (/  —  ^)  ^  1  setzen : 

X  U  -  X)         ^ 


mit  einem  Fehler  von  1  Proc.  bez.  2  Proc. 

Ferner  kann  man,  da  nach  den  Vorversuchen  b  den  Werth 

0,1  im  allgemeinen  nicht  übersteigt,  für  ar  ^  1  bez.  (/  —  ^)  ^  1 

setzen 

e-^^=l  —  bx 

und 

mit  einem  maximalen  Fehler  von  0,5  Proc. 

Auf  Grund  dieser  Betrachtungen  können  die  Integrale  in 
folgender  Weise  berechnet  werden: 

Es  ist: 

i  i 

0  0 

Setzt  man  in  dem  zweiten  Theile  von  5^: 

(/  —  x)  =  u, 


104  //'.  Kaufmann, 


(11) 


so  erhält  man: 

i  i 

0  0 

Beide  Integrale  werden  auf  Grund    der   obigen   numeris 

Ausführungen   nochmals    zerlegt  in  je  eines  von  0  bis  1 

eines  von  1  bis  /,  wobei  im  ersten  Theil  e-^'  =  1  —  bx 

=  1  +  ^  u   zu   setzen,   im  zweiten  Theile  der  Bruch  glei 

zu  setzen  ist.     Es  ist  demnach: 

11  1 

^         r     xdx  .   r    x^dx  ..  C     udu       ,         ji.i 

^    J  VqI-^x^       J  VQi  +  «?•  J  Vofi^  J 

0  0  0  0 

l  l 

+  le-'^'dx  +  e-^^  /«*"  du, 

1  1 

Die   Integration    bietet    keine   weiteren   Schwierigke 
setzt  man  noch: 

so  erhält  man  unter  Vernachlässigung  der  höheren  Gliec 
(^2)  i'Sa  =  2,97  Ä  -  4,60*«  +  1,24  Ä». 

Auf  ganz  ähnliche  Weise  erhält  man 

(13)  i-Si  =  0,06  *  -  0,0035  Ä» , 

(14)  y  ^3  =  0, 10  *  -  0,345  b^  +  7,45  b^ 
und  durch  Addition  der  drei  Gleichungen: 

(15)  4-  =  3^13  *  -  4,95  b^  +  8,7  b^ . 

Wären  die  Oeffnungen   im  Cylinder   nicht   vorhanden,    S( 
alle    zerstreuten  Strahlen  aufgefangen  würden,    so   hätte 
erhalten  (vgl.  Gleichung  2a): 

oder  unter  Vernachlässigung  der  höheren  Glieder: 

(16)  4-  =  3,13  b  -  4,90  b^  +  5,1  b^ . 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen,  105 

Beide  Grössen  unterscheiden  sich  selbst  flir  ^  =  0,1  —  grössere 
Werthe  wurden  nur  wenige  beobachtet  —  nur  um  etwa 
1,5  Proc,  man  kann  also  für  die  Verwerthung  der  Beobach- 
tungen thatsächlich  die  Gleichung  (2a)  benutzen. 

Bei  den  Beobachtungen  wird  nicht  ijJ^  bestimmt,  sondern, 
wie  bereits  erwähnt,  eine  im  Folgenden  mit  A  bezeichnete  Grösse : 


Ja  -  * 


Aus  Gleichung  (2a)  folgt: 

oder:  ^/ =  log„at(l  +  ^), 

(17)  ^/=  2,303  log  ,J1  +Ä), 
und  da  /  =  3,13  ist: 

(18)  *  =  0,737  .  log,,  [\+A). 
Es  ist  noch  zu  untersuchen,  inwieweit  das  Resultat  durch 

die  Reflexion  der  Strahlen  an  den  Wänden  des  Cylinders  bez. 
an  der  Auffangeplatte   beeinflusst   werden   kann.     Nach   den 
Versuchen   von   Starke  ^)   beträgt   die  Reflexion    an  Messing 
etwa  40  Proc.     Von    diesen   reflectirten  Strahlen   gelangt  ein 
tleiner  Theil  durch  die  Cylinderöffnungen  nach  aussen.     Eine 
ungefähre   Berechnung    zeigt,    dass    selbst   von    den   am   un- 
günstigsten gelegenen  Punkten  der  Cylinderwandung  höchstens 
1  Proc.  der  auftreffenden  Strahlung  nach  aussen  gelangen  kann , 
der  Gesammtfehler  beträgt   also  weit   unter  1  Proc.     Ebenso 
ergiebt  sich,  dass  die  von  dem  Aluminiumblech  in  den  Cylinder 
zurückreflectirten   Strahlen   selbst    bei    den    schwächsten    be- 
obachteten   Zerstreuungen    höchstens    1     Proc.    Fehler    ver- 
ursachen können. 

5.  Ausführung  der  Versuche. 
Als  wesentlichste  Fehlerquelle  bei  der  Ausführung  der 
Versuche  erwies  sich  die  durch  den  Strom  bewirkte  Lösung 
occludirter  Gase  aus  den  Metalltheilen  des  Apparates.  Eine 
völlige  Beendigung  dieser  Gasentwickelung  (das  entwickelte 
Gas  bestand  grossentheils  aus  Wasserstoff,  wie  sich  durch 
spectroskopische  Untersuchung  ergab)  konnte  selbst  nach  etwa 
sechstägigem,  fast  ununterbrochenem  Betriebe  der  Röhre  und 
mehrmaligem  gänzlichen  Evacuiren  nicht  erreicht  werden.  Es 
blieb  deshalb  nichts  übrig,  als  ihre  Einwirkung  auf  das  Re- 

1)  H.  Starke,  1.  c. 


106  fy.  Kaufmann. 

sultat  dadurch  möglichst  zu  beseitigen,  dass  der  Strom  imme 
nur  ganz  kurze  Zeit,  etwa  10 — 20  Secunden,  geschlosse 
wurde  und  nach  je  zwei  bis  drei  Messungen  durch  Aus 
pumpen  bis  auf  etwa  V2000  ^^  ^^^  Einfüllen  neuen  Gase 
bis  auf  etwa  1  mm  der  Grasinhalt  gereinigt  wurde.  Da  da 
auszupumpende  Volumen  etwa  600  ccm  betrug  und  die  Pump 
nur  massig  schnell  arbeitete,  so  erforderte  auf  diese  Weis 
jede  einzelne  Messungsreihe  bei  einem  bestimmten  Druc 
einen  Zeitaufwand  von  etwa  Yg  bis  */^  Stunde. 

Es  war  ursprünglich  meine  Absicht,  eine  möglichst  gross 
Zahl  von  Gasen  zu  untersuchen,  doch  wurde  ich  durch  ausser 
Gründe  daran  verhindert,  sodass  ich  im  Folgenden  nur  die  a 
folgenden  fünf  Gasen  gewonnenen  Resultate  mittheilen  kam 

Es  wurden  untersucht:  StickstoflF,  Kohlendioxyd,  Kohlen 
oxyd,  Wasserstoff,  Stickoxydul,  und  zwar  wurde  Stickstoff  i 
beiden  —  eingangs  beschriebenen  —  Apparaten  untersuch 
Kohlendioxyd,  Kohlenoxyd  und  Stickoxydul  nur  in  dem  defin 
tiven  Apparate,  Wasserstoff  nur  in  dem  zu  den  Vorversuche 
geltenden.  Eine  Wiederholung  der  Wasserstoffversuche  m 
dem  Hauptapparate  unterblieb  hauptsächlich  wegen  der  völlige 
Unmöglichkeit,  den  occludirten  Wasserstoff  auch  nur  einigei 
maassen  wieder  zu  entfernen.  Es  hätte  wochenlangen  ununtei 
brochenen  Betriebes  der  Röhre  bedurft,  um  dieselbe  für  ander 
Gase  wieder  brauchbar  zu  machen. 

6.  Versuchsresultate. 
a)  Stickstoff. 
(Ng    wurde    bereitet   durch    Erhitzen    einer   Lösung    voi 

(NHjgSO^  und  2(NaN0j);  getrocknet  wurde  vor  dem  EinfüUei 

durch  HaSO^.) 

Um  die  Abhängigkeit  der  Zerstreuung  vom  Drucke  un 
vom  Potential  einzeln  zu  untersuchen,  war  es  nöthig,  bei  cod 
stantem  Druck  das  Potential  zu  variiren.  Dies  gelingt  nu 
innerhalb  ziemlich  enger  Grenzen  (durch  Aenderung  de 
Flüssigkeitswiderstandes),  denn  unterhalb  eines  gewissen  Werthe 
hört  die  Entladung  überhaupt  auf,  über  eine  gewisse  Grenz 
steigt  das  Potential  selbst  bei  den  stärksten  Strömen  nicht  ai 

In  den  Tabellen  bedeutet  F  das  Entladungspotential  i 
Volt,  A  die  p.  105  definirte  Grösse,  b  den  daraus  berechnete 
Zerstreuungscoefficienten,  p  den  Gasdruck  in  mm  Hg. 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen,              107 

Tabelle  I. 

Stickstoff. 

V  Ä  b  p.lO^  — -  5Proc. 

P 

4700  0,120  0,0362 1  /  5065  -  10 

4600  0,128  0,0886  \  38,6  \  5280  -  6,6 

4350  0,143  0,0428  '  I  5540  -  2,0 

2550  0,40  0,1072  43,0  6360  +12,6 

2580  0,38  0,1028 1  ^^  1 6530  +15,6 

2800  0,825  0,0898  J  '  1 631Ö  +11,7 

2930  0,27  0,0768 1  ^^  ^  1 5860  +  3,7 

3200  0,245  .    0,0700  J  '  15830  +  3,2 

3130  0,235  0,0673)  ^^  ^  f  5830  +  3,2 

8400  0,220  0,0634  J  '  \  5950  +  5,3 

4600  0,180  0,0390 1  ^^  ^  f  5540  -  2,0 

3550  0,185  0,0541  J  '  \  5930  +  5,0 

3000  0,255  0,0725 1  ^^  f  5780  +  1,4 

3300  0,280  0,0660]  '  \  5730  +  1,4 

5900  0,092  0,0281  i  1 5300  -  6,2 

4100  0,137  0,0409  i  31,3  |  5350  -  5,3 

5650  0,099  0,0301  )  1 5430  -  3,9 

5200  0,110  0,0333  »  |  5270  -  6,7 

5270  0,110  0,0333  i  32,9  |  5340  -  5,5 

3430  0,180  0,0528)  1 5500  -  2,7 

4400  0,125  0,0376 1  ^^  ^  1 5290  -  6,4 

5970  0,091  0,0278  J  '  15300  -  6,2 

6970  0,072  0,0222)  ^^  ^  f  5210  -  7,8 

7450  0,069  0,0213  J  '  15840  -  5,5 

3950  0,164  0,0485  1  ^g  ^  (5280  -  6,6 

8700  0,177  0,0521  J  '  1 5310  -  5,5 

3300  0,22  0,0635  85,5  5900  +  4,4 

2600  0,895  0,1062  43,6  6830  +12,0 

6120  0,088  0,0269  1  f  5820  +  3,0 

6120  0,091  0,0278)  '  \  6010  +  6,4 

7200  0,068  0,0210  26,1     5790  +  2,5 

Mitterr~665Ö~ 


108  ^.  Kaufmann. 

Eine   Betrachtung    der    fünften    Spalte    zeigt,    dass    • 
Grösse  bF/p  annähernd  constant  ist;  doch  bemerkt  man 
einer  Ordnung  der  Tabelle  nach  steigendem  b  einen  deutlicl] 
Gang,  in  dem  den  grössten  b  auch  die  grössten  b  Fjp  entsprecb 

Dieser  Gang  dürfte  jedoch  zum  Theil  davon  herrühren,  di 
bei  den  zu  den  grössten  b  gehörigen  grossen  Drucken  der  Leituni 
Strom  trotz  der  Diaphragmen  noch  nicht  ganz  beseitigt  war 

Von  etwa  3500  Volt  an  aufwärts  ist  der  Gang  nur  nc 
unbedeutend,  sodfiss  man  das  empirische  Resultat  der  obi§ 
Tabelle  wohl  in  der  folgenden  Gleichung  aussprechen  kann: 

(19)  *i^  =  ^  =t  const. 

Der  Werth  von  ß  hängt  hierbei  noch  von  der  Natur  des  Gases  \ 

(Eine  mit  dem  provisorischen  Apparate  gemachte  Versucl 

reihe  ergab  ein  ganz  ähnliches  Resultat,  doch  war,  wie  seh 

eingangs  erwähnt,  der  Werth  von  ß  um  etwa  16  Proc.  kleine 

b)  Rohlendioxyd. 

(COj   wurde   bereitet   aus   Marmor    und    reiner   HCl 
Kipp 'sehen  Apparate.     Trocknung  durch  HgSO^.) 

Tabelle  IL 

Kohleodiozyd. 

V  A  b  p.W        —         d  Proc. 

P 

2650    0,27     0,0763  \  1 7350     +  7,6 

4100    0,155     0,0460  J      '  \  6850     +  0,3 

2100    0,425     0,113      31,8     7470     +  9,4 

2550     0,250     0,0712^  r  6960     +1,9 

2950    0,205     0,0595  \         26,1    \  6770     -  0,9 


I 


4060    0,146     0,0435 )  1 6770     -  0,9 

I    23,9    j 


4400    0,115     0,0348 1  1 6410     -6,2 

6130    0,087     0,0266  J      '  \  6830     ±  0,0 


2550  0,34  0,0935  \  ( 6970  +  2,1 

3100  0,265  0,0751  j  '           16810  -0,3 

6200  0,097  0,0295  25,9     7060  +  3,4 

5050  0,103  0,0313  \  f  6370  -  6,7 

5300  0,099  0,0301  J  '           I  6430  -  5,9 

7800  0,057  0,0177  \  f  6540  -  4,3 

8270  0,056  0,0173/  '    \  6790  -0,6 

Mittel:  6830 


I 


I 


Diffuse  Zerstreuung  der  KathodenstraJden,  109 

Das  Resultat  ist  dem  für  Stickstoff  erhaltenen  ganz  analog; 
auch  hier  liegen  die  grössten  positiven  Abweichungen  bei  den 
grössten  Werthen  von  b  bez.  den  niedrigsten  von  F;  doch  ist 
der  &ang  viel  weniger  ausgeprägt  als  bei  Stickstoff. 

c)  Kohlenoxyd. 

(CO  wurde  dargestellt  durch  Erhitzen  von  K^Fe(CN)g  in 
der  zehnfachen  Menge  concentrirter  H^SO^.  Reinigung  durch 
NaHO  und  Trocknung  durch  H^SO^.) 

Tabelle  III. 

Kohlenozyd. 

hV 
V  A  b  p.lO«    — -    5Proc. 

P 
2530     0,44      0,1 165     45,4     6500     +  1,9 

4030  0,155  0,0460  31,3  5940  -  6,9 

2420  0,425  0,113  40,3  6780  +  6,3 

4150  0,162  0,0480  32,5  6130  -  3,9 

3370  0,222  0,0640  84,1  6330  -  0,8 

5870  0,092  0,0281  26,3  6270  -  1,7 

4800  0,116  0,0350  27,4  6130  -  3,9 

3550  0,197  0,0574  30,9  6600  +  3,4 

5270  0,105  0,0319  26.7  6300  -  1,3 

2330  0,44  0,1164  42,0  6470  +  1,4 

7380  0,065  0,0201  22,1  6710  +  5,2 

Mittel:  6380 

d)  Wasserstoff. 

(H,  wurde  dargestellt  aus  chemisch  reinem  Zink  und  HCl, 
getrocknet  durch  H^SO^.) 

Die  Versuche  mit  Wasserstoff  wurden,  wie  bereits  oben 
erwähnt,  nur  mit  dem  provisorischen  Apparate  ausgeführt; 
es  ist  anzunehmen,  dass  der  erhaltene  Werth  von  b  V jp  in 
demselben  Maasse  zu  klein  ist  wie  der  für  Stickstoff  ge- 
bundene; demnach  wäre  die  gefundene  Zahl  mit  1,16  zu 
^ultipliciren. 

Man  erhält  dann  als  wahrscheinlichen  Mittel  werth: 

--  =  780. 

P 

Ich  führe  diese  Zahl  hier  in  Ermangelung  einer  besseren  vor- 
läufig mit  an,  doch  schätze  ich  ihre  Genauigkeit  nicht  be- 
sonders hoch. 


110 


W,  Kaufmann. 


e)  Stickozydul. 

(NjO  wurde  dargestellt  durch  Erhitzen  von  geschmolzenem^ 
(NHJNO5.  Reinigung  durch  FeSO^  und  NaHO,  Trocknung  ^ 
durch  H2SO4.) 

Die  mit  diesem  Gase  erhaltenen  Zahlen  waren  ausser- 
ordentlich schwankend,  ohne  dass  es  mir  geluiq^  wäre,  den 
Grund  hierfür  aufzufinden.  Vielleicht  wird  das  Gas  durch 
den  Strom  zersetzt.  Der  Mittelwerth  von  bVjp  liegt  in  der 
Nähe  von  6900. 


6.  Vergleich  der  mit  verschiedenen  Qasen  erhaltenen  Hesultate. 

Die    für   die    ersten    drei   Gase    erhaltenen    bez.    Mittel- 
werthe  sind: 


ß  = 


CO, 
CO 


hV 

p 

5650 
6880 
6880 


Mol.-6ew.  =  Mq 


28 
44 

28 


Wie  man  sieht,  ist  das  ,,specifische  Zerstreuungsver- 
mögen** {ß)  weder  der  Dichte  des  Gases  proportional,  noch 
auch  entspricht  gleicher  Dichte  (N,  und  CO)  ein  gleiches  /?, 
doch  kommen  Abweichungen  von  gleichem  Betrage  auch  bei 
Lenard  (1.  c.)  vor,  wie  dort  ausdrücklich  bemerkt 

Bezeichnet  man  mit  q  den  Radius  der  Wirkungssphäre 
des  betrefifenden  Gasmolecüls,  so  erhält  man  für  die  drei  genau 
beobachteten  Gase  die  einfache  Beziehung: 

(20)  -^-  =  const., 

wie  aus  folgender  Tabelle  hervorgeht: 


Gas 


ß 


M^ 


2.^.10» 


ß 


2.3foe.lO» 


CO, 
CO 


5650 
G830 
6380 


28 
44 

28 


17 
13 
19 


11,85 
11,95 
11,60 


Die  Uebereinstimmuug  der  letzten  Columne  ist  besser,  als 
sie  bei  der  Unsicherheit  der  p-Werthe  eigentlich  sein  dürfte. 
Die  Angaben  der  einzelnen  Autoren  in  Betreff  der  Molecular- 
radien  schwanken  um  mehr  als  50  Proc.    Ich  habe,  um  wenig- 


f 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen,  111 

stens  Willkürlichkeiten  nach  Möglichkeit  auszuschliessen ,   die 
O.  R  Meyer 'sehen  Zahlen  bei  allen  drei  Gasen  benutzt,  wie 
*   sie  in  den  Tabellen  von  Landolt  und  Börnstein  (1894)  an- 
gegeben sind. 

7.  Versuch  einer  Erklärung  der  beobachteten  Erscheinungen  auf 

Grund  der  Emissionstheorie. 

Ich  habe  bisher  absichtlich  mich  mit  der  blossen  Be- 
schreibung der  Versuchsergebnisse  begnügt,  ohne  Bezugnahme 
auf  irgend  welche  Hypothesen  über  den  Mechanismus  der  be- 
obachteten Zerstreuung. 

Die  ausserordentlich  günstigen  Erfolge,  welche  die  An- 
wendung der  Emissionstheorie  zur  Erklärung  der  Eigen- 
schaften der  Kathodenstrahlen  gezeitigt  hat,  legen  es  nahe, 
auch  die  oben  beschriebenen  Erscheinungen  von  diesem  Stand- 
punkte aus  zu  erörtern,  obgleich,  wie  ich  gleich  vorweg  be- 
merken will,  die  folgenden  Betrachtungen  zu  keineswegs  wider- 
spruchsfreien Resultaten  fuhren.  Immerhin  dürften  die  aus 
einer  consequenten  Durchführung  molecularer  Vorstellungen 
gewonnenen  Folgerungen  nicht  ganz  ohne  Interesse  sein. 

Denkt  man  sich  das  Gas  entsprechend  den  Anschauungen 
der  kinetischen  Gastheorie  aus  einzelnen  Molecülen  bestehend, 
so  ergiebt  sich  unmittelbar,  dass  ein  Theil  der  Kathodenstrahl- 
theilchen  mit  den  Molecülen  zusammenprallen  muss.  Man 
kann  demnach  die  Zerstreuung  durch  directe  Zusammenstösse 
mit  den  Gasmolecülen  erklären.  Da  bei  einem  derartigen  Zu- 
sammenstösse nothwendigerweise  ein  Theil  der  Energie  des 
Theilchens  an  das  Molecül  abgegeben  werden  muss,  so  erklärt 
sich  die  sog.  „Absorption"  gleichzeitig.  Aus  dieser  An- 
schauung folgt  weiter,  dass  ein  anfangs  homogenes  Strahlen- 
bündel, d  h.  ein  solches,  in  welchem  alle  Theilchen  dieselbe 
Geschwindigkeit  haben,  wenn  es  irgend  einen  Körper  passirt, 
nothwendigerweise  inhomogen  werden  muss,  da  ja  keinesfalls 
alle  austretenden  Theilchen  dieselbe  Anzahl  Zusammenstösse 
erlitten  haben.  Dies  würde  durchaus  den  Beobachtungen 
Lenard's^)  entsprechen,  welcher  fand,  dass  bei  der  magneti- 
schen Ablenkung  eines  Strahlenbündels,  das  ein  Metallhäutchen 


1)  F.  Lenard,  Wied.  Ann.  52.  p.  23.  1894. 


112  fK.  Kaufmann, 

passirt  hat,  dasselbe  in  ein  breites  Band  auseinander  gezogen 
wird,  und  zwar  scheint  nach  den  Ausführungen  Lenard's 
diese  Dispersion  viel  grösser  zu  sein,  als  die  auch  innerhalb 
der  Röhre  zu  beobachtende,  welche  von  den  Partialentladungen 
des  Inductoriums  herrührt.  Genauere  Beobachtungen  über 
diesen  Punkt  wären  sehr  wünschenswerth. 

Die  nächste  zu  beantwortende  Frage  ist  die,  woher  die 
Abhängigkeit  der  Zerstreuung  vom  Entladungspotential,  d.  h. 
von  der  Geschwindigkeit  der  Strahlen  stammt. 

Es  ist  von  vornherein  klar,  dass  man  hier  die  Trans- 
lationsgeschwindigkeit der  Gasmolecüle  ganz  ausser  Acht  lassen 


A 

'V 

y 

JL 


Fig.  4. 

kann,  da  dieselbe  nur  einige  hundert  Meter  beträgt,  während 
die  Strahlen  eine  Geschwindigkeit  von  etwa  50  000  km  be- 
sitzen. Man  kann  also  die  Molecüle  einfach  als  ruhend  be- 
trachten. 

Wenn  nun  keinerlei  Femwirkung  zwischen  den  Strahlen 
und  den  Molecülen  bestände,  so  wäre  der  Zerstreuungs- 
coefficient  offenbar  gleich  dem  Gesammtquerschnitt  der  in 
einem  Cubikcentimeter  enthaltenen  Molecüle  unabhängig  von 
der  Geschwindigkeit  der  Strahlen. 

Ich  mache  deshalb  die  Annahme,  dass  zwischen  den 
Strahltheilchen  und  djsn  Molecülen  eine  Attraction  stattfindet, 
welche  proportional  ist  der  Masse  des  Molecüls  und  irgend 
einer  Function  f{r)  der  Entfernung  r  zwischen  dem  Strahl- 
theilchen und  dem  Molecül.  Dann  wird  offenbar  jedes  Theil- 
chen  in  der  Nähe  eines  Molecüls  aus  seiner  Bahn  abgelenkt 
werden,  und  zwar  umsomehr,  je  langsamer  es  sich  bewegt. 
Es  wird  sich  in  einer  hyperbolischen  Bahn  um  das  Molecül 
herumbewegen  und  wird  mit  demselben  zusammenstossen, 
wenn    sein    kürzester  Abstand  vom   Mittelpunkt   des  Molecüls 

f 


Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen,  118 

—  dem  Perihel  eines  Kometen  entsprechend  —  kleiner  oder 
gleich  dem  Radius  des  Molecüls  ist. 

Es  beende  sich  bei  O  (Fig.  4)  ein  Molecül  mit  der  Masse 
M^  die  Curve  stelle  die  Bahn  des  Strahltheilchens  dar.  Es 
sei  femer  A  0  eine  der  anfänglichen  Bahn  parallele  Gerade 
und  y  die  Entfernung  derselben  von  der  anfänglichen  Bahn^ 
welch  letztere  mit  einer  Asymptote  der  Hyperbel  zusammenfällt. 

Bezeichnet  man  mit  r  den  Radius vector,  mit  (p  den 
Winkel  zwischen  diesem  nnd  dem  Perihel,  mit  v^  die  Anfangs- 
geschwindigkeit des  Theilchens,  mit  m  seine  Masse,  so  ist 
nach  dem  Flächensatze: 

Die  anziehende  Kraft  sei  gegeben  durch  den  Ausdruck: 
hmMf{r\  wobei  A  eine  Constante  (analog  der  Gravitations- 
constante)  darstellt. 

Dann  wird  das  Energiegesetz  ausgedrückt  durch  die 
Gleichung: 

r 

(22)  ^-^^=hmMJar)dr. 


CO 


Im  Perihel  [r  =  r^]  ist 

dq> 

sodass  man   durch  Combination  von  (21)  und  (22)  und  Elimi- 
nation von  dq)jdt  erhält: 

(23)  !/'  =  rl  +  2^rlJf{r)dr. 


OD 


Ist  o  der  Radius  eines  Molecüls,  so  findet  ein  Zusammenstoss 
statt,  wenn 


oder 


(24) 


^0  ^  i' 


Q 


Bezeichnet  man  den  durch  Gleichung  (24)  gegebenen  Grenz- 
werth  von  y  mit  y^,  so  werden  alle  Strahlen,  die  ursprünglich 
innerhalb  eines  um  Ä  0  als  Axe  gelegten  Cylinders  vom  Ra- 

^  Ann.  d.  Phjt.  a.  Chem.    N.  F.    69.  8 


114  }r,  Kaufmann, 

dius  y^  gelegen  sind,  mit  dem  üfolecül  zusammenprallen.  Ist 
also  N  die  Zahl  der  im  Cubikcentimeter  vorhandenen  Molecüle. 
so  ist  Nny\  =i  b  der  ^jZerstreuungscoefficient^^;  also:  ^ 


(25) 


Q 

b  =  I/jtQ*  +  2n/i-^Q*  j'f(r)dr. 


00 


Nun   ist  NM^Dj   wenn  unter  D  die  Dichte  des  Gases 
verstanden  wird,  und  femer,    nach  der  Emissionstheorie: 

(26)  "0  =  2:^  r, 
folglich : 

Q 

(27)  b^Nn(>*+n^^-(,*Jnr)dr. 


00 


Bezeichnet  man,  wie  früher,  mit  Mq  das  Moleculargewicht, 
mit  p  den  Druck  des  Gases  in  Millimetern  Hg,  so  ist: 

(28)  i?  =  J^_J^  895.10-'. 

Folglich : 

e 

(29)  b  =  N7to^  +  n  — ^-^ f-Q^Jf(r)dr. 

Empirisch  war  dagegen  gefunden  (vgl.  Gleichung  (20): 

b  =  const.  X   '  rT-  9' 

Es  würde  also,  um  Uebereinstimmung  zwischen  dem  em- 
pirischen Resultat  und  Gleichung  (29)  zu  erzielen, 

1.  das  erste  Glied  in  (29)  zu  vernachlässigen  sein. 

o 

2.  (f*jf{r)dr  =  i>     oder     f{r)=^ 

sein.  Was  die  erste  Forderung  anbetrifft,  so  ist  nach  der 
kinetischen  Gastheorie  für  Stickstoff:  o  =  8,5 .  10-^  und  N  bei 
1000  mm  Druck  etwa  10*^  also  bei  30.10-3  mm  Druck 
^=3.10^5,  folglich 

iV;r(>a  =  0,68, 

f 


DifftLse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen.  115 

d.  h.  viel  grösser  als  die  grössten  beobachteten  Werthe  von  b\ 
man  müsste  also  annehmen,  dass  die  Grösse,  welche  wir  als 
Radius  des  Molecüls  bezeichnen,  für  die  Wechselwirkung 
zwischen  Strahltheilchen  und  Molecül  einen  kleineren  Werth 
hat,  als  f&r  die  gegenseitige  Einwirkung  zwischen  den  Mole- 
cülen  selbst. 

Die  Bedingung  f{r)  =  1/r*  dagegen  ist  von  etwas  zweifel- 
haftem Werthe;  denn  wenn  überhaupt  q  nicht  identisch  ist 
mit  dem  aus  der  kinetischen  Gastheorie  berechneten  Werthe, 
so  braucht  es  auch  nicht  mit  demselben  proportional  zu  sein, 
und  es  kann  die  für  die  drei  Gase  gefundene  üeberein- 
stimmung,  wie  bereits  oben  angedeutet,  eine  zufällige  sein; 
es  bliebe  dann  immer  noch  die  Beziehung  zu  p  und  V,  sowie 
die  angenäherte  (etwas  anderes  behauptet  auch  Lenard  be- 
züglich der  Absorption  nicht)  Proportionalität  mit  der  Masse, 
wenn  man  q  bei  den  einzelnen  Gasen  als  nur  wenig  ver- 
schieden betrachtet. 

(Setzt  man  versuchsweise  f[r)=i  1/r*,  nimmt  man  femer 
an,  dass  c  gleich  der  Ladimg  eines  elektrolytischen  Ions,  also 
m  ungefähr  1800  mal  kleiner  als  die  Masse  eines  Wasserstofif- 
atoms  sei,  und  setzt  o  etwa  gleich  10-^^,  um  Forderung  I  zu 
erfüllen,  so  erhält  man  für  h  eine  Zahl  von  der  Ordnung  10*®, 
während  die  Newton'sche  Gravitationsconstante  nur  6,5.10"^ 
beträgt.) 

Es  erübrigt  noch,  sich  eine  Vorstellung  von  dem  Me- 
chanismus der  sogenannten  „Äbsarpäon^^  der  Eathodenstrahlen 
zu  machen.  Dieselbe  ist  quantitativ  nur  von  Lenard^)  unter- 
sucht worden,  und  zwar  auf  photometrischem  Wege.  Vom 
Standpunkte  der  Emissionstheorie  kann  unter  der  j,Äbsorption^^ 
consequenterweise  nichts  anderes  verstanden  werden  als  eine 
Energieverminderung  der  Strahlen  durch  die  Zusammenstösse 
mit  den  Molecülen.  In  der  That,  betrachtet  man  ein  Strahlen- 
büschel, das  von  einem  Lenard'schen  Fenster  allseitig  aus- 
strahlt, so  kann  dasselbe  durch  die  Zerstreuung  allein  nicht 
geschwächt  werden,  da  jeder  Punkt  das,  was  ihm  an  directen 
Strahlen  verloren  geht,  durch  zerstreute  ersetzt  bekommt. 
Nimmt  man  dagegen  an,  dass  bei  jedem  Stosse  ein  gewisser 


1)  F.  Lenard,  1.  c. 
I  8' 


116  IF,  Kaufmann, 

Bnichtheil  an  Energie  verloren  geht,  so  muss  man  einen  Ab- 
sorptionscoefficienten  erhalten,  der  bei  einem  bestimmten  Gase 
dem  jeweiligen  Zerstreuungscoefficienten  proportional  ist. 

Es  stelle   in  Fig.  5  M  ein  Gastheilchen,   m   ein  Strahl- 
theilchen  dar  mit  den  Massen  M  bez.  m,  wobei  M  sehr  gross 

gegen  m  angenommen  werde;   die 

0  Verbindungslinie  der  Mittelpunkte 

im    Momente     des    Stosses    bilde 
mit  der  ursprünglichen  Bewegungs- 
richtung den  Winkel  (p ;  dann  wird 
^  nach  dem  Stosse  nur  die  normale 

Fig.  5.  Componente   der  Geschwindigkeit 

eine  Abnahme  erfahren  haben,  die 
tangentiale  Componente  dagegen  unverändert  sein.  Bezeichnet 
man  die  Bewegungsenergie  des  Theilchens  mit  E^  so  ist 


(30) 


E  =  -"*-  »2  (cos«  m  +  sin*  a)  =  Ä  +  ^ 


Nach  dem  Stosse  hat  E^  abgenommen  und  zwar  nach  den  Ge- 
setzen des  elastischen  Stosses  um 

^KZ   =  4~^cos>. 

Es  mögen  auf  eine  zur  Beweguugsrichtung  der  Strahlen 
senkrechte  Flächeneinheit  n-Theilchen  auftreffen,  dann  treffen 
auf  einen  fUng  von  der  Breite  Qdtp  und  dem  Radius  q  sin  ^: 

2'jinQ^  sin  (jp  cos  tpdtp 

Theilchen;    es  ist  also  der   gesammte  Energieverlust   sämmt.- 
licher  das  Molecül  treffenden  n;r(>^-Theilchen: 

(31)  AE^S-'^Enno^  fcos^  cp  sin  q. d(f 

0 

und  der  mittlere  relative  Energieverlust  eines  Theilchens: 

(32)  V  =  -^-       -.-=2-it- 

^  '  E      nn{)*  M 

Die   relative   Zahl   der   Zusammenstösse    pro   Centimeter 

t 


a  = 

^^  M 

m 
M 

a 
~   2b' 

Diffuse  Zerstreuung  der  KatkodenstrMen.  117 

WegläDge  ist  gleich  dem  Zerstreuungscoefficienten  b,  sodass  der 
Absorptionscoefficient 

(33) 

wird,  oder 

(34) 

Setzt  man  nun  sowohl  b  wie  M  proportional  dem  Molecolar- 
gewichte,  so  würde  sich  a  unabhängig  von  demselben  ergeben, 
was  den  Beobachtungen  Lenard's  widerspricht;  man  muss 
vielmehr,  um  mit  der  Erfahrung  im  Einklang  zu  bleiben,  M 
constant  setzen.  Der  absolute  Werth  von  M  folgt  aus  Glei- 
chung (34)  unter  der  schon  oben  gemachten  Annahme,  dass 
die  Ladung  des  Strahltheilchens  gleich  der  eines  Ions  sei,  also: 

(35)  m  =        ' 


1,8 .  10^ 

und,  da  für  Stickstoff 

€  =  -ry-  Mif  (ify  =  absol.  Masse  eines  N- Atoms), 

Andererseits  erhält  man  aus  Gleichung  (32)  unter  Zugrunde- 
legung der  von  Lenard  bei  etwa  40000  Volt  gefundenen 
Werthe  von  a,  und  der  von  mir  angegebenen  Werthe  von  b: 

(37)  ^  =  14.10-3, 
woraus  folgt: 

(38)  4-  =  2,7.10-3. 

Es  liegt  nahe,  die  Masse  M  als  diejenige  eines  „Uratoms^^ 
anzusehen,  aus  welchen  nach  der  Prout'schen  Hypothese  die 
chemischen  Atome  zusammengesetzt  sein  sollen;  es  würde  dann 
die  beim  Zusammenstosse  von  dem  Strahltheilchen  abgegebene 
Energie  sich  nur  zum  Theil  in  fortschreitende  Energie  der  Gas- 
molecüle  (Temperaturerhöhung  des  Gases),  zum  anderen  Theil 
in  Schwingungsenergie  der  „  Uratome^^  verwandeln,  was  mit  der 
Annahme  Goldstein's^)  durchaus  im  Einklang  ist,   dass  das 


1)  £.  Goldsteio,  1.  c. 


118     W.  Kaufmann.    Diffuse  Zerstreuung  der  Kathodenstrahlen. 

negative  Glimmlicht  durch  Absorption  der  Kathodenstrahlen 
entstehe.  ^ 

(Zu  einer  ähnlichen  Auffassung  ist,  wenn  auch  auf  etwas 
anderem  Wege,  auch  schon  J.  J.  Thomson^)  gelangt.) 

Es  beträgt  nach  den  Gleichungen  (37)  und  (38),  bezogen 
auf  die  Masse  des  H- Atoms  als  Einheit: 

1.  die  Masse  eines  Uratoms  M=  0^038: 

2.  die  Masse  eines  Strahltheilchens  m  =  0,00053. 

Ein  H-Atom  würde  demnach  aus  etwa  26  Uratomen  zu- 
sammengesetzt sein. 

Berlin,  Physikal.  Institut,  Juni  1899. 


1)  J.  J.  Thomson,  1.  c. 

(EingegaDgen  19.  Juli  1899.) 


^ 


8.   lieber  den  in  Madiometem  auftretenden  Druck; 

von  Eduard  Riecke. 

(Aus  den  Nachr.  d.  Kgl.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  zu  Göttingen  p.  166.  1899. 

mit  einigen  Aenderungen  abgedruckt.) 


In  einer  Arbeit,  welche  ich  am  15.  August  1877  der  Kgl. 
G-es.  d.  Wissensch.  vorgelegt  hatte  ^),  habe  ich  eine  Methode 
beschrieben,  mit  deren  Hülfe  der  in  Radiometern  auf  die 
Flügel  des  Rädchens  ausgeübte  Druck  in  verhältnissmässig 
sehr  einfacher  Weise  bestimmt  werden  kann.  Ich  habe  in  der 
Arbeit  hervorgehoben,  dass  die  von  mir  angegebenen  Zahlen- 
werthe  nur  die  Grössenordnung  jenes  Druckes  wiedergeben; 
zu  einer  wirklichen  Berechnung  des  Druckes  ist  die  Kenntniss 
des  Trägheitsmomentes  nöthig,  welches  das  Flügelrädchen  be- 
sitzt; dieses  aber  hatte  ich  nur  geschätzt  und  nicht  gemessen. 
Ich  bin  an  diese  weit  zurück  liegenden  Beobachtungen  durch 
eine  neue  Arbeit  von  Donle*)  erinnert  worden.  Donle  hat 
mit  Hülfe  von  Bifilarwaagen  Druckmessungen  ausgeführt^ 
welche  unter  sich  eine  recht  gute  Uebereinstimmung  zeigen. 
Aus  dem  Vergleiche  seiner  Zahlen  mit  den  von  mir  früher  an- 
gegebenen zieht  er  den  Schluss,  dass  meine  Werthe  40 — 60  mal 
grösser  seien  als  die  seinigen.  Aus  einem  Fehler  der  Schätzung 
konnte  ich  mir  eine  so  grosse  Differenz  nicht  erklären;  ich 
musste  also  fürchten,  dass  meiner  Methode  ein  principieller 
Fehler  anhafte.  Nun  hatte  ich  dieselbe  Methode  benutzt,  um 
den  Reactionsdruck  der  Eathodenstrahlen  zu  bestimmen;  es 
lag  mir  also  daran,  den  Grund  der  Differenz  aufzuklären.  Zu- 
nächst ergab  sich  nun,  dass  bei  der  Reduction  der  von  mir 
seiner  Zeit  benutzten  Maasse  auf  cmgsec  ein  Versehen  ge- 
macht worden  war.  Die  von  mir  gefundenen  Werthe  sind 
thatsächlich   nur  4 — 6  mal  grösser   als  die  Werthe  Donle *s. 


1)  £.  Riecke,  Göttinger  Nachr.  p.  500.  1S77. 

2)  W.  Donle,  Wied.  Ann.  68.  p.  306.  1899. 


120  E.  Blecke. 

Eine  solche  Differenz  aber  konnte  immerhin  durch  Fehler  in 
meiner  Schätzung  erklärt  werden.  Ich  habe  daher  nachträg-  ^ 
lieh  die  Trägheitsmomente  der  bei  den  Beobachtungen  be- 
nutzten Radiometerkreuze  gemessen;  die  damit  berechneten 
Werthe  der  Drucke  stimmen  mit  den  von  Do  nie  gefundenen 
recht  wohl  überein,  wie  sich  aus  dem  Folgenden  ergiebt. 

In  der  angeführten  Arbeit  habe  ich  für  den  Drehungs- 
winkel (p  des  Flügelrädchens  in  seiner  Abhängigkeit  von  der 
Zeit  den  folgenden  Ausdruck  abgeleitet: 

Der  Anfangspunkt  der  Zeit  fällt  zusammen  mit  dem  Mo- 
mente, in  dem  das  Licht  auf  das  Radiometer  zu  wirken  be- 
ginnt; cc  ist  der  constante  Endwerth  der  Winkelgeschwindig- 
keit; die  Bedeutung  von  r  ergiebt  sich  aus  der  Bemerkung, 
dass  für  grosse  Werthe  der  Zeit  i  an  Stelle  der  obigen  Glei- 
chung die  einfachere  gesetzt  werden  kann: 

(p  ==1  a{t  —  t). 

Bezeichnen  wir  ausserdem  das  Trägheitsmoment  des  Radio- 
meters durch  K,  die  Gesammtfläche  der  Flügel  durch  Q,  den 
Abstand  zwischen  der  Drehungsaxe  und  der  Mitte  der  Flügel 
durch  /,  so  ergiebt  sich  zur  Berechnung  des  auf  die  Flügel 
ausgeübten  Druckes  die  Gleichung: 

«  K 

Die  Bestimmung  der  Trägheitsmomente  K  erfolgte  nach 
der  Gau  SS 'sehen  Methode.  Es  wurde  dabei  als  Träger  der 
Radiometerkreuze  ein  biiilar  aufgehängter  Aluminiumcylinder 
benutzt,  dessen  Trägheitsmoment  K^  aus  den  Dimensionen  und 
aus  dem  Gewichte  berechnet  werden  konnte.  Es  ergab  sich 
K^  =  0,335.  Das  Gewicht  des  Aluminiumcylinders  betrug  1,847  g. 

Radiometer  L 

Für  dieses  Radiometer  war  Q  =  6,20  qcm.,  /  =  1,87  cm. 
Die  Masse  des  Kreuzes  betrug  0,108  g.  Um  das  Trägheits- 
moment zu  finden,  wurde  zuerst  die  Schwingungsdauer  T^  des 


lieber  den  in  Eadiometem  auftretenden  Druck,  121 

Aluminiumcyliuders  zweimal  gemessen.  Bei  aufgelegtem  Flügel- 
I  radchen  wurden  die  Schwingungen  stark  gedämpft  und  die 
Genauigkeit  der  Beobachtungen  wurde  dadurch  erheblich  ver- 
mindert. Bei  aufgelegtem  Rädchen  wurden  daher  10  Messungen 
der  Schwingungsdauer  T  ausgeführt.  Zum  Schluss  wurde  noch 
zweimal  die  Schwingungsdauer  des  Aluminiumcyliuders  allein 
beobachtet.  Die  Resultate  der  Beobachtungen  sind  im  Folgen- 
den zusammengestellt. 

Schwingungsdauer  des  Aluminiumcylinders: 

2,644  2,664  2,667  2,674 

Im  Mittel: 

Tq  =  2,662. 

Bei    aufgelegtem  Kreuze   ergaben    sich  die  Schwingungs- 
dauern: 

3,533  3,500  3,500  3,442  3,500 

3,448  3,448  3,500  3,500  3,517 


Im  Mittel: 


r  ==•3,489. 


Bei  diesen  Schwingungen  ist  aber  die  Directionskraft  nur 
zu  einem  Theile  durch  die  Bifilarsuspension,  zu  einem  anderen 
Theile  durch  die  Torsion  der  Coconfäden  gegeben.  Um  den 
letzteren  Antheil  berechnen  zu  können,  wurde  der  Aluminium- 
cvlinder  schliesslich  noch  an  einem  einzelnen  Coconfäden  auf- 
gehängt,  welcher  dieselbe  Länge  besass,  wie  die  bei  der  Bifilar- 
suspension benutzten.  Es  ergaben  sich  jetzt  die  folgenden 
Schwingungsdauern : 

7,22  7,28  7,23  7,24 

Im  Mittel: 

T  =  7,242  sec. 

Wir  bezeichnen  die  Directionskraft  der  Bifilarsuspension 
durch  öj,,  wenn  sie  nur  durch  den  Aluminiumcylinder,  durch 
D,  wenn  sie  ausserdem  durch  das  Flügelrädchen  belastet  ist; 
femer  verstehen  wir  unter  A  die  Directionskraft,  welche  der 
Torsion  eines  Coconfadens  entspricht,  unter  m^  das  Gewicht 
des  Aluminiumcylinders,  unter  m  das  Gewicht  des  Rädchens. 
Wir  haben  dann  die  Gleichungen: 


122 


• 


E.  Rieche. 

r»       K^  +  K 

n«   •"   D  +  2J' 

^^0  =  AK  +  'w)- 

Daraus  ergiebt  sich: 

1  +  2    ^  ^'*« 


iC     .     ,  r«     Wo  +  /w  Z>o      /Wo  +  w  Z>o         T« 


Setzt  man  in  diesen  Gleichungen  die  früher  angegebenen 
numerischen  Werthe  ein,  so  findet  man: 

K  =  0,265. 

Mit  Hülfe  dieses  Werthes  ergiebt  sich  aus  den  in  der 
früheren  Arbeit  mitgetheilten  Beobachtungsreihen  die  folgende 
Zu  sammenstellung : 


Abstand  der  Flamme 

von  dem  Radiometer 

• 

T 

P 

80  cm 

0,203 

11,2 

0,000  417 

70  cm 

0,303 

11,8 

0,000  586 

Als  Lichtquelle  diente  eine  voll  brennende  Argandlampe. 
Bezeichnen  wir  den  Abstand  der  Lichtquelle  von  dem  Radio- 
meter mit  e,  so  ergiebt  sich  aus  der  ersten  Beobachtungsreihe: 

/?«2  =  2,67, 
aus  der  zweiten 

p«2  =  2,87. 
Im  Mittel  wird 

pe^  =  2,n  . 

In  einer  Entfernung  von  50  cm  wird  daher  der  Druck 
der  Lichtstrahlen  auf  die  Radiometerflächen  gleich 

0,00111       g.cm-i.sec-2. 

Dieses  Resultat  stimmt  mit  den  von  W.  Do  nie  gegebenen 
Werthen  von  0,0007 — 0,0008  Dynen  pro  Quadratcentimeter  so 
weit  überein,  als  es  bei  der  Verschiedenheit  der  Versuche  er- 
wartet werden  kann. 


lieber  den  in  Radiometern  auftretenden  Bruch.  123 


Badiometer  II. 

Bei  diesem  Kadiometer  war  Q  =  6,76  qcm,  /  =  1,67  cm. 
Die  Masse  des  Kreuzes  betrug  0,106  g.  Für  die  zur  Be- 
rechnung des  Trägheitsmomentes  nöthigen  Schwingungsdauern 
wurde  mit  Benützung  einer  etwas  anderen  Suspension  gefunden: 

?;,  =  2,737  und  r=  3,352. 

Die  Schwingungsdauer  T  war  wie  zuvor  gleich  7,242  See. 

Daraus  ergab  sich  für  das  Trägheitsmoment  der  Werth 
K  =  0,188.  Die  Normalen  der  Flügelflächen  waren  gegen  die 
Horizontale  geneigt;  für  die  Neigungswinkel  ergaben  sich  die 
Werthe:  40  ^  23  ^  21<>und36^.  Bezeichnet  man  diese  Winkel 
mit  ^j,  (f^^  (f^j  (p^,  so  erhält  man  zur  Berechnung  des  auf  die 
Flügel  ausgeübten  Druckes  die  Formel: 

_   «  Ä^ 4 

"        Q  It     cos  (pi  +  C08  <p2  +  cos  gpg  +  cos  9)4 

Auf  Grund   der   früher   mitgetheilten  Beobachtungen  er- 
giebt  sich  nun  die  folgende  Zusammenstellung: 

Abstand  der  Flamme 
von  dem  Radiometer 


40  cm 

0,455 

28,6 

0,000  808 

40 

0,494 

28,9 

0,000  882 

40 

0,528 

25,0 

0,000  406 

37 

0,720 

28,8 

0,000  600 

87 

0,690 

17,9 

0,000  747 

87 

0,770 

18,7 

0,000  800 

Zu  einem  Vergleiche  mit  anderen  Messungen  sind  die  mit 
dem  zweiten  Radiometer  angestellten  Beobachtungen  wenig 
geeignet.  Bei  den  verhältnissmässig  kleinen  Abständen  zwischen 
Lampe  und  Badiometer  musste  die  Lampe  kurz  geschraubt 
werden,  um  die  Botationsgeschwindigkeit  in  schicklichen 
Grenzen  zu  halten.  Daher  wechselte  die  Intensität  der  Licht- 
quelle von  Versuch  zu  Versuch  in  einer  nicht  weiter  zu  be- 
stimmenden Weise.  Aber  auch  das  Radiometer  selbst  genügte 
nicht  den  bei  der  Ableitung  der  Formel  gemachten  Voraus- 
I    Setzungen,   sofern   die  Reibung   des  Bädchens   auf  der  Spitze 


124     E.  Riecke,    lieber  den  in  Eadiometem  auftretenden  Druck, 

mit   der  Rotationsgeschwindigkeit   zunahm.     Nimmt   man   an. 

dass  die  radiometrische  Wirkung  dem  Quadrate  des  Äbstandes , 

umgekehrt  proportional  sei,  so  ergeben  sich  für  einen  Abstand 

von  50  cm  die   folgenden  Drucke   auf  die  Flügel  des  zweiten 
Radiometers: 

0,000  197        0,000  212        0,000  264 
0,000  329        0,000  409        0.000  437 

Sie  liegen  zwischen  den  Drucken,  welche  Donle  für  eine 
Stearinkerze  und  für  einen  Auerbrenner  bei  50  cm  Abstand 
gefunden  hat. 

(Eingegangen  10.  August  1S99.) 


\ 


Dielektrische   Untersuchungen  und  elektrische 
I>rahtW€llen;  van  W.  JD.  Coolidge. 


Einleitung. 

Im  Folgenden  ist  eine  Methode  zur  Untersuchung  kleiner 
ibstanzmengen  vermittels  elektrischer  Drahtwellen  beschrieben, 
liehe  eine  grosse  Genauigkeit  in  der  Bestimmung  der  Di- 
tktricitätconstanten  und  der  elektrischen  Absorption  erreichen 
st.  Diese  Methode  ist  eine  Modification  des  von  Drude  ^) 
gewandten  Verfahrens,  nach  welchem  die  Itesonanzlänge 
es  Drahtsystemes  aufgesucht  wird,  welches  einen  kleinen 
t  der  zu  untersuchenden  Substanz  gefüllten  Condensator 
hält.  Hier  dagegen  wird  dieser  Condensator  in  das  Erreger- 
tem  eingeschaltet  und  die  dadurch  herbeigeführte  Aende- 
ig  der  Wellenlänge  bez.  der  Dämpfung  bestimmt.  Dadurch 
'd  die  Genauigkeit  erheblich  gesteigert  und  es  lassen  sich 
ßh  viel  schwächere  Absorptionen   noch  deutlich  constatiren. 


Experimenteller  Theil. 

I.  Benutzung  der  Bio ndlo tischen  Wellenerregxing. 
1.  Die  Versuchsanordnang. 

Die    specielle    Anordnung    des   Apparates   war    folgende 
[1.  Fig.  1).     Die   2  mm    dicken    Erregerdrähte    E,  E  des 


c     B, 


S) 


4 


\r 


o 


Fig.  1. 

on dl 0 tischen  Erregers   umschlossen  einen  Kreis  von  5  cm 
irchmesser.     Die  Empfängerdrähte   waren   von  Kupfer   und 


1)  P.  Drude,   Zeitschr.  f.  phjsik.  Chem.  23.  p.  282.  1897;    Wied. 
n.  61.  p.  466.  1897. 


126 


JF.  D.  Goolidge. 


hatten  einen  Durchmesser  von  1  mm  und  eine  gegenseitige 
Entfernung  von  1,9  cm.  C  war  ein  kleiner  mit  Platinelektroden 
versehener  Glaskolben,  welcher  mit  der  zu  untersuchenden^ 
Substanz  beschickt  wurde.  Wo  es  auf  eine  genaue  Eenntniss 
der  Temperatur  ankam,  oder  wo  dieselbe  verschieden  von  der 
Zimmertemperatur  sein  sollte,  wurde  ein  Kolben  von  der  Ge- 
stalt (Fig.  2)  angewandt  —  der  Kolben  hing  dann  in  einem 
Oelbad.  Wo  dieses  aber  nicht  der  Fall  war,  wurde  ein  Kolben, 
wie  der  in  Fig.  3  abgebildete,  benutzt.  Für  kleine  Capacität 
bestanden    die    Elektroden    aus    einfachem    Platindraht,    f)lr 


'/«  nat  Grösse 


'/4  nat  Grösse 


Fig.  2. 


Fig.  8. 


grössere  Capacität  wurden  Platinplatten  (p  p  \n  den  Figuren) 
an  die  Drähte  {dd)  geschweisst.  In  beiden  Fällen  lagen  die 
Elektroden  zu  einander  in  der  aus  den  Figuren  ersichtlichen 
Weise,  sodass  durch  einfache  Biegung  der  die  Elektroden 
tragenden  Drähte  die  Capacität  geändert  werden  konnte.  Als 
Wellenindicator  diente  eine  Zehnder'sche  Röhre i)Ä,  welche 
stets  ^4  Wellenlänge  hinter  der  ersten  Brücke  (vom  Erreger 
aas  gerechnet)  aufgestellt  wurde.  Bei  meinen  ersten  Versuchen 
wurden  immer  durch  Verschiebung  einer  hinteren  Brücke  jS, 
fünf  Resonanzlagen  bestimmt,  bei  denen  die  Röhre  R  gut  auf- 
leuchtete. Die  Distanz  zwischen  den  Resonanzlagen  ist  die 
halbe  Wellenlänge  ^/^A  der  Erregerschwingung,  in  Luft  ge- 
messen. Vermittels  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  wurde 
die  halbe  Wellenlänge  ^j^  X  berechnet.  In  der  Weise  war  es 
möglich,  YgA  etwas   genauer   zu  ermitteln,   als  wenn  nur  die 

1)  L.  Zehnder,  Wied.  Ann.  47.  p.  82.  1892;  die  Röhre  war  hier 
in  vereinfachter  Form  angewendet,  indem  die  hier  üherflüssigen  Elektro- 
den der  Röhre  fortgelassen  waren. 


Dielektrische   Untersuchungen,  127 

ersten  zwei  Elnoten  beobachtet  wurden.  Wegen  zweier  Um- 
stände ist  dieser  Vortheil  aber  viel  geringer ,  als  man  er- 
warten sollte:  erstens  ist  man  beim  Beobachten  der  letzten 
Knoten  nothwendigerweise  so  weit  von  der  Röhre  entfernt. 
dass  das  Aufleuchten  derselben  sich  nicht  so  genau  beurtheilen 
lasst,  und  zweitens  nimmt  mit  wachsendem  Abstand  vom  Er- 
reger der  Unterschied  zwischen  Knoten-  und  Bauchstärke  ^) 
ab,  dementsprechend  wird  die  Genauigkeit  der  Beobachtungen 
kleiner.  Zur  Erhöhung  der  Genauigkeit  der  Einstellungen  der 
Brücke  B^  achtet  man  zweckmässig  nur  auf  das  Leuchten  in 
dem  kleinen  Ansatzstück  Ä  (Fig.  1)  der  Zehn  der 'sehen  Röhre.^) 
£s  genügt  dann  vollkommen,  wenn  man  mit  der  Brücke  B^ 
den  ersten  und  den  zweiten  Knoten  bestimmt,  deren  Lagen 
sich  bei  den  von  mir  angewendeten  Wellenlängen  (A  =  1  m 
bis  1,5  m)  mit  0,2  mm  Genauigkeit  messen  Hessen.  Man 
nähert  die  Brücke  dem  Knoten  von  beiden  Seiten  desselben 
und  nimmt  den  Mittelwerth  von  diesen  Einstellungen,  bei  denen 
das  Ansatzstück  Ä  anfängt  aufzuleuchten.  Durch  Aenderung 
der  Entfernung  der  Ansatzröhre  A  von  den  Drähten  kann  die 
Entfernung  zwischen  den  zwei  Einstellungen  beliebig  klein 
gemacht  werden.  Wenn  diese  Entfernung  gross  ist  (besonders 
bei  beträchtlicher  Dämpfung),  so  stimmt  der  Mittelwerth  nicht 
genau  mit  dem  Knoten  überein.  Der  hierdurch  gemachte 
Fehler  ist  aber  gering,  wenn  man  zwei  aufeinanderfolgende 
Knoten  beobachtet.  ^)  Jedenfalls  darf  die  Röhre,  wenn  nur 
eine  Knotenlage  gemessen  werden  soll,  während  der  Messungen 


1)  Unter  Knoten-  und  Bauchstärke  ist  zu  verstehen  die  Intensität 
der  Schwingungen  bei  der  Röhre,  wenn  die  zweite  Brücke  auf  einem 
Knoten  bez.  Bauch  der  elektrischen  Kraft  liegt. 

2)  Wird  die  zweite  Brücke  in  die  Nähe  einer  Knotenlage  geschoben, 
so  leuchtet  die  Zehnder'sche  Röhre  zunächst  nur  in  dem  Haupttheile 
auf;  das  Ansatztück  A  leuchtet  erst  bei  stärkerer  Erregung,  d.  h.  bei 
weiterer  Annäherung  von  B^  an  diesen  Knoten.  Die  dementsprechende 
Brückenlage  lässt  sich  viel  schärfer  bestimmen  als  die  Lage,  in  der  eine 
starke  Aenderung  in  der  Intensität  des  Aufleuchtens  der  Hauptröhre  ein- 
tritt. Die  zwei  Theile  der  Röhre  können  als  zwei  verschiedene  Röhren 
aufgefiasst  werden;  die  kleinere  wird  durch  die  andere  angeregt,  und  eine 
Röhre,  welche  so  angeregt  wird,  ist  bekanntlich  empfindlicher  und  functio- 
nirt  viel  regelmässiger,  als  ohne  Nebenerregung. 

3)  Für  absorbirende  Substanzen  ist  dies  unbedingt  nothwendig. 


128  r.  L.  Coolidge. 

nicht  mehr  verschoben  werden.  Die  erste  Brücke  B^  war 
zur  Erde  abgeleitet  und  war  gerade  oder  gebogen,  je  nachdem 
weniger  oder  mehr  Energie  über  die  Brücke  B^  herübergehen* 
soUte.  Die  zweite  Brücke  B^  war  1,9  cm  lang  und  war  mit 
einem  schweren  zugespitzten  Metallstück,  welches  als  Zeiger 
diente  und  über  einer  Millimetertheilung  spielte,  verbunden. 
Die  Wellenlänge  ist  von  der  Capacität  des  Kolbens,  d.  h.  von  der 
Dielektricitätsconstante  der  ihn  erfüllenden  Substanz  abhängig. 
Den  elektrischen  Absorptionsindex  derselben  findet  man  aus 
der  zeitlichen  Dämpfung  der  Wellen,  welche  man  aus 
der  Anzahl  der  hinter  B^  zu  beobachtenden  Knotenzahl  er- 
schliessen  kann. 

Die  quantitativen  Verhältnisse  sollen  später  im  theore- 
tischen Theile  berechnet  werden.  Zur  Ermittelung  der  Di- 
elektricitätsconstanten  im  Condensator  C  ist  es  am  genauesten 
und  bequemsten,  wenn  man  durch  Füllung  mit  verschiedenen 
Aichflüssigkeiten  die  Abhängigkeit  der  Wellenlänge  von  den 
Dielektricitätsconstanten  ermittelt.  Bei  den  hier  zunächst  zu 
beschreibenden  Messungen  ist  jede  Substanz  mit  drei  Aich- 
flüssigkeiten verglichen.  Als  Aichflüssigkeiten  wurden  Mischungen 
von  Benzol  und  Aceton  benutzt  und  deren  Dielektricitäts- 
constanten nach  den  Bestimmungen  von  Drude  (1.  c.)  an- 
genommen.    Deren  Fehler  wird  wohl  kleiner  als  1  Proc.  sein. 

2.  Controlversuche. 

Die  Tab.  I  zeigt  die  Brauchbarkeit  der  Methode.  In  der 
ersten  Columne  6,  befinden  sich  die  nach  der  beschriebenen 
Methode  ermittelten  Dielektricitätsconstanten.  Die  zweite  Co- 
lumne «2  enthält  die  für  dieselben  Präparate  vermittels  des 
Drude'schen  Apparates  gewonnenen  Werthe.  Dieser  Apparat 
wurde  auch  benutzt  zur  Ermittelung  der  in  der  dritten  Co- 
lumne 63  sich  befindlichen  Werthe  für  frischere  Präparate. 
Die  vierte  Columne  a^  enthält  die  von  Drude  ^)  angegebenen 
Dielektricitätsconstanten.  Die  beigefügten  Zahlen  in  kleinerer 
Schrift  sind  die  Beobachtungstemperaturen  in  Graden  Celsius. 
Die  letzten  vier  Columnen  enthalten  die  gemessenen  Dielektri- 
citätsconstanten  auf  die  Temperatur  &  =  15,0^  umgerechnet; 


1)  P.  Drude,  Zeitechr.  f.  physik.  Chem.  23.  p.  2.  1897. 


Dielektrische   Untersuchungen. 


129 


ich  benutzte  die  von  Löwe  ^)  ermittelten Temperaturcoefficienten. 
I  Die  Beobachtungen  für  Aethylacetat  zeigen,  dass  in  diesem 
Falle  das  ältere  Präparat  eine  Aenderung  erlitten  hatte,  aber 
die  Beobachtungen  für  ein  und  dasselbe  Präparat  stimmen  gut 
miteinander  überein. 

Tabelle  1. 


Substanz 

e,      1     ßj 

1 
ej          €4       ßj  her. 

e,  ber. 

e,  ber. 

«4  ber. 

Aethylacetat 

6,28i«    6,28i7 

5,89i7 

5,8520     6,80 

6,81 

5,92 

5,92 

Isobutylacetat 

5,81  le  1  5,82i7 

— 

5,27i»  1  5,83 

5,35 

— 

5,34 

Butylacetat 

4,98i&    5,0l30 

5,02ai 

5,00i9     4,98 

5,08 

5,10 

5,05 

Amylacetat 

4,76iB  i     — 

— 

4,79i«  !  4,76 

4,83 

Phenyiacetat 

5,26i7  1     — 

— 

5,29i»     5,27 

— 

5,32 

Amylbenzoat 

4,95i5    5,02i7 

4,9930 

4,99i9     4,95 

5,03 

5,02 

5,02 

Isobutylbenzoat 

5,43ii  '  5,40i7 

— 

5,43i8     5,42 

5,42 

5,4H 

3.    Dielektricitätsconstanten  einiger  verflüssigter  Gase. 

Für  diese  Bestimmungen  wurde  ein  Kolben  von  der  in 
Fig.  3  abgebildeten  Form  benutzt.  Derselbe  wurde  aus  einer 
Glasröhre,  welche  einen  äusseren  Durchmesser  von  7  mm  und 
eine  Wandstärke  von  2  mm  hatte,  gefertigt.  Der  untere  Theil 
des  Kolbens  hatte  einen  Durchmesser  von  1,5  cm  und  eine 
Wandstärke  von  etwa  2,5  mm.  Der  Hals  wurde  sehr  lang 
(25 — 30  cm)  gemacht,  und  sicherheitshalber  Hess  ich  den  ganzen 
Kolben  nach  dem  Blasen  in  heisser  Asche  abkühlen.  Zum 
Füllen  wurde  der  Kolben  in  eine  Kältemischung  gebracht; 
das  zu  untersuchende  Gas  wurde  durch  eine  dünne  Glasröhre 
in  den  Kolben  geleitet.  Nachdem  sich  eine  genügende  Flüssig- 
keitsmenge gesammelt  hatte,  wurde  der  Hals  des  Kolbens  zu- 
geschmolzen. Der  Kolben  wurde  jetzt  aus  der  Kältemischung 
genommen  und  einige  Zeit  stehen  gelassen.  Nachdem  er  seine 
Fähigkeit,  den  Druck  auszuhalten,  gezeigt  hatte,  wurde  er, 
wie  gewöhnlich,  auf  die  parallelen  Drähte  gelegt  und  Y2  ^^  ^®" 
stimmt.  Zur  Bestimmung  der  Temperatur  wurde  ein  Thermo- 
meter ganz  in  der  Nähe  des  Kolbens  aufgehängt.  Dann 
wurde  der  Kolben  wieder  in  die  Kältemischung  gebracht.  Nach- 
dem   der  Druck    sich   genügend    erniedrigt   hatte,   wurde  das 


l)  K.  F.  Löwe,  Wied.  Ann.  66.  p.  390.  1898. 
Ann.  d.  Phjs.  a.  Cbem.    N.  F.    69. 


130 


r.  B:  Coolidge. 


obere  Ende  des  Halses  abgeschnitten  und  die  Flüssigkeit  aus- 
gegossen. Dann  konnte  der  Kolben  mit  verschiedenen  FüILa, 
flüssigkeiten  geaicht  werden.  In  den  folgenden  Tabellen  II, 
in  und  IV  beziehen  sich  die  Nummern  in  der  ersten  Columne 
auf  diese  Füllflüssigkeiten  (Benzol — Acetongemische).  Die 
Werthe  von  ^2  ^  sind  in  Centimetern  angegeben.  Die  Tabellen 
geben  auch  die  Reihenfolge  der  Messungen. 

Schwefeldioxyd,  Dasselbe  wurde  durch  Behandlung  von 
Kupfer  mit  heisser  concentrirten  Schwefelsäure  dargestellt  und 
wurde  zum  Trocknen  durch  concentrirte  Schwefelsäure  geleitet. 
Die  Absorption  wurde  nicht  gemessen,  aber,  da  die  Zehn  der '- 
sehe  Röhre  hell  aufleuchtete,  so  war  sie  sicher  nicht  bedeutend. 
In  Tab.  II  wurden  die  zwei  Bestimmungen  für  SO^  bei  zwei 
verschiedenen  Füllungen  des  Kolbens  gemacht. 

Tabelle  IL 


Substanz 

*'•  iL 

Temp. 

£ 

BCDZOl 

49,28 

16,0 

2,27 

Schwefeldioxyd 

60,99 

15,0 

13,75 

Beozol 

49,44 

15,0 

2,27 

Schwefeldioxyd 

61,00 

14,0 

13,75 

7 

61,86 

16,0 

14,5 

6 

57,25 

15,2 

10,4 

8 

65,68 

15,0 

17,6 

Ammoniak.  Das  Gas  wurde  durch  Erwärmung  von 
Ammoniakwasser  dargestellt.  Zum  Trocknen  wurde  es  durch 
lange  Röhren  geleitet,  die  mit  Kalihydrat  und  gebranntem 
Kalk  gefüllt  waren.  Als  Kältemischung  dienle  ein  Brei  von 
fester  Kohlensäure  und  Aether.  Absorption  war  leicht  zu  con- 
statiren;  dieses  liess  sich  aber  erwarten,  da  flüssiges  Ammoniak 
eine  bedeutend  grössere  Leitfähigkeit  als  Wasser  zeigt.  Die 
Absorption  ist  also  keine  anormale. 

Tabelle  III. 


Substanz 


V.2^ 


Temp. 


Ammoniak 
6 

8 


65,62 
58,72 
67,66 


14,0 
14,2 
14,3 


16,2 

10,45 

17,7 


Dielektrische   Untersuchungen. 


131 


Chlar,  Das  Gas  wurde  durch  Einwirkung  von  Salzsäure 
I  anf  Chlorkalk  gewonnen,  und  mit  ein  wenig  Wasser  gereinigt. 
Dann  wurde  es  durch  ein  wenig  Kupfersulfatlösung  geleitet, 
um  Salzsäure  zu  entfernen,  und  endlich  mit  concentrirter 
Schwefelsäure  getrocknet.  Es  war  kein  Angreifen  der  Platin- 
elektroden zu  bemerken ;  das  Chlor  befand  sich  allerdings  etwa 
nur  eine  Stunde  im  Kolben.^) 

Tabelle  IV. 


Substanz 

V,x 

Temp. 

e 

7 

63,49 

14,0 

14,7 

8 

67,45 

14,2 

17,7 

6 

58,49 

14,4 

10,45 

Chlor 

49,50 

U,l 

1,88 

Chlor 

49,47 

14,3 

1,87 

Benzol 

49,80 

14,5 

2,27 

1 

50,52 

14,2 

2,99 

Kohlendioxyd.  Ein  Kolben  wurde  mit  festem  Kohlendioxyd 
gefüllt  und,  wie  gewöhnlich,  zugeschmolzen.  Bevor  die  Mes- 
sungen fertig  waren,  platzte  der  Kolben  unter  dem  grossen 
Druck.  Die  Messungen,  die  ich  schon  gemacht  hatte,  zeigten 
nur,  dass  die  Dielektricitätsconstante  bei  Zimmertemperatur 
bedeutend  kleiner  als  die  des  Benzols,  also  weniger  als  2,2  ist. 

Linde^)  hat  vermittelst  der  N er ns tischen  Methode  die 
Dielektricitätsconstanten  von  Schwefeldioxyd,  Chlor  und  Kohlen- 
dioxyd gemessen,  mit  Ammoniak  ist  es  ihm  wegen  Leitfähig- 
keit nicht  gelungen.  In  Tab.  V  stelle  ich  seine  Werthe,  6£, 
neben  die  meinigen,  b^ 

Tabelle  V. 


Substanz 


e. 


fii 


Schwefeldioxyd 
Ammoniak 
Chlor 
Kohlendioxyd 


13,75u,5 

14,8280 

16,2i4o 

l,88u,i 

l,93uo 

<  2,2u,o 

1, 53150 

1)  Linde  giebt  an,  dass  Platin  unter  diesen  Umständen  angegriffen 
wird;  vielleicht  erklärt  sich  dies  dadurch,  dass  seine  Versuche  bedeutend 
länger  dauerten. 
^  2)  F.  Linde,  Wied.  Ann.  56.  p.  546.  1895. 


9* 


132  //'.  B.  Coolidge. 

Für  Chlor  stimmen  die  Messungen  leidlich  überein.    Für 
Schwefeldioxyd   ist  der  Unterschied   beträchtlicher;   aber  vor^ 
meinen  Messungen  halte  ich  gerade  die  für  Schwefeldioxyd  für 
die  zuverlässigsten. 

Goodwin  und  Thompson^)  haben  in  der  letzten  Zeit 
die  Dielektricitätsconstante  von  flüssigem  Ammoniak  bei  seinem 
Siedepunkt,  ?^  =  —  34^0..  bestimmt  und  zwar  mit  dem  Drude'- 
schen  Apparat.  Sie  fanden  c  =  22.  Vermittelst  dieses  und 
des  von  mir  gemessenen  Werthes  würde  sich  die  Aenderung 
Je  von  6  mit  der  Temperatur  ergeben  zu  Ja  =  0,121  pro 
Grad  und  ^6/6  =  0,54  Proc.  pro  Grad  in  der  Nähe  von 
i9^  =  -34'>C. 

Meine  Methode  erwies  sich  als  eine  sehr  bequeme  zur 
Untersuchung  von  vertiüssigten  Gasen.  Wollte  man  den  Ein- 
fluss  des  Druckes  studiren,  so  würde  man  einen  Kolben  von 
der  Form  Fig.  2  und  ein  Oelbad  benutzen. 


4.  Temperaturcoefficient  des  Wassers. 

Drude*)  findet  für  Wasser  in  der  Nähe  von  17®, 
Je/ €  =  —  0,450  Proc.  pro  Grad,  einen  Werth,  welcher  mit 
dem  von  Heerwagen')  nach  der  elektrostatischen  Methode 
ermittelten  Werth  (j€/€  = —  0.443  Proc.  pro  Grad  bei  17^ 
sehr  gut  übereinstimmt.  Fl.  Ratz*)  findet  durch  Capacitäts- 
messungen  zwischen  10^  und  20"  J 6/6  =  — 0,62  Proc.  pro 
Grad,  und  dieser  Werth  stimmt  mit  dem  von  Franke^)  auf 
olektrometrischem  Wege  gefundenen  gut  überein.  Da  diese 
zwei  Paare  von  Beobachtungen  stark  voneinander  abweichen, 
so  schien  es  wünschenswerth,  die  Werthe  zu  controliren. 

Es  wurde  nur  die  erste  Knotenlage  bestimmt.  Damit 
keine  Verschiebung  der  ersten  Brücke  stattfinden  konnte,  wurde 
dieselbe  an  die  Drähte  festgelöthet.  Ein  Kolben  von  der  Form 
der  Fig.  2  wurde  benutzt.     Die  Vorrichtung  zur  Ermittelung 


1)  H.  M.Grood  win  u.  M.  de  K.  Thompson,  Phys.  Review,  8.  Nr.  40. 
Januar  1899. 

2)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  59.  p.  49.  1890. 

3)  F.  Heerwagen,  1.  c.  49.  p.  272.  Iö93. 

4)  Fl.  Ratz,  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  19.  p.  94.  1896. 

5)  A.  Franke,  Wied.  Ann.  50.  p.  169.  1893. 


DieUktritche   Vntertuchungen. 


133 


einer  beliebigen  constanten  Temperatur  warfolgende  (vgl.  Fig.  4): 
L  Ein  Becherglas  wurde  zuerst  mit  Asbestpapier  ainwickelt; 
^eusilberdraht  wurde  darüber  spiralig  aufgewunden,  dann  wurde 
noch  eine  Schicht  von  Asbestpapier  und  zuletzt  dicker  Haar- 
filz umgewickelt.  Eine  abgesprengte  Frobir- 
r&hre  R  wurde  Jetzt  an  eine  enge  Olasröhre  G 
gescbmolzen  und  diese  in  einem  grossen  Kork  A', 
Welcher  unten  in  das  Becherglas  genau  passte, 
festgehalten.  Das  Ganze  konnte  unter  die 
parallelen  Drähte  gebracht  werden.  Paraffinöl 
*urde  in  die  Probirröhre  gethau  und  Wasser 
in  das  Becherglas.  Das  letztere  wurde  ver- 
mittelst S  gerührt.  Da  die  Oberfläche  des 
Wassers  sich  ca.  1  cm  unter  den  Drähten 
befand,  so  übte  das  Wasser  sehr  wenig  Ein-  '^'^-  *■ 

fluss  auf  die  Wellenlänge  aus.  Damit  dieses  aber  ganz  ohne 
Einfluss  auf  das  Endresultat  war ,  wurde  die  Wasserhöhe 
sowohl,  als  die  Höhe  des  Oelbades  constant  gehalten.  Die 
Neusilberspirale  wurde  in  den  Stromkreis  eines  Accumulators 
mit  Widers  tan  dskasten  eingeschaltet.  Um  eine  beliebige  Tem- 
perstur des  Oelbades  und  des  in  dasselbe  tauchenden  Kolbens  zu 
erlangen,  wurde  Wasser  von  dieser  Temperatur  in  das  Becher- 
glas gethan  und  die  Stromstärke  in  der  Heizungsspirale  durch 
Stöpseln  des  Widerstandskastens  so  regulirt,  dass  der  Wärme- 
verlust  gerade  ersetzt  wurde.  In  dieser  Weise  konnte  die 
Temperatur  sehr  constant  gehalten  und  zwischen  weiten  Grenzen 
variirt  werden.  Für  höhere  Temperaturen,  50"  und  mehi-, 
empfiehlt  es  sich,  ein  wenig  Paraffinöl  über  die  Oberfläche 
des  Wasserbades  zu  giessen  —  dieses  verhindert  das  Entweichen 
TOD  Wasserdampf,  welcher  sich  sonst  auf  der  OberHäche  der 
parallelen  Drähte  in  kleinen  Tropfen  verdichtet  und  so  eine 
geringe  Erhöhung  der  Wellenlänge  herbeiführt.  Für  die  Tem- 
peratur 3,5"  wurde  fein  zerstosaenes  Eis  in  das  Becherglas 
gethan  und  darüber  Eiswasser.  Das  Eiswasser  wurde  benutzt 
damit  die  Dielektricitätsconatante  der  oberen  Schichten  und 
deshalb  der  Einflnss  derselben  auf  die  Wellenlänge  ungefähr 
constant  bleiben  sollte.  Die  Zuführungsdrähte  zum  Kolben, 
die  sich  in  dem  Paraffinöl  befanden,  hatten  eine  gewisse 
Capacität,  und   diese   hängt  von   der  Dielektricitätscoustante 


134 


//'.  B,  GooUdge, 


des  Paraffinöls  ab.  Da  diese  Capacität  aber  sehr  klein  war, 
80  liess  sich  erwarten,  dass  die  geringe  Aenderung  der  Dielektri- 
citätsconstante  des  Paraffinöls  mit  der  Temperatur  zu  ver-' 
nachlässigen  war.  Dieses  wurde  auch  direct  durch  Beobach- 
tungen nachgewiesen.  Zur  Ermittelung  der  Temperatur  wurde 
ein  mit  einem  Normalthermometer  verglichenes  Thermometer, 
dessen  Quecksilbergefäss  sehr  klein  war,  zuerst  annähernd  auf 
die  Temperatur  des  Oelbades  gebracht  und  dann  in  der  Weise 
in  das  Oelbad  getaucht,  dass  das  Gefäss  des  Thermometers 
sich  in  derselben  Höhe  wie  der  untere  Theil  des  KolbeDS 
befand  und  zwar  in  Berührung  mit  demselben.  Die  Reihen- 
folge der  Beobachtungen  war  die  in  Tab.  VI  angegebene. 
Unter  der  ersten  Knotenlage  darf  man  nicht  ^a^  verstehen; 
der  Nullpunkt  der  Scala  war  nicht  unter  der  ersten  Brücke, 
sondern  ca.  9  cm  weiter  (vom  Erreger  aus  gerechnet),  d.  h. 
^j^X  war  ca.  75  cm.  Auf  eine  genaue  Kenntniss  der  halben 
Wellenlänge  kommt  es  hier  nicht  an. 


Tabelle 

VI. 

Substanz 

Temperatur 

1.  Knoten  läge 

B 

Wasser 

13,6 

66,986  ±  0,019 

1       82,9 

»> 

89,0 

63,692  ±  0,045 

78,6 

» 

3,5 

68,289  ±  0,022 

86,7 

» 

24,7 

65,464  ±  0,019 

78,6 

»» 

19,0 

66,211  ±  0,017 

[80,9 

CuS04-Lö8ung 

19,2 

66,202 

— 

l 

19,9 

61,315 

66,7 

2 

19,7 

68,543 

:       73,2 

Als  Aichflüssigkeiten  dienten  Wasser  bei  19,0^  und  Flüssig- 
keiten 1  und  2;  die  letztgenannten  Substanzen  waren  Gemische 
von  24,93  bez.  13,92  Proc.  Aceton  in  Wasser.  Wasser  be- 
sitzt eine  gewisse  Leitfähigkeit,  welche  sich  von  3,5 — 39,0® 
um  ca.  90  Proc.  ändert.  Um  sicher  zu  sein,  dass  die  Ee- 
sultate  nicht  durch  diese  wechselnde  Leitfähigkeit  beeinflusst 
wurden,  wurde  auch  eine  Kupfersulfatlösuug  benutzt.  Die  ab- 
solute Leitfähigkeit  derselben  war  6,05. 10-^^  d.  h.  ca.  6,5  mal 
so  gross  als  die  des  Wassers.  Nun  liess  Wasser  bei  19,2*^ 
einen  Werth  von  66,184  für  die  erste  Knotenlage    erwarten. 


Bielektrische   Untersuchungen.  135 

Die  Kupfersulfatiösung  gab  den  Werth  66,202,  d.  h.  einen  nur 
^  um  0,2  mm  grösseren  Werth.  Man  kann  deshalb  wohl  sagen, 
"  dass  eine  Störung  durch  wechselnde  Leitfähigkeit  des  Wassers 
nicht  zu  befurchten  war.^)  Die  Zehnder'sche  Röhre  wurde 
immer  in  derselben  Lage  gehalten;  aber  in  dem  Maasse,  wie 
die  Wellenlänge  sich  ändert,  ändert  sich  auch  die  Lage  der 
Röhre  relativ  zum  Schwingungsbauch.  Nun  wirkt  die  Röhre 
genau  so,  wie  ein  kleiner,  angehängter  Condensator,  und,  wie 
von  vornherein  ersichtlich  ist,  übt  ein  solcher  am  meisten 
Einfluss  auf  die  Resonanzlagen  aus,  wenn  er  auf  einem  Bauche 
der  elektrischen  Kraft  liegt.  Um  zu  sehen,  ob  diese  Fehler- 
quelle zu  vernachlässigen  war,  wurde  die  erste  Knotenlage 
einmal  gemessen,  während  die  Röhre  auf  dem  Schwingungs- 
bauche, und  einmal,  während  sie  5  cm  davon  entfernt  lag. 
Im  ersten  Falle  lag  der  erste  Knoten  bei  66,045,  im  zweiten 
bei  66,073.  Die  Temperatur  hatte  sich  inzwischen  nicht  ge- 
ändert. Wie  zu  erwarten,  war  die  erste  Knotenlage  im  zweiten 
Falle  weiter  von  der  ersten  Brücke  entfernt  als  im  ersten 
Falle.  Aber  der  Unterschied  war  sehr  gering,  nur  0,3  mm; 
ausserdem  handelt  es  sich  bei  den  in  der  Tab.  VI  angeführten 
Messungen  um  eine  Verschiebung  der  Röhre  relativ  zum 
Bauche  von  nur  2  cm,  sodass  der  durch  diese  Ursache  hervor- 
gerufene Fehler  nicht  zu  berücksichtigen  ist.  Zwischen  3,5 
und  24,7^  ist  der  Verlauf  der  Dielektricitätsconstante  (vgl. 
Curve  [Fig.  5])  innerhalb  der  Beobachtungsfehler  vollkommen 
linear,  und  A  c  pro  Grad  =  —  0,353.  Es  ist  also  in  der  Nähe  von 
17^^  Jsle=  —  0,432  Proc.  pro  Grad.  Dieses  stimmt  mit  dem 
Ht erwägen* sehen  fVerthe,  —  0,443  und  mit  dem  Drude'schen 
H^erthe,  —  0,450  ^  gut  überein.  Für  Temperaturen  hoher  als 
24,7^  fand  ich,  wie  Drude,  einen  etwas  kleineren  Temperatur- 
roefficienten, 

5.    Genauigkeit  der  Resultate. 

Es  soll  nun  die  nach  dieser  Methode  erreichbare  Ge- 
nauigkeit betrachtet  werden.  Diese  Betrachtungen  schliessen 
sich  am  besten  an  die  letzte  Tabelle  an,  da  die  Bedingungen 
hier  am  besten  waren   —   es  sind  aber  Bedingungen,   die  bei 


1)  Unten    wird    theoretisch   gezeigt,    dass    Leitfähigkeit   überhaupt 
keinen  Einfluss  auf  die  Wellenlänge  hat,  solange  sie  gering  ist. 


136 


ff.  D.  Coolidge. 


alleu  nicht  zu  stark  absorbirenden  Substanzen  durcbaas  reali- 
sirbar  sind.  Man  bat  nur  dafllr  zu  sorgen,  das3  die  Böbre^ 
und  der  Erreger  während  einer  Bestimmung  ungestört  bleiben 
und  hat  einen  Kolben  von  passender  Capacität  zu  wählen. 
Die  Wahl  des  Kolbens  hängt  von  der  Grösse  des  Erregers 
ab.  Bei  dem  von  mir  benutzten  Erreger  erwies  sich  als  sehr 
günstig  ein  Kolben,  welcher,  mit  der  zu  untersuchenden  Sub- 
stanz geMlt,  die  Capacität >)  c'C^  =  3,l  (im  absoluten  elektro- 


Tempermtar 
Fig.  5. 

statischen  Maasssystem)  besass.  Neben  den  Enotenlagen  in 
Tab.  VI  stehen  die  wahrscheinlichen  Fehler  derselben.  Ob- 
gleich die  gegebenen  Knoteniagen  die  Mittelwerthe  von  nur 
fünf  Messungen  darstellen,  sind  doch  die  wahrscheinlichen 
Fehler  sehr  klein  —  ein  Mittelwertb  derselben  ist  0,024  cm. 
Der  entsprechende  Fehler  in  «  ist  {dies  ist  von  Curve  I  direct 
abzulesen)  0,066  oder,  bei  e  =  80,  nur  0,082  Proc.  Bei  Ver- 
gleichung  einer  Substanz  mit  zwei  ÄichäUssigkeiten  ergiebt 
sich  der  wahrscheinliche  Fehler  in  e  (für  t  =  80)  zu  0,10  Proc 
Nach  dieser  Methode  ist  es  also  möglich  und  zwar  mit  wenigen, 
z.  B.  nur  fünf  Messungen,  die  Dielektrieit'ätsconatante  mit  einem 
wakrscheinlicken  Fehler  von  nur  0,1  Proc.  relativ^  zu  bestimmen. 


1|  Die  Capacität  ist  aus  der  Formel  (20),  p.  156,  leicht  zu  berechnen. 
2)  d.  h.  im  Vergleiche  zu  Aichflüsaigkeiten    vou   genau  bckannler 
Dielektricit  äteconstanle. 


Dielektrische   Untersuchungen,  137 

Die  wahrscheinlichen  Fehler  der  einzelnen  Beobachtungen  der 
Knotenlage  waren  im  Durchschnitt  0,053  cm.  Daraus  ergiebt 
eich,  dass  der  wahrscheinliche  Fehler  in  6,  falls  nur  eine  Be- 
Stimmung  der  Knotenlage  gemacht  wird,   nur  0,23  Proc,  beträgt. 

6.    Die  elektrische  Absorption  des  Wassers. 

Wasser  zeigt  für  elektrische  Schwingungen  kurzer  Periode 
(^  =  10  cm)  anormale  Absorption.^)  Bis  jetzt  ist  eine  anormale 
Absorption  bei  längeren  Wellen  nicht  beobachtet  worden.  Ver- 
mittelst der  hier  angewandten  Methode,  nach  der  die  Anzahl 
der  beobachtbaren  Knoten  festgestellt  wurde,  kann  man  eine 
Absorption  bei  der  Wellenlänge  A=147cm  constatiren  und 
messen. 

Apparat:  Um  etwas  stärkere  Schwingungen  zu  haben,  als 
mit  dem  Apparate,  welcher  zur  Bestimmung  von  Dielektricitäts- 
constanten  diente,  zu  erzeugen  waren,  wurde  der  Erreger 
modificirt.  Der  Secundärkreis  wurde  ebenso  gross  im  Durch- 
messer als  der  Primärl^reis  gemacht  und  lag  gerade  darunter. 
Zwischen  beide  wurden  Glimmerblätter  geschoben.  ^)  Der  Kolben 
besass  die  in  Fig.  8  angegebene  Form.  Da  die  Anzahl  der 
beobachtbaren  Knoten  festgestellt  werden  sollte,  und  da  die- 
selbe erheblich  ist,  so  mussten  die  Lee  her 'sehen  Drähte  etwa 
20  m  lang  sein.    Da  nun  das 

Zimmer  viel  kürzer  war,  so       &^*= g 

mussten  die  Drähte  im  Zick-  t^  K 
zack  geführt  werden.  Zuerst  I  ^ 
wurde    die  Leitung  in  einer  Q 

einzigen  horizontalen  Ebene  O 

geführt;  aber  die  Symmetrie- 
störung war  zu  gross;  eine 
sehr  erhebliche  Reflexion  fand  an  jeder  Biegungsstelle  statt, 
sodass  die  Anordnung  aufgegeben  werden  musste.  Mit  gutem 
Erfolge  aber  wurde  die  Leitung  wie  in  Fig.  6  (von  der  Seite 
gesehen)  geführt.  Die  zwei  parallelen  Drähte  liegen  wie  zuvor 
in    derselben    horizontalen   Ebene,    aber   nach  jeder   Biegung 


Fig.  6. 


t 


1)  A.  D.  Cole,  Wied.  Ann.  57.  p.  290.  1896;   P.  Drude,  Wied.  Ann. 
65.  p.  499.  1898. 

2)  Nfthere    Beschreibung   dieses    Erregers   vgl.    W.   D.   Coolidge, 
Wied.  Ann.  67.  p.  579.  1899. 


138  r.  B.  Coolidge. 

setzen  sie  sich  in  einer  tiefer  liegenden  Ebene  fort.  Die  Drähte 
wurden  durch  Hartgummistäbe  gehalten.  Der  Draht  wurde 
zuerst  sorgfältig  ausgeglüht  und  durch  das  Gewicht  G  straflf' 
gebalten.  Die  Entfernung  zwischen  einer  Hin-  und  Bück- 
leitung war  ca.  12  cm;  bei  dieser  Entfernung  war  kein  Ein- 
fluss  der  Eückleitung  auf  die  Hinleitung  zu  beobachten.  Die 
Zehnder'sche  Eöhre  befand  sich,  wie  immer,  ca.  Y4  Wellen- 
länge hinter  der  ersten  Brücke. 

Die  Methode.  Wenn  in  dem  überbrückenden  Condensator  C 
(Fig.  1  auf  p.  1 25)  ^ektrische  Absorption  auftritt,  so  muss  sich 
dies  in  einer  Vergrösserung  der  zeitlichen  Dämpfung  der 
Schwingungen  zeigen.  P.  Drude^)  hat  die  zeitliche  Dämpfung 
eines  Blond lot' sehen  Erregers  in  der  Weise  gemessen,  dass 
er  bestimmte,  bei  welcher  Entfernung  der  zweiten  Brücke  von 
der  ersten  Brücke  der  Unterschied  zwischen  Knoten-  und 
Bauchstärke  unmerklich  würde  (unter  Knoten-  und  Bauchstärke 
sind  zu  verstehen,  wie  vorher,  die  Intensität  der  Schwingungen 
bei  der  Röhre,  wenn  die  zweite  Brücke  auf  einem  Knoten  bez. 
Bauch  liegt).  Mit  seinem  Erreger  war  diese  Entfernung  gleich 
30  halben  Wellenlängen,  oder,  in  anderen  Worten,  es  waren 
30  Knoten  zu  beobachten.  Durch  theoretische  Betrachtungen 
rechnete  er  die  entsprechende  Dämpfung  aus.  Meine  erste 
Absicht  war,  in  derselben  Weise  zu  verfahren.  Versuche  aber 
lehrten,  dass  es  sehr  schwer  wäre,  bei  meiner  Versuchs- 
anordnung mit  Genauigkeit  zu  entscheiden,  wie  viele  Knoten 
zu  zählen  waren.  Anders  war  es  aber,  als  ich  eine  kürzere 
erste  Brücke  (ihre  Länge  betrug  5,1  cm)  und  geringere  Inten- 
sität der  Wellen  wählte  —  die  Röhre  leuchtete  dann  nur  auf, 
wenn  die  zweite  Brücke  auf  einem  Knoten  lag,  und  bei  einer 
gewissen  Knotenzahl  hörte  sie  ganz  auf  zu  leuchten.  Diese 
Knotenzahl  war  leicht  und  genau  zu  bestimmen.  Dass  diese 
Bestimmung  leichter  zu  machen  war  als  die  vorher  erwähnte, 
lässt  sich  ja  erwarten,  da  in  einem  dunklen  Zimmer,  wenn 
man  mehrere  Meter  von  einer  kleinen  Röhre  entfernt  steht, 
viel  leichter  das  Aufleuchten  der  Röhre  überhaupt  zu  con- 
statiren  ist,  als  Unterschiede  in  der  Intensität  seines  Aufleuchtens 


1)  P.    Drude,    Abhandl.    d.    K.    S.    Gesellsch.    d.    Wissench.    40« 

p.  95  ff.  1896. 


Bielektrische   Untersuchungen. 


139 


festzustellen.  In  der  Weise  fand  ich.  dass,  wenn  ein  Benzol- 
condensator  auf  die  Drähte  wie  gewöhnlich  gelegt  war, 
18  Knoten  zu  beobachten  waren.  Mit  einem  Luftcondensator 
gleicher  Capacität  Hessen  sich  auch  18  Knoten  zählen.  Aber 
der  Wasserkolben,  dessen  Capacität  ebenfalls  gleich  der  des 
Benzolcondensators  war,  Hess  nur  13 — 14  Knoten  beobachten. 
Dieses  Verhalten  ist  an  verschiedenen  Tagen  mit  verschiedenen 
Erregungsstärken  stets  bestätigt  worden,  wie  folgende  Tabelle 


Ta 

belle 

VIT. 

Benzol 

19 

19       18 

20 

19 

20 

14 

16 

20  + 

Wasser 

15—16 

15       13 

13 

15 

14—15 

10 

12 

15—16 

Benzol 

16 

20 

20           18    ! 

21 

16 

18 

18 

18,J 

\  Mittel 

Wasser 

12 

16 

13—14 

15 

16    < 

11 

11 

13 

13,€ 

(  Mittel 

lehrt,  in  der  die  beobachtbare  Knotenzahl  angeführt  ist.  Stets 
Hessen  sich  also  bei  Benutzung  des  Wassercondensators  etwa 
5  Knoten  weniger  beobachten,  als  bei  Benutzung  des  Benzol- 
condensators gleicher  Capacität.  Da  alle  anderen  Bedingungen 
gleich  geblieben  waren,  ^)  so  musste  also  durch  die  Eigen- 
schaften des  Wassers  ein  Energieverlust  hervorgerufen  werden. 
E^  handelt  sich  nun  darum,  ob  die  Energieabsorption  durch 
die  elektrische  Leitfähigkeit  des  Wassers  zu  erklären  ist,  oder 
ob  sie  durch  anormale  Absorption  zu  Stande  kommt.  Um 
dieses  zu  entscheiden,  destillirte  ich  etwas  von  dem  zuerst 
gebrauchten  gewöhnUchen  destilHrten  Wasser  und  Hess  kohlen- 
säurefreie Luft  durch  dasselbe  einige  Zeit  strömen.  Die  Leit- 
fähigkeit des  so  behandelten  Wassers  war  ca.  halb  so  gross 
als  vorher,  aber  seine  Absorption  war  nicht  merklich  geringer 
—  es  waren  immer  nur  13 — 14  Knoten  zu  beobachten,  während 
mit  dem  Benzol-  oder  Luftcondensator  18  Knoten,  wie  zuvor, 
zu  zählen  waren.  Die  Absorption  schien  sich  daher  nicht 
durch  Leitfähigkeit  erklären  zu  lassen.  Dieser  Schluss  lässt 
sich  auch  durch  theoretische  Betrachtungen  bestätigen,  die 
weiter  unten  ausgeführt  werden  sollen.  Es  wird  dort  auch  der 
Absorptionsindex   x^)  der   anormalen  elektrischen   Absorption 

1)  Die  Form  der  Condensatoren  hatte  auf  das  Resultat  keinen  Ein- 
tluss,  wie  direkt  constatirt  wurde. 

2)  X  ist  dadurch  definirt,  dass  die  elektrische  Energie  nach  Durchlaufen 
einer  Wellenlänge  in  der  Substanz  im  Verhältniss  l.e^.-tx  geschwächt  ist. 


140  r.  D.  Coolidge. 

des  Wassers  berechnet  werden.  Es  ist  für  Ä  =  147  cm: 
X  =  0,0082.  Wenn  man  die  Leitfähigkeit  des  Wassers  durch  ^ 
zugesetztes  Kupfersulfat  erhöhte,  so  nahm  die  Anzahl  der  be- 
obachtbaren Knoten  natürlich  noch  weiter  ab.  Diese  Abnahme 
der  Knotenzahl  wird  unten  theoretisch  berechnet  werden.  Die 
Theorie  steht  mit  der  Erfahrung  im  Einklang. 


7.  Anormale  Absorption  einiger  Ester. 

Die  Dielektricitätsconstanten  der  betreffenden  Ester  sind 
von  Löwe^)  mit  langsamen  Schwingungen  (jr  =  0,67. 10~*)  und 
von  P.  Drude^)  mit  schnellen  Schwingungen  (7'=  25.10""*®) 
bestimmt  worden.  Ausserhalb  der  Fehlergrenze  dieser  Messungen 
ist  keine  anormale  Dispersion  zu  constatiren.  Wenn  diese 
wirklich  nicht  vorhanden  wäre,  so  müsste  man  den  Schluss 
ziehen,  dass  auch  die  anormale  Absorption  für  diese  Sub- 
stanzen gleich  Null  ist.  Dieser  Schluss  folgt  aus  der  von 
P.  Drude^)  abgeleiteten  Relation: 

a>  .    ^       1 


(a)  X  =  tg  y,   wo  tg  0  =  -  ^^e)(B^B^), 

wobei  €  ,  €  und  e^  die  Dielektricitätsconstanten  für  die  Wellen- 
längen  oo,  A  und  0  bedeuten,  x  den  Absorptionsindex.  In  der 
That  beobachtete  P.  Drude  bei  den  betreflfenden  Substanzen 
keine  Absorption,  nur  bei  Amylbenzoat  einen  sehr  geringen 
Absorptionsindex  [x  =  0,02). 

Die  Thatsache  aber,  dass  die  letztgenannte  Substanz 
anormale  Absorption  zeigte,  Hess  erwarten,  dass  auch  die 
anderen  Ester,  wenn  sie  nach  einer  empfindlicheren  Methode 
untersucht  würden,  auch  anormale  Absorption  nachweisen 
lassen  würden.  Diese  Erwartung  wurde,  wie  das  Folgende 
zeigen  wird,  in  einzelnen  Fällen  erfüllt. '^) 


1)  K.  F.  Löwe,  Wied.  Ann.  66.  p.  390.  1898. 

2)  P.  Drude,  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  23.  p.  2.  1897. 

3)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  64.  p.  131.  1889. 

4)  In  dieser  Thatsache  liegt  kein  Widerspruch  mit  der  Gleichung  (a), 
denn  die  gemessene  Absorption  ist  immer  so  klein,  dass  der  entsprechende 
Werth  von  a^  —  Sq  sich  nicht  nach  den  ^bisher  angewandten  Methoden 
zur  Ermittelung  von  Dielektricitätsconstanten  constatiren  lässt.     Für  L^o- 


Dielektrische   Untersuchungen.  141 

Mein  Verfahren  war  das  folgende:  Der  Wasserconden- 
sator,  mit  destillirtem  Wasser  beschickt,  wurde  auf  die  Drähte, 
wie  gewöhnlich,  gelegt,  und  ^/j  A  sorgfältig  bestimmt;  dann 
wurde  dieser  Condensator  durch  einen  anderen,  den  Messcon- 
densator,  ersetzt,  welcher  mit  der  zu  untersuchenden  Substanz 
beschickt  wurde.  Die  Capacität  dieses  Messcondensators  wurde 
nun  so  lange  geändert  (durch  Biegung  der  Elektroden),  bis  dass 
^2  ^  denselben  Werth  hatte,  wie  beim  Gebrauch  des  Wasser- 
condensators,  d.  h.  bis  seine  Capacität  gleich  der  des  letzteren 
war.  Die  zu  beobachtende  Knoten  zahl  k  wurde  jetzt  bestimmt 
und  falls  dieselbe  kleiner  war,  als  beim  Gebrauch  des  Wasser- 
condensators,  wurde  der  Wassercondensator  mit  Kupfersulfat- 
lösungen von  verschiedenen  bekannten  Leitfähigkeiten  beschickt, 
bis  eine  Lösung  gefunden  war,  für  welche  k  denselben  Werth 
hatte  als  für  die  zu  untersuchende  Substanz.  Die  Erregungs- 
stärke kann  ziemlich  constant  gehalten  werden,  aber,  damit 
keine  Täuschung  durch  eine  Aenderung  derselben  herbeigeführt 
werden  kann,  empfiehlt  es  sich,  die  verschiedenen  Kupfer- 
sulfatlösungen immer  mit  der  zu  untersuchenden  Substanz  direkt 
zu  vergleichen.  Dann  wurde  vermittelst  derKohlrausch*schen 
Methode  die  Leitfähigkeit  der  Substanz  gemessen,  um  zu  sehen, 
ob  dieselbe  Einfluss  auf  k  haben  könne. 

Die  Gesammtcapacitäten  des  Mess-  und  Wasserconden- 
sators  waren  gleich;  da  nun  die  zwei  Kolben  von  derselben 
Form  und  die  Capacitäten  der  ausserhalb  der  Flüssig- 
keit liegenden  Theile  sehr  gering  waren  (für  den  Wasser- 
condensator waren  die  Capacitäten  der  innen  und  aussen 
liegenden  Theile  3,06  bez.  0,08),  so  ist  anzunehmen,  dass  die 
Capacitäten  der  innerhalb  der  Flüssigkeit  sich  befindlichen 
Theile  auch  gleich  waren.  Wenn  nun  beide  Condensatoren  die 
gleiche  Knotenzahl  k  ergeben,  so  müssen  die  Absorptions- 
indices  der  beiden  Füllflüssigkeiten  gleich  sein.  Dieselben 
setzen  sich  zusammen  aus  dem  Absorptionsindex  x  der 
anormalen  elektrischen  Absorption  und  dem  Absorptionsindex  x, 
welcher   durch    die   Leitfähigkeit   a   nach    absolutem    elektro- 


\ 


butylbcnzoat  z.  B.,  welches  von  den  untersuchten  Verbindungen  die 
st&rkste  Absorption  (x  ^=^  0,028)  zeigt,  ergiebt  sich  aus  (a),  dass  sich  bei 
Z  B«  70  cm  6  nur  um  0,6  Proc.  von  e^^  unterscheiden  würde. 


142 


W,  D,  Coolidge, 


magnetischen   Maasse   der   Substanz   herbeigeführt   wird.     Eis 
besteht  nun  bei  kleinem  x'  die  Relation'): 


X  = 


£ 


WO  e  die  Dielektricitätsconstante  und  c  die  Lichtgeschwindig- 
keit im  Vacuum  ist.  Bezeichnen  wir  daher  die  Zugehörigkeit 
zu  den  beiden  verschiedenen  Flüssigkeiten  durch  untere  Indices  1 
und  2,  so  ist 

Falls,  me  es  thatsächlich  der  Fall  war,  die  Leitfähig- 
keit (T^  des  Esters  gleich  Null  zu  setzen  ist,  so  ergiebt  sich 
daher  sein  Absorptionsindex  x^  aus  dem  x^  des  Wassers  und 
der  Leitfähigkeit  Cj,  sowie  der  Dielektricitätsconstante  (c^  =  81) 
der  Lösung  aus  der  Formel 

ck 

Es  ist  aber,  wie  unten  berechnet  werden  wird:  x^  =  0,0082, 

«1  =  81    für  Wasser  und  die  Kupfersulfatlösungen  zu  setzen, 

daher  folgt 

x^  =  0,0082  +  ö-j  |[ . 

Mit  dieser  Formel  wurden  die  Werthe  von  x  in  Tab.  VIII 
berechnet, 2)  A  betrug  147  cm. 

Tabelle  VIIL 


1 

X 

X          1 

X 

X 

Substanz 

Prä- 

Prä- 

Substanz 

Prä- 

Prä- 

parat  1 
0,017 

parat  2 
0,017 

parat  1 

parat  2 

Methylbenzoat 

Amylacetat 

0 

.i— - 

Aethylbenzoat 

0,018 

0,018    i 

Pbenylacetat 

0,012 

Amylbenzoat 

0,023 

0,028 

Methylformiat 

— 

0 

Isobutylbenzoat 

0,028 

0,028    ' 

Propylformiat 

0,008 

Methylacetat 

0 

i 

Isobutylformiat 

0,008 

•  •— 

Aethylacetat 

0 

—       . 

Amylformiat 

0,009 

— 

Propylacetat 

0 

— 

Aethylpropionat 

0 

— 

Butylacetat  (n) 

0 

—       ' 

Aethylbutyrat 

0 

— 

Isobutylacetat 

0 

*^""       1 

Aethylvalerat 

0 

— 

1)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  61.  p.  495.  Formel  (38).  1897. 

2)  Im  theoretischen  Theil  wird  gezeigt  werden,  dass  der  Absorptions- 
index einer  Substanz  aus  der  beobachtbaren  Knotenzahl  auch  ohne  Ver- 
gleich mit  einer  leitenden  Lösung  bestimmt  werden  kann.  ä 


Dielektrische   Untersuchungen.  143 

Die   Ester    wurden    von   Kahlbaum   bezogen;    die  Prä- 

I   parate  2  waren  ganz  frisch,  die  Präparate  1  nicht.    Die  ersten 

Präparate  von  Methyl-,  Aethyl-  und  Amylbenzoat  wurden  alle 

gemessen,  bevor  die  zweiten  Präparate  vorgenommen  wurden, 

deshalb    musste   der  Kolben    aufs  neue  regulirt  werden;  dass 

sowohl  dieses,  als  auch  das  Aufsuchen  von  einer  Kupfersulfat- 

losung  gleicher  Dämpfung  keine  grossen  Schwierigkeiten  macht, 

ist  aus  der  üebereinstimmung  der  Werthe  ftir  die  Präparate  1 

tind  2   zu   ersehen.     Die   Leitfähigkeit   war   bei    allen    Ester, 

Isobutylformiat  ausgeschlossen,  zu  klein,  um  berücksichtigt  zu 

werden.     Der  gemessene  Widerstand  zwischen  den  Elektroden 

des  Messcondensators   bei    Füllung   mit   Isobutylformiat    war 

^ast   gleich    dem    Widerstand    zwischen    den    Elektroden    des 

Wassercondensators  bei  Füllung  mit  destillirtem  Wasser,  und, 

^'^   die   zu   beobachtende   Knotenzahl   dieselbe   war,    wie   für 

^asser,  so  ist  anzunehmen,  dass  die  anomale  Absorption  des 

Isobutylformiats  gleich  der  des  Wassers  ist. 


II.  Benutzung  der  Lech  er 'sehen  Wellenerregung. 
1.    Die  Versuchsanordnung. 

In  dem  Blondlot'schen  Erreger  ist  immer  nothwendiger- 
^eise  sehr  viel  Selbstinduction  im  Secundärkreise  vorhanden, 
t^ies  ist  für  Messzwecke  einerseits  günstig,  da  die  Dämpfung 
dadurch  klein  gemacht  wird;  andererseits  ist  es  aber  un- 
günstig, da  die  Wellenlänge  mehr  von  der  Capacität  beein- 
flusst  wird,  wenn  die  Selbstinduction  möglichst  klein  ist.  Des- 
halb schien  die  Lecher'sche  Anordnung  Vortheile  zu  bieten. 
Wegen  der  gesteigerten  Dämpfung  wurde  aber  diese  Hoffnung 
nicht  erfüllt;  die  Genauigkeit  war  ungefähr  dieselbe  wie  beim 
Gebrauche  des  Blondlot'schen  Erregers.  Die  Anordnung 
War  aber  bequem  und  für  nicht  absorbirende  Substanzen  sehr 
zweckmässig;  sie  wurde  deshalb  für  alle  folgenden  Messungen 
benutzt. 

Die  Drähte  Zi  des  Erregers  (vgl.  Fig.  7)  sind  knapp  in 
zwei  Löcher  eines  rechteckigen  Stückes  Hartgummi  geschoben 
und  mit  Siegellack  festgekittet.  Wie  aus  der  unteren  Zeich- 
nung  ersichtlich  ist,   sind   die  Drähte   in   einer  Verticalebene 


144 


jr.  D.  Coolidge. 


nach  unten  umgebogen,  damit  die  Funkenstrecke  Fj  welche 
sich  zwischen  den  unteren  kugeltragenden  Enden  befindet,  in 
ein  Petroleumbad  hineintaucht.  Dicht  an  die  Drahtenden 
schliessen  sich  die  Zufuhrungsdrähte  zum  Inductorium  an.  Bei»? 
befindet  sich  eine  Zuleitungsfunkenstrecke.  Die  Drähte  L'Z'  sind 
ebenfalls  eingekittet;  diese  Drähte  setzen  sich  als  Lecher'sche 
Paralleldrähte  fort.  Ihre  gegenseitige  Distanz  beträgt  1,8  cm 
(vgl.  Fig.  7).  Die  erste  Brücke  B^  ist  zur  Erde  abgeleitet. 
Die  zweite  Brücke  (nicht  auf  der  Zeichnung  ersichtlich)  ist 
verschiebbar  und  wie  oben  für  das  Blondlot'sche  System 
mit    einem    schweren,    zugespitzten   Metallstücke    verbunden, 


^ 


I 


*/»/rf.  Grösjtit^ 


Fig.  7. 

welches  über  einer  Millimetertheilung  spielt.  Die  Drähte  L  L 
und  L  L'  müssen  nun  leitend  verbunden  werden  mit  den 
Elektroden  zweier  Condensatoren  CC,  die  mit  den  zu  unter- 
suchenden Substanzen  beschickt  wurden.  Um  dieses  bequem 
bewerkstelligen  zu  können,  ragten  die  Drähte  LL  und  L L 
in  vier  kleine,  in  das  Ebonitstück  von  oben  gebohrte  Löcher 
hinein,  welche  mit  Quecksilber  gefüllt  wurden.  In  diese  Queck- 
silbemäpfchen  ^)  tauchten  die  zu  den  Elektroden  der  Con- 
densatoren führenden  Platindrähte.  Als  Condensatoren  dienten 
zwei  kleine  Glaskolben.  Zuerst  probirte  ich  Condensatoren 
der  in  Fig.  2  angegebenen  Form;  diese  aber  erwiesen  sich  als 
unbrauchbar,  da  eine  zufällige  Biegung  ihrer  Zuleitungsdrähte 


1)  Dieselben    waren    klein,    der    Durchmesser    der    Löcher    betrug 
nur  2  mm. 


Dielektrische   Untersuchungen,  145 

eine  bedeutende  Aenderung   in   der  Wellenlänge  verursachte. 
H  Es   mussten    daher   Condensatoren   von   der   in   Fig.  7    ange- 
I     deuteten   Form    benutzt    werden.     Um   Verdunstung    der    zu 
untersuchenden  Substanz  und  eine  dies  bedingende  Abkühlung 
derselben    zu   vermeiden,  wurden  die  Kolben   immer  gut  zu- 
gestöpselt.    Ein   Thermometer,    welches    unmittelbar    in    der 
Nähe  des  Erregers  hing,  wurde  am  Anfange  und  Ende  einer 
Messungsreihe   abgelesen.     Für   die   folgenden  Versuche  kam 
es  nicht  auf  eine  sehr  genaue  Eenntniss  der  Temperatur  an. 
Die  Vortheile  der  Anordnung  lassen  sich  etwa  so  zusammen- 
fassen: 

1.  Der  Apparat  ist  sehr  leicht  zu  construiren. 

2.  Eine  Aenderung  in  der  Länge  der  Hauptfunkenstrecke 
übt  keinen  bemerklichen  Einfluss  auf  die  Wellenlänge  aus. 

3.  Mit  ein  und  demselben  Erreger  kann  die  Wellenlänge 
zwischen  fast  beliebigen  Grenzen  variirt  werden  durch  Ver- 
schiebung der  Brücke  B^  und  Elektrodenbiegung. 

4.  Da  die  Primär-  und  Secundärkreise  starr  zusammen 
verbunden  sind,  so  ist  durch  zufällige,  auch  unsanfte  Berührung 
keine  Aenderung  in  der  Wellenlänge  zu  befürchten. 

5.  Wenn  die  erste  Brücke,  wie  es  in  meinen  Versuchen 
<ler  Fall  war,  in  der  Nähe  des  Erregers  liegt,  so  ist  die 
Aichungscurve  (Coordinaten  6  und  ^g  ^)  zwischen  weiten  Grenzen 
f^t  vollkommen  geradlinig. 

Als  Nachtheile  müssen  erwähnt  werden: 

1.  Die  zu  untersuchende  Substanz  wird  als  Dielektricum 
bei  grosser  Erregungsstärke  stark  beansprucht  und  kann,  wenn 
sie  ein  Elektrolyt  ist,  eine  geringe  Zersetzung  erleiden.  Dies 
war  bei  verdünnten  Eupfersulfatlösungen  und  sogar  bei  un- 
destillirtem  Wasser  zu  beobachten. 

2.  Bei  stark  absorbirenden  Substanzen  tritt  wegen  der 
Energieabsorption  eine  bemerkliche  Temperaturerhöhung  ein. 

Man  kann  die  Abhängigkeit  der  Wellenlänge  von  der 
Capacität  der  Condensatoren,  d.  h.  der  Dielektricitätsconstante 
der  Flüssigkeit  theoretisch  angeben  (dies  soll  unten  geschehen). 
Genauer  ermittelt  man  aber  die  Dielektricitätsconstante  einer 
Substanz,  indem  man  durch  Aichflüssigkeiten  diese  Abhängig- 
keit des  X  von  6  feststellt. 

'        Aan.  d.  Phyi.  a.  Chem.    N.  F.    69.  10 


146 


W.  D.  Coolidge. 


Um  die  Brauchbarkeit  der  Methode  zu  zeigen,  gebe  icH 
in  Tab.  IX  die  gewonnenen  Werthe  von  6  für  drei  Ester  uad 
daneben  (€/))  die  Drude 'sehen  Zahlen;  die  in  kleiner  Schrift' 
beigefügten  Zahlen  sind  die  Beobachtungstemperaturen  in  Graden 
Celsius.  In  der  letzten  Columne  {bd  her.)  sind  die  Drude'schen 
Zahlen  vermittelst  der  von  Löwe^)  angegebenen  Temperatur- 
coefficienten  auf  i^*  =  14^  umgerechnet. 


Tabelle 

IX. 

Substanz 

«0 

^D 

ep  ber. 

Isobutjlbenzoat 

Amylbenzoat 

Methylbenzoat 

5,44i4 
5.0114 
6,68i4 

5,48i8 
4,99i9 
6,62i8 

5,47u 
5,02u 
6,66u 

Jetzt  sollen  einige  Anwendungen  der  Methode  besprochen^ 
werden. 

2.  DielektricitfttscoDBtante  von  Mischungen  von  Aetbylftthec^ 

und  Cbloroform. 

Philip*)  hat  gefunden,  dass  Gemische  von  Aethyläther' 
und  Chloroform  in  jedem  Mischungsverhältniss  eine  grössere 
Dielektricitätsconstante  aufweisen,  als  jeder  ihrer  Bestandtheile* 
Seine  Messungen  wurden  mit  langsamen  Schwingungen  nach^ 
der  N  ernst 'sehen  Methode  angestellt.  In  Tab.  X  sind  meine 
Messungen  für  solche  Gemische  angef&hrt. 


Tabelle  X. 

Aethjläther  und  Chloroform. 

Procentgehalt 

V.i 

an  Aether 

*U,Oo 

100 

46,67           ' 

4,89 

56,26 

52,66 

5,81 

26,87 

54,59 

6,28 

9,94 

52,15           i 

5,69 

0,0 

49,27 

5,01 

1)  K.  F.  Löwe,  Wied.  Ann.  66.  p.  890.  1898. 

2)  J.  C.  Philip,  Zcitschr.  f.  phys.  Chem.  24.  p.  29.  1897. 


DieUktrUche   Untertvehunffen.  147 

CoTTe  I  (Fig.  8)  stellt  meine  Beobaclituugen  bei  &  =  14,0" 
^dar,  und  Curve  II  (Fig.  6)  die  von   Philip   bei  19^=18,0°. 
"^^Vie  ein  Vergleich   lehrt,    stimmen    die  Messungen  qualitativ 
Bbtrein  —  die  Dielektricit&tsconstsnte  der  Gemische  ist  immer 
gröSBer  als  die  der  Bestandtbeile  und   beide  Gurren  erreichen 
itir  Uaximum  bei  ca.  32  Proc.  Aether.    Ea  findet  beim  Mischen 

Acthylfither  und  Chloroform. 


1 

'>^ 

- 

■5s, 

^ 

^^ 

51- 

T'^ 

< 

k 

i 

\ 

J 

\ 

) 

« 

j 

1 

" 

• 

^ 

/ 

S^ 

1_ 

u 

Lj 

L 

m 

_ 

u 

L 

J 

Fig.  8. 

der  Componenten  eine  erhebliche  TemperatDrerhöhung  statt. 
Dm  diese  und  das  Verhalten  der  Dielektricitätsconstanten  zu 
erklären,  meinte  Philip,  es  finde  hier  wahrscheinlich  eine 
iDtramoleculare  Reaction  statt.  Dies  erkl&rt  vielleicht  auch, 
warum  die  zwei  Curven  in  der  Mitte,  wo  der  Einfluss  der 
Reaction  am  stärksten  hervortritt,  soweit  auseinander  liegen  — 
die  Reaction  wird  vielleicht  von  der  Temperatur  und  anderen 
Nebenumständen  stark  beeinflusst. 


8.  Untersuchung  von  AethyUthec. 
Aethyläther  wird  als  AichöUssigkeit  vielfach  benutzt.    Die 
von    verschiedenen    Beobachtern    angegebenen    Werthe    aber 
schwanken.    Drade')  findet  bei  18,0": e  =  4,36;  Nernst'}  bei 

1)  P.  Drude,  Zeitochr.  f.  phya.  Chem.  (2)  28.  p.  808.  181)7. 

2)  W.  Nernst,  I.  c.  14.  p.  622.  1894. 


148 


r.  B,  CooUdge. 


18,0^:4,25;    Thwing^)    bei    15,0^:4,27    und    Linde*)    bei 
16,0^:4,40.     Ich   benutzte   wasserfreien  Aether,   in   welchem 
mehrere  Tage  Natriumdralit  gelegen  hatte.    Die  Resultate  Yoa^ 
vier  verschiedenen  Messungsreihen   sind   in  folgender  Tabell 
enthalten.      Es    wurden    wiederum   als  Aichflüssigkeiten    di 
Mischungen  von  Aceton  und  Benzol  benutzt. 

Tabelle  XL 


V,^ 

Temperatur 

B 

41,41 

17,6 

4,35 

41,89 

17,8 

4,84 

41,42 

17,8 

4,85 

41,40 

18,0 

4,85 

Der  Mittelwerth  e  =  4,35  stimmt  mit  dem  Drude'schen 
Werth  €  =  4,86  sehr  gut  überein. 

Um  zu  sehen,  ob  das  Wasser  in  wasserhaltigem  Aether 
sich  ausfrieren  lässt,  wurde  eine  dünne  Probirröhre  mit  solchem 
Aether  beschickt  und  in  eine  Kältemischung  (feste  Kohlensäure 
und  Aether)  getaucht;  der  obere  Theil  wurde  nach  einiger 
Zeit  sorgfältig  abgegossen  und  beobachtet.  Die  Dielektricitäts- 
constante,  vorher  gemessen,  war  4,50,  nachher  ergab  sich  4,51, 
d.  h.  innerhalb  der  Beobachtungsfehler  war  keine  Aenderung 
wahrzunehmen.  Der  Zusatz  von  Natriumdraht  zeigte  auch 
durch  lebhafte  Blasenentwickelung,  dass  der  Aether  Ton  Wasser 
keineswegs  befreit  worden  war. 


4.  Benzol. 

Um  zu  sehen,  ob  Benzol  im  Stande  sei,  Wasser  genug 
aufzunehmen,  um  seine  Dielektricitätsconstante  merklich  zu 
beeinflussen,  wurde  Benzol  mit  Wasser  durchgeschüttelt  und 
drei  Wochen  stehen  gelassen.  Die  Dielektricitätsconstante  des 
Benzols  hatte  sich  dadurch  nicht  geändert,  d.  h.  die  Aenderung 
war  weniger  als  0,5  Proc.  (eine  bedeutend  höhere  Genauigkeit 


1)  Ch.  B.  Thwing,  1.  c.  p.  286.  1894. 

2)  F.  Linde,  Wied.  Ann.  56.  p.  559.  1895. 


I 


JJielektrücJie  Untersuchungen,  149 

wäre  hier  erreichbar  gewesen,  nur  wegen  der  kleinen  Dielektri- 
jl^  citätsconstante  des  Benzols  hatten  die  benutzten  Kolben  eine 
2a  kleine  Capacität). 


5.  DielektricitfttscoDstante  verschiedener  Alkohole  in 

verdünnter  Lösung. 

Philipp)  hat  gefunden,  dass  die  Dielektricitätsconstanten 
^OQ  Mischungen  annähernd  durch  die  Formel 

J^.  100  =  J^.;,,+ -1^(100-;,.) 


ausgedrückt  werden  können.     Hier  bedeuten  «,  6^,  «^  die  Di- 
elektricitätsconstanten der  Mischung,  der  ersten  und  der  zweiten 
Componenten,  </,  d^^  d^  die  Dichten  derselben  und  p^  die  Ge- 
wichtsmenge der  ersten  Componente  in  100  Theilen  der  Mischung. 
Philip   hat  die  Formel  angewandt  zur  Bestimmung  der  Di- 
elektricitätsconstante    Cj    einiger    Alkohole    in    verschiedenen 
Lösungsmitteln.      Seine   Messungen    wurden   vermittelst   einer 
Modification   der   Nernst'schen    Methode   gemacht,   also   mit 
langsamen   Schwingungen.     Es   ergab   sich,    dass  e^    bei   ab- 
nehmender Concentration    abnahm    und   sich  einem  gewissen 
Grenzwerth  näherte. 

Da  nun  die  Alkohole  bedeutende  Dispersion  zeigen,  so 
schien  es  wünschenswerth,  diese  Messungen  von  Philip  mit 
schnellen  Schwingungen  zu  controliren.  Dies  geschah  ver- 
mittelst des  oben  beschriebenen  Lech  er 'scheu  Systemes  mit 
einer  Wellenlänge  von  ca.  82  cm.  Die  Dichte  der  Alkohole 
und  der  Lösungsmittel  wurde  gemessen,  die  der  Mischungen 
aber  aus  diesen  berechnet.  Bei  grosser  Verdünnung  ist  dies 
gestattet.     Die  Dichte  ist  auf  Wasser  bei  19,0^0.  bezogen. 


1)  J.  C.  Philip,  ZeitBchr.  f.  phys.  Chem.  24.  p.  18. 1897.    Die  Formel 

e  -  1      100        Ci  -  1      Pi    ,    ««  -  1      100  -  jo, 

+ 


e  +  2       d  Ci+2c?i         «,  +  2  rf, 

ist  ebenfalls  von  Philip  geprüft  worden.  Diese  Formel  steht  auf  sichererem 
Boden  ab  die  andere;  trotzdem  aber  sprachen  die  von  Philip  angegebenen 
Messungen    entschieden   zu  Gunsten   der   yT—  1 /(/-Formel.     Ich  habe 
.diese  deshalb  so  wie  er  benutzt. 


150 


W.  D.  CooUdge. 


Tabelle  XII. 


1 

Proc.-Alkohol 

Dichte  19  00 

«19,0« 

'Alkohol  (bor.) 

Benzol  +  Methylalkohol 

5 

0,8749 

2,930 

28,26 

4 

0,8758 

2,767 

26,64 

8 

0,8766 

2,608 

24,00 

2 

0,8775 

2,469 

21,22 

1 

0,8784 

2,856 

19,22 

0,5 

0,8788 

2,806 

18,26 

0 

0,8792 

[2,260] 

— 

Toluol  +  Methylalkohol 

4,009 

0,8668 

2,889 

29,19 

8,004 

0,8670 

2,690 

26,87 

2,001 

0,8678 

2,557 

24,84 

1,000          ' 

0,8685 

2,440 

21,04 

0,500 

0,8689 

2,890 

18,92 

0 

0,8692 
Benzol  +  Ac 

2,347 
Äthylalkohol 

6,978 

0,8726 

2,969 

19,18 

4,978 

0,8745 

2,732 

18,05 

2,977 

0,8764 

2,508 

15,68 

1,982 

0,8773 

2,417 

14,85 

0,990 

0,8783 

2,327 

12,40 

0 

0,8792 

[2,260] 

— 

Toluol  +  Ac 

Äthylalkohol 

5,051 

0,8651 

2,787 

15,22 

4,088 

0,8659 

2,673 

13,95 

3,025 

0,8667 

2,577 

12,71 

2,015 

0,8675 

2,488 

12,09 

1,006 

0,8684 

2,425 

11,04 

0 

0,8692 
Benzol  4-  Pi 

2,363 
'opylalkohol 

^^^ 

9,783 

0,8725 

2,999 

18,58 

7,324 

0,8741 

2,765 

12,50 

4,878 

0,8758 

2,574 

11,80 

8,895 

0,8764 

2,503 

11,41 

1,945 

0,8778 

2,369 

10,37 

0,972 

0,8785 

2,311 

9,72 

0,485 

0,b788 

2,285 

9,63 

0 

0,8792 

.2,2G0; 

— 

Dielektrische   Untersuchungen, 


151 


Tabelle  XII  (Fortsetzung). 


PrOC-Alkohol  I      Dichte  19 00     l  «19,00  «Alkohol(ber.) 


Benzol  +  Amylalkohol 


28,13 
18,55 
9,98 
7,13 
5,09 
2,54 
0 


0,8681 
0,8697 
0,8721 
0,8741 
0,8756 
0,8774 
0,8792 


3,198 
2,761 
2,641 
2,509 
2,410 
2,843 
[2,260] 


7,097 
6,734 
6,980 
6,588 
5,765 
6,265 


0,801 5 
0,7950 
0,8152 
0,8182 

Dielektricitätsconstanten 


Die  gemessenen  Dichten  der  Alkohole  waren,  bei  i9'=19,0^: 

Methylalkohol  .  .  . 

Aethylalkohol  .  .  . 

Propylalkohol  .  .  . 

Amylalkohol  .  .  . 

j    Grenzwerthe    der    berechneten 

•  Alkohole,  d.  h.  die  Werthe,  die  diese  erreichen  wurden 
der  Concentration  Null  (aus  den  Curven  extrapolirt),  gebe 
in  Tab.  XIII  neben  den  yon  Philip  angegebenen  Zahlen. 

der  ersten  Zahlencolumne  sind  meine  Werthe,  in  der  zweiten 
von  Philip. 

Tabelle  XIII. 


Grenzwerthe  der  Alkohole 

Methylalkohol  in  Benzol 

17,5 

16,0 

Methylalkohol  in  Toluol              17,0 

— 

Aethylalkohol  in  Benzol            10,5 

11,0 

Aethylalkohol  in  Toluol       ]       10,0 

^^^ 

Propylalkohol  in  Benzol       1        9,0 

8,5 

Amylalkohol  in  Benzol 

6,0 

6,0 

Man  gelangt  also  mit  schnellen  und  langsamen  elektrischen 
wingungen  zu  denselben  Grenzwerthen  der  DielektricitätS' 
stante  der  Alkohole ,  dieselben  sind  also  frei  von  elektrischer 
persion,  während  die  Dielektricitätsconstante  concentrirter  Zo- 
ffcn    oder   der  Alkohole    selbst   sehr  starke  Dispersion  zeigen. 


152  r.  L.  CooUdge. 

Theoretischer  Theil. 

1.    Allgemeine   Grandlage. 

Es  soll  zunächst  das  System  der  Fig.  9  betrachtet  werden, 
welches  aus  zwei  parallelen  Drähten  besteht,  die  durch  zwei 
Capacitäten  (C  und  C)  und  eine  Metallbrücke  [B)  miteinander 
verbunden    sind.  ^)     Wir   wollen    die   Eigenschwingungen    des 

Systemes  berechnen.    Es  bedeute  t 

— Z7^  -Lc        /s    die  Zeit,   z  die  Axenrichtung  der 

./         aX.     4    a.-=/      parallelen  Drähte,  y  die  zeitliche 

Dämpfung  der  Schwingungen    des 
'^*  Systemes,  A  =  c  T  die  Wellenlänge 

dieser  Schwingungen  (c  ist  die  Lichtgeschwindigkeit  im  Vacuum), 
e  die  elektrische  Ladung  pro  Längeneinheit  des  Drahtes,  i  die 
Stromstärke  in  einem  Drahte;  C,  C  die  Capacitäten  der  Con- 
densatoren.  Alle  Grössen  seien  nach  elektromagnetischem 
Maasse  gemessen.    Es  besteht  dann  zunächst  die  Gleichung:^ 

In  den  Drähten  pflanzen  sich  Wellen  nach  der  positiven 
und  negativen  z-Axe  fort,  wir  wollen  daher  setzen: 

(2)  j  ,      .  ,       . 

worin  a  =  —  y  +  271 }/—  1  bedeutet,  i  und  i"  die  Stromstärke 
in  a  bez.  a,  und  die  A  complexe  Grössen  sein  können.  Die 
physikalische  Bedeutung  der  Gleichungen  (2)  ist  eigentlich  die, 
dass  I  und  i'  nur  gleich  den  reellen  Theilen  der  hier  ge- 
schriebenen complexen  Grössen  sein  sollen;  da  aber  alle  zu 
benutzenden  Gleichungen  linear  sind,  können  wir  zur  Ver- 
einfachung der  Rechnung  i  und  i'  den  complexen  Grössen  zu- 
nächst direct  gleich  setzen. 


1)  Die  Capacität  C  wird  nur  der  Allgemeinheit  halber  einfi:efÜhrt. 
Wird  sie  unendlich,  dann  geht  das  System  in  das  Blond  lot 'sehe  System 
über,  und  wird  (7  =  0,  dann  liegt  ein  Lecher'sches  System  vor. 

2)  G.R.  Kirchhoff,  Pogg.  Ann.  100.  p.  193,  351;  102.  p.  529. 1857; 
P.  Drude,  Phys.  d.  Aethers.  p.  376.  1894.  Dort  enthält  die  rechte  Seite 
der  Gleichung  den  Factor  1  c,  weil  e  elektrostatisch  definirt  ist. 


Dielektrische   Untersuchungen,  1 53 

An  der  Stelle  z  =  a  tritt  eine  Stromverzweigung  ein,  da 
in  den  Condensator  ein  Strom  der  Stärke  i"  eiufliesst.  Nennt 
man  die  Potentialdifferenz  der  Gondensatorplatten  ^1  —  ^9 
und  w  den  galvanischen  Widerstand  zwischen  denselben,  falls 
die  den  Condensator  füllende  Substanz  Leitfähigkeit  hat,  so  ist 

(3)  r  =  C  ^  ^^'  "  ^  +  Jj^lJj- ; 
^   *  dt  w 

femer  ist  nach  den  Stromverzweigungsgesetzen 

(4)  I  =  r  +  t" . 

Die  Potentiale  V^  und  V^  auf  den  Gondensatorplatten  sind 
identisch  mit  den  auf  den  Drähten  stattfindenden  Potential- 
werthen  an  der  Stelle  z  =  a.     Nun  ist  ^) 

(5)  ?^,  =  -r2  =  2ecMog4» 

falls  d  die  Entfernung  zwischen  den  parallelen  Drähten  und 
R  ihren  Radius  bedeutet,  es  ist  daher  nach  (3)  und  (5) 

(6)  r  =  4cMog|(c|j  +  ^). 

Für  dtjdt  muss  man  entsprechend  (1),  sowohl  —  dijdz, 
als  auch  -^di'jdz  setzen  können,  sodass  nach  (4)  die  bei. 
z  s  a  zu  erfüllenden  Bedingungen  lauten: 

(8)  Ji  =  Ji',  flir^  =  a. 

^    *  0X0% 

An  der  Stelle  z  =  0  ergiebt  eine  ähnliche  Betrachtung 
sofort: 

falls  w  der  galvanische  Widerstand  zwischen  den  Elektroden 
des  Condensators  C  ist  An  der  Stelle  z  =  a  +  a  muss  die 
Ladung  e  verschwinden,  d.  h.  es  ist 

(10)  -|^  =  0  für  z  =  a  +  a. 


• 


1)  G.  R.  Kirchhoff,  Pogg.  Ann.  100.  p.  193.  351;  102.  p.  529.  1857; 
P.  Drude,  Phys.  d.  Aethers  p.  379.  1894. 


154 


(11) 


^'l  D.  Coolidge. 

Nun  ist  d ijd t^  aij T,  setzt  man  daher 


A\.e     "i 


a 


+  a- 


80  folgt  aus  (2)  und  den  Bedingungen  (7)  bis  (10): 


(12)     A, .  e 


-'-^  +  A^-e^"'  -{A-;  +  A'i)  =  h!^{A':  -  A',y 


(13)  A^.e"^  -A-.e*"^  =A';-A'' 


A^  +  A^  =  -5'"('^.  -^j)- 

<.c""^  -.i';.«"^"^  -0. 


(14) 

(15) 

Durch  Addition   bez.  Subtraction,   von  (12)  und  (18) 
giebt  sich: 

2  Jj.r""^'  =  A'[  (2  +  Ä  ^)  -  ^;'.A^, 

2J,./"'^=<.A"  +j;'(2-Ay), 
oder,  da  nach  (15)  ^;'  =  ^;'.<?2«(a';A)  igt; 


a 


2a-r- 


=  A^.e 


2a 


o' 


^  +  *t(>--"'-)) 


a 


2^3.<?  ^=< 


2a 


tt' 


=  A 


ff 


Durch  Division  dieser  beiden  letzten  Gleichungen  fol 


-2a-^ 


^  =<? 


2  a     -r 


2  -  Ä  .    I  1  -  c  ^ 


2.C 


2a 


a 


2«4 


A  +Ap|e""  ^  -1 


2  +  A«U""a-1 


Dielektrische   Untersuchungeju  1 55 

Setzt  man  zur  Abkürzung 


(16)  —-;A^  -  <P 


2o 


6  '     -1 


50  lässt  sich  die  letzte  Gleichung  umformen  in 

.2a4        v  +  i+A-J 


a 

a  m  4.  1   4.  A 


Da  nun  nach  (14) 
^o  ergiebt  sich,  falls  man  noch  die  Abkürzung  einführt: 

e       ^   -  1 
Xur  Berechnung  von  a/X  die  Gleichung 

(18)  1+  (A-f  +9p)(5r|-  +r)  +//7y  -0. 

Es  ist  zu  berücksichtigen,  dass  nach  Gleichung  (11)  auch 
die  Grössen  g  und  h  die  Grösse  cc  enthalten.  Im  allgemein- 
sten Falle,  d.  h.  wenn  die  Widerstände  w  und  tr'  der  Con- 
densatoren  C  und  C  nicht  unendlich  gross  angenommen  werden, 
ist  ff  und  h  complex;  die  Gleichung  (18)  zerfällt  dann  durch 
Trennung  der  reellen  und  imaginären  Bestandtheile  in  zwei 
Gleichungen,  aus  denen  sowohl  die  zeitliche  Dämpfung  y  als 
die  Wellenlänge  X  zu  berechnen  ist.  Wird  w  =  w'  =  oo  ge- 
setzt, so  ist  ff  und  h  reell.  Es  ergiebt  sich  dann  aus  (18), 
dass  y  =  0  sein  kann,  was  von  vornherein  klar  ist,  wenn  wir 
keinen  Energieverlust  durch  Strahlung  oder  durch  Joule 'sehe 
Wärme  in  den  Drähten  annehmen.  In  diesem  Falle  ist 
a=2;i;]/— 1,  daher  nach  (17)  und  (16),  da  die  Formel 
besteht: 


,'V-T  ^  1 


=  -  V  -  1  cotg   l- 

2  na  ,/ T         ^      2nä 


,         ^   www«.         X : 


(19)    x=-y-l   ■  cotg  ^,    y  =  -  y  -  1  .  cotg 


156  r.  B,  Coolidge. 

Betrachten  wir  specieller  den  Fall,   dass  die  Drähte  bei 
z  =  0   anstatt   durch   einen   Condensator   durch    eine   Metall-  ^ 
brücke  leitend  verbunden  sind,  so  wirkt  diese  Brücke  so,  als 
ob   die   Capacität   des   Condensators  C    unendlich    gross    ge« 
worden  wäre.     Für  ff  =  od  wird  dann  (18)  zu 

(20)         2  ^A  =  _AA  =  cotg  ^7  +  cotg  ?^  . 

c*  C  ist  die  elektrostatisch  gemessene  Capacität  des  Con- 
densators C;  die  Gleichung  (20)  ist  von  Morton^)  auf  anderem 
Wege  abgeleitet.  Aus  dieser  Gleichung  ergiebt  sich,  dass  ein 
Condensator  bei  vorgeschriebener  a  +  a  am  meisten  Einfluss 
auf  A  hat,  wenn  a  —  d  ist,  d.  h.  wenn  er  in  der  Mitte  zwischen 
beiden  Brücken  angelegt  ist. 

An  einer  Brücke  selbst,  d.  h.  für  a  =  0  oder  d  =  0,  hat 
das  Anlegen  eines  Condensators  natürlich  keinen  Einfluss  auf  h 


2.   Verification  der  Formel  für  die  Wellenlänge. 

Der  auf  p.  125,  Fig.  1,  beschriebene  Apparat  entspricht 
nicht  genau  der  der  Formel  (20)  zu  Grunde  liegenden  An- 
nahme: ein  Condensator  zwischen  zwei  Brücken.  Diese  Formel 
wird  aber  auch  für  die  Anordnung  der  Fig.  1  anzuwenden 
sein,  wenn  wir  nur  die  Constante  a  aus  den  Versuchen  selbst 
bestimmen,  während  d  die  Entfernung  des  Condensators  C  von 
der  Brücke  B^  bedeutet  (Fig.  1).  Es  soll  wenigstens  geprüft 
werden,  inwieweit  diese  Ueberlegung  richtig  ist. 

Zuerst  wurde  d  geändert,  C  blieb  dabei  constant.  Ohne  C 
war  ^/jA  =  45,3  cm,  daher  ist  a  -^r  d  ^  45,3  zu  setzen.  Da 
der  wahre  Knoten  annähernd  eine  halbe  Brückenlänge  hinter 
der  Brücke  liegt,  so  muss  d  gleich  der  gemessenen  Entfernung 
zwischen  dem  Condensator  und  der  Brücke,  vermehrt  um  die 
halbe  Brückenlänge,  genommen  werden.  In  Tab.  XIV  hat  d 
diese  Bedeutung,  und  es  ist  a  =  45,3  —  a.  ^g^  wurde  ver- 
mittelst Gleichung  (20)  berechnet,  indem  der  Werth  für  die 


1)  W.  B.  Morton,  Phil.  Mag.  43.  p.  383.  1897.  Er  hat  die  Verh&lt- 
nis9e  nur  verfolgt  für  den  Fall,  dass  der  Widerstand  zwischen  den  Con- 
densatorplatten  unendlich  ist. 


Dielektrische   Untersuchungen. 


157 


Capacität  C  aus  den  Versuchen  selbst  entnommen  wurde. '  Da 
C  constant  blieb,  so  war  zu  schreiben: 


X   cotg  -j-  +  cotg  — ^ 


=  i:. 


K  wurde  für  jeden  Werth  von  a'  berechnet  und  der  Mittel« 
werthy  172,2,  wurde  zur  Berechnung  von  ^s^  benutzt.  Alle 
Grössen  sind  in  Centimetem  ausgedrückt. 

Tabelle  XIV. 


a' 

a 

V,i 

v,  ;i  ber. 

3,45 

41,85 

47,6 

47,6 

10,05 

35,25 

60,1 

60,0 

10,45 

34,85 

61,1 

60,6 

11,46 

33,85 

62,6 

62,1 

12,05 

33,25 

63,0 

62,9 

14,05 

31,25 

65,1 

65,4 

16,05 

29,25 

66,7 

67,3 

18,05 

27,25 

68,0 

68,6 

Die  Uebereinstimmung  zwischen  den  beobachteten  und 
berechneten  Werthen  von  ^2^  ^^^  sehr  befriedigend. 

Dann  wurde  a'  constant,  und  zwar  gleich  21,85  cm,  ge- 
halten und  die  Capacität  des  Condensators  geändert.  Als 
Condensator  wurde  ein  Kolben  (vgl.  Fig.  2)  benutzt.  Als  Füll- 
flüssigkeiten dienten  Gemische  von  Benzol  und  Aceton,  femer 
von  Aceton  und  Wasser.  ^)  Ohne  Capacität  war  Y2  ^  =  45,67  cm 
und  deshalb  a  =  45,67  -  21,85  =  23,82  cm. 

Nun  ist  c*C  gleich  k^  +  ehj  wo  e  die  Dielektricitätscon- 
stante  der  Füllflüssigkeit  ist  und  k^  und  k  zwei  Constanten 
sind,  welche  nur  von  den  Dimensionen  des  Kolbens  abhängen. 
Deshalb  ist,  nach  (20) 


l   \      .     2na    ,        .      2na' 

2  [  ^^*8  -r  +  ^^^  -r- 


4n{kQ  +  ek)  log  j^  =  3^  +  6  0, 


wo 


Jq  =  4  ;i  log  -g- .  k^      und      J  =  4  ^  log     - .  A . 

Sq  und  8  kann   man   aus   zwei  beobachteten  X  bei  zwei 
verschiedenen   e   berechnen.     Es  ergiebt  sich  ^  =  4,08.      Der 

1)  lieber     Dielektricitätsconstanten     und     Temperaturcoefficienten 
sicher  Gemische  vgl.  P.  Drude,  Zeitschr.  f.  phjs.  Chem.  28.  p.  288.  1897. 


158 


W.  D.  Coolidge. 


Unterschied  zwischen  den  einzelnen  Bestimmungen  und  diesem 
Mittelwerth  ist  ca.  1  Proc.  Der  Mittelwerth  für  Sq  ist  7,27 ; 
auf  seine  Genauigkeit  kommt  es  nicht  so  sehr  an.  Vermittelst 
dieser  Werthe  von  8  und  8q  wurde  '/,  X  berechnet.  In  der 
Tab.  XV  beziehen  sich  die  Nummern  in  der  ersten  Columne 
auf  die  benutzten  Aichflüssigkeiten. 

Tabelle  XV. 


Subst. 

e 

50,97 

V,  l  ber. 
50,9 

:  Subst. 

1 

6 

VW 

68,41 

'  \,Aber. 

1 

2,27 

,       " 

17,56     1 

'      68,5 

2 

2,98 

52,11 

51,8 

'       8 

20,97 

72,29 

71,9 

3 

3,57 

52,81 

52,6 

!       9 

23,88     ' 

74,90 

i4,< 

4 

6,98 

56,34 

56,7 

10 

26,59     ' 

77,26 

77,8 

5 

8,53 

58,03 

58,5 

!      11 

■ 

31,77     . 

82,02 

81,9 

6 

10,35 

60,47 

60,6 

. 

Die  Uebereinstimmung  ist  hier  wieder  eine  recht  gute. 
Andererseits  konnte  man  aus  den  beobachteten  Weiüien  für 
^/g  X  die  entsprechenden  Werthe  von  %  berechnen,  aber  es  ist 
viel  genauer,  wenn  man  die  zu  untersuchende  Substanz  mit 
Substanzen  von  bekanntem  6  direct  vergleicht,  wie  oben  ge- 
schehen ist. 

3.  Die  Dämpfung  der  Schwingungen. 

Falls  die  Drähte  bei  ?  =  0  durch  eine  Metallbrücke  leitend 
verbunden  sind,  ist  C  und  deshalb  g  gleich  cx).  Dann  wird 
(18)  zu 

(21)  ä"  +(f +/  =  0. 

Wenn  auf  erste  Ordnung   in  y  entwickelt  wird,    ergiebt  sich 
aus  den  Gleichungen  (16)  und  (17)  (hier  ist  i=sy.iri    gesetzt) 


q)^  —  i  cotg 


2nn' 


1-1 


2y 


a' 


sin 


4  7ia' 


.      2  71  a 
/  =  -  i  cotg  -  ^- 


1-1 


2r 


a 


sin 


Ann 


I 


Nun  ergiebt  sich  aus  Gleichung  (11),  wenn  man  die  Leitfähig- 
keit  der  Füllsubstanz   des  Condensators  C   als   so   klein  an- 


Dielektrische  Untersuchungen,  159 

nifflmt,  dass   man  in   dem   bei  h   auftretenden  Terme  Tjaw 
f&r  a  den  Näherungswerth  c^  =  2  ;i;  t  benutzen  kann 

|»-4.-<71ogi(.-.-,^).l|i(.  +  .7-) 

Daher  ist  nach  (21) 
/  lZLc«(7loff  —  fl  4-2^^-1 ^ \ 


(22) 


=  COtg  — T I  1  —  t 


sin 


2r  — 

+  COtg  -y-  .  I  1  —  I 


4  na' 

a 
X 


Ana 


sin 


Daraus   ergiebt  sich    durch   Trennung   der   Reellen   und 
Imaginären 

(23) 

und 


-j-  C^Clog  -^-  =  COtg  — ^  +  COtg  —J-- 


(24) 


sin 2 71  a'/^         ,  sin  2 na/ Jl 
£j ^  (j  — 

^        2?!          8in2na/)l             Bin  2 n a' jl 
1  +  ~j~* ^  .  V 


sin  2  TT 


tt?C 


Nun  isti) 


Ctl7  = 


e 


4n  ffc^ 


(falls  man  A^  in  der  Gleichung  C  =  A^  +  A  6  vernachlässigt,  was 
annähernd  gestattet  ist,  da  k^  stets  klein  gegen  h  b  war),  daher 
ergiebt  sich  zur  Berechnung  der  zeitlichen  Dämpfung  aus  der 
Leitfähigkeit  im  Condensator 


(25) 


1  + 


8in2na7^         ,  8in2na/il 
271        8in2  7Ta/Ä  8in2  7TaV^ 


•    o     o  +  a' 
8in  2  TT  —  — 


=  4  TT  A 

e 


Die   rechte  Seite   dieser  Gleichung   hängt   nicht  von  der 
absoluten  Grösse  der  Capacität  C  des  Condensators  ab,   ihr 


1)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  61.  p.  488.  1897.    Formel  (24). 


160  r.  1).  Coolidge. 

Einfiuss  ist  aber  in  der  linken  Seite  der  Gleichung  enthalten, 
da  nach  (23)  eine  Relation  zwischen  a,  d  und  C  besteht«         ^ 

Will  man  den  Zusammenhang  zwischen  der  zeitlichen 
Dämpfung  y  und  dem  Absorptionsindex  x  der  Condensator- 
iiüssigkeit  feststellen^  so  ist  zu  berücksichtigen,  dass  bei  kleinem 
x^)  die  Beziehung  besteht 

X  = 


6 

Es  ist  daher 


(26) 


8iu2  na^jl  ,  8in27ra/A 

O  — ; — ;r -rr-  +  tt 


-2  71        8in2  7ia/i.  8in2  7ia'/i. 

sin  2  n ; — 


=  4  ;rx. 


Diese  Beziehung  gilt  auch,  wenn  die  elektrische  Absorption 
der  Condensatorflüssigkeit  nicht  durch  Leitfähigkeit  herbei- 
geführt ist,  sondern  falls  sie  anormale  elektrische  Absorption  ist 

Wenn  schon  ohne  angehängten  Gondensator  eine  zeitliche 
Dämpfung  der  elektrischen  Wellen  vorhanden  ist,  so  wird  durch 
den  Gondensator  dieselbe  vergrössert,  falls  im  Gondensator 
elektrische  Energie  absorbirt  wird.  Falls  alle  in  Betracht 
kommenden  Dämpfungen  nicht  sehr  gross  sind,  so  wird  der  Zu' 
wachs  y  der  durch  den  Condensator  herbeigeführten  zeitlichen 
Dämpfung  immer  noch  durch  die  Formeln  (25)  bez.  (26)  zu  Äe- 
rechnen  sein. 

Die  zeitliche  Dämpfung  y^  welche  mit  dem  Benzol- 
condensator  im  System  vorhanden  ist,  wurde  bei  der  Blondlot*- 
schen  Wellenerregung  auf  dem  von  Drude  beschriebenen  Wege*) 
etwa  zu  0,15  bestimmt.  Auf  die  absolute  Grösse  dieser  Zahl 
kommt  es  übrigens  nicht  genau  an,  da  es  sich  im  Folgenden 
nur  um  Aenderungen  von  y  handelt. 

Wenn  nun  die  Stärke  der  Wellenerregung  in  der  Weise 
regulirt  wurde,  dass  eine  bestimmte  Knotenzahl  k  mit  dem 
Benzolcondensator  zu  beobachten  wai*,  während  mit  dem  Mess- 
condensator  eine  kleinere  Zahl  k'  zu  beobachten  war,  so  habe 


1)  P.  Drude,  1.  c.  p.  495. 

2)  F.  Drude,  Abhandl.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  WiBsensch.  28« 
p.  95.  1896.  Ich  habe  dabei  Rücksicht  genommen  auf  die  verschiedene 
Länge  der  Brücken  B^  und  B^. 


i 


Dielektrische   Untersuchungen.  161 

ich  zunächst  mit  dem  Werthe  /  =  0,15  die  Stärke  des  A>ten 
Knotens  auf  dem  von  P.  Drude  (1.  c.)  angegebenen  Wege  be- 
rechnet und  dann  y  in  der  Weise  abgeändert  zu  y',  dass  die 
Starke  des  A'-ten  Knotens  gleich  war  dem  vorhin  berechneten 
Werthe  des  A-ten  Knotens.  Es  ist  dabei  die  Intensität  der  Wellen 
an  der  Erregungsstelle  (nicht  an  der  ersten  Brücke)  als  constant 
angenommen.  Die  so  zu  berechnende  Differenz  y'  —  y  ist  die 
Dämpfungszimahme  dy^  fiir  welche  die  Formeln  (25)  und  (26) 
gelten. 

4.  Die  anormale  Absorption  des  Wassers. 

Wenn  mit  dem  Benzolcondensator  die  Knotenzahl  A  ==  18  zu 
beobachten  war,  so  betrug  diese  Knotenzahl  mit  dem  Wasser- 
condensator  A'  =  13  (vgl.  oben  p.  189).  Daraus  berechnet  sich^ 
falls  y=  0,150  gesetzt  wird,  /'  =  0,191,  d.  h.  rfy  =  0,041. 
Nun  war  A  =  147  cm,  a  =  18,2  cm,  und  a  (aus  der  beob- 
achteten Wellenlänge  ohne  Condensator  berechnet)  =  19,7  cm. 
Daher  wird  der  Factor  von  y  in  den  Formeln  (25)  und  (26) 
gleich  2,62.  Die  elektrische  Absorption  der  Wellen  rührt  zum 
rheil  von  der  Leitfähigkeit  {a  betrug  0,93. 10- ^^j,  zum  Theil 
ron  anormaler  Absorption.  Neunen  wir  letzteren  Absorptions- 
ndex  X,  so  ist  nach  (25)  bez.  (26) 


dy 


Bin27ra7^  j^    /  »in  2 naß 

,    ,      2n    ^  sin  2  n  aß  sin  2  ti  a'ß 

1  H j— — ; 

A                  ,     ^      a  +  a 
sin  2  n  — 


/      ,    eol\ 


•der 


0,041  .  2,62  «  4  ;r  X  +  4r-  •  3 .  lO^o .  0,93 .  lO-i* .  147, 

Ol 


L  h. 

X  =  0,0082. 

Es  ist  interessant,  zu  untersuchen,  für  welche  Schwingungs- 
Periode  eine  maximale  Absorption  bei  Wasser  zu  erwarten  ist. 
jn  Falle  dass  nur  auf  eine  absorbirende  Molekülgattung  im 
Nasser  Rücksicht  zu  nehmen  ist,  hätte  man  die  folgenden 
leiden  Gleichungen^): 


1)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  64.  p.  131.  1898. 
Ann.  d.  PbjB.  a.  Chem.    N.  F.    69.  11 


162  IT.  D.  Coolidffe. 

(27)  *  =  "*^^  -«*)  =  «»- 


*X    ~   ®0 


00 

1  + 


(-5)' 


(28)  2  n»x  =--""*' 


1  + 


(7)   " 


worin  bedeuten:  n  der  Brechungsexponent,  6^  die  Dielektrici- 
tätsconstante  fUr  grosse  T,  %q  das  Quadrat  des  optischen 
Brechungsindex,  e  die  Dielektricitätsconstante  bei  der  Periode  T^ 
und  a  eine  Constante,  die  von  der  Dämpfung  der  Molecül* 
Eigenschwingungen  abhängt;  x  ist  ein  Maximum  bei  der  Periode 


(29)  y  =  a'  1/^ 


Aus  (27)  und  (28)  folgt,   falls  x^  gegen   1   vernachlässigt; 
wird 
(30)  a'=-^^*«''  -   2Ae^x 


Aus  (30)  berechnet  sich  nun  mit  Hülfe  von  «^^  =  1,8, 
«^  =81,  x  =  0,0082  und  A=147  cm  der  Werth  von  a'  zu  a' 
=  0,82.10-^^.  Hieraus  ergiebt  sich  nach  (29)  die  maximale 
Absorption  bei  r=12,1.10-i^  d.  h.  A  =  3,6  mm.  Dort 
würde  x  =  0,74  sein. 

Für  r=  3,33. 10-10  (A  =  10  cm)  ergiebt  sich  aus  (27) 
und  (30)  6  =  76,5,  x  =  0,12.  In  der  That  hat  Drude  *)  bei 
Wellen  dieser  Periode  eine  sehr  merkbare  Absorption  ge- 
funden. 

Für  T=  0,67  .  10-10  (;t  =  2  cm)  würde  sich  aus  (27)  und 
(28)  ergeben  *):  6  ==  33,5,  x  =  0,46,  also  ein  sehr  grosser  Werth 
von  X  schon  bei  einer  Periode,  welche  vermittels  eines  Righi'- 
sehen  Erregers  leicht  zu  realisiren  ist. 

5.  Die  Absorption  von  Salzlösungen.  ^ 

Um  zu  zeigen,  dass  die  gegebene  Theorie  sich  der  Er- 
fahrung gut  anschliesst,  habe  ich  für  wässerige  Eupfersulfat- 
lösungen   verschiedener   Leitfähigkeit    die   Anzahl   k   der   be- 

1)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  65.  p.  499.  1898. 

2)  Dabei  ist  x  streng  berechnet,  d.  h.  ohne  Vemacblässigung  von 
X*  gegen  1. 


Dielektrische  Untersuchungen. 


163 


obachtbaren  Knoten  auf  dem  oben  genannten  Wege  berech- 
net und  beobachtet.  Die  Dämpfungszunahme  gegenüber  der 
Dämpfung  beim  reinen  Wasser  ergiebt  sich  nach  Formel  (25), 
allerdings  nur  fiir  massige  Leitfähigkeiten,  d.  h.  falls  y  noch 
klein  bleibt. 

'  Tabelle  XVI. 


Substanz 


a  (absolate) 
bei  17* 


IT' 

bei  17« 


f  bor. 


k  ber. 


Benzol 
Wasser 

CDSO4- 
Losnngen 


0,0 

0,93.10-14 
16,6  .10-14 
34,9  .10-14 
58,8    .10-14 


QO 

229,0    .1012 

12,77  .  1012 

6,09  .  1012 

3,62  .  1012 


296,0    .  10-14  i       0,72.1012 


0,150 

1 

18 

1 

0,191 

13    ; 

0,232 

9 

0,280 

6    ' 

0,341 

4    ' 

0,954 

ü    ' 

1 

[18] 
[13] 
9 
6 
4 
0 


>• 


Um  zu  illustriren,  in  welcher  Weise  die  Tabelle  berechnet 
^urde,   soll   ein  Beispiel   herausgegriffen   werden.     Es   wurde 
die  Dämpfung    der   Schwingungen    ohne   absorbirenden   Con- 
^ensator  zu  y  =  0,15    angenommen  (vgl.  oben  p.  160).    Dann 
berechnet   sich  auf  dem  oben   (p.  160)   genannten  Wege   die 
Stärke  des  18.  Knotens  zu  1,841,  falls  die  ausgesandte  Ampli- 
tude des  Erregers  gleich  1  gesetzt  wird,  während  der  19.  Kno- 
ten sich  zu  1,830  ergiebt.     Für  die  Stärke  1,841  sprach  also 
<lie  Zehnder'sche  Röhre  noch  an,  für  die  Stärke  1,830  nicht 
^ehr,  da  18  Knoten  bei  «?'  =  00  (Benzol)  zu  beobachten  waren, 
^ür    CuSO^- Lösung    Nr.  3    berechnet    sich    nach   (25)    die 
Oämpfungszunahme   gegenüber   reinem  Wasser  zu  0,152;   da 
letzteres  aber  schon  die  Dämpfungszunahme  0,039  gegenüber 
ßenzol   zeigte   (vgl.  oben  p.   161),   so   ist   für   Lösung   Nr.  3 
y  =  0,341    zu  setzen.     Die  Stärke   des  4.  Knotens  berechnet 
^ich  damit   zu  1,977,  während  die  Stärke   des  5.  Knotens  zu 
1,820   folgt.     Da  nun  1,841  und  1,830   die  Grenzen   für  das 
Ansprechen  der  Vacuumröhre   sind,   so  musste  der  4.  Knoten 
noch  beobachtbar  sein,  der  5.  dagegen  nicht  mehr. 

Die  Tab.  XVI  zeigt  eine  sehr  gute  Uebereinstimmung 
zwischen  Theorie  und  Beobachtung.  Auf  die  Lösung  Nr.  4 
ist  übrigens  nicht  viel  Gewicht  zu  legen,  da  ihre  Leitfähigkeit 


11 


1 64  W.  D.  Coolidge. 

schon  zu  gross  ist,  als  dass  die  Formel  (25)  noch  gültig  sein 
konnte. 

6.   Die  anormale  Absorption  der  Ester. 

Die  anormale  Absorption  einiger  Ester  ist  oben,  p.  142, 
aus  dem  Vergleiche  mit  CuSO^ -Lösungen  bestimmt  worden. 
Allein  aus  der  Abnahme  der  beobachtbaren  Knotenzahl  ohne 
Zuhülfenahme  von  Vergleichssubstanzen  kann  man  aber  auch 
die  Dämpfungszunahme  ermitteln  und  dann  aus  ihr  mit  Hülfe 
der  Formel  (26)  den  Index  x  der  anormalen  elektrischen  Ab- 
sorption. Es  ergab  sich  z.  B.  für  Propylformiat  ä  =  13  und 
für  Benzol  A  =  18.  Hieraus  berechnet  sich  (vgl.  oben  p.  160) 
die  Zunahme  dy  der  zeitlichen  Dämpfung  zu  0,041.  Es  be- 
trug A  =«  147  cm,  a  =  18,2  cm,  a'  (berechnet  aus  der  beob- 
achteten Wellenlänge  ohne  Condensator  nach  der  Formel  [20]) 
=  19,7  cm.  Dann  wird  der  Factor  von  rfy  in  Formel  (26) 
gleich  2,62.  Daraus  berechnet  sich  x  zu  0,008,  während 
durch  Vergleich  mit  wässrigen  Lösungen  (vgl.  oben  p.  142)  sich 
X  =  0,008  ergeben  hatte.  Die  Uebereinstimmung  ist  zufälliger- 
weise vollkommen.  Mehr  Beispiele  kann  ich  leider  nicht  geben, 
da  ich  bei  den  anderen  Estern  nur  auf  die  Vergleichsmethode 
mit  leitenden  Lösungen  hingearbeitet  hatte  und  die  Differenz 
der  beobachtbaren  Knotenzahl  gegen  Benzol  nicht  bestimmt 
habe.  Die  Beobachtungen  nach  dieser  Methode  sind  natürlich 
schneller  zu  erledigen  als  beim  Vergleiche  mit  den  wässerigen 
Lösungen.  Aber  die  Methode  des  directen  Vergleiches  mit 
leitenden  wässerigen  Lösungen  ist  genauer,  weil  man  bei 
dieser  Methode  nicht  nur  auf  gleiche  Anzahl  der  beobachtbaren 
Knoten  achtet,  sondern,  falls  man  möglichst  genau  arbeiten 
will^  auch  auf  gleiche  Stärke  des  zuletzt  beobachtbaren  Knotens. 
Es  ist  allerdings  durch  Benutzung  der  abgeleiteten  theoreti- 
schen Resultate  nicht  noth wendig,  dass  die  Capacitäten  des 
mit  der  Lösung  und  des  mit  der  zu  messenden  Substanz  ge- 
füllten Condensators  gleich  sind,  es  genügt  schon,  wenn  nur 
die  Stärke  des  letzten  beobachtbaren  Knotens  in  beiden  Fällen 
gleich  ist.  Das  letztgenannte  Verfahren  bietet  experimentelle 
Einfachheit,  führt  dafür  aber  rechnerische  Unbequemlichkeiten 
mit  sich. 


Dielektrische   Untersuchungen,  1 65 

Schluss. 

Die  Hauptergebnisse  der  vorliegenden  Arbeit  sind  fol- 
gende : 

1.  Vermittelst  der  im  ersten  Theile  beschriebenen  An- 
ordnung ist  die  Dielektricitätsconstante  von  nicht  zu  stark 
absorbirenden  Substanzen  mit  einem  wahrscheinlichen  Fehler 
von  0,1  Proc.  relativ  zu  messen.  Falls  der  Fehler  0,23  Proc. 
sein  darf,  genügt  es  schon,  wenn  man  f&r  die  zu  untersuchende 
Substanz  und  zwei  Aichfiüssigkeiten  eine  Bestimmung  von 
einer  einzigen  Knotenlage  macht. 

2.  Die  im  zweiten  Theile  beschriebene  Anordnung  ist 
für  absorbirende  Substanzen  nicht  zu  empfehlen,  wohl  aber 
für  nichtabsorbirende,  besonders  dann,  falls  die  letzteren  mit 
Schwingungen  sehr  verschiedener  Wellenlänge  untersucht  wer- 
den sollen.  Die  erreichbare  Genauigkeit  ist  ungefähr  dieselbe, 
wie  bei  der  ersten  Methode. 

3.  Die  Dielektricitätsconstanten  von  einigen  verflüssigten 
Gasen  sind  bei  Zimmertemperatur  bestimmt  worden. 

4.  Der  Temperaturcoefficient  der  Dielektricitätsconstante 
des  Wassers  ergab  sich  zu  —  0,432  Proc.  pro  Grad,  bei  17.0^. 
Diese  Zahl  stimmt  mit  den  von  Heerwagen  und  Drude 
gefundenen  Werthen  gut  überein. 

5.  Wasser  zeigt  anormale  Absorption.  Bei  A  =  147  cm 
ist  der  Absorptionsindex  x  =  0,0082.  Daraus  lässt  sich  die 
Wellenlänge,  für  welche  x  einen  maximalen  Werth  annehmen 
würde,  zu  A  =  3,6  mm  annähernd  taxiren. 

6.  Die  Indices  der  anormalen  elektrischen  Absorption  von 
einigen  Fettsäure-  und  Benzoesäureestern  sind  bestimmt 
worden. 

7.  Die  Dielektricitätsconstante  der  Alkohole  in  verdünnter 
Lösung  nehmen  mit  der  Verdünnung  ab  und  nähern  sich 
einem  Grenzwerthe.  Für  die  untersuchten  Alkohole  stimmen 
die  ermittelten  Grenzwerthe  mit  den  von  Philip  vermittelst 
langsamer  Schwingungen  gefundenen  Werthen  gut  überein; 
die  Grenzwerthe  sind  also  frei  von  elektrischer  Dispersion  im 
Gegensatze  zu  den  concentrirten  alkoholischen  Lösungen. 

8.  Die  für  den  Blondlot'schen  Erreger  gegebene  Theorie 
schliesst   sich   sowohl   hinsichtlich    der  Wellenlängen   als    der 


166  W,  D,  Coolidge,     Bielektrische  Untersuchungen. 

zeitlichen  Dämpfungsconstanten  der  Erfahrung  gut  an.  Daher 
kann  man  aus  der  Anzahl  der  beobachtbaren  Knoten  den 
elektrischen  Absorptionsindex  berechnen.  ^ 

9.  Bei  beiden  der  oben  erwähnten  Methoden  zur  Be- 
stimmung der  Dielektricitätsconstante  wird  die  zu  unter- 
suchende Substanz  dielektrisch  stärker  beansprucht  als  nach 
den  Drude 'sehen  Methoden,  wo  die  Substanz  sich  hinter  der 
ersten  Brücke  befindet.  Ob  diese  stärkere  Beanspruchung 
für  die  in  Frage  kommende  Substanz  nachtheilig  ist,  lässt  sich 
durch  Controlirung  mit  anderen  Methoden  entscheiden. 

Die  vorliegenden  Untersuchungen  sind  auf  Anregung  des 
Hm.  Prof.  Dr.  Drude  im  Physikalischen  Institute  der  Uni- 
versität Leipzig  angestellt  worden,  und  der  Verfasser  kann 
es  nicht  unterlassen,  zum  Schluss  sowohl  Hm.  Prof.  Dr.  Drude 
für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und  für  die  vielfachen 
fördernden  Rathschläge  während  der  Untersuchungen  als  auch 
dem  kürzlich  verstorbenen,  ehemaligen  Director  des  Physika- 
lischen Instituts,  Hm.  Geheimrath  Prof.  Dr.  6.  Wiedemann, 
für  das  Interesse,  mit  dem  er  den  Fortgang  der  Arbeit  ver- 
folgte, seinen  herzlichsten  Dank  abzustatten. 

(Eingegangen  19.  August  1899.) 


( 


► 


10.   Ztir  Mechanik  der  Canal^  und  Kathoden^ 
strahlen^);  van  Paul  Ewer 8. 

(Hl0na  TAf.  I,  Flg.  1—9.) 


Eine  grosse  Reihe  wichtiger  Untersuchungen  hat  in  neuerer 
Zeit  die  Ansicht  bestätigt,  dass  sowohl  die  Canalstrahlen 
wie  die  Eathodenstrahlen  aus  fortgeschleuderten  materi- 
ellen Theilchen  bestehen.  Die  Bedingungen  für  das  Auftreten 
von  Canalstrahlen,  sowie  die  Haupteigenschaften  derselben, 
sind  schon  von  Hm.  Gold  stein*)  untersucht  worden.  Dass 
die  Canalstrahlen,  obwohl  sie  Ton  der  Kathode  auszugehen 
scheinen,  positive  Ladung  mit  sich  führen,  ist  von  Hm.  W.  Wien^ 
festgestellt  worden;  derselbe  berechnet  auf  Grund  der  elek- 
trischen und  magnetischen  Ablenkbarkeit  derselben  für  das  Ver- 
hältniss  der  Ladung  eines  geschleuderten  Theilchens  zur  Masse 
desselben  bei  einer  Eisenkathode  den  Werth:  312,5  [cmVtgVt/g] 
im  E.  M.  S.,  sowie  für  die  Geschwindigkeit,  mit  der  die  Theil- 
chen den  Gasraum  durchfliegen,  den  Werth:  3,6.10^[cmsec— ^]. 

Analog  liegen  die  Verhältnisse  bei  den  Kathodenstrahlen. 
Dass  dieselben  negative  Ladung  mit  sich  führen,  ist  schon 
seit  längerer  Zeit  bekannt  und  neuerdings  von  J.  J.  Thomson*) 
genauer  festgestellt.  Als  Verhältniss  der  Ladung  eines  ge- 
schleuderten Theilchens  zur  Masse  desselben  hat  Hr.  J.  J. 
Thomson  etwa  5.10®  [cm*/«  g*/«/g]  pro  Gramm  gefunden,  und 
zwar  unabhängig  vom  Kathodenmaterial  und  von  der  Gas- 
filUung.  Dieselbe  Grösse  wurde  neuerdings  von  Hm.  Kauf- 
mann*) zu  1,86.10^  bestimmt.  Für  die  Geschwindigkeit  giebt 
Hr.  Thomson  1,5.10«  [cm  sec-i],  Hr.  W.  Wien»)  ein  Drittel 
Lichtgeschwindigkeit  an.  Etwas  abweichende  Werthe  erhielt 
Hr.  P.  Lenard®),  der  für  das  Verhältniss  der  Ladung  eines 


I 


1)  Auszog  aus  der  München  er  Inaugural-Dissertation  des  Verfassers. 

2)  £.  Qoldstein,    Sitzungsber.    der   k.   Akad.    d.    Wissensch.   zu 
Berlin,  p.  691  ff.  1886;  Wied.  Ann.  64.  p.  38.  1898. 

8)  W.  Wien,  Wied.  Ann.  65.  p.  445 ff.  1898. 

4)  J.  J.  Thomson,  Phil.  Mag.  44.  p.  293.  1897. 

5)  W.  Kaufmann,  Wied.  Ann.  65.  p.  431  ff.  1898. 

6)  P.  Lenard,  Wied.  Ann.  64.  p.  279ff.  1898. 


168  F.  Ewers. 

Theilchens  zu  seiner  Masse  den  Werth  6,4.10®  angiebt,  und 
für  die  Geschwindigkeit  0,67  bis  0,81 .  10  ^^  [cmsec-i]. 

Während  nun  bei  den  Canalstrahlen  die  erhaltenen  Werthe 
mit  der  Annahme  geschleuderter  Atome  ganz  gut  in  Einklang 
zu  bringen  sind,  stösst  man  bei  den  Eathodenstrahlen  auf 
Schwierigkeiten.  Es  müsste  nämlich  hier  entweder  die  Masse 
eine  etwa  2000  mal  kleinere  sein,  als  die  eines  H- Atoms, 
oder  es  müsste  an  einem  gewöhnlichen  Atom  eine  etwa  2000 
mal  so  grosse  Elektricitätsmenge  haften,  als  man  sie  bisher 
bei  dem  Vorgange  der  Elektrolyse  als  an  einem  Atom  sitzend 
bestimmt  hatte. 

Abweichend  von  diesen  Resultaten  findet  Hr.  P.  Villard^), 
dass  man  die  Kathodenstrahlenerscheinungen  als  durch  Wasser- 
stoff bedingt  ansehen  müsse.  Da  in  elektrodenlosen  Röhren 
Eathodenstrahlen  mit  denselben  Eigenschaften  zu  Stande  kom- 
men wie  in  Röhren  mit  Elektroden,  so  ist  man  jedenfalls  be- 
rechtigt, die  Eathodenstrahlen  als  nicht  aus  dem  Eathoden- 
materiale  bestehende  Theilchen  anzunehmen. 

Wie  man  sieht,  waren  zur  Elärung  der  Frage,  was  es 
eigentlich  für  Theilchen  sind,  welche  in  den  Canal-  und 
Eathodenstrahlen  bewegt  werden,  weitere  Versuchs-  und  Mes- 
sungsreihen anzustellen.  Vor  allem  war  die  Schwierigkeit  zu 
heben,  welche  der  Ansicht,  dass  die  genannten  Strahlungen 
auf  fortgeschleuderten  materiellen  Theilchen  beruhen,  von  jeher 
entgegenstand;  denn  wenn  diese  Entladungen  mit  dem  Trans- 
port von  Massen,  wenn  auch  noch  so  kleinen,  verbunden  sind, 
so  müssen  sich  doch  dort,  wo  sie  auftreffen,  die  geschleuderten 
Partikelchen  ansammeln  und  als  solche  nachweisbar  werden. 

Zur  Beantwortung  dieser  und  verwandter  Fragen  sollen 
die  nachfolgenden  Messungsreihen  Beiträge  liefern. 

Bisher  hat  man  die  Geschwindigkeit  der  in  den  Canal- 
und  Eathodenstrahlen  geschleuderten  Theilchen  hauptsächlich 
durch  Ablenkungsbeobachtungen  ermittelt.  Bei  der  grossen 
Wichtigkeit  gerade  dieser  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  beider 
Strahlengebilde  w^ar  es  wichtig,  nach  anderen  Methoden  zu 
suchen,  welche  dieselbe  physikalische  Grösse  zu  ermitteln  ge- 
statten.    Es   lässt   sich   leicht  übersehen,    dass   man   bei  Zu- 


1)  P.  Villard,  Compt.  rend.  126.  p.  1564—1566.  1898. 


Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen,  169 

grundelegung  der  aus  der  Elektrolyse  folgenden  Werthe  für 
das  Verhältniss  der  Ladung  eines  materiellen  Theilchens  zu 
seiner  Masse:  e/m,  aus  der  Combination  einer  Messung  der 
Elektricitätsmenge  mit  einer  Energiemessung;  d.  h.  einer  calori- 
metrischen  Messung,  diese  Werthe  erhalten  kann.  Ich  bin 
fär  Canalstrahlen  auf  diesem  Wege  zu  fast  denselben  Werthen 
wie  Hr.  W.  Wien  gekommen,  während  ich  bei  den  Kathoden- 
strahlen meine  Rechnungen  bezüglich  der  Geschwindigkeit 
unter  der  Annahme  irgend  welcher,  vorlaufig  noch  unbestimmter 
fortgeschleuderter  Theilchen  durchgeführt  habe. 


I 


Nach  bekannten  Gesetzen  der  Elektrolyse  ist  1  g-Aequi- 
yalent  jedes  Stoffes  mit  einer  bestimmten  Elektricitätsmenge, 
nämlich  mit  96540  Coulomb,  verbunden,  d.  h.  108  g  Ag  oder 
1  g  H  würden  im  lonenzustande  diese  Elektricitätsmenge  über- 
tragen. Bezeichnet  6[cmVfgVt]  die  Ladung,  die  an  der 
Masse  m[g]  haftet,  so  ist  für  ZT:  «/m  =  9,654 .  10'  [cm  V.gV./g] 
pro  Gramm.     Füi»  iV-werthige  Atome  vom  Atomgewichte  Ä  ist: 

Diese  Betrachtung  soll  nun  auf  die  Vorgänge  in  Entladungs- 
gef&ssen  übertragen  werden,  und  zwar  wird  hier  der  Factor 
der  Geschwindigkeit,  mit  der  die  Atome  begabt  sind,  eine  viel 
grössere-  Rolle  spielen,  als  im  Gebiete  der  Elektrolyse,  wo  die 
Geschwindigkeiten  der  Ionen  sehr  klein  sind.  Nimmt  man  an, 
dass  die  Canal-  und  die  Eathodenstrahlen  aus  fortgeschleu- 
derten Partikelchen,  etwa  Atomen,  die  geladen  sind,  bestehen, 
und  die  sich  geradlinig  fortbewegen,  ist  n  die  pro  sec  fortge- 
schleuderte Anzahl  derselben  und  trägt  jedes  die  Elektricitäts- 
menge 8  mit  sich  fort,  so  ist  die  pro  sec  fortgeführte  Elektri- 
citätsmenge: 

(2)  9  =  n.€[cmV.gV.], 

woraus  sich  ergiebt 

(3)  n  =  |W. 

Bewegen  sich  diese  n  Massentheilchen  von  der  Masse  m  mit 
der  Geschwindigkeit  v  geradlinig   fort,   so   enthalten   sie   die 


170  P.  Eioers. 

kinetische  Energie:  n,m,^l^v^.     Würden  diese  Theilchen 
auf  ein  Hinderniss  stossen,  und  würde  der  Stoss  Tollkonune: 
unelastisch  stattfinden,  so  würde  diese  kinetische  Energie  toI] 
kommen  in  Wärme  verwandelt  werden;  ihr  Betrag  sei  a  a1 
solute  mechanische  Einheiten  (1  cal.  =  4,189. 10^[cm^gsec""^^ 
Wir  hätten  dann  die  Formel 

(4a)  a  =  n.  Y^*[c^^  gsec"^]. 

Es  ist  aber  jedenfalls  ganz  unzweifelhaft,  dass  beim  Auf- 
treffen dieser  Theilchen  auf  einen  festen  Widerstand  nur  ein 
Theil  dieser  Energie  in  Wärme  verwandelt  wird,  da  in  Folge 
elastischen  Stosses  viele  Theilchen  in  den  Gasraum  zurück- 
fliegen werden.  Wir  wollen  diesen  Umstand  in  der  Formel 
(4  a)  dadurch  ausdrücken,  dass  wir  auf  der  linken  Seite  einen 
Factor  a*  hinzufügen,  wo  a  durch  die  folgenden  Versuche 
noch  geeignet  zu  bestimmen  sein  wird.  Dann  nimmt  unsere 
zuletzt  hingeschriebene  Formel  die  Gestalt  an: 

(4  b)  a^*a  =  n'  —  v\ 

dt 

Aus  der  Vereinigung  der  Gleichungen  (3)  und  (4  b)  folgt: 
(5)  -^-.yr2  =  a2.ß^^.y.^  ^,2, 

Hr.  W.  Wien  hat  für  Canalstrahlen  bei  einer  Kathode 
aus  Eisen  für  die  geschleuderten  Theilchen,  die  er  annimmt, 
als  Werth  lür  e/m  pro  g  312,5  [cm*«  g*i:jg]  erhalten.  Fasst 
man  die  fortgeschleuderten  Theilchen  als  Eisenionen  auf,  so 
müsste  sich  unter  Zugrundelegung  von  zweiwerthigen  Eisen- 
atomen ergeben  haben: 

cm  Vt  g  */t 


'         ^      9,654.10^  =  345 


g 


prog 


m         55,9 

Es  findet  sich  hier  eine  Abweichung  von  9,4  Proc,  die 
aus  dem  Grunde  wohl  für  unwesentlich  gehalten  werden  darf, 
weil  bei  den  Versuchen  W.  Wien*s  nur  eine  Gesammtab- 
lenkung von  6  mm  beobachtet  wurde,  sodass  eine  Abweichung 
von  9,4  Proc.  einem  Ablesefehler  von  nur  etwa  ^2  °^^  ^^^ 
sprochen  haben  würde,  und  da  ja  auch  die  Canalstrahlen 
ebenso  wie  die  Kathodenstrahlen  aus  verschieden  ablenkbaren 

i 


i 


Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen.  171 

Strahlen  bestehen,  somit  eine  scharfe  Grenze  zum  Ablesen  der 
-Ablenkung  von  vornherein  nicht  erwartet  werden  darf. 

Der  JFien^ seile  JFerth  ist  also  vollständig  mit  der  Annahme 
vereinbar^  die  wir  hinfort  machen  wollen^  dass  die  Canalstrahlen 
aus  fortgeschleudertem  Kathodenmaterial  bestehen, 

Apparate. 

Als  Elektricitätsquelle  diente  eine  40plattigey  sich  selbst 
erregende  Töpler'sche  Influenzmaschine  mit  20  beweglichen 
und  20  feststehenden  Scheiben  aus  dem  mechanischen  Institute 
von  Oskar  Leuner  in  Dresden,  und  zwar  eine  Maschine  der 
neueren  Construction  dieses  Institutes.  Die  beweglichen  Scheiben 
der  Maschine  machten  bei  den  folgenden  Versuchen  pro  Secunde 
8  Umdrehungen,  und  die  entwickelte  Elektricitätsmenge  betrug 
3,1 .  10~*  Coulomb  pro  Secunde.  Bei  keinem  der  Versuche 
wurden  Leydener  Flaschen  angewendet,  und  es  wurden  irgend 
welche  Funkenstrechen  mit  grö'sster  Sorgfalt  vermieden.  Die  Zahl 
der  Entladungen,  die  die  Maschine  in  einer  Secunde  durch 
ein  Entladungsrohr  schickt,  wurde  mit  Hülfe  eines  kleinen 
Geisslerröhrchens  mittels  Drehspiegels  gemessen  und  zu  etwa 
60  000  pro  Secunde  bestimmt,  wenn  das  Geisslerröhrchen  und 
ein  Canalstrahlenrohr  vor  die  Elektricitätsquelle  in  Serie  ge- 
schaltet waren.  Wie  gross  die  Entladungszahl  war,  wenn  das 
Geisslerröhrchen  fortgelassen  wurde,  konnte  nicht  bestimmt 
werden,  da  die  Dimensionen  des  Entladungsrohres  senkrecht 
zur  Rohraxe  für  Beobachtungen  mit  dem  Drehspiegel  zu  gross 
waren,  und  in  Folge  dessen  die  Helligkeit  zu  schwach  war, 
um,  wenn  ein  Schirm  mit  schmalem  Spalt  vor  dem  Kohre  an- 
gebracht war,  die  räumlich  nebeneinander  geschichteten  Spalt- 
bilder als  voneinander  getrennte  Linien  deutlich  erkennen 
und  ihre  Abstände  messen  zu  können. 

Zum  Evacuiren  der  Entladungsgefässe  wurde  eine  Geissler- 
pumpe  mit  zweifach  durchbohrtem  Hahn  mit  vorgelegter  Wasser- 
strahlpumpe verwendet. 

Der  im  Entladungsrohre  herrschende  Druck  wurde  aus 
der  Zahl  der  Evacuationen  und  der  Eenntniss  des  Verhältnisses 
des  Volumens  der  Luftpumpenkugel  zum  Volumen  der  übrigen 
mit  dem  Entladungsrohre  communicirenden  Theile  der  Pumpe 
berechnet. 


172 


P,  Ewerf, 


Die  Eniladungsgefdsse  wurden  entsprechend  den  Zwecken, 
denen  sie  dienen  sollten,  in  drei  Formen  verwendet. 

Fig.  1  giebt  ein  Canalstrahlenrohr  in  der  Form  wieder, 
wie  es  bei  einigen  Wärmemessungen  angewendet  wurde.  Die 
Anode  befindet  sich  hier  in  einer  seitlich  angeblasenen  Kugel 
des  Theiles  Ä  und  besteht  aus  Aluminium.  Ihr  Durchmesser 
beträgt  14  mm.  Die  untere  Verengung  des  Theiles  B  hatte 
den  Zweck,  dass  bei  der  Wärmemessung  ein  möglichst  kleines 


^  i  '• 


C-' 


y 

^       ^ 
•        X 
^        ^ 
^ 
• 


B 


Fig.  1. 


Kri. 
Fig.  2. 


Calorimeter  verwendet  werden  konnte.  Beide  Theile,  A  und 
j?,  wurden  mit  Siegellack  auf  der  jeweiligen  Kathode  festge- 
kittet, die  rings  den  umgelegten  und  abgeschliffenen  Rand  der 
Glasröhre  um  einige  Millimeter  überragte.  Das  Rohr  P  führte 
zur  Luftpumpe.  Die  lichte  Weite  des  Rohres  A^  sowie  des 
oberen  Theiles  von  B  betrug  3  cm,  die  des  unteren  Theiles 
2,2  cm.  Eine  durch  die  Mitte  der  Anode  senkrecht  zu  dieser 
gelegt  gedachte  Axe  schnitt  die  Axe  des  Rohres  A  in  einem 
Abstände  von  11  cm  von  der  Kathode  und  hatte  selbst  eine 
Länge  von  3,7  cm.  Der  Boden  des  Rohres  B  war  4,5  cm  von 
der  Kathode  entfernt. 

Eine  zweite  Form  der  Canalstrahlenröhren,  wie  sie  be- 
sonders zum  Messen  von  Elektricitätsmengen,  aber  auch  für 
Energiemessungen   benutzt   wurde,   ist   in  Fig.  2   veranschau- 


Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen, 


178 


licht.  Der  Theil  A  war  derselbe,  wie  in  Fig.  1 .  In  den  Boden 
L  des  Rohres  £  war  eine  Auffangelektrode  (Kn)  von  11  mm  Durch- 
P  messer  eingeschmolzen,  die,  wenn  das  Rohr  ebenfalls  mit 
1  Siegellack  verkittet  war,  von  der  Kathode  4  cm  entfernt  war. 
I  Zur  gleichzeitigen  Untersuchung  der  Kathoden-  und  Canal- 

strahlen   wurde  das  Entladungsgefäss,  Fig.  3,  verwendet.     In 
einer  seitlich  angeblasenen  Kugel  des  ^^, 

Bohres  A  befindet  sich  die  Anode  (+),  /H^ 


eine  Aluminiumelektrode  mit  einem 
Durchmesser  von  26  mm.  Der  Ab- 
stand einer  auf  der  Anode  errichteten 
Normalen  von  der  Rohraxe  von  A  be- 
trägt 5  cm,  der  senkrechte  Abstand 
der  Anodenmitte  von  der  Ebene  der 


6' 


p. 


Fig.  3. 


Kathode   beträgt  3  cm.     Bei  B  be-        /^"^^  i  rV^ 

findet  sich  ein  Diaphragma  aus  Alu-   -»-  l  ^  [ 

miniumblech  mit  einer  Oeffnung  in  \~  r\  a 
seiner  Mitte  von  9  mm  Durchmesser,  ^^-^ 
zu  dem  durch  einen  seitlich  ein- 
geschmolzenen Platindraht  eine  me- 
tallische Leitung  von  aussen  her- 
gestellt war.  Dieses  Diaphragma  war 
4,7  cm  von  der  Kathode  entfernt  an- 
gebracht. Die  Elektrode  {KtK)  hatte 
einen  Durchmesser  von  26  mm  und 
ihr  Abstand  von  der  Kathode  betrug  13  cm.  Den  Theil  B 
des  Entladungsgefässes  bildete  ein  analoger  Rohrtheil,  wie  er 
schon  bei  Fig.  3  beschrieben  ist. 

Die  benutzten  Kathoden^  von  der 
Form,  wie  in  Fig.  4  wiedergegeben,  be- 
standen aus  einem  2  mm  dicken  Alu- 
miniumbleche, in  welchem  in  der  Mitte 
eine  Oe£fnung  von  18  mm  Durchmesser 
ausgedreht  war.  Nahe  am  Rande  dieser 
Oeffnung  waren  einige  Löcher  gebohrt, 
um  mittels  derselben  die  jeweils  in  Ge-  ^*^*  ^• 

stalt  feiner  Drahtnetze  benutzten  Kathodenmateriale  durch 
dünne  Drähte  befestigen  zu  können.  Die  Netze  überrtigten 
den  Rand  der  Aluminiumkathode  rings  um  etwa  2  mm,  sodass 


174  R  Ewers, 

der  Raum  Ä  (Fig.  1 — 3)  nur  durch  die  engen  Maschen  des 
Metallgewebes  mit  dem  Räume  B  communicirte.  ^ 

Es  wurden  die  folgenden  Drahtgewebe  mit  quadratischer 
Structur  verwendet: 

1.  Ein  Drahtgewebe  aus  Aluminium.  Die  Drähte  des- 
selben hatten  einen  Durchmesser  von  0,25  mm  und  die  Draht- 
axen  einen  Abstand  von  1  mm  voneinander. 

2.  Ein  Drahtgewebe  aus  Eisen.  Die  Drähte  desselben 
hatten  einen  Durchmesser  von  0,17  mm  und  die  Drahtaxen 
einen  Abstand  von  0,83  mm  voneinander. 

3.  Ein  Drahtgewebe  aus  Platin.  Die  Drähte  desselben 
hatten  einen  Durchmesser  von  0,14  mm  und  die  Drahtaxen 
einen  Abstand  von  0,67  mm  voneinander. 

Die  calorimetrischen  Messungen  wurden  mit  zwei  cylinder- 
fbrmigen  Calorimetem  aus  dünnem  Messingblech  ausgef&hrt 
Als  Calorimeterflüssigkeit  diente  immer  Terpentinöl.  Das  be- 
nutzte Thermometer  war  in  Vs  Orade  getheilt,  sodass  noch 
^/gQ  Orade  ziemlich  genau  geschätzt  werden  konnten.  Die 
Calorimeter  hatten  einen  Wasserwerth  von  7,208,  bez.  18,147. 

Zum  Messen  der  an  die  Auffangelektrode  (Fig.  2)  zuge- 
strahlten Elektricitätsmenge  wurde  ein  Wiedemann'sches 
Galvanometer  verwendet,  für  welches  eine  mit  Schellack  vor- 
züglich isolirte  Drahtrolle  augefertigt  wurde.  Die  Aichung 
ergab,  dass  ein  Ausschlag  von  einem  Scalentheile  (=  2  mm) 
auf  einer  etwa  2  m  vom  Galvanometer  entfernten  Scala  einem 
Strome  von  1,7 .  10~^  Amperes  entsprach,  oder  einer  pro  Se- 
cunde  abgeflossenen  Elektricitätsmenge  von  1,7  .  10""^  Coulomb. 

Die  PotentialdifFerenzen  zwischen  Anode  und  Kathode 
wurden  mittels  eines  Ebert-Hoffmann'schen')  PlcUtenvoU- 
meters  bestimmt.  Seine  Aichung  wurde  mit  Hülfe  des  Bichat* 
Blondlot'schen*)  absoluten  Cylinderelektrometers  ausgeführt 
Es  zeigte  sich,  dass  die  Wurzel werthe,  die  den  Spannungen 
proportional  sind,  sehr  nahe  auf  einer  geraden  Linie  liegen. 
Die    Entladungen   wurden   in    drei    verschiedenen    G€uen 


1)  H.  Ebert  u.  M.  W.  Hoffmann,  Zeitschr.  f.  Instrumentenkunde  18* 
p.  1.  1898. 

2)  Bichat-Blondlot,  Compt.  rend.  102.  p.  758—756.  1886. 


• 


Mechanik  der  CanaU  und  Kaihodenstrahlen,  175 

untersucht,  and  zwar  wurden  Wasserstoff,  Stickstoff  und  Kohlen- 
säure verwendet. 

Bei  den  Rechnungen  wurde  eine  Reihe  von  Zahlenwerthen 
benutzt,  die  im  Folgenden  zusammengestellt  sind. 

Eine  Hg-Säule  von  1  mm  Höhe  übt  bei  20  ®  einen  Druck 
von  1329  Dynen  pro  cm^  aus. 

Die  molecularen  Weglängen  ^)  A^^^  und  \  bei  dem  Druck 
760  mm  und  1  mm  Hg,  und  der  Querschnitt  sämmtlicher 
Molecüle  im  cm^  q  bei  760  mm  Hg  sind: 

H,  1855.10-8  1,41.10-2  9500 
N,  986.10-8  7,5  .10-3  17900 
CO,      680.10-8    5,16.10-3     26000 

Das  Gewicht  eines  Atoms  Wasserstoff*)  ist  8,3.10-25  g. 
Das  Gewicht  eines  Atoms  eines  Elementes  vom  Atomgewicht 
J  beträgt:  ^.8,3.10-25  g. 

An  einem  einwerthigen  Atom  sitzt  eine  Elektricitätsmenge : 
8,0. 10"2i  [cm*'«  gVt],  An  einem  n-werthigen  Atom  sitzt  daher 
die  Elektricitätsmenge:  w .  8,0 .  IO-21  [cm' « g^«]. 

I.  Versuche  mit  Canalstrahlen. 
a)  MesBungen  von  Elektricitätsmengen. 

Wurde  die  Kathode  der  Entladungsröhre  (Fig.  3)  zur  Erde 
abgeleitet,  so  trat  nichtsdestoweniger  in  dem  die  Anode  nicht 
enthaltenden  Theil  B  der  Röhre  Elektricität  positiven  Zeichens 
von  dem  Momente  an  über,  wo  das  Auftreten  von  Canalstrahlen 
bemerkbar  wurde.  Beim  Gang  der  Maschine  wurde  bei  Kn 
ein  continuirlicher  Zufluss  von  positiver  Elektricität  constatirt, 
welcher  einen  am  Galvanometer  leicht  zu  messenden  und  in 
Coulomb  pro  Secunde  auszurechnenden  Strom  lieferte.  Dieses 
bestätigt  zunächst  die  von  Hm.  W.  Wien  zuerst  gemachte 
Entdeckung,  dass  in  der  That  in  den  Canalstrahlen  Partikel- 
chen, die  mit  freier  positiver  Ladung  begabt  sind,  transportirt 
werden. 

1)  Sämmtliche  Zahlen  wer  the,  die  sich  auf  das  Gebiet  der  molecu- 
laren Physik  beziehen,  wurden  den  physikalisch-chemischen  Tabellen  von 
Landolt-Börnstein  entnommen  und  im  besonderen  die  Angaben  von 
O.  E.  Meyer  den  Berechnungen  zu  Grunde  gelegt. 

2)  Vgl.  W.  Kernst,  Theoretische  Chemie  2.  Auflage,  p.  394.  1898. 


176 


P.  Ewers, 


Es  zeigte  sich  nun  aber  weiter  die  sehr  bemerkenswerthe 
Thatsache,  dass  sowohl  der  Moment  des  Auftretens  dieser  Er- 
scheinung, als  auch  der  gesanimte  Verlauf  von  der  Natur  der^ 
Gasfdllung  abhängt.  Um  dieses  näher  zu  erläutern  erlaube 
ich  mir,  für  eine  Keihe  von  Fällen  die  entsprechenden  Messungs- 
resultate in  extenso  mitzutheilen. 

Wie  Hr.  Goldstein  schon  beobachtet  hat,  gehen  die 
Canalstrahlen  anfänglich  von  der  ganzen  durchbrochenen  Eji- 
thodenfläche  aus;  mit  abnehmendem  Drucke  entfernen  sie  sich 
dagegen  beständig  vom  Rande  der  Kathode  (Fig.  5),  und  das 
Canalstrahlenbündel  zieht  sich  immer  mehr  nach  der  Axe  des 
Hohres  zusammen. 

I.  YerBuche  mit  der  AlumiDiumkathode  in  H^. 

In  den  folgenden  Tabellen  bedeutet  L  den  in  mm  Hg 
gemessenen  Druck  und  C  die  pro  Secunde  abgeflossene  Elek- 
tricitätsmenge  in  Coulomb  gemessen. 


1 

2 

1 

8              ! 

1 

4 

D     1         C 

t 

D 

C 

D              C 

D 

C 

0.39             0 

0,39 

0 

0,392            0            0,39 

0 

0,249  1  9,5    .  10-7 

0,249 

9,5    .10-7 

0,250    9,5    .10-7 

0,249 

1.8    .10-« 

0,131    1,71.10-5 

0,131 

1,71  .  lO-ö 

0,132    1,71.10-5 

0,131 

1,71 .  10-6 

— 

"~~         1 

0,044 

5,5    .10-5 

—             — 

:  0,044 

5,5    .10-6 

— 

1  0,0148 

7,6    .  10-5 

—             — 

0,0148 

7,3    .10-6 

—               — 

0,00498 

9,1    .10-5 

t 

0,00498 

9,1    .10-5 

— 

— 

0,00168 

9,5    .10-5, 

1 

1                     1 

;  0,00168 

9,5    .10-5 

Hieraus   ergeben  sich   die  folgenden  zusammengehörigen 
Mittel  werthe : 


0,0148        1     , 
7,5  .  10-5   I  «*^- 


D        0,39     0,249  0,131  0,044 

C  0       1,04.10-6         1,71.10-5        5,5.10-6 

Diese  Werthe  wurden  graphisch  in  der  Tafel  I,  Fig.  1 
aufgetragen,  indem  auf  der  Abscissenaxe  die  einzelnen 
Evacuationen ,  denen  die  Drucke  zugeschrieben  sind  durch 
äquidistante  Strecken  dargestellt  wurden.  Als  Ordinaten 
wurden  dann  die  zugehörigen,  pro  Secunde  fortgeleiteten 
Coulomb  eingetragen.  Es  lässt  sich  nun  mit  grosser  Sicher- 
heit eine  wahrscheinliche  Curve  durch  die  Endpunkte  der 
Ordinaten  legen,  mittels  derer  das  Eintreten  der  Canalstrahlen 


Mechanik  der  CanaU  und  Kathodenstrahlen, 


177 


bei  einem  Drucke  von  0,26  mm  Hg  extrapolirt  werden  konnte 
(wobei  natürlich  dem  Umstände  Rechnung  getragen  wurde, 
^  dass  in  der  Figur  äquidistante  Abscissenpunkte  einer  Druck- 
abnahme nach  einer  geometrischen  Reihe  entsprechen).  Also 
ist  bei  der  hier  verwendeten  Elektrode  bei  einer  H,-Ftillung 
das  Auftreten  der  Canalstrahlen  bei  einem  Drucke  von  0,26  mm 
Hg  =  345  Dynen  pro  cm^  zu  suchen.  Natürlich  ist  dieser 
Werth  auf  einen  Abstand  der  Auffangelektrode  Kn  von  der 
Kathode,  der  4  cm  beträgt,  bezogen;  es  würden  sich  ohne 
Zweifel  für  einen  anderen  Abstand  andere  Werthe  ergeben 
haben,  da  ja  nach  der  Angabe  des  Hm.  Goldstein  die 
Canalstrahlen  sich  erst  mit  wachsender  Gasverdünnung  stetig 
verlängern,  also  nicht  schon  bei  ihrem  ersten  Eintreten  bis 
an  die  Auffangelektrode  Kn  gelangt  sein  können. 

Bei  einem  Drucke  von  0,26  mm  Hg  ergiebt  sich  für  H, 
die  moleculare  Weglänge  0,542  mm  und  der  Querschnitt 
sämmtlicher  Molecüle  im  cm^:  3,25  cm^.  Es  haben  also  im 
vorliegenden  Falle  die  Canalstrahlen  auf  ihrem  4  cm  langen 
Wege  pro  cm*  Erzeugungsfläche  einen  Gesammtquerschnitt 
der  H,-Molecüle  von  13  cm'  passiren  müssen.  In  derselben 
Weise  sind  die  entsprechenden  Grössen  bei  den  späteren  Ver- 
suchen berechnet  und  in  der  Tabelle  p.  178  zusammengestellt. 


II.  Versuche  mit  der  Aluminiumkathode  in  N«. 


D 

0,39 
0,131 
0,0U 
0,0148 


C 


D 


3 


0  0,39 

2,1  .  10-6  i|  0,131 

8,0.10-6  I  0.044 

7,6.10-5  ij  0,0148 

—  ]|  0,00497 

—  !i  0,00168 


0 
2,29.  10-6 
3,1  .  lO-o 
7,5  .  lO-ö 
8,9  .  lO-ö 
9,5   .  10-'> 


D 

0,39 

0,131 

0,044 


C 


2,1    .  10-6 
3,05.10-5 


Aus  dieser  Tabelle  ergeben  sich  die  folgenden  Mi ttelwerthe: 


D 
C 


0,39    0,131 


0.044 


0,0148 


0,00497 


etc. 


0     2,16.10-6    3,05.10-6    7,55.10-6    8,9.10-6 

Diese  Werthe  wurden  in  der  Tafel  I,  Fig.  2  aufgetragen^ 
aus  der  sich  durch  Extrapolation  für  das  Eintreten  der  Canal- 
strahlen der  Werth  0,140  mm  Hg  ergiebt. 

V        Ann.  d.  Phyi.  o.  Chem.    N.  F.    09.  12 


178 


P.  Ewers. 


III.  Versuche  mit  der  Aluminiumkai hode  in  C0|. 


1 

2 

8 

D 

C 

D 

C 

D 

0,132 

0 

1    0,131 

;       0 

0,131 

0,0845 

4,7    .10-6 

0,084 

1      ' 

3,8.10-6 

0,084 

4,2 

0,044 

2,09.10-5 

0,044 

1      1,9.10-5 

1    0,044 

2,09 

0,0149 

5,5    .10-5 

0,0149 

5,7.10-5 

0,0148 

6,1 

0,005 

7,6   .10-5 

1    0,00499 

1     8,3  .  10-5 

0,00497 

'    8,7 

0,00169 

9,1    .  10-5 

0,00169 

9,1.10-5 

'    0,00168 

9,6 

0,00057 

9,5    .  10-5 

0,00057 

9,5.10-5 

0,00057 

I    9.8 

Zieht   man   das  Mittel  aus  diesen  Beobachtungen, 
hält  man  die  folgenden  sich  entsprechenden  Werthe: 

/;     0,131    0,0842      0,044        0,0149      0,00491 
C  0     4,2.10-6    2,03.10-5    5,8.10-5    8,2.10 

Diese  Werthe  wurden  auf  der  Tafel  I,  Fig.  3  gra 
aufgetragen. 

Extrapolirt   man  den  Werth,    wo   die   entstandene 
die  Abscissenaxe   schneidet,    so   kommt   man  in  diesem 
auf  den  Werth  0,095,  d.  h.  bei  einem  Drucke  von  0,0{ 
Hg  erreichen   die  Canalstrahlen   gerade   die  Auffangelc 
Kn,  falls  das  Rohr  mit  COj   gefüllt  ist. 

Die  auf  diese  Weise  gewonnenen  Resultate  sind 
gender   Tabelle    zusammengestellt.     In   derselben   bede 
den  Druck,   bei  dem  die  Canalstrahlen  einsetzen,  in  m 
/r  die  moleculare  Weglänge  in  mm  beim   Drucke  P, 
den   Querschnitt   sämmtlicher  Molecüle  im  cm^  in  cm 
Drucke  P, 

Die  Kathode  bestand  aus  Aluminium. 


Gasfüllung 

H, 

N« 

CO, 

P 

0,26 

0,14 

0,095 

W 

0,542 

0,535 

0,544 

Q 

3,25 

3,30 

3,25 

Man  ersieht  sofort^  dass  das  Eintreten  der  Canalstrafi 
der  mulecidaren   H^eglänge  des  Gases,   mit  dem  das  Rohr 


Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen. 


179 


^ 


t 


wurde,  also  auch  vom  Querschnitt  sämmtlicher  Molecüle  im  an^ 
abhängig  ist,  und  zwar  erkennt  man,  dass  hei  Gasen  die  Canal- 
strahlen  auftreten  bei  um  so  höheren  Drucken,  je  grösser  die  freie 
Weglänge  ist,  sodass  also  überhaupt  Canalstrahlen  von  bestimmter 
lange  erst  dann  erzeugt  werden,  wenn  die  mittlere  freie  V  eg^ 
länge  der  verschiedenen  Gasfüllungen  beim  Evacuiren  dieselbe 
geworden  ist. 

Als  Mittelwerth  für  die  moleculare  Weglänge  ergeben  sich 
0,540  mm  und  der  Querschnitt  sämmtlicher  Molecüle  im  cm^ 
ist  im  Mittel  3,27  cm^. 

Eine  weitere  Aufgabe  bestand  nun  darin,  zu  untersuchen, 
ob  das  Kathodenmaterial  einen  Einäuss  auf  das  Eintreten  der 
Canalstrahlen  ausübt.  Zu  diesem  Zwecke  verwendete  ich  die 
Kathode  in  der  Form,  dass  auf  dem  Aluminiumträger  statt 
des  Äluminiumnetzes  das  p.  174  erwähnte  Drahtnetz  aus  Eisen 
befestigt  wurde.  Ich  hielt  mich  hierzu  aus  dem  Grunde  be- 
rechtigt, weil  die  Canalstrahlen  ja  nur  von  den  Oeffnungen 
der  Kathode  ausgehen,  also  jedenfalls  unbeeinflusst  bleiben  von 
den  entfernt  sich  befindenden  undurchbrochenen  Kathoden- 
theilen  aus  Aluminium  (vgl.  oben  p.  173). 

I.  Versuche  mit  der  Eisenkatbode  in  H«. 


1 

2 

8 

Z)       ,         c 

D                 C 

D 

C 

0393 

0,251        ! 

0,132 

0,0443 

0,0149 

0,00502 

0 
1,0.10-6 
9,0.10-6 
5,3.10-6 
8,4.10-5 
9,5.10-6 

1      0,393     1            0 

0,251     '     1,1.10-6 
j      0,132     j     1,0.10-5 

1 

1 

1 

1 

0,393 
'      0,251 
1      0,132 

1 

0 
9,0.10-7 
1,0.10-5 

Fasst  man  diese  drei  Beobachtungsreihen  wieder  zu  einer 
zusammen,  so  ergiebt  sich: 


D 
C 


0,393         0,251  0,132  0,0443  0,0149 

0         1,0.10-6       9,7.10-6        5,3.10-5        8,4.10-5 


0,00502 
9,5.10-5. 


Die  Tafel  I,  Fig.  4  stellt  diese  Werthe  graphisch  aufgetragen 
dar.    Durch  Extrapolation  ergiebt  sich  als  Druck,  bei  dem  die 
Canalstrahlen   einsetzen,    wieder   etwa   der  Werth  0,261  mm, 
.also  derselbe  Druck,  wie  bei  der  Aluminiumkathode. 

%  '  12* 


180 


P.  Ewers. 


II.    Versuche  mit  der  Eisenkathode  in  N,. 


D 


D 


D 


0,396 

0,133 

0,0447 

0,015' 

0,00503 

0,00169 


0 

2,0.10-6 
1,7.10-5 

4,0.10-5 
6,5.10-5 
8,8.10-5 


0,896 

0,133 

!  0,0447 

0,015 

0,00503 

0,00169 


0 
2,0.10-6 
2,7.10-5 
6,6.10-5 
8,5.10-5 
9,5.10-5 


0,396 

0,133 

0,0447 

0,015 

0,00503 

0,00169 


0 
1,5.10-6 
1,7.10-5 
5,0.10-5 
7,6.10-5 
9,8.10-5 


Hieraus  ergeben  sich  die  folgenden  Mittel werthe: 

D  0,396    0,138     0,0447     0,015     0,00503    0,00169 

C  0    1,8.10-6   2,0.10-5   5,2.10-6   7,5.10-5   9,35.10-5, 

die  in  der  Tafel  I,  Fig.  5  aufgetragen  wurden. 

Durch  Extrapolation  ergiebt  sich  der  Werth  0,140;  es 
treten  also  in  N,  bei  einer  Eisenkathode  die  Canalstrahlen  bei 
demselben  Drucke  ein,  wie  bei  einer  Aluminiumkathode. 

III.    Versuche  mit  der  Eisenkathode  in  CO}. 
Es  ergaben  sich  die  folgenden  zusammengehörigen  Werthe: 

D  0,132        0,0845  0,0443  0,0149  0,005  0,00169 

C 0        2,0.10-6      1,0.10-5      4,4.10-5      8,0.10-5      9,3.10-5, 

die  in  der  Tafel  I,  Fig.  6  aufgetragen  sind. 

Als  Druck,  bei  dem  die  Canalstrahlen  in  diesem  Falle 
eintreten,  wurde  0,093  mm  Hg  extrapolirt,  ein  Werth,  der  mit 
dem  bei  einer  Aluminiumkathode  gefundenen  Drucke  in  gutem 
Einklang  steht. 

Aus  diesen  Versuchen  folgt  also,  dass  das  Auftreten  und 
die  Enticickelung  von  Canalstrahlen^  was  ihre  Abhängigkeit  wm 
Druck  betrifft^  nicht  von  dem  Kathodenmateriale  abhängt^  sondern 
von  den  molecularen  Eigenschaften  der  Gasfüllung  bedingt  ist 
Das  schliesst  natürlich  nicht  aus,  dass  es  Metallionen  sind, 
die  fortgeschleudert  werden,  im  ersten  Falle  also  Aluminium-, 
im  zweiten  Eisenionen ;  denn  die  gewonnenen  Zahlen  (0,095  mmHg 
für  CO2 ,  0,14  mm  Hg  für  N,,  0,26  mm  Hg  für  H,)  geben  die 
Druckwerthe  an,  bei  denen  die  schleudernden  Kräfte  bei  den 
hier  verwendeten  Spannungsdifferenzen  im  Stande  sind,  die 
Ionen  des  Elektrodenmateriales  von  der  Netzkathode  bis  zur 


Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen.  181 

Aoffangelektrode ;  d.  h.  um  dieselbe  Strecke  von  4  cm,  durch 
das  Gas  hindurchzuschleudern. 

Da  die  Atomgewichte  von  Fe  =  56  und  AI  =  27  nicht 
allzusehr  voneinander  verschieden  sind,  so  war  es  von  Wich- 
tigkeit, noch  ein  Elektrodenmaterial  mit  wesentlich  höherem 
Atomgewicht  hinzuzuziehen.     Ich  benutzte  dazu  Pt  =  194. 

Ein  Drahtnetz  aus  Platin  von  den  p.  13  angegebenen 
Dimensionen  wurde  in  gleicher  Weise  wie  die  Drahtnetze  aus 
Aluminium  und  Eisen  auf  der  Aluminiumkathode  befestigt. 

I.    Versuche  mit  der  Platinkathode  in  H,. 


D 

0,896 

0,254 

0,183 

0,0446 

0,0150 

C 

0 

4.10-6 

7,4  10-5 

1,8.10-4 

2,0.10-4. 

Extrapolirt  man  in  der  Taf.  I,  Fig.  7  den  Punkt,  in  dem 
die  Curve  die  Abscissenaxe  schneidet,  so  kommt  man  auf  den 
Werth  0,262,  es  treten  also  auch  bei  einer  Platinkathode  in 
H,  die  Canalstrahlen  bei  einem  Drucke  von  0,262  mm  Hg  auf. 

II.    Vcrsucke  mit  der  Platinkathode  in  N,. 

D         0,384        0,137  0,129  0,0432  0,0145 

C  0        4.10-6       9,0.10-6       1,08.10-*       1,96.10-4. 

Durch  Extrapolation  findet  man  aus  den  in  der  Taf.  I,  Fig.  8 
aufgetragenen  Werthen  als  Druck  für  das  Eintreten  der  Canal- 
strahlen 0,142  mm  Hg. 

III.   Versuche  mit  der  Platinkathode  in  CO). 

D         0,129         0,0779  0,0432  0,0145  0,00485 

C  0  1.10-6       4,1.10-0       1,3.10-*       2,2.10-*. 

Taf.  I,  Fig.  9  giebt  diese  Werthe  graphisch  wieder,  und  es 
extrapolirt  sich  für  das  Eintreten  der  Canalstrahlen  der  Druck 
von  0,095  mm  Hg. 

Stellen  wir  die  gewonnenen  Resultate  noch  einmal  für  die 
verschiedenen  Metalle  zusammen,  so  ergiebt  sich  die  folgende 
Tabelle.  In  derselben  bedeutet  K  das  verwendete  Kathoden- 
material,  G  die  Gasfüllung  und  p  den  Druck  in  Dynen  pro  cm*, 
l>ei  dem  die  Canalstrahlen  einsetzen. 


182  F.  Eicers. 

K  AI                            Fo  Pt 

Q         H^  %      COj          l57      Na     CO2  H^         %       CO, 

P        0,26  0,U    0,095       0,261    0,14    0,093  0,262    0,142    0,095 

Mittelwert  he 

P  0,261                              0,141  0,094 

p  347                                 187  125 

W  0,5  JO                             0,533  0,549 

Q  3,26                               3,23  3,22 

Hieraus  ergeben   sich   schliesslich  die   folgenden  Mittel- 
werthe : 


\V  0  541        )  ^^  ^^  Eintreten  der  Canalstrahlen, 

'  unabhängig  vom   Kathodenmateriale 

för  beliebige  Gase. 


<?  3,24 


Hieraus  folgt: 

Das  Avftreffen  der  Canalstrahlen  auf  die  Auffangelektrode 
Kn  bei  abnehmenden  Drucken  ist  unabhängig  von  dem  Materiak, 
aus  dem  die  Kathode  besteht.  Bei  den  Dimensionen  des  ver- 
wendeten Rohres  und  einem  Abstände  der  Auffangelektrode 
Kn  von  der  Kathode  von  4  cm  erreichen  die  Canalstrahlen 
dieselbe  bei  einem  Drucke  von 

0^261  n,m  Hg  |  ^^  0 141  mm  Hg  |  ^ 

347  Dynen  pro  cm*  J  ^187  Dynen  pro  cm*  J 

0  094  mm  Hg  j  f,,  cü«. 

125  Dynen  pro  cm*  J 

Es  sind  dann  nämlich  die  molecularen  Weglängen  der 
betreflfenden  Gase  einander  gleich  geworden  und  betragen  iö 
Mittel  0,541  mm. 

Interessant  war  auch  noch  ein  Gasgemisch  zu  prüfen;  als 
solches  wurde  Luft  verwendet.  Dieselbe  gab  sehr  genau  die- 
selben Resultate  wie  Ng,  was  insofern  zu  erwarten  war,  als 
ja  die  bisherigen  Beobachtungen  zeigen,  dass  die  Eutwickelung 
der  Canalstrahlen  mit  der  molecularen  Weglänge,  bez.  mit  der 
Querschnittsumme  der  Gasmolekeln  zusammenhängt.  Diese 
Grösse  ist  ja  in  der  That  bei  Luft  fast  die  gleiche  wie  bei  N,. 

Führt  man  noch  mit  Rücksicht  auf  die  Beobachtungen 
den  Querschnitt  sämmtlicher  Molekeln  in  4  cm^  ein,  so  mussten 
die  Canalstrahlen,  bevor  sie  zur  Auffangelektrode  Kn  gelangen 


Mechanik  der  CanaU  und  Kathodenstrahlen.  183 

;onnten,  von  1  cm*  Kathodenfläche  ausgehend  so  viele  Gas- 
Qolekeln  passiren,  dass  dieselben,  wenn  man  sie  in  eine 
ibene  ausbreiten  könnte,  eine  Fläche  von  12,96  cm*  be- 
lecken würden. 

b)  EnergiemessuDgen. 

Wir  gehen  jetzt  zu  den  Messungen  der  durch  das  Auf- 
reffen der  Canalstrahlen  erzeugten  Wärme  ^)  über,  welche  uns 
a  nach  den  Ausführungen  auf  p.  170  die  Geschwindigkeit  der 
)rtge8chleuderten  Theilchen  berechnen  lassen,  wenn  wir  vor- 
Qssetzen,  dass  es  Ionen  des  Elektrodenmateriales  mit  ihren 
alenzladungen  sind,  welche  fortgeschleudert  werden.  Gleich- 
Jitig  wurden  die  Spannungen  gemessen,  weil  ja  die  Ab- 
nkungsversuche  der  Herren  Kaufmann,  W.  Wien  u.  a.  ge- 
ligt  haben,  dass  die  Geschwindigkeit  von  dem  Potentialgefälle 
1  der  Kathode  in  erster  Linie  bestimmt  ist. 

Die  Spannung  wurde  an  der  Anode  des  Canalstrahlen- 
hres  gemessen,  und  die  Kathode  war  auch  hier  stets  zur 
rde  abgeleitet.  Zunächst  wurden  mehrere  Wärmemessungen 
It  der  Aluminiumkathode  vorgenommen,  und  zwar  wurde 
imer  die  Energiemenge  bestimmt,  die  während  5  Min.  von 
n  Canalstrahlen  an  den  4  cm  von  der  Kathode  entfernt  sich 
findenden  Boden  des  Glasrohres  (Fig.  1)  abgegeben,  d.  h.  hier 
Wärme  umgesetzt  wurde. 

In  den  folgenden  Tabellen  bedeutet  Sp  die  Spannung  an 
r  Anode  in  Volt,  E  die  dem  Rohre  pro  Secunde  zugeführte 
lergie  und  A  die  pro  Secunde  an  das  Calorimeter  abgegebene 
ärmemenge,  die  beiden  letzteren  Werthe  in  absolutem  Maass 
n*gsec~2]  gemessen. 

In  der  letzten  Zeile  ist  sodann  in  Procenten  der  ge- 
mmten  zugeführten  Energie  die  durch  die  Kanalstrahlen  über- 
führte Energie  angegeben. 

Versuche  mit  der  Aluminiumkathode. 
12  3  4  5 


Sp 

E.IO' 

iä.lO« 

3580 

1,11 

1,205 

3450 
1,07 
1,19 

3330 

1,04 

1,175 

4600           4100 
1,43            1,27 
1,6               1,44 

F 

10,9% 

0,0078 
11,1  7o 

11,3% 

0,0024 
11,2  •/,       11,3  »/o 

1)  Vgl.  auch  Arnold,  Wied.  Ann.  61.  p.  325  ff.  1897. 


184  F.  Moers. 

Es  folgt  somit,  dass  als  Mittel  aus  diesen  6  Versuchen. 
von  der  dem  Kohre  zugeführten  Energie  mindestens  11,15^/^^ 
für  die  Ausbildung  der  Eanalstrahlen  verwendet  werden,  die 
diese  sodann  beim  Auftreffen  auf  die  Glaswand  als  Wärme 
wieder  abgehen. 

Während  der  ersten  drei  Messungen,  die  in  N^  aus- 
geführt wurden,  repräsentirten  die  Canalstrahlen  einen  Strom, 
von  der  Stärke  8,7. 10- ß  Amp.  (vgl.  Taf.  I,  Fig.  2). 

Für  die  beiden  letzten  Beobachtungen  ergiebt  sich  aus 
Taf.  I ,  Fig.  2  als  zugehörige  Stromstärke  der  Canalstrafalen. 
9,37.10-0  Amp. 

Bemerkens werth  ist,  dass,  wiewohl  nicht  ausgepumpt  wurde  ^ 
doch  durch  den  Gebrauch  des  Rohres  einerseits  die  Spannung  ^ 
andererseits  aber  auch  sowohl  die  im  Ganzen  consumirte  Watt — 
zahl,  als  auch  die  durch  die  Canalstrahlen  überführte  Energie 
bei  den  aufeinander  folgenden  Versuchen  immer  um  einen  ge — 
ringen  Betrag  abnahm. 

Sieht  man  nun  die  Canalstrahlen  als  geschleuderte,  positiv 
geladene  Ionen  des  Aluminiums  an,    so   kann  man  mit  deno. 
nunmehr  zu  Gebote  stehenden  Beobachtungsmateriale  die  Ge- 
schwindigkeit der  Aluminiumatome  berechnen. 

AI  besitzt  das  Atomgewicht  =  27.    Nimmt  man  das  Ala- 
miniumatom  als  dreiwerthig  an,  so  bekommt  man  als  Werth  für 
e/m:  1070  [cmVtgVi/g]  pro  Gramm.     Nach  Formel  (5)  ergiebt 
sich   für  Vj   d.  i.   die   Geschwindigkeit   der   fortgeschleuderten 
A  luminiumatome : 

(6)  --j/f^ 

Es  ergeben  sich  somit  die  folgenden  fünf  mittleren  Ge- 
schwindigkeiten: 

v^  =  e^.l,73.107  [cmsec-i]  bei  3580  Volt  Spannung. 

^2  =  £^.1,72.10^  [cmsec-^]  bei  3450  Volt  Spannung, 

üg  =  a.  1,71 .  10^  [cmsec-^]  bei  3330  Volt  Spannung, 

ü^  =  e^.  1,91 .  10^  [cmsec-^]  bei  4600  Volt  Spannung, 

Vg  =  a.  1,81 .  10^  [cmsec-^]  bei  4100  Volt  Spannung. 

Die  Geschwindigkeit,  mit  der  die  Atome  durch  die  Kathode 
hindurchgeschleudert  werden,  nimmt  also  mit  der  Spannung 
zu.     Es  würde  sich  etwa  bei  einer  Spannung  der  Anode  von 


e 
m 


Mechanik  der  Canal-'  und  Kat/iodenstrahlen.  185 

5000  Volt,  die  vom  Drucke  abhängig  ist,  im  Mittel  eine  Ge- 
schwindigkeit der  Aluminiumatome  von  er.  2. 10^  [cmsec^^] 
ergeben. 

Bei  den  folgenden  Versuchen  mit  der  Eisen-  und  der 
Platinkathode  wurde  das  Canalstrahlenrohr  so  benutzt,  wie  es 
bei  den  Messungen  der  Elektricitätsmengen  gebraucht  wurde; 
es  wurde  also  das  die  Auffangelektrode  Kn  enthaltende  Rohr 
(Fig.  2)  angekittet  gelassen  und  bei  der  Wärmemessung  ent- 
sprechend berücksichtigt  Infolge  dessen  musste  auch  das  p.  174 
genannte  zweite  Galorimeter  mit  einem  Wasserwerthe  18,147 
verwendet  werden. 

In  den  folgenden  Tabellen  bedeutet  S  die  direct  am  Rohre 
bei  den  betreffenden  Spannungen  gemessene  Stromstärke  der 
Canalstrahlen  in  Ampere. 

Versuche  mit  der  Eisenkathode. 


(1-4) 

5 

Sp 

5200 

5800 

E.W 

1,61 

1,82 

A.IO^ 

1,66 

3,27 

S 

8,0.10-5 

1,55.10-* 

10,3^0 

18  % 

Da  das  Atomgewicht  des  Eisens  =  56  ist,  so  erhält  man 
^nter  der  Annahme  zweiwerthiger  Eisenionen  für 


*   :345 


m 


g 


I 


^s  ergeben   sich   somit  für  v  nach  Formel  (6)   die  folgenden 
>»^erthe: 

t?j  =  a.1,2   .10^ [cm  sec-^]  bei  5200  Volt  Spannung, 
t?,  =  a.  1,21  .  10^[cm  sec-^]  bei  5880  Volt  Spannung. 

Der  Grössenordnung  nach  stimmen  diese  Werthe  genau 
mit  den  von  Hm.  W.  Wien  gefundenen  überein;  Ueberein- 
stimmung  auch  der  Ziffern  ist  von  vornherein  überhaupt 
nicht  zu  erwarten,  weil  ja  gewiss  nur  ein  Theil  der  in  den 
Canalstrahlen  enthaltenen  kinetischen  Energie  als  Wärme  auf 
der  Auffangfläche   und  im  Galorimeter  wieder  erhalten  wird. 


J86  P.  Ewers. 

Wir   finden,  dass  etwa  nur  ^/^  der  Energie  bei  unseren  Rohr- 
dimensionen und  der  Dicke  des  verwendeten  Glases  erhaltei^ 
wird.     Wir  wollen  diesen  Reductionsfactor  («*  =  9)  benutzen  ^ 
um  die  aus  unseren  Messungen  resultirenden  Geschwindigkeiterx 
auf  ihre  wahren  Werthe  zu  reduciren. 


Versuche 

mit 

der  Platinkathode. 

1 

2 

Sp 

5070 

5350 

E,W 

1,57 

1,66 

A.XO^ 

1,91 

1,98 

S  1,97.10-4 

12,2%  11,9% 

Das  Atomgewicht   des  Platins   beträgt  194;    nimmt  ma^i 


—  :199 
m 


cm  Vi  g  */V 


das  Atom    als  vierwerthig   an,  so  ergiebt  sich  als  Werth 

g       J  '^^^  ^ 
Es  folgen  somit  für  v  die  folgenden  Werthe: 

v^  =  c^.6,2. 10«[cmsec-i]  bei  5070  Volt  Spannung. 
i?2  =  c^.6,3. 10^[cm8ec-i]  bei  5350  Volt  Spannung. 

Es  haben  sich  somit  für  die  drei  Metalle  Aluminium,  Eisen  und 
Platin  die  folgenden  Geschwindigkeiten  ergeben  ^  falls  ihre  Ionen 
als  Canalstrahlen  bei  sehr  geringen  Drucken  die  Kathode  zu  durch- 
fliegen gezwungen  werden: 

AI  Fe  Pt 

Direct  bestimmte  6e-      \         ^  «,,  .^,       .  «  .^7       ««  ..v*r  n 

V.    •   j-  u    *  ,xM'^^  I        *uNf     a. 1,97.10^  0.1,2.10^   a.6,3.10«[cm  sec-l] 
schwmdigkeit  (Mittelwerth)  J  ^  •■ 

W^aÄre  Geschwindigkeit  5,9  .10^       3,6.10^       l,9.10^[cm  sec-i] 

Während  bisher  durch  die  von  Hrn.  W.  Wien  ange- 
stellten Versuche  allein  für  Eisenelektroden  die  Geschwindig- 
keit der  Canalstrahlen  bekannt  war,  so  ist  hiermit  auch  die 
Geschwindigkeit  für  Aluminium  und  für  Platin  gefunden  worden. 
Wie  man  sieht,  liegen  alle  drei  Werthe  in  derselben  Grössen- 
ordnung.     Die  Zahlen  werthe  verhalten  sich  etwa  wie  3:2:1. 

Im  Folgenden  soll  die  von  den  als  Canalstrahlen  pro  cm^ 
wirksamer    Kathodenfläche    fortgeschleuderten    Atomen    ausgeübte 

{ 


Mechanik  der  CanaU  und  Kathodenstrahlen.  187 

Beicegujiffsffrö'sse  mit  der  BcwegungsgrÖsse  in  Beziehung  gebracht 
Verden,  weiche  die  als  Gasfullung  das  Entladungsgefäss  erfüllen' 
den  Molecüle  auf  1  cm^  Fläche  ausüben.    Da  diese  Grösse  mit 
der  bei  einer  einzigen  Entladung  fortgeschleuderten  Anzahl  von 
Atomen   zusammen   hängen    wird,    so  habe  ich,  nur  um  ein 
üesultat  in  der  Grössenordnung  zu  erhalten,  als  Entladungs- 
zahl pro  Secunde  den  Werth  60000  (vgl.  p.  171)  beibehalten,  der 
zwar  in    der  Grössenordnung   von  dem  wahren  Werthe  nicht 
sebr  verschieden  sein  wird,  aber  ohne  Zweifel  zu  klein  ange- 
nommen ist. 

Da  es  nur  auf  die  Grössenordnung  ankommt,  so  benutzen 
^ir  die  Formel  (4  a),   welche  unseren  directen  Beobachtungen 
tspricht. 

Aus  der  Formel  (3)  n  =  q/e   erhält   man  die  Anzahl  der 
•0  Entladung   fortgeschleuderten   Atome,    aus    n,m    die  pro 
*^iitladung  fortgeschleuderte  Masse  in  Gramm. 

Es  ist 

n  n,m 

AI  Fe  Pt  AI  Fe  Pt 

fJ,5.1ü«       1,62.10*<>       1,03.10»<>  1,46.10-13     7,51.10-13      1,66.10-12 

Man  sieht,  dass  die  pro  Entladung  fortgeschleuderte 
Menge  ausserordentlich  gering  ist.  Haben  wir  auch  in  der 
Secunde  60000  Einzelentladungen,  so  werden  in  dieser  Zeit 
doch  nur  z,  B.  8,75.10~'^g  AI  geschleudert;  von  diesen 
8,75. 10- 9g  fliegt  aber  der  grösste  Theil  infolge  elastischen 
Stosses  wieder  in  den  Gasraum  zurück.  IfHl  man  angenähert 
die  Zeit  bestimmen,  die  man  brauchte,  um  nur  t  mg  des  Metades 
auf  der  der  Kathode  gegenüberliegenden  Wand  niedergeschlagen 
zu  erhalten,  so  muss  man  den  Factor  u  =  3  berücksichtigen;  man 
kommt  dann  auf  eine  Entladungszeit  von  etwa  288  Stunden  bei 
ununterbrochener  Fersuchsdauer.  Berücksichtigt  man  diese  Zahlen- 
ergebnisse,  so  fällt,  wie  man  sieht,  der  oben  auf  p.  6  ange- 
deutete  Einwand,  der  gegen  die  Canalstrahlen  als  ein  Bombardement 
von  Theilchen  zu  sprechen  schien, 

Haben  wir  die  geschleuderten  Mengen,  so  können  wir  die 
Bewegungsgrössen  berechnen,  da  uns  die  Geschwindigkeiten 
aus  unseren  Messungen  ja  direct  bekannt  sind. 


188  P.  Ewers. 

Bei  den  Versuchen,  aus  denen  die  obigen  Zahlen werthe 
sich  ergeben  haben,  gingen  die  Canalstrahlen  von  etwa  0,4  cm' 
Eathodenfläche  aus,  d.  h.  es  ist  hier  als  Kathodenfläche  der 
Flächenraum  gerechnet,   der  übrig  bleibt,  wenn  man  von  der 
Erzeugungsfläche  der  Canalstrahlen  den  Flächenraum  abzieht,, 
den  das  Drahtgewebe,  welches  ja  die  Kathode  bildet,  für  sicli^ 
einnimmt,   und  von   dem   aus  ja   nach   der   Rückseite   kein^!^ 
Canalstrahlen  entsandt  werden.     Es  wurde  demnach  von  de 
Ionen   der   verschiedenen   Metalle   pro    1  cm  ^  pro   Entladun 
auf  die   darüber    befindliche   Gasmasse   folgende   Bewegungs — 
grosse  ausgeübt,  wenn  wir  noch  n.m  =  M  setzen : 

Für  AI:  ^.r  =  1,46. 10-18.1,91. 10^2,5  =  6,95. 10-^  [cm  gs-i 
Für  Fe:  JI/.r  =  7,51. 10-13.1^2  .  10^2,5  =  2,26.10-6  [cm  gs-i 
FürPt:  3/.r  =  1,66. 10-12. 6,3.  10«.2,5  =  2,62.10-ö[cmg8-i 

Würde  man  nicht  von  unserer  Formel  (4  a)  ausgegange 
sein,  sondern  von  der  Formel  (4b).  welche  den  Factor  a  eni 
hält,    der  sich  aus  dem  Vergleich  mit  den  Wien' sehen  Ef- 
gebnissen  zu  rund   =  3  ergab,   so  würde  an  der  Grössenord- 
nung  der  Bewegungsgrösse  nichts  geändert,  zumal  ja  die  obeu 
gefundenen  Werthe  für  M  schon  in  Folge  der  sicherlich  viel 
grösseren  Entladungszahl  zu  gross  erhalten  sind. 

Da  die  Canalstrahlen,  bevor  sie  zur  Auffangelektrode  Kn 
gelangen  konnten,  einen  Weg  von  4  cm  zurücklegen  mussten, 
sie  also  pro  cm*  Erzeugungsfläche  einen  Raum  von  1cm* 
Grundfläche  und  4cm  Höhe,  das  sind  4cm^,  passirt  haben 
mussten,  so  wollen  wir  mit  der  von  ihnen  pro  Entladung  aus- 
geübten Bewegungsgrösse,  die  gleichsam  den  Druck  darstellt, 
den  die  geschleuderten  Theilchen  auf  das  sich  ihnen  wider- 
setzende Gas  ausüben,  den  sie  gerade  überwinden  müssen, 
diejenige  Bewegungsgrösse  vergleichen,  welche  die  in  4  cm* 
des  betreffenden  Gases,  in  dem  die  Entladungen  vor  sich 
gehen,  enthaltenen  Molecüle  in  der  Richtung  senkrecht  zur 
Kathode,  in  der  die  geschleuderten  Theilchen  geflogen  kommen, 
ausüben.  Ich  zerlege  zu  dem  Zwecke  die  Molecüle  in  dreiTheile, 
die  wegen  der  gleichmässigen  Vertheilung  der  Gasmolecüle 
und  wegen  der  Ausübung  eines  von  der  Richtung  unabhängigen 

I 


Mechanik  der  CanaU  und  Kathodenstrahlen.  189 

Druckes  einander  gleich  sein  müssen,  und  fasse  als  einen  Theil 
die  senkrecht  zur  Kathode  sich  bewegenden  Molecüle  näher 
ins  Auge. 

Man  bekommt  für  H^: 

1  cm»  bei  760  mm  Hg  und  0^  enthält  5,4 .  10 ^^  Molecüle. 

Demnach  haben  wir  bei  dem  Drucke,  bei  dem  unsere  Canal- 
stirahlen  in  dem  hier  betrachteten  Gase  auftreten  und  an  der 
A^xiffangelektrode  Kn  bemerkbar  werden: 

4  cm»  bei   0,261mm  Hg   und   20^  enthalten   6,92.  lO^»  Mol. 

^     Atom  H  wiegt  8,3 .  lO--^  g,   also  wiegen  6,92 .  10"  Moleküle 
a^  M5. 10-10 g. 

Die  mittlere  Geschwindigkeit  der  H^-Molecüle  beträgt 
^  >698.10*[cmsec"i],  also  ist  n.m.r  =  1,95. 10"^[cmgsec-i], 
^Cimit  die  Bewegungsgrösse  pro  cm^: 

— .  71 .  TU .  ü  =  6,52 .  10-ß  [cm  g  sec"-^]. 

Für  CO,  ergiebt  sich: 
-lern»  bei  0,094  mm  Hg  und  20^  enthalten  2,82. 10 ^^  Molecüle. 
1    Molecül    CO,    wiegt    44.  8,3. 10-26 g  =  3,65  .  10-28 g.     Es 

wiegen  somit  2,82  .  10 1»  Molecüle  CO,  1,03 .  10-^  g.  Die  mittlere 
Geschwindigkeit  der  CO^-Molecüle  beträgt  3,61 .  10*[cmsec-i], 
es  ergiebt  sich  somit  als  Bewegungsgrösse  pro  cm^: 

—  n.m  .V  =  1,08  .  10"^  [cmgsec-^]. 

Für  Nj  ergiebt  sich  schliesslich: 

4cm3  bei  0,141  mm  Hg  und  20^  enthalten  3,73 .  10 ^^  Molecüle. 

1    Molecül    Ng    wiegt     28.8,3. 10-2ög  =  2,32. 10-28  g.       Es 

wiegen  also  3,73. 10 1»  Molecüle  8,64.10-iög.  Die  mittlere 
Geschwindigkeit  der  Ng-Molecüle  beträgt  4,53 .  10*[cmsec-i], 
es  ist  also  die  Bewegungsgrösse  pro  cm*: 

—  n,m,v=  1,30 .  10"^  [cm  g  sec-^]. 


> 


190  P.  Ewers. 

Stellt  man  diese  Werthe  zusammen  und  vergleicht  sie 
mit  den  Zahlen  p.  188 

für  H2:-^3/.i?  =  6,52.10-6[cmgsec-5]. 
fürCOgi  g  ilf.r=  1,08.  10-5  [cm gsec-i]. 

für  Ngi       If.v  =  1,30. 10-^  [cmgsec-^], 

80  kommt  man  zu  folgendem  Satze: 

Die  BeweffungsgrÖsse,  welche  die  in  4  cm^  vorhandenen  Mole- 
cüle,  die  als  Gasfüllung  das  Entladungsrohr  erfüllen,  nach  einer 
Richtung  ausüben,  muss  von  derselben  Grössenordnung  geworden 
seiuj  wie  die  schliesslich  bei  den  Messungen  sich  ergebende  Be- 
wegungsgrÖsse  des  zerstäubten  Kathodenme tolles.  In  dem  Augen' 
blicke  nämlich,  wo  mit  der  Evacuation  soiceit  fortgeschritten  ist, 
dass  die  BewegungsgrÖsse  des  fortgeschleuderten  Metalles  gleich 
oder  grösser  getcorden  ist  als  die  BewegungsgrÖsse  der  den  Gas- 
rnum  erfüllenden  Molecüle,  beginnen  die  Canalstrahlen  eine  be- 
stimmte Entfernung  zu  erreichen.  Natürlich  kommt  die  in  den 
Canalstrahlen  aufgespeicherte  Energie  anfänglich  nicht  voll- 
kommen zur  Geltung,  da  viele  Ionen  von  den  Gasmolecülen 
zurückgehalten  werden.  Erst  wenn  die  mittlere  freie  Weg- 
länge sehr  gross  geworden  ist,  der  moleculare  Querschnitt 
also  sehr  gering,  ist  auch  die  BewegungsgrÖsse  des  Gases 
verschwindend  klein  geworden  gegen  die  BewegungsgrÖsse 
der  Ionen,  sodass  man  dann  keine  nennenswerthe  Be- 
einflussung der  Ionen  durch  die  Molecüle  mehr  anzunehmen 
braucht 

Noch  eine  weitere  sehr  interessante  Erscheinung  hatte 
ich  bei  meinen  Versuchen  zu  beobachten  Gelegenheit.  Hr. 
H.  Ebert^)  hatte  bei  Wechselstromentladungen  die  Erscheinung 
untersucht,  dass  bei  einem  für  jedes  Gas  bestimmten  Drucke 
eine  Umkehr  in  der  Spannung  und  der  Stromstärke  derart 
stattfindet,  dass  die  Stromstärke  dort  einen  maximalen  Werth 
hat,  wo  die  Spannung  ein  Minimum  hat,  und  zwar  treten  diese 
Urakehrerscheinungen  für  beliebige  Gase  dann  ein,  wenn  die 
molecularen  Weglängen  derselben  einen  bestimmten  Werth  er- 

1)  H.  Ebert,  SiüsuDgsber.  d.  k.  baycr.  Akad.  d.  Wissensch.  28. 
p.  497  ff.  1898. 


Mechanik  der  Canal'  und  Kathodenstrahlen,  191 

laDgt  haben.  Dieses  ist  in  der  oben  citirten  Arbeit  ungefähr 
der  Augenblick,  wo  die  vorderen  Bänder  der  Glimmlicht- 
'  strahlen  sich  in  der  Mitte  des  Entladungsrohres  begegnen. 
Ich  habe  bei  meinen  Versuchen  Entladungen  nur  in  einer 
Richtung  durch  das  Canalstrahlenrohr  gesandt,  musste  also 
schon  aus  dem  Grunde  zu  anderen  Zahlenwerthen  gelangen. 
Die  Spannungsumkehr  wird  durch  die  folgenden  Zahlen  er- 
läutert, bei  welchen  noch  die  durch  Canalstrahlen  in  der  Zeit- 
einheit an  die  Auffangelektrode  übertragene  Coulombzahl  =  C 

gesetzt  ist: 

Kathode  aus  Fe  in  H,. 

1,17     0,393     0,251  0,132  0,0443 

552      496        543  1020  3380 

—  —        1,0.10-6  9,0.10-6     5,3.10-5. 

Kathode  aus  Fe  in  CO,. 

1,17      0,398       0,132       0,0845  0,0443 

750       595         665  865  1400 

—  —  —  2,0.10-6  1,0.10-5. 

Kathode  aus  Pt  in  CO,. 

1,14      0,884      0,129  0,0779  0,0432 

701       552         643  1050  1620 

—  —  —  1.10-6  4,1.10-5. 

Kathode  aus  Pt  in  N,. 

0,384      0,129  0,0482  0,0145 

585        886  3300  5600 

—  9,0.10-6       1,08.10-4  1,96.10-4 

Wie  man  sieht,  fällt  der  ümkehrdruck  nahezu  auf  den  Druck, 
wo  die  ersten  Spuren  von  positiv  geladenen  Ionen,  die  bei  fort- 
schreitender Druckerniedrigung  dann  die  regelmässigen  Canal- 
strahlen bilden,  durch  die  Kathode  hindurchfliegen. 

In  jedem  der  angeführten  Fälle  liegt  das  Minimumpotential, 
also  der  Ümkehrdruck,  etwa  bei  dem  Drucke,  bei  dem  die  Canal- 
strahlen in  messbarer  IFeise  auf  die  Auffangselektrode  Kn  einzu- 
wirken beginnen. 

Da  nun,  wie  Hr.  H.  Ebert^)  gezeigt  hat,  der  ümkehr- 
druck U  eines  Gases  direct  mit  dem  Radius  der  molecularen 
Wirkungssphäre  q  und  umgekehrt  mit  der  Werthigkeitssumme  s 
des  Molecularcomplexes  des  Gases  nach  der  Formel: 

U^K.qIs 
1)  H.  Ebert,  Wied.  Ann.  67.  p.  008 ff.  1899. 


p 

3,49 

Sp 

968 

c 

— 

p 

3,49 

Sp 

1150 

G 

— 

P 

3,41 

Sp 

1090 

c 

— 

p 

1,14 

Sp 

736 

G 

— 

192  P.  Ewers. 

zusammenhängt,  wo  K  eine  bestimmt  dimensionirte  Constante 
Yorstellt,  so  musste  sich  letztere  direct  berechnen  lassen,  da 
die  übrigen  Grössen  bekannt  sind.  Es  ist  nach  den  Bestim- 
mungen des  Hm.  0.  E.  Meyer: 

(>  für  COa  =  0,13  jUju,        p  für  Ng     =0,17jUjU, 

p  für  Hj    =  0,10  ^ju. 

Die  Werthigkeitssumme  ist  filr  COg  =  8,  für  N^  =  6,  für  HT^ 
=  2;   es  ergiebt  sich  somit  für 

00^:  qIs  =  0,0162  juju  =  1,62  .  lO-^  cm  , 
N,  :  e/«  =  0,0284  jUjU  =  2,84  .  10-»  cm , 
Hg    :  p/ä  =  0,050    ym,  =  5,00 .  10-»  cm . 

Diese  Werthe  verhalten  sich  nun  in  der  That  nahezu  wie  dxe 
Umkehrdrucke,  denn  es  ist 

,  Verhfiltniss 

^'  der  Umkehrdmcke 

1,62. 10-9  cm  1,8 

2,84  .  10-9  cm  2,7 

5,0    .10-9  cm  5,0 

Diese  Werthe  sind  also  mit  Rücksicht  auf  die  doch 
immerhin  sehr  hypothetische  Grösse  des  Molecüldurchmessers 
als  die  gemachte  Voraussetzung  vollkommen  bestätigend  an- 
zusehen. Man  kann  nun  die  Constante  K  sofort  berechnen; 
es  ergiebt  sich  sodann  aus  den  Versuchen  mit 

Hg:  347  =  ä:.  5. 10-^;  also  ^=  6,94  .  10^«  [cm-2  g sec-2] ; 
N,:  187  =  iS:.  2,84. 10-9;  also  JC=  6,6.10^«  [cm-2gsec-2]; 
CO3:  125  =  K.  1,62. 10-9;  also  ä:  =  7,7  .  10^«  [cm-2 g 8ec-2]. 

Dieses  liefert  im  Mittel  einen  Werth  von  7 .  10^®[cm"-2  g  sec-^] 
für  K. 

Man  ist  nun  umgekehrt  im  Stande^  bei  Gasen,  deren  Molecül^ 
durchmesser  man  kennt  und  deren  IVerthigkeitssumme  ja  immer 
bekannt  ist,  unter  Benutzung  dieses  Jferthes  für  K  den  Umkehr^ 
druck  in  absolutem  Maasse  anzugeben ,  oder  umgekehrt,  wenn  man 
den  Umkehrdruck  bestimmt  hat,  kann  man  den  Radius  der  mole^ 
cularen  llirkungsphäre  für  ein  Gas,  dessen  IFerthigkeitsumme  be- 
kannt ist,  sofort  angeben. 


Gas 

Umkehrdruck 
in  Dynen  pro  cm' 

CO, 

125 

N. 

187 

H. 

347 

> 


Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen,  198 

Der  Ursprung   der  Canalstrahlen   ist,    wie  Versuche  des 
Hrn.  A.  Wehnelt^)   gezeigt  haben,   in  einer   endUchen  Ent- 
fernuDg  vor  der  Kathode  anzunehmen,   da  sie  einen  Schatten 
auf  dieselbe  werfen.    Wahrscheinlich  entstehen  sie  im  dunklen 
Kathodenraume,  und  zwar  in  der  Nähe  der  Glimmlichtschicht, 
also  in  der  Gegend,  wo  die  blauen  Kathodenstrahlen  und  die 
röthlich-gelben  Canalstrahlen  durch  den  Dunkelraum  getrennt 
erscheinen.     Dass  die  Canalstrahlen  nicht  aus  fortgeschleuder- 
ten Anodenth&Hchevi  bestehen,   dafür  scheint  mir  der  umstand 
2a  sprechen,  dass  bei   verschiedenem  Kathodenmateriale  und 
tierselben  Anode  doch  verschiedene  Elektricitätsmengen  mittels 
^Jer  Canalstrahlen  fortgeführt  wurden,  und  dass  auch  die  Energie- 
Abgabe  eine  verschiedene  war.     Ich  habe  auch  die  Wehnelt'- 
*che  Angabe    geprüft,    da    die  Canalstrahlen    eine  oxydirende 
•Wirkung  ausüben    sollen,    ob   es   vielleicht  SauerstoflFtheilchen 
^'S.ren,  die  die  Canalstrahlen  bilden.   Diese  Annahme  würde  zwar 
^it  meinen  Messungen  verträglich  sein,  doch  müssten  noch  weitere 
^ersuche  in  dieser  Richtung  angestellt  werden,  da  die  Vorder- 
seite der  Kathode  an  den  Stellen,  die  in  der  rüchläufigen  Verlängerung 
der  Canalstrahlen   lagen,   bei  meinen   Versuchen  blank,   also  nicht 
oxydirt  war.     Hiergegen  wäre  vor  allem  einzuwenden,  dass  der 
0  bei  der  gewöhnlichen  Elektrolyse  elektronegativ  ist.     Da  die 
Metalle  bei  der  gewöhnlichen  Elektrolyse  elektropositiv  sind, 
so  wäre  es  wohl  begreiflich,  dass  die  positiv  geladenen  Canal- 
strahlen-Ionen  aus  Metalltheilchen  bestehen,  und  deshalb  möchte 
ich  mich  der  Ansicht  anschliessen ,   die  Canalstrahlen  als  ge- 
schleuderte   Metall-Ionen    des    Kathodenmateriales    anzusehen 
und   also  für  jedes  Metall  eine  verschiedene  Geschwindigkeit 
der  Ionen  anzunehmen. 

II.  Versuche  mit  Kathodenstrahlen. 
Um  unter  ziemlich  identischen  Bedingungen  die  Canal- 
strahlen mit  den  Kathodenstrahlen  vergleichen  zu  können, 
wurde  auch  noch  die  durch  die  Kathodenstrahlen  übertragene 
Elektricitätsmenge  sowie  die  durch  dieselbe  hervorgerufene 
Erwärmung  2)  an  einem  und  demselben  Rohre  gemessen.     Es 

1)  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  67.  p.  421  ff.  1899. 

2)  Vgl.  auch  E.  Wiedemann  u.  H.  Ebert,  Sitzungsber.  d.  phys.- 
med.  Societät  in  Erlangen.  Heft  24.  1892;  namentlich  auch  J.  J.  Thomson; 
vgl.  E.  Wiedemann  u.  G.  C.  Schmidt,  Wied.  Ann.  66.  p.  314.  1898. 

Ann.  d.  Phxi.  a.  Chem.    N.  F.    69.  13 


194         .  P.  Ewers. 

wurde   wiederum    das   Elektrodenmaterial   ausgewechselt   n 
verschiedene  Gasfiillungen  benutzt. 

Die  folgenden  Versuche  wurden  mit  dem  EntladuU; 
gefässe,  Fig.  3,  unter  Anwendung  derselben  Kathoden,  wie 
bei  den  Canalstrahlen  benutzt  waren,  angestellt.  Wurden  • 
Eathodenstrahlen  beobachtet ,  so  war  die  Anode  (+),  so^ 
das  Diaphragma  D  zur  Erde  abgeleitet  Um  die  der  Eli 
trode  Kth  zugestrahlte  Elektricitätsmenge  zu  messen,  war  d 
selbe  mit  dem  Galvanometer  verbunden  und  dann  zur  Ei 
abgeleitet.  Die  Spannung  wurde  an  der  Kathode  (— )  | 
messen.  Die  Elektrode  Kn  blieb  isolirt.  Wurden  die  Can 
strahlen  beobachtet,  so  war  die  Kathode  (— )  zur  E^de  abi 
leitet.  Die  Spannung  wurde,  wie  in  Theil  I,  an  der  Anc 
gemessen.  Die  Auffangelektrode  Kih,  sowie  das  Diaphragma 
blieben  isolirt. 

A.  Versuche  mit  der  Aluminiumkathode. 

a)  Messung  von  Elektricitätsmengen. 

I.  In  Luft. 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  bei  den  betreffend 
Drucken  durch  Kathoden-  und  Canalstrahlen  fortgeführt 
Elektricitätsmengen,  sowie  die  herrschenden  Spannungen  ei 

getragen : 

Kathodenstrahlen  Canalstrahlen 

P  C  Sp  C  Sp 

0,06  6,8.10-6           3  800  6,2. 10- ß  2620 

0,021  1,07.10-*          6  280  7,3.10-5  3300 

0,0074  keine  Entladungen  mehr  7,6.10-6  3500 

0,0026                         „               „               „  8,2.10-6  3850 

0,00091                       „               „               „  9,8.10-6  4860 

0,00032                       „               „               „  1,03.10-4  6100 

Das  Maximum  der  mittels  der  Kathodenstrahlen  fortf 
führten  negativen  Elektricität  hat,  abgesehen  vom  Vorzeichc 
denselben  Werth,  wie  das  Maximum  bei  den  Canalstrahlen,  näi 
lieh  etwa  1,05 .  10~*  Coul.  pro  Secunde,  aber  bei  verschieden 
Drucken,  nämlich  bei  0,021  mm  Hg  für  die  Kathodenstrahl 
und  bei  0,00032  mm  Hg  für  die  Canalstrahlen.  Es  wurd 
noch  fünf  Versuche  derselben  Art  angestellt,  die  dasselbe  Result 
lieferten. 


Mechanik  der  Canal-  und  Kathodenstrahlen. 


195 


IT.  In  CO,. 

Kathodenstrahlen 

Canalstrahlen 

p 

C                  Sp 

C                   Sp 

0,00705 

7,95. 10- ß           3440 

6,7.10-6            2630 

0,00248 

1,03.10-4           4860 

7,8.10-6            3440 

0,00087 

keine  Entladungen  mehr 

p 

0,0207 

0,00725 

0,00254 


lU.  In  0,. 

Kathodenstrahlen 
C  Sp 

6,05.10-6  2950 

1,08.107*  4950 

keine  Entladungen  mehr. 


b)  Energiemessungen. 

Die  folgende  Tabelle  enthält  die  Energieverhältnisse,  die 
sich  auf  die  drei  Gasfüllungen  Luft,  COj,  Og  bei  einer  Alu- 
nuDiumkathode  beziehen. 


Luft 

CO, 

c. 

1 

2 

1               2 

Sp 

4320 

4700 

4940 

4660         4600 

E.  W 

1,34 

1,46 

1,53 

1,45          1,43 

J..10« 

1,69 

2,33 

2,46 

2,41          2,41 

12,6  Proc. 

15,9  Proc. 

16,5  Proc. 

Die  vorhergehenden  Versuche  zeigen  zur  Genüge,  dass  die 
übertragene  Elektricitätsmenge  von  der  Gasfüllung  gänzlich 
unabhängig  ist.  Deshalb  wurde  bei  den  folgenden  Kathoden- 
niaterialien  immer  nur  je  ein  Gas  zum  Vergleich  herangezogen. 


I 


P 

0,0204 
0,00715 
0,0025 
0,00088 


B.  Versuche  mit  der  Eisenkathode. 

In  Luft, 
a)  Messung  von  Elektricitfitsmengen. 


Kathodenstrahlen 

Canalstrahlen 

C                Sp 

G                  Sp 

1,0   .10-4           3440 

—                    — 

1,25.10-4           5060 

9,9   .10-6           3440 

keine  Entladungen  mehr 

1,17.10-4           4030 

>»              »              >» 

1,22.10-4           4440 

13* 

196 


P.  Ewers. 

b)  Energiemessongen. 

1                     2 

Sp 

5470               4940 

E.  W 

1,7                  1,53 

A .  10« 

2,99                2,81 

{ 


17,9  Proc. 

C.    Versuche  mit  der  Platinkathode. 

In  Luft 
a)  Messung  von  Elektricitätsmengen. 

a)  für  die  Energiemessungen  der  Versuche  I  und  II: 

Kathodenstrahlen  Canalstrahlen 

P  C  Sp  C  Sp 

0,0049  8,15 .  10-5  5520  1,38 .  10-4  >  6500 

ß)  für  die  Energiemessungen  des  Versuches  III: 

Kathodenstrahlen 
P  C  Sp 

0,0020  1,78 .  10-4  6300 


b)  Energiemessungen. 

1 

2 

s 

Sp 

5550 

5180 

5900 

J57.10' 

1,72 

1,61 

1,88 

Ä .  10« 

2,1 

2,11 

4,2 

12.6  Proc. 

23  Proc. 

Wie  sich  schon  bei  den  Canalstrahlen  gezeigt  hatte,  dass 
für  ein  bestimmtes  Metall,  das  als  Kathodenmaterial  verwendet 
wird,   die  bei  geringen   Drucken  sich  ergebenden  Werthe  f&r 
die  übertragene  Elektricitätsmenge  von  dem  Gase,  das  in  dem 
Entladungsrohre    enthalten   ist,   unabhängig   sind,   so   ergiebt 
sich  dasselbe  auch  bei  den  Kathodenstrahlen;  dagegen  ist,  wie 
man  augenscheinlich  sieht,  die  Energiemenge  eine  verschiedene, 
was    mit  Rücksicht   auf  die  Ausführungen    auf  p.   190   nicht 
verwunderlich  sein  kann,  da  für  dieselbe  ja  ausser  den  Gre- 
schwindigkeiten  auch  die  Momente  maassgebend  sind. 

Unter  der  Annahme  des  von  Hrn.  Kaufmann  bestimmten 
Werthesfür  e/m  =  1,86 .  10''  [cm  ''«g  V^/g]  pro  Gramm  kann  di^ 


Mechanik  der  CanaU  und  Kaihodenstrahlen,  197 

Seschwindigkeit  der   fortgeschleuderten   materiellen  Theilchen 
nach  der  Formel 


y     q       m 


berechnet  werden.  Setzt  man  die  bei  den  Versuchen  mit  der 
lUnminiumkathode  in  Luft  gewonnenen  Werthe  ein,  so  er- 
lält  man 


,;  =  ]/^'^-^f-j^' .  1,86  .  107  =  2,57  .  10»  [cm  sec-^]. 

Dieser  Werth  ist  von  derselben  Grössenordnung,  wie  der 
3n  Hm.  W.  Wien  angegebene,  er  stimmt  mit  demselben 
twa  Ys  Lichtgeschwindigkeit)  bis  auf  den  Factor  von  unge- 
ir  4  überein. 

Meine  Versuche  erlaubten  mir  weder  «,  noch  wi,  noch 
Jren  Verhältniss  «/wi  zu  messen;  ich  musste  mich  daher 
imer  auf  die  nach  anderen  Methoden  gewonnenen  Resultate 
^ziehen.  Nahm  ich  für  c/m  die  aus  der  Elektrolyse  be- 
tnnten  Werthe  für  eins  der  als  Kathodenmateriale  verwen- 
Jten  Elemente,  so  ergab  sich  eine  Geschwindigkeit,  die  von 
ir  aus  Ablenkungsbeobachtungen  gewonnenen  Geschwindig- 
lit  um  eine  etwa  1000  mal  kleinere  Grössenordnung  diflferirte. 
iter  der  Annahme  geschleuderter  H- Ionen  differirte  die 
'össenordnung  etwa  um  das  Hundertfache. 

Im  letzten  Falle  ergab  sich  das  merkwürdige  Resultat, 
SS  in  der  von  Hrn.  Kaufmann  angegebenen  Formel  die 
erthe  von  €  F^  für  das  betreffende  Kathodenmaterial  mit 
1  Werthen  von  a^{mj2)v^  für  geschleuderte  H-Ionen  fast 
lau  übereinstimmen.    Ich  will  diese  üebereinstimmung  nicht 

einen  Beweis  für  die  Richtigkeit,  dass  die  Kathodenstrahlen 
3  geschleuderten  Wasserstoffionen  bestehen,  hinstellen,  zumal 
in  sich  die  Entstehung  der  Kathodenstrahlen  dann  durch 
le  ziemlich  complicirte  Energieübertragung  erklären  müsste, 
)  bisher  nicht  bewiesen  werden  konnte,  aber  immerhin  bleibt 

anderen  Falle  die  Schwierigkeit  bestehen,  ob  wir  es  bei 
a  Kathodenstrahlen  mit  den  hypothetischen  Mikroionen  zu 
in  haben. 


198  P.  Ewers. 

Resultate. 
A.  Für  Canalstrahlen. 

I.  Bei  gleichmässig  fortschreitender  Evacuation  und  con- 
stanter  Elektricitätszufuhr  ist  der  Augenblick  des  ersten  nach- 
weisbaren Auftretens  der  Canalstrahlen  vom  Kathodenmaterial€ 
(AI,  Fe^  Pt)  unabhängig;  er  ist  dagegen  von  dem  Druck,  dec 
die  Gasfüllung  im  Entladungsrohre  ausübt,  in  der  Weise  ab- 
hängig, dass  die  molecularen  Weglängen  der  verschiedenen  Gase 
(Hg,  N3,  COg)  einen  bestimmten  gleichen  Werth  erhalten  haber 
müssen,  der  für  meine  Röhren  0,541  mm  beträgt,  bei  einem  Ab 
stand  der  Auffangelektrode  von  der  Kathode  von  4  cm;  derselbi 
liegt  bei  H^  bei  0,261  mm  Hg  =  347  Dynen  pro  cm^  bö 
Ng  bei  0,141mm  Hg  =  187  Dynen  pro  cm^  und  bei  CO3  be 
0,094  mm  Hg  =  125  Dynen  pro  cm*.  Bei  denselben  Druckei 
haben  auch  die  Qaerschnitte  sämmtlicher  Molecüle  im  cm. 
den  gleichen  Werth,  nämlich  3,24  cm*. 

II.  Dieses  ist  zugleich  etwa  der  Augenblick,  wo  die  Span 
nungsdiflferenz  zwischen  der  Anode  und  Kathode,  die  vorden 
beständig  abnahm,  wieder  zu  wachsen  beginnt. 

III.  In  dem  Augenblicke,  wo  mit  der  Evacuation  sowei 
fortgeschritten  ist,  dass  die  Bewegungsgrösse  des  geschleudertei 
Metalles  gleich  oder  grösser  geworden  ist,  als  die  Bewegungss 
grosse  der  den  Gasraum  erfüllenden  Molecüle,  beginnen  di« 
Canalstrahlen  eine  bestimmte  Entfernung  zu  erreichen. 

IV.  Die  Canalstrahlen  bestehen  wahrscheinlich  aus  posi 
tiven  Ionen  des  Kathodenmateriales. 

V.  Für  die  Geschwindigkeit  r,  mit  der  die  fortgeschleudertei 
materiellen  Theilchen  den  Gasraum  durchfliegen,  haben  sich  di< 
Werthe  ergeben: 

AI     V  bei  4600  Volt  Spannung  5,73. 10^[cmsec-i] 

Fe     V  bei  5200  Volt  Spannung  3,6    .  10^[cmsec-i] 

Pt     V  b^i  5350  Volt  Spannung  1,69 .  107[cmsec-i]. 

VI.  Hingegen  wird  durch  die  Canalstrahlen  der  aufifangen 
den  Wand  zu  wenig  Materie  zugestrahlt,  als  dass  dieselb( 
nachgewiesen  werden  könnte,  da  bei  den  hier  gegebenen  Be 
dingungen  schon  ein  Absetzen  von  nur  1  mg  AI  etwa  288  Stunder 
ununterbrochener  Versuchsdauer  erfordern  würde. 


Mechanik  der  CanaU  und  Kaihodenstrahlen,  199 

Vn.  Von  der  dem  Entladungsrohre  zugeflihrten  Energie 

r  werden  etwa  11  Proc.  bis  18  Proc.  von  den  Canalstrahlen  als 
Wärme  wieder  abgegeben. 

B.  Für  KathodenstrahleD. 

L  Die  übertragene  Elektricitätsmenge  ist  bei  sehr  ge- 
ringen Dmcken  von  der  Gasftillung  des  Rohres  ToUkommen 
unabhängig. 

II.  Von  der  dem  Entladungsrohre  zugeführten  Energie 
wurden  durch  die  Kathodenstrahlen  etwa  16  Proc.  als  Wärme 
wieder  abgegeben. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  mir  noch  erlauben ,  Hrn.  Prof. 
Dr.  H.  Ebert  für  die  vielseitigen  Anregungen  und  freund- 
lichen Unterstützimgen  meinen  verbindlichsten  Dank  auszu- 
sprechen. 

München,  Physikal.  Institut  d.  Techn.  Hochschule. 

(Eingegangen  8.  Jani  1899.) 


\ 


11.  JDas  JEntwickelti/ngsgesetz 
des  Hittorf^  sehen  Kathodendunkelratt/mes; 

von  JSr.  Ehert. 


Seit  Hr.  Hittorf  im  Jahre  1868  sich  dem  eingehenderen 
Studium  der  Eathodenerscheinungen  zuwandte  und  entdeckte, 
dass  die  die  negative  Elektrode  bekleidende,  von  der  Säule 
des  Anodenlichtes  durch  den  Faraday'schen  „Trennungsraum'* 
gesonderte  Lichthülle  wiederum  durch  einen  dunkleren  Raum, 
den  wir  den  „Hittorf'schen  Kathodendunkelraum"  nennen 
wollen,  in  zwei  Lichthüllen  von  im  allgemeinen  verschiedener 
Farbe  geschieden  wird,  sind  zahlreiche  yMafftaftü«  Untersuchungen 
über  die  hierdurch  nachgewiesenen  drei  Schichten  an  der  Ka- 
thode angestellt  worden.  Man  erfuhr  durch  dieselben,  dass 
der  Dunkelraum  zwischen  der  dünnen,  der  Elektrode  unmittel- 
bar anliegenden,  sogenannten  ersten  Schicht  (Goldstein)  und 
der  anderen  leuchtenden  sogenannten  dritten  Schicht  (der 
Dunkelraum  selbst  als  zweite  gezählt)  an  Dicke  zunimmt  mit 
abnehmendem  Drucke,  und  dass  er  bei  denselben  Drucken  in 
verschiedenen  Gasen  verschieden  stark  entwickelt  ist. 

Sehr  wenige  und  nur  gelegentliche  Untersuchungen  be- 
schäftigen sich  indessen  mit  der  quantitativen  Seite  dieser  Ent- 
wickelung  und  doch  muss  gerade  in  ihr  der  Weg  erblickt 
werden,  über  die  Natur  dieses  eigenartigen  Gebildes  näheren 
Aufschluss  zu  erhalten.  Hr.  Puluj  ^)  suchte  nach  einer  Be- 
ziehung der  Dicke  d  des  Dunkelraumes  zu  der  mittleren, 
freien  Weglänge  X  des  Gases,  in  dem  die  Entladung  vor  sich 
ging;  er  fand  aber  weder  bei  Wasserstoff  noch  bei  Kohlen- 
säure eine  einfache  Beziehung  zu  derselben.  Zu  gleichem 
Zwecke  hatte  Hr.  Crookes^)  einige  Messungen  angestellt,  aber 
ebenfalls  ohne  EJrfolg.  Hr.  Wehnelt^)  zeigte,  dass  in  weiteren 
Röhren  (bei  Elektrodenscheiben,   welche  den  Querschnitt  fast 


1)  Puluj y  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien.  Mathem.- 
phys.  Cl.  II.  (1).  81.  p.  874.  1880. 

2)  W.  Crookes,  Phil.  Trans.  170.  I.  p.  188— 189.  1879. 

3)  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  65.  p.  529.  1898.  ^ 


Hittorf  scher  Kathodendunkelraum,  201 

Toilkommen  ausfüllten)  der  dunkle  Raum  etwas  grösser  ist  als 
in  engeren;  welchen  Einfluss  hierbei  die  Sivomdichte  gehabt 
hat,  bleibt  unentschieden.  Die  für  dasselbe  Gas  bei  demselben 
Drocke  gemessenen  cf-Werthe  stimmen  bei  den  drei  genannten 
Forschem  durchaus  nicht  überein;  offenbar  hat  bei  allen  die 
•Porm  des  Entladungsgefässes,  insbesondere  die  nicht  um- 
gangene Wirkung  der  Wandladungen  einen  sehr  grossen  Ein- 
finss  gehabt.  Das  gleiche  gilt  für  die  zahlreichen  gelegent- 
lichen Angaben  über  die  Dicke  der  vorhandenen  Dunkelräume, 
"wie  sie  häufig  gegeben  worden  sind,  um  den  Grad  des  Va- 
cuums  angenähert  zu  charakterisiren.  Untereinander  genau 
vergleichbare,  systematische  Messungen  über  die  Art  und  Weise 
wie  sich  in  verschiedenen  Gasen  die  Dicke  d  des  Hittorfschen 
Dimkelraumes  mit  abnehmendem  Gasdrucke  p  entwickelt,  liegen 
meines  Wissens  seither  noch  nicht  vor.  Nachdem  man  über 
iie  Natur  der  Eathodenstrahlen  und  damit  über  einen  der 
öigenartigsten  Vorgänge  bei  den  Gasentladungen  in  der  neue- 
sten Zeit  durch  eine  Reihe  gut  zusammenstimmender  quanti- 
tativer Untersuchungen  Aufschluss  erhalten  bat,  scheint  aber 
gerade  die  Deutung  des  Dunkelraumes,  der  den  Entladungs- 
rorgang  bei  den  höheren  Gasdrucken  charakterisirt,  das  nächst 
wichtige  Problem  zu  sein.  In  ihm  gerathen  offenbar  die  Vor- 
ige an  der  Kathode  mit  dem  umgebenden  Gase  in  Wechsel- 
wirkung. Dasselbe  reagirt  mit  gewissen  seiner  Eigenschaften 
luf  die  an  der  Kathode  ausgelösten  Bewegungen,  einfache  Be- 
ziehungen der  Entwickelung  des  Dunkelraumes  zum  Gasdrucke 
ind  zu  bestimmten  Constanten  des  Gases  stellen  einen  tieferen 
Einblick  in  den  ganzen  Entladungsmechanismus  selbst  in  Aus- 
sicht. Gerade  hierfür  scheint  das  Studium  der  Kathoden- 
Erscheinungen  bei  den  höheren  Drucken  besonders  geeignet  zu 
sein,  da  hier  die  Materie  uns  in  Zuständen  entgegentritt,  die 
uns  auch  anderweitig  zugänglich  und  in  ihren  Gesetzmässig- 
keiten von  anderen  Erscheinungsgebieten  her  vertraut  sind. 
Eine  grosse  Reihe  von  Voruntersuchungen  an  sehr  ver- 
schieden gestalteten  Entladungsröhren  und  mit  den  verschie- 
denen Erregungsquelleu  hatten  ergeben,  dass  es  zur  Auffindung 
einfacher  Beziehungen  zur  Gasnatur  unerlässlich  ist,  sowohl 
bezüglich  des  Entladungsraumes  und  der  Anordnung  der  Elek- 
troden in  ihm,  als  auch  in  Bezug  auf  die  zur  Erzeugung  der 


202  H.  Ehert 

Entladung  nötbigen  elektrischen  Erregungen  die  folgenden  Be- 
dingungen   zu    erfüllen:  ^ 

1 .  Der  Entladungsraum.  Die  Ausgestaltung  der  Eatbfoden- 
erscheinungen  ist  in  hohem  Grade  abhängig  von  festen  Körpern, 
Leitern  oder  Nichtleitern,  die  sich  in  der  Nähe  befinden.  Durch 
die  Grlimmlichtstrahlen,  bei  tiefen  Drucken  von  den  Eathoden- 
strahlen  werden  auf  die  Wände  des  Entladungsgefässes  sehr 
starke  Ladungen  übertragen.  Befinden  sich  daher  die  Wände  in 
der  Nähe  der  metallischen  Kathode,  so  wird  die  Entwickelung 
des  Dunkelraumes  stark  gestört.  Man  muss  daher  sehr  weite 
Entladungsgefässe  anwenden  und  die  Kathode  in  ihnen  so 
aufstellen,  dass  sie  von  den  Wandladungen  ganz  unbeeinfiusst 
bleibt;  dann  erst  entwickelt  sich  das  Phänomen  völlig  rein 
und  frei.  Ich  verwendete  bei  meinen  Messungen  eine  ca.  4  Liter 
fassende  grosse  Vacuumfiasche  mit  eingeschliffenem  Glas- 
stöpsel, der  durch  Quecksilber  gedichtet  wurde;  die  nur  20  mm 
im  Durchmesser  haltende  Kreisscheibenkathode  befand  sich 
in  der  Mitte  der  Flasche,  allseitig  um  mindestens  6^/,  cm 
von  der  Wand  entfernt. 

2.  Die  Stromform.  Noch  viel  wichtiger  zur  Gewinnung 
genau  vergleichbarer  Resultate  ist  eine  geeignete  Erregung  der 
Entladungen.  Erhöht  man  die  durch  das  Entladungsrohr  hin- 
durchgehende Stromstärke,  so  zieht  sich  der  Dunkelraum  zu- 
sammen und  behält  dann  ein  bestimmtes  Minimum  von  Aus- 
dehnung bei  verhältnissmässig  grossen  Stromdichten  an  der 
Kathode  bei.  Dabei  ist  vorausgesetzt,  dass  keine  Funken- 
strecken in  dem  Schliessungskreise  auftreten;  denn  werden 
solche  etwa  den  Entladungen  der  Influenzmaschine  vorgelegt, 
so  geht  die  Entladung  von  der  „normalen  Form*^  (E.  Wiede- 
mann)  mit  verhältnissmässig  grossem  Dunkelraume  zu  einer 
Form  mit  immer  enger  anschliessender  Glimmlichtschicht  über. 
Bei  grossen  Stromstärken  verdichtet  sich  das  ganze  Kathoden- 
gebilde und  die  Dicke  der  zweiten  Schicht  erreicht  ein  Mi- 
nimum, welches  dann  aber  von  der  Stromstärke  und  Span- 
nung innerhalb  weiter  Grenzen  unabhängig  ist.  Will  man 
also  Dunkelräume  studiren,  deren  Entwickelung  sich  möglichst 
unabhängig  von  den  Entladungsbedingungcn  vollzieht  und  folg- 
lich eine  einfache  Beziehung  zum  Druck  und  der  Gasnatur 
vermuthen  lässt,    so   muss  man  starke  Entladungsströme  ver- 


Hittorf  ^ scher  Kathodendunkelraum.  203 

wenden,  Elektricitätsquellen,  welche  nach  einmal  eingetretener 
Entladung  noch  genügende  Elektricitätsmengen  nachschaffen. 
Solche  Ströme  erhitzen  aber  die  Elektroden  ziemlich  stark 
and  flihren  einen  Theil  des  umgebenden  Gases  in  einen  anderen 
Zustand  über,  den  man  heute  fast  allgemein  als  einen  Zustand 
mehr  oder  weniger  fortgeschrittener  Dissociation  ansieht.  Es 
müssen  also  Polarisationen  (Pringsheim)  und  dergl.  eintreten, 
welche  durch  den  Stromvorgang  selbst  das  Medium,  dessen 
Reaction  gegen  die  Entladung  studirt  werden  soll,  unter  den 
Händen  des  Beobachters  verändern.  Es  war  daher  abzusehen 
von  starken,  längere».  Zeit  in  einer  Richtung  circulirenden  Strö- 
men. Wie  man  sich  nach  dem  Vorgange  von  Hrn.  F.  Kohl- 
rausch bei  der  Bestimmung  der  Leitfähigkeit  der  Elektrolyte 
frei  macht  von  den  störenden  Einflüssen  der  Polarisation  an 
den  Elektroden  durch  Verwendung  von  Wechselströmen,  so 
mussten  auch  die  einseitigen  Veränderungen  an  der  Kathode 
vermindert  und  die  Kathodenerscheinungen  reiner  und  klarer 
erhalten  werden,  wenn  man  Ströme  verwendete,  bei  denen  die 
eine  Stromphase  nach  kurzer  Pause  von  einer  darauf  folgenden, 
möglichst  gleichen,  aber  von  entgegengesetztem  Zeichen  ab- 
gelöst wurde.  Ich  habe  schon  bei  früherer  Gelegenheit  darauf 
hingewiesen,  dass  man  in  der  That  bei  Anwendung  hoch- 
frequenter, hochgespannter  Wechselstromentladungen  überaus 
glänzende  und  prägnante  Kathodenerscheinungen  erhält.  Für 
den  vorliegenden  Zweck  habe  ich  einen  mehr  als  halbpferdigen 
Gleichstrom -Wechselstromumformer,  System  Hummel,  ver- 
wendet; durch  Ein-  und  Ausschalten  von  Regulirwiderständen, 
sowohl  im  Gleichstromkreise  wie  im  primären  Wechselstrom- 
kreise, konnte  hier  die  Stromstärke,  Spannung  und  Entladungs- 
zahl pro  Secunde  innerhalb  der  weitesten  Grenzen  und  zwar 
unabhängig  voneinander  nach  Belieben  verändert  werden;  die 
Dicke  des  Dunkelraumes  erwies  sich  von  allen  den  genannten 
Grössen  als  völlig  unabhängig,  falls  mit  Strömen  oberhalb 
einer  gewissen  Stärke,  die  bei  den  Messungen  nie  unterschritten 
wurde,  gearbeitet  wurde. 

Bei  den  grossen  Energiemengen,  die  bei  Einführung  des 
Wechselstromes  verwendet  werden  konnten,  waren  alle  elektri- 
schen Vorgänge  auch  in  dem  den  Entladungsapparat  enthaltenden 
secundären  Wechselstromkreise  bequem  und  sicher  messbar. 


204 


H.  Mert. 


Die  genamiten  Gesichtspunkte  1.  und  2.  waren  für  die 
folgenden  Untersuchungen  maassgebend.  Eine  genauere  Ver- 
folgung der  Dicke  des  Dunkelraumes,  welche  rasch  mit  ab-^ 
nehmendem  Drucke  wächst,  schien,  abgesehen  von  ihrer  rein 
elektrischen  Bedeutung,  auch  mit  Rücksicht  auf  die  eigen- 
thUmlicben  Abweichungen  vom  Boyle-Hariotte'schen  Gesetze 
bei  tiefen  Drucken  von  Interesse,  auf  welche  die  Arbeiten 
der  Herren  Siljeström,  Mendeiejeff,  Amagat,  Bohr, 
Fuchs,  £.  van  der  Yen,  sowie  Baly  und  Ramsay  die  Auf- 
merksamkeit gelenkt  haben. 


Apparate, 

I.  Das  Entladungsgefdss.  In  die  23  cm  hohe,  15  cm 
weite,  sehr  dickwandige  Flasche  A  (Fig.l)  aas  schwer  schmelz- 
barem Kaliglas  war  oben  der  weite 
Glasstopfen  B  sorgfältigst  eingeschUf- 
fen.  Auf  den  über  den  Hals  der 
Flasche  geschobenen  Gummiring  CC 
war  der  kurze,  weite  Glascylinder  BD 
geschoben;  die  Dichtung  wurde  ohne 
Fett  durch  Quecksilber  hergestellt, 
welches  in  den  durch  CC  und  DJ) 
gebildeten  Becher  eingefüllt  wurde. 
Der  Glasstopfen  trug  oben  drei  Rohr- 
ansätze, von  denen  der  linke,  E,  die 
Verbindung  mit  der  Quecksilberlult- 
pumpe  (Töpler- Hagen' sehe  Con- 
struction)  herstellte;  F  und  G  trugen 
die  Elektroden.  Die  Elektrode  a,  an 
der  die  Dicke  der  Dunkelräume  ge- 
messen wurde,  war  eine  Kreisscheibe 
von  20,0  mm  Durchmesser  aus  Alu- 
miniumblech von  0,51  mm  Dicke.  Sie 
war  mittels  einus  rechteckigen  Fort- 
satzes in  einen  Sägescbnitt  am  unteren 
Ende  des  Ü  mm  dicken  Messingstabes  b 
festgeklemmt.  Damit  die  Entladung 
nur  auf  die   Obertiäche   der  Ereis- 


Fig.  1. 


Hittorf  scher  Kathodendunkelraum,  205 

Scheibe  beschränkt  blieb,  war  der  Stab  b  von  dem  eng  an- 
schliessenden Glasmantel  c  umschlossen,  in  den  der  Stab  oben 
mittels  Siegellack  eingekittet  war.  Der  Stab  b  wurde  mit 
seinem  Glasmantel  c  von  dem  Glasrohre  d  getragen,  welches 
in  den  mittelsten  Rohransatz  F  oben  festgekittet  war.  um 
jegliche  Funkenbildung  in  den  Zuleitungen  zu  vermeiden,  war 
auf  den  Stab  b  oben  ein  kleines  eisernes  Quecksilbemäpfchen 
aufgeschraubt,  in  das  das  amalgamirte  Ende  des  kupfernen 
Zuleitungsdrahtes  eintauchte.  Eine  seitlich  eintretende  Klemm- 
schraube hielt  den  Draht  im  Näpfchen  fest,  sodass  er  nicht 
heraus  federn  konnte;  da  mit  lebensgefährlichen  Wechsel- 
stromspannungen geai'beitet  wurde,  war  diese  Vorsicht  ge- 
boten. 

Die  andere  Elektrode  f  wurde  von  einem  4  mm  dicken 
Messingdraht  y  getragen,  der  durch  den  Rohransatz  G  hin- 
durchging. Da  viele  Vorversuche  gezeigt  hatten,  dass  zu  einer 
völlig  symmetrischen  Ausbildung  der  Kathodendunkelräume 
auf  beiden  Seiten  der  Kathodenplatte  unerlässlich  ist,  die 
Anode  vollkommen  symmetrisch  in  Bezug  auf  die  Kathode 
anzuordnen,  so  wurde  als  zweite  Elektrode  ein  Ring  aus  einem 
Aluminiumblechstreifen  gewählt,  welcher  die  Zuleitung  zur 
Elektrode  a  völlig  conaxial  umgab,  von  dieser  selbst  durch 
die  doppelte  Glasumhüllung  cc,  dd  getrennt.  Damit  beide 
Elektroden  gleiche  Fläche  hatten,  musste  der  Blechstreifen 
bei  3  mm  Höhe  105  mm  lang  gewählt  werden.  Auch  er  war 
in  der  Mitte  mittels  eines  rechteckigen  Fortsatzes  am  Ende 
seiner  Zuleitung  g  festgeklemmt.  Diese  selbst  war  bis  an  das 
Ende  von  dem  Glasmantel  li  umgeben,  der  selbst  wieder  in 
seinem  oberen  Theile  in  den  Rohransatz  G  eingekittet  war. 
Da  bei  dem  engen  Rohranschluss  der  Theil  fgi  nicht  als 
Ganzes  durch  G  eingeführt  werden  konnte,  war  g  aus  zwei 
Theilen  bei  h  zusammengeschraubt.  Zuerst  wurde  der  obere 
Theil  mit  seinem  Glasmantel  durch  G  eingeführt,  dann  der 
untere  von  unten  her  mit  seinem  Glasmantel  herangehoben, 
und  in  ihn  der  obere  eingeschraubt.  Sodann  wurde  ii  in  G 
festgekittet.  Dabei  blieb  freilich  bei  h  in  dem  Glasmantel  ein 
schmaler  unbedeckter  Spalt  übrig,  da  im  Innern  des  Ent- 
ladungsraumes jedes  Kittemittel  vermieden  werden  sollte.  In- 
dessen nur  bei  ganz  niederen  Drucken  leuchtete  das  Gas  bei  h 


206  H.  Ebert. 

m 

mit  auf;  ein  Einfluss  auf  die  zu  messenden  Grössen  war  nicht 
zu  erkennen.  ^ 

Die  Zuleitung  vermittelte  ein  zweites  Eisenquecksilber- 
näpfeben  e  mit  Klemmschraube.  Durch  Anwendung  von  Zu- 
leitungen von  so  grossem  Querschnitte  war  jede  merkliche  Er- 
wärmung in  diesen  selbst  während  sehr  langer  Versuchsreihen 
ausgeschlossen. 

Die  Wände  waren  bei  den  hier  verwendeten  Gasdrucken 
so  weit  von  den  Elektroden  entfernt,  dass  die  Glimmlichter  mit 
ihren  vorderen  Spitzen  nur  in  einigen  Fällen  bis  an  die  Glas- 
wand heranreichten.  Dementsprechend  waren  auch  die  Wand- 
ladungen von  sehr  geringem  oder  keinem  Einflüsse. 

Die  Bestäubung  mit  einem  Mennige-Schwefelpulver,  wie 
es  jüngst  Hr.  Riecke  mit  Glück  zum  Nachweise  der  Wand- 
ladungen der  Entladungsröhren  verwendete,  liess  hier  keine 
Spur  einer  solchen  Ladung  erkennen. 

Dass  an  der  Elektrode  a  sich  rasch  hintereinander 
Anoden-  und  Eathodenerscheinung  übereinander  lagerte,  hatte 
auf  die  Messungen  keinen  störenden  Einfluss,  denn  wie  schon 
frühere  Untersuchungen  gelehrt  hatten,  kommt  in  einem  solchen 
Falle  nur  die  Kathodenerscheinung  zur  Geltung. 

Damit  die  Gasflillung  und  das  Innere  der  Vacuumflasche 
immer  möglichst  trocken  blieb,  war  ihr  Boden  ganz  mit 
Phosphorpentoxyd  bedeckt. 

2.  Die  ElektricitätsqueUe.  Als  Wechselstromgenerator  ver- 
wendete ich  bei  den  definitiven  Versuchen  einen  vierpoligen, 
schnelllaufenden  Gleichstrom- Wechselstrom-Umformer,  System 
Hummel,  und  zwar  eine  grössere  Type  als  die  von  mir  früher 
bereits  verwendeten  Umformer.  ^) 

Die  Maschine  beanspruchte  ca.  450  Watt  Gleichstrom- 
leistung, welche  bei  einer  Spannung  von  126  bis  128  Volt 
an  den  Klemmen    des  Gleichstromkreises   der  Centrale  (Drei- 


1)  Die  Maschine  ist  von  Hrn.  Ingenieur  G.  Hummel  construirt 
worden  und  wurde  mir  von  den  jetzigen  Inhabern  der  Hummerschen 
Fabrik,  den  Herren  £.  Wagmüller  u.  J.  Hackl  in  liebenswürdigster 
Weise  tür  meine  Versuche  zur  Verfügung  gestellt;  ich  nehme  die  Gre- 
legenheit  wahr,  den  genannten  drei  Herren  aucli  öffentlich  meinen  besten 
Dank  auszusprechen.  ^ 


Hittor f  scher  Kaihodendunkelraum,  207 

leitersvstem)  der  kgl.  Hochschule  entnommen  wurde;  die 
Maschine  war  an  die  beiden  Aussenleiter  des  Beleuchtungs- 
netzes angeschlossen.  Hier  hielt  sich  bei  der  geringen  In- 
anspruchnahme der  Anlage  im  Sommer  die  Spannung  hin- 
reichend constant. 

Der  Maschine  war  ein  Anlasswiderstand  beigegeben,  der 
Tor  die  Ankerwickelung  gelegt,  zunächst  die  Feldmagnete 
allein  speisen  liess.  Durch  Auskurbeln  einer  entsprechenden 
Menge  von  Yorschaltwiderstand  konnte  die  Tourenzahl,  sowie 
die  in  der  Zeiteinheit  geschnittene  Eraftlinienzahl,  d.  h.  die 
Wechselstromspannung  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen,  variirt 
werden.  Bei  den  unten  angeführten  Messungen  lag  die  Gleich- 
stromintensität meist  um  3,4  Amperes  herum. 

Zur  Erreichung  der  nöthigen  Spannungen  wurde  ein  Igel- 
tnmsformaior  verwendet;  ein  Regulirwiderstand  im  Nieder- 
spannungskreis  liess  im  Verein  mit  dem  erwähnten  Anlass- 
widerstand leicht  eine  bestimmte  Spannung  bei  gegebener 
Stromstärke,  oder  umgekehrt  eine  bestimmte  Stromstärke  bei 
bestimmter  Spannung  erreichen. 

3.  Die  Messinstrumente,  —  a)  Messung  der  Dicken  der 
Dunkelräume.  Bei  mehreren  ausgedehnten  Vorversuchsreihen 
wurden  die  Dunkelräume  photographirt  und  die  Photogramme 
dann  ausgemessen.  Bei  den  unten  mitgetheilten  Messungen 
konnte  wegen  der  sehr  grossen  Constanz  der  Erregungs- 
bedingungen,  die  mit  der  neuen  Maschine  erreichbar  war,  ein 
directes  Messverfahren  angewendet  werden.  Auf  dem  Schlitten 
einer  Theilmaschine  war  ein  Femrohr  mit  nicht  zu  entferntem 
Nahepunktdes  Accommodationsgebietes  und  mit  schrägliegendem 
Fadenkreuze  so  befestigt,  dass  es  beim  Drehen  der  Theil- 
schraube  parallel  mit  sich  selbst,  senkrecht  zur  Schraubenaxe 
stehend  bewegt  werden  konnte.  Die  Schraube  war  genau  auf 
periodische  und  fortschreitende  Fehler  hin  durchuntersucht 
worden;  ihre  Ganghöhe  betrug  in  dem  bei  den  Messungen  be- 
nutzten Bereiche  0,8520  mm.  Es  wurde  mit  dem  Fadenkreuz 
erst  auf  den  einen,  dann  auf  den  anderen  äusseren  Rand  des 
Dunkelraumes  eingestellt;  wurde  dann  von  der  Differenz  der 
Ablesungen  die  Plattendicke  (in  Messschraubenumgängen  aus- 
gedrückt) abgezogen,  halbirt  und  das  Resultat  in  Millimeter 
umgerechnet,  so  wurde  die  Dicke  des  Dunkelraumes  erhalten; 


208  K  Ebert 

diese  Zahl  ist  in  den  folgenden  Tabellen  unter  d  eingetragen. 
Hierbei  wurde  freilich  die  innerste  leuchtende  Schicht  mit  in 
den  Dunkelraum  einbezogen;  dieselbe  legt  sich  indessen  immer ^ 
sehr  dicht  an  die  Elektrodenäächen  an.  Durch  die  Vernach- 
lässigung der  Dicke  dieser  Lichthaut  erscheinen  die  Dicken 
zu  gross,  was  aber  höchstens  bei  den  kleinen  Dicken  einiger- 
maassen  in  Betracht  kommt,  während  der  Fehler  fiir  die 
grossen  Dicken  verschwindend  klein  ist,  da  die  erste  Schicht 
nicht  angenähert  so  rasch  wächst,  wie  die  beiden  anderen. 
Ein  anderer  Umstand  muss  hier  erwähnt  werden:  Man  war 
genöthigt,  die  zu  messende  Strecke  durch  die  Glaswand  der 
Vacuumflasche  hindurch  anzuvisiren.  Dadurch,  dass  man  bei  den 
Vorversuchen  eine  Scala  an  die  Stelle,  wo  später  der  Dunkel- 
raum erzeugt  wurde,  brachte  und  diese  ausmaass,  konnte 
man  sich  davon  überzeugen,  dass  der  entstehende  Fehler  nicht 
gross  war,  wenn  man  diejenige  Seite  der  Flasche  ausgesucht 
hatte,  welche  ganz  besonders  rein  war.  Dass  die  Ablenkung 
des  Strahlenganges  durch  die  Cylindermantelfläche  des  Vaeuum- 
gefässes  bei  den  hier  in  Betracht  kommenden  Dimensionen  des 
im  Inneren  befindlichen,  zu  messenden  Gegenstandes  keinen 
störenden  Eintiuss  über  die  Grenze  der  unvermeidlichen  Ein- 
stellungsfehler hinaus  ausüben  konnte,  zeigt  eine  einfache 
Rechnung. 

Dabei  war  bei  den  kleinen,  scharf  begrenzten  Dunkel- 
räumen eine  Genauigkeit  von  ^j^^  bis  Yg^  mm  in  der  Dicken- 
messung zu  erreichen.  Bei  grösseren  Dunkelräumen  lag  die 
Grenze  der  unvermeidlichen  Messungsfehler  innerhalb  0,1  mm, 
bei  den  ganz  grossen  Dunkelräumen,  die  auch  hier  verhältniss- 
raässig  sehr  verwaschen  gegen  das  dififus  begrenzte  Glimmlicht 
absetzten,  konnte  der  Fehler  einer  Messung  mehrere  Zehntel 
Millimeter  erreichen;  letztere  sind  übrigens  wegen  dieser  ihnen 
unvermeidlich  anhaftenden  Ungenauigkeit  nui'  in  einzelnen 
Fällen  mit  in  die  unten  angeführten  Tabellen  aufgenommen 
worden,  wenn  sie  auch  stets  mit  gemessen  wurden. 

Eine  bequeme,  bei  allen  Beobachtungen  angewendete  Con- 
trole  der  Einzeleinstellungen  ergab  sich  dadurch,  dass,  wenn 
das  Mittel  aus  den  beiden  Ablesungen  genommen  wurde, 
immer  wieder  dieselbe  Zahl,  nämlich  die  der  Mittelebene  der 
Platte  entsprechende  Einstellung  erhalten  werden  musste.    Die 

t 


Hittorf  scher  Kathodendunkelraum,  209 

Abweichungen   von   dieser  Mittelstellung   lagen   immer   inner- 
halb der  Beobachtungsfehler. 

b)  Die  Druckmessung,  Zur  Messung  der  Gasdrucke  wurde 
ein  Mac  Leod'sches  Manometer  Kahlbaum'scher  Construc- 
tion^)  von  Kram  er  in  Freiburg  i.  B.  mit  doppeltem  Mess- 
bereiche verwendet.  Durch  Zusammendrücken  des  Gasrestes 
auf  ^I^QQ  Volumen  konnten  an  einer  Steigröhre  direct  die 
Hundertstel  Millimeter  Hg -Druck,  durch  Zusammendrücken 
auf  V2000  *°  einer  zweiten  die  Tausendstel  abgelesen  werden; 
die  Zahlen  sind  unter  p  in  den  folgenden  Tabellen  auf- 
geführt. 

Dass  das  Manometer  den  durch  die  stufenweisen  Evacua- 
tionen  herbeigeführten  Druckerniedrigungen  wirklich  genau 
folgte,  wurde  durch  besondere  Versuchsreihen  geprüft.  Die 
Herren  E.  C.  C.  Baly  und  W.  Eamsay^  haben  schon  früher 
auf  eine  Reihe  von  Fehlerquellen  aufmerksam  gemacht,  welche 
genaue  Druckmessungen  mit  dem  Mac  Le  od -Manometer  bei 
tiefen  Drucken  sehr  gefährden  können,  namentlich  auf  die 
Veränderungen  der  Capillareigenschaften  des  Quecksilbers  dem 
Glase  gegenüber  bei  Veränderung  des  darüber  liegenden  Gas- 
druckes. 

Da  man  diesen  Veränderungen  gegenüber  ziemlich  macht- 
los ist,  wurden  tiefe  Drucke  (unter  0,10  mm)  überhaupt  nur 
ganz  ausnahmsweise  verwendet,  zumal  dann  die  Dunkelräume 
meist  schon  so  verwaschen  sind,  dass  eine  scharfe  Einstellung 
auf  ihre  Begrenzung  kaum  mehr  möglich  ist.  Da  bei  dem 
Manometer  immer  mindestens  auf  das  Hundertfache  zusammen- 
gepresst  wurde,  so  kam  man  bei  der  Messung  selbst  ganz 
ausserhalb  jener  Druckgrenzen,  unterhalb  deren  die  Gültig- 
keit des  Boyle-Mariotte'schen  Gesetzes  Zweifeln  unter- 
liegen könnte.  Ausserdem  hatte  man  in  der  Constanz  der 
Druckverhältnisse  bei  gleichmässig  von  Pumpenzug  zu  Pumpen- 
zug fortschreitender  Evacuation  des  constanten  Gesammt- 
volumens  eine  genügende  Controle. 

Vor    jeder   Messungsreihe    wurden    sämmtliche   Vacuum- 


1)  G.    W.    A.    Kahlbaum,     Zeitschr.    f.    Instrumentenkunde    15. 
p.  191.  1895. 
^  2)  E.  C.  C.  Baly  u.  W.  Ramsay,  Phil.  Mag.  (5)  38.  p.  301.  1894. 

"  Ann.  d.  Phft.  u.  Chem.    K.  F.    69.  14 


210  ü.  Ebert 

theile,  die  Pumpe,  sowie  das  Manometer  mit  dem  sorgfältig 
gereinigten  und  durch  Schwefelsäure  und  Phosphorpentoxyd  m 
getrockneten  Gase  mehrere  Male  ausgespült.  Dann  verblieb 
die  betreffende  Gasfüllung  bei  etwa  Va  Atmosphären  druck 
während  mehrerer  Tage  in  dem  Apparate,  wobei  sich  Alles 
mit  dem  Gase  selbst  sättigen  und  dieses  selbst  die  letzten 
Spuren  Wasserdampfes  an  das  in  der  Vacuumflasche  ausge- 
breitete P3O5  abgeben  musste.  lieber  die  Reinheit  der  Gase 
wurden  während  der  ganzen  Messungsreihe  sorgfältigste  spectro- 
skopische  Prüfungen  unterhalten. 

Es  wurde  zwischen  jedem  einzelnen  Pumpenzuge  und  vor 
jeder  neuen  Messung  immer  solange  gewartet,  dass  in  dem 
allerdings  etwas  weit  verzweigten  Röhrensysteme  sich  der 
Druck  und  die  Temperaturen  vollkommen  ausgeglichen  haben 
mussten. 

Bei  den  sehr  niederen  Drucken  beeinäusste  mitunter  eine 
Erscheinung  die  genaue  Messung  nicht  unerheblich,  welche 
ich  eine  f^Selbstevacuaäon^^  des  Vacuumapparates  nennen  möchte. 
Unter  dem  Einflüsse  der  Entladung  selbst  veränderte  sich  der 
Gasinhalt  in  einer  Weise,  welche  einer  fortschreitenden  Evacua- 
tion  entsprach;  die  Dicke  der  Dunkelräume  wuchs  während 
des  Strom durchganges,  wiewohl  vor  dem  Beginne  dieser  Ver- 
suche bei  tiefen  Drucken  immer  ganz  besonders  lange  ge- 
wartet wurde.  Ferner  stieg  die  Spannung,  desgleichen  der 
Wattconsum  im  Entladungsapparate,  wiewohl  die  Stromstärke 
fortwährend  sank.  Dabei  war  an  dem  Manometer  direct 
fast  nie  eine  wirkliche  Druckverminderung  nachweisbar.  Aus 
diesem  Grunde  sind  die  den  niederen  Drucken  entsprechen- 
den Zahlen  Mittelwerthe  von  geringerem  Gewichte  als  die 
den  hohen  Drucken  entsprechenden  Werthe,  ganz  abgesehen 
davon,  dass  die  Einstellungen  auf  die  Grenzen  des  Dunkel- 
raumes bei  den  tiefen  Drucken  an  sich  unsicher  wurden. 

c)  Die  elektrischen  Mess Instrumente,  Durch  Vorversuche 
war,  wie  schon  oben  erwähnt,  nachgewiesen  worden,  dass  bei 
der  hier  getroffenen  Anordnung  die  Dicke  des  Dunkelraumes 
sich  weder  mit  der  Periodenzahl  des  Wechselstromes,  noch 
mit  dessen  effectiver  Spannung  oder  Stromstärke  merkUch 
änderte.  Wii*  haben  hier  also  in  der  That  ein  Phänomen 
vor  uns,  welches  nur  noch  vom  Gasdrucke  und  der  Gasnatur  ^ 


Hiüorf  scher  Kathodendunkelraum.  211 

abhängt.     Nur  um  jederzeit  einen  Vergleich  zu  ermöglichen, 
I   sind    in    die  Tabellen   die  elektrischen  Daten  des  Vorganges 
mit  aufgenommen  worden  und  zwar  für  den 

Gleichstrom:  Spannung  S  (Voltmeter  von  Reiniger,  Geb- 
bert  und  Schall  in  Erlangen),  Stromstärke -4  (Weston-Amp^re- 
meter); 

Nieder spannungswechselstrom:  Spannung  v  (Hitzdraht- Volt- 
meter nach  M.  W.  Hoffmann),  Stromstärke  /  (Hitzdraht- 
Amperemeter  von  Hartmann  und  Braun); 

llochspannungswechselstrom:  Spannung  V  (Plattenvoltmeter 
nach  Ebert-Hoffmann,  verbessert  von  Prof.  Dr.  Th.  Edel- 
mann), Stromstärke  z  (Hitzdraht  -  Milliamperemeter  eigener 
Construction). 

Den  später  mitgetheilten  Tabellen  ist  noch  die  Grösse  ^=  V,i 
beigefiigt  worden;  sie  bedeutet  die  durch  die  Entladung  con- 
sumirte  Wattzahl,  abgesehen  von  der  durch  die  Phasenver- 
schiebung bedingten  Abänderung  dieser  Grösse. 

Sämmtliche  Instrumente  mussten  möglichst  zu  der  gleichen 
Zeit  (während  die  Einstellungen  an  der  Theilmaschine  aus- 
geführt wurden)  abgelesen  werden,  wozu  zwei  Hülfsbeobachter 
^öthig  waren. 

Resultate. 

Ehe  die  einzelnen  Messungsreihen  für  die  verschiedenen 
Gase  mitgetheilt  werden,  müssen  einige  allgemeine  Resultate 
sämmtlicher  Messungen  vorangestellt  werden,  damit  die  Ein- 
richtung der  folgenden  Tabellen  und  graphischen  Darstellungen 
verständlich  wird. 

Bei  jedem  der  untersuchten  sechs  Gase  (Og,  H^,  Ng,  CO, 
COj,  Luft)  ergab  sich  folgendes  Entwickelungsgesetz  der  Dicke 
des  Hittor f sehen  Kathodendunkelraumes  mit  fortschreitender 
Gasverdünnung : 

Nimmt  die  Verdünnung  in  gleichem  Verhältnisse  zu, 
so  nimmt  auch  die  Dicke  des  Dunkelraumes  in  gleichem 
Verhältnisse  zu. 

Oder  anders  ausgedrückt: 

Schreitet   die  Evacuation    des  Entladungsraumes    nach 
einer  geometrischen  Reihe  fort,  so  wächst  auch  der  Dunkel- 
^     räum  nach  einer  geometrischen  Reihe. 

^  14* 


212  H.  Ebert 

Bemerkenswerth  ist  aber,  dass  die  Wachsthumsverhält- 
nisse  oder  die  Exponenten  der  beiden  einander  parallel  gehenden  ^ 
Reihen  von  Zahlenwerthen  nicht  einander  gleich  sind,  sondern 
die  Dicke  d  der  Dunkelräume  im  allgemeinen  langsamer  wächst 
als  die  Verdünnungen  fortschreiten.  Den  Evacuationen  und 
damit  diesen  Verdünnungen  sind  die  Gasdrucke  p  reciprok; 
bezeichnen  also  p^  und  p^  zwei  beliebige  Gasdrucke,  bei  denen 
Entladungen  durch  den  Gasraum  hindurch  gehen,  und  die 
Kathode  vollkommen  gleichmässig  mit  allen  drei  Kathoden- 
schichten bedeckt  ist,  und  d^  und  d^  die  zugehörigen  Dicken 
der  Dunkelräume,  so  ist 


<')  i  -  m 


wo  m,  eine  reelle  positive  Zahl,  im  allgemeinen  kleiner  als 
1  ist: 

0  <  m^l. 

Da  in  unsere  Relation  nur  das  Verhältniss  der  Drucke 
bez.  der  Dicken  eingeht,  so  muss  diese  von  dem  Maasse,  in 
welchem  die  genannten  Grössen  gemessen  werden,  unabhängig 
sein ;  m  ist  also  eine  nur  von  der  Gasnatur  abhängige  Grösse, 
deren  Werth  sich  nicht  ändert,  wenn  man  p  oder  d  durch 
andere  Einheiten  ausdrückt. 

Für  je  zwei  beliebige  Punkte  der  Druckscala  ist  also 

(2)  d,,p-^d^,p^. 

Es  ist  folglich  im  allgemeinen  nicht  d,p  eine  Constante 
und  die  Dicke  des  Dunkelraumes  umgekehrt  proportional  dem 
Drucke,  sondern 

(3)  d .  />'"  =  const. , 

wo  m  eine  für  das  betreffende  Gas  charakteristische  Zahl  ist, 
deren  physikalische  Bedeutung  wir  weiter  unten  kennen  lernen 
werden. 

Den  Gleichungen  (1)  bis  (3)  kann  man  durch  Logarith- 
miren eine  Gestalt  geben,  in  der  sie  sich  zur  graphischen 
Bar  Stellung  der  Messungsergebnisse  besonders  eignen.    Es  ist 

(4)  log  rfj  -  log  d^  =  m  (log;?a  -  log;?i) , 


Hittorf  scher  Kaihodendunkelraum,  213 

und 

(5)  m  =  M^LHi^iA  , 

(6)  log  d^+m.  \ogp^  =  log  d^  +  m  log;?,  , 

(7)  log  d  +  m  logp  =  const. 

Trägt  man  also  in  ein  rechtwinkliges  Coordinatensystem 
die  Logarithmen  der  Drucke  p  als  Abscissen  x  (positiv  für 
Drucke  >  1,  negativ  für  Drucke  <  1),  die  Logarithmen  der 
zugehörigen  rf-Werthe  als  Ordinaten  y  auf,  so  erhält  man 
gerade  Linien  als  Beobachtungscurven.  Die  negativ  genommene 
Zahl  in  stellt,  da  nach  (7) 

?/  -j-  TW  .r  =  const. , 

sAso  dyjdx  =  —  TW  ist,  augenscheinlich  die  Steigung  der  Geraden 
dar.  In  dieser  Weise  sind  die  Curven  (Fig.  2  und  alle 
folgenden)  mit  log  p  [p  in  Mfllimeter  Quecksilbersäule)  als  Ab- 
scissen, log  d  als  Ordinaten  [d  in  Millimetern  gemessen)  für 
die  verschiedenen  Gase  erhalten  worden;  wegen  der  übersicht- 
lichen Form,  welche  bei  Einführung  der  Logarithmen  die  ge- 
fundene Relation  annimmt,  sind  ausser  den  Verhältnissen 
pJP2  und  djd^  auch  die  Logarithmen  von  p  und  d  mit  in 
die  Tabellen  aufgenommen  worden. 

Der  Verlauf  einer  geraden  Linie  ist  ausser  durch  ihre 
Neigung  gegen  die  Axen  noch  durch  ihre  relative  Lage  zu 
diesen,  also  z.  B.  durch  einen  der  beiden  Axen  abschnitte  be- 
stimmt. In  der  That  enthält  unser  Gesetz  (3)  noch  eine  Con- 
stante,  über  die  wir  weiter  verfügen  müssen. 

Anknüpfend  an  die  graphische  Darstellung  empfiehlt  es 
sich,  für  diese  Constante  denjenigen  absoluten  Dickenwerth 
d^  in  Millimeter  zu  wählen,  der  für  die  einzelnen  Gase  er- 
scheint bei  dem  bestimmten  Drucke />=  1  mm  Hg,  für  den 
also  log  /?  =  0  ist;  log  d^  ist  also  das  Stück,  welches  die 
geraden  Linien  auf  der  positiven  Ordinatenaxe  unserer  gra- 
phischen Darstellungen  abschneiden.  Dadurch  erhält  das  Ge- 
setz die  Gestalt 

(I)  d.p">  =  d^ 

Aus  dem  Verlaufe  der  nach  den  Messuugsreihen  con- 
struirten    geraden  Linien    für    die  Logarithmen    von  p  und  d 


214  H,  Ebert 

werden  die  graphisch  ausgeglichenen  Werthe  von  m  und  d^ 
abgeleitet.  Die  Abweichungen  der  mit  diesen  in  jeder  Tabelle 
beigefügten  Werthen  nach  der  Formel  (I)  fiir  ein  jedes  p 
berechneten  c?- Werthe  von  den  beobachteten  sind  in  den 
folgenden  Tabellen  unter  8  ^  d  berechnet  —  d  beobachtet  auf- 
geführt; diese  Differenzen  liegen  überall  durchaus  innerhalb 
der  Grenze  der  unvermeidlichen  Beobachtungsfehler. 

Bestätigt  sich  somit  das  gefundene  Gesetz  (I)  durchaus, 
so  muss  ein  Umstand  sehr  auffallend  erscheinen,  der  sich  bei 
allen  untersuchten  sechs  Gasen  wiederholt  und  der  für  die 
Deutung  des  ganzen  Phänomens  von  der  grössten  Wichtigkeit 
erscheint: 

Sämmtliche  Beobachtungscurven  zeigen  bei  einem  ganz 
bestimmten,  für  jedes  Gas  verschiedenen  Druck  U  einen 
Knick;  die  Beziehung  zwischen  p  und  d  enthält  also  für 
alle  untersuchten  Gase  eine  Discontinuität;  vor  und  nach 
der  Discontinuitätsstelle  folgen  sie  alle  einem  Gesetze  von 
der  Form  (I),  nur  mit  plötzlich  umspringenden  Werthen  der 
Constanten. 

Ein  Blick  auf  die  Curvenfiguren  zeigt,  dass  sowohl  vor 
wie  nach  dem  Knick  die  den  einzelnen  Messungen  entsprechenden 
Punkte  sich  genau  je  einer  geraden  Linie  anschliessen.  Die 
Curvenneigung  geht  nicht  allmählich  aus  dem  Anfangswerthe 
in  den  Endwerth  über,  sondern  von  einem  bestimmten  Drucke 
an  folgen  die  einzelnen  Curvenpunkte  plötzlich  einem  anderen 
Gesetze;  dasselbe  fügt  zwar  die  Logarithmenwerthe  wieder  zu 
einer  linearen  gegenseitigen  Abhängigkeit  zusammen,  aber  die 
m-  sowie  die  d'^,- Werthe  sind  andere:  M  und  Bq  geworden. 

Auf  diese  Discontinuität,  ihre  Lage  in  der  Druckscala, 
sowie  ihre  Beziehung  zu  anderen  physikalischen  Erscheinungen 
soll  in  der  Folge  besonders  hingewiesen  werden. 

1.  Sauerstoff. 

Der  allgemeine  Verlauf  der  Erscheinungen,  vor  allem  die 
Discontinuität  der  Beziehung  zwischen  p  und  d  wird  am  besten 
durch  das  Verhalten  des  Sauerstoffs  erläutert  Für  dieses 
Gas  (aus  chlorsaurem  Kali  und  Braunstein  entwickelt)  liegen 
zwei  in  Fig.  2  durch  Punkte  bez.  Kreuze  dargestellte  Messungs- . 


Hittorf  icker  Kalhodenduttkelraum.  216 

en  vor,   die,    wie  man  sieht,  untereinander  sehr  gut  Uber- 
ümmende  Werthe  ergeben. 


\ 

rrt--¥- 

X 

s, 

\ 

N 

3*0 

s 

••v 

1 

'^ 

^ 

1 

<< 

1 

"^ 

09 

0     q. 

<u    tt 

w     rV 

V       Q 

ÄJ 

'W 

f)       OpO  tQK)       qSD      QM      (IM     <m 

Fig,  2. 

Bezüglich  der  Bedeutung  der  Buchstabeu  in  allen  folgen- 
Tabellen  vgl  p.  212  und  214. 
Tabelle  1. 
Sauerstoff,    1.  Reihe. 
ra  =  0,459,  rf,  =  1,80. 


P    VPsI    rf 


'(i,,'d,'  logp   logd      d 


±1' 


0,072|0,215J+0,O3|il29|8,6,l5|2,4,  378'o,0174l  6,6 

i       .i-^-fi         I       !        II     M'       I 

I  2,09'         l-0,l.')7|0,820|-0,0l||l2g|3,e|lö[2,3    488lo,01T3|  7,6 
=  0,788,  i>o=l,62.    DisconÖnBitÄt  bei  iZ=0,70. 


29 


1,40' 


-0,347'O,467|-O,O2"i:iH:i,G, 162.8    .^4BÜ,0n2|  9.4 

.80,6181-0,12  129!3,5  16  2,3:]  676:0.0171,11,5 

62,2,  8ls'o,0165,13,5 


-0,351 27 


4,'n  2,2'1023 

4,18  2.2'1299 
II         y 

I,ll676 


0,0161.16.5 

0.0157 '20,4 
0,0150,25,1 


äs'    '      110,43!  ■       i-l,08l'l,018'-0,27!'l27 
IMS]  ;i,37|  '  I  |l  , 

,-l,292;l,155[  +  0,2  '.1273,3| 
Die  Abweichungen  3  zwischen  den  nach  der  Formel  (I) 
dineten  und  den  beobachteten  Werthen  liegen  bis  herab 
c=0,45  in  den  Hundertsteln,  von  da  ab  in  den  Zehnteln 
meter. 


216 


H.  Ebert. 


Hierbei  war  der  Dunkelraum  durchaus  nicht  völlig  dunke 
vielmehr  war  er  vou  einem  blassvioletten  Lichte  erf&llt,  desse 
Intensität  nach  aussen  zu  gegen  die  dritte  Schicht  hin,  merl 
lieh  wuchs.  Nichtsdestoweniger  war  die  innere  Grenze  dt 
weisslich violetten  dritten  Schicht,  namentlich  bei  den  höhere 
Drucken,  sehr  deutlich.  Die  innerste  erste  Schicht  war  b( 
den  höheren  Drucken  fast  bräunlich  und  wurde  dann  röth 
lichbraun.  Bei  0,45  mm  war  die  erste  Schicht  röthlich,  di 
zweite  violett,  die  dritte  weiss  geworden. 

Zeigt  diese  Beobachtungsreihe  I,  bei  der  zwischen  jede: 
Messung  je  dreimal  ausgepumpt  Wiirde,  wie  sich  die  Dick* 
des  Dunkelraumes  bis  zu  den  tiefsten  Drucken  hin,  bei  dene? 
noch  scharf  eingestellt  werden  konnte,  vergrössert,  so  soll  dl 
folgende,  bei  der  die  einzelnen  gemessenen  Dicken  viel  dichte 
aufeinander  folgen  und  jedesmal  (ausser  zwischen  den  letzte 
beiden  Messungen)  nur  je  einmal  evacuirt  wurde,  namenl 
hch  den  Curveuknick  recht  deutlich  hervortreten  und  de 
Discontinuitätsdruck  11  möglichst  genau  bestimmen  lassen 
Diese  Reihe  begann  bei  sehr  hohen  Diiicken;  aber  erst  vo. 
p  =  2,8  au  war  die  Platte  vollkommen  gleichmässig  vou  de 
Eathoden schichten  bedeckt. 

Tabelle  2. 
Snuerstoff,  II.  Reihe. 
m  =  0,453,    d|,=  1,80. 


P    PilPi     <i    <kldt; 


gp  \log'l\     3 


Vi' 


53  j  2,6'! 

I  1  ''"*■ 

öt|2,26         |i,a 

1  1.19 

&&"l,eDl  |l,3 

II     1 1.17 1 

S6  !  1,113 


0,426!o,ü72  -0,02 


&7  Ii.bt; 


1 1,1 

1,16, 


11,56  I 


ll.Oii 


0,354 
0,379 
0,212 

0,197 
0.072 


0,093|  +  0,Ü1 
0,143' -0,0* 

0,161,-0,01 
Ü,1H3|±0,00 
0,2171+0 


iSa 


0,017; 


&9,!  1,18 

59,  0,99-  'l,7ö  I         ,-0,004'o,250;  +  0,ü;iI 

I'       '  1.1^  <        i>o» '  I        !         Ii      I     II    I     li  I 

600,86  |l,94l  -0.066,0,2»6!-0,01   127l3,5'l6,2,34270,O171    7 


2,z!'351 
2,4j|351 

2,2|l415  0, 

0,0173'  6 
2,4,.384l0.O172 
2,4|397  0,Onil 

0,0172! 


I   ST  3,6}iI6i2,3ll409 

I        i      i'     i      il 
Il27l3,5  16,2,3  427 

6l'0,71i    '      '2,13!   '        -O,li9iO,328|-0,03|  127;3,5;il6i2,8i|454  0,Ono]  7 


Hittorf  scher  Katkodendunkelraum. 

Tabelle  2  {Fortsetzung}. 

Sanerstoff,  II.  Beihe. 

=  0,821,    Z),-l,58.    DiBcoationitat  bei  77=0,70. 


^i,n 

p\lp% 

d  lrf,/d. 

logp  logi^i    fl      s  ^ ji'p  ,/,ir 

(■      '  E 

1 

1,1M 

1,1-4 

1'              1 

' 

M  0,SO 

l,tB 

■iA'i 

1,12 

-0,22310,38« 

-0,02,  127|8,4!l5 

2.1 

i76 

0,015«'   7,* 

-0,292:0,435 

+  0,03|  1273,516 

2,a 

&2Ü 

0,0170,   8,8 

M .  0,4a' 

1,IS 

3,16 

1,lfi 

-0,387  0,000 

+  0,02   ia7i3,5il6 

... 

561 

0,0169'  fl,5 

1 

es   0,36 

S.B8 

-0,44*0,5B6 

-0,01   12713,4  17 

2,3l!6H 

X0168'lÜ,2 

,.H.S 

i,aK 

4,6M 

-0,569'0,B6e;+0,0i;  127.3,4,17 

2,3"712 

0,Oir,7'li,3 

Hier  ist  die  Debereinstimmung  zwischen  Rechnung  und 
^obachtung  eine  noch  vollkommenere  als  bei  Reihe  I;  0,04  mm 
ist  die  grösate  vorkommende  Abweichung.  Der  Curvenknick 
''ßgt  genau  bei  0,70  mm  Druck  {\og  p  =  —  0,155);  vgl.  auch 
namentlich  die  Fig.  2. 

Hr.  C.  Bohr')  fand  das  bemerk enswerthe,  von  den  Herren 
"aly  und  Ramaay*)  vollkommen  bestätigte  Resultat,  dass 
■•er  Sauerftoff  bei  niederen  Brüchen  sehr  wesentlich  von  dem 
^oyle-Mariotte'schen  Gesetze  abweicht;  er  wies  auf  eine  sehr 
eiRenthümliche  Diacontinuität  in  den  Beziehungen  zwischen 
Druck  p  und  Volumen  v  hin.  Dieselbe  tritt  bei  einem  Drucke 
Ton  0,70  mm  Hg  ein  und  scheidet  deutlich  Gebiete  von 
höheren  Drucken  von  solchen  von  niederen,  in  denen  die  Ab- 
hängigkeit der  beiden  Grössen  «  und  p  verschiedenen  Gesetzen 
folgt.  Die  diese  Beziehungen  darstellende  Curve  (p  etwa 
als  Abscisse,  v  als  Ordinate  gewählt]  besitzt  bei  0,70  einen 
Knick.  Oberhalb  desselben  folgt  das  Gas  dem  Gesetze  (vgl. 
1.  c.  p,  479) 

(p  +  Ü,109)f  =  A, 

ftlr  niedrigere  Drucke  als  0,70  dem  Gesetze 

(p  + 0,070)«  =  A. 


1)  C.  Bohr,   Wied.  Ann.  2Ü 

2)  E.  C.  C.  B«ly  u.  W.  Eai 


p.  459.  1886. 
say,  PhU.  Mag.  [5}  38.  p.  307.  1894. 


218  H.  Ehert 

Für  die  Steilheit  der  beiden  Garvenäste  leitet  man  hieraus  ab: 
für  die  höheren  Drucke: 


für  die  tieferen  Drucke; 


-dp  (p  +  0,109)« 

dv       __  k 

-rfjö"   "■    (p  +  0,070)« 


und  an  der  Knickstelle  selbst  geht  die  Curvenneigung  von 
dem  kleineren  Werthe  A/(0,809)^  plötzlich  in  den  grösseren 
Ä/(0,770)2  über.  Das  Volumen  wächst  also  bei;?  =  0,70  plöt^ 
lieh  stärker,  als  bei  abnehmendem  Drucke  dem  Mariotte'schen 
Gesetze  entspricht. 

Dass  die  beiden  genannten  Discontiuuitäten,  die  von  Hrn. 
Bohr  entdeckte  zwischen;?  und  v  und  die  hier  hervortretende 
zwischen  p  und  d,  genau  an  dieselbe  Stelle  der  Druchcala 
fallen,  kann  kein  Zufall  sein,  sondern  muss  einen  tiefereu 
physikalischen  Grund  haben.  Dass  nicht  etwa  unser  Knick 
unmittelbar  durch  die  Bohr'sche  Discontinuität  veranlasst 
war,  ergiebt  eine  einfache  Betrachtung:  Erstens  könnte  man 
an  einen  directen  Einfluss  auf  die  Druckmessung  selbst  denken^ 
In  der  That  wird  ja  bei  dem  Mac  Leod 'sehen  Manometer 
das  Bojle-Mariotte'sche  Gesetz  als  gültig  vorausgesetzt. 
Da  aber  bei  meinem  Exemplare  auf  das  Hundert-  bez.  Tausend- 
fache comprimirt  wurde,  lag  selbst  bei  Drucken  weit  unter- 
halb 0,70  der  Druck,  mit  dem  thatsächlich  gemessen  wurde, 
weit  oberhalb  jener  Stelle,  wo  Unregelmässigkeiten  eintreten. 
Vergleicht  man  hiermit  die  wirklich  erhaltenen  Druckverhältnisse 
PilPi  ^^^  ^^^  nach  dem  Passiren  der  ünstetigkeitsstelle,  welche 
ja,  da  sie  dem  constant  verbleibenden  Verhältnisse  von  Reci- 
pientenvolumen  und  Gesammtvolumen  entsprechen,  constant 
sein  müssen,  so  erkennt  man  in  der  That  keine  grösseren 
Abweichungen,  als  sie  unvermeidlich  auftreten,  weil  die  beim 
Evacuiren  zusammengepressten  Gasblasen  bald  mehr  bald 
weniger  vollkommen  entfernt  werden;  jedenfalls  ist  in  den 
p^  / p^-Werthen  keine  Unstetigkeit  zu  bemerken,  dieselbe 
haftet  vielmehr  der  d^/d^-Reihe  allein  an.  Zweitens  könnte 
man  hinweisen  auf  den  von  Hrn.  Bohr  gleichfalls  ent- 
deckten Einfluss  der  Zeit,  demzufolge  das  normale  Verhältniss 
zwischen  Druck  und  Volumen  sich  bei  verdünntem  Sauerstoff 
in   der  Nähe   von  p  =  0,70   erst   allmählich   herstellt.     Aber 


Hittorf  scher  Kathodendunkelraum,  219 

ich  dieses  kann  nicht  die  Ursache  der  Discontinuität  bei 
18  sein,  denn  die  Messungen  wurden  zwar  überall  un- 
ittelbar,  nachdem  der  Druck  p  hergestellt  war,  angestellt, 
ibei  wurde  aber  immer  von  höheren  zu  niederen  Drucken 
)ergegangen.  Für  diesen  Gang  hat  aber  Hr.  G.  Bohr  (1.  c.) 
ichgewiesen,  dass  die  bei  der  Druckerniedrigung  mit 
im  Sauerstoff  etwa  vor  sich  gehende  Zustandsänderung 
omentan  oder  nur  in  sehr  kurzer  Zeit  vor  sich  geht,  während 
r  die  Veränderungen  im  entgegengesetzten  Sinne  allerdings 
ehrere  Stunden  nöthig  gewesen  wären.  Hieraus  etwa  resul- 
rende  Fehler  waren  also  vermieden. 

Auf  den  möglichen  Zusammenhang  dieser  und  analoger 
recheinungen  bei  anderen  Oasen  kommen  wir  bei  der  „Dis- 
ission"  zurück. 

(Fortsetzung  und  Schluss  folgt  in  einem  der  nächsten 
efte.) 

(Eingegangen  30.  Juli  1899.) 


12.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Becquerelstrahlen, 

von  O.  Behrendsen. 


Seit  der  Entdeckung  der  Uranstrahlen  durch  Becquere 
wurde  über  deren  Wesen  und  Eigenschaften  namentlich  nad 
zwei  Richtungen  hin  weiter  gearbeitet.  Einmal  gelang  e 
6. C.  Schmidt^),  die  nämliche  Strahlung  an  Thorverbindunger 
sowie  dem  Ehepaar  Curie^)  an  neuen,  ganz  besonders  radic 
activen  Substanzen,  dem  Polonium  und  Radium  nachzuweisei 
Andererseits  bemühte  man  sich,  die  Energiequelle  für  die  s 
räthselhafte  Strahlung  ausfindig  zu  machen;  in  dieser  Richtun 
haben  die  Herren  Elster  und  GeiteP)  Versuche  angestell 

Meine  hier  mitzutheilenden  Versuche  sollten  hauptsäcl 
lieh  den  Einfluss  der  Temperatur  auf  die  Intensität  der  Bei 
querelstrahlen  studiren,  um  dadurch  zur  Lösung  der  Energie 
frage  einen  geringen  Beitrag  zu  liefern.  Doch  sollen  auc 
noch  einige  andere,  die  Strahlung  betreffende  Fragen  im  Fo 
genden  berührt  werden. 

I.  Fluorescenzerregung  durch  Beoquerelstrahlen  und  Polariflir 

barkeit  derselben. 

Eine  Reihe  von  Vorversuchen,  die  ich  mit  Becquerelstrahlc 
vornahm,  bestätigten  wiederum,  dass  sich  dieselben  ganz  w 
Röntgenstrahlen  verhalten.  Dies  zeigte  sich  auch  darin,  das 
die  von  Joachimsthaler  Pechblende  ausgesandten  Strahlen  i 
einer  Fiussspathplatte  Fluorescenz  zu  erregen  vermochte] 
ähnlich  wie  Winkelmann*)  dies  bei  Röntgenstrahlen  zuer« 
nachgewiesen  hat. 

Dazu  wurde  ein  Blatt  sehr  empfindlichen  Bromsilber 
papiers  (Negativpapier  von  Moh)  mit  der  Schichtseite  auf  eim 
grosse  Fiussspathplatte  gelegt.  Auf  die  Rückseite  des  Papierx 
legte    ich    ein  Stück  Joachimsthaler  Pechblende  so,  dass  es 


1)  G.  C.  Schmidt,  Wied.  Ann.  65.  p.  141.  1898. 

2)  P.  Curie,  M«"«  Curie  et  B^mont,  Compt.  rend.  127.  p.  1215. 1898. 

3)  J.  Elster   u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  66.  p.  735.  1898. 

4)  A..  Winkelmann,  Wied.  Ann.  59.  p.  324.  1896. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Becquerehtrahlen.  221 

itwas  über  den  Rand  der  unter  dem  Papier  liegenden  Platte 
inau8ragte.  Nach  45  Stunden  Belichtung  zeigte  sich  dort, 
ro  die  Bromsilberschicht  dem  Flussspath  aufgelegen  hatte, 
ine  sehr  viel  intensivere  photographische  Wirkung,  als  da, 
ro  dies  nicht  der  Fall  gewesen  war;  es  hob  sich  infolge 
essen  die  Contour  der  Platte  deutlich  auf  dem  Bilde  ab. 

Liess  man  die  Strahlen  der  Pechblende  auf  der  Rück- 
eite  des  Papiers  durch  die  Schicht  desselben  hindurch  auf 
ie  Bromsilberschicht  wirken,  während  diese  dem  Flussspath 
uflag,  so  erhielt  man  schon  nach  sechs  Stunden  (bei  gleicher 
Intwickelungsdauer)  die  nämliche  Schwärzung,  wie  in  24  Stunden, 
^enn  die  empfindliche  Schicht  nur  einer  Glasplatte  auflag. 

In  einer  seiner  ersten  Abhandlungen  über  Uranstrahlen 
atte  BecquereP)  auf  photographischem  Wege  eine  Polarisa- 
ion der  Uranstrahlen  nachgewiesen.  Nachdem  G.  C.  Schmidt^ 
ezeigt,  dass  ihm  eine  Polarisation  bei  Thorstrahlen  nicht  ge- 
mgen  und  auch  Ruther ford*)  dieselbe  nicht  bei  Uranstrahlen 
'halten,  berichtete  Becquerel*),  dass  spätere  Versuche,  die 
'  sowohl  mit  Uran-  als  Radiumpräparaten  ausgeführt  habe, 
^enfalls  erfolglos  verlaufen  seien.  Er  schliesst  daraus  auf 
a  verschiedenes  dichroltisches  Verhalten  der  Turmalinplatten, 
ö  zur  Verwendung  kommen.  Jch  habe  den  Versuch  viermal^ 
lesmal  mit  ganz  verschiedenen  Plattencombinationen,  ohne 
Un  Erfolg  wiederholt.  Ich  möchte  demnach  doch  annehmen, 
88  Becquerel strahlen  überhaupt  nicht  polarisirbar  seien  und 
88  es  nicht  an  einer  abweichenden  Beschaffenheit  mancher 
irmaline  liegen  kann,  wenn  der  Versuch  nicht  gelingt, 
übrigens  giebt  Becquerel  nicht  an,  ob  er  später  andere 
irmalin platten  verwandt  habe,  wie  bei  seinen  ersten  Ver- 
chen. 

II.  EinfluBS  der  Temperatur  auf  die  Strahlungsintensität. 

A.   Untersuchte  Substanzen. 

Zur  Verwendung  kamen  als  strahlengebende  Substanzen 
nächst  zwei  tiefschwarze,  sehr  reine  Stücke  von  Joachims- 


1)  H.  Becquerel,  Compt.  rend.  122.  p.  767.  1896. 

2)  G.  C.  Schmidt,  Wied.  Ann.  65.  p.  141.  1868. 

3)  £.  Rutherford,   Phil.  Mag.  47.  p.  109.  1898. 

4)  H.  Becquerel,  Compt.  rend.  128.  p.  771.  1899. 


222  0,  Behrendsen. 

thaler  Uranpecherz,  das  eine  96,5  g,  das  andere  125  g 
schwer;  diese  Stücke  sollen  im  Folgenden  als  Stein  I  und  D^ 
bezeichnet  werden.  Stein  III  ist  ein  unreines,  von  Gang- 
gestein durchsetztes  Stück  Joachimsthaler  Pechblende. 

Stein  IV  hat  eine  Masse  von  38  g,  Stein  V  von  30  g, 
Stein  VI  von  26  g.  Diese  drei  letztgenannten  Stücke  sind 
weniger  glänzend,  mehr  grauschwarz;  ihr  f\indort  ist  unbe- 
kannt. Einen  Theil  dieses  Materials  verdanke  ich  den  Herren 
Prof.  Dr.  Liebisch  und  Dr.  v.  Braun  in  Göttingen,  denen 
ich  hiermit  verbindlichst  danke,  ebenso  Hrn.  Dr.  Goldschmidt 
in  Essen,  der  mir  ein  24  g  schweres  Stück  von  üranmetall 
gütigst  zur  Verfügung  stellte,  welches  Moissan  in  Paris  ia 
einem  elektrischen  Ofen  durch  Reduction  von  üranoxyd  mit 
Knochenkohle  hergestellt  hat.  Diese  Darstellung  gestattet  die 
Annahme,  dass  das  Uranmetallstück  keine  Spur  der  Curie' * 
sehen  Substanzen  mehr  enthält,  welche  schon  bei  viel  niedri- 
geren Temperaturen,  als  sie  im  elektrischen  Ofen  auftreten, 
flüchtig  sind. 

Eine  Substanz,  die  in  weit  höherem  Maasse  radioacti^ 
sich  zeigte,  als  das  wirksamste  Uranpecherz,  wurde  dadurch 
erhalten,  dass  in  einem  Tiegel  ein  nicht  zu  grosses  QuantuiD 
möglichst  sorgfältig  gepulverten  Pecherzes  geglüht  wurde  j 
während  der  Tiegel  sorgfältig  mit  einem  Metallschälchen  be^ 
deckt  war,  welches  Wasser  enthielt  und  folglich  keine  höhere 
Temperatur  als  100®  annahm. 

Es  setzte  sich  dann  an  der  Deckfläche  eine  bald  schwarz^ 
braune,  bald  mehr  gelbliche  oder  röthliche  Substanz  an,  die 
sehr  radioactiv  war  und  off'enbar  eine  oder  beide  der  Curie*- 
schen  Substanzen  (Polonium,  Radium)  enthielt.  Wir  wollec 
im  Folgenden  diese  Substanz  mit  dem  Namen  „X-Sublimat* 
bezeichnen. 

Die  Intensitäten  der  von  diesen  drei  Substanzen,  üran- 
metall, Joachimsthaler  Pechblende,  X- Sublimat,  ausgehen- 
den Strahlungen  wurden  gemessen  und  verhielten  sich  wi6 
1 :  8,47  :  52,24. 

Ich  möchte  hierbei  bemerken,  dass  es  keineswegs  allein 
die  Joachimsthaler  Pechblende  ist,  welche  diese  radioactiven 
Substanzen  liefert.  Auch  die  Schneeberger  und  eine  andere 
Pechblende    unbekannter   Herkunft    (der    die    Stücke   IV — VI. 


Beiträge  zur  Kenntnüs  der  Becquerelstrahlen*  223 


angehören)  gaben  das  „X-Sublimat",  wenn  auch  nicht  so  rein, 
I  sondern  namentlich  mit  arseniger  Säure  vermengt. 

B.  Methode  der  Messung. 

Zur  Untersuchung  der  Intensität  der  Becquerelstrahlung 
und  der  Beeinflussung  derselben  durch  Temperatur  Veränderungen 
der  strahlenden  Substanz  wurde  die  Entladungsmethode  ver- 
wandt Dabei  wurde  die  Zeit  gemessen ,  welche  verfloss,  bis 
die  Blättchen  des  Elektroskopes  um  zwei  bez.  einen  Theil- 
strich  einer  willkürlichen  Scala  unter  dem  Einflüsse  der  Strah- 
lung zusammengingen.  Dieser  Entladungsvorgang  wird  be- 
tanntlich  durch  eine  lonisirung  der  Gasart  erklärt,  in  welcher 
die  Strahlung  stattfindet. 

Zur  Verwendung  kam  ein  Goldblattelektroskop  E  mit  nur 

12  mm  langen  und  1,8  mm  breiten  Blättchen,  welche  an  einem 

dünnen  Drahte  sitzen,  der  oben  in  ein  kleines  Kügelchen  von 

nur  3  mm  Durchmesser  endet.     Der  obere  Theil  des  Drahtes 

ist  horizontal    zur    Seite    gebogen.      Das 

ßanze    sitzt    in    einem    Metallgehäuse  H, 

dessen  Deckel    eine  über  dem  Kügelchen 

I^efindliche  Oeffnung  0  von  15  mm  Durch- 

'öesser   besitzt   und   unten  mit  zwei   seit- 

^chen,  diametral  angebrachten  Löchern  0^ 

^^  Beobachtung   der  Blättchen    versehen 

^t.     Das  Instrument  hat  nur  geringe  Ca- 

P^cität,  allerdings  ist   auch  die  Eigenent- 

^^dung  desselben  verhältnissmässig  erheb- 

'^^h.     Dicht    hinter    einer    der    seitlichen 

^^ffiiungen    steht    eine    Mattscheibe    mit 

^^Tier  aus  verticalen  Theilstrichen  bestehenden  Scala;  vor  die 

'•^dere  Oeffnung  ist  in  einiger  Entfernung  eine  Linse   gestellt 

'^r  genauen  Beobachtung  der  dadurch  vergrösserten  Blättchen 

^d    der    Scalenstriche.      Um   eine    Parallaxe    zu    vermeiden, 

^rd  durch  einen  wenige  Centimeter  vor  der  Loupe  stehenden 

Diopter  gesehen.     Geladen  wurde  das  Elektroskop  durch  eine 

^ambonisäule. 

Auf  die  Oefl'nung,    welche   durch    eine    aufgesetzte,    mit 
^inem  Loche   versehene  Bleischeibe   noch   verkleinert   werden 


Fig.  1. 


\ 


Ironnte,   wurde  die   strahlende   Substanz    stets    mit   derselben 


224  0,  Behrendsen, 

Fläche  gelegt.  Die  EnÜaduugszeiten  wurden  in  Secunde: 
iiotirt,  wobei  zur  Messung  bei  grösseren  Zeiträumen  di 
Taschenuhr,  bei  kürzeren  ein  Secundenpendel  benutzt  wurde 
das  hörbar  die  Secunden  angiebt. 

Den  von  den  Herren  Elster  und  GeiteP)  zuerst  an 
gegebenen,  bei  Versuchen  mit  Becquerelstrahlen  gewöhulicl 
gebrauchten  Apparat,  bei  welchem  die  strahlengebende  Sub- 
stanz auf  die  untere  zweier  Platten  in  pulverformigem  Zu- 
stande gebracht  wird,  während  die  obere  mit  einem  Elektro- 
meter verbunden  ist,  glaubte  ich  bei  meinen  Versuchen  nichi 
verwenden  zu  können.  Einmal  durfte  ich  manche  der  mi: 
zur  Verfügung '  stehenden  Substanzen  nicht  pulverisiren,  dani 
aber  schien  mir  die  Oberfläche  eines  pulverformigen  Ma. 
teriales  viel  zu  variabel  zu  sein  und  von  zu  vielen  Nebem 
umständen  abzuhängen,  als  dass  sie  für  vergleichende  Mea 
sungen  hätte  wünschenswerth  sein  können. 

Vor  allem  aber  hätte  eine  Erwärmung  bez.  Abkühluni 
der  unteren  Platte  eine  Convection  der  ionisirten  Luft  nacJ 
oben  bez.  unten  zur  Folge  gehabt,  welche  eine  Beschleuniguai 
oder  Verzögerung  der  Entladung  mit  sich  gebracht  hätte 
derart,  dass  man  kein  rechtes  Urtheil  über  den  Einfluss  de 
thermischen  Variation  hätte  gewinnen  können.  Bei  meine 
Anordnung  zeigt  aber  eine  infolge  von  Erwärmung  der  strahlen 
den  Substanz  auftretende  Beschleunigung  der  Entladung,  ode 
eine  Verlangsamung  derselben  bei  Abkühlung  an,  dass  trot 
der  Convection  eine  wirkliche  Variation  des  Strahlungsvermögea 
eintritt. 

C.  Eigeneutladung  uud  Correction  der  zu  beobachteten 

Zeiten. 

Die  schon  vorher  erwähnte  Selbstentladung  des  Elektro- 
skopes  musste  bei  den  beobachteten  Entladungszeiten  selbst- 
redend mit  in  Rechnung  gezogen  werden,  um  die  wirklichen, 
der  Strahlung  allein  zukommenden  Zeitwerthe  zu  ermitteln. 
Bezeichnet  a  die  Zeit  der  Eigenentladung  des  Instrumentes,  t  die 
beobachtete  Entladungszeit  unter  dem  Einfluss  der  Strahlung, 


1)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  44.  p.  722.  1891. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Becquerelstrahlen.  225 

80  ist  die  allein  den  Becquerelstrahlen  zukommende  Entladungs- 
I  zeit  X  durch  die  Gleichung  gegeben: 

1  +  ^  =-, 

X         a         t  ^ 
mithin  ist 

X  =  t -■' 

a  —  t 

I  Vermittelst  dieser  Formel  wurden  im  Folgenden  die  beob- 

achteten Zeiten  sämmtlich  umgerechnet.    Die  Zeit  a  der  EHgen- 
!     entladung  des  Elektroskopes  wurde  durch  zahlreiche  Versuche 
fiir  trockenes  und  feuchtes  Wetter  bestimmt.  —  Um  auch  zu 
erfahren,  ob  dieselbe  durch  TemperaturdiflFerenzcn  in  dem  Luft- 
raum alterirt  wurde,  in  dem  sich  die  Strahlung  geltend  macht, 
wurde  unterhalb  des  Elektroskopkügelchens  eine  feine  Platin- 
spiraJe  (Fig.  l,  JD)  in  das  Gehäuse  eingeftlhrt,  welche  zu  einem 
fiinge  gebogen   war.     Durch   diese  Spirale   wurde  der  Strom 
eines  Bunsenelementes   geleitet.     Infolge    der  Erwärmung  des 
Drahtes  trat  auch  oberhalb  des  Knopfes  Erwärmung  der  Luft 
ßin,  die  in  der  Strecke  zwischen  dem  Knopf  und  der  über  ihm 
iiegenden  DeckelöflFnung  35—43^  betrug.    Die  Zeiten  der  Eügen- 
entladung  sind  für  diese  Fälle  aus  folgender  Tabelle  ersichtlich. 


t 


trockene  Luft  i  feuchte  Luft 


20°      55—630;  20' 


3 
2 
1 


615         619 
350         358 


.  600 
330 


In  dieser  und  allen  folgenden  Tabellen  bedeuten  die  Zahlen 
^ti  der  Reihe  mit  t  die  Temperaturen,  in  der  Golumne  vor 
^em  Verticalstrich  stehen  die  Scalentheile,  rechts  davon  die 
^ntladungszeiten  in  Secunden. 

Es  zeigt  sich  somit,  dass  bei  einer  Erwärmung  des 
Strahlungsraumes  keine  wesentliche  Aenderung  der  Eigen- 
entladung eintritt.  Auch  bei  feuchtem  Wetter  ist  der  Einfluss 
desselben  auf  die  Eigenentladung  nicht  erheblich. 

D.    Erwärmung  und  Abkühlung  der  strahlenden  Substanzen. 

Die  untersuchten  Stücke  von  üranpecherz  wurden,  nach- 
^dem  ihr  Verhalten  bei  Zimmertemperatur  beobachtet  worden 

Ann.  d.  Phjn,  u.  Chem.    N.  F.    69.  15 


226 


0,  Behrendsen, 


war,  in  einem  Trockenschranke  erwärmt;  ein  das  Stück  jedes- 
mal berührendes  Thermometer  zeigte  wohl  mit  ziemUcheri 
Sicherheit  die  Temperatur,  bis  zu  welcher  das  Pecherzstück 
erwärmt  worden  war.  Dasselbe  wurde  dann  mit  Watte  be- 
deckt auf  die  ElektroskophüUe  über  die  Oeffnung  gelegt  und 
zwar  stets  mit  der  nämlichen  Fläche.  Die  Stücke  III — IV 
wurden  ausserdem  in  einem  Gasgebläse  bis  zum  Rothglühea 
erhitzt  und  dann  hinsichtlich  ihrer  Strahlungsfähigkeit  beob« 
achtet.  Jeder  weiteren  Beobachtung  ging  ein  erneutes  Glühen 
des  Stückes  voraus. 

Das  Uranmetallstück  wurde  in  ein  weites  Beagenzrohr 
gebracht,  in  welches  gleichzeitig  ein  Thermometer  hinein- 
gesteckt war;  das  Reagenzrohr  wurde  dann  in  heisses  Gel  ge- 
taucht und  gewartet  bis  das  Thermometer  die  gewünschte 
Temperatur  anzeigte.  Darauf  wurde  das  Uranstück  mit  Watte 
überdeckt  auf  die  Elektroskopöffnung  gelegt. 

Um  die  Erwärmung  des  A[^-Sublimats  vornehmen  zu  können, 
wurde  ein  röhrenförmiges,  20  cm  langes  und  3,5  cm  breites, 
unten  geschlossenes  Gefäss  aus  Weissblech  benutzt,  welches 
unten  mit  etwas  übergreifendem  Rande  auf  einen  Tiegel  passte. 
So  wurde  auf  die  äussere  Bodeufläche  ein  üeberzug  von 
Z-Sublimat  niedergeschlagen.  Zur  Erwärmung  wurde  heisses 
Gel  in  das  Gefäss  gegossen.  Die  strahlende  Fläche  erhielt 
auf  diese  Weise  (vielleicht  bis  auf  eine  geringe  Differenz)  die 
Temperatur  des  Oeles. 

Zur  Abkühlung  wurde  für  das  Pecherz  ein  cylindrisches 
Metallgefäss    construirt,    20  cm    im   Durchmesser   und    15  cm 

hoch,  in  dessen  Mitte  ein  kleineres,  nur 
6  cm  im  Durchmesser  haltendes,  und  5  cm 
hohes  Gefäss  a  eingefügt  war.  Durch  den 
Deckel  desselben  ging  ein  Toluolthermo- 
meter  für  tiefe  Temperaturen  hindurch.  Im 
Boden  dieser  inneren  Zelle  befand  sich 
eine  2  cm  grosse  Oeffnung  o,  durch  welche 
die  Strahlung  hinaustreten  konnte.  In  der 
Zelle  wurde  ein  Stück  Pechblende  nebst 
einem  Stück  Chlorcalcium  untergebracht;  die  BodenöffDung 
wurde  über  die  Oeffnung  der  ElektroskophüUe  gestellt 

Die  Abkühlung  wurde  zunächst  durch  eine  KältemischuDfc 


Fig.  2. 


Beiträge  zur  Kenntmss  der  Becquerehtrahlen.  227 


salz  und  Eis,  dann  durch  feste  Kohlensäure  besorgt, 
er  die  innere  Zelle  umgeben  wurde, 
din  Beschlagen  der  strahlenden  Fläche  thunlichst  zu 
1,  wurde  bei  der  Abkühlung  mit  fester  Kohlensäure, 
er  die  Temperatur  des  Uranpecherzes  auf  —63  bis 
ik,  der  ganze  Apparat  in  einen  Olaskasten  (kleiner 
estellt,  dieser  überall  möglichst  luftdicht  gemacht. 
3ste  eine  Oeffnung  zum  Durchstecken  der  Hand  ge- 
rden,  die  indessen  durch  eine  doppelte  Sammetdecke 
blossen  und  jedesmal  nur  wenige  Secunden  geöffnet 
n  dem  Glaskasten  befanden  sich  vier  grosse,  flache 
mit  Schwefelsäure,  auch  das  Kühlgefäss  mit  der 
le  stand  stets  auf  einer  solchen;  sie  wurde  nur  auf 
)Zeit  von  derselben  abgehoben,  während  sie  zurStrah- 
achtung  über  das  Elektroskop  gesetzt  wurde.  — 
die  Strahlungsversuche  mit  abge- 
Dranmetali  und  X-Sublimat  wurde 
zur  Verhütung  eines  Beschlagens 
lenden  Fläche  folgende  Einrichtung 
In  ein  grosses  cylindrisches  Stand- 
1  Glas  G  wurde  das  Elektroskop  E 
i  Glasfuss  F  gesetzt,  welcher  von 
äure  S  umHossen  war  (vgl.  Fig.  3). 
3  Oeffnung  des  Standgefässes  wurde 
B  von  Gummizeug  gebunden;  in 
ren  durch  zwei  Löcher  hineingesteckt 
falls  fest  und  luftdicht  eingebunden, 
ne  dickere  Glasröhre  R,  in  welche 
i  Uranmetaii  eingekittet  war,  sodass 
ne,  metallische  Oberdäche  U  unten 
te,  zweitens  eine  ganz  dünne  Glas- 
in die  ein  mit  zwei  Kügelchen 
Platindraht  eingeschmolzen  war,  zur 
les  Elektroskopes  bestimmt. 

der  Urauröhre  wurde  das  oben  er- 
•öhrenförmige  Metallgefäss  in  den 
3k  eingefügt,  als  es  sich  um  Abkühlungsversuche  des 
ates  handelte,  welches  ja  als  Niederschlag  auf  der 
Bodenfläche  sich  befand.     In  dieses  Metallrohr,  bez. 

15* 


^ 


'  .  .1.-. 

-  r- 


--*    — 


Fig.  3. 


228 


0,  Behrendsen, 


m 


die  Glasröhre  mit  dem  eingekitteten  Uranmetall  wurde 
feste  Kohlensäure  hineingestopft  —  bei  der  X-Sublimatunte^^ 
suchung  noch  mit  Aether  vermischt  —  sodass  die  Temperatur 
hier  bis  auf — 80^  sank.  Vorher  wurde  jedoch  der  Apparat  jedes- 
mal 48  Stunden  stehen  gelassen,  ehe  er  zur  Messung  gebraucht 
wurde.  E^  konnte  dann  auf  ein  völliges  Trockenwerden  der 
Luft  gerechnet  werden. 


£.  Messungsresultate. 
1.  Uranpecherz. 

Die  einzelnen  Stücke  wurden  stets  bei  ZimmertemperatiLac 
(17 — 21^  untersucht,  dann  erwärmt  beobachtet  und  wiederuna 
erkalten  gelassen,  wobei  oft  mehrere  Tage  zwischen  Erwärmung 
und  darauffolgender  Wiederabkühlung  lagen.  Die  hier  mit>- 
getheilten  Zahlen  sind  Mittelwerthe  aus  einer  ganzen  Reih^ 
von  gewöhnlich  sehr  gut  untereinander  stimmenden  Zahlen.  B^^ 
der  Erwärmung  der  Pechblende  auf  110 — 130^  wurde  mei»^ 
ein  leichter  Geruch  nach  schwefliger  Säure  bemerkt;  derselbe 
steigerte  sich  zunächst  beim  Glühen  der  Steine  erheblich,  woba»i 
dann  ausserdem  meist  noch  eine  durch  ihren  EnoblauchsgerucK 
sich  verrathende  Ausscheidung  von  arseniger  Säure  auftra^:^ 
Nach  längerem  Glühen  verschwand  beides. 


a)    Erwärmungen. 


Stein  I. 

Stein  IL 

Stein  TTT. 

t 

20<>    110*     18« 

20^^     110»     20^ 

20« 

130»            glühend 

3 
2 
1 

63       53      60 
36       32      34 

57       51       58 
32       29       31 

100 
58 

79     99     105     119 
44     57       62       77 

108 
64 

Stein  IV. 


3 
2 
1 


20  <* 

101 
52 


135®         glühend 


88 
45 


188 
104 


181 
104 


20  <>      glühend        20' 


142 
75 


162 
80 


90 
51 


Beitrete  tvr  Kenntniti  der  Becquereittrahlen.  229 

Stein  V. 


* 

IV         130« 

16" 

giahend 

3 

2 

»2           BS 
&B            44 

»1             181 
49              88 

Stein  VI. 

206          213 
104          111 

2M 
149 

1  '   19"    20"  glüh.    20» 

glfih.    21'    gWh. 

20"   gWh,    20" 

glah.    20» 

'i   162 
i\     93 
1 

les     169      169 
93       99       86 

174     167      182 
91       B8      100 

167      189      191 
M7        97      101 

223    ise 

113        89 

b)  Äbkflhlangeo. 
Stein  I. 


t 

+  19» 

-16° 

-16» 

-16,0" 

-17" 

-17" 

+  20» 

s 

60 

64 

66 

65 

69 

76 

67 

I 

1 

34 

40 

39 

77 

86 

62 

40 

Stein  n. 

i 

IB" 

lö» 

-68" 

-61- 

-68'   -58° 

16» 

16° 

-57' 

-65' 

-66« 

S 

e 
1 

122 

691 

124 
71 

236 
120 

B20 

128 

215      195 
121      H5 

109 

60 

I2B 
77 

113 
100 

169 
95 

180 
91 

FOr  diese  letzte  Beobachtungsreihe  ist  zu  bemerkeD,  dass 
«abei  die  Ehitfemnug  der  strahlenden  Fläche  vom  Elektroskop- 
«Ügelchen  grösser  war  als  bei  der  ersten  (Stein  I). 

Faeeen  wir  die  in  den  obenstehenden  Tabellen  zum  Ans- 
drack  kommenden  Erscheinungen  zusammen,  so  ist  folgendes 
hervorzuheben:  Bei  tieferen  Temperaturen  (—60")  findet  eine 
anfi^lige  Verminderung  der  Strahlungswirkung  statt.  Bei 
darauffolgender  Erwärmung  auf  normale  Temperaturen  (+20") 
erbebt  sie  si<äi  wieder  auf  ihre  alte  Intensität  Findet  eine 
abermalige  Steigerung  um  etwa  80 — 100"  statt,  so  pflegt  eine 
Erhöbung  der  Strabtungsfähigkeit  einzutreten.  Dieselbe  sinkt 
aber  bei  einer  Steigerung  der  Temperatur  bis  zum  RothglUhen 


230 


0.  Behrendsen, 


nicht  allein  auf  die  alte  Grösse,  sondern  oft  noch  wesentlich 
weiter.  Angesichts  der  Curie 'sehen  Entdeckung  lässt  sich 
vermuthen,  dass  heim  Glühen  der  Pechblende  eine  Ausscheidung 
der  so  viel  radioactiveren  Substanzen  eintritt  und  hierauf  da& 
Herabgehen  der  Strahlungsfähigkeit  beruht. 

c)  Convectionseinflüsse  bei  der  Strahlung  der  Pechblende. 

Durch  die  Erwärmung  der  strahlenden  Substanzen  mus^ 
eine  Convection  der  ionisirten  Luft  nach  oben  hin  zu  Stande 
kommen,  welche  eine  Verlangsamung  der  Strahlungswirkung 
zur  Folge  haben  muss.  Um  über  dieselbe  wenigstens  bis  z^ia 
einem  gewissen  Grade  ein  Urtheil  zu  gewinnen,  wurde  durcli 
die  oben  erwähnte  Platinschlinge  (i>,  Fig.  1)  wiederum  ein 
Strom  geleitet,  während  gleichzeitig  eine  Entladung  durch  die 
Strahlen  der  Plechblende  vorgenommen  wurde. 

Die  Erwärmung  der  Luft  im  Strahlungsraume  betro-g 
ca.  40^.  Dieser  aufsteigende  warme  Luftstrom  brachte  daa.^ 
freilich  bei  längerer  Bestrahlungszeit  ein  Erwärmen  der  strahler:^^- 
den  Fläche  zu  wege,  ein  Umstand,  der  möglicherweise  seinei^r- 
seits  wieder  eine  beschleunigte  Strahlung  zur  Folge  hab^^ 
konnte,  die  der  Convectionswirkung  wieder  entgegen  wirk^^Ji 
mochte.  Andererseits  könnte  auch  nach  längerer  Zeit  iX3i 
Elektroskopgehäuse  ein  Ausgleich  der  Temperatur  und  danB.:it 
ein  Aufhören  der  Convection  auftreten. 

Stein  I. 


/ 

20« 
60 

70 

67 

6S 

63 
65   6 

•*  mit  Convection 

3 

4   62  61 

61  62 

64 

63 

62 

2 

35 

40 

38 

38 

37   36   33  33 

34  33 

34 

36 

35 

1 

1 

■ 

Stein  IL 

' 

t 
3 

1 

T  ~ 
1 

20« 

59°  mit  Convection 

55 

69    64 

63 

2 

27 

35    36 

35 

1 

—    — 

— 

Es   tritt   also   zunächst   beim   Einsetzen   der   Convection 
eine    deutliche    Verzögerung    ein.    —   Allmählich    geht    dieselbe 


I 


i 


Beiträge  zur  Keiintnüs  der  Becquerehtrahlen,  231 

aber  zurück,  theils  weil  die  Convection  geringer  wird,  theil» 
auch  wegen  eintretender  Erwärmung  der  strahlenden  Fläche, 
obschoQ  dieser  letztgenannte  Einfluss  nicht  erheblich  sein  kann. 

2.  Uranmetall, 
a)  Erwärmung. 

Da  die  15  mm  im  Durchmesser  haltende  Oeffnung  im 
£lektroskopgehäuse  als  zu  gross  für  das  Uranmetallstück  sich  er- 
wies, wurde  eine  Bleiplatte  mit  einer  nur  7,5  mm  grossen 
Oeffnnng  daraufgelegt.  Wegen  der  grösseren  Bestrahlungszeit 
boten  die  Beobachtungen  hier  eine  gewisse  Unsicherheit  dar, 
obschon  nur  die  Entladung  um  einem  Theilstrich  (3 — 2)  in  Be- 
tracht gezogen  wurde.  Folgende  Tabelle  giebt  die  beobachteten 
Zeiten  zweier  Versuchsreihen,  I  nicht  corrigirt,  II  corrigirt. 


1     direct  beobachtet    II  I    corrigirt    II 


^      Ib^     120«     130*>     150° '200     iöqo    15®    120*    130«    IbO^  \  20*^    150» 
S    153     120       130       137    ,180     178    iiSöl    218      254      274    |  558    514 

Es  lässt  sich  aus  diesen  Zahlen  eine  ganz  sichere  Ver- 
itiehrung  der  Strahlungswirkung  zwar  nicht  entnehmen,   doch 
glaube    ich   mich   ohne   weiteres   nicht   zu   dem  Schlüsse   be- 
rechtigt,   dass   bei   dem   regulinischen  Uran   infolge    der   Er- 
wärmung  eine   solche   nicht   einträte.     Man   könnte  sich  vor- 
stellen, dass  bei  den  langen  Entladungszeiten  eine  Convection 
der  erwärmten,   ionisirten  Luft  sich  besonders  fühlbar  macht 
und    die    etwaige  Erhöhung  der  Strahlung  ausgleicht.  —  Bei 
den  Versuchen  mit  Uranpecherz  wurde  ja  dieser  Convections- 
eintiuss  thatsächlich  gefunden.     Die  entsprechenden  Versuche 
mit  Uranmetall  zeigten  keine  Verlangsamung  durch  Convection. 
Es  scheint  eben  bei  der  verhältuissmässig  grossen  Dauer  der 
Entladung  eine  so  complicirte  Wechselwirkung  zwischen  Con- 
vection, Erwärmung  der  strahlenden  Fläche  und  Eigenentladung 
des  Instrumentes  aufzutreten,  dass  eine  sichere  Beurtheilung 
der  Erscheinungen   einstweilen  nicht  möglich  wird.     Indessen 
möchte  ich  doch  aus  dem  Umstände,    dass  1.  eine  Zunahme 
der   Entladungszeit   bei   der  Strahlung   des   erwärmten  Uran- 
metalles  nie  wahrgenommen  wurde,  2.  eine  deutliche  Verlang- 


282 


0,  Behrendsen. 


samung  der  Entladung  infolge  künstlich  eingeleiteter  Convection 
sich  bei  Uranpecherz  zeigt,  den  Schluss  nicht  für  unberechtigt 
erachten,  dass  auch  bei  Uranmetall  eine,  wenn  auch  nicht  er- 
hebliche Erhöhung  der  Strahlungswirkung  bei  gesteigerter 
Temperatur  des  Metalles  auftritt. 

b)  Abkühlung. 
Hier  wurde  ebenfalls   nur   die  Entladungszeit  um  einen 
Sealentheil  (3 — 2)  beobachtet.     Die  Temperatur  der  strahlen» 
den  Fläche  lässt  sich  nicht  bestimmen;  doch  mag  sie,  da  di& 
feste  Kohlensäure  im  Oefässe  die  Temperatur  von  —62^  be* 
sass,  immerhin  auf  etwa  —  50^  geschätzt  werden. 


t 

19® 

circa  —  50 

3 
2 

615 

677 

660   657   502 

677 

758 

Es  tritt  zunächst  eine,  wenn  auch  nicht  sehr  erheblich 
Verzögerung  auf,  die  wohl  sicher  der  Abkühlung  zuzuschreiben 
ist,  dann  infolge  gesteigerter  Convection  (nach  unten)  ein  Aus^ 
gleich  zwischen  Convectionsbeschleunigung  und  Strahlung^ 
Verminderung,  endlich  nach  Aufhören  (bez.  Abnahme)  der  Coim. 
vection  eine  wieder  hervortretende  Verlangsamung. 

S.  JC-Sublimat. 
a)  Erwärmung. 


21®     125'^     118<>     100«     96° 


8 
2 

1 


52 
33 


46 
30 


47 
28 


44 
27 


49 
31 


Diese  Zahlen  wurden  bei  Anwendung  der  engen  Oeffiiung 
(7,5  mm)  beobachtet.  Bei  Anwendung  der  weiten  Oefifhung 
(15  mm)  konnte  nur  die  Entladung  um  das  Intervall  von  zwei 
Scalentheilen  (3 — 1)  beobachtet  werden.  Bei  21  ^vollzog  sich 
diese  Entladung  in  11,2  sec.  Bei  einer  Erwärmung  der  strahlen- 
Fläche  auf  100^  vollzog  sich  die  Entladung  schon  in  10  sec. 
Es  nimmt  also  in  beiden  Fällen  die  Intensität  um  9 — 10  Proc, 
zu.  Allerdings  ist  hierbei  die  Convectionsverzögerung  nicht 
berücksichtigt.     Um  von    dem  Einflüsse   derselben   auch   hier 


Beiträge  zur  Kermtniss  der  Becquerelstrahlen.  283 


«n  Bild  zn  erhalten,  wurde  wieder  die  oben  erwähnte  strom- 
dorchflossene  Platinspirale  benutzt.  Die  Erwärmung  im 
Strahlungsraum  betrug  im  Mittel  33^. 

Anfangs  trat  Zunahme  der  Entladungszeit  ein.  Durch  Ab- 
nahme der  Convection  und  auch  durch  Erwärmung  der  strahlen- 
den Fläche  geht  diese  Verlangsamung  wieder  zurück.  Wurde 
in  das  Gtofäss  (dessen  äussere  Bodenseite  den  radioactiven 
Niederschlag  trägt)  eine  genügende  Menge  Wasser  von  Zimmer- 
temperatur gegossen,  sodass  eine  Erwärmung  seitens  des  auf- 
steigenden, warmen  Luftstromes  ausgeschlossen  war,  so  blieb 
die  Verzögerung  fast  constant. 


t 

21« 

Convection  54® 

Conv.  +540,  strahl.  Flache  +21^ 

3 
2 

1 

46 
27 

57         50         49 
82         28         29 

55         55         55         58         55 
32         29         29         29         29 

b)  Abkühlung. 


t 

20  0 

-  81  bis  -  76® 

3 

46 

59 

57       59       56       53 

46 

42 

2 

25 

34 

33       33       32       30 

28 

27 

1 

— 

— 

—       —       —       — 

— 

I 


Eine  deutliche,  anfängliche  Verzögerung  wird  durch  fort- 
^hreitende  Convection  ausgeglichen. 

F.  Kurze  Uebersicht  der  beobachteten  Erscheinungen. 

Bei  UranpecJierz  tritt  ein  Einfluss  der  Temperatur  auf 
die  Strahlung  besonders  deutlich  hervor.  Bei  Abkühlung  auf 
—  50  bis  —  60^  eine  Verminderung  der  Strahlung,  bei  Er- 
wärmung auf  Temperaturen  von  100^ — 130  eine  Erhöhung 
der  Intensität.  Ein  Rothglühen  der  Substanz  bringt  ein  er- 
hebliches Zurückgehen  der  Strahlung  mit  sich.  Hierbei  treten 
augenscheinliche,  chemische  Zersetzungen  auf. 

Uranmetall  zeigt  zwar  auch  eine  Abnahme  der  Strahlung 
bei  tieferen  Temperaturen  (—50^?),  eine  Erhöhung  der  In- 
tensität bei  Erwärmung  lässt  sich  nicht  ganz  sicher  beob- 
achten, ist  aber  unter  Berücksichtigung  der  Convections- 
wirkungen  nicht  unwahrscheinlich. 


234  0.  Behrendsen, 

Bei  dem  X-Sublimat  tritt  die  nämliche  Temperatnrbeein- 
flussung  auf  wie  bei  dem  Uranpecherz. 

G.  Schlussbemerkungea 

Das  Uranpecherz  scheint  ein  Körper  zu  sein,  dessen^ 
Molectile  die  Atome  des  Urans,  der  Curie'schen  Elemente  (?^ 
des  Sauerstoffes  und  anderer  in  wahrscheinlich  instabiler  Ver^ 
bindung  enthält.  Die  langsame  Umwandlung  in  einen  stabilereix. 
Zustand  ist  Quelle  der  Strahlungsenergie.  Durch  thermische 
Variation  wird  dieser  Umwandlungsprocess  beeinflusst. 

Vielleicht  kann  dies  Verhalten  mit  dem  der  bekannteK^ 
Balmain'schen  Leuchtfarbe  und  sonstiger  verwandter  Sub« 
stanzen  verglichen  werden,  deren  Phosphorescenz  durch  eia^ 
ähnliche  Annahme  erklärt  wird.  Auch  hier  ist  eine  deutlich.« 
Beeinflussung  der  Strahlung  durch  die  Temperatur  zu  be- 
merken (Thermoluminescenz),  d.  h.  eine  Erhöhung  der  Irk- 
tensität  der  Strahlung  durch  Erwärmung  (schon  durch  die 
Hand),  Abnahme  durch  Abkühlung,  völliger  Erlöschung  b^i 
sehr  niedrigen  Temperaturen  (flüssige  Luft).  Gleichgültig  ist 
es  für  diese  Analogie  mit  dem  Verhalten  der  Pechblende,  ol 
der  instabile  Zustand  schon  lange  Zeiten  hindurch  bestanden 
hat  (wie  beim  Uranpecherz)  oder  erst  durch  Belichtung  hex"- 
vorgerufen  wird,  wie  bei  der  Leuchtfarbe,  und  dann  verhälti- 
nissmässig  schnell  unter  Abgabe  von  Strahlungsenergie  rück- 
gängig gemacht  wird. 

Beim  Uranpecherz,  welches  doch  seit  langen  Zeiträumen  im 
Schosse  der  Erde  geruht  hat,  scheint  es  freilich  schwer  begreif- 
lich, dass  der  stabile  Zustand  noch  immer  nicht  eingetreten  ist 

Das  Ehepaar  Curie  ^),  sowie  die  Herren  Elster  und 
GeiteP)  sind  der  Ansicht,  dass  bei  der  Becquerelstrahlong 
kein  Chemismus  mitspiele,  sondern  dass  sie,  weil  eben  die 
Strahlungstähigkeit  allen  Verbindungen  zukomme,  eine  Atom' 
eigenschaft  der  strahlenden  Elemente  sein  müsse.  Das  ÄUm 
eines  radioactiven  Elementes  sei  nach  Art  der  Molecüle  einer 
instabilen  Verbindung  gebaut,  derart,  dass  es  unter  Energie- 
abgabe in  einen  stabilen  Zustand  übergehe. 


1)  P.  Curie  u.  Mn^e  Curie,  Compt.  rend.  127.  p.  1225.  1898. 

2)  J.   Elster   u.    H.  Geitel,   JÄhresber.    d.  ver.    Naturw.   Braun- 
scbweig.  1899. 


t 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Becqucrelstrahlen,  235 

L        Gegen  diese  Ansicht   scheint  mir  vor  allem  zu  sprechen, 
dass  die    Annahme   eines   instabil   gebauten  ,,Atomes'^    nicht 
mit  dem  Atombegriflf  als  solchem  vereinbar  sein  dürfte.    Auch 
würde  es,    wenn  jeder  Chemismus  ausgeschlossen  wäre,  nicht 
verständlich   sein,   wie  eine  Verbindung   des  Urans,    etwa  des 
ürankaliumsulfat,    welches   nach  Elster  und  GeiteP)   sogar 
iichibore  Strahlen    abgiebt,    so  wesentlich   höhere    Strahlungs- 
intensität  besitzen    sollte,    wie   das   metallische  Uran   selbst, 
wenn  eben  nur  das  Uranatom  als  solches  Quelle  der  Strahlungs- 
energie wäre.     Diesem  Einwurf  begegnet   die  Annahme,  dass 
derartige    Verbindungen    eben    nicht   reine   Uranverbindungen 
seien,  sondern  neben  Uran  noch   radioactivere  Elemente   ent- 
^'elten,  etwa  Polonium  oder  Radium  und  dass  auf  die  Atome 
dieser  StoflFe  die  erhöhte  Strahlung  zu  schieben  wäre. 

Hätte  man  die  Strahlung  der  vier  radioactiven  Elemente 
'Wirklich  schon  genau  untersucht  und  sie  mit  der  ihrer  sämmt- 
^^hen  Verbindungen  verglichen,  und  hätte  es  sich  dabei  er- 
8^ben,  dass  keine  der  Verbindungen  wirksamer  wäre  als  das 
^  ihr  enthaltene  Element  —  dann  stünden  die  Chancen  für 
^ine  Negirung  des  Chemismus  und  für  die  „Atomtheorie"  etwas 
ßünstiger.  Thatsächlich  aber  wissen  wir  noch  sehr  wenig  davon. 
Nur  bei  dem  einzigen  Uranmetall  ist  bislaug  die  Strahlung  be- 
obachtet und  diese  ist  verhältnissmässig  gering.  Die  Elemente 
Stadium  und  Polonium  sind  noch  nicht  dargestellt. 

Sollte  sich  aber  das  von  mir  eben  präcisirte  ünter- 
Suchungsresultat  wirklich  ergeben,  so  braucht  auch  dann  noch 
nicht  an  ein  labil  gebautes  Atom  gedacht  zu  werden. 

Immer  bliebe  noch  die  Vorstellung  (die  an  Bekanntes 
anknüpft),  dass  die  Atome  der  radioactiven  Elemente  die 
Fähigkeit  besässen,  miteinander  und  auch  mit  fremden  Atomen 
zu  instabil  gehaxiten  Molecülen  zusammmen  zu  treten.  —  Ich 
erinnere  an  die  offenbar  labilen  Molecüle  mancher  AUotropien 
von  bekannten  Elementen  (Schwefel,  Selen). 

Eine  thermische  Beeinflussung  wäre  mit  dieser  Annahme 
wohl  zu  vereinbaren. 

Göttingen,  August  1899. 

3)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  I.  c. 

(Eingegangen  10.  August  1899.) 


• 


18.   MafftietiBirv/ngazahlen  anorganischer  Ver- 
hi/ndungen;  van  Stefan  Meyer.^) 

(HIem  TAf.  U.) 

Nachdem  ich  vor  kurzem  die  Susceptibilitätscoefficienten 
zahlreicher  Elemente  bestimmt  habe*),  habe  ich  nun  in  gleicher 
Weise  mittels  der  Waage  eine  Reihe  anorganischer  Verbin- 
dungen in  Pulverform  untersucht,  wobei  wieder  Quecksilber 
als  Bezugssubstanz  diente. 

Die  angewandte  Methode  giebt  freilich  nur  vollständig 
richtige  Resultate,  solange  die  Substanzen,  welche  im  Gläschen 
in  das  Feld  hineinhängen,  selbst  schwach  magnetisch  sind  und 
die  magnetische  Kraftlinienvertheilung  nicht  wesentlich  ver- 
ändern. Bei  stärker  magnetischen  Körpern  wird  das  Feld 
wohl  etwas  geändert,  ich  habe  aber  dennoch  bei  einigen  Sub- 
stanzen, wie  den  Verbindungen  von  Erbium,  Gadolinium  etc. 
dieselbe  Anordnung  beibehalten,  in  der  Ueberzeugung,  dass 
die  eventuellen  uncontrolirbaren  Verunreinigungen  der  Sub- 
stanzen von  weit  grösserem  Einflüsse  sein  können,  als  die 
durch  die  Versuchsanordnung  bedingten  Fehler. 

Die  Susceptibilitätscoefficienten  der  stark  paramagnetischen 
Verbindungen  machen  sonach  bezüglich  ihrer  absoluten  Grösse 
keinen  Anspruch  auf  völlige  Genauigkeit,  doch  genügen  eben 
bei  diesen  Substanzen  die  Werthe  auch  ohne  diese  Ekactheit, 
um  ein  deutliches  Bild  ihres  magnetischen  Wesens  zu  er- 
halten. 

Bei  der  Auswahl  des  Versuchsmateriales  habe  ich  in 
erster  Linie  die  Oxyde,  Sulfide  und  Halogenverbindungen, 
d.  h.  Verbindungen  aus  bloss  zwei  Componenten  berück- 
sichtigt, dann  aber  auch  complicirtere  Salze  untersucht.  Die- 
#selben    wurden   zum   Theil    von    Merck- Darmstadt    bezogen. 


1)  In  Betreff  der  von  früheren  Forschern  erhaltenen  Resultate, 
soweit  sie  nicht  citirt  sind,  sei  auf  die  Elektricitätslehre  von  G.  W lede- 
rn an  n  verwiesen. 

2)  St.  Meyer,  Wied.  Ann.  68.  p.  325.  1899. 


t 


MagnetUirungszahlen  anorganischer  Verbindungen.       237 

I 

theils  mir  freundlichst  von  den  Herren  Prof.  F.  Exner-Wien, 
ll  Prot  6.  Goldschmiedt-Prag  und  Prof.  M.  Bamberger- Wien 
überlassen.  Einige  besonders  reine  Präparate  aus  der  Gruppe 
der  seltenen  Erden  verdanke  ich  der  Liebenswürdigkeit  des 
Hm.  Prof.  B.  Brauner-Prag,  einige  Kupferverbindungen  Hm. 
K  Murmann-Wien.  In  der  Zusammenstellung  bedeuten  in 
der  letzten  Rubrik  die  Anfangabuchstaben  M.,  E.,  6.,  B.,  Br. 
luid  Hu.  die  Herkunft. 

Die  folgenden  Tabellen  enthalten  zunächst  das  gesammte 
gewonnene  Material  nach  den  Elementen,  aufsteigend  mit  dem 
Atomgewicht,  geordnet.    In  denselben  bedeutet  /i  das  Molecular- 
gewicht,  g  die  zur  Verwendung  gelangte  Gewichtsmenge  Sub- 
stanz  in   Grammen,    a   die   Anzahl   von   Grammen,    die   bei 
Speicher  Raumerfullung  auf  1000  cm^  kämen,  n  die  Zahl  der 
G^rammmolectile   im    Liter;    femer    ist  p   der   direct  an  der 
^aage  abgelesene  Zug  in  Grammen,  x  die  Magnetisirungszahl, 
^    der   Molecularmagnetismus   für   ein   Grammmolecül,    beide 
'^tzteren  Werthe  in  absoluten  Einheiten,  und  t  die  Versuchs- 
^mperatur. 

Die  Feldstärke  betrug  in  allen  Fällen  mnd  10000  (C.G.S.). 
Bei   Stickstoff,   Sauerstoff  und    den  Halogenen   sind  die 
Verbindungen  nicht  unter  diesen  Elementen,  sondern  vertheilt 
t>ei  den  zweiten  Bestandtheilen  eingetragen. 

Beifügung  eines  Stemes  *  zur  Formel  besagt,  dass  die 
Substanz  vor  der  Messung  über  Schwefelsäure  getrocknet  wurde, 
Kwei  Sterne  **  bedeuten,  dass  die  Verbindung  in  Form  kleiner 
Kryst&llchen  vorlag.  Ein  Fragezeichen  deutet  an,  dass  ver- 
muthlich  Verunreinigungen  das  Resultat  beeinflusst  haben. 


Substanz 

/* 

9 

a 

n 

P 

x.lO« 

ik.lO« 
-  0,009 

t 
2(f 

«1 

Li,0 

20,1 

0,795 

753 

37,5 

-0,0120 

-0,350 

M. 

LiCl* 

42,5 

1,020 

973 

22,6 

-0,0154 

-0,449 

-0,020 

17 

B. 

Li,CO, 

74,0 

/0,817 
)0,519 

788 
494 

10,7 
6,7 

-  0,0069 
-0,0041 

-  0,230 
-0,119 

-  0,022 
-0,018 

15 
16 

E. 
G. 

Li^SO^* 

110,1 

1,430 

1362 

12,4 

-0,0164 

-0,478 

-0.039 

15 

G. 

LijSO^    \ 
+  H,0'*J 

128,2 

1,053 

1005 

7,8 

-0,0114 

-  0,338 

-0,043 

17 

M. 

LiNO, 

69,1 

1,046 

991 

14,3 

-0,0135 

-0,367 

-  0,026 

19 

B. 

238 


St.  Meyer. 


Substanz 

/* 

9 

a 

n 

P 

x.lO« 

^^10• 

1 

Her- 
kunft 

BeO 

25,1  i0,242 

'      1 
230     9,2 

±0           |±0 

±0 

16« 

G. 

BeÜJI, 

43,1  j0,334 

318 

7,4 

±0           1±0 

±0           16 

G. 

BeCJ, 

79,8;  1,020 

983  i  12,3 

-0014 

-0,463 

-0,038    17  j  M. 

BeCO,  C?) 

69,1  ,0,375 

357     5,2 

+  0,0031 

+  0,000 

+  0,017  j  16  i  G. 

BeCO,.2BeO 

119,3*0,207 

197 

1,7 

-0.0020  1 -0,058 

-  0,035 

15  JE«) 

BeSO/ 

105,2 

0,9475 

906 

8,6 

-0,0108    -0,326 

-  0,038 

18  '  M. 

BeSO^          1 
+4H,0**J 

177,2 

0,815 

780 

4,4 

1 
-0,010    t-0,314 

1 

-0,071 

1 

17  '  M. 

1 

B»0, 

70 

1,026 

977 

14,0 

-0,014 

-0,418  1 -0,030 

14 

G. 

B4AI.  (?) 

98,2 

0,776 

740 

7,5 

+  0,218 

+  6,4        +0,86 

15  1  G. 

BN 

25      0,202 

400 

16 

±0             ±0         \±0 

15    G. 

B(OH),* 

62 

0,74« 

710 

11,5 

-0,010    ' -0,293 '-0,026  j  16     B. 

NaOH* 

40,1  ;  1,002 

954 

28,8 

-0,0155   -0,451 

-0,019 

17 

B. 

NaFl 

42,1    1,415 

1285  30,5 

-0,015 

-0,502 

-0,017 

21 

M. 

NaCl** 

58,5  11,346 

1288  |22,0 

-0,0174 

-0,521 

-0,024 

19 

B. 

NaBr*' 

103     .1,424 

1 356   13,2 

-0.0174 

-  0,506 

-0,038 

18;  B. 

NaJ** 

150      1,934 

1833;  12,2 

-0,0106 

-0,572   -0,047 

21  '  M. 

Na^CO, 
Na,CO,        1 
+  10H,O»*J 

106,1 

0,748 

716 

6,8 

-0,00^4    -0,132 '-0,020 

;                   1 

17     M. 

286,3 

0,946 

905 

3,2 

-0,0140   -0,420 

-0,133;  17,   M. 

MgO 

40,4 

0.238 

274 

6,8 

-0,0018 

-0,055 

-  0,008 

17     B. 

MgCl, 

MgCl,          1 
+  6H,0**J 

95,3  0,9545 

913     9,6 

1 

-0,0140-0,420 

1 

-  0,044 

18     M. 

203,3 

0,8015 

766 

3,8 

r 

-0,0115  1-0,347  '-0,092 

18-   M. 

1 

MgBr,'* 

184,3 

1,050 

995 

5,4 

-0,0154  1-0,449   -0,083 

20     M. 

MgCO, 

84,4 

0,997 

950  11,3 

1 

-0,013 

-0,381 

-0,034 

15     G. 

MgSO, 
MgSO,         1 
+  7H,0**) 

120,4 

0,987 

944'   7,8 

-0,0110 

-0,340 

-0,043:18     M. 

240,5 

0,879 

840     3,4 

1 

-0,010     -0,303   -0,089    20     M. 

: 

AI,0, 

102,2 

0,743 

708     6,9 

1 

-0,0095    -0,279 --0,040 

14;     M. 

AlCI,* 

133,2  =0,9093 

876 

6,6 

-0,012«    -0,416   -0,063 

19 

E. 

AlBr, 

257,0-1,232 

1168 

4,54 

-0,010      -0,289 

-  0,064 

19 

M. 

A1,B,(?)** 

98,2  0,77« 

740 

7,5 

+  0.21«     +6,4 

+  0,86      15 

G. 

AU(SO,), 

342,5 

0,989 

946 

2,8 

-0,012 

-0,361  1 

-0,130 1 

18 

M. 

1)  Besonders  rein,  stammt  von  Hrn.  L.  F.  Nilson  und  trftgt  die 
Notiz:  gereinigt  von  Krüss. 


MoffnetUiningszcthlen  anorganischer  Verbindungen.       239 


k     Substanz 

/* 

9 

a 

n 

P 

x.lO« 

it.  10« 

1 
t 

1 

Her- 
kunft 

SO,  ') 

60,8 

1 
0,0748 

1 
72     1,2   -0,0004 

-0,012 

-0,01      15  1  G. 

ao,«, 

60,3 

1,302 

1254  20,8   -0,0012 

-0,086 

-0,004 

15  1 

SCa(?) 

91,5 

0,795 

766     8,4   +0,0451    +1,492 

+  0,178    15     M. 

P,Cn, 

252,8 

1,341 

2680  10,6 

-0,010    1-0,50 

-  0,047 

18 

Mu. 

f.o.  •) 

H2 

0,4359 

415'  2,9 

-0,0051    -0,149 

-0,051    18     B. 

95,7 

/1,706 
10,930 

1631 
886 

17,0 
9,3 

+  0,3026 
+  0,054 

+  9,07 
+  1,572 

+0,532    18'  M. 
+  0,170    15     G. 

SCu, 

159,3 

2,935 

2665 

16,7 

-0.0115   -0,388 

-0,023    18    Mu. 

8«  As, 

246,2 

2,190 

2086 

8,4 

-0,0014 

-0,041 

-0,005    18 

M. 

S,Mo 

192,2 

f  0,8 11 
)1,470 

772     4,0 
1400'   7,3 

-0,007 
-0,0123 

-  0,205 
-0,361 

-0,051    16 
-0,050    15 

B. 
G. 

150,6 

2,393 
11,268 

2279  15,1 
1208:  8,0 

+  0,270 
+  0,0016 

+  7,85 
+  0,227 

+  0,519!  15 
+  0,026    15 

G. 
M. 

6Ba 

169,4 

1,736 

1653     9,8   -0,014 

-0,410  -0,042  1  18 

B. 

8Hg 

232,4 

2,914 

2775 

12,0-0,016     -0,465 

-0,039    16 

G. 

KPl 

58,2 

1,271 

1205 

20,7 

-0,015 

-0,437 

-0,021  !  21 

M. 

KCl 

74,6 

1,245 

1186 

15,9 

-0,0194 

-0,566 

-0,035  '  17     B. 

KBr 

119,1 

1,626 

1477  12,4 

-0,0155 

-0,515 

-0,042    18 

B. 

KJ 

166 

1,742 

1666  10,0 

1 

-0,0174   -0,521 

-0,052!  17 

1 

M. 

CaO 

56 

1,287 

1226 '21,9 

-0,0105   -0,310 

-0,015'  16 

B. 

Ca(OH), 

74 

0,752 

716'  9,5 

-0,0094   -0,275 

-0,029  1  16 

B. 

CaFl, 

78 

1,173 

1111  14,2 

-0,011    1-0,320 

-0,023    19 

M. 

CaCI, 

110,9 

1,240 

1184  10,7 

-0,0149-0,442 

-0,043'  17 

M. 

CaCl,           \ 
+  6H,0**J 

218,9 

1,115 

1067     4,9 

-0,0154  !- 0,461    -0,094  .  17 

M. 

CaSO^ 

136,1 

1,227 

1173     8,6 

-0,0115-0,447.1-0,052    17 

1 

M. 

CaSO^          \ 
+  2H,0     J 

172,1 

0,836 

800 

*,i 

1 

-0,0094  1-0,290 

-0,062!  17 

M. 

Sc,0,  *) 

136,2 

0,081 

1                 ■              !               1 
185     1,4  1-0,0001  i- 0,006  -0,004  ■  17 

E. 

Sc(NO.),  *) 

230 

0,03 

±0 

±0         1 

±0 

21 

E. 

1)  Künstlich.  2)  Natürlich. 

3)  Hier,  wie  bei  einigen  anderen  hygroskopischen  Substanzen  wurde 
das  Gifischen  mit  einem  kleinen  Korke  zugestöpselt  und  bei  der  Be- 
stimmung von  p  der  magnetische  Werth  des  Stöpsels  entsprechend 
berücksichtigt 

4)  Vgl.  St.  Meyer,  Wied.  Ann.  68.  p.  331.  1899. 

5)  Formel  unsicher,  die  Substanz  ist  sehr  hygroskopisch,  wurde  aus 
der  vorhergehenden  gewonnen. 


240 


St.  Meyer. 


Substanz 

/* 

9 

\    a        n 

+ 

P        \     i 

IC.  10« 

1 

k.lO« 

t 

all 

TiO, 

80,  li  1,000 

_.  .... 
952ill,9 

0,0126 

+ 

0,37 

+ 

0,031  15 

M. 

Ti,oC,Na(?) 

617,8 

2,472 

2843|  3,80 

! 

+  14,49 

+420,9 

+  117,5 

20 

E 

v,o. 

182,4  1,785 

1692 

9,28 

+ 

0,055 

+ 

1,60 

+ 

0,173:20 

'      1 

B. 

VOsNH, 

117,3 

0,821 

782 

6,7 

+ 

0,0022 

+ 

0,064 

+ 

0,010  15 

G. 

Cr,0, 

152,2 

1,8115 

1725 

11,3 

+ 

1,408 

+ 

41,0 

+ 

8,62 

17 

B. 

CrO.H,** 

118,l|  1,185 

1129;  9,6 

+ 

0,0214 

+ 

0,623 

+ 

0,065 

17 

B. 

CrCI, 

133,0]  0,710 

685 

5,2 

+ 

0,975 

+ 

31,8 

+ 

6,18 

19 

M. 

CrjCl, 

210,6 

1.136 

1032 

4,9 

+ 

1,0625 

+ 

35,48 

+ 

7,24  18|M. 

1 

MnO, 

87 

2,078 

1979 

22,6 

+ 

1,846 

+ 

53,75 

+ 

2,38 

1 
17  R 

FeO») 

72 

0,612 

860 

12 

+ 

157 

+  6474 

+  540    17  E. 

Fe.O, 

160 

f0,542 
10,939 

519 
890 

3,2 
5,6 

+ 
+ 

1,963 
4,42 

+  56,9 
+  128,8 

+ 

+ 

17,6   18  E.«) 
23,0   21  M. 

FeSO^    1 
+  7H.0 

278,1 

1,135 

1076'  3,87 

+ 

1,60 

+ 

46,5 

+ 

12,0   19 

1 

M. 

CojO, 

166 

1,563 

1482  8,9 

+ 

2,17 

+ 

62,9 

+ 

1 
7,05  '21:  M. 

C03O4 

241 

2,288 

2179:  9,0 

+ 

6,70 

+  195,0 

+ 

21,6   15  B. 

NiO 

74,7 

0,691 

655 

8,8 

+ 

1,04 

+ 

30,1 

+ 

8,44  21  |M. 

Nl,0,») 

165,4 

2,475 

2357 

14,3 

+ 

0,763 

+ 

22,2 

+ 

1,55 

15  B. 

CuO  (?) 

79,6 

0,981 

934 

11,7 

+ 

0,0986 

+ 

2,90 

+ 

0,247 

16  M. 

Cu,0  (?) 

148,2 

1,733 

1650 

11,5 

+ 

0,0416 

+ 

1,21 

+ 

0,105 

16  M. 

CuS  (?) 

95,7 

n,706 
io,930 

1631 
886 

17,0 
9,3 

+ 
+ 

0,3026 
0,054 

+ 
+ 

9,07 
1,572 

+ 
+ 

0,532 
0,l70i 

18  M. 
15' G. 

Cu,S 

159,3:  2,935 

2665|16,7 

— 

0,0115 

— 

0,388 

— 

0,028;i8  Ma. 

CuSi  (?) 

91,5'  0,795 

766  8,4 

+ 

0,0451 

+ 

1,492 

+ 

0,178 

15,11 

CujSe 

206,3|  3,393 

3082  14,5 

— 

0,0135 

— 

0,450 

— 

0,081 

18, 

Mu. 

Cu,P, 

252,8!  1,341 

2680 

10,6 

— 

0,010 

— 

0,50 

— 

0,047  18 

Mu. 

CuClg     1 
+  H,0(?)(, 

170,5;  1,434 

1371 

8,0 

+ 

0,2766 

+ 

1 

8,29 

+ 

1,031 

1 
1 

17 

M. 

CuBr,  (?) 

223,5  2,624 

2509 

11,2 

+ 

0,204 

+ 

6,13 

+ 

0,546 

18  M. 

1)  Die  Messungen  in  dieser  Gruppe  sind  durch  die  eingangs  er- 
wähnten Mängel  der  Versuchsanordnung  stark  beeinflusst,  doch  haben 
die  Werthe  mit  Rücksicht  auf  die  Vergleichbarkeit  mit  den  übrigen  stark 
miigneti  sehen  Substanzen  hier  Platz  gefunden. 

2)  Durch  starkes  Glühen  an  der  Luft  aus  dem  FeO  erhalten,  welches 
besonders  rein  war. 

3)  Vermuthlich  ein  Gemenge  verschiedener  Oxyde. 


Mapnetinrungszahlen  anorganischer   Verbindungen,       241 


1     Substanz 

445,3 
159,7 

9 

1,954 
1,336 

a 

n 

+  0,055 
+  0,222 

1 
x.lO«    i   ik.lO« 

i     - 
+    1,601 1+0,383 

+   6,47  1+0,81 

1 

t 

SC  j4 

CaClj.SCuOl 
+  4H,0(?)| 
CaS04  (?) 

1861  .4,2 
1272    8,0 

1 
18  B. 

13  ;G. 

CoSO^         \ 
+  5H,0(?)) 

249,7 

1,378 

1313    5,2 

+0,208 

+   6,23  1  +  1,19 

18  |M. 

ZoO 

ZnOjH, 

ZnBr, 

81,4 

99,4 

225,3 

1,567 
1,326 
2,025 

1492  18,3 
126913,8 
1919    8,52 

1-0,0132 
-0,0194 
-0,021 

1 

-  0,3881-0,021  ,  16  B. 

-  0,583-0,042  j  18  B. 

-  0,613  -0,072    19  B. 

'       1                      1 

HS, 

198 
246,2 

2,522 
2,190 

2402  12,1 
20861  8,4 

-0,017 
-0,0014 

-  0,494  -0,042 

-  0,041-0,005 

18  M. 
18  'M. 

SeCu, 

206,3 
129,1 

3,393 
2,098 

3082  14,5 
1998  15,5 

1 

-0,0135 
-0,019 

-  0,450! -0,031 

-  0,55    -0,036 

18  Mu. 
18  B. 

RbCl 

120,6 

1,002 

1293  10,3 

1 

-0,010 

-   0,381-0,037 

19  M. 

SrO 

SrO^- 

SrFl, 

SrCl, 

SrBfj 

SrJ, 

103,6 
103,6 
125,6 
158,5 
247,5 
341,3 

1,032 
1,259 
1,642 
1,246 
1,851 
1,770 

983i  9,5 
1193111,5 
155612,4 
1132i   7,1 
1754!   7,1 
1678    4,92 

-0,0159 

-0,019 

-0,014 

-0,015 

-0,019 

-  0,020 

-  0,463-0,049 

-  0,550-0,048 

-  0,408,-0,033 

-  0,502  -0,070 

-  0,5541-0,078 

-  0,5821-0,118 

18  B. 
20  B. 

19  M. 

20  M. 
19  iM. 

19  Im. 

YCl, 

226 
195,2 

fl,1796 
10,303 
1,189 

1137    5,03  +0,1745 
288    1,28+0,115 

1146!  5,4     +0.5146 

1 

+   5,77     +1,15 
+   3,34     +2,61 
+  17,02     +3,18 

15  Br.') 
20  B. 
17  M, 

Y,(CO,),      1 
+  3H,0    J 

412 

0,393 

372'  0,90j +0,073 

1 

+   2,70  '+3,0 

20  B. 

1 

1 

ZrO, 

ZrCNO«),       1 
+  5H,0«)) 

122,4 

428,8 

2,5336 
fl,337 
11,405 

2441  19,9 
12891  3,0 
1354    3,16 

-0,0020 
-0,0064 
-0,0070 

-  0,066  -0,003 

-  0,21l' -0,070 

-  0,232' -0,073 

1 

l5iBr.>) 
18  E. 

16  Br. 

1 

Nb,0, 

268 

0,1846 

613|  2,3 

■ 

-0,0010 

-   0,051,-0,022 

1 

20  M. 

1 

Mo,0,** 
MoO^U,*» 

MoS, 

240 
162 

192,2 

1,455 
1,249 

ro,8ii 

11,470 

1386 

1190 

772 

1400 

5,8 
7,3 
4,0 
7,3 

-0,0076 
-  0,0004 
-0,007 
-0,0123 

-  0,39  !- 0,067 

-  0,012-0,002 

-  0,2051-0,051 

-  0,361-0,050 

16  |G. 

14  |G. 
16  ,B. 

15  ,G. 

1)  Vor  der  Messung  im  Platintiegel  frisch  geglüht. 

2)  Die  Formel  ist  nicht  ganz  sichergestellt. 

Ami.  d.  Phyi.  u.  Chem.    N.  F.  69.  16 


242 


St.  Meyer. 


Substans 

^ 

9 

1 
a    ;    n 

1 

P 

1 
x.lO* 

kAO^      i 

OC         Her- 
kunft 

* 

AgCl** 

143,4 

2,462 

.234516,4 

-0,0226 

-  0,658 

-0,040 

17 

AgBr 

187,5 

2,444 

235512,6 

-0,0184 

-0,610 

-0,049  1  19  IE. 

AgJ 

234,8 

2,651 

2512  10,7 

-  0,0260 

-0,726 

-0,068  '  19    M. 

1 

CdO 

128 

2,881 

2791  21,8 

-0,023 

-0,670 

-0,031 

15 

B. 

CdCl, 

182,9 

8,180 

3040 

16,6 

-  0,0254 

-0,761 

-  0,046 

18  |E. 

CdBr, 

271,9 

1,912 

1828 

6,7 

-0,0184 

-  0,552 

-  0,082 

18  ;E. 

CdJ, 

365,7 

2,884 

2758'  7,5 

1 

-0,0896 

-0,675 

-0,090 

18  ;E. 

InCl« 

219,8 

0,8660 

990    4,5 

-  0,0084 

-0,310 

-  0,069 

18 

M- 

In,S, 

324,2 

0,136 

530    1,64 

-0,0014 

-0,080 

-  0,049 

20 

B- 

SnO 

134,5 

1,818 

1727  12,9 

-0,0054 

-0,158 

-0,012-  17    M. 

SnO., 

150,5 

2,083 

1984!  13,2 

-  0,0028 

-  0,082 

-0,006  1  15 

G. 

SnjOs 

285 

2,411 

2296    8,1 

-0,0214 

-0,614 

-0,076]  16 

G. 

/^      r^    ^cw 

•«  fer  /v    /i 

|2,393 
11,268 

227915,1 

+  0,270 

+  7,85 

+0,519!  15,  a. 

SnS  (?) 

150,6 

1208    8,0 

+  0,0016 

+  0,227 

+  0,026  '  15    Bi- 

SnCl, 

189,4 

1,217 

1159 

6,1 

-0,0114  1-0,334 

-0,055 

18  jB. 

SnJ^** 

372,2 

1,726 

1644;  4,4 

-  0,006 

-0,176 

-0,040 

15  i&. 

SnSO* 

214,6 

2,080 

1989    9,3 

-0,0154 

-0,461 

-0,050 

18 

M. 

Sb,Os 

288 

2,412 

2297 

8,0 

-0,0114 

-0,384 

-0,042 

14 

B. 

TeO, 

159 

1,737 

2069^13,0 

-0,0064 

-0,230 

-0,018 

18 

B. 

TeOa  (?) 

175 

1,207 

1150,  6,6 

+  0,058 

+  1,679 

+0,256    17  j  G. 

TeOsH, 

177 

2,813 

2679  15,1 

-0,0174    -0,506 

-0,034 

15   6. 

TeO^H, 

19.S 

1,962 

1876    9,7 

-0,0214.-0,642 

-  0,066 

18   B. 

CsCI 

165,5 

1,744 

1680,10,0 

-0,014 

-0,47 

-0,047 

17    M. 

C8,(S04)            \ 

+Al,(S04),*j 

704,6 

1,381 

1268,   1,80 

-0,0174 

-  0,506 

-0,281 

15.  G. 

1 

C8,(S0«)       1 

1 

+  A1,(S0«),  [ 

1137,1 

1,084 

1032    0,91 

-0,0138 

-0,404 

-0,444 

14   G. 

+  24H,0"I 

■ 

BaO 

153,4 

2,515 

2285il4,9 

-0,008    1-0,236 

-0,016    20 

M. 

^^            y^               y^^^ 

(1,297 
11,6745 

1235    7,3 

+  0,0086 

+  0,252 

+0,085    18 

B. 

BaOs  (?) 

169,4 

1601    9,45 

+0,009 

+  0,270 

+0,029 

18  IM. 

Ba(OH), 

171,4 

1,536 

1470    8,58 

-0,0120 

-0,361 

-0,042 

18  !M. 

BaFl, 

175,4 

2,183 

2070  11,8 

-0,009 

-0,260 

-0,022 

19 'M. 

BaCl^' 

208,3 

2,140 

2046    9,8 

-0,0217    -0,648 

-0,066    17 

M. 

+  2H,0**      j 

244,3 

1,910 

1826 

7,1 

-0,0184 

-0,552 

-0,078 

17 

Magnetitirungazaklen  attorganUcher  Verbindungen.       248 


,  x.io'   '  t.iü»     (  's  g 


UCI,' 

^-  2  (NH,)NO,* 

CeO, 
CeCI,' 

-t-  2(NH0NO,' 

PfCI, 

>ld,0, 

NdiNO.), 

+  2(NHjN0,' 

Nd(NOA 

+  2(NH,)N0, 

+  i  H,0- 

DiCI,- 


2,191  i2on;7,0  l-0,0220i-  0,688:-0,091|  SOiM. 
2,27S  '21ö4|5,04  -0,022  ,-  0,6381-0,127:  Is'm. 
1,186  'ie53|  »,8'-0,014  j-   0,410,-0,042,  18|B. 

I      '     I  '  I         !     I 

(1,027  |U47<,5  1+0,0024.+  0,098, +0,0231  |  ^ 
(l,024  14434,4  ,+0,0027  +  0,111! +0,025!r*  ^'■■ 
1,278  ,12310,0  1+0,1626,+   5,38  1  +  1,07   '   IB.E. 


I         I         i 
1,31ÜG, 1268.2,7  , 


■   0,2971-0,108,   IftlE.') 


ra     1,760  |noo,n,9  +0,0034  +  o,ii3|+o,oii  15 Br. 

(6,2    1,117411077.4,4  [+0,15731+   5,20  j  +  1,19  !  19|M. 

)0       0,750  I   714'l.B  '+0,175   '■+   5,10  [  +  8,28  |  15iG. 

iO       1,072   ;1016;3,9  [  +  0,094  ,+   2,73  ,+0,698;  20[B. 

i3,3    1,252  |U87;2,1   '+0,264   |+   7,68    +3,68  '  20,B. 

;8,3'   1,345  [l296|2,B    +0,12961+   4,28  [  +  1,53  ,  16|E. 

12       t,3e82'l319  1,96|  +  0,512  j  +  16,95    +8,64  |  15:Br.*) 

18,4    0,226  i  697 1 2,83] +0.194  ,+   9,52    +3,36  |  19|E.*) 

i-        <         I  ,  <       I 

}6       0.302  I  524il,56l+0,29ll'  +  l3,e8  ,+8,9  16  Er.') 

»,4i   1,3205  n99!2,45[ +0,3125, +  10,43  '  +  4,27  ,  18.E.') 


}|562,4' 


,166  |1059l,88 

i     ,       I     I 

!248,3i   1,S95  |l344!5,4 


+  0,220 
+0.331 


+   7,345+3,90 


+  10,93  1+2.02 


18  EL*) 
15  M.') 


1)  Die  zweite  Angabe  bezieht  Bich  ouf  nnmittelbar  vor  der  MessuDg 
Docbmala  im   l'Uniiitiegel  frisch  f;enliilil"  Substanz  (weiaaea  Pulver). 

2)  Diese Wabs lau z  wuniy  Vöti  deu  Herren  F.  Kiner  und  E.  üascbelc 
auf  ihr  Fuijkeii»|>i'CtrLim  iintcrsiicht  und  erwies  sieb  als  nahe  absolut  rein. 


)  Schwi 


»  Pulve 


4)  Ana  einem  Oxyd,  das  von  Hrn.  L.  F.  Nileon  stammte. 
6)  WtiMH'.i   l'iilvor,   enthält  nach  An^be  des  Hrn.  Brauner   noch 
1  3  Pioc.  Pr,Ü,. 

6)  Die  Formel  ist  nicht  ganz  sicbeTgestellt. 

7)  Nach  den  Ergebnissen  der Spectraluntenuchung  stark  lanthanhaltig. 


244 


St  Meyer, 


Substanz 


a 


n 


x.lO« 


I         S_3 


I 


Sa^Oa 

Gd(NOa),**«) 

Er,Oj 
Er^Oa  (?) 
Er(NOa)a 

+  5H,0(?)** 
Er(NO,)a         1 

+  5H,0**«)J 

YbjOa 
YKNOg),***) 

WO,  (?j 

WOa 

WO4H, 

PtCl, 

AuCla  *♦ 

HgO 

HgCl 

HgCl. 

HgBr, 

HgJ, 

HgS 


348  1,20211160 

336  0,212!  610 

'360,3  0,366.1344 

342  0,111    439 

380  |0,949:i998 

380  '0,387|  812 

442  ,1.202  1158 


3,33|  + 2,023 
1,82+0,433 


+   66,8 
+   21,9 


+  20,1 


17  .  E. «) 


3,73+2,65      +172,0 

1,28+0,422  i+   24,7 


+  12,1      120    E.») 

+  46,3      18    E») 
+  19,3      21;E.-j 


5,26+8,64 
2,14  +0,1318 

2,62  +0,5040 


442 


0,475 


+  417,8 
+   63,8 

+    16,67 


+  79,4      15 
1+29,8     '17 


E*) 


970'  2,2    +2,225    +   97,9 


394     2,6762549 
359     0,215    717 


6,471  +  2,66   +  77,46 
2,0  +0,204  1+  10,85 


+  6,36  16  M.«) 
+  44,5   20  E.^ 


+  11,97  ;i7  E») 


+  5,43 


482 

216 
232 


1,673  1586  3,29+0,0125;+  0,864  +  0,111 


1,975.1881 
1,834  1747 
250  i  1,920, 1829 

265,711,646  1568 


303,6:0,853 


216,34,760 
235,8:3,550 


1351 


8,71  +0,0136+  0,398 

7,53  -0,0066  -  0,193 

7,32  -0,0056  -  0,164 

5,9  -0,0010-  0,029 

4,45  -0,0116  -  0,455 


21  E.') 

20  B. 

I 

17  G. 
17  G. 


4533  21,0  I 
3384  14,35 


271,2  3,626  3468:16,5 


0,0299 
0,0210 
0,027 
0,015 
0,0264 
232,4  2,914  2775  12,0  -0,016 


360,2  1,872  1783 
454  3,173  3022 


5,0 
6,7 


0,869 
0,613 
0,654 
0,487 
0,771 
0,465 


+  0,046 

-  0,025 

-  0,022  16  G. 

-  0,005  15  G. 

I 

-  0,10221  M. 

-  0,042  16  G. 

-  0,043  19  M. 

-  0,040  17  M. 

-  0,088  15  G. 

-  0,116  17  G. 

-  0,039  16  :  G. 


1)  Gelbes  Pulver,  stammt  von  Hm.  P.  T.  Cleve. 

2)  Aus  dem  vorhergebeuden  gewonnen. 

3)  Gelbes  Pulver,   stammt  von  Hrn.   L.  F.  Niison,  der  ee  selbst 
von  H.  Marignac  erhielt. 

4)  Hellrosa  Pulver,  stammt  von  Hrn.  P.  T.  Cleve. 

5)  Altes  Präparat,  Gemiscb  verwandter  Erden,  gelbes  Pulver. 

6)  Enthält  vorzüglich  Yttrium. 

7)  Aus  dem  Er^Oj  von  H.  Cleve. 

8)  Weisses  Pulver,  stammt  von  Hrn.  L.  F.  Nilson. 

9)  Formel  nicht  ganz  sicher. 


Magnetisirungszahlen  anorganischer  Verbindungen.       245 


inz 

/^ 

9 

a 

i                 '                  1        1  •  «ä 
n           p        :  x.lO*      ifc.lO*       t     ®  § 

1         '     =^^ 

1 
456,2  1  2,0035 

1930 

4,23 

+  0,0030, +0,009 

+  0,023 

17 

M. 

239,6  1  0,550 

1240 

5,22 

-0,0044, -0,193 

-  0,037 

20 

B. 

310,5  ,  0,439 

1108 

3,57 

-0,0040; -0,195 

-0,055 

20 

B. 

» 

504,3,   1,286 

2760 

5,47 

-0,0120,-0,541 

-  0,099 

20 

B. 

K 

266,1  ^  2,598 

2463 

9,26 

-0,0140,-0,408 

-  0,044 

20 

B. 

:n 

505,3  '  0,273 

783 

1,55 

-  0,0040 

-0,205 

-0,132 

20 

B.^) 

229  ö    •3»662 

3488 

15,7 

-0,0130 

-0,381 

-0,024 

18 

B. 

^CCyV 

14,091 

3896 

17,5 

-0,0154  -0,449 

-0,026 

18 

E.«) 

684,7 

3,026 

2882 

4,2 

-0,01641-0,478 

-0,114 

18 

B. 

238  d 

(3,095 
13,350 

2948 

12,34 

+  0,1026 

+  3,02 

+  0,245 

18 

B. 

fiOO,«J 

3175 

13,3 

+  0,036 

+  1,05 

+  0,079 

19 

M. 

244,9 

2,933 

2792 

11,4 

-0,0178 

-0,519 

-  0,046 

16 

B. 

277,8 

2,306 

2196 

7,9 

-0,0184 

-0,535 

-0,068  i  15 

G. 

436,8 

2,541 

2409 

5,52 

-0,0180  -0,525 

-0,095,20 

M. 

460,6 

2,547 

2414 

5,24 

-0,0215  -0,623 

-0,118    19 

1 

M. 

497        3,342 

3183 

6,4 

-0,0138  -0,404 

—0.063  '  15 

B. 

241,5  j  2,397 

2283 

9,5 

-0,0184  -0,390 

-0,041  '  15 

B. 

589,1 

3,754 

3558 

6,04 

-0,048    -1,39 

-0,230    20    M. 

8 

597 

1,719 

1637 

2,74 

-  0,0074 

-0,217 

-0,079  '  15    B. 

264 

(1,1064 
|l,86l 

1066 

3,8 

-0,0028 

-  0,092 

-0,024  1  18  IE. 

1793 

6,8 

-0,0027  -0,089 '-0,013 

15 

Br. 

u 

480,2     1,7412 

1678 

3,5 

-0,0112  -0,180 

-0,051  '  18 

M. 

271,5 

2,904 

2766 

10,2 

+  0,08461  +  2,46 

+  0,243  1  16 

G. 

846,5  '   1,485 

1   p 

1414 

1,67 

+  0,012  1+0,351 

+  0,210 

16 

G. 

287,5  1   1,648 

1570 

5,49 

+  0,005   1+0,146 

+  0,027 

16 

G. 

381,3  i   1,911 

1811 

4,75 

-0,002  1-0,060 

-0,013 

19 

B. 

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1649 

4,17 

-0,0016i -0,053 

-0,013 

15 

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1 

+  0,10 

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Formel  nicht  ganz  sichergestellt. 
Schwefelgelbe  Modification. 
Stammen  von  Hrn.  Curie- Paris. 


246  St.  Meyer. 

Im  Anschlüsse  folgen  noch  einige  Nachtragsbestimmungen 
an  Elementen. 


Substanz  \    fi    \    g        n       n  p  x.lO*  '    ifc.lO*      f 


Rother  Phosphor 


tier  Phosphor     1 

(amorph)  \f'      ''''^^ 


Schwefel  \ 

(gepulverte  Krystalle)]  ^^'^ 


1706  55,0   -0,013    -0,392  -0,007   |  l.s 


1,320  1263  39,4-0,144     -0,431  -0,011      1?* 


Silicium  (Kryatalle)     j28,4  0,970,  933  32,9   +0,0002  +0,006+0,0002  16 
Magnesium  i)(Kry8talle)|24,4|o,718|  758|31,l  | +0,012    +0,435+0,014  ,  20 

Ferners  wurde  Kohlenstoff  in  Form  von  Diamanten  unter- 
sucht, von  denen  mir  vier  grössere  Exemplare,  drei  helle  und 
ein  gelblicher,  zur  Verfügung  standen.  Für  das  specifiscbe 
Gewicht  y  =  3,52  ergiebt  sich  n  =  293  und  fand  ich  in  der 
Weise,  wie  dies  für  kleine  Stückchen  bereits  beschrieben  wurde^), 
bei  13«  C: 

x  =  -  1,14.10-6,     Ä=- 0,0039. 10-<^. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  lassen  sich  die  folgenden 
allgemeinen  Schlüsse  ziehen. 


A.     Qualitative  Beziehiingen. 

1.  Die  Verbindung  aus  zwei  diamagnetischen  Elementen 
ist  immer  diamagnetisch. 

Scheinbare  Ausnahmen  hiervon  bilden  bloss  eine  Reihe 
von  Kupferverbindungen  und  Zinnsulfid  (Musivgold).  Die  Kupfer- 
verbindungen sind  nun  im  Handel  niemals  frei  von  Beimen- 
gungen der  benachbarten  stark  magnetischen  Metalle,  ins- 
besondere von  Nickel,  erhältlich.  Die  thatsächlich  nahezu 
absolut  reinen  Verbindungen,  die  ich  von  Hrn.  E.  Murmann 
erhielt,  sind  dagegen  sämmtlich  unzweifelhaft  diamagnetisch. 
Dass  man  es  bei  den  genannten  paramagnetischen  Substanzen 

1)  Stammen  von  einer  Argondarstellung,  wobei  sich  grössere  Mg- 
Kryställcheu  ausbilden. 

2)  St.  Meyer,  1.  c.  p.  329.  4. 


Magnetisirungszahlen  anorganischer  Verbindungen,       247 

Terauthlich  nicht  mit  einheitlich  definirten  Körpern  zu  thun 
^iiat,  geht   übrigens   auch   daraus   hervor,    dass    man  für  die 
Y  gleiche  Verbindung,  wenn  sie  aus  verschiedener  Quelle  stammte, 
[    sehr  stark    verschiedene  Werthe   erhielt,    wie    bei   CuS  und 
SnS,  während   andere   Materialien    wie   Li^COj,  M0S3,  SrO, 
Zr(N03)^  + öHjO,   ^^0   recht  gute  Uebereinstimmung  zeigen. 
Man  kann   sonach  annehmen,    dass  überall,  wo   der  an- 
geführte Satz  nicht  zutrifft,  die  Abweichungen  sich  auf  Ver- 
unreinigungen zurückfiihren  lassen.^) 

2.  Die  Verbindung  zweier  paramagnetischer  Componenten 
ist  in  der  Regel  gleichfalls  paramagnetisch.  Bei  schwach 
inagnetischen  Elementen  kann  jedoch  hier  auch  Diamagnetis- 
ßius  entstehen. 

Beispiele  hierfür  bilden 

Be,03,  MgO,  Al,03,  SiO^,  Mo^Og,  WO3  und  ThO„ 

^obei  zu  bemerken  ist,  dass  aus  später  zu  erörternden  Gründen 
^icht  anzunehmen  ist,  dass  die  positiven  Ergebnisse  der 
Magnetisirungszahlen  der  Metalle  in  obigen  Oxyden  durch  Ver- 
unreinigungen hervorgerufen  seien. 

Diese  Erscheinung  scheint  mit  der  Vergrösserung  des 
Atomvolumens  bei  Eintritt  in  die  Verbindung  zusammen- 
zuhängen, worauf  später  noch  näher  eingegangen  werden  soll. 

Ein  directer  Rückschluss  auf  die  Qualität  eines  Elementes 
ist  also  aus  der  Qualität  der  Verbindung  nur  bedingungsweise 
gestattet.^ 

3.  Es  giebt  ausser  der  Gruppe  Cr,  Mn,  Fe,  Co,  Ni  eine 
Reihe  von  stark  magnetischen  Elementen  und  zwar  La,  Ce, 
Pr,  Nd,  Yb,  Sa,  Gd,  Er  in  aufsteigender  Folge  stärker  werdend. 
In  analogen  Verbindungen  sind  die  letztgenannten  Elemente 
von  Praseodym  angefangen  ebenso  stark,  oder  sogar  stärker 
magnetisch  als  diejenigen  der  erstgenannten  Gimppe.    Erbium, 


1)  Immerhin  wäre  es  möglich,  dass  für  Rupfer  ganz  besondere  Ver- 
hältnisse vorliegen  und  hoffe  ich  aus  den  im  Zuge  befindlichen  Unter- 
suchungen an  Lösungen  und  Amalgamen  bestimmte  Resultate  zu  erhalten. 

2)  Die  Schlüsse  des  Hm.  J.  Rönigsberger,  Wied.  Ann.  66.  p.  732 
sind  demnach  für  Li,  Na,  K,  Rh,  Ca,  Sr,  Ba  und  Mg  nicht  ohne  weiteres 
zulässig  und  ergeben  für  Mg  wahrscheinlich  ein  unrichtiges  Resultat. 


248  St  Meyer. 

das  den  Höhepunkt  erreicht,  ist  im  Er^Og  etwa  viermal  so 
stark  als  EJisen  in  FegOj.  ^) 

Dass  das  früher  untersuchte  metallische  Erbium  kaum 
stärker  magnetisch  war  als  das  Oxyd,  erklärt  sich  daraus,  dass 
mir  damals  nicht  reines  Er,  sondern  eine  Legirung  von  ver- 
wandten Elementen  vorlag.  Wie  nun  bekanntlich  Zusatz  vor 
Mangan  oder  eines  anderen  paramagnetischen  Elementes  das  > 
des  reinen  Eisens  sehr  beträchtlich  herabdrückt,  so  liegei 
oöenbar  ähnliche  Verhältnisse  auch  hier  vor.  Die  inzwischei 
erfolgte  Untersuchung  des  Funkenspectrums  dieses  Metalle.« 
durch  die  Herren  F,  Exner  und  E.  Haschek  hat  übrigem 
ergeben,  dass  dieses  Material  vorzüglich  Yttrium  und  Ytterbiun 
enthielt. 

4.  Von  Polonium  und  Radium  lagen  mir  Spuren  in  Forn 
von  Doppelsalzen,  die  Hr.  Curie  an  die  Wiener  kais.  Akademie 
der  Wissenschaften  geschickt  hatte,  vor.  Beide  erwiesen  siel 
unzweideutig  als  paramagnetisch,  die  quantitativen  Angabei 
sind  freilich  mit  Bücksicht  auf  die  ausserordentlich  geringei 
Mengen  nur  ganz  approximative. 

B.    Quantitative  Beziehungen. 

1.  Der  Molecularmagnetismus  k  der  paramagnetischet 
Verbindungen  ist  kleiner  als  die  Summe  der  Atommagnetismeii 
der  Bestandtheile. 

Als  auflfallende  Beispiele  hierfür  dienen  die  Oxyde  der 
Gruppe  Ti,  V,  Cr,  Mn,  Fe,  Co  und  Ni. 

Die  diamagnetischen  Substanzen  scheinen  sich  hingegen 
in  erster  Annäherung  additiv  zu  verhalten,  wie  aus  der  Tab.  1 
(vgl.  p.  249)  hervorgeht,  in  der  A.IO®  die  gefundenen  Werthe, 
Ä'.  10®  die  aus  der  Summe  nÄj.lO®  +  m Ag.lO®  berechneten 
bedeuten,  wenn  wir  die  Verbindung  in  der  Form  C=nJ^+mA^ 
schreiben.  Hierbei  wurden  der  Berechnung  diejenigen  Werthe 
von  Ä.IO®  für  Ag,  Cd,  Hg,  Pb,  Bi,  Br  und  J  zu  Grunde  ge- 


1)  Wäre  Erbium  als  reines  Metall  in  gleichem  Maasse  stärker  mag- 
netisch als  Eisen,  wie  es  die  Oxyde  sind,  und  berücksichtigt  man,  dass 
das  specifische  Gewicht  nur  etwa  -/,  desjenigen  von  Eisen  ist,  so  Hessen 
sich  aus  Erbium  Dynamomaschinen  und  andere  Apparate  bauen,  die 
sich  bei  gleicher  Leistung  auf  etwa  ^'5  des  Gewichtes  derjenigen  aus 
Eisen  reduciren  würden. 


Magnetisirungszahlen  anorganischer  Verbindungen.       249 


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08    oe     OS    Ol 

55  ;z;  jz;  :z; 

1 

ü  Ä  ^ 
bo   bO  bO 

<  -i;  <J 

O  ^  <»J  o  o 

Ä  ffi  CLh 

Pu. 

n 

r 

^. 

1 

'> 

• 

250  St.  Meyer. 

legt,  die  in  der  kürzlich  gegebeDen  Tabelle  der  Atommagneti 
rnen^)  angeführt  sind,  für  S  der  oben  gewonnene  Werth  ui 
für  Cu  —0,006  gewählt. 

In  der  Zusammenstellung  bezeichnen  y  die  Dichte,  fi  di 
Moleculargewicht,  a  das  Molecularvolumen  {a^  und  a^  be 
für  nA^  und  mÄ^), 

Man  erkennt,  dass,  wo  eine  auffallige  Vergi'össerung  dt 
Volumens  bei  der  Verbindung  eintritt,  wie  bei  AgJ,  HgX 
PbJ,,  die  Summe  der  Atommagnetismen  noch  hinter  dem  direc 
gefundenen  Werthe  des  Diamagnetismus  zurückbleibt.  Wismuth 
trijodid  folgt  dieser  Regel  nicht,  allerdings  lässt  sich  nicb 
erweisen,  ob  das  Resultat  für  diese  Substanz  nicht  durch  Ver 
unreinigungen  beeinflusst  wurde. 

In  den  Fällen  hingegen,  in  denen  die  Summe  der  Atom 
Volumina  grösser  ist,  als  das  thatsächliche  Volumen  der  Ver 
bindung,  wird  die  Additivität  ziemlich  gut  erfüllt. 

2.  Die  Halogenverbindungen  zeigen  ganz  bestimmte  Regel 
mässigkeiten  der  Susceptibilitätscoefficienten,  indem,  wie  au 
der  Tab.  2  (vgl.  p.  249)  ersichtlich  ist,  das  k  für  Verbindunge 
desselben  Metalles  mit  steigendem  Atomgewicht  wächst 

Es  erscheint  mir  beachtenswerth,  dass  sich  in  sämmt 
liehen  Fällen  in  besserer  (Na,  K,  Ba,  Ag,  Pb)  oder  rohere 
Annäherung  die  k  der  Fluoride,  Chloride,  Bromide  und  Jodid 
verhalten  wie  2:3:4:5. 

Auch  für  gleiche  Halogenverbindung  verschiedener  Metall 
lassen  sich  Gesetzmässigkeiten  erkennen.     So  ergiebt 

LiCl  NaCl  KCl  RbCl  CsCl 

-Ä:.10*  0,020  0,024  0,035  0,037  0,047 

Mit  steigendem  Atomgewicht  des  Alkalimetalles  steigt  auc 
hier  die  Magnetisirungszahl. 

Es  ist  fraglich,  ob  in  diesem  Falle  gleichfalls  eine  ein 
fache  Zahlenbeziehung  existirt,  doch  möchte  ich  darauf  hin 
weisen,  dass  für  die  Relation  2:3:4:5:6  die  Reihe 

0,016  0,024  0,032  0,040  0,048 

entstände.  Der  zu  grosse  Werth  bei  LiCl  und  KCl  Hesse  sie) 
eventuell  dadurch  erklären,  dass  die  Substanzen  nicht  gan 
wasserfrei  gewesen  sein  mögen. 


1)  St.  Meyer,  1.  c.   p.  332. 


Magneünrungszahlen  anorganischer  Verbindungen,       251 

Regelmässiges  Ansteigen  des  k  lässt  sieb  auch  sonst,  z.  B. 
in  der  paramagnetischen  Gruppe  der  seltenen  Erden  zeigen: 

LaCls  CeCla  PrCla 

+  ifc.lO«  1,07  1,19  3,36 

3.  Mit  Bücksicht  auf  die  nahezu  erfüllte  Additivität  lassen 
sich  in  erster  Annäherung  Schlüsse  für  den  Atommagnetismus 
von  Fl  und  Cl,  dann  Li,  Na,  K,  Rb,  Cs,  ferners  Ca,  Sr,  Ba 
^d  auch  In,  für  welche  Elemente  keine  directen  Angaben 
vorliegen,  ziehen. 

So  berechnet  sich  das  A.IO®  für  Chlor  aus 


AgCl     zu 

—  0,023 

HgCI     zu 

—  0,013 

CdCl,    zu 

—  0,016 

AuClg    zu 

—  0,024 

HgCl,    zu 

—  0,005 

PbCI,    zu 

—  0,021 

Die  Werthe  aus  den  Quecksilberverbindungen  dürften  zu 
gering  sein,  worauf  auch  die  vorerwähnte  Zahlenbeziehung 
deixtet. 

In  erster  Annäherung  genügt  demnach  der  Werth  —0,02. 

Aehnlich  erhält  man  für  Fluor  in  erster  Annäherung  aus 
dem  Bleifluorid  Ä.  10«  =  -  0,01. 

Berechnet  man  unter  Zugrundelegung  dieser  Zahlen  und 
der  für  Brom  (-0,033),  Jod  (-0,040)  und  Schwefel  (-0,011) 
direct  gefundenen  Werthe  nunmehr  weiter  die  Näherungswerthe 
der  oben  angeführten  Metalle,  so  ergiebt  sich  —  Ä.IO^  aus 
der  Verbindung  mit 


Li 
Na 

K 

Hb 

Ce 

Ca 

Sr 

Ba 

In 


4.  In  der  nachstehenden  Tabelle  (vgl.  p.  252  u.  253)  sind 
^  die  Magnetisirungszahlen  der  Oxyde,  und  zwar  immer  auf  ein 


Fl 

Cl 

Br 

J 

S 

Mittel 
für  -Ä.IO« 

— 

sehr  schwach 

— 

sehr  schwach 

0,007 

0,004 

0,005 

0,007 

— 

0,006 

0,011 

0,015 

0,009 

0,012 

— 

0,01 

— 

0,017 

— 

0,02 

— 

0,027 

— 

— 

0,03 

0,008 

0,003 

— 

— 

0,003 

0,018 

0,030 

0,012 

0,038 

0,02 

0,002 

0,026 

0,010 

0,023 

0,026 

0,02 

— 

0,016 

— 

0,009 

0,01 

252 


SL  Meyer. 


Molecularmagnetismen  der  Oxyde  v 


" 

' 

Li 

Be 

B 

-™ 

— 

+0,72 

+  0,05 

iLl^O 

BeO 

JB,0, 

-0,010 

±0 

-0,015 

Na       '■ 

Mg       ' 

AI 

Si 

1 
1 

1 

-  0,005 

+0,014 
MgO 

+ 
iAl.0, 

+0,00 
SiO, 

Ti 

V 

-  0,008 

-  0,020 

-o,oa 

K 

Ca 

8c      1 

Cr 

Mn 

Fe 

-001 

-  0,003 

? 

+0,09 

+0,17 

+ 

+ 

+ 

CaO 

iSc,0, 

TiO, 

iVA 

iCr,Os 

MnO, 

FeO 

-0,015 

-0,002 

+  0,031 

+  0,086 

+  1,81 

+  2,38 

+  540 
JrFe,( 

+  10,J 

Rb 

Sr 

Y 

Zr 

Nb 

Mo 

Ra 

-0,02 

-0,02 

+  3,2(?) 

-0,014 

+  0,49  (?) 

+0,024 

+ 

SrO 

iYA 

ZrOj 

+  NbA 

J^Mo,Oa 

-0,019 

+0,58 

-0,003 

-0,011 

-0,034 

Cs 

1       Ba 

La 

Ce 

,        Pr 

Nd 

Sa 

-0,03 

-0,02 

+  13,0 

+  34,0 

+ 

;  + 

+ 

BaO 

iLa^Os 

CIO, 

IPrA 

iN.O, 

iSa,0, 

-0,016 

+0,013 

+  0,011 

+  2,16 

+  4,6 

+  10,1 

BaO, 

+  0,029  (?) 

1 

1 

1 

! 

Er 

+  41,8  (?) 

JEr.O, 

+  39,7 

Yb 

1 

Ta 

1        W 

Os 

+  V 

+  1,02(?) 

+  0,1 

:   +0,0' 

VYb,03 

|Ta,05 

wo. 

1 
1 

+  5,99 

+  0,034«) 

+0,046  (?) 
WO, 

1 

i 
1 

Tb 

' 

-0,025 

1       u 

1 

+  16,0(?) 

1     +0,21 

1 

ThO, 

uo, 

i 

! 

1 

-0,024 

1 

1 

+  0,24a 

ÜO, 

+  0,027 

■}U,0, 
+  0,07 

1)  In  erster  Annäberung  unter  Abzug  des  Werthes  von  Wasser  aus  SeOJfc 

2)  In  erster  Annäherung  unter  Abzug  des  Werthes  von  2  H,0  aus  Ta^Oy!^ 


MagnetisirungszaMen  anorganischer  Verbindungen. 
nmagnetismen  der  Elemente. 


253 


0 

Fl     ; 

j 

+ 

-  o,Oi»)i 

1 

Cl 

s 

1 

07     -0,011 
26 

"0,02 

Ni 

Cu         Zn 

Ga 

Ge 

Ab 

Se 

Br 

+ 

-0,006 

-0,010 

— 

— 

-0,025 

-  0,033 

>,        NiO 

ZnO 

iA8,0, 

SeO, 

\       +1,55  (?) 

-0,021 

-0,021 

-0,024») 

>*  ,  iNi,Oa 

• 

l     !  +  l,7(?) 

Pd 

Ag         Cd 

In 

Sn             Sb 

Te 

j 

+  0,55 

-0,016   -0,015 

-0,01 

+  0,004  (?)i -0,069 

-  0,039 

-0,040 

CdO 

SnO 

JSb,0, 

TeO, 

-0,031 

-0,012 

-0,042 

-0,018 

iSn,0, 

-  0,038  (?) 

SnO, 

1 

1 

-  0,006 

1 

1 

o. 

,2 

1 
1 

1 

' 

_. 

— 

— 

,               Pt 

Au 

Hf? 

Tl 

Pb 

~   Bi  ~ 

-    —    — 

,  +0,227 

-0,031 

-  0,030 

-  0,098 

-  0,025 

-  0,203 

1 

HgO 

iT1.0. 

PbO 

^BiA 

1 

-0,042 

-0,012  (?) 

-  0,025 

-0,063 

1 

iPbsO* 

1 

1 

-0,038                    1 

1 

PbO,     , 

i 
1 

1 

1 

+  0,08  (?) 

|()  Die  durch  den  Druck  gekennzeichneten  Werthe  sind  nicht  direct  be- 
at,  sondern  berechnet. 


254  St.  Meyer. 

Atom  des  Metalles  reducirt,  eingetragen  und  mit  den  Atom- 
magnetismen der  Elemente  zusammengestellt.^]  ^ 

Oxydation  ganz  scheint  allgemein  das  k  des  Elementes  her- 
unterzudrücken, und  zwar  soweit,  dass  paramagnetische  Metalle 
diamagnetische  Oxyde  liefern  können,  wie  dies  schon  oben 
erwähnt  wurde.  Die  negativen  Susceptibilitätscoefficienten  von 
P,  Zn,  Cd,  Hg,  Pb  werden  noch  stärker  negativ,  trotzdem  die 
positive  Natur  des  Sauerstoffs  feststeht. 

Ein  unmittelbarer  Kückschluss  lässt  sich  also  aus  den 
Oxyden  auf  die  Elemente  nicht  ziehen  und  es  ist  daher  z.  B« 
die  Annahme^);  dass  Scandium  diamagnetisch  sei,  weil  Sc,03 
einen  negativen  Werth  ergab,  nicht  berechtigt  gewesen. 

Hingegen  zeigen  die  Oxyde  untereinander  deutliche  Be- 
ziehungen. 

Je  mehr  Einheiten  Sauerstoff  auf  eine  Einheit  des  Metalles 
kommen,  desto  stärker  wird  der  Werth  des  k  vermindert. 
Bezeichnet  M  das  Metall,  so  nimmt  demnach  der  Molecular- 
magnetismus  in  der  Beihe 

MO,   ^MjO,,   iMjO,,   MO3 

von  links  nach  rechts  ab. 

Besondere  Begelmässigkeiten  zeigen  die  Sesquioxyde  ins- 
besondere bei  den  seltenen  Erden.  Beachtet  man,  dass  nach 
dem  Gesagten  der  Susceptibilitätscoefficient  von  ^Ce^Oj  grösser 
sein  muss  als  derjenige  von  CeOj,  so  giebt  die  Folge  der 
Oxyde  von  La,  Ce,  Pr,  Nd,  Sa  und  6d  eine  regelmässig  an- 
steigende Reihe.  Speciell  lässt  sich  daraus  schliessen,  dass  das 
Gadolinium  sehr  gut  an  die  Stelle  eines  oder  mehrerer  Ele- 
mente  der  Triade  unterhalb  der  Ru-,  Rh-,  Pd-Gruppe  passt 

C.  EinflusB  des  Krystallwassers. 

Um  den  Einfluss  des  Krystallwassers  auf  das  k  zu  studiren, 
habe  ich  die  Magnetisirungszahlen  einer  Reihe  von  Salzen  mit 
verschiedenem  Gehalte  an  HgO  bestimmt. 


1)  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  darauf  hingewiesen,  dass  in  vielen 
Lehrbüchern  der  Chemie,  wie  demjenigen  von  Damm  er,  Kraft  u.  a. 
die  Robaltoxyde  immer  ausdrücklich  als  unmagnetisch  bezeichnet  werden, 
wozu  gar  keine  Veranlassung  vorliegt. 

2)  St.  Meyer,  1.  c.  p.  331.  g 


MagnetUirungszahlen  anorganischer   Verbindungen,        255 


In   einem  Liter   sind   (1000/18)  =  55,56  g-Molectile   H,0 
^enthalten.      Das   x.lO^   desselben   ist   für  Zimmertemperatur 
-0,67^),  also  die  molecuiare  Magnetisirungszahl  für  Wasser 

1^.10«= -0,012  (C.G.S.). 

Bezeichnet  n  die  Zahl  der  Erystallwassermolecüle,  so  ist 
demnach  w.Ah^o  <ier  magnetische  Werth  des  Wassers  in  der 
Verbindung,  wenn  dasselbe  sich  im  Salze  so  verhielte,  als  ob 
es  frei  wäre. 

Die  folgende  Tabelle  ergiebt  die  gewonnenen  Resultate, 
h.  bedeutet  den  Susceptibilitätscoefficienten  des  wasserhaltigen, 
A]  denjenigen  des  wasserfreien  Salzes.  A  ist  die  Differenz 
zwischen  dem  thatsächlich  gefundenen  Werthe  k  und  dem  be- 
rechneten Äi  +  nÄH,0  7  -^/w  diese  Differenz  für  ein  Molecül 
Wasser. 

Tabelle  3. 


Wasser-     > 
bltige       -Jfc.lO« 
Sabstanz    i 


Wasserfreie 
Substanz 


-/;,.  10«'-n.A:H^Q.  10*  - ()fci -hn  A-^^q).  10* 


n 


SO,           \  I 

„  Q         I     0,043  !  LiSO^ 

Q      I     0,062  CaSO^ 

0,078  BaCl, 


2H 

\  \ 

2H,0  J 

4H,0  J 

5H,0  1]    ^' 

J  H,0  I     "' 


i 

0, 
10  H 


0,071  I  BeSO^ 
092     MgCU 
094      CaCl, 
MgSO, 


m. 


]  I 

^    }     0,133  j  Na,COj 


0,039 
0,052 
0,066 
0,038 
0,044 
0,034 
0,043 
0,020 


O4 


^*  Y  (CSSO4  Jl 

ÄMSOJ,       0.444  g(),    0,281 

24H,0    j  1/  »^      *^'^ 


0,012 
0,024 
0,024 
0,048 
0,072 
0,072 
0,084 
0,120 

0,288 


0,051 
0,076 
0,090 
0,086 
0,116 
0,106 
0,127 
0,140 

0,569 


0,008 
0,007 
0,006 
0,004 
0,004 
0,002 
0,005 
0,001 

0,005 


> 


1)  G.  Jäger  u.  St.  Meyer,  Wied.  Ann.  67.  p.  712.  1899. 


256  St  Meyer. 

Wäre   die  Magnetisirungszahl   der  Substanzen   eine  reirm 
additive  Eigenschaft   derselben,   so   müsste   sich  der  Wasser-^ 
werth  zu  dem  Molecularmagnetismus  des .  wasserfreien  Salz 
einfach    addiren.      Es    lässt    sich    aber    ganz   allgemein  au 
der    vorstehenden    Zusammenstellung    constatiren,    dass   d 
Krystallwasser  den  Diamagnetismus  um  weniger  als  den  volle 
Betrag,  der  dem  freien  Wasser  zukäme,  erhöht. 

Es  liegt  daher  der  —  auch  anderweitig  wohlbegründete 

Schluss  nahe,  dass  hier  das  Wasser  nicht  einfach  eingeschlossen, 
sondern  in  thatsächlich  chemischer  Gebundenheit  vorhanden  sei. 

Leider  versagt  die  Genauigkeit  der  angewendeten  Methode 
zur  quantitativen  Bestimmung  der  hier  herrschenden  Ver- 
hältnisse, doch  scheint  der  Werth  J/zi,  wenigstens  der  Grössea- 
ordnung  nach,  untereinander  übereinstimmende  Zahlen  zu  liefern. 

Eine  wesentlich  andere  Wirkung  zeigt  das  Wasser,  wean 
es  wirkhch  in  eine  Verbindung  eintritt  und  Hydroxylgruppen 
bildet. 

So  ist  zum  Beispiel  für 

CaO  A-.iO»- -  o,oin 

CaO.H^  Je .  10«  =  -  0,030  J     ^  "  ~  ^'^^^ 

ZnO  Ä;.10«  =  -  0,02n 

ZnOjHj  Ä .  10*  =  -  0,042  J     ^  =  "  ^'^^^ 

TeO,  Ä.IO*»  =  - 0,018) 

TeOsH,  ik .  10«  =  -  0,034  j     ^  =  ""  ^'^^^ 

BaO  A:.  10«  =  -  0,016  1 

BaOjH,  Ä .  10«  =  -  0,042  ]     ^  ^  "  ^»^^^ 

Dies  besagt,  dass  in  diesen  Fällen  die  Differenz  grösser 
zu  sein  scheint,  als  der  Wirkung  eines  Wassermolecüles(— 0,01 2) 
entspricht. 

Die  Erklärung  ist  vermuthlich  darin  gegeben,  dass  H  i^ 
ÜH  für  ein  Atom  Wasserstoff  stärker  diamagnetisch  ist  als 
in  HjO  und  dass  der  Paramagnetismus  von  0  im  Oxyde  durch 
die  Bindung  an  H  geschwächt  wird. 

D.   Abhängigkeit  des  k  von  der  Feldstärke. 

Dass  auch  stark  magnetische  Lösungen  sich  von  der  Feld- 
stärke unabhängig  erweisen,  ist  bekannt,  hingegen  die  Frage 
bezüglich  fester  Verbindungen  noch  eine  offene.  ^ 


Vaffnetigirunffszahlen  anorganischer  Verbindungen,        257 


besondere  hat  Hr.  J.  Königsberger  flir  das  Gebiet 
1  1800  und  2200  (C.G.S.)  an  einer  Reihe  paramagne- 
Verbindungen  eine  solche  Abhängigkeit  erhalten,  i) 
habe  daher  eine  grössere  Anzahl  von  Bestimmungen 
lintensitäten  im  Intervalle  von  rund  6000  bis  10  000 
gemacht  und  im  Folgenden  zusammengestellt,    wobei 
üblich  die  stark  paramagnetischen  Substanzen  heran- 
wurden,  und  im  Anschlüsse  hieran  die  Resultate  für 
shes  Beryllium  und  Bor  gegeben, 
den   Tabellen   bedeutet   M^   das   Feldstärkenquadrat, 
rect  abgelesenen,  der  Magnetisirungszahl  proportionalen 
Grammen.     Die  Angabe   für   die    grösste  Feldstärke 
D.G.S.)   ist   aus  Messungen  mit  einer  Wismuthspirale 
und  eine  bloss  approximative,  die  übrigen  Werthe  für 
den  aus  dem  Verhältnisse  der  Stromstärken  des  den 
nagneten   magnetisirenden    Stromes    unter   Zugrunde- 
einer  für   die  Mitte   des  Feldes  bestimmten  Magneti- 
urve  gefunden. 


stanz 

-=:. 

io-ß..v« 

P 

'^-^' 

Bemerkungen 

100 

1,408 

1 
1,4        1 

xyd 

80 
60 

1,12 
0,82 

1,4 
1,3 

Nicht  remanent 

88 

0,53 

1,4 

> 
* 

99 

1,85 

1,9 

■ 

oxyd 

80 
60 

1,51 
1,12 

1,9 
1,9 

Nicht  remanent 

38 

0,73 

1,9 

. 

• 

101 

2,64 

2,61 

Chlorid 

80 

2,08 

2,60 

Enthielt  Krystallwasser 

60 

1,55 

2,59 

Nicht  remanent 

88 

1,02 

2,61 

1 

101 

1,60 

1,59 

Ifat 
-7H,0 

82 
61 

1,28 
0,96 

1,56 
1,57 

Nicht  remanent 

39 

0,62 

i       1,57 

r.  Königsberger,  Wied.  Ann.  66.  p.  734.  1898. 
.  Phyi.  o.  Chem.    N.  F.    96.  17 


St.  Meyer. 


Snbriuu 

10-6.«' 

P 

1,96 
2,08 

2,38 
3,16 

Bemerkungea 

Eiaenoiyd 
Fe,0, 

100 

ei 

38 

1,96 
1,68 
1,45 
1,20 

Ana    be«oiidera    reii 
Eisenpulvor  durch 
geruGlDlienanderl 
erhalten,  dunkeiro 

Eiaenoiyd 
Fe,0, 

100 
61 
61 

S6 

MS 

8,B0 
3.21 
2.52 

*<*        1 
4,7        1 
5,3 

6,6 

Käufliches    S«squioi 
rothbmuu.      Remw)> 

oxyd 
Co,0, 

100 
80 
80 
SS 

2,17 
1.75 
1,33 
0.88 

2.n 

2,19 
2.21 

2.3 

o.yd 
Co.O. 

101 
81 
61 

38 

6,70 
5,50 
4,34 
3,10 

6.7 
6,8 
7,2 
7,1 

Vielleicht  vermiacht 
anderen  Oxydatioi 

stufen. 
Xielit  reinaiient. 

Kobaltchlörid 
CoCl, 

100 
60 
60 
38 

1,43 

1,13 
0,83 
0.53 

1,43      ' 

1.41 

1,39 

1,40 

Enthielt  Ki^-atellwat 
Nicht  rerotiiient 

Nickeloxydul 
NiO 

100 
80 

eo 

39 

1,04 

0,82 
0,61 

0,40 

1.04 
1,03 
1,01 

1.04      j 

EulhBlt    wahrachein 
Doch  andere  Oxydati 
Btufen. 

Nickebiyd 
Ki,0. 

100 
80 
60 
38 

0.763 

0,575 
0,430 
0,291 

0,76 
0,72 

0,71                 ; 

0,76        ; 

Wie  oben. 

OroamoDDitr&t 

Ce(NO.). 
+  2  (SHJNO, 

100 

80 
60 
38 

0,130 
0,102 
0,076 
0,050 

0,13      1 
0,13      { 
0,18      , 

o,,8  ; 

Nicht  remanent. 

oiyd 
Pr,0, 

100 

80 
60 

0,512 
0,392 
0,298 

0,51 
0,49 
0.50 

Nicht  remaaent. 

MagneHnrungizalden  anorganUcHer  Ferbinduftfftn.       259 


ibrisns 

10-6.  itf'.       p 

iiw-jI. 

Bemerkungen 

jmoxjä 

100 
79 
S8 
38 

1  0,291 
1  0,217 
j  0,167 
1  0,111 

0,29 
0,28 

0,29 
0,29 

Entbült  Dscb  der  Angabe 
des    Hm.   B.  Brauner 
noch  etwa  3  Pnie,  Pr,0,. 

WfiiBBBs  i-ulver. 

Nicht  remanent 

■at 
0,). 

101 
82 
61 
3& 

1  0,313 
1  0,2*4 
1  0,183 
1  0,128 

0,31 
0,30 
0,90 
0,82 

Rosa  Pulver. 
Nicht  remanent. 

moiyd 

100 

80 
60 
38 

B,82 

'  5,n 

,  3.35 

8,8 

8,7 
8,« 

Besonders  rein.  Präparat 

voQ  Hrn.  P.  T.  Cleve. 

Rom  Pulver. 

moryd 

100 
80 

z 

0,132 
)  0,102 
0,077 
0.052 

0,13 
0,13 
0,18 
0.14 

Altes  Präparat,  GemUch 

verwanrtWr  Erden, 

Gelbbraunes  Pulver. 

Nicht  remanent. 

ffloitrat 
H.0 

100 
»0 

60 

2,23 
'  1,78 

■0,78 

2,2 
2,2 
2,2 
2,2 

Ana  dem  Oiyd  von  Hrn. 
P.  T.  Cleve. 
Rosa  Kryetalle. 

unoiyd 

101 
81 
61 

88 

1  0,175 
1  0,136 
i  0,101 
1  0,066 

0,17 
0,17 
0,17 
0,17 

Weises  Pulver  von  Hrn. 
B.  Brauner. 

WttnKijyd 

99 
86 
72 
SS 

[2,66 
,2,17 
!l.88 
ll,83 
|0,98 

2,6 
2,5 
2,6 
2,5 
2,6 

Weisses  Pulver,  etammt 

vonHm.  L.  F.  Nilaon. 

Nicht  remanent. 

Mum- 

100 
80 
60 
86 

!  0,204 
[  0,166 
\  0,114 
1  0,068 

0,20 
0,1» 
0,18 
0,18 

Farblose,  sehr  hygrosko- 
pische Krystttllchen  ans 

Nicht  remanent. 

linimn- 

d 

100 

82 
62 

12,66 
'2,11 
1.69 

2,7 
2,7 
2,6 

9.  f, 

Gelbes  Pulver,  stammt 

von  H.  Marignac, 

Nicht  remanent. 

260 


St.  Met/er. 


Substanz 

10-6.  If* 

P 

^^^-/« 

Bemerkungen 

■ 
Gadolinium- 

nitrat 

Gd(N0a)3  (?) 

100 

80 
60 
38 

0,422 
0,330 
0,249 
0,161 

0,42 
0,41 
0,42 
0,42 

(  Aus  dem  vorhergehoa- 

den  gewonnen. 

Weisse,  nadelformige 

Rryställchen. 

Nicht  remanent 

'  Aus    dem    Sa,0,,    das 

' 

101 

0,438 

0,43 

von  Hm.  P.  T.  Cleve 

Samariumnitrat 

81 

0,388 

0,42       1 

stammte. 

Sa(NO,),  (?) 

60 

0,250 

0,42 

Weisse  Rryställchen 

. 

38 

0,163 

0,43 

mit  gelblichem  Stich. 
Nicht  remanent. 

Metallisches  graues 

Beryllium 

100 

1,021 

1,02 

Pulver  von  Merck   in 

Be 

72 

0,817 

1,13 

Darmstadt 

38 

0,577 

1,52 

Nicht  merklich 

remanent 

Amorphes    dunkel- 

Bor 

100 

0,067 

0,067 

braunes   Pulver    von 

B 

71 

0,053 

0,074 

H.  Moissan-Paria. 

u 

38 

0,039 

0,103 

Nicht  merklich 
remanent 

Die  MagnetisiruDgszahl  erweist  sich  sonach  bei  den  an- 
geführten sehr  stark  magnetischen  Verbindungen  im  allgemeinen 
als  von  der  Feldstärke  im  Bereiche  von  rund  6000  bis  10000 
(C.G.S.)  völlig  unabhängig. 

Die  einzige  Ausnahme  bildet  Eisenoxyd  (Fe203),  das  eine 
entschiedene  Abnahme  von  k  mit  wachsender  Feldstärke  an- 
zeigt. Bei  den  Kobaltoxyden  scheint  ebenfalls  eine  Andeutung 
gleichen  Ganges  vorzuliegen,  doch  fallen  hierbei  die  Werthe 
zu  nahe  den  Fehlergrenzen,  als  dass  sich  ein  bestimmter 
Schluss  ziehen  Hesse. 

Das  Eisenoxyd  zeigte  sich  auch  etwas  remanent  magnetisch, 
während  alle  übrigen  Verbindungen  nicht  die  geringste  Ver- 
schiedenheit vor  und  nach  der  Magnetisirung  mit  der  Waage 
erkennen  Hessen. 

Im  Gegensatze  hierzu  macht  sich  deutliche  Abnahme  des  k 


I 


Moffneäsirunffszahlen  anorganischer  Verbindungen.       261 

bei  den  Elementen  Beryllium  und  Bor  bemerkbar.  Freilich 
Jässt  sich  hier  nicht  erweisen,  wie  stark  dieselben  durch  Bei- 
mischungen yerunreinigt  waren,  doch  scheint  die  Aenderung 
mit  der  Intensität  des  Feldes  so  gross  zu  sein,  dass  sie  wohl 
den  Elementen  selbst  zukommen  dürfte. 

£.  MagnetiBiriingBzahl  und  Atomvolumen. 

Es  wurde  bereits  vielfach  vermuthet,  dass  eine  Abhängig- 
keit der  Susceptibilität  vom  Atomgewicht  der  Elemente  existire, 
so  insbesondere  von  L.  Meyer  und  Th.  Carnelley^)  und 
speciell  auf  die  Möglichkeit  eines  Zusammenhanges  mit  dem 
Atomvolumen  hat  neuerdings  Hr.  J.  Königsberger ^  hinge- 
wiesen. 

Das  nunmehr  vorliegende  Material  über  das  magnetische 
Wesen  der  Elemente  ermöglicht  es  bereits,  genauere  Beziehungen 
aufzustellen.  In  der  beigegebenen  Taf.  II  habe  ich  die  Cnrve 
der  Atomvolumina  aufgezeichnet  und  zwar  bezeichnen  die 
punktirten  Theile  diejenigen  Gebiete,  für  die  nähere  Anhalts- 
punkte fehlen.  L.  Meyer  lässt  hierbei  die  aufsteigende  Spitze 
bei  dem  Atomgewicht  von  ca.  175  weg,  doch  sprechen  viele 
periodische  Eigenschaften  (insbesondere  auch  die  Linienzahlen 
in  den  Spectren  der  Elemente),  sowie  die  kürzlich  von  mir 
vorgenommene  Bestimmung  des  Atomvolumens  des  Erbium^, 
welche  allerdings  infolge  sehr  starker  Verunreinigung  des 
Materiales  ziemlich  unsicher  ist,  entschieden  dafür,  dass  eine 
solche  ünterabtheilung  im  Gebiete  der  seltenen  Erden  zu 
machen  sei. 

Die  +  und  —  Zeichen  geben  den  Para-  bez.  den  Dia- 
magnetismus an,  die  Pfeile  das  Anwachsen  der  betreffenden 
Eigenschaft. 

Es  fällt  sofort  auf,  dass  die  stark  magnetischen  Elemente 
stets  und  nur  in  den  Minimis  und  den  diesen  vorangehenden 
Theilen  der  Curve  Platz  finden.  Eine  bemerkenswerthe  Aus- 
nahme bildet  bloss  der  Sauerstoff,  der  sich  aber,  wie  aus  den 


t 


1)  Vgl.  Lothar  Meyer,  Die  Atome  und  ihre  Eigenschafteo,  6.  Aufl. 
p.  151. 

2)  J.  Königsberger,  Wied.  Ann.  66.  p.  731.  1898. 

8)  St.  Meyer,    Sitzungsber.  d.  k.  Akad.    d.    Wissensch.  zu   Wien 
8.  Juni  1899. 


262  St.  Meyer. 

früher  mitgetheilten  Thatsachen  hervorgeht,  in  den  Verbindungen 
gerade  so  verhält,  als  wäre  er  ein  diamagnetischer  Körper.    ^ 

Die  Stellen  grossen  Atomvolumens  entsprechen  diamagne- 
tischem Verhalten.  Die  Maxima  beider  magnetischen  Qualitäten 
scheinen  aber  gegenüber  den  Extremen  der  Atomvolumencurve 
ein  wenig  nach  links  verschoben  zu  sein. 

Bei  dem  Atomgewicht  von  75,  118,  207  zeigen  sich  Un- 
regelmässigkeiten (secundäre  Minima)  der  Curve.  Die  an  diesen 
Stellen  befindlichen  Elemente  sind  entweder  auffallend  schwach 
diamagnetisch  oder  vielleicht  ganz  schwach  paramagnetisch  (Sn). 

In  der  Gruppe  der  seltenen  Erden  wächst  der  Para- 
magnetismus  allerdings  regelmässig  bis  zum  Gadolinium,  aber 
auch  noch  darüber  hinaus,  im  Erbium  und  Ytterbium  ist  gleich- 
falls stark  magnetisch.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  diese  letzten 
Substanzen  wechselseitig  stark  vermengt  oder  überhaupt  noch 
nicht  einheitlich  sind  und  es  können  sehr  wohl,  trotz  der  er- 
haltenen Resultate,  die  Elemente  mit  dem  Atomgewicht  zwischen 
160  und  180  thatsächlich  diamagnetisch  sein. 

Auch  für  das  Yttrium^)  liegt  nach  seinem  magnetischen 
Verhalten  die  Annahme  nahe,  dass  die  untersuchten  Substanzen 
keine  einheitlichen  waren. 

Bezüglich  der  Gesammtgruppen  der  paramagnetischen 
Elemente  scheint  es,  als  wäre  die  1.  3.  5.  7.(?)  Abtheilung 
stärker  magnetisch  als  die  2.,  4.,  6. 

Mit  der  allgemeinen  Abhängigkeit  vom  Atomvolumen  steht 
es  in  Einklang,  dass  der  Magnetismus  mit  sinkender  Tem- 
peratur (Verkleinerung  des  Atomvolumens)  zunimmt,  sowie 
dass  in  Verbindungen,  wo  das  Volumen  zunimmt,  die  Suscep- 
tibüität  fällt. 

Vor  kurzem*)  haben  die  Herren  F.  Exner  u.  E.  Haschek 
mitgetheilt,  dass  aus  ihren  Messungen  der  Funkenspectra  der 
Elemente  eine  deutliche  Abhängigkeit  der  Linienzahl  vom 
Atomgewicht  erkennbar  ist.  Die  gewonnene  Curve,  welche 
auch  einen  Zusammenhang  mit  dem  Atomvolumen  annehmen 
lässt,  hat  überall  dort  Maxima,  wo  das  Atomvolumen  gering. 


1)  Vgl.  St.  Meyer,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien 
8.  Juni  1899. 

2)  F.  Exner  u.  E.  Haschek,  XVI.  Mitth.  1.  c.  - 


Maffneäsirunffszahlen  anorganischer  Verbindungen.        263 

MiDima,  wo  das  letztere  gross  ist.  Es  scheint  mir  besonders 
beachtenswerth,  dass  auch  hier  die  Extreme  etwas  nach  links 
verschoben  sind,  das  heisst,  die  Maxima  und  Minima  der 
Linienzahlen  gerade  mit  denjenigen  des  Magnetismus  zusammen- 
fallen. 

Wie  aus  jeder  periodischen  Eigenschaft,  so  lassen  sich 
auch  aus  dem  magnetischen  Verhalten  Wahrscheinlichkeits- 
rückschlüsse  auf  das  Atomgewicht  der  Elemente  machen. 

So  lässt  sich  schliessen,  dass  entsprechend  den  neueren 
Bestimmungen  das  Atomgewicht  von  Neodym  ^)  grösser  sei,  als 
dasjenige  von  Praseodym,  dass  hingegegen  dasselbe  von  Nickel 
entgegen  den  neueren  Angaben  grösser  sein  sollte  als  das- 
jenige von  Kobalt.^  Gadolinium  passt  unter  die  Triade  Ru, 
Rh,  Pd. 

Polonium  und  Radium  erwiesen  sich  in  den  Verbindungen 
als  magnetisch.  Wenn  diese  Ergebnisse  nicht  auf  Verun- 
reinigungen mit  einem  bekannten  paramagnetischen  Element 
zurückzuführen  sind,  so  wäre  zu  vermuthen,  dass  diese  beiden 
in  einem  Minimum  des  Atomvolumens  Platz  zu  finden  hätten, 
dass  heisst  ein  Atomgewicht  zwischen  180  und  190  oder  von 
230  aufwärts  haben  könnten. 


Weiteren  Einblick  in  das  magnetische  Wesen  der  Elemente 
versprechen  die  im  Zuge  befindlichen  Untersuchungen  an 
Lösungen  und  Amalgamen. 

Wien,  Physikal.  Inst.  d.  Univ.,  Juni  1899. 


1)  Vgl.  C.  Jones,  Beibl.  23.  p.  205.  1899. 

2)  Vgl.   hierzu   die  Einwände   gegen    diese  Bestimmungen,   welche 
Gl.  Win  kl  er,  Zeitschr.  f.  anor^an.  Chem.  17.  p.  236,  macht. 

(Eingegangen  10.  Juli  1899.) 


14.   Veher  die  Ausströrnungserschelm/wngen  pernior 
nenter  Gase;  von  Robert  Emden. 

(Hlem  Taf.  III M,  Flg.  1—16  ond  Taf.  IT,  DUgramme  A—H.) 
(Auszug  aus  meiner  Habilitationsschrift.) 


Die  eigenthümlichen  Schliereugebilde,  welche  in  einem 
unter  geeignet  grossen  Drucke  ausströmenden  Gasstrahle  auf- 
treten, sind  zuerst  von  E.  Mach  und  P.  Salcher^)  beschrieben, 
eingehender  untersucht  und  als  stationäre  Schallwellen  be- 
zeichnet worden.  L.  Mach^)  hat  diese  Untersuchungen  weiter 
fortgesetzt,  ohne  aber  im  wesentlichen  über  den  Standpunkt 
seiner  Vorgänger  hinausgekommen  zu  sein.  Unabhängig  von 
diesen  Arbeiten  wurden  die  betreffenden  Erscheinungen  auch 
von  anderen  Beobachtern  entdeckt.  Bereits  vor  einer  Reihe 
von  Jahren  wurden  sie  von  B.  v.  Siegsfeld,  mit  Versuchen 
über  Druckluft  in  der  Maschinenfabrik  von  Riedinger  in 
Augsburg  beschäftigt,  wahrgenommen,  photographisch  fixirt 
und  ebenfalls  als  stationäre  Schallwellen  erkannt.  Ich  selbst 
beobachtete  sie  mit  unbewaffnetem  Auge,  als  ich  einen  Strahl 
ausströmender  Luft  sehr  nahe  an  der  Pupille  vorüberstreichen 
liess.  Und  von  neuem  entdeckte  sie  L.  Sohne ke,  mit  Schlieren- 
beobachtungen beschäftigt,  im  Herbst  1897.  Welche  An- 
sichten sich  Sohncke  über  diese  Erscheinung,  die  er  ledig- 
lich constatiren,  aber  nicht  mehr  messend  verfolgen  konnte, 
gebildet  hatte,  ist  mir  nicht  bekannt  geworden.*)  Ein  ein- 
gehenderes Studium  der  Erscheinung  erschien  selbst  mit  Rück- 
sicht auf  die  oben  erwähnten  vorliegenden  Arbeiten  um  so  mehr 
am  Platze,  als  L.  Mach  selbst  seine  Untersuchungen  als  vor- 


1)  Die  Erklärung  der  Taf.  III  befindet  sich  am  Schluss  des  Heftes. 

2)  £.  Mach  u.  P.  Salcher,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch. 
in  Wien.  Mathem.-naturw.  Klasse  98.  Abth.  II.  7.  Novbr.  1889;  Wied. 
Ann.  41.  p.  144.  1890. 

3)  L.  Mach,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  in  Wien.  Mathem.- 
naturw.  Klasse  106.  Abth.  II.    Dec.  1897. 

4)  In  neuester  Zeit  hat  auch  Parenty,  Ann.  de  Chimie  et  de 
Physique  (7)  12.  p.  289.  1897,  in  Strahlen  ausströmenden  Dampfes 
periodische  Dichteänderungen  nachgewiesen.  ^ 


Ausströmung ser scheinungen  permanenter  Gase.  265 

wiegend  qualitative  bezeichnet.     Die  Versuche  von  L.  Mach 
^beschränken  sich  auf  atmosphärische  Luft.     Von  mir  wurden 
^ie  ausserdem  noch  auf  zwei  weitere  sich  möglichst  verschieden 
^erhaltende  Gase,  Kohlensäure  und  Wasserstoff,  ausgedehnt. 

Bevor   wir   ins  Detail  eingehen,  erscheint  es   mir  ange- 
tiracht,  unsere  Aufmerksamkeit  auf  eine  andere  Naturerschei- 
nung zu  richten,  welche  uns  die  im  Luftstrahl  auftretenden  Er- 
scheinungen gleichsam  im  Modell  versinnbildlicht.     In  Flüssen 
mmd  Canälen   nehmen   wir  oft  wahr,    wie   sich   nach  Hinder- 
iiissen,     die    das    strömende    Wasser    zu    überwinden    hatte, 
stationäre    Wellen     bilden,    Stellen    angehäufter    potentieller 
Energie,   die,   quer  über  den  Fluss  gelagert,   ruhig  an  ihrem 
Orte  verharren,  während  das  Wasser  durch  sie  hindurchströmt. 
Bedingung  hierfür  ist  offenbar  die,   dass  sich  diese  Wellen  in 
solcher  Gestalt  entwickeln  können,  dass  sie  sich  im  ruhenden 
Flusse    mit   derjenigen    Geschwindigkeit    fortpflanzen    würden, 
mit  welcher  derselbe  in  Wirklichkeit  durch  sie  hindurchströmt. 
Wir  werden  sehen,   dass   auch  der  Luftstrahl  von  einem   ge- 
wissen  Ueberdrucke  an  stets   mit   derjenigen   Geschwindigkeit 
strömt,  mit  welcher  eine  Schallwelle  sich  in   ihm  fortpflanzt. 
Im  Luftstrahle  sind  dann  die  Bedingungen  gegeben,  dass  sich 
stationäre  Luftwellen,  entsprechend  den  geschilderten  Wasser- 
wellen, bilden  können.     Dass  sie  dann  auch  wirklich  auftreten, 
zeigt  die  Beobachtung. 

I.   Versuche  und  deren  Ergebnisse. 

Die  Druckluftanlage  des  physikalischen  Institutes  besteht 
aus  dem  durch  einen  Gasmotor  getriebenen  Compressor,  welcher 
die  comprimirte  Luft  in  zwei  eisernen,  unter  sich  communi- 
cirenden  Cylindern  von  je  300  1  Inhalt  aufspeichert.  Sie  dürfen 
bis  10  Atmosphären  Ueberdruck  beansprucht  werden.  —  Aus 
den  Reservoiren  wurde  die  Luft  in  ein  grosses  Reducirventil 
geleitet,  das  den  Druck  von  10  Atmosphären  bis  auf  Bruch- 
theile  einer  Atmosphäre  hinunter  constant  zu  halten  und  zu 
messen  gestattet,  und  gelangte  von  da  durch  ein  kurzes,  30  cm 
langes  Schlauchstück  zur  Ausflussdüse. 

Versucht  man  die  Entwickelung  der  im  Strahl  auftreten- 
den Schlierengebilde  in  ihren  ersten  Stadien  zu  verfolgen,  so 
ergiebt  sich  bald,  dass  zu  diesem  Zwecke  die  photographische 


266 


R.  Emden. 


Platte  dem  Auge  ausserordentlich  überlegen  ist.  Die  Platte 
lässt  bei  so  kleinen  Ueberdrucken ,  dass  an  einem  objectiy^ 
entworfenen  Strahlbilde  längst  keine  Structur  mehr  zu  er- 
kennen ist,  solche  noch  deutlich  wahrnehmen.  Die  im  Folgen- 
den wiedergegebenen  Messungen  der  Wellenlänge  wurden  des- 
halb ausschliesslich  auf  photographischen  Platten  (18  X  18  cm) 
ausgeführt,  die  ca.  800  an  Zahl  zu  den  definitiven  Messungen 
hergestellt  wurden. 

Behufs    objectiver    Darstellung    des    Strahlbildes    wurde 
eine  Methode  angewandt,   die,  wie  ich  nachträglich  bemerkte, 


s 


Fig.  1. 


im  wesentlichen  (für  Sonnenlicht)  bereits  von  Dvotä^k^)  be- 
schrieben wurde.  Lässt  man  die  parallel  gemachten  Strahlen 
einer  elektrischen  Lampe  auf  eine  Sammellinse  oder  ein  photo- 
graphisches Object  0  fallen,  in  dessen  Brennpunkt  A  sie  sich 
weiterhin  kreuzen,  so  kann  man  auf  dem  also  beleuchteten 
Projectionsschirme  S  schon  die  Schlieren  ausströmenden  Gases, 
heisser  Luft  etc.  beobachten.  Diese  Versuchsanordnung  (vgl. 
Figur  1)  kann  ganz  ausserordentlich  empfindlich  gemacht 
werden,  indem  man  im  Brennpunkt  A  eine  Blende  mit  kleiner, 
kreisförmiger  OeflFnung  anbringt  und  so  für  möglichst  punkt- 
förmige Beleuchtung  des  schlierengebenden  Gebildes  sorgt.  Die 
Empfindlichkeit  kann  leicht  so  weit  gesteigert  werden,  dass  man 
von  den  Fingerspitzen  der  Hand  erwärmte  Luft  aufsteigen  sieht. 
Brennweite  des  Objectivs,  OeflFnung  der  Blende  bei  A,  Ent- 
fernung   Objectiv — Projectionsschirm    (in    meinen    Versuchen 


1)  V.  DvorÄk,  Wied.  Ann.  9.  p.  502.  1879. 


Äusstromungserscheinungen  permanenter  Gase,  267 


I 


6 — 10  m)  muss  der  zur  Verfügung  stehenden  Lichtmenge,  der 
erforderlichen  Helligkeit  etc.  angepasst  werden,  was  ohne  jede 
Schwierigkeit  in  kürzester  Zeit  gelingt.  Von  grösstem  Einfluss  ist 
aber  der  Abstand  des  schlierengebenden  Gebildes  vomProjections- 
8chirm.  Am  schärfsten  erscheint  die  Zeichnung  des  Luftstrahles, 
wenn  derselbe  sich  nur  wenige,  5 — 15,  Centimeter  vor  dem 
Schirme  befindet.  Das  hat  zwar  den  Vortheil,  dass  die  Länge 
des  Strahls  in  natürlicher  Grösse  sich  abbildet,  lässt  aber  aus 
eben  diesem  Grunde  diese  Anordnung  zur  Demonstration  einem 
grösseren  Auditorium  gegenüber  nicht  zu.    (Ein  Verfahren  für 


7  Meiere 


A 


D 


Fig.  2. 


diesen  Zweck  wird  weiter  unten  angegeben;  vgl.  auch  L.  Mach, 
1.  c.  p.  1028.)  Unterbricht  man  den  Strahlengang  durch 
einen  Momentverschluss,  so  können  nach  diesem  Verfahren 
auch  photographische  Aufnahmen  gemacht  werden  (ein  Theil 
der  WasserstofiFstrahlbilder  wurde  so  hergestellt).  Man  kann 
zu  diesem  Zwecke  aber  weit  einfacher  verfahren,  indem  man 
alle  Linsencombinationen  bei  Seite  lässt  und  dadurch  eine  hin- 
reichend punktförmige  Beleuchtung  des  Strahles  zu  Stande  bringt, 
dass  man  in  grösserer  Entfernung  von  demselben  den  kurzen 
Funken  einer  Leydenerflasche  springen  lässt.  Zweckmässig 
springt  der  Funke  in  Richtung  des  Strahles.  Die  im  Handel 
befindlichen  Platten  sind  hinreichend  empfindlich^)  und  man 
erhält  so  mit  den  allereinfachsten  Hülfsmitteln  Bilder,  die  in 
Bezug  auf  Schärfe  und  Klarheit  der  Zeichnung  den  weit- 
gehendsten Anforderungen  genügen.  Auf  diese  Weise  (vgl.  Fig.  2) 
wurden  die  im  Folgenden  zu  beschreibenden  Strahlbilder  fast 
sämmüich  (die  Ausnahme  ist  bereits  erwähnt)  hergestellt;  also 


% 


1)  Zur  Entwickelung  leistet  starker  Uydrochinonentwickler  vorzüg- 
liche Dienste. 


268  R.  Emden. 

bei  A  der  elektrische  Funke,  bei  P,  in  einem  Abstände  von  ca. 
7  m,  die  photographische  Platte  im  Formate  13  x  18  cm,  und^ 
in  einem  Abstände  von  5 — 15  cm  vor  derselben  der  zu  unter- 
suchende Strahl  D,  Diese  günstigste  Entfernung  des  Strahles 
von  der  Platte,  der  abhängt  vom  Durchmesser  der  Düse,  bez. 
des  Strahles,  kann  sehr  leicht  ermittelt  werden,  indem  man  von 
Ä  aus  den  Strahl  mit  dem  divergirenden  Lichtbündel  einer 
Bogenlampe  beleuchtet  und  die  schärfste  Zeichnung  der 
Schlieren  auf  einem  an  Stelle  der  Platte  P  gesetzten  weissen 
Schirme  sucht.  Der  Gang  der  Versuche  war  demnach  fol- 
gender: Für  einen  mittleren  üeberdruck,  ca.  3 — 4  Atmosphären, 
wurde  für  eine  bestimmte  Düse  auf  die  eben  geschilderte  Art 
und  Weise  der  günstigste  Abstand  des  Strahles  vom  Schirme 
bestimmt.  An  Stelle  des  Schirmes  wurde  dann  die  Platte  ge- 
bracht, was  am  zweckmässigsten  mit  Hülfe  einer  gewöhnlichen 
Kasette  und  eines  photographischen  Apparats  geschieht,  dessen 
Rückseite  dem  Strahle  zugekehrt  wird,  und  wurden  dann  mit 
Hülfe  der  Funkenbeleuchtung  Serienaufnahmen  gemacht,  indem 
man  mittels  des  Reductionsventiles  von  grösseren  zu  kleineren 
Drucken  in  immer  enger  werdenden  Intervallen  herabstieg. 
Die  Ausmessung  der  entwickelten  Platten  ergab  dann  den 
gegenseitigen  Abstand  der  längs  des  Strahls  periodisch  auf- 
tretenden Schlierengebilde  in  (bis  auf  einen  verschwindend 
kleinen,  nicht  messbaren  Fehler)  natürlicher  Grösse. 

Betrachtet  man  das  nach  der  eben  geschilderten  Schlieren- 
methode entworfene  Bild  eines  Strahles  von  Luft,  oder  noch 
besser  Kohlensäure  oder  Leuchtgas,  der  nur  mit  wenigen  Milli- 
meter üeberdruck  einer  Düse  entströmt,  so  sieht  man  den- 
selben als  schlanke  Säule  vom  Durchmesser  der  DüsenöflEnung 
emporsteigen,  unter  günstigen  Umständen  bis  zu  einer  Höhe  von 
30 — 40  Centimetern.  Manchmal  verschwindet  diese  Säule  ohne 
jede  Begleiterscheinung  in  der  Luft,  meistens  ist  sie  von  einer 
kleinen  Wirbelsäule  gekrönt.  Bei  weiterer  Steigerung  des  Druckes 
wird  die  Gassäule  kürzer,  bis  schliesslich  die  Wirbel  unmittelbar 
der  Düsenmündung  trichterförmig  entquellen,  Ist  der  Druck 
auf  circa  ^6  Atmosphäre  gestiegen,  so  kommt  wieder  ein  2  bis 
3  Centimeter  langer,  meistens  sich  ganz  allmählich  verjüngender 
Strahl  zum  Vorschein.  Steigt  der  Druck  weiter,  so  wird  der 
Strahl  deutlicher   und  länger  und   plötzlich  sieht  man  in  ihm 


AusMirÖmungserscheinungen  permanenter  Gase.  269 

in  ziemlich  gleichen  Abständen  helle,  leuchtende;  dünne  Scheib- 
chen auftreten,  die  den  Strahl  senkrecht  durchsetzen^  oft  10 
bis  12  an  Zahl.  Die  ersten  Scheibchen  haben  genau  den 
Durchmesser  der  Düse;  wie  der  Strahl  sich  verjüngt,  werden 
sie  schmäler.  Die  Untersuchung  mit  der  photographischen 
Platte  zeigt,  dass  diese  Scheibchen  schon  bei  Drucken  vor- 
handen sind,  bei  denen  sie  das  Auge  noch  nicht  wahrnimmt. 
(Vgl.  Taf.  lU,  Fig.  1  u.  5.)  Wir  benutzen  zur  weiteren  Beschrei- 
bung die  Figuren  der  Tafel  III.  Bei  weiterer  Drucksteigerung 
wächst  der  gegenseitige  Abstand  dieser  Scheibchen  und  gleich- 
zeitig nimmt  man  wahr,  dass  der  Strahl  zwischen  je  zwei  auf- 
einander folgenden  Scheibchen  sich  schwach  ausbaucht,  während 
sein  Querschnitt  an  den  der  Düse  zunächst  liegenden  Scheib- 
chen dem  Düsendurchmesser  gleich  bleibt,  gegen  das  Strahl- 
ende hin  aber  kleiner  wird.  Diese  Ausbauchungen  nehmen 
immer  mehr  zu,  und  bald  treten  zwischen  den  Enden  je  zweier 
Scheibchen,  sowie  zwischen  dem  ersten  und  der  Düse  zwei 
gerade,  dunkle  Linien  auf,  die  sich  gleichsam  wie  die  Diago- 
nalen eines  Vierecks  kreuzen  (Taf.  III,  Fig.  2  u.  6).  Die 
Ausbauchungen  nehmen  nun  immer  mehr  zu,  gleichzeitig 
krümmen  sich  diese  erst  gerade  auftretenden  Linien  immer  mehr 
nach  aussen,  wodurch  ihr  Schnittpunkt  dem  nächstfolgenden 
Scheibchen  näher  rückt;  das  kleine  Dreieck  oberhalb  des 
Schnittpunktes  scheint  sich  seinem  Umfange  nach  mit  Licht 
anzufüllen.  (Taf.  III,  Fig.  3  u.  7.)  Im  weiteren  Verlaufe 
schneiden  sich  die  erwähnten  Linien  nicht  mehr,  sondern  sind 
an  Stelle  eines  Schnittpunktes  durch  eine  gerade  (Taf.  III, 
Fig.  4  u.  8)  Linie  verbunden,  die  sich,  wie  die  Betrachtung 
der  Vacuumstrahlen  (Taf.  III,  Fig.  14  u.  15)  zeigt,  später  in 
Richtung  des  Strahles  schwach  auszubiegen  scheint.  Der  Cha- 
rakter dieser  bei  den  höchsten  angewandten  Drucken  auf- 
tretenden Schlierengebilde  wird  durch  die  beigefügten  Strahl- 
bilder deutlicher  zur  Anschauung  gebracht,  als  es  die  Be- 
schreibung vermag.  Alle  diese  Erscheinungen  treten,  wie  schon 
bemerkt,  nicht  nur  zwischen  dem  ersten  Scheibchen  und  der  Düse 
auf,  sondern  wiederholen  sich  in  anfangs  gleicher  Grösse,  bis 
der  Strahl  durch  Reibung  an  der  ihn  umgebenben  Luft  Wirbel 
veranlasst  und  sich  in  diesen  auflöst.  Lässt  man  den  Druck 
allmählich  sinken,  so  wiederholen  sich  alle  diese  Erscheinungen 


270  7?.  Emden. 

4 

in  umgekehrter  Reihenfolge,  und  dadurch,  dass  die  Scheibcheu 
sich  gegenseitig  nähern,  hat  man,  wie  auch  L.  Mach  bemerkt^ 
den  Eindruck,  als  würde  der  Strahl  in  die  Düse  zurückkriechen. 
Die  Erscheinungen  sind  also  im  wesentlichen  dieselben, 
wie  in  den  Arbeiten  meiner  Vorgänger,  müssen  aber  nach  meiner 
Auffassung  in  einem  Punkte  anders  ausgelegt  werden.  Es  kann  ja 
wohl  kein  Zweifel  herrschen,  dass  diese  merkwürdigen,  im  Strahl- 
bilde in  regelmässiger  Folge  auftretenden  Gebilde  durch  pe- 
riodische Dichteänderungen  des  Strahles  verursacht  sind*),  so- 
dass wir,  dem  allgemeinen  Sprachgebrauche  folgend,  sagen 
können,  es  treten  in  dem  Strahle  Schallwellen  auf.  Da  diese 
ihre  Stellung  im  Räume  nicht  ändern  (wie  die  Untersuchung 
des  Strahles  bei  Dauerbeleuchtung  zeigt),  so  specialisiren  wir 
sie  als  stationäre  Schallwellen,  als  welche  sie  E.  Mach  schon 
erkannt  hat.  Ihre  Wellenlänge  wird  gemessen  durch  den  Ab- 
stand zweier  aufeinander  folgender,  sich  entsprechender  Punkte 
des  Strahlbildes,  also  durch  den  Abstand  zweier  Scheibchen. 
Ueber  die  Form  dieser  Wellen  bin  ich  jedoch  anderer  Mei- 
nung, wie  E.  und  L.  Mach,  welche  conische  Schallwellen  an- 
nehmen. Ich  halte  vielmehr  dafür,  dass  wir  es  im  Strahle  mit 
ebenen  stationären  Schallwellen  zu  thun  haben,  die  denselben 
in  gleichen  Abständen  quer  zu  seiner  Strömungsrichtung  durch- 
setzen, wie  die  oben  geschilderten  stationären  Wasserwellen 
den  Fluss.  Denn  eine  stationäre  Wellenbewegung  kann  nur 
zu  Stande  kommen  in  einem  Mittel,  das  sich  an  jeder  Stelle 
mit  einer  Geschwindigkeit  bewegt,  die  genau  gleich  und  ent- 
gegengesetzt derjenigen  ist,  mit  welcher  sich  an  jenen  Stellen 
die  Wellen  durch  das  ruhende  Medium  fortpflanzen  würden.*)  Wie 
wir  die  Erschütterungs welle,  die  sich  längs  eines  gespannten 
Drahtes  fortpflanzt,  stationär,  d.  h.  im  Räume  feststehend, 
machen,  wenn  wir  den  ganzen  Draht  mit  der  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  Welle  dieser  entgegen  bewegen,  so  können 
wir  auch  die  in  einer  Luftsäule  sich  fortpflanzenden  Schall- 
wellen stationär  machen,  indem  wir  jene,  in  unserem  Falle 
den  Strahl,  mit  der  betrefi'enden   Schallgeschwindigkeit  ihnen 

1)  Dass  wir  es  nicht  mit  blossen  Trübungen  des  Strahles  zu  thun 
haben,  wird  später  gezeigt  werden. 

2)  Vgl.  H.  Lamb,  Einleitung   in  die  Hydrodynamik.     Deutsch  v. 
Reiff.   Cap.  VIII.  §  152.  p.  258.  ^ 


ÄusstrÖmungserscheinungen  permanenter  Gase.  271 

ren  bewegen.  Der  Umstand,  dass  wir  im  Luftstralile 
\äre  Schallwellen  wahrnehmen,  ist  ein  directer  Beweis 
y  dass  er  an  jeder  Stelle  mit  der  dort  herrschenden 
Geschwindigkeit  strömt.  Durch  eine  einfache  Trans- 
sbewegung  des  Mediums,  als  welche  wir  den  Luftstrahl 
«en,  können  aber  nur  solche  Wellen  stationär  gemacht 
n,  die  sich  nur  in  einer  Eichtung  fortpflanzen,  also  ebene 
n,  nicht  aber  conische,  die  sich  im  Baume  ausbreiten, 
üeberlegungen  machen  es  äusserst  wahrscheinlich,  dass 
s  im  Strahle  mit  ebenen,  nicht  conischen  Wellen  zu  thun 
i,  und  die  Wellenlänge,  die  wir  auf  Grund  dieser  An- 
im  II.  Abschnitt  berechnen,  beweist  durch  ihre  Ueber- 
mmung  mit  den  Messungen  diese  Annahme. 
Die  im  Strahlbilde  auftretenden,  sich  kieuzenden  Linien 
ich  für  eine  Linsenwirkung  des  Strahles,  bei  der  es  auf 
II  äussere  Form  nicht  weniger  ankommt  als  auf  seine 
3  Structur;  sie  kommen  auf  ähnliche  Weise  zu  Stande 
die  Brennlinien  einer  Sammellinse.  Die  Wirkung  des 
les  als  Cylinderlinse  mit  variablem  Querschnitt  und 
blem  Brechungsexponenten  wird  durch  folgende  Ver- 
bewiesen. Wir  beleuchten  den  Strahl  aus  grosser  Ent- 
Qg  mit  einer  kleinen  Lichtquelle.  Bücken  wir  mit  dem 
le  dem  Projektionsschirme  immer  näher,  so  müsste  das 
wenn  es  ii^end  wie  einem  Schatten  entspräche,  immer 
fer  und  deutlicher  werden.  Das  ist  keineswegs  der  Fall; 
i  wir  mit  dem  Strahl  bis  auf  1  cm  Entfernung  an  den 
m  heran,  so  ist  auf  demselben  von  einem  Strahlbilde  über- 
;  nichts  mehr  Wahrzunehmen.  (Es  beweist  dies  zugleich, 
diese  verschieden  hellen  Partien  des  Strahlbildes  nicht 
hren  von  Trübungen  des  Strahles,  etwa  durch  Konden- 
1  von  Wasserdampf.)  Bückt  man  mit  dem  Strahle  vom 
me  weg,  so  fängt  der  Strahl  bei  etwa  2  cm  Entfernung 
mz  schwach  mit  seinem  charakteristischen  Bilde  sichtbar 
erden.  Vergrössert  man  den  Abstand  continuirlich,  so 
it  das  Bild  immer  deutlicher  zum  Vorschein  um  dann 
»r  verschwommener  zu  werden  und  wieder  zu  ver- 
inden.  (Dies  Erscheinen  des  Bildes  wurde  durch  eine 
hl  Photographien  deutlich  zur  Anschauung  gebracht.) 
\  Erscheinungen   können   nur   durch    eine    Linsenwirkung 


272  B.  Emden. 

des  Strahles  erklärt  werden.  Ebenso  deutlich  tritt  dies 
bei  folgendem  Versuche  hervor.  Von  einer  hellen,  kleines^ 
Lichtquelle  fällt  das  Licht  in  1 — 2  m  Abstand  auf  ein  photo- 
graphisches Objectiv  von  45  cm  Brennweite;  hinter  demselben 
befindet  sich  ausserhalb  der  doppelten  Brennweite  der  Auf- 
fangsschirm mit  grossem,  hellem  Gesichtsfeld.  Es  gelingt 
natürlich  leicht,  auf  der  anderen  Seite  des  Objectivs  die  Ebene 
zu  finden,  die  zur  Auffangsebene  conjugiert  ist.  Bringen  wir  in 
diese  Ebene  den  Strahl,  so  erscheint  auf  dem  Schirme  die  Um- 
grenzung der  Düse  in  grösstmöglicher  Schärfe,  von  einem  Strahle 
aber  ist  keine  Spur  wahrzunehmen.  Rücken  wir  den  Strahl  eine 
Kleinigkeit  aus  dieser  Ebene  heraus,  und  zwar  vom  Objectiv 
weg,  so  erscheint  er  (stark  vergrössert)  genau  so  wie  im  Dvof&k'- 
schen  Verfahren,  sodass  sich  diese  Versuchsanordnung  zur 
Demonstration  des  Strahles  in  einem  grösseren  Auditorium 
sehr  wohl  eignet.  Auch  wenn  wir  den  Strahl  in  Kichtung  auf 
das  Objectiv  zu  etwas  aus  jener  Ebene  verschieben,  erscheint 
wiederum  ein  Strahlbild,  aber  mit  dem  Unterschiede,  dass 
die  Vertheilung  von  Hell  und  Dunkel  gerade  entgegengesetzt 
ist,  wie  im  ersten  Falle.  Einer  Linsen  Wirkung  des  Strahles 
haben  wir  es  auch  zuzuschreiben,  dass  wir  das  charakteristische 
Strahlbild  mit  unbewaffnetem  Auge  wahrnehmen,  wenn  wir  ihn 
sehr  nahe  oder  weit  entfernt  von  der  Pupille  vorbeistreichen 
lassen ,  während  wir  dasselbe  in  einer  Entfernung  gleich  der 
deutlichen  Sehweite  nicht  wahrnehmen.  Da  es  unmöglich  ist, 
aus  einem  Linsenbild  Gestalt  und  Brechungsexponent  der 
Linse  zu  bestimmen,  so  ist  die  einzig  zulässige  Interpretation 
der  Strahlbilder  folgende:  Wir  sehen  im  Sti?ahlbilde  längs  dessen 
Axe  ein  und  dieselbe  Schlierenfigur  in  gleichen  Abständen  auf- 
treten; es  wird  deshalb  auch  im  Strahle  längs  dessen  Axe  dieselbe 
Dichteänderung  sich  periodisch  wiederholen,  und  die  Länge  dieser 
Periode,  die  Wellenlänge  dieser  stationären  Schallwellen,  ist 
bei  der  von  mir  getroffenen  Anordnung,  aus  grosser  Entfer- 
nung punktförmig  beleuchteter  Strahl  wenige  Centimeter  von 
der  Platte  entfernt,  gleich  dem  in  Strahlrichtung  gemessenen 
Abstand  gleicher  Punkte  der  aufeinander  folgenden  Schlieren- 
bilder, speciell  der  Scheibchen.  Denn  diese  Stellen  grösster 
Helligkeitsdifferenzen,  die  den  Strahl  senkrecht  durchqueren^ 
dürfen    wir   ansehen    als  eine    Wirkung    der    Stellen   grösster 


• 


Ausströmung ser scheinungen  permanenter  Gase.  273 

Dichteänderung  im  Strahl^  den  Wellenbergen  der  den  Strahl 
quer  durchsetzenden,  ebenen  Schallwellen,  deren  erste  sich  in 
der  DüsenöflFnung  oder  deren  nächster  Nähe  bildet. 


Wir  gehen  nunmehr  über  zur  Darstellung  des  gewonnenen 
Beobachtungsmaterials.  In  allererster  Linie  ist  die  Wellen- 
länge der  im  Strahle  auftretenden  Schallwellen  zu  bestimmen 
als  Function  des  Ausflussdruckes  und  des  Düsendurchmessers 
für  verschiedene  Gase,  bei  meinen  Versuchen  für  atmosphärische 
Luft,  Kohlensäure  und  WasserstoflF.  Von  fundamentaler  Be- 
deutung für  die  Theorie  der  Erscheinung  ist  ferner  die  Be- 
stimmung des  Ausflussdruckes,  bei  dem  sich  diese  Schall- 
wellen zu  entwickeln  beginnen.  Beide  Aufgaben  sind  mit 
genügender  Genauigkeit  gelöst  worden. 

Die  Wellenlänge  X  bestimmt  sich  in  Millimetern  durch 
den  ebenfalls  in  diesem  Maasse  gemessenen  Abstand  zweier 
Scheibchen  auf  der  photographischen  Platte.  Es  wurde  in 
der  Regel  der  Abstand  einer  Anzahl  aufeinander  folgender 
Scheibchen  von  der  Düse  gemessen  und  man  erhielt  so  Werthe 
für  A,  2  X  A,  3  X  A  etc.  Aus  diesen  wurde  dann  das  Mittel 
genommen  und  dabei  alle  Scheibchen  bis  zu  demjenigen  in 
Rechnung  gebracht,  bei  dem  die  Wellenlänge  deutlich  ab- 
nahm, was  früher  oder  später  in  jedem  Strahle  eintritt  und 
wohl  auf  Reibung  des  Strahles  an  der  umgebenden  Luft  zu- 
rückzufuhren ist.  Es  zeigte  sich  ferner,  %ass  der  gegenseitige 
Abstand  der  Scheibchen  gleich  ist  demjenigen  des  ersten 
Scheibchens  von  der  Düsenmündung,  sodass  man  berechtigt 
ist,  dorthin  den  Ort  des  ersten  Wellenberges  zu  verlegen. 
Nur  in  ganz  wenigen  Ausnahmefällen  zeigte  es  sich,  dass  der- 
selbe etwas  weiter  in  der  Düse  zurück  oder  mehr  vor  der- 
selben gelegen  war;  in  letzterem  Falle  war  er  natürlich  direct 
zu  beobachten.  In  beiden  Fällen  wurde  nicht  an  der  Düsen- 
mündung, sondern  am  ersten  Scheibchen  gemessen.  Da  diese 
Scheibchen  manchmal  nicht  ganz  senkrecht  zur  Strahlaxe  lagen, 
wurden  diese  Messungen  stets  an  beiden  Scheibchenenden  aus- 
geführt. Ich  gebe  ein  Beispiel.  Düse  A.  Unter  0,  I,  II  etc. 
ist  die  Lage  der  Düsenmündung  und  des  rechten,  bez.  linken 
Endes  des  1.,  2.  etc.   Scheibchens  in  Millimetern   angegeben. 

Ann.  d.  Phyi.  a.  Chem.    N.  F.    69.  18 


274  R.  Emden. 

Die   Ausmessung   der   Platte,    Nr.    62,   /?  =  8  Atm.   (üeber 

druck),   ergab: 

0  I  II  III  IV  V 

7,65     4,4  12,05     9,05  16,7     13,35  21,0     17,35  25,0     21,45  29,1  mm, 
12,8       4,4  18,2       9,1     22,9     13,2     27,0     17,2     31,0     21,7     35,5  mm, 

;L  =  4,4     2  ;L  =  2  .  4,55     3  X  =  3  .  4,4     4  X  «  4  .  4,3     5  i  =*  5  .  4,3  mm, 

X  =  4,4  mm. 

Man  kann  wohl  annehmen,  dass  die  Fehler  der  Wellen — 
längenmessungen  wenig  mehr  als  0,1 — 0,2  mm  betragen.    Nicht.^ 
so  genau  scheinen  die  Druckbestimmungen  zu  sein,  da  das  durch  _ 
Federkraft  regulirte  Reducirventil  sich  bei  den  höheren  Drucken 
nicht  immer  gleich  einstellte.    Durch  die  grosse  Zahl  der  Beob- 
achtungen ist  dieser  Fehler  so  gut  wie  möglich  eliminirt  worden. 

Für  jede  Düse  wurde  die  Abhängigkeit  der  Wellenlänge  vom 
Ausflussdruck  durch  ein  Diagramm  Taf.  IV  (Diagramme  A—H) 
dargestellt.  Als  Abscissen  sind  die  Angaben  des  Beducirventils^), 
um  1  erhöht,  also  der  in  demselben  wirkende  Druck,  aufge- 
tragen; 1  Atm.  =  1  cm.  (In  den  folgenden  Beobachtungstabellen 
sind  unter  p  die  direct  abgelesenen  üeberdrucke  angef&hrt 
Um  die  Curve  der  Wellenlänge  auf  diese  zu  beziehen,  muss 
deren  Abscissenaxe  um  die  Einheit  nach  rechts  verschoben 
werden.)  Die  X  sind  in  lOfachem  Maassstabe  als  Ordinaten 
aufgetragen,^  Die  so  erhaltenen  Curven  werden  später  dis- 
cutirt  werden.  Aus  den  Diagrammen  ist  ersichtlich,  dass 
durch  eine  äusserst  geringe,  0,1  Atm.  =  1  mm  kaum  über- 
steigende Extrapolation  der  Schnittpunkt  dieser  Curven  mit  der 
Abscissenaxe,  der  Ort  der  Wellenlänge  Null,  sehr  genau  be- 
stimmt werden  konnte,  also  auch  der  Druck,  bei  dem  sich 
die  Wellen  im  Strahle  zu  entwickeln  beginnen.  Zur  Sicher- 
heit wurden  stets  noch  photographische  Aufnahmen  bei  einem 
0,05 — 0,1  Atm.  niederen  Drucke  gemacht,  aber  in  keinem 
Falle  konnte  eine  Andeutung  von  Wellen  wahrgenommen 
werden.  Dieser  kritische  Druck  spielt  in  der  Theorie  eine 
fundamentale  Rolle;  durch  das  geschilderte  Verfahren  konnte 
er  mit  grösster  Genauigkeit  ermittelt  werden. 

Zur  Verwendung  kamen  acht  verschiedene  Düsen.  Die 
Düsen   A,  B,  C,  D   sind  schwach  conische,  vorne  mit  scharfem 


1)  Der  Nullpunkt  des  Manometers  liegt  bei  />  =  1. 

2)  Taf.  IV  giebt  die  Originalcurven  stark  verkleinert  wieder. 


Ausströmungserscheinungen  permanenter  Gase,  275 


^fiande  versehene  Messingdüsen  von  den  Durchmessern  3,63, 
-2,65,  1,48  u.  0,3  mm. 

EvL  F  sind  Flachdüsen.  Die  Deckplatte  bei  E  ist  0,1  mm 
starkes  Eisenblech,  der  Durchmesser  der  Oeflfnung  3,95  mm. 
IBei/'ist  die  Deckplatte  ein  bedeutend  dickeres,  0,75  mm  starkes 
Messingscheibchen,  der  Durchmesser  der  Oeffnung  2,72  mm.  Die 
Düsen  G  u,  //,  die  bei  den  Vacuumstrahlen  in  Verwendung 
kamen,  sind  wiederum  conische  Düsen  von  den  OeflFnungsdurch- 
messem  3,5  u.  2,9  mm. 

I.  Atmosphärische  Luft,  Angewandt  wurde  gewöhnliche 
atmosphärische  Luft.  Ein  Trocknen  derselben  war  in  Anbetracht 
der  ausserordentlich  grossen  zur  Verwendung  kommenden  Luft- 
mengen nicht  gut  möglich.  Doch  war  vor  den  grösseren 
Reservoiren  ein  kleineres  eingeschaltet,  in  dem  sich  mitgerissenes 
Oel  der  Pumpe  und  wohl  auch  ein  Theil  der  Feuchtigkeit 
niederschlagen  konnte.  Eine  Trübung  des  Strahles  durch 
condensirtes  Wasser  oder  gar  Eis  war  nie  bemerkbar. 

In  den  Diagrammen  der  Wellenlänge  sind  die  Messungen, 
die  sich  auf  atmosphärische  Luft  beziehen,  mit  liegenden 
£[reuzchen  x  eingetragen;  jedes  Ereuzchen  ist  durch  Aus- 
messung einer  photographischen  Platte  gewonnen.  Jedes 
Diagramm  ist  mit  dem  Buchstaben  der  entsprechenden  Düse 
gekennzeichnet.     Die  Messungen  ergaben: 

Diagramm  A, 
DüsendurchmesBer  3,63  mm.     Entfernung  Düse-Platte  =15  cm. 


Nr. 

p  (Ueberdruck) 

X  mm 

Nr. 

p  (Ueberdruck) 

X.  mr 

Platte 

in 

Atm. 

der  Platte 

in  Atm. 

n  UIL 

56 

7 

7,0 

68 

1,9 

2.85 

57 

6 

6,8 

69 

1,8 

2,55 

58 

5 

6,32 

70 

1,7 

2,58 

59 

4,5 

6,06 

71 

1,6 

2,15 

60 

4 

5,67 

72 

1,5 

1,9 

61 

3,5 

5,28 

73 

1,4 

1,42 

62 

3,0 

4,4 

74 

1,3 

1,15 

63 

2,8 

4,8 

75 

1,2 

0,7 

64 

2,6 

4,05 

76 

1,1 

? 

65 

2,4 

3,8 

77 

1,0 

* 

66 

2,2 

3,28 

78 

0,9 

* 

67 

2,0 

2,95 

I 


Nichts  mehr  wahrzunehmen. 


18* 


276  R.  Emden. 

Die  Curve  schneidet  die  Abscissenaxe  bei  einem  Druck 
von  2,2  Atm.  =  1,2  Atm.  Ueberdruck. 

Diagramm  B, 
Düsendurchmesser  d  »  2,65.     Entfernung  Düse-Platte  —  15  cm. 

Die  Cnrve  der  Wellenlängen  schneidet  die  Abscissenaxe 
bei  1,9  Atm.   =  0,9  Atm.  ueberdruck. 

Diagramm  C, 
Düsendurchmesser  1,48  mm.     Enfemung  Düse-Platte  5  cm. 

Die  Curve  der  Wellenlängen  schneidet  die  Abscissenaxe 
bei  1,9  Atm.   =0,9  Atm.  Ueberdruck. 

Diagramm  D. 
Düsendurchmesser  0,3  mm.    Entfernung  Düse-Platte  6  cm. 

Die  Curve  der  Wellenlänge  schneidet  die  Abscissenaxe 
bei  1,9  Atm.   =0,9  Atm.  Ueberdruck. 

Diagramm  E, 
Flache  Düse  d  ~  3,95  mm.     Entfernung  Düse- Platte  =15  cm. 

Die  Curve  der  Wellenlängen  schneidet  die  Abscissenaxe 
bei  2  Atm.   =  1  Atm.  Ueberdruck. 

Diagramm  F. 
Flache  Düse  rf  =  2,72  mm.     Entfernung  Düse-Platte   =  15  cm. 

Die  Curve  der  Wellenlängen  schneidet  die  Abscissenaxe 
bei  1,9  Atm.   =0,9  Atm.  Ueberdruck. 

Diese  Wellenlängen  für  atmosphärische  Luft  wurden  durch 
Ausmessung  von  104  photographischen  Platten  gewonnen;  für 
die  später  zu  besprechenden  Vacuumstrahlen  kommen  noch 
28  Platten  hinzu. 

//.  Kohlensäure.  Zur  Verwendung  kam  die  gewöhnliche 
flüssige  Kohlensäure  des  Handels.  Es  erwies  sich  als  nicht 
praktisch,  dieselbe  mit  Hülfe  des  Reducirventils  direct  den 
Cylindern,  in  denen  sie  geliefert  wird,  zu  entnehmen.  Auch 
wäre  die  gasförmige  Kohlensäure  dann  sicherlich  unter  anderen 
Temperaturbedingungen  gestanden,  wie  die  erst  verwendete 
atmosphärische  Luft.  Deshalb  wurden  die  grossen  Luftreservoire 
mittels  einer  Wasserstrahlpumpe  möglichst  evacuirt,  mit  etwas 


ÄusstrÖmungserscheinungen  permanenter  .Gase.  277 

Kohlensäure  angefüllt  und  dieser  Ausspülungsprocess  zweimal 
^ederholt.  Schliesslich  Hess  ich  Kohlensäure  bis  zu  10  Atm. 
^ruck  einströmen  und  stellte,  so  oft  als  nöthig,  diesen  Druck 
^eder  her.  Im  übrigen  wurden  die  Messungen  auf  dieselbe 
^rt  und  Weise  vorgenommen,  wie  bei  Luft.  In  die  bereits 
ir  Luft  vorgelegten  Diagramme  sind  die  für  Kohlensäure  er- 
mittelten Wellenlängen  mit  senkrechte  Kreuzchen  +  eingetragen, 
^s  ergaben  sich: 


Diagramm  A. 

d  =s  3,63  mm. 

Entfernung  Düse-Platte  = 

-  15  cm. 

Nr. 

p  (üeberdruck) 

l  mm 

Nr.         p 

(üeberdruck) 

l  mn 

er  Platte 

in  Atm. 

der  Platte 

in  Atm. 

211 

7,5 

7,95 

216 

2,1 

2,9 

212 

6 

6,8 

217 

1,6 

1,75 

218 

5 

6,1 

218 

1,3 

1 

214 

4 

5,5 

219 

1,1 

— 

215 

3,1 

4,5 

220 

0,9 

— 

Die  Curve  dieser  Wellenlänge  fällt  vollständig  zusammen  mit 
ierjenigen,  die  wir  bereits  für  atmosphärische  Luft  gefunden. 
Die  Wellenlänge  der  in  Kohlensäure  und  Luft  auftretenden 
tationären  Schallwellen  ist  dieselbe  unter  gleichen  Bedingungen. 
)iese  Schallwellen  beginnen  sich  bei  beiden  unter  Benutzung 
ler  Düse  A  bei  1,2  Atm.  üeberdruck  zu  entwickeln. 

Diagramm  B, 
Düsendurchmesser  d  =  2,65  mm.     E  =  1  cm. 

Die  Curve  der  Wellenlänge  fällt  wiederum  vollständig  mit 
ler  für  Luft  gefundenen  zusammen;  ihr  Schnittpunkt  mit  der 
Ibscissenaxe  liegt  ebenfalls  bei  1,9  Atm.  =  0,9  Atm.  üeber- 
[ruck. 

Da  sich  für  Kohlensäure  und  Luft  diese  völlige  üeberein- 
timmung  der  Wellenlängen  ergeben  hatte,  wurden  die  Mes- 
ungen  für  Kohlensäure  an  den  übrigen  Düsen  nicht  mehr 
oit  dieser  Vollständigkeit  durchgeführt.  Es  wurden  die  Mes- 
ungen  nur  noch  bei  tieferen  Drucken  vorgenommen,  um  die 
ür  die  Theorie  in  erster  Linie  maassgebende  Grösse,  den 
(chnittpunkt  der  Wellenlänge  mit  der  Abscissenaxe  zu  prüfen. 


278  R.  Emden. 

Diagramm   (7. 
d  »  1,48  mm.     E  -  2,5  cm. 

Diagramm  D. 
d  =  0,8  mm.     E  «  2,5  cm. 

Diagramm  F, 
Ebene  Dflse,  d  «  2,72  mm.     E  —  2,5  cm. 

In  allen  drei  Diagrammen  ist  dieselbe  Uebereinstimmung 
zwischen  Kohlensäure  und  Luft  vorhanden,  und  der  betreffende 
Schnittpunkt  liegt  bei  1,9  Atm.  =  0,9  Atm.  Ueberdruck. 

Zu  diesen  Messungen  wurden  33  Aufnahmen  gemacht 
und  ca.  20  Kilo  Kohlensäure  verbraucht. 

IIL  Wasserstoff,  Derselbe  war  nicht  chemisch  rein,  hatte 
aber  immerhin  ein  specifisches  Gewicht  von  nur  0,12  (statt 
0,069).  Aus  den  schon  bei  den  Versuchen  mit  Kohlensäure 
auseinandergesetzten  Gründen  war  es  nicht  angezeigt,  denselben 
direct  den  Stahlcylindem,  in  denen  er  unter  150  Atmosphären 
Druck  geliefert  wurde,  zu  entnehmen.  Vielmehr  wurden  wie 
dort  die  Luftreservoire  ausgepumpt,  mit  Wasserstoff  ausgespült 
und  schliesslich  bis  10  Atmosphären  Druck  mit  demselben  an- 
gefüllt. Die  Resultate  der  Messungen  sind  in  den  bereits  für 
Luft  und  Kohlensäure  angelegten  Diagrammen  mit  kleinen 
Kreisen  eingetragen. 


Diagramm 

B. 

d  = 

2,65  mm. 

^: 

=  25  cm. 

Nr. 

V 

(Ueberdruck) 

l.  mm 

Nr. 

p  (Ueberdruck) 

X  roi 

der  Platte 

in  Atm. 

der  Platte 

in  Atm. 

243 

6,5 

5,75 

248 

2,1 

2,75 

244 

5 

5,0 

249 

1,85 

2.31 

245 

4 

4,5 

250 

1,6 

1,80 

246 

8.1 

4,0 

251 

1,35 

1,0 

247 

2,6 

3,4 

252 

1,1 

* 

*  Platte 

verunglückt. 

Die  so  erhaltenen  Photogramme  unterscheiden  sich  von 
den  entsprechenden  bei  Luft  insofern,  als  der  Strahl  von 
kräftigen  Wirbeln  umhüllt  ist,  die  der  grossen  Dichtigkeits- 
diflferenzen  wegen  hier  besonders  stark  hervortreten.  Diese 
Wirbelbilder,  die  schon  bei  Kohlensäure  sehr  kräftig  hervor- 
treten, sind  hier  so  stark  entwickelt,   dass  sie  das  eigentliche  A 


Ausströmung ser scheinungen  permanenter  Gase,  279 


Strahlbild  fast  vollständig  verdecken  und  nur  wenige  Wellen 
^  zu  deren  Längenmessung  frei  lassen.  E.  und  L.  Mach  haben 
nun  ein  sehr  sinnreiches  Mittel  angegeben,  den  Strahl  aus 
dieser  Umhüllung  herauszuschälen.  Vergrössert  man  die  Be- 
lichtungsdauer, so  integrirt  man  gleichsam  über  diese  rasch 
und  regellos  wirbelnden  Gebilde,  während  das  stationäre  Strahl- 
bild darunter  nicht  leidet.  Es  wurde  deshalb  die  bereits  früher  • 
beschriebene  Versuchsanordnung  gewählt,  der  Funke  durch 
das  auf  eine  kleine  Blende  concentrirte  Bogenlicht  ersetzt  und 
das  Lichtbündel  durch  einen  sehr  raschen  Momentverschluss 
unterbrochen.  Dadurch  werden  die  Wellen  auf  eine  bedeu- 
tend längere  Strecke  hin  messbar  gemacht;  die  Wirbel  sind 
verschwunden. 

Die  Messungen  ergaben  in  diesem  Falle: 


Nr. 

der  Platte 

p  (Ueberdr.) 
in  Atm. 

k  mm 

Nr.       p  (Ueberdr.) 
der  Platte    in  Atm. 

253 

6,5 

5,9 

257 

2,1           2,7     1 

254 

5 

5,o[i7=15 

258 

1,6           2,38   Ii7=15 

255 

4 

4,6  f    cm 
4,0J 

259 

1,35        1,82   1    cm 

256 

3,1 

260 

1,1        0,8-0,9 

Die  Wellenlängen  stimmen  für  Dauerbeleuchtung  und 
Funkenbeleuchtung  so  sehr  überein,  dass  2  mal  zwei  Kreis- 
chen zur  vollständigen  Deckung  gelangen.  Femer  wird  be- 
stätigt, was  wir  schon  nach  dem  Verhalten  der  Kohlensäure 
zu  seh  Hessen  erwarten  konnten:  Die  Curve  der  Wellenlängen 
fällt  auch  für  Wasserstoff  vollständig  mit  derjenigen  für  Luft 
und  Kohlensäure  zusammen^  wie  bei  jenen  ist  auch  ihr  Schnitt' 
punkt  mit  der  Äbscissenaxe  bei  1,9  Atm,  Unter  gleichen  Be* 
dingungen  besitzen  die  in  Luft-,  Kohlensäure-  und  Wasserstoff- 
strahlen  auftretenden  stationären  Schallwellen  dieselbe  Wellenlänge, 
Was  fiir  diese  eine  Düse  gefunden,  bestätigt  sich  auch  bei  den 
übrigen. 

Diagramm  C 
d  =  1,48  mm.     £"  =  20  cm. 

Die  Curve  Cällt  vollständig  mit  der  für  Luft  und  Kohlen- 
säure  zusammen;    der  betreffende  Schnittpunkt  liegt  auch  bei 
^1,9  Atm.  =  0,9  Atm.  Ueberdruck. 


280  R.  Emden. 

Diagramm  D, 
d  *=  0,3  mm.     £  =  17  cm. 

Verhältnisse    dieselben    wie   bei   Luft    und   Eohlensäu 
Schnittpunkt  bei  1,9  Atm. 


Diagramm  A, 
d  =  3,63  mm.     i?  =  40  cm. 

Dieselben  Verhältnisse  wie  bei  Luft  und  Kohlensäuren 
Schnittpunkt  bei  22  Atm.  =  1,2  Atm.  Ueberdruck. 

Zur   Verwendung    kamen    ca.    15  000   Liter   WasserstoflT^ 
dabei   wurden   36  photographische   Wellenlängebestimmungen 
vorgenommen. 

Wir  haben  somit  zwei  Hauptresultate  unserer  Unter- 
suchungen gewonnen: 

1.  Strömt  Luft,  Kohlensäure  oder  IVasserstoff  unter  gleichem 
genügend  grossen  Ueberdrucke  aus,  so  haben  bei  derselben  Düse 
und  demselben  Drucke  die  in  den  Ausflussstrahlen  auftretenden 
stationären  Schallwellen  in  diesen  Gasen  dieselbe   ff  ellenlange. 

2.  Der  Ausflussdruck,  bei  dem  sich  diese  stationären  Schall' 
wellen  zu  entwickeln  beginnen,  ist  für  Luft,  Kohlensäure  und 
Wasserstoff  derselbe  und  zwar  gleich  0,9  Atm,  Ueberdruck  gleich 
1,9  Atm,  Ausflussdruck, 

Ordnen  wir  die  Gase  nach  der  sie  in  erster  Linie  cha- 
rakterisirenden  Grösse,  der  Dichte,  oder  was  beinahe  aut  dasselbe 
hinaus  kommt,  der  Schallgeschwindigkeit,  so  erhalten  wir  eine 
Reihe,  an  deren  Enden  Kohlensäure  und  Wasserstoff  stehen, 
während  Luft  ungefähr  in  der  Mitte  liegt.  Mit  grösster  Wahr- 
scheinlichkeit können  wir  wohl  die  für  diese  drei  Gase  gefundenen 
Gesetze  auch  auf  die  übrigen  Gase  ausdehnen  und  erhalten 
das  Gesetz,  das  wir  im  folgenden  Capitel  theoretisch  ableiten 
werden : 

Die  in  den  Ausflussstrahlen  aller  Gase  auftretenden,  stationären 
Schallgebilde  haben  innerhalb  der  Beobachtungsgrenzen  unter  sonst 
gleichen  Umständen  dieselbe  ff  ellenlange  und  beginnen  sich  bei 
denselben  Ausflussdrucken  von  1,9  Atm,  =  0,9  Atm.  Ueberdruck 
zu  entwickeln,  m 


AusstrSmungserscheinungen  permanenter  Gase.  281 

Wir  gehen  über  zur  analytischen  Formulirung  dieser 
W'ellenlängencurven,  und  werden,  um  uns  später  nicht  wieder- 
holen zu  müssen,  die  für  Vacuumstrahlen  erhaltenen  Curven 
(^  und  H  in  diese  Betrachtungen  einschliessen.  Sie  entsprechen 
zwei  conischen  Düsen  von  3,5  bez.  2,9  mm  Durchmesser.  Als 
A^bscissen  sind  aufgetragen  der  Quotient  des  Druckes  (nicht 
Ueberdruckes)  im  Reductionsventil  und  des  Aussendruckes,  der 
init  abnehmendem  Ausflussdrucke  sich  rasch  dem  Normal- 
drucke 1  näherte  (darüber  siehe  später).  Auch  die  beiden 
Curven  G  und  H  schneiden  die  Abscissenaxen  bei  1,9  Atm. 

Es  zeigt  sich  nun,  dass  die  sämmtlichen  Curven  Ä  bis  H 
Parabeln  sind  und  sich  mit  grösster  Genauigkeit  darstellen 
lassen  durch  die  Gleichung 


}.  ==  Z.^p  —  p^   {X  in  Millimetern,  die  p  in- Atm.  gemessen) 

wenn  wir  mit  /?k'  den  kritischen  Druck  bezeichnen,  welcher  der 
Wellenlänge  Null  entspricht,  den  Schnittpunkt  derCurve  mit  der 
Abscissenaxe.  Die  Constante  Z  wechselt  selbstverständlich  mit 
der  Düse.  Ich  berechnete  diese  Constante  so,  dass  die  Wellen- 
längencurve  für  eine  bestimmte  Düse  sich  den  Beobachtungen 
möglichst  gut  anschmiegend  gezeichnet  und  unter  Benutzung 
der  Parabelgleichung  aus  einer  Anzahl  Punkten  derselben  Z  be- 
stimmt wurde;  aus  diesem  Z  warde  schliesslich  das  Mittel 
gebildet.  Wie  die  folgende  Tabelle  lehrt,  ordnen  sich  diese  Z 
in  derselben  Reihenfolge,  wie  die  Durchmesser  d  der  zugehörigen 
Düsen.  Wir  zerlegen  deshalb  ^  in  ^.d  und  schreiben  die 
Gleichung  der  Wellenlänge 


l  =  J^d^p  -^pv 

und  machen  die  Gleichung  stimmend  in  Bezug  auf  die  Dimen- 
sionen, indem  wir  rechts  durch  ]/jö7>  /^i  =  1  Atm.  dividiren  und 
j  als  reine  Zahl  betrachten.     Wir  erhalten 


=  aV"' 


und  stellen  die  Werthe    von  d^  Z^  j  und  p^  in   einer  kleinen 
Tabelle  zusammen. 


282 


R,  Emdefim 

äse 

e^mm 

Z 

h 

Pv  Atm. 
(Ueberdr.) 

p^iPty 

Ä 

3,63 

8,20 

0,88 

1,2 

2,2 

B 

2,65 

2,46 

0,93 

0,9 

1,9 

C 

1,48 

1,52 

1,02 

0,9 

1,9 

D 

0,3 

0,285 

0,93 

0,9 

1,9 

E 

3,95 

3,16 

0,80 

1,0 

2,0 

F 

2,72 

2,46 

0,91 

0,9 

1,9 

0 

3,5 

2,85 

0,79 

0,9 

1,9 

E 

2,9 

2,34 

0,77 
Mittel  0,88 

0,9 

1,9 

Mit  Hülfe  dieser  Werthe  von  j  und  pi,*  sind  unter  Zu- 
grundelegung der  angegebenen  Gleichung  für  X  die  in  die 
Diagramme  A  und  H  eingezeichneten  Curven  construirt. 
Die  X  werden  so  selbst  bis  zu  Drucken  von  18  Atm.  hinauf 
mit  grosser  Genauigkeit  wiedergegeben.  Eine  Abhängigkeit 
der  Coefficienten  j  vom  Düsendurchmesser  ist  nicht  er- 
kennbar, trotzdem  diese  von  0,8  mm  bis  beinahe  4  mm,  die 
Düsenö£fnungen  wie  die  Quadrate  dieser  Grössen  variiren. 
Dieser  Coefficient  scheint  deshalb  in  seiner  Abweichung  von 
dem  Mittelwerthe  nicht  sowohl  von  dem  Durchmesser  der  Düse, 
als  von  der  Gestalt  derselben  beeinflusst  zu  sein,  von  der  Politur 
derselben  etc.  Rechnen  wir  mit  dem  Mittelwerthe  j  =  0,88. 
so  erhalten  wir  noch  immer  sehr  annehmbare  Werthe  für  il, 
die  sich  von  %den  wirklich  beobachteten  nur  um  wenige  Zehntel 
Millimeter  unterscheiden. 

Der  kritische  Druck  7?^/  hat  bei  sechs  Düsen  denselben  Werth, 
1,9  Atm.,  bei  den  zwei  grössten  Düsen  2.0  und  2,2  Atm.  Die 
Theorie  ergiebt,  wie  sich  zeigen  wird,  den  Werth  1,90  Atm., 
der  bei  den  verschiedenen  Gasen  nur  in  ganz  geringem,  bei  den 
Messungen  verschwindendem  Grade  noch  von  dem  Verhältniss 
der  specifischen  Wärmen  abhängt,  nicht  aber  vom  Düsendurch- 
messer. Die  beiden  nur  unbedeutend  grösseren  Werthe  von 
/?k',  die  wir  bei  den  grössten  Düsen  finden,  sind  wohl  dadurch 
beeinflusst,  dass  wir  die  Oeffnungen  derselben  gegen  die 
Durchbohrungen  und  Canäle  des  Reducirventiles  nicht  mehr 
ganz  vernachlässigen  dürfen.  Diesem  Umstände  ist  es  zuzu- 
schreiben, dass  unmittelbar  hinter  der  Düsenöfifnung  ein  etwas 
kleinerer  Druck  herrscht,  als  im  Eeducirventil,  wir  also  durch  ^ 


Ausströmung ser scheinungen  permanenter  Gase.  283 


^  ^ie  Angabe  des  letzteren  etwas  zu  grosse  Werthe  flir  /?  —  p^. 
pP^fhalten,  ein  Fehler,  der  sich  nur  bei  den  kleinsten  Werthen 
f  ^on  l  bemerkbar  macht.  Dass  die  Flachdüse  vom  Durch- 
messer 3,95  mm  ein  kleineres  p^'  (2  Atm.)  liefert  als  die  conische 
I)üse  von  Durchmesser  3,63  mm  (;?*/  =  2,2  Atm.),  rührt  daher,  dass 
Ausflussversuche,  auf  die  wir  im  nächsten  Capitel  zu  sprechen 
kommen  werden,  ergaben,  dass  Flachdüsen  unter  ganz  denselben 
l)rucken  ausserordentlich  viel  weniger  Gas  ausströmen  lassen, 
als  conische  Düsen,  so  dass  die  oben  erwähnte  Fehlerquelle 
sich  bei  letzteren  stärker  fühlbar  macht. 

Da  die  DiflFerenz  p^pv  dieselbe  bleibt,  wenn  wir  jedes 
Glied  um  die  Einheit  erhöhen  oder  vermindern,  so  ist  es  gleich- 
gültig, ob  wir  für  p  und  pyf  die  üeberdrucke  oder  die  wirklichen 
Ausflussdrucke  einsetzen.  Wir  erhalten  so  für  A  die  genügend 
genauen,  bequemen  Formeln 


A.=  0,88  (/j/p- 0,9 


A  =  0,88  £/]//?  -  1,9, 

je  nachdem  wir  unter  p  den  Ueberdruck  oder  Ausflussdruck 
verstehen.  Für  kleine  \  sind  für  die  Düse  A  und  E  statt  0,9 
und  1,9  einzusetzen  1,2  und  2,2,  bez.  1,0  und  2,0. 

Wir  haben  bis  jetzt  die  Wellenlängen  betrachtet  in  ihrer 
Abhängigkeit  vom  Druck  und  Düsendurchmesser.  Es  wäre 
nun  sehr  wohl  denkbar,  dass  diese  Schwingungen  im  Strahl 
beeinflusst  sind  durch  Schwingungen  der  Düse  selbst  und  es 
bleibt  deshalb  noch  zu  prüfen,  ob  die  Wellenlänge  abhängt 
von  der  Art  der  Düsenbefestigung  und  dem  Materiale,  aus 
dem  die  Düse  gearbeitet  ist.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  die 
photographischen  Aufnahmen  Nr.  281 — 304  gemacht,  mit  Luft 
und  Dauerbeleuchtung,  da  diese  Versuchsanordnung  von  den 
Versuchen  mit  WasserstoflF  noch  aufgestellt  war.  Düsen, 
genau  gleich  der  Messingdüse  A  von  3,63  mm  Durchmesser 
wurden  aus  Holz,  Hartgummi  und  Blei  hergestellt,  also  Stofi'en, 
die  sich  in  Bezug  auf  Dichte,  Elasticität  und  Schallgeschwindig- 
keit sehr  verschieden  verhalten.  Ferner  wurde  eine  gleiche 
Messingdüse  an  ihrer  Mündung  mit  2  Kilogramm  belastet. 

Aus  diesen  Messungen  ging  mit  aller  Sicherheit  hervor, 
^dass  weder  das  Düsenmaterial  noch  die  Art  der  Befestigung 


284  R.  Emden. 

von  Einfluss  auf  die  Wellenlänge  ist.    Uebrigens  hatten  bereits 
die  Düsen  E  und  F^  Flachdüseu  mit  Deckplatten  bei  der  eine^ 
aus  Eisen,  bei  der  anderen   aus  Messing,  Werthe  für  X  ge- 
liefert,  die  gleich  gut  durch  die  Gleichung  der  X  dargestellt 
werden. 

Wir  gehen   über  zur  Betrachtung   der  Temperaturverhält- 
nisse im  Strahl.    Die  Temperatur  an  jeder  Stelle  des  Strahles, 
namentlich  den  Stellen  grössten  und  geringsten  Querschnittes  zu 
kennen,  wäre  von  ausserordentlicher  Wichtigkeit  für  die  theore- 
tische  Betrachtung.     Aus  Neusilber-    und  Kupferdrähten   von 
0,1  mm  Durchmesser  wurden  feinste  Thermoelemente  hergestellt, 
die  quer  durch  den  Strahl  gezogen  werden  konnten;  sie  waren 
gerade  noch  widerstandsfähig  genug,    um  vom  Strahle  nicht 
zerrissen  zu  werden.    In  dem  gleichzeitig  objectiv  entworfenen 
Strahlbilde  konnte  der  Ort  der  Löthstelle  des  Thermoelementes 
bestimmt  werden.    In  der  Arbeit  von  E.  Mach  und  Salcher 
ist  in  Bezug  auf  dieStrahltemperaturangegeben:  „DieTemperatur 
im   Strahl  ist  eine  sehr  niedere  (nach  Schätzung    von  Mach 
auf  Grund  von  Versuchen  mit  einem  Thermoelement  bis  lOO^C. 
unter  jener  der  Umgebung).**    Zu  meinem  giössten  Erstaunen 
kam  ich  zu  einem  vollständig  anderen  Resultate.    Die  Angaben 
des  Thermoelementes  waren  sehr  schwankend,  stets  aber  wurden 
Temperaturen   gefunden,    die   höchstens    15 — 23®    unter    der 
Temperatur  der  Luft  in  den  Reservoiren  lagen;  dabei  war  es 
gleichgültig   ob   die   Löthstelle   in    einem   Welleuknoten    oder 
ausserhalb  desselben,  unmittelbar  an  der  Düsenmündung  oder 
in  einigen  Centimetern  Entfernung  von  derselben  lag.     Selbst 
bei  Ausflussdrucken  von  lU  Atm.  Ueberdruck  zeigte  das  Thermo- 
element keine  grössere  Temperaturerniedrigung  an  als  15 — 23 ^ 
Ein  Quecksilberthermometer  mit  ganz  kleinem,   cylindrischem 
Gefäss  zeigte  noch  höhere  Temperaturen  an,  sie  lagen  höchstens 
etwa  15®  unter  der  Umgebungstemperatur.     Als  ich  mit  Hin- 
blick auf  jene  Bemerkung  von  Mach  nach  eventuellen  Fehlem 
meiner  Versuchsanordnung  forschte,  fand  ich,  dass  bereits  im 
Jahre  1853  W.  Thomson  und  J.P.  Joule ^)  Messungen  über  die 
Temperaturen  ausströmender  Luft  angestellt  haben.  Sie  bedienten 


1)  W.  Thomson  u.  J.  P.  Joule,  Phil.  Trans.  Roy.  Soc.  143.  p.  357. 
1853.  ^ 


AtustrÖmunffserscheinunffen  permanenter  Gase.  285 

sich    hierzu    eines    kleinen    Quecksilberthermometers.      Ihre 
.Wahlen  sind 

Druck  der  Luft  Temperaturemicdrt^Mn^ 

Pfund  auf  Quadratzoll  im  Strahl 

124         (8,45  Atm.)  13,42»  C. 

72         (4,9     Atm.j  10,35 

31         (2,1     Atm.)  5,75 

also  nicht  entfernt  mit  jener  Mach'schen  Angabe  übereinstim- 
mend, wohl  aber  mit  den  von  mir  beobachteten  Temperaturen. 
Da  die  Temperaturen  im  Strahle  nach  den  Regeln  der  Thermo- 
dynamik zweifellos  bedeutend  niedriger  sind  (vgl.  das  folgende 
Capitel),  geben  Thomson  und  Joule  für  die  Abweichung  der 
Messungen  eine  Erklärung,  die  ich  mir  ebenfalls  bereits  zurecht- 
gelegt hatte  für  den  ^all,  dass  meine  Beobachtungen  sich  be- 
stätigen sollten.  Durch  das  Thermoelement  oder  Thermometer 
wird  der  Strahl  gestört',  die  Luft  staut  sich  und  erwärmt 
sich;  würde  sie  an  diesen  vollständig  zur  Ruhe  kommen, 
so  müsste  sie  wieder  ihre  Ausgangstemperatur  annehmen.  In 
grossartiger  Weise  haben  sich  Thomson  und  Joule  dies  bei 
ihrem  berühmten  Versuche  über  die  Elasticitätsgleichung 
der  Gase  zu  Nutzen  gemacht,  indem  sie  bei  der  Ausdehnung 
comprimirter  Kohlensäure  deren  lebendige  Kraft  der  Strömung 
durch  einen  porösen  Pfropfen  vernichteten  und  dadurch  voll- 
ständig in  Wärme  umsetzten.  (Vgl.  E.  Mach,  Die  Prin- 
cipien  der  Wärmelehre,  p.  310.)  Ich  verliess  deshalb  diese 
Temperaturmessung,  da  ich  eine  von  dieser  Fehlerquelle  freie 
Methode  nicht  ausfindig  machen  konnte. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  einer  weiteren  Klasse  von  Messungen, 
welche  die  Bestimmung  der  Dicke  des  Luftstrahles  bezwecken, 
welche  Grösse  bei  der  theoretischen  Betrachtung  dieser  Er- 
scheinungen eine  hervorragende  Rolle  spielt.  Messungen  hierüber 
liegen  von  E.  u.  L.  Mach  nicht  vor  und  waren  auch  bei  den  Verhält- 
nissen, unter  denen  sie  arbeiteten,  nicht  anstellbar.  Wir  haben  ge- 
sehen, dass  der  Strahl  bei  steigendem  Drucke  erst  mit  gleich- 
förmigen Querschnitte  fliesst,  diesen  aber  periodisch  mehr  und 
mehr  zu  ändern  beginnt  von  dem  Momente  an,  wo  die  Scheibchen 
aufzutreten  beginnen,   mit  denen   die  Querschnittsminima   zu- 


286  R.  Emden. 

sammenfallen.  Nach  Helmholtz  ^)  ist  ein  Strahl  von  demMediom, 
durch  das  er  fliesst,  durch  eine  scharfe  Discontinuitätsfläcb^ 
getrennt.  Diese  ist  auf  den  photographischen  Bildern  an- 
gedeutet. Man  kann  sich  aber  von  deren  Vorhandensein  noch  ver- 
gewissem, indem  man  eine  feine  Nadelspitze  dem  Strahle  nähert 
Ist  man  in  unmittelbarer  Nähe  des  Strahles  angelangt,  so  ge- 
nügen minimale  Verschiebungen  der  Nadel,  um  im  Strahl- 
bilde eine  Schliere  entstehen  und  verschwinden  zu  lassen. 
Selbst  einige  Centimeter  von  der  Mündung  der  Düse  entfernt, 
wo  der  Strahl  schon  von  Wirbeln  bekleidet  ist  (bei  Funken- 
belichtung nachweisbar),  hat  er  noch  eine  deutlich  ausgeprägte 
Trennungsfläche ,  sodass  wir  annehmen  können,  dass  die 
Wirbel  den  Strahl  gleichsam  nur  Schicht  für  Schicht  aufzehren. 
Das  Auftreten  solcher  ^^Berührungsschlieren'*^  gestattet  den  Strahl 
abzutasten  und  seine  Dicke  zu  messen.  Zu  diesem  Zwecke 
wurden  von  einem  kleinen  Funkenmikrometer  die  Kugeln  ent- 
fernt und  durch  kleine  Messingkegel  ersetzt,  die  sich  zwei 
scharfe  Spitzen  zukehrten.  Zwischen  diese  wurde  der  Strahl 
gebracht  und  durch  die  Mikrometerschraube  die  Spitzen  ein- 
ander bis  auf  Strahldicke  genähert.  Diese  Einstellung  wurde 
angezeigt  durch  das  Auftreten  zweier  Randschlieren,  die  in 
dem  Strahlbilde  auftraten,  welches  auf  einem  Schirme  ent- 
worfen war,  der,  um  die  Berührungsstelle  zu  constatiren,  mit 
Millimeter-Coordinaten-Papier  überzogen  wurde.  Gemessen 
wurde  bei  Verwendung  der  Düsen  Ä  und  C. 

1 .  Düse  Ay  d=:^  3,63mm,/?  =  5  Atm.  (üeberdruck),  7.  ==  6  muL 
Vorversuche  lehren,  dass  der  Strahl  einen  periodisch  mit  dem 
Abstände  von  der  Düse  sich  ändernden  Querschnitt  hat;  die 
Stelle  geringsten  Querschnittes  fällt  mit  den  Scheibchen  zu- 
sammen, der  grösste  Querschnitt  liegt  ziemlich  in  der  Mitte 
zwischen  zwei  Scheibchen.  Die  Einstellungen  des  Mikrometers 
ergeben  am  Orte  des  ersten  Scheibchens  6,94,  6,98,  7,30,  7,30, 
7,20,  7,40,  7,30,  7,00,  7,10mm,  seine  Nullstellung  ist  bei  3,40  mm. 
'Der  Durchmesser  des  ersten  Scheibchens  ergiebt  sich  als 
Mittelwerth  zu  3,75  mm.  Für  das  zweite  Scheibchen  wurde  er- 
halten (Nullstellung  des  Mikrometer  =  3,52):  7,30,  7,30,  7,15,  7,20, 
7,30,  7,40,  7,30  mm,  im  Mittel  sein  Durchmesser  =  3,78  mm. 

1)U.  V.  Helmholtz,  lieber  discontinuirlicbe  Flüssigkeitsbewegungen. 
Gesamm.  Abhaudl.  1.  p.  146.  1868. 


ü» 


ÄusstrÖmungserscheinuTigen  permanenter  Gase.  287 

Die  Beobachtung  des  Strahlbildes  ergab  ftir  jedes  ScheibcheD 
einen  Durchmesser  von  3,7  mm.  Die  Scheibchen  haben  des- 
halb innerhalb  der  Beobachtungsfehler  denselben  Durchmesser 
wie  die  Düsenöffnung. 

Die  Messungen  für  das  erste  Querschnittsmaximum  (zwischen 
Düse  und  erstem  Scheibchen)  ergaben  (Nullstellung  des  Mikro- 
meters 3,44):  7,62,  8,10,  8,00,  8,10,  8,00,  8,00,  7,80,  7,90, 
8,00,  7,95;  sein  Durchmesser  berechnet  sich  daraus  zu  4,53  mm. 
Für  das  zweite  Querschnittsmaximum  wurde  mit  ähnlicher  Ge- 
nauigkeit erhalten  4,81  mm.  Das  Mittel  beider  Messungen 
ist  4,67  mm.  Im  Strahlbilde  waren  an  diesen  Stellen  die 
Strahlgrenzen  nicht  mit  der  zu  einer  Messung  nöthigen  Ge- 
nauigkeit wahrzunehmen. 

Düse  6',  fl?  =  1,48  mm,  /?  =  7  Atm.  (Ueberdruck),  X  =  3,5  mm. 
Die  Durchmesser  des  ersten  u.  zweiten  dünnen  Scheibchens  ergaben 
sich  mit  ähnlicher  Genauigkeit  wie  oben  zu  1,67  und  1,39  mm, 
im  Mittel  1,53  mm,  also  beinahe  genau  der  Düsendurchmesser. 
Im  Strahlbilde  erschienen  sie  1,50  mm  breit.  Die  beiden 
ersten  Querschnittsmaxima  ergaben  sich  zu  1,97  und  2,07  mm, 
im  Mittel  zu  2,02  mm.  Im  Strahlbilde  waren  sie  nicht  deut- 
lich sichtbar. 

Diese  Messungen  lehren  zur  Evidenz,  dass,  wie  es  die 
Theorie  erfordern  wird,  der  Strahl  nicht  mit  constanten,  son- 
dern mit  periodisch  wechselnden,  regelmässig  sich  wiederholen- 
den Querschnitten  Üiesst;  nach  jeder  Anschwellung  zieht  sich 
der  Strahl  auf  einen  Querschnitt  gleich  dem  der  Düsenmündung 
zusammen.  Diese  periodischen  Querschnittsänderungen  scheinen 
bisher  nicht  beobachtet  worden  zu  sein,  wenigstens  geben  so- 
wohl E.  Mach  und  Salcher,  als  L.  Mach  an,  dass  nur  gleich 
nach  der  Mündung  der  Strahl  sich  erweitert,  dann  aber 
cylindrisch  weiterfliesst.  Mit  dieser  Auffassung  stimmt  auch 
der  schematische  Durchschnitt,  den  L.  Mach  in  seiner  Ab- 
handlung wiedergiebt  (dort  Fig.  12).  Nach  L.  Mach  hat  der 
Strahl  folgenden  Querschnitt  (vgl.  Fig.  3): 


Fig.  8. 


288  S.  Emden. 

Dies  steht  in  vollständigem  Widerspruche  mit  den  oben  an- 
geführten  Querschnittsbestimmungen,  welche  das  StrahlprofiJ 
vielmehr  so  ergeben  (vgl.  Fig.  4):  ^ 


Fig.  4. 

also  eine  regelmässige  Wiederholung  aller  Verhältnisse  schon 
von  der  Düsenmündung  an.  In  einem  Strahle  vom  Quer- 
schnitte a  sind,  wie  die  Theorie  ergeben  wird,  keine  stationären 
Schallwellen  möglich.  Uebrigens  ist  schon  ohne  weiteres  er- 
sichtlich, dass  bei  dem  Profil  a,  bei  constanter  Stromgeschwiu- 
digkeit,  wie  sie  auch  L.Mach  annimmt,  keine  Dichteänderungen, 
also  Schallwellen,  vorkommen  können.  Denn  bei  stationärem 
Zustande  muss  der  Constanz  der  Masse  wegen  das  Product 
aus  Geschwindigkeit,  Querschnitt  und  Dichte  unverändert 
bleiben;  sind  also  zwei  dieser  Grössen  constant,  so  muss  es 
auch  die  dritte  sein. 

Durch  die  bisherigen  Untersuchungen  sind  die  im  aus- 
strömenden Strahle  auftretenden  Erscheinungen  experimen- 
tell verfolgt  worden;  wir  haben  dadurch  die  Grundlagen  ge- 
wonnen, auf  denen  eine  Theorie  aufgebaut  werden  kann. 
Wir  stellen  in  Kürze  die  Resultate  unserer  Untersuchung  zu- 
sammen : 

1.  In  einem  unter  genügend  grossem  Drucke  ausströmenden 
Gasstrahle  treten  periodische,  stationäre  Dichtigkeitsänderungen 
auf,  die  wir  als  stationäre  Schallwellen  zu  bezeichnen  be- 
rechtigt sind.  Mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  können  wir  sie 
als  stationäre,  ebene  Schallwellen  betrachten. 

2.  Diese  stationären  Wellen  beginnen  bei  allen  perma- 
nenten Gasen  bei  dem  kritischen  Drucke  pj^/  =  1,9  Atm.  sich 
zu  entwickeln.  (Für  6  Düsen  ist  dies  in  aller  Strenge  be- 
wiesen, für  die  bei  2  Düsen  auftretenden  kleinen  Abweichungen 
haben  wir  eine  vollständig  befriedigende  Erklärung.) 

3.  Die  Wellenlänge  dieser  Wellen  ist  bei  gleicher  Düsen- 
ölTuung  unabhängig  von  der  Befestigungsart  und  dem  Material 
der  Düse,  und  ist  durch  deren  Form  nur  in  sehr  geringem, 
nicht  näher  angebbarem  Maasse  beeinflusst. 


Ausströmungserscheinungen  permanenter  Gase,  289 

4.  Die  Wellenlänge  ist  bei  gleicher  Düsenöffnung  und 
gleichem  Ausfiussdrucke  unabhängig  vom  Moleculargewichte 
des  Gases. 

5.  Die  Wellenlänge  X  wächst  mit  steigendem  Drucke  j) 
und  wachsendem  Durchmesser  d  der  Düsenöfihung.  Ihre  Ab- 
hängigkeit von  beiden  wird  mit  äusserster  Genauigkeit  für  alle 
Gase  wiedergegeben  durch  die  Formel: 

X mm  =  5 .  dmm  .  y^H^- ,    p^  =  1  Atm. 

y       Pi 

6.  Der  Coefficient  j  ergiebt  sich  für  alle  Gase  im  Mittel 
für  8  Düsen  zu  0,88.  Mit  diesem  Coefficienten  erhält  man 
für  alle  8  Düsen  sehr  befriedigende  Werthe  für  X. 

7.  Von  dem  Ausflussdrucke  an,  bei  dem  sich  diese  statio- 
nären Wellen  im  Strahle  zu  entwickeln  beginnen,  ändert  der 
bis  dahin  mit  gleichem  Querschnitte  fliessende  Strahl  diesen 
periodisch,  und  zwar  so,  dass  sein  engster  Querschnitt  mit 
den  Scheibchen  zusammenfällt  und  an  Grösse  stets  gleich  der 
Düsenöflhung  bleibt,  sein  grösster  Querschnitt  mit  steigendem 
Drucke  zunimmt  und  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  zwei 
Minimas  liegt. 

Diese  Gesetze  sind  lediglich  der  Ausdruck  rein  experi- 
mentell ermittelter  Thatsachen.  Neue  Ergebnisse  sind  sämmt- 
liche  numerischen  Beziehungen,  die  Gesetze  Nr.  2,  4  und  7  und 
theil weise  Nr.  3,  sowie  der  Nachweis  derselben  qualitativen 
und  quantitativen  Beziehungen  für  Luft,  Kohlensäure  und 
Wasserstoff,  die  wir  infolge  dessen  mit  grösster  Wahrschein- 
lichkeit auch  bei  den  übrigen  permanenten  Gasen  voraus- 
setzen dürfen.  Dieser  Schluss  wird  durch  die  folgenden  theo- 
retischen Betrachtungen,  welche  dieselben  quantitativen  Ge- 
setzmässigkeiten ergeben  werden,  bestätigt. 

München,  Physik.  Institut  der  Egl.  techn.  Hochschule, 

(Schluss  im  nächsten  Heft) 
(Eingegangen  19.  März  1899.) 


Ann.  d.  Phjs.  u.  Chem.  N.  F.   69.  19 


15.  Bemerkung  über  die  bei  dem  Zeeman^schefi 
JPhänom^en  stattfindenden  Intensitätsverhältnisse; 

von  W.  Voigt. 

Während  die  allgemeinen  Gesetze  der  Zerlegung  von 
Spectrallinien  durch  die  Wirkung  eines  Magnetfeldes  auf  ver- 
schiedenen Wegen  in  mit  der  Erfahrung  übereinstimmender 
Form  gewonnen  sind,  ist  doch  ein  specieller  Punkt,  soweit 
mir  bekannt,  bisher  unaufgeklärt  geblieben,  nämlich  das  eigen- 
thümlich  wechselnde  Verhältniss  zwischen  den  Intensitäten  der 
aus  derselben  Spectrallinie  entstehenden  Componenten.  Um 
nur  von  der  einfachsten  (normalen)  Zerlegung  zu  sprechen,  so 
zeigen  die  zahlreichen  Triplets  des  Eisenspectrums  nach  den 
photographischen  Aufnahmen  des  Hrn.  Zeeman,  von  denen 
Exemplare  durch  des  Herstellers  Güte  in  meinem  Besitz  sind, 
in  dieser  Hinsicht  die  aufifallendsten  Verschiedenheiten,  vom 
Ueberwiegen  der  inneren  bis  zum  Dominiren  der  äusseren 
Componenten. 

1.  Die  einfachste  Form  der  Theorie,  die  ich  entworfen 
habe^),  führt  zu  einem  starken  Ueberwiegen  der  inneren  Com- 
ponente  über  die  äusseren,   wie  im  Folgenden  darzulegen  ist. 

In  der  Nähe  einer  Spectrallinie  (1)  gelten  nämlich  f&r 
die  complexen  Geschwindigkeiten  o^  und  o^  der  parallel  und 
der  normal  zu  den  Kraftlinien  polarisirten  Schwingungscom- 
ponenten  einer  normal  zu  den  Kraftlinien  des  Magnetfeldes 
fortgepflanzten  ebenen  Welle  die  Formeln*) 


(1)    (:V=i  + 


6i  e  &^  t?  0»  ^* 


(^)  (.:)■-'+■■«'■• 

wobei  V  die  Lichtgeschwindigkeit  im  leeren  Räume,  2  ;r  «?•  =  t 
die  Schwingungsperiode  und  e^  eine  für  die  elektrische  Erreg- 

1)  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  67.  p.  345.  1899. 

2)  1.  c.  p.  356.    Formel  (44)  und  (45). 


i 


Intensitätsverhältnisse  bei  dem  Zeemaneffect.  291 

barkeit  der  ponderabeln  Materie  charakteristische  Constante 
bezeichnet;  ferner  ist 

(3)  e  =  &^+i&&^^&l,     0=^cX^ 

und  es  bedeuten  0-^^  ä-^,  c  gleichfalls  der  betreffenden  Materie 
individuelle  Constanten,  R  aber  die  magnetische  Feldstärke. 
Setzt  man 

(4)  &-»,  =  d 

und  betrachtet  S  als  klein  neben  &Qy  so  nimmt  bei  Beschränkung 
auf  die  erste  Ordnung  des  Verhältnisses  S/d-Q  Formel  (2)  die 
Gestalt  an 

(5)  {£'='  + J^h;- 

Nun  gilt 
(6)  '  =  '---  '■  *  , 

unter  x  den  Absorptionsindex,  unter  co  die  reelle  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit verstanden  ist;  es  wird  also  bei  Einführung 
des  Brechungsindex  vjcd  =  n 

Das  Maximum  von  2n]x^  liegt  bei  ^=0,  und  es  ist  ftlr 
diesen  Werth 

;8)  71^(1  -xp=l,     2n5x,  =  -'^^. 

Wir  wollen  annehmen,  dass  der  letztere  Ausdruck  als  eine 
Grösse  erster  Ordnung  gelten,  die  Absorption  also  schwach 
sein  soll;  es  gilt  dann  gleiches  von  x^,  und  n^  ist  an  der  Stelle 
des  Maximums  von  2  n^  x^  bis  auf  Grössen  zweiter  Ordnung 
gleich  Eins. 

Für  die  Beobachtung  maassgebend  ist  das  Product  nx 
(der  Absorptionsmodul),  das  innerhalb  der  eingeführten  An- 
näherung für  die  normal  zu  den  Kraftlinien  polarisirte  Com- 
ponente  gegeben  ist  durch 

WjXj  verhält  sich  also  wegen  der  Kleinheit  von  «^  «'•j)/??'^  merk- 
lich wie  n]  x, .  Der  Gleichung  (2)  entspricht  demnach  ein 
Absorptionsstreifen  bei  ä  =  0. 

19* 


292  r.  roigt 

Die  aus  dem  Ausdruck  (1)  für  {v/o^)^  folgenden  Absorp- 
tionsstreifen der  parallel  zu  den  Kraftlinien  polarisirten  Com- 
ponente  liegen  nahe  bei  S  ^  ±\c R.  Sollen  dieselben  sicir 
deutlich  von  dem  durch  (2)  gegebenen  unterscheiden,  so  muss 
jedenfalls  n^x^&r  3  =  ±  ^cB  klein  gegen  seinen  Maximal  werth 
B^&^l  2  &^  sein.  Hieraus  folgt  aber,  dass  c  R  gross  gegen  &^ 
sein  muss,  und  wir  wollen  festsetzen,  dass  zwischen  diesen 
beiden  Grössen  dasselbe  Ordnungsverhältniss  besteht,  wie 
zwischen  &^  und  e^  d-^. 

Unter  Benutzung  dieser  Resultate  findet  sich  das  letzte 
Glied  der  Formel  (1)  in  der  Nähe  des  Absorptionsstreifens  als 
von  dritter  Ordnung,  und  bei  seiner  Vernachlässigung  erhält 
man,  wenn  man  (1)  schreibt: 

(10)  (i)'=i+i«i'^*  (0-^0+ -§-*)• 

für  die  Umgebung  des  oben  betrachteten  Streifens 


(11)  n\^l  +  \e,&. 


2d  +  cR  2ö - cR 


1  1 


(12)  2n]x,^\e^&^  x^,  |^_____  _  4.  ________^  ^^    . 

Für  23  =  ±  cE,  d.  h.  für  den  Ort  der  Absorptionsstreifen, 
wird 

(13)  «J  =  l  +  #wVTf' 

n^  ist  also  hier  nur  um  eine  Grösse  zweiter  Ordnung  von  Eins 
verschieden,  und  wir  erhalten  innerhalb  der  festgesetzten  An- 
näherung für  beide  Absorptionsmoduln  die  Maximalwerthe 

(14)  'H*i=-j|f.  «;*,  =  ^- 

Der  dem  mittleren  Absorptionsstreifen  zugehörige  Werth  nx 
findet  sich  somit  doppelt  so  gross,  als  der  den  beiden  äusseren 
entsprechende. 

2.  Nach  dem  im  Eingang  Gesagten  finden  sich  aber  in 
Wirklichkeit  bedeutende  Abweichungen  von  diesem  Verhältniss; 
es  scheint,  dass  der  Quotient  n^x^jn^x^  immer  grösser  ist, 
als  es  nach  der  Formel  (14)  sein  sollte,  ja  n^x^  ist  mitunter 
sogar  kleiner  als  tu  x,  . 


Intensitätsverhältnisse  bei  dem  Zeemaneffect  293 

• 

Um  zu  entscheiden^  in  welcher  Hinsicht  die  aufgestellten 
I  Differentialgleichungen  zu  erweitem  sind,  um  diese  Mannich- 
faltigkeit  zu  erklären,  hat  man  nur  zu  beachten,  welche  Rolle 
die  in  (14)  auftretenden  Parameter  6j,  i?-^,  &^  in  der  Theorie 
spielen.  Dieselben  treten  allein  in  den  Formeln^)  auf,  welche 
die  Erregung  von  Schwingungen  des  f&r  die  absorbirende 
Substanz  und  speciell  für  den  betrachteten  Absorptionsstreifen 
charakteristischen  Vectors  ffi^  mit  den  Componenten  X^ ,  ?)i ,  3i 
durch  die  elektrische  Kraft  K  mit  den  Componenten  X,  Z,  Z 
bestimmen  und  in  diesen  Parametern  lauten,  wenn  die 
Z-Coordinatenaxe  der  magnetischen  Feldstärke  R  parallel  liegt, 

3i  +  .^ '//  +  ^n  ^■-  =  e,  Z. 

Die  beschriebenen  Beobachtungen  verlangen  nun  offenbar, 
dass  von  den  Parametern  in  den  eisten  beiden  Gleichungen 
einer  oder  mehrere  von  den  mit  gleichen  Buchstaben  bezeich- 
neten in  der  letzten  Gleichung  verschieden  sind.  Eine  solche 
Verschiedenheit  kann  bei  dem  an  sich  isotropen  Körper  natürlich 
nur  als  Folge  des  ausgeübten  Feldes  eintreten;  die  betreffenden 
Parameter  müssen  also  in  den  verschiedenen  Gleichungen  ver- 
schiedene Functionen  der  magnetischen  Feldstärke  sein. 

Die  61  als  von  der  Feldstärke  erheblich  abhängig  anzu- 
nehmen, erscheint  unzulässig,  weil  damit  eine  Abhängigkeit 
der  statischen  Dielektricitätsconstante  fi  =  1  +  2  ^;»  von  dem 
Magnetfelde  eingeführt  werden  würde,  die  nicht  beobachtet  ist. 
Ebenso  unzulässig  erscheint  die  analoge  Annahme  in  Bezug 
auf  t9-jj;  denn  sie  würde  eine  die  Zerlegung  begleitende  Ver- 
schiebung der  Spectrallinien  ergeben,  die  der  Beobachtung 
widerspricht. 

Dagegen  steht  nichts  im  Wege,  den  Parameter  iJ-j,  der 
den  Widerstand  misst,  welchen  der  Vector  ffj  bei  seinen 
Schwingungen  findet,  mit  der  Feldstärke  wechselnd  anzunehmen, 
und  es  entspricht  den  Symmetrieverhältnissen  des  Vorganges, 
für  i^j  in  den  beiden  ersten  Gleichungen  eine,  in  der  letzten 

1)  W.  Voigt,  1.  c,  vgl.  Formelaystem  (6)  und  (15). 


294  W.  Voigt 

eine  andere  gerade  Function  der  Feldstärke  zu  setzen.    Auch 
die  Gleichung   der  Energie   ist  mit  dieser  Erweiterung   voU«^ 
kommen  vereinbar. 

Die  nächstliegende  Annahme  wäre ,  i^^  =  a^  +  ß^  R^  zu 
setzen  (unter  a^  und  ß^  Constanten  verstanden),  wo  dann  ß^ 
in  den  ersten  beiden  Gleichungen  (15)  einen  anderen  Werth 
haben  müsste,  als  in  der  letzten.  Ein  positives  ß^  würde  aus- 
drücken,  dass  die  Absorptionsstreifen  mit  wachsender  Feld- 
stärke an  Intensität  verlieren^  ein  negatives,  dass  sie  getoinnen. 
Wenn  es  richtig  ist,  dass,  wie  behauptet  wird,  im  Magnetfeld 
Streifen  sichtbar  werden,  die  ausserhalb  desselben  nur  un- 
merkliche Intensität  besitzen,  so  wird  man  das  letztere  Vor- 
zeichen als  das  wahrscheinlichere  betrachten  müssen.  Der 
Wahrnehmung,  dass  n^x^  j  ri^x^  immer  grösser  zu  sein  scheint, 
als  nach  der  Theorie  bei  constant  genommenen  d^  sein  sollte, 
könnte  man  dann  am  einfachsten  dadurch  entsprechen,  dass 
man  ß^  in  den  ersten  zwei  Gleichungen  (13)  negativ  =  — ;, 
in  der  letzten  aber  gleich  Null  annähme,  also  setzte: 


(16)  «1  *i  =  äiaT^^Ä^y '     "2**  =  -^ 

3.  Noch  sei  auf  eine  interessante  Folgerung  aus  diesen 
Resultaten  hingewiesen.  Nach  früher  von  mir  Gegebenem^)  ist 
das  Emissionsvermögen  E  einer  homogenen  planparallelen  und 
in  parallelen  Ebenen  cohärent  schwingenden  Schicht  von  der 
Dicke  /  für  Licht  von  der  Wellenlänge  A  bei  schwacher  Ab- 
sorption gegeben  durch  die  Formel 

(17)  j:=>-^^~.nx, 

in  der  k  eine  universelle  Function  der  Temperatur  bezeichnet. 
Diese    Formel    lässt    sich    auf    den    Fall    incohärenter 
Schwingungen  jedenfalls  soweit  übertragen,  dass  man  für  sehr 
wenig  verschiedene  Farben: 

(18)  E=k',nx 

setzen  darf,  wo  dann  k'  nur  noch  von  der  Dicke  der  leuchtenden 
Schicht  und  von  der  Temperatur  abhängt  Ist  nx  nur  für 
einzelne  Farben  von  merklicher  Grösse,  so  kann  man  die 
Emission  der  übrigen  ignoriren. 

1)  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  67.  p.  380.  Formel  (63)  1899. 


I 


Intensitätsverhältnisse  bei  dem  Zeemaneffect,  295 

Das  gesammte  Emissionsvermögen  einer  im  Magnetfeld 
befindlichen  monochromatischen  Flamme  zerfällt  hiemach  in 
die  zwei  Theile: 

(19)  E,==2k\n,lc,,     U^^k'.n^x,, 

die  den  parallel  und  normal  zu  den  Kraftlinien  polarisirten 
Schwingungen  entsprechen.  Da  die  ersteren  in  zwei  für  unsere 
Betrachtung  identischen  Spectrallinien  vorhanden  sind,  so  tritt 
in  dem  Ausdruck  für  E^  der  Factor  2  auf. 

Ist   der  Parameter  i^-^  eine  Constante,    so  ist  nach  (14j 

d.  h.  das  prismatisch  nicht  zerlegte  Licht  der  Flamme  verhält 
sich  wie  natürliches  Licht. 

Wechselt  dagegen  Z)-^  wie  oben  gesagt,  gelten  also  die 
Formeln  (16),  so  ist 

und  zwar  wird  der  Unterschied  zwischen  beiden  Grössen  mit 
wachsender  Feldstärke  zunehmen.  In  diesem  Falle  wird  das 
prismatisch  nicht  zerlegte  Licht  der  im  Magnetfeld  befind- 
lichen Flamme  sich  als  theilweise  nach  den  Kraftlinien  polari- 
sirt  darstellen,  und  der  polarisirte  Antheil  wird  mit  wachsen- 
der Feldstärke  selbst  zunehmen. 

Diese  Resultate  stimmen  mit  den  bekannten  Beobachtungen 
der  Herren  Egoroff  und  Georgiewsky  ^)  überein  und  können 
wohl  als  eine  einfache  Erklärung  derselben  gelten.^ 

Resultate. 

Die  erweiterten  Hertz 'sehen  Gleichungen  geben  von  den 
wechselnden  Intensitätsverhältnissen  des  Zeem  an 'sehen  Tri- 
plets')  Kechensehaft.  wenn  man  nur  die  Widerstände,  welche 


I 


1)  N.  Egoroff  11.  X.  Georgiewsky,  Compt.  rend.  124.  p.  949.  1897. 

2)  In  etwas  anderer  Weise  werden  die  betr.  ErscheiuuDgeD  von 
Hm.  H  A.  Lorentz  (Zittingsverl.  Kon.  Akad.  v.  Wet,  Amsterdam. 
1897/98.  p.  193)  aufgefasst.  Die  von  ihm  herangezogene  Absorption  in 
der  Flamme  ist  in  der  Formel  (17)  bereits  berücksichtigt;  sie  scheint  mir 
aber  für  sich  allein  zur  Erklärung  der  Beobachtungen  nicht  auszureichen. 

3)  Zu  einer  theoretischen  Untersuchung  der  complicirteren  normal  zu 
den  Kraftlinien  entstehenden  Zerlegungen  nach  Seite  der  Intensitäten  fehlt 
68  noch  an  Beobachtungsmaterial. 


296      W,  Voigt    Intensitätsverhältnisse  bei  dem  Zeemaneffect 

den  Schwingungen  der  für  die  einzelnen  Spectrallinien  cha- 
rakteristischen Vectoren  &^  entgegenwirken,  gemäss  den  Sym- 
metrieverhältnissen des  Magnetfeldes  mit  der  Feldstärke  variabel  ^ 
annimmt.  Es  scheint,  dass  diese  Annahme  zugleich  die  Beob- 
achtung erklärt,  dass  im  Magnetfelde  Spectral-  bez.  Absorptions- 
linien sichtbar  werden,  die  ausserhalb  des  Magnetfeldes  nicht 
erkennbar  sind. 

Auch  die  Beobachtungen  der  Herren  Egoroff  und 
Georgiewsky  über  die  theil weise  Polarisation  des  nicht 
spectral  zerlegten  Lichtes  einer  im  Magnetfelde  befindlichen 
und  normal  zu  den  Kraftlinien  betrachteten  monochromatischen 
Flamme  werden  durch  sie  verständlich. 

Göttingen,  Anfang  August  1899. 

(Eingegangen  21.  August  1899.) 


6.   Zur  Theorie  der  Einwirkung  eines  elektro^ 
iHscJien  Feldes  auf  die  optischen  Eigenschaften 
dei^  Körper;  von  W.  Voigt. 


Obwohl  zahlreiche  Beobachtungen^)  über  die  optische 
irkung  eines  elektrostatischen  Feldes  vorliegen  und  für 
hrere  der  wahrgenommenen  Erscheinungen  sogar  Formeln 
Tgestellt  worden  sind,  hat  doch,  soviel  ich  sehe,  noch  niemand 
I  Differentialgleichungen  für  diese  Vorgänge  in  der  vollen 
Igemeinheit  aufzustellen  versucht.^  Es  ist  daher  vielleicht 
i  auf  einfache  Hypothesen  gegründetes  Gleichungssystem, 
Iches  die  Beobachtungen  zu  erklären  vermag,  nicht  ohne 
Deresse,  und  dies  um  so  mehr,  wenn  dasselbe  Erscheinungen 
Tialisirt,  die  bisher  noch  nicht  wahrgenommen  sind. 

Die  Grundlage  des  Folgenden  bilden  die  Gleichungen 
r  elektromagnetischen  Lichttheorie  in  der  Erweiterung,  die 
len  Hertz  t\ir  die  Darstellung  der  Dispersionserscheinungen 
geben  hat.  Da  die  Krystalle  bei  den  zu  erörternden  Vor- 
ngen ganz  besonders  in  Betracht  kommen,  so  sollen  diese 


1)  J.  Kerr,  Phil.  Mag.  (4)  60.  p.  337.  1875;  8.  p.  85.  1880;  (5)  9. 
159.  1880;  13.  p.  153.  1882;  20.  p.  363.  1885;  W.  C.  Röntgen, 
ied.  Ann.  10.  p.  77.  1880;  H.  Brongcrsma,  Wied.  Ann.  16.  p.  222. 
B2;    G.   Quincke,    Wied.  Ann.  10.    p.  536.    1880;    19.  p.  729.   1888; 

Blondlot,  Compt  rend.  106.  p.  349.  1888;  W.  C.  Röntgen,  Wied. 
in.  18.  p.  213  und  534.  1883;  19.  p.  319.  1883;  A.  Kundt,  Wied. 
m.  18.  p.  228.  1883;  Fr.  Pockels,  Preisschrift  d.  k.  Gesellsch.  d. 
issensch.  zu  Göttingen,  Abb.  39.  p.  1.  1893. 

2)  Die  theoretischen  Ueberlegungen  des  Hm.  Fr.  Pockels  in  seiner 
irten  schönen  Preisschrift  gehen  nicht  von  Differentialgleichungen  aus, 
Qdem  ruhen  auf  der  Hypothese,  dass  auch  fQr  die  einem  elektrischen 
!lde  ausgesetzten  Körper  die  Fresnel'schen  Gesetze  der  Doppelbrechung 
;ltnng  besitzen.    Es  wird  sich  zeigen,  dass  diese  Annahme  keineswegs 

selbstverständlich  ist,  wie  man  zunächst  vermuthen  möchte,  durch  die 
fEOstellenden  Differentialgleichungen  auch  nur  als  angenähert  richtig 
wiesen  wird.  Auch  spätere  von  Hrn.  Pockels  angestellte  theoretische 
sberlegungen  (Gott.  Nachr.  p.  102.  1896)  ruhen  auf  speciellercr  Grund- 
B^e,  als  die  folgenden  Entwickelungen ;  es  wird  hierauf  weiter  unten 
rückzukommen  sein. 


298  Jr.  Voigt 

Formeln  von  allem  Anfang  an  in  einer  Gestalt  benutzt  werden, 
die  solchen  Körpern  entspricht;  indessen  wollen  wir  uns  dabei^ 
um  zunächst  unnöthige  Complicationen  zu  vermeiden,  aut 
Krystalle  beschränken,  deren  optische  Symmetrieaxen  für  edle 
Farben  zusammenfallen.  Es  werden  demgemäss  also  —  wenig- 
stens soweit  verschiedene  Farben  und  Absorptionen  in  Frage 
kommen  —  die  Repräsentanten  des  monoklinen  und  des  triklineu 
Systemes  ausser  Betracht  bleiben. 

1.  Legen  wir  dieCoordinatenaxen  in  die  optischen  Symmetrie- 
axen und  bezeichnen  mit  K  {X,  7,  Z)^  P  (Z,  M,  iV)  das  System 
der  elektrischen  und  der  magnetischen  Kräfte,  mit  $f  (£,  %  3) 
dasjenige  der  elektrischen  Polarisationen,  mit  t;  die  Licht- 
geschwindigkeit im  leeren  Baume,  so  lautet  das  zu  Grunde 
gelegte  System  von  Gleichungen 

...  dL  IdY        dZ\        dH  _     jdX        dM\ 

^^^  ~dt^''['dx  dy)'     ~dt   '^''\dy"'TV)' 

Dabei  sind  die  Polarisationscomponenten  X,  f),  3  definirt 
durch 

(2)         3E  =  X+23E*,     ?)  =  r+2?)*.     3  =  -2^+23*, 

worin  X^,  ^^,  3*  diö  Componenten  elektrischer,  aber  für  den 
Zustand  der  ponderabeln  Theile  charakteristischer  Hülfsvectoren 
ffj^  darstellen,  die  mit  K[X,  Y,  Z)  durch  die  Gleichungen 


(3) 


5)   +  a'^  ^1-  +  ^.  _^•l^  _  e^  Y 

Q    A-  nh  -^  3^   4-  M  A'  _%  =  *fc  i^ 


verbunden  sind,  in  denen  die  ö,  b,  t  positive  Constanten 
darstellen.  Dei'  Exponent  h  oder  k  bezeichnet  dabei j  wie  hier, 
so  im  Weiteren^  jederzeit  einen  Index,^)    Diesem  Gleichungssystem 

1)  Wo  im  Folgenden  einer  der  Vectoren  Stk  für  sich  betrachtet 
wird,  ist  er  stets  mit  dem  Index  h  versehen;  Gleiches  gilt  von  den  ver- 
schiedenen ihm  zugeordneten  Constanten;  unter  dem  Summenzeichen  ist 
ihm  dagegen  immer  der  Index  k  gegeben.  AVe  vorkommenden  Sum- 
mationen  begehen  sich  auf  diese   Variable  k,  m 


Optische  IVirkungen  eines  elektrischen  Feldes.  299 


entspricht  ein  Antheil  in  der  elektrischen  Energie  der  Volumen- 
1^  einheit  von  dem  Betrag  ^) 


(4) 


O  71 


+  -y 


^(«+^(4^)')^^.(,j^^(«..)') 


+ 


Mi^'^<'m 


Zur  Darstellung  des  Einflusses  des  elektrischen  Feldes 
wollen  wir  nun  diesen  Ausdruck  durch  die  allgemeinsten  Glieder 
erweitern,  die  homogene  Functionen  zweiten  Grades  der  Vec- 
torcomponenten  IS^y  ^j^,  3*  si^^^  ^^^  dabei  die  Componenten 
A,  By  C  der  Feldstärke  in  den  niedrigsten^  mit  den  Symmetrie- 
Verhältnissen  des  Körpers  vereinbaren  Potenzen  enthalten. 

Hierdurch  wird  ausgedrückt,  dass  wir  erstens  die  Wirkung 
des  Feldes  von  der  Anwesenheit  ponderabler  Theile  abhängig 
machen,  zweitens  die  stattfindenden  Kräfte  als  conservativ  be- 
trachten, die  Erregung  einer  Absorption  in  einem  zuvor  durch- 
sichtigen Körper  also  ausschliessen ;  dass  wir  drittens  die 
Gleichungen  der  elektrostatisch  beeinflussten  Lichtbewegung 
als  homogen-lineare  ansetzen  und  somit  die  Superposition  ver- 
schiedener Wellen  annehmen,  und  dass  wir  viertens  in  Bezug 
auf  den  Einfluss  des  Feldes  uns  auf  die  erste  Annäherung 
beschränken. 

2.  Mit  den  Symmetrieverhältnissen  acentrischer  Krystalle 
ist  ein  in  den  Feldcomponenten  J,  B,  C  linearer  Antheil  e' 
der  Energie  verträglich,  und  wir  setzen  demgemäss  hier 


(5) 


+  2rf*.?),3.  +  2rf,\  ?,,\  +  2dl',X,%) 
+  B^{d,\Xji  +  dl^m  +  d^,3l 

+  c^{di,r,  +  di^m  +  d,\sii 

+  2  d,\  %S,-\-2  rf,\  3*  X*  +  2  d,\  X,  ?)») 


1)  Vgl.  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  «8.  p.  354.  1899.     Dort  ist,  da  es 
nicht   auf  den  absoluten  Werth  der  Energie  ankam ,  der  Factor  1  /  4  n 
^  ausgelassen. 


300  W.  Voigt 

wobei  die  d^^  dem  Vector  ^^  zugeordnete  Constanten  be- 
zeichnen. Wie  sich  dieser  Ansatz  für  die  einzehien  Erystall-gk 
gruppen  ohne  Symmetriecentnim  specialisirt,  habe  ich  an  einer 
anderen  Stelle  mitgetheilt^);  für  alle  centrisch  symmetrischen 
Erystalle,  wie  auch  für  isotrope  Körper,  verschwinden  nach 
Symmetrie  sämmtliche  d  *  . 

Nach  dem  Ansatz  (5)   nehmen   nun  die  erweiterten  Glei- 
chungen (3)  folgende  Gestalt  an: 

(6)1  ?)*  +  «?Tt  +*?^?-    +i\A*.+2>A^.^+3*2>*,  =  eJ2', 

wobei  ist 

(7)      D,%  =  A d,\  +  Bd>>^  +  Cd,\ ,  B,,  =  D,,  =Ad,\  +  £d,\  +Cd,\, 

I  2),»  =  A  rf,*  +  B d^\  +  Cd,\ ,  B,,  =  i)„  =  ^rf  »  +  Bd^\  +  Cd,\ ; 

die  Formeln  (1)  und  (2)  bleiben  angeändert  Rechnet  man 
mit  complexen  Lösungen  und  setzt  periodische  Schwingungen 
voraus,  so  folgt  aus  (6) 

(8)  \  \  B,\  +  \  {i>*  +  B,\)  +  3,  B,\  =  6*  r , 

X.  D,\  +  %  D,\  +  3.  {Di  +  D^)  =  ^IZ, 


wobei 


,Ä  ih  '  ^h  J.Ä  j  ^h         \,h 


gesetzt  ist,  unter  2:;n9"  =  t  die  Schwingungsperiode  verstanden. 

Die  Grössen  D^  sind  hiernach  im  allgemeinen  complex; 
nur  in  Spectralbereichen,  die  frei  von  Absorptionsstreifen  sind, 
kann  man  das  in  i  multiplicirte  Glied  vernachlässigen  und  die 
I>^  als  reell  betrachten.  Dann  sind  auch  für  X,  ¥,  Zj  X^,  g^,  3* 
reelle  Lösungen  zu  setzen. 

3.  Wir  wollen  uns  zunächst  nur  mit  diesem  Fall  be- 
schäftigen, der  der  wichtigste  ist,  weil  über  ihn  allein  —  d.  h. 


1)  W.  Voigt,  Compend.  d.  theor.  Physik  1.  p.  139  ff.  Leipzig  189& 


f 


OptUehe  Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes. 


301 


I 


über  sogenannte  durchsichtige  Körper  —  Beobachtungen  vor- 
liegen. Dabei  wollen  wir  der  Erfahrung  entsprechend  weiter 
Toraussetzen,  die  Wirkung  des  elektrischen  Feldes  sei  so 
schwach,  dass  die  von  ihr  abhängigen  D  ^  als  klein  neben 
den   ly^   betrachtet  werden  dürfen. 

In  diesem  Falle  kann  man  die  Gleichungen  (8)  mit  Hülfe 
der  Näherungswerthe 

(10)         x,i)f  =  e*x,  D,i>*  =  «jr,  8,öf  =  «*^ 

angenähert  nach  Xj^,  9^,  3«  auflösen  und  demgemäss  schreiben: 


(11) 


3e,z>f=+«?x  1- 


2)f 


-«?r 


D/ 


D? 


-tiZ 


Dl 


D* 


D,2>J  =  -  efZ-^J  +  «J  7(1  -  -^f )  -  «Jif^ 


8,2)f  =  -«*2:^' 


Z)? 


+  «f^|i-  ^f 


Hiemach  nehmen  die  Componenten  X,  ^^  3  der  Gesammt- 
polarisation  gemäss  (2)  die  Werthe  an 


X L  r/i  a-  '^**       'V-iLP/i)      y'^ßf^A      y'S^**^'*» 


;i2) 


fc 


23 


efZ> 


-/V 


2Z 


D. 


(13) 


Schreibt  man  diese  Formeln  kurz 

X  =  Zeil  +  r€i,  +  ^6^3 , 

^  =  Xa^i  +  r«3,  +  ^€,3 , 

und  setzt  diese  Werthe  in  die  Gleichungen  (1)  ein,  so  erhält 
man  ein  System,  das  dem  nach  der  elektromagnetischen  Licht- 
theorie für  einen  beliebig  orientirten  merklich  durchsichtigen 
Erystall  gültigen  durchaus  conform  ist. 

Fehlt  die  Wirkung  des  elektrischen  Feldes,  so  werden  die 
9^n  für  iw^n  gleich  Null,  die  fi^n  nehmen  die  Werthe 

k 


(14) 


C.  =  '/„  =  1  + 


2 


n 


K 


302  }K  Voigt. 

an  und  gehen  in  die  ,. dynamischen^'  Hauptdielektricitäts* 
Constanten  des  Erystalles  über,  die  bei  Schwingungsvorgängen 
an  die  Stelle  der  für  die  Gleichgewichtsvorgänge  maassgebenden 
,,statischen^^  Hauptdielektricitätsconstanten 

(15)  «„=1+2*- 

treten.  Die  «„„  repräsentiren  somit  die  allgemeinen  dynami- 
schen Dielektricitätsconstanten  des  durch  das  Feld  veränderten 
und  daher  nicht  mehr  auf  seine  Hauptaxen  bezogenen  Krystalles. 

Nur  ein  interessanter  Unterschied  besteht.  Zwischen  den 
verallgemeinerten  Dielektricitätsconstanten  c^^  gelten  nicht  die 
Beziehungen  c^^  =  6^^,  und  somit  folgen  acentrische  Krystalle 
im  elektrischen  Feld  nicht  mehr  den  FresneT sehen  Gesetzen 
der  Doppelbrechung. 

Indessen  ist  die  Differenz  zwischen  €„„  und  €„„  in  Wirk- 
lichkeit  äusserst  gering ,  denn  die  beiden  (an  sich  ungemein 
kleinen)  Grössen  unterscheiden  sich  nur  durch  die  Factoren 
c'l,  b\  oder  e^,  welche  durch  die  Beziehungen  (15)  die  Haupt- 
dielektricitätsconstanten i^j  €2,  €3  des  Krystalles  bestimmen; 
da  nun  die  €,,  b^^  €3  sich  im  allgemeinen  nur  wenig  unter- 
scheiden, so  darf  man  Gleiches  für  die  €^,  6*,  c^  annehmen 
und  kann  daher  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  die  Beziehung 
6^^  =  €^^  für  die  Vergleichung  der  Theorie  mit  der  Beob- 
achtung als  merklich  erfüllt  ansehen. 

In  der  That  haben  sich  die  Beobachtungen  des  Hm. 
Pockels^)  an  durchsichtigen  Krystallen  mit  der  von  ihm  als 
Grundlage  seiner  Berechnungen  eingeführten  Annahme,  es 
bleiben  im  elektrischen  Felde  die  Fresnel'schen  Gesetze 
gültig,  verträglich  erwiesen. 

Führt  man  die  Beziehung  €^,„  =  €^„  ein,  so  ist  eine  weitere 
Entwickelung  der  Formeln  unnöthig,  denn  die  Gewinnung  jener 
Gesetze  aus  den  Gleichungen  der  elektromagnetischen  Licht- 
theorie ist  bekannt.  Indessen  soll  doch  wenigstens  so  viel 
gegeben  werden,  dass  der  Anschluss  der  vorstehenden  all- 
gemeinen Darlegungen  an  die  von  Hrn.  Pockels  abgeleiteten 
Formeln  und  ausgeführten  Beobachtungen  hergestellt  wird. 

Hierzu  ist  es  am  bequemsten,  die  Formeln  (12)  in  der 
Gestalt  zu  schreiben: 


1)  Fr.  Pockels,  Preisschrift  p.  4. 


Optische  Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes. 


303 


4m 
wobei  gilt 

(17)  '^.=  1  +  2'^ 


3  =  -  -^^81   -   5^^M  +  -^(»^S  -  ^33)» 


6 


mn 


nm 


6*;,   6*,  €^    ein   mittlerer  Werth    e^    ein- 


mn 


und   in  den  S^^  für  t\^   i\ 

geführt  ist,  um  sie  dann  unter  der  Annahme,    dass  die   8^ 
klein  nehen  den  ri^  seien,  durch  Annäherung  nach  J,  7,  Z  auf- 
zulösen. 

Man  erhält  auf  diese  Weise: 


(18) 


X=X 


Vi  Vi  <?! 


Vi  '/«  Vi  V» 


v«Vi         V  Vi 


'st    \ 


wofiar  wir  kürzer  schreiben: 

(19)  lV  =  Xfl2,+?)  022+3^3^ 

I  ^ü2  =  Xa3i  +?)a32  +3fls3- 

Die  Gleichungen  (1)  nehmen  bei  Einführung  dieser  Werthe 
und  bei  Elimination  von  L,  Mj  N  die  Gestalt  an: 


(20) 


dt    ~  ^  d^        dx[dx  dK  '^ 


wobei  J  die  gewöhnliche  Abkürzung  ist  und  ausserdem  gilt: 

Die   Gleichung   des  dem  Medium   im  elektrischen  Felde 
zugehörigen  FresneTschen  Ovaloides  lautet  dann: 

(22)  r^  =  a^,a^  +  a„  ß^  +  a,,  y^  -}-  2a,3  ßy  +  2^3,  ya  +  2a,^aß , 

wobei  a,  /9,  ^^  die  ßichtungscosinus  des  Radiusvector  r  be- 
zeichnen. Von  den  Parametern  a^^^  nehmen  die  Entwickelungen 
des  Hm.  Pockels^)  ihren  Ausgang.     Da  für  verschwindende 


1)  Fr.  Pockels,  Preiaschrift  p.  6. 


«83 

^ 

s 

+ 

Sa 

s= 

> 

304  r.  Foüjt 

Feldstärke  die  S^^  gleich  Null  sind,  so  ist  dafür  das  System 
der  Parameter: 

(      u         v^  0        t'*  0        «»• 

(23)         '       ''  »/i  1'       22         r;,  -»33  ,.^  3  7 

und  es  gilt  allgemein: 

«n  =  «1  +     >     »  ""aa  =  "'»  ■""  "^ 

(24)  {  .  , 

"l8  ■"  t,«  I  "31    ""  „t  > 

WO  die  Werthe  der  S^^  aus  (17)  zu  entnehmen  sind.  Diese 
Werthe  zeigen,  dass  der  Einfluss  des  elektrischen  Feldes 
besonders  stark  wird,  wenn  eines  der  B^^  klein  ist;  solches  findet 
bekanntlich  in  der  Nähe  eines  der  für  den  Vector  S^  charakte- 
ristischen Absorptionsstreifen  statt. 

4.  Um  den  vollen  Änschluss  an  die  Pockels'schen  Re- 
sultate zu  gewinnen,  wollen  wir  jetzt  die  denkbar  einfachste 
Annahme  machen,  dass  das  optische  Verhalten  des  benutzten 
Erystalles  ausserhalb  des  elektrischen  Feldes  durch  einen  ein- 
zigen  Hülfsvector  9!  dargestellt  werde,  also  z.  B.  ein  einziger 
Absorptionsstreifen,  ausserhalb  des  sichtbaren  äpectrums  liegend, 
existire.  Ferner  wollen  wir  annehmen,  dass  in  den  stets  kleinen 
^mn  ^®^  Unterschied  zwischen  dem  optischen  Verhalten  in  der 
Richtung  der  drei  Symmetrieaxen  vernachlässigt,  somit 

(25)  V  =  V  =  63'  =  «',    B;^B;  =  B;  =  D\    a,=a,  =  a,=a 

gesetzt  werden  könne. 

In  diesem  Falle  wird  einfach: 

(26)  *„„  =  '-^7" ' 

und  es  gilt,  falls  e  a^/iy^v^  =ä  gesetzt  wird,  unter  Benutzung 
der  Werthe  (7): 

^11  —  Ol  =  Äi>jj  =  k{Ad^j^  +  ^^31  +  C^/jj), 

Nun  ist  bei  Voraussetzung  eines  einzigen  Hülfsvectors  9 
(28)  l+6'=t,      l  +  ^  =  /=„», 


Optische   fVirkungeii  eines  elektrischen  Feldes,  305 

unter  t  die  mittlere  Dielektricitätsconstante,  unter  n  den  mitt- 
leren Brechungsindex  des  Krystalles  verstanden. 
Es  gilt  demgemäss  auch 

und  wenn  man 

(30)  4  «  »« -^"-T^  •  rf«„  =  «,„ 

setzt,    80   stellen    die   e^^    dieselben  Parameter  dar,    die  Hr. 

'  mit  ' 

Pockels  eingeführt  hat.  Seine  Beobachtungen  bestimmen 
für  eine  Reihe  von  Körpern  specieller  die  Aggregate 

wobei  x=(€— l)/4;r  die  mittlere  Elektrisirungszahl  des  Kry- 
stalles bezeichnet.  Die  Grössenordnung  der  elektro-optischen 
Wirkung  ist  nach  diesen  Bestimmungen  derart,  dass  gilt 

(32)  -Slf:^) ''«-(=) '0-«. 

wobei  das  Zeichen  (=)  die  Grössenordnung  angeben  mag. 

Diese  Grössenordnung   hat   ein  weitergehendes  Interesse. 

Falls  nämlich  der  Ansatz  (5)  der  Wirklichkeit  entspricht, 
so  erfordert  die  elektrische  Influenz  eines  acentrischen  Kry- 
stalles, wenn  er  von  einer  Lichtwelle  durchsetzt  wird,  eine 
andere  Arbeit,  als  wenn  dies  nicht  geschieht.  Der  Krystall 
muss  also  durch  das  Licht  elektrostatisch  erregt  werden,  und 
zwar  ergeben  sich  die  Momente  a,  b,  c  der  Volumeneinheit 
nach  bekannten  Grundsätzen  bez.  gleich  ^de^jöA,  ^de'ldBy 
—  de'jdC.  Ist  nur  ein  Hülfsvector  ft'  vorhanden,  so  folgt 
aus  (10)  und  (28)  angenähert 

(33)  X'  =  (n2  -  1)  X,     ?)'  =  (w2  -  1)  r,     3'  =  («a  -  \)Z. 
also  aus  (5) 

(34)  +2d^,ZX+2d,,XY), 

Nun  kann  man  den  Energiefluss  j  parallel  der  Fort- 
pflanzungsrichtung einer  ebenen  Welle  jedenfalls  als  von  der 
Grössenordnung  von 


V 


(X2+  r^+  z^), 


Sn 
W  Ann.  d.  Phjs.  u.  Chem.    N.  F.    69.  20 


806  W.  Voigt 

also  X*,  r*,  Z^  von  der  Grössenordnung  von  Snj/v  betrachten. 
Die  Momente  a,  i,  c  sind  daher  von  der  Ordnung  von  jd^Jv.^ 

Weiter  lässt  sich  der  Energiefluss  des  Sonnenlichtes  nach 
den  Beobachtungen  über  die  dadurch  bewirkte  Erwärmung 
etwa  von  der  Grössenordnung  10®  schätzen;  da  aber  nach  (32) 
die  d^^  von  der  Ordnung  10""^  sind,  und  v  von  der  Ordnung  10** 
ist,  so  erhält  man  a,  A,  c  als  von  der  Ordnung  10"^^. 

Trägt  der  Krystall  normal  zu  der  elektrischen  Axe  Be- 
legungen von  zusammen  100  cm*  Fläche  —  was  natürlich 
einen  besonders  günstigen  Fall  darstellt  — ,  so  wird  auf  den- 
selben bei  der  Erregung  durch  Sonnenlicht  eine  Ladung  von 
10"^^  absoluten  Einheiten  frei  werden,  und  wenn  die  Capacität 
der  Belegungen  mit  den  angehängten  Quadrantep  des  Elektro- 
meters gleich  100  ist,  so  wird  eine  Potentialdifferenz  von  10"*^ 
auf  ihnen  entstehen. 

Bis  hierher  sind  elektrostatische  Einheiten  benutzt  Gehtman 
zum  elektromagnetischen  Maasssystem  über,  so  erhält  mau  als 
Grössenordnung  dieser  Potentialdifferenz  10~  ^  absolute  Einheiten. 

Unter  den  angenommenen  günstigen  Umständen  müssten  also 
eine  photoelektrisch  erregte  Potential differenz  von  ca.  10~^^Volt 
zwischen  den  Belegungen  des  Krystalles  eintreten.  Es  scheint 
an  sich  nicht  unmöglich,  einen  so  kleinen  Betrag  zur  Wahr- 
nehmung zu  bringen;  jedenfalls  sind  aber  die  von  Anderen 
an  acentrischen  Krystallen  aufgefundenen  und  als  photo- 
elektrische Wirkungen  gedeuteten  Erscheinungen  von  einer  ganz 
anderen  Grössenordnung  und  somit  durch  die  vorstehende, 
höchst  allgemeine  Theorie  nicht  zu  erklären.  Da  jene  Effecte 
zum  Theil  mit  den  Symmetrieverhältnissen,  die  bei  photo- 
elektrischen Vorgängen  herrschen  müssen,  im  directen  Wider- 
spruch stehen,  so  hat  die  bereits  mehrfach  vertretene  Auf- 
fassung, dass  sie  pyroelektrischen  Ursprung  besitzen  (dies  Wort 
im  allgemeinen  Sinne  benutzt),   eine  hohe  Wahrsclieinlichkeit. 

5.  Im  Vorstehenden  ist  der  Fall  vorausgesetzt,  dass  die 
betrachteten  Krystalle  von  Natur  nur  die  gewöhnliche  Doppel- 
brechung zeigen,  also  inactiv  sind.  Die  Berücksichtigung  der 
Activität,  welche  bei  gewissen  acentrischen  Krystallen  nach 
den  Symmetrieverhältnissen  möglich  und  nach  der  Erfahrung 
auch  thatsächlich  vorhanden  ist,  erfordert  eine  Erweiterung 
der    obigen  Formeln,     Da   die  Activität    zweifellos  durch   be- 

f 


t 


Optische  Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes,  307 

stimmte  Eigenschaften  der  ponderabeln  Theile  bedingt  wird,  so 
erscheint  es  sachgemäss,  auch  ihre  Darstellung  durch  Modifica- 
tion  der  Formeln  (3)  zu  versuchen,  die  das  Verhalten  der  für 
den  elektrischen  Zustand  der  ponderabeln  Materie  charakte- 
ristischen Vectoren  S^  bestimmen. 

Eine  einfache  Erweiterung,  die  den  betrefifenden  Symmetrie- 
verhältnissen  entspricht,  besteht  darin,  auf  den  rechten  Seiten 
der  Gleichungen  (3)  bez.  (6)  die  Ausdrücke 

.ÖL  .dM  j^dN 

^^   dt  ^^   dt  ^»   dt 

zuzufügen,  in  denen  die  y^  Constanten  von  beiläufig  stets 
äusserst  kleinem  Betrag  bezeichnen. 

Indessen  genügt  dies  nicht,  wenn,  was  plausibel  ist,  die 
Ursachen  der  Activität  als  conservative  Vorgänge  betrachtet 
werden;  denn  diese  Glieder  liefern  in  der  Gleichung  der 
Energie,  wo  sie  mit  d^Jdt,  d^Jdt^  ^Shl^^  multiplicirt 
auftreten,  keinen  DifiFerentialquotienten  nach  der  Zeit.  Um 
mit  derartigen  Gliedern  conservative  Wirkungen  zu  erhalten, 
ist  es  vielmehr  nöthig,  auch  noch  das  erste  System  der  Glei- 
chungen (1)  durch  Hinzufügung  der  Ausdrücke 

^rl^^       ^rl^'^        Vii^^- 

1  3  3 

zu  erweitern.  Dann  liefern  die  zugesetzten  Glieder,  wie  leicht 
zu  sehen,  einen  Antheil  an  der  elektromagnetischen  Energie 
von  der  Form 

1     -^(r1  ö3e»  yj-    ö».  yj    BZ. 

TU  2.  l  li"  TT  ^  +  "P" -yr  "^  +  TF -TT  ^ 

^^     \      1  2  8 

Entwickeln  wir  zunächst  die  Formeln  für  den  einem 
elektrischen  Felde  nicht  ausgesetzten  Krystall.  Wir  haben 
hier  nach  dem  eben  Gesagten 


dt  ""  '^[dy       d»  )'     dt  "  ^[dx 


(35) 


dy 


rföx 


s  =  x+2'7f-öf     x  =  ^  +  23£., 


(36)  3e,+  «?^  +  if^-|^  =  «J'X-y?^|. 


20' 


308 


fF.  Voigt 


Wie  X  als  Componente  der  elektrischen,  so  lässt  sich  2 
als  diejenige  der  magnetischen  Polarisation  auffassen,  und  die 
in  den  Formeln  enthaltenen  Annahmen  lassen  sich  dahin  aus- 
sprechen, dass  in  activen  Körpern  nicht  nur  örtlich  wechselnde 
elektrische  Kräfte  magnetisch,  örtlich  wechselnde  magnetische 
Kräfte  elektrisch  wirken,  sondern  schon  eine  nur  zeitliche  Ver- 
änderung  der   einen  Componente  die  parallele  andere  erregt. 

Für  periodische  Schwingungen  folgt  aus  dem  System  (35) 
und  (36)  bei  Vernachlässigung  der  in  den  y^  quadratischen 
Gliedern 


(37) 


V 


1   dt 


=  1?» 


x\dx        dxj       dy\dx        dyj\ 


,    o     d^  (dZ  _  dj 
'^  P^'dt^[dy         dz 


wobei 


i?,=  l+  "^ 


Je 


^  flT' 


A-^»2S- 


ist. 

Dies  (angenäherte)  Formelsystem  fallt  bei  durchsichtigen 
(insbesondere  isotropen)  Körpern  mit  dem  in  diesem  Fall  zm- 
Erklärung  der  Activität  von  Hrn.  Drude^)  gemachten  Ansatz 
zusammen. 

Gehen  wir  nun  zu  der  Wirkung  des  elektrischen  Feldes 
auf  den  natürlich  activen  Krystall  über,  so  führt  die  p.  301 
benutzte  Annäherung  statt  auf  die  Formeln  (11)  einfach  auf 
das  folgende  System 


(38) 


-6*r 


Du 


.IdZ        dY\ 


'    Di 


1)  P.  Drude,  Gott.  Nachr.  von  1892,  p.  402.  Der  von  Hm.  Drade 
gemachte  Ansatz  scheint  mir  übrigens,  entgegen  einer  von  dem  Hm.  Autor 
gemachten  Bemerkung,  doch  keinen  streng  consurvativen  Vorgang  dar- 
zustellen. 


Optische   fFirkungen  eines  elektrischen  Feldes.  309 

und  für  die  elektrischen  Polarisationen  gilt  statt  (13)  nunmehr 

•  (39)         X  =  Za^,  +  J«,,  +  ^a„  -  |/?,  (|^  -  ^^} 

Dies  zeigt,  dass  innerhalb  der  eingeführten  Annäherung  die 
Wirkung  der  Activität  und  die  des  elektrischen  Feldes  sich 
einfach  supeiponiren,  wie  das  auch  Hr.  Pockels  in  der  oben 
citirten  Arbeit  %  wenngleich  in  anderer  Weise,  verwerthet  hat. 

6.  Besondere  Erscheinungen  signalisiren  die  vorstehenden 
Ansätze  für  die  Fälle,  dass  das  Absorptionsspectrum  des 
dem  elektrischen  Feld  ausgesetzten  Krystalles  schmale  und 
intensive  Absorptionsstreifen  zeigt  und  in  deren  unmittelbarer 
Umgebung  beobachtet  wird.  Hier  ist  die  auf  p.  301  eingeführte 
Annäherung  nicht  zulässig,  die  -ö^  können  von  derselben 
Grössenordnung  werden,  wie  die  D^  ,  die  y^  wie  die  e^n»  Es 
ist  dann  auf  die  strengen  Formeln  (6)  oder  (8)  (eventuell  unter 
Heranziehung  der  zur  Darstellung  der  Activität  dienenden  Er- 
gänzungsglieder) zurückzugreifen. 

Lassen  wir  die  Berücksichtigung  der  Activität  bei  Seite, 
was  auch  bei  activen  Krystallen,  die  nicht  dem  regulären 
System  angehören,  für  die  meisten  Fortpflanzungsrichtungen 
unbedingt  zulässig  ist,  so  zeigen  die  Formeln  (8) ,  dass  Wellen 
möglich  sind,  in  denen  die  elektrische  Kraft  der  X-Symmetrie- 
axe  parallel  schwingt,  falls  nur  nach  der  Symmetrie  des  Kry- 
stalles die  Parameter  D^^  und  B^^  verschwinden.  Dann 
nimmt  die  erste  Gleichung  (8)  die  einfache  Form 

(40)  3£,(i)f  +  2?,'',)  =  £jA' 

an,  aus  der  sich  ergiebt,  dass  durch  die  Wirkung  des  elektri- 
schen Feldes  die  solchen  Wellen  eigenen  Absorptionsstreifen 
Verschiebungen  erleiden.  Denn  die  Lage  eines  dem  Vector  IS^ 
zugehörigen,  sehr  feinen  Absorptionsstreifens  ist  durch  die 
Schwingungsdauer  bestimmt,  für  welche  der  Factor  von  3b\  bei 
in  D^  verschwindend  gesetztem  a\  selbst  verschwindet,  und 
diese  ist  nach  (38)  von  I)\  abhängig. 

Hier  wird  also  ein  elektrisches  Analogon  zu  der  magne- 
tischen Einwirkung  auf  die  Lage  der  Absorptionsstreifen 
signalisirt,   die  als  inverses  Zeeman- Phänomen    bekannt   ist. 


1)  Fr.  Pockels,  Preisschrift  p.  30. 


310 


W.  Voigt. 


Da  indessen  acentrische  Krystalle  mit  hinreichend  feinen  Ab- 
soi'ptionsstreifen,  um  solche  Verschiebungen  sichtbar  werden  zu 
lassen,  nicht  bekannt  sind,  so  hat  die  weitere  Erörterung  dieser 
und  ähnlicher  Erscheinungen  kein  Interesse. 

Aus  dem  gleichen  Grunde  mag  auch  die  Erörterung  der 
Veränderungen  unterbleiben,  welche  die  für  active  KLrystalle 
oben  abgeleiteten  Resultate  in  der  Nähe  feiner  und  intensiver 
Absorptionsstreifen  erleiden. 

7.  Mit  den  Symmetrieverhältnissen  aller ^  auch  der  centrisch- 
symmetrischen  Krystalle  und  ebenso  der  isotropen  Körper  ist 
ein  in  den  Feldcomponenten  J,  Bj  C  quadratischer  Antheil  e'' 
an  der  elektrischen  Energie  verträglich,  den  wir  schreiben 
wollen 


(41) 


<?  = 


8n 


+  2«,*  D»3»  +  2.,*  3»3c,  +  2«.*  X,D,) 

+  2  ^*  D,  3.  +  2  e,\  3.Xt  +  2  e,\  I,^ J 


hierin  sind  die  ej^  dem  Vector  S^  zugeordnete  Constanten.  Wie 
sich  dieser  Ansatz  für  die  einzelnen  Krystallgruppen  speciali- 
sirt,  ist  an  einer  anderen  Stelle  auseinander  gesetzt  worden.^) 
Wir  beschränken  uns  hier  auf  den  bisher  allein  inter- 
essirenden  Fall  isotroper  Körper,  wo  der  Ansatz  (41)  folgende 
Gestalt  annimmt: 


e  = 


(42)  \      +B*        ^  (4  n  +  «»  Di  +  4  31) 

+  2B0  2*i'D*3*  +  26'^2«*3t3Efc+2^52e»3£»S» 

und  e^  =z  ßj,  —  e\  ist. 

Unter  Rücksicht  auf  diesen  Werth  lauten  nun  für  einen 
isotropen  Körper  die  wegen  der  Wirkung  des  elektrischen 
Feldes  erweiterten  Gleichungen  (3): 


1)  W.  Voigt,  Komp.  der  theor.  Physik.  !•  p.  142.  1895. 


Optische   Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes,  311 


(43)  JS»  +  «»-^T^  +  ^-^f  +  i\*\*,  +Dft^^  +3»^*.  =6.r, 

wobei  ist: 

(44)  E,\  =  ^»<+  ^»e,  +  C'e,'.     E,\  =  i?.*  =  CAe,", 

Die  Formeln  (43)  gehen  dem  System  (6)  genau  parallel 
und  gestatten  die  analoge  Behandlung.  Insbesondere  gelten 
tinter  der  p.  301  gemachten  Voraussetzung,  dass  ein  merklich 
absorptionsfreies  Spectralbereich  untersucht  wird,  den  Glei- 
chungen (16)  analoge,  die  wir  schreiben: 

(45)  ?l  =  -  Xfi,,  +  r(fj  -  71,,)  -  ^1^33  , 

^  3  =  -  -^^81  -  y^si  +  z[f]  - 1^33), 

wobei 


=  .,    =  V*'^. 


Di 


A  =  1  -  h 


(46)     17=1+2^'     '?-=*/.«  =  2^ 

ist;   ebenso  bleiben  die  Formeln  (20)  und  (21)  gültig,    wenn 
nur  an  Stelle  von  (24)  die  Beziehungen  treten: 


(47) 


a" 


«11  =  «  +  Vn  -^ 


a 


22 


=  a  + 


'/«  a* 


r' 


a 


'/88  «* 


33 


=  «  +  -bi 


V' 


«23   = 


J7„a« 


«31  = 


«12  = 


J7i,a' 


Da  man  ohne  Beschränkung  der  Allgemeinheit  die  Richtung 
der  Kraftlinien  mit  der  Z-Axe  zusammenfallen  lassen,  also 
J=0,  i?  =  0,  C  =  B  setzen  kann,  und  da  a  das  Quadrat  der 
dem  betrachteten  Körper  ausserhalb  des  elektrischen  Feldes 
eigenen  Lichtgeschwindigkeit  w  bedeutet,  somit  t7*/a  =  n^, 
d.  h.  das  Quadrat  seines  Brechungsindexes  darstellt,  so  resul- 
tirt  unter  der  gemachten  Annahme: 


(48) 


«33  =  «^»^  (1   +  ^  2' '^7)  '      "as  =  «31  =  «12  =  0- 


312  /T.  Voigt 

Die  Wirkung  des  elektrischen  Feldes  erscheint  wiederum 
am  grössten  in  der  Nähe  eines  Absorptionsstreifens,  wo  eines^ 
der  L^  seinen  kleinsten  Werth  annimmt. 

Nach  Beobachtungen  von  Kerr^)  (welche  übrigens  die 
im  Vorstehenden  zum  Ausdruck  kommende  Proportionalität 
der  Wirkung  mit  dem  Quadrat  der  Feldstärke  bestätigen)  scheint 
die  Geschwindigkeit  der  ordinären  Welle  durch  das  Feld  nur 
sehr  wenig  geändert  zu  werden;  dies  erklärt  sich  am  ein- 
fachsten durch  neben  den  e^^  kleinen  Werthen  der  e'j^.  Die 
Constanten  e^^  besitzen  nach  den  Beobachtungen  für  verschiedene 
Körper  verschiedenes  Vorzeichen.  — 

Bei  Benutzung  der  vorstehend  festgestellten  Lage  des  Co- 
ordinatensystemes  und  bei  Voraussetzung  merklicher  Absorption 
und  periodischer  Schwingungen  geben  die  strengen  Formeln  (43): 


(49) 


3,(2),  +  R'e,)  =  ,,Z,     wobei  Z),  =  1  +  ^  -  -J.-. 


Sie  verlangen,  gemäss  dem  p.  309  Gesagten,  für  die  beiden 
normal  zu  den  Kraftlinien  fortschreitenden  ebenen  Wellen  Ver- 
schiebungen der  Absorptionsstreifen  von  verschiedener  Grösse, 
also  unter  günstigen  Verhältnissen  schmaler  und  intensiver 
Absorptionsstreifen  eine  Art  von  inversem  Zeeman-EfiFect, 
insofern  eine  einfallende  Welle  natürlichen  Lichtes  statt  jedes 
ursprünglich  vorhandenen  Absorptionsstreifens  im  elektrischen 
Felde  deren  zwei  liefern  muss.  Eine  parallel  den  Kraftlinien 
fortschreitende  ebene  Welle  müsste  im  elektrischen  Felde  nur 
eine    einfache  Verschiebung    der  Absorptionsstreifen    erleiden. 

Da  leuchtende  Dämpfe  isotrop  sind,  so  müssen  auf  sie 
die  obigen  Resultate  anwendbar  sein;  nach  dem  Kirch - 
hoffschen  Gesetz  müsste  überdies  dem  inversen  Zeeman- 
EfiFect  ein  directer  parallel  gehen. 

Obwohl  alle  diese  Erscheinungen  noch  nicht  beobachtet 
sind,  so  kann  an  ihrem  Vorhandensein  doch  nicht  wohl  ge- 
zweifelt werden.  Denn  sie  sind  durch  die  Theorie  mit  der  von 
Kerr  entdeckten  elektrisch  erregten  Doppelbrechung  in  ganz 
derselben  Weise  verknüpft,  wie  die  Zeeman-Eflfecte  mit  der  von 
Farad ay  aufgefundenen  magnetischen  Drehung  der  Polarisa- 
tionsebene. Versuche  zum  Nachweis  derselben  sind  im  Gange.  — 

1)  J.  Kerr,  Phil.  Mag.  (5.)  37.  p.  380—394.  1894.  | 


Optische  Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes,  313 

Ganz  analog,  wie  p.  305  aus  dem  Ansatz  (5),  so  kann 
ich  aus  dem  neuen  Ansatz  (41)  bez.  (42)  für  die  Energie  e' 
^schlössen  werden,  dass  zur  Influenzirung  eines  beliebigen 
trchlichteten  Körpers  eine  andere  Arbeit  erforderlich  ist,  als 
1  der  des  unbelichieten,  und  dass  demgemäss  im  ersteren 
alle  durch  das  Licht  elektrische  Momente  von  der  Starke 
=  —  de* jd Ä,  Ä  =  —  de' jd  By  c  =  —  de' jdC  erregt  werden. 
>a  diese  Ausdrücke  in  A,  B,  C  linear  sind,  so  stellt  sich  das 
»esultat  als  eine  Abhängigkeit  der  Elektrisirungszahl  des 
Körpers  von  der  Durchlichtung  dar. 

um  die  Grössenordnung  dieser  Abhängigkeit  zu  schätzen, 
ahmen  wir,  wie  früher,  an,  dass  der  betrachtete  Körper  durch 
inen  einzigen  Hülfsvector  S'  charakterisirt  wäre,  und  wir  uns 
iif  das  Spectralbereich  merklicher  Durchsichtigkeit  beschränken, 
lassen  wir  dann  eine  ebene  homogene  Welle  parallel  zur 
-Axe  fortschreiten,  setzen  also  3'  =  ö,  und  bestimmen  das 
[oment  in  der  Richtung  der  X-Axe,  so  erhalten  wir  aus  (42) 

^4na=^  Ä{er^  +  eW% 

Führen  wir  wieder  den  EnergieflussJ  der  Lichtwelle  ein,  so  er- 
alten wir  nach  p.  305  für  die  Aenderung  der  Elektrisirungszahl 
es  Körpers  infolge  der  Durchstrahlung  die  Grössenordnung  Je/t?. 

Aus  Beobachtungen  von  Hrn.  Quincke  darf  man  für 
chwefelkohlenstofiF  die  Grössenordnung  von  e  auf  etwa  10  ~^ 
shätzen;  combinirt  man  hiermit  die  für  Sonnenlicht  etwa  an- 
iinehmende  Grösse  y*  =  10®,  hierzu  i;  =  3.10-^^,  so  gelangt 
lan  zu  einem  Einfluss  der  Durchlichtung  auf  die  Elektrisirungs- 
bJiI,  der  kaum  10~^^  erreichen  dürfte.  Auch  diese  reciproke 
^Tirkung  ist  also  ungemein  klein. 

8.  Die  vorstehend  entwickelte  Theorie  ist  insofern  die 
enkbar  allgemeinste,  als  sie  zwischen  den  Parametern  der  An- 
ätze (5)  und  (41)  bez.  (42)  keine  anderen  Beziehungen  ergiebt, 
Is  die  sich  aus  den  Symmetrieverhältnissen  des  Körpers  er- 
ebenden.  Man  kann  indessen  eine  sehr  plausible  specielle  Hypo- 
liese  einfuhren,  aus  welcher  noch  weitere  Beziehungen  folgen. 

Die  oben  gemachten  Ansätze  stellen  sich  dar  als  Er- 
reiterungen  des  Ausdruckes  für  die  Energie  eines  von  Schwin- 
lingen  erfüllten,  selectiv  absorbirenden  Körpers,  bei  denen 
ie  den  Körper  charakterisirenden  Constanten  mit  Functionen 
er  äusseren,  constanten,  elektrischen  Feldstärke  vertauscht  sind. 


314 


JF.  Voigt 


Sie  führen  also  neben  der  periodischen  Feldstärke  der  Schwingung 
diese  coustante  äussere  Feldstärke  in  wesentlich  anderer  Wirkungs-^ 
weise  ein  und  entfernen  sich  dadurch  im  Grunde  etwas  von  den 
allgemeinen  Vorstellungen  der  elektromagnetischen  Lichttheorie, 
die  nur  eine  Art  elektrischer  (bez.  magnetischer)  Felder  anerkennt 
Dagegen  scheint  die  Annahme  eines  verschiedenen  Verhaltens  der 
schwingenden,  inneren  und  der  constanten,  äusseren  elektrischen 
Feldstärke  jenen  specielleren  Theorien  der  Elektrodynamik,  welche 
von  der  Vorstelllung  positiv  oder  negativ  geladener  kleinster 
Theilchen  ponderabler  Materie  ausgehen,  sehr  wohl  zu  entsprechen. 
Man  stellt  sich  durchaus  auf  den  Boden  der  allgemeinen 
Theorie,  wenn  man  annimmt,  dass  der  gebräuchliche  Ansatz 
für  die  elektrische  Energie  nur  eine  erste  Annäherung  ist, 
und  dass  derselbe  bei  grossen  Feldstärken  durch  Glieder 
höheren  Grades  vervollständigt  werden  muss.  Der  Werth  der 
elektrischen  Energie  e  würde  dann  etwa  zu  schreiben  sein 

(50) 

wobei 

(51) 


(52) 


e  =  «1  +  «j  +  «8  +  "4 ' 


8«.,=  V 


m  +  *?  i^iff) 


8 


(3* + '!  m) 


die  früher  allein  benutzten  Glieder,  und 
j  12  ;rc3  =  2  [b*  n  +  b  *,  D,»  +  b*3  32 

+  3  X,  (b  *,  n  +  b.",  3*")  +  3  %  (b  »3  3»'  +  b  *,  nV) 

I         +3  3*  (b  *,  n  +  K\  m)  +  3  b  ae,  D,  3*] , 


(53) 


f  16  5r  *,  =  2  [f  n  ^i  +  e '.  ?)*  +  «,,*.  3t' 


(54) 


+  4Xnef.?)l  +  e*3  32+e*D,3t) 
+  4D^(e*.3^  +  e*,a-J+e*3*3e») 

+  4  3Me,*,X^  +  e*,?)|  +  e*3X,D^] 

Ergänzungsglieder  darstellen. 

Zerfällt  nun  die  Feldstärke  in  einen  sehr  grosse  con- 
stanten  und  einen  viel  kleineren  periodisch  wechselnden  Theil, 
so  ist  in  diesen  Ausdrücken 


Optische   Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes, 


315 


(56) 


an  die  Stelle  von  X,  7,  Z,  X^^,  2)^^,  3^  zu  setzen  und  eine  Ent- 
^  wickelang   nach  Potenzen   der   kleinen  Grössen  vorzunehmen. 
Für    den  Schwingungsvorgang   sind    die  in   den  letzteren 
Grössen  constanten  oder  linearen  Glieder  ohne  Einfluss;    die 
Glieder   zweiten  Grades   liefern  die  oben   entwickelte  Theorie 
der  elektro- optischen  Vorgänge    in  etwas  specialisirter  Form. 
In  der  That,    da   aus  den  Gleichungen  (3)  für  die   con- 
stanten Antheile  die  in  den  Gliedern  dritten  Grades  als  an- 
genähert richtig  zu  benutzenden  Beziehungen  folgen 

(55)  %  =  t\Ä,  ©,  =  «*5,  e^  =  «*(7, 

so  liefert  e^  den  folgenden  Antheil  zur  Energie 

+  5«*(b*.x»'  +  b*,?)2  +  b*,3^ 

+  c«*  (b,*  n  +  \\  m  +  b  *,  31 

+  2b*,D,3.+  2b»33,X,+  b''X,  ?),)], 

der  dem  Ansatz  (5)  gleich  gestaltet  ist,  aber  statt  18  nur  10 
voneinander  unabhängige  Constanten  besitzt. 

Bezüglich  der  Entwickelung  von  e^  wollen  wir  uns,  wie 
oben,  auf  den  Fall  eines  isotropen  Körpers  beschränken,  also 
von  dem  Ansatz  ausgehen 

(57)  UTte,  =  2^fc(3£^  +  m  +  3^)*. 
Dann  erhält  man  als  Glied  zweiten  Grades  bei  Einführung 

der  wiederum  angenähert  richtigen  Beziehungen 

(58)  \  =  h^'    »A  =  «*^>    ^H  =  hC 
das  folgende 

f  8«<  =  2«*«^  [4»(3X^  +  Wk  +  SD 
+  B^  {n  +  3  D,»  +  3*^) 

+  c         (3e^  +  Wk  +  3  3*0 

+  4(^CD,3,  +  (7^3»S,  +  AB\%)\. 

Dies  Resultat  entspricht  genau  dem  Ansatz  (42),  wenn 
man  dort  die  Eelation  e^  =  3  «L  einführt.     Für  die  Parameter 


(59) 


316  }F.  Voigt. 

des  Fresnerschen  Ovaloides  würde  nach  (48)  hieraus  die 
Beziehung  folgen:  ,^ 

«11  -  «*  =  «22  -  ö>«  =  y  (033  -  (o) . 

Die  oben  citirten  Kerr 'sehen  Beobachtungen  scheinen  diese 
Beziehung  nicht  zu  bestätigen;  indessen  sind  die  Resultate 
keineswegs  sehr  sicher,  z.  B.  nicht  von  der  secundären  Wir- 
kung des  elektrischen  Feldes  durch  die  begleitende  Elektro- 
striction  befreit.  Bemerkenswerth  ist  immerhin,  dass  sie  die 
e'h  weit  kleiner,  als  die  e^  zu  ergeben   scheinen. 

Die  vorstehenden  Entwickelungen  gehen  nahe  parallel 
dem  Versuche  einer  Theorie  der  elektro-optischen  Wirkungen 
auf  Grund  der  Annahme  von  mit  der  Feldstärke  variirenden 
Dielektricitätsconstanten,  den  Hr.  Pockels^)  mitgetheilt  hat 
Indessen  sind  in  jeuer  Arbeit  noch  die  gewöhnlichen  „sta- 
tischen" Dielektricitätsconstanten  als  für  die  optischen  Phä- 
nomen maassgebend  betrachtet,  was  sich  nicht  halten  lässt, 
während  hier  der  moderne  Begriff  der  „dynamischen**  Dielektri- 
citätsconstanten  benutzt  ist. 

9.  W^as  das  p,  305  erörterte  reciproke  Phänomen,  das 
Entstehen  eines  elektrostatischen  Feldes  in  einer  Lichtwelle, 
betrifft,  so  wird  dasselbe  auch  durch  die  modificirte  Theorie, 
wenngleich  in  etwas  anderer  Weise,  gefordert. 

Der  Ansatz  (53)  liefert  nämlich  bei  der  oben  beschriebe- 
nen Operation  ein  Glied,  welches  von  dritter  Ordnung  in 
X^,  2),^,  Sh  is^  ^^^  ^i^  ^^^  i^  (53)  hingeschriebenen  Ausdruck 
selbst  übereinstimmt.  Ihm  entsprechen  dann  in  den  erweiterten 
Gleichungen  (6)  Glieder  zweiten  Grades  in  3£^,  g^,  3^»  z.  B. 
in  der  ersten  die  folgenden 

Solche  Glieder  geben  bei  einer  Lichtbewegung  einen  von  Null 
verschiedenen  Mittelwerth  und  demgemäss  auch  einen  con- 
stanten  Antheil  an  X^,  ^f^,  3/,?  der  sich  in  einem  elektrosta- 
tischen Feld  geltend  machen  muss. 

An  den  Ansatz  (54)  bez.  (57)  kann  man  eine  ähnliche 
Betrachtung  anknüpfen.  — 


1)  Fr.  Pockels,  Göttinger  Nachr.,  Math.-physik.  Klasse  p.  102. 189 


% 


Optische   Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes.  317 

Auch  die  früher  von  mir  ^)  zur  Erklärung  des  normalen 
2  Z  e  e  m  an  -  Effectes  aufgestellten  Differentialgleichungen  gestatten 
die  gleiche  Behandlung. 

Hier  war  an  Stelle  des  Systems  (3)  für  isotrope  Körper 
das  folgende  geschrieben 

(60)  3E,  +  «/^  +  K  "^  +  c,  (  6-4f.  -  ^  4-3^)  =  e,X, 

wobei  die  c^  Constanten  bedeuten,  und  unter  A,  B,  C  die  Com- 
ponenten  des  äusseren  magnetischen  Feldes  verstanden  sind. 
1S&  entspricht  dem  in  diesem  Abschnitt  angenommenen,  in  die 
letzteren  Grössen  auch  die  bei  der  Lichtschwingung  veränder- 
lichen Antheile  Z,  M,  N  der  magnetischen  Componenten  ein- 
zubeziehen;  da  die  in  c^  multiplicirten  Glieder  keinen  Antheil 
zur  Energie  liefern,  so  erleidet  deren  Werth  hierdurch  keine 
Veränderung. 

Wirkt  dann  kein  äusseres  Feld,  so  lauten  nach  dieser 
Annahme  die  vorstehenden  Formeln 

(61)  3E.  +  «.^*f +*,.^  +  c.(iV^^-lf^^f)  =  a,J, 

die  in  c^  multiplicirten  Terme  geben  bei  periodischen  Schwin- 
gungen im  allgemeinen  einen  von  Null  verschiedenen  Mittel- 
werth,  verlangen  somit  in  3£^,  ^J)^,  3;»  einen  constanten  Antheil 
und  daher  in  der  Lichtwelle  ein  coustantes  elektrisches  Feld. 
Es  möge  erwähnt  werden,  dass  nach  dem  Inhalt  dieser 
Formeln  ein  magnetisch-activer,  absorbirender,  isotroper  Körper 
bei  der  Durchstrahlung  ein  elektrisches  Moment  annehmen 
muss,  dessen  Axe  mit  der  Fortpflanzungsrichtung  des  Lichtes 
zusammenfällt.  Der  Sinn  des  Momentes  wird  durch  das  Vor- 
zeichen der  c^,  d.  h.  durch  den  Sinn  der  magnetischen  Drehung 
der  Polarisationsebene  in  dem  Körper  bestimmt.  Auch  diese 
lichtelektrische  Wirkung  ist  ausserordentlich  schwach. 

Resultate. 

Die  Hertz'schen  Gleichungen  der  elektromagnetischen 
Lichttheorie    sind    im    Vorstehenden    behufs    Darstellung    der 


1)  W.  Voigt,   Wied.  Ann.  67.  p.  347.  1899. 


318      W,  Foigt,  Optische  Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes. 

optischen  Wirkungen  eines  elektrischen  Feldes  nach  folgenden 
Grundsätzen  erweitert:  1.  die  Wirkung  des  Feldes  wird  alw 
von  der  Anwesenheit  ponderabler  Theile  abhängig  betrachtet; 
2.  die  Vorgänge  werden  als  conservativ  angenommen;  3.  die 
Superposition  verschiedener  Schwingungen  bleibt  erhalten;  4.  die 
Feldcomponenten  werden  in  der  niedrigst  möglichen  Potenz 
eingeführt.  Diese  Potenz  ist  bei  den  acentrischen  Krystalien 
die  erste,  bei  den  centrischen  Krystalien  und  den  isotropen 
Körpern  die  zweite. 

Die  so  gewonnenen  Formeln  liefern,  die  Gesetze  der  be- 
sonders von  Hrn.  Pockels  untersuchten  elektro-optischen  Phä- 
nomene in  acentrischen  Krystalien,  sowie  der  von  Hm.  Kerr 
entdeckten  elektrischen  Doppelbrechung  in  isotropen  Körpern. 

Auch  die  Berücksichtigung  der  bei  gewissen  acentrischen 
Krystalien  auftretenden  natürlichen  Activität  bietet  keine 
Schwierigkeit. 

Für  Medien  mit  scharfen  Absorptionslinien  ergeben  die 
Formeln  als  Wirkungen  des  elektrischen  Feldes  Zerlegungen 
oder  Verschiebungen  dieser  Linien ,  also  eine  elektrische 
Analogie  zum  Zee  man -Effect. 

Den  elektro-optischen  Wirkungen  ordnet  die  Theorie  merk- 
würdige reciproke  Vorgänge  zu,  nämlich  die  Erregung  eines 
Constanten  elektrischen  Feldes  in  acentrischen  Krystalien,  sowie 
die  Veränderung  der  Elektrisirungszahlen  von  centrischen 
Krystalien  und  von  isotropen  Körpern  durch  das  Licht. 

Die  allgemeinen  Ansätze  der  Theorie  erleiden  eine  Spe- 
cialisirung,  wenn  man  gemäss  der  Vorstellung  von  der  Einheit 
der  elektrischen  Kraft  die  Annahme  einführt,  dass  das  con- 
stante  elektrische  Feld  in  den  Formeln  nicht  anders  auftreten 
dürfe,  als  die  in  der  Lichtwelle  schwingende  elektrische  Kraft 

Auch  bei  dieser  Auffassung  ordnen  sich  den  elektro- 
optischen  Wirkungen  reciproke  zu.  Dasselbe  gilt  bei  Be- 
nutzung der  gleichen  Vorstellung  über  die  magnetische  Kraft 
nach  der  früher  entwickelten  Theorie  auch  von  den  magneto- 
optischen Vorgängen. 

Göttingen,  Anfang  August  1899. 

(EiDgegaDgen  15.  August  1899.) 


17.  Die  Ursache  der  Veränderung 
des  Leitunfjsvermögens  i/n  Bleisuper oxyd; 

von  Th.  Sundorph. 


Einzelne  Stoflfe,  wie  PbOg  und  CuS^),  haben  die  Eigen- 
laft,  ihr  Leitungsvermögen  zu  vermindern,  wenn  sie  von 
ktrischen  Wellen  getroffen  werden.  Ich  habe  wiederholt 
t  Bleisuperoxyd  Versuche  angestellt,  indem  ich  erst  auf  fol- 
ade  Weise  untersuchte,  welche  Wirkung  ein  gewöhnlicher 
•om  ausübt.  In  einen  Glascylinder  C,  welcher  Bleisuper- 
jrd  enthielt,  waren  zwei  genau  gleich  grosse  Messingstangen  Ä 
d  B  gesteckt,  welche  von  Korken  an  den  beiden  Oeflfnungen 
3  Cylinders  gehalten  wurden;  ihre  Entfernung  betrug  ca. 
\  cm;  das  Pulver  hatte  eine  Höhe  von  ca.  2,5  cm.  Ein 
i  zwei  Millimeter  von  jeder  Metallstange  und  ebenfalls  in 
r  Mitte  des  Pulvers  brachte  ich  ein  Thermometer  an.  Ä  und 
verband  ich  mit  zwei  Schiebern,  welche  nach  einem  Neu- 
berdrahte,  dessen  Enden  einen  Spannungsunterschied  von 
0  Volt  hatten,  bewegt  werden  konnten.  Die  Stromstärke 
llte  ich  durch  ein  eingeschaltetes  6al- 
lometer  fest.    Verschob  ich  die  Schieber, 

konnte  ich  untersuchen,  wie  sich  das 
Iver  verhielt,  wenn  der  Spannungsunter- 
lied  zwischen  A  und  B^  welcher  in  jedem 
izelnen  Versuche  constant  gehalten  wurde, 
ischen  5  und  110  Volt  variirte.  Bei 
lern  Versuche  verwendete  ich  neues  Pulver 
d  reinigte  die  Messingstangen  sorgfältig. 

genügt,  das  Resultat  eines  Versuches 
zufuhren;  da  sie  alle,  was  Stromstärke  und  Temperatur  an- 
langen, einer  wie  der  andere  verliefen.  In  nachfolgendem 
iszuge  einer  Tabelle  bedeutet  M  die  Zeit  in  Minuten, 
lie  Stromstärke  in  Ampere,  t^  den  Stand  des  Thermometers  an 
r  positiven  Elektrode,  t^  den  Stand  des  Thermometers  an  der 


i'i  I'' 


^^™m 


1)  E.  Branly,    Lura.   ^lectr.  40.    p.  511.    1891;    E.  AschkinasSy 
led.  Ann.  66.  p.  288.  1898. 


320 


Th,  Sundorph, 


negativen   Elektrode.     Der  Spannungsunterschied   zwischen  Ä 
und  B  beträgt  33  Volt. 


M     0 


8 

ix 


0,4 

0,9 

20 

91 

20 

70 

2 

3 

4 

5 

10 

20 

45 

50 

55 

1,1 

0,425 

0,275 

0,225 

0,175 

0,125 

0,125 

0,125 

0,125 

170 

240 

251 

245 

226 

190 

160 

160 

160 

105 

122 

105 

94 

73 

60 

48 

46 

46 

Das  sich  in  der  Mitte  des  Pulvers  befindende  Thermo- 
meter zeigte  eine  Temperatur,  welche  zwischen  t^  und  t^  liegt 

Die  Tabelle  zerfällt  in  drei  Theile.  Im  ersten  Theile 
wächst  die  Stromstärke  bedeutend  und  nähert  sich  einem 
Maximum,  im  zweiten  nimmt  sie  ab  und  nähert  sich  einem 
Minimum,  im  dritten  hält  sie  sich  annähernd  constant.  Die 
Ursache  dieser  Erscheinung  ist  die  von  dem  Strome  hervor- 
gebrachte Wärme,  die  den  Widerstand  vermindert  und  theil- 
weise  PbOg  in  das  schlecht  leitende  PbO  umbildet.  Eine  Be- 
stätigung hierfür  sind  theils  die  von  mir  angestellten  chemischen 
Untersuchungen,  bei  welchen  ich  feststellte,  dass  ein  beträcht- 
licher Theil  des  Pulvers  in  PbO  umgebildet  war  und  zwar, 
wie  zu  erwarten,  am  meisten  derjenige,  welcher  der  wärmsten 
Stange  am  nächsten  war;  theils  wird  es  durch  folgende  Ver- 
suche bestätigt.  Um  den  Cylinder  C7,  den  ich  nebst  einem 
Galvanometer  in  die  Leitung  einiger  Elemente  eingeschaltet 
hatte,  leitete  ich  einen  warmen  Luftstrom;  innerhalb  40  Mi- 
nuten stieg  die  Temperatur  des  Pulvers  auf  116®  und  behielt 
dieselbe  bei.  Bei  jedesmaligem  Ablesen  der  Stromstärke 
schloss  ich  den  Strom  nur  einen  Augenblick;  in  den  ersten 
Minuten  wuchs  er  stark,  nahm  allmählich  ab  und  blieb  dann 
bei  fallender  Tendenz  ziemlich  gleich.  Bei  den  Stromstärken 
gingen  also  genau  dieselben  Veränderungen  vor,  wie  bei  den 
oben  angeführten  Versuchen.  Dasselbe  Resultat  erzielte  ich, 
wenn  ich  den  Cylinder  mit   100®  heissem  Wasser  umgab. 

Die  angeführte  Tabelle  zeigt  das  Verhältniss,  wenn  der 
Spannungsunterschied  zwischen  Ä  und  B  gleich  33  Volt  ist; 
die  anderen,  unter  möglichst  denselben  Verhältnissen  ange- 
stellten Versuche  ergaben  folgende  Resultate.  Ist  der  Span- 
nuugsunterschied   zwischen  A  und  B  kleiner  als  33  Volt,   so 

hält  der  Zeitraum,  in  welchem  die  Stromstärke  wächst,  läng&l 

% 


Veränderung  des  Leitung svermögens  in  Bleisuperoxyd,     321 

an;  höchstens  ungefähr  eine  halbe  Stunde;  ist  der  Spannungs- 
^  unterschied  zwischen  A  und  B  grösser  als  33  Volt,  so  wird 
•  der  Zeitraum  kürzer  und  kürzer  und  ist  zuletzt  gleich  Null. 
Der  dazu  nothwendige  Spannungsunterschied  hängt  in  hohem 
Grade  von  dem  Zusammenpressen  des  Pulvers  ab.  Bei  den 
Versuchen,  in  welchen  der  Widerstand  des  Pulvers,  bei  einem 
hohen  Spannungsunterschiede  zwischen  A  und  By  augenblick- 
lich wächst,  war  die  Veränderung  des  Pulvers  im  Verhältniss 
zur  Widerstandsvergrösserung  klein,  ebenso  war  die  Tempe- 
ratursteigerung klein.  Ich  führe  hier  einen  Versuch  an,  in 
dem  die  Stromstärke  sofort  von  2  Ämp.  auf  0,1  Amp.  sank 
und  diesen  Werth  während  den  folgenden  8  Secunden  behielt, 
wonach  der  Versuch  abgebrochen  wurde.  Das  Thermometer 
der  einen  Metallstange  stieg  \^\  das  der  anderen  3^;  das 
Pulver  enthielt  nach  dem  Versuche  91,10  Proc.  PbO,,  während 
es  vor  dem  Versuche  95,80  Proc.  enthalten  hatte. 

Eine  Erklärung  hierfür  liegt  nach  meiner  Ansicht  in  dem 
Temperaturunterschiede,  indem  die  eine  Metallstange  (meistens 
die  positive)  immer  bedeutend  wärmer  als  die  andere  war 
(vgl.  die  Tabelle). 

Dieser  Temperaturunterschied  entsteht  sofort,  nachdem 
der  Strom  geschlossen  ist.  Die  grösste  Wärmeentwickelung 
findet  unmittelbar  bei  der  einen  Metallstange  statt,  was  dar- 
aus hervorgeht,  dass  die  positive  Stange  sich  bei  der  Berührung 
sehr  warm  erwies,  wenn  ihr  Thermometer  z.  B.  60^  zeigte; 
die  negative  Stange  aber  fiihlte  sich  nicht  warm  an,  wenn  später 
ihr  Thermometer  60*^  zeigte.  Hieraus  folgt,  dass  sich,  gleich 
nachdem  der  Strom  geschlossen  ist,  unmittelbar  bei  der  einen 
Stange  viel  PbO  bildet,  wodurch  der  Widerstand  und  eben- 
falls die  Wärmeentwickelung  ausnahmsweise  gross  wird.  Die 
Bildung  von  PbO  bei  der  einen  Stange  mag  hauptsächlich 
bei  höherem  Spannungsunterschiede  zwischen  A  und  B  statt- 
finden, wodurch  die  grosse  Zunahme  des  Widerstandes  trotz 
der  geringen  Umwandelung  des  Pulvers  ihre  Erklärung  findet 

Da  nun  ferner  die  Temperätursteigerung  bei  den  Ver- 
suchen, in  welchen  der  Widerstand  sofort  wächst,  sehr  klein 
ist  (^2 — 3^,  wenn  der  Versuch  nach  einigen  Secunden  unter- 
brochen wird,  während  die  Widerstandsvergrösserung  gross 
ist,    ist    es    nicht   unwahrscheinlich,    dass    Funken   zwischen 

^  Ana.  d.  Phyt.  u.  Chem.    N.  F.    69.  21 


322  Th.  Sundorph. 

Metall  und  Pulver  die  Umbildung  erzeugen.     Solche  Funken 
konnte  man  wahrnehmen,  wenn  man  das  Pulver  schüttelte. 

Die  Einwirkung  elektrischer  Wellen  auf  Bleisuperoxyd^ 
untersuchte  ich,  indem  ich  den  Cyliuder  C  zusammen  mit  einem 
Galvanometer  in  die  Leitung  einiger  Elemente  einschaltete.  Den 
Strom  schloss  ich  nur  bei  jedesmaligem  Ablesen  der  Strom- 
stärke; das  Pulver  war  keinen  sonderlich  starken  elektrischen 
Wellen  ausgesetzt  Die  Versuche  zeigten,  was  Stromstärke 
anbetriflft,  denselben  Verfauf,  wie  wenn  die  Metallstangen  in 
den  früher  erwähnten  Versuchen  einem  so  hohen  Spannungs- 
unterschiede ausgesetzt  wurden,  dass  der  Widerstand  sofort 
vermehrt  wurde.  Von  einem  der  Versuche  führe  ich  einzelne 
Daten  an.  Bevor  das  Pulver  den  elektrischen  Wellen  aus- 
gesetzt war,  betrug  die  Stromstärke  8,5  Milliamp.,  nach  zwei 
Minuten  6,25  Milliamp.,  nach  zwanzig  Minuten  5  Milliamp.; 
auf  dieser  Höhe  hielt  sich  die  Stromstärke  während  den  fol- 
genden fünfzig  Minuten  ziemlich  gleichmässig;  das  Pulver  ent- 
hielt nach  dem  Versuche  92,23  Proc.  PbOj,  vor  dem  Versuche 
93,21  Proc.  Da  diese  ümwandelung  nun  von  den  kurzen 
Stromschlüssen,  welche  zum  Ablesen  der  Stromstärke  statt- 
fanden, herrühren  konnten,  so  unternahm  ich  einige  Versuche, 
wobei  der  Cylinder  C  mit  den  Metallstangen  elektrischen  Wellen 
ausgesetzt  wurde,  ohne  dass  durch  das  Pulver  ein  Strom  ge- 
leitet wurde;  das  Pulver  zeigte  sich  andauernd  ein  wenig  ver- 
ändert. Als  Beispiel  führe  ich  einen  Versuch  an,  in  welchem 
das  Pulver,  ca.  1  m  von  der  Funkenbahn  entfernt,  während 
zwei  Stunden  elektrischen  Wellen  ausgesetzt  war.  Ein  viertel 
Theil  des  Pulvers  und  zwar  derjenige,  welcher  den  Messing- 
stangen am  nächsten  war,  enthielt  87,10  Proc.  PbOj,  während 
der  mittlere  Theil  94,00  Proc.  enthielt.  Vor  dem  Versuche 
hatte  das  Pulver  95,80  Proc.  PbO^  enthalten. 

Es  ist  also  wie  bei  den  Versuchen  mit  Strömen  von 
grosser  Spannung  eine  im  Verhältniss  zur  wahrscheinlichen 
Zunahme  des  Widerstandes  geringe  Veränderung  vor  sich  ge- 
gangen, und  diese  Veränderung  des  Pulvers  findet  hauptsäch- 
lich bei  den  Metallstangen  statt.  Wie  vorher  bemerkt,  ist  es 
wahrscheinlich,  dass  die  ümwandelung  von  Funken  herrührt, 
welche  am  kräftigsten  bei  den  Metallstangen  auftreten  und 
dort  eine  schlecht  leitende  Schicht   bilden.     Bei   diesen  Ver- 


FeränderuTUf  des  Leitungsvermögens  in  Bleisuperoxgd.     323 

suchen  fand  keine  oder  nur  eine  äusserst  geringe  Temperatur- 
steigerung statt. 

Die  Ursache,  warum  bei  gewöhnlichen  Strömen  die  eine 
Stange  wärmer  als  die  andere  ist,  geht  aus  meinen  Versuchen 
nicht  hervor.  Chemische  Processe  (PbOj  enthielt  etwas  Feuch- 
tigkeit) können  nicht  die  Ursache  sein,  da  sonst  immer  die- 
selbe Stange  am  wärmsten  sein  musste,  ebenso  wenig  konnte 
sie  in  den  Metallstangen  zu  suchen  sein,  da  diese  regelmässig 
gereinigt  und  umgetauscht  wurden.  Der  Grund  liegt  auch 
nicht  in  der  verschiedentlichen  Zusammeupressung  des  Pulvers 
bei  den  Metallstangen,  noch  in  der  verschiedentlichen  Strom- 
dichte bei  diesen;  man  könnte  annehmen,  dass  die  positive 
und  negative  Stange  sich  gleichmässig  erhitzen  würden,  wenn 
die  Spannung  bei  A  und  B  numerisch  dieselbe  wäre;  dieses 
findet  aber  nicht  statt.  Wahrscheinlich  wird  eine  schlecht 
Leitende  Schicht  mit  verschiedenem  Widerstand  bei  beiden 
Stangen  gebildet. 

Kopenhagen,  Seeofficierschule,  Juni  1899. 

(EingegaDgcn  3.  August  1899.) 


21 


18.  Erwiderunff ;   von  W.  Voigt. 

In  einer  „Zur  kinetischen  Theorie  der  Flüssigkeiten" 
überschriebenen  Notiz  kommt  Hr.  G.  Jäger  ^)  nochmals  auf 
seine  gegen  drei  Arbeiten  von  mir  erhobenen  Einwände  zurück; 
aber  ich  muss  das  jetzt  von  ihm  Beigebrachte  nicht  minder 
nachdrücklich  zurückweisen,  als  das  Frühere. 

1.  Hr.  Jäger  behauptete  anfangs,  dass  meine  kine- 
tischen Betrachtungen  für  die  Flüssigkeiten  überhaupt  nur  das 
Mariotte-Gay  Lussac'sche  Gesetz  lieferten.  Jetzt  beschränkt 
er  die  gleiche  Behauptung  auf  die  ersten  beiden  Arbeiten,  in 
denen  allerdings  die  Grösse  der  Molecüle  nicht  in  Rechnung 
gezogen  ist.  Da  aber  die  Wechselwirkung  zwischen  den  Mole- 
cülen  berücksichtigt  ist,  so  ergiebt  sich  dort  das  van  der 
Waals'sche  Gesetz  zwar  mit  verschwindendem  b,  keineswegs 
aber  das  Mariotte-Gay  Lussac'sche. 

In  Abschnitt  11  meiner  zweiten  Arbeit  ist  hierüber  aus- 
führlich gesprochen.  Das  dort  Gesagte  ergiebt  zugleich,  dass 
der  Weg,  auf  welchem  Hr.  Jäger  in  seiner  letzten  Notiz  deü 
Wanddruck  der  Flüssigkeit  berechnen  und  hierdurch  seine 
Behauptung  beweisen  will,  unrichtig  ist. 

2.  Hr.  Jäger  nimmt  femer  an  dem  Resultat  Anstoss, 
dass  die  Anwendung  der  Reibungsformeln  der  kinetischen 
Theorie  auf  Flüssigkeiten  für  dieselbe  Substanz  im  gasförmigen 
und  im  flüssigen  Zustand  sehr  verschiedene  „Moleculargrössen" 
liefert,  und  behauptet,  dass  dies  Resultat  meine  Entwickelungen, 
welche  die  Molecüle  als  starre  Kugeln  behandelten^  in  directen 
Widerspruch  mit  den  Anschauungen  der  kinetischen  Theorie 
setze. 

Demgegenüber  begnüge  ich  mich  mit  der  Wiederholung 
einiger  Sätze  aus  dem  III.  Abschnitt  meiner  zweiten  (allein 
auf  die  Frage  der  inneren  Reibung  eingehenden)  Arbeit,  aus 
denen    hervorgeht,    dass    die    Annahme    starrer   Kugeln    eine 


1)  G.  Jäger,  Wied.  Ann.  68.  p.  615.  1899. 


.  Enoiderung,  325 

Hypothese  ist,  die  zwar  Hr.  Jäger  heranzieht,  die  ich  aber 
^  gerade  mit  Nachdruck  abweise. 

Meine  Definition  der  „Stosskugei**,  die  ich  mit  gutem  Be- 
dacht an  Stelle  des  „Volumens**  des  Molecüles  gesetzt  habe, 
beschreibt  diese  im  engen  Anschluss  an  von  Claus  ins  ver- 
tretene Anschauungen  ^)  als  „eine  um  ein  Molecül  construirte 
Kogely  in  welche  bei  der  Bewegung  der  Schwerpunkt  eines 
anderen  Molecüles  nicht  zu  dringen  vermag,  ohne  eine  merk- 
liche Ablenkung  zu  erfahren^»  —  was  schon  deutlich  genug 
die  Annahme  starrer  Kugeln  ablehnt. 

Aber  ganz  unmissverständlich  lautet  der  Satz,  den  ich 
dort  an  die  Constatirung  des  mit  dem  Aggregatzustande 
wechselnden  „Stossradius"  anschliesse. 

„Dies  Resultat  würde  gegen  unsere  gesammte  AutYassung 
sprechen,  wenn  wir  die  Molecüle  als  elastische  Kugeln  auf- 
zufassen gezwungen  wären.  Hält  man  dagegen  die  viel  plau- 
siblere Vorstellung  fest,  dass  die  Molecüle  für  die  Zwecke  der 
kinetischen  Theorie  als  blosse  Kraftcentra  betrachtet  werden 
dürfen,  so  lässt  sich  das  Ergebniss  wohl  begreiflich  machen; . .  .^* 

Im  IV.  Abschnitt  derselben  Arbeit  beschäftige  ich  mich 
dann  mit  der  Veränderung  der  inneren  Energie  eines  mehr- 
atomigen Molecüles  beim  Passiren  der  Grenze  Dampf —Flüssigkeit, 
was  auch  mit  der  mir  von  Hrn.  Jäger  beigelegten  Auffassung 
des  Wesens  der  Molecüle  in  hinreichend  deutlichem  Wider- 
spruche steht. 

Dass  ich  in  der  dritten  Abhandlung  an  einer  Stelle,  wo 
die  Verschiedenheit  der  Auffassungen  keine  Rolle  spielt,  (wie 
dort  ausdrücklich  hervorgehoben),  bloss  im  Interesse  der  Ein- 
fachheit die  Molecüle  wie  starre  Kugeln  behandelt  habe,  steht 
hiermit  nicht  im  Widerspruche;  die  dort  gewonnenen  Resul- 
tate lassen  sich  auch,  wenngleich  weniger  einfach,  mit  Hülfe 
von  Kraftcentren  und  Stosskugeln  ableiten. 

3.  Noch  muss  ich  Einspruch  dagegen  erheben,  dass  Hr. 
Jäger  meine,  gegen  seine  Entwickelungen  gerichteten  Ein- 
wände   mit    der    Bemerkung    abthut,    „es    seien    sämmtliche 


1)  Wie  Hr.  Jäger  demgegenüber  unter  Nr.  4  seiner  letzten  Notiz 
behaupten  kann,   dass  die  Auffassung  der  Molecüle  als  Kraftcentren  im 
Widersprach  mit  der  Festsetzung  eines  „Stossradius**  stände,  ist  mir  nicht 
^ventändlich. 


326  /r.  Voigt.    Erwiderung. 

biHher   gelieferte   Arbeiten   über   die   kinetische    Theorie    der 
Flüssigkeiten  nicht  völlig  einwurfsfrei/^    Bei  meinen  Einwändeo^ 
handelt  es  sich   nicht   etwa   um  zur  Vereinfachung  gemachte 
Hypothesen    oder  um   angenäherte  Bechnungen,   sondern   um 
schwerwiegende  principielle  Fehler. 

Um  dies  darzuthun,  genügt  es,  die  betreffende  Stelle  aus 
meiner  ersten  Abhandlung^)  zu  wiederholen. 

„Wenn  in  der  ersten  Arbeit*)  (des  Hm.  Jäger)  die 
Dampfspannung  bei  verschiedener  Temperatur  einfach  der 
Anzahl  der  während  der  Zeiteinheit  aus  der  Flüssigkeit  in 
den  Dampfraum  austretenden  Molecüle  proportional  gesetzt 
wird,  so  kann  ich  dem  nicht  beistimmen  und  halte,  abgesehen 
von  anderen  Einwänden,  schon  deshalb  die  so  gewonnene,  der 
Beobachtung  merkwürdig  entsprechende  Gleichung  nicht  für 
kinetisch  begründet.  Nicht  minder  anfechtbar  scheint  mir  in 
der  zweiten  Arbeit^)  das  Verfahren,  die  aus  der  Flüssigkeit 
in  den  Dampfraum  austretende  Masse  gleich  q^'  zu  setzen, 
wobei  Q  die  Dichte  der  zum  Austreten  fähigen  Theile  in  der 
Flüssiffkeity  u  ihre  zur  Grenze  normale  Geschwindigkeit  im 
Bampfraum  bezeichnet. 

Mit  diesen  Grundlagen  dürften  aber  alle  Resultate  der 
beiden  Arbeiten  hinfällig  werden.** 

Göttingen,  Juli  1899. 


1)  W.    Voigt,    Nachr.    v.    d.    Götl.  Gesellsch.  d.   Wissensch.   von 
1896,  p.  342. 

2)  G.  Jftger,  Sitzungsber.  dor  k.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  zu  Wien 
99.  p.  679.  1890. 

3)  G.  Jäger,  1.  c.  p.  860. 

(Eingegangeu  24.  Juli  1898.) 


1 9.  lieber  die  Deutung  der  Beuf/ungserscßiei/ntingen 
bei  Röntgenstrahlen;  von  C  H.  Wind. 


Berichtigung 

zu  dem  Aufsätze  in  diesen  Annalen  68.  p.  896  ff.  1899. 

Man  lese: 

p.  898,  Z.  5  V.  u.  I 

p.  899,  Z.  1,  9,  10,  11,  14  \  überall  ^l  statt  X\ 

p.  900,  Z.  8,  10,  16  V.  u.    j 

und  statt  der  Gleichungen  auf  p.  899  die  folgenden: 

^^  Oll -k  I        3ry        2vn     dJ\ 

dj  _  _  3  y 

dn  2     n 

Die  pun kürten  Linien  der  Figur  müssten  ein  wenig  ge- 
ändert werden,  entsprechend  der  neuen  Form  der  letzten 
Gleichung. 

Das  hiermit  berichtigte  Versehen  ist  auf  die  Richtigkeit 
der  Schlussfolge  ohne  Einfluss  gewesen. 

(Eingegangen  14.  August  1899.) 


Erklärung  der  Tafel  III 

zur  Abhandlung  Robert  Emden,  p.  264. 


Fig.    1.    Luftßtrabl.    Durchmesser  d   der  conischen  Düse  B  =  2,65  mm. 
Ausflussdruck  p  =  2,3  Atm.    Wellenlänge  A  =  1,75  mm. 

Fig.    2.    Lnftstrahl.    Durchmesser  d   der  conischen  Düse  B  =  2,65  mm. 
Ausflussdruck  p  =  2,9  Atm.    Wellenlänge  X  =  2,65  mm. 

Fig.    3.    Luftstrahl.    Durchmesser  d   der  conischen  Düse  B  =  2,65  mm. 
Ausflussdruck  p  —  3,85  Atm.    Wellenlänge  l  =■  3,65  mm. 

Fig.    4.    Luft^trahl.    Durchmesser  d  der  conischen  Düse  B  =  2,65  mm. 
Ausflussdruck  j9  =  5  Atm.    Wellenlänge  X  =  4,4  mm. 

Fig.    5.    Luftstrahl.    Durchmesser  d  der  conischen  Düse  Ä  =  3,63  mm. 
Ausflussdruck  p  =  2,6  Atm.    Wellenlänge  A  =  1,9  mm. 

Fig.    6.    Luftstrahl.    Durchmesser  d  der  conischen  Düse  Ä  s=  3,63  mm. 
Ausflussdruck  p  =  3,3  Atm.    Wellenlänge  l  =  3,28  mm. 

Fig.    7.    Luftstrahl.    Durchmesser  d   der  conischen  Düse  A  =  3,63  mm. 
Ausflussdruck  p  —  b  Atm.    Wellenlänge  X  =  5,67  mm. 

Fig.    8.    Luftstrahl.    Durchmesser  d  der  conischen  Düse  A » 3,63  mm. 
Ausflussdruck  p  =  ^  Atm.    Wellenlänge  X  =  6,32  mm. 

Fig.    9.    Kohlensäurestrahl.  Durchm.  d  der  conischen  Düse  A  =  3,63  mm. 
Ausflussdruck  /)  =  5  Atm,    Wellenlänge  X  =  5,5  mm. 

Fig.  10.    Luftstrahl.  Durchmesser  d  der  Flachdüse  F=2y'i2  mm.     Aus- 
flussdruck p  =  4,1  Atm.    Wellenlänge  X  =  4,0  mm. 

Fig.  11.    Luftstrahl.    Durchmesser  d   der   conischen    Düse   D » 0,3  mm. 
Ausflussdruck  p  =  1  Atm.    Wellenlänge  X  =  0,55  mm. 

Figg.  12  —  15.    Vacuumstrahlen. 

Fig.  12.    Düsen durchmesser  =  2,9  mm.  Ausflussdruck  Pi  =  S  Atm.  Ausscn- 
druck  Pq  =  57,2  cm.    PiIpq  =  3,6  Atm.  Wellenlänge  X  =  3,3  mm. 

Fig.  13.    Düsendurchmesser  =  2,9  mm.  Ausflussdruck  Pi  =  i  Atm.  Aussen - 
druck  Pq  =  .50,3  cm.    PiJpQ  =  4,7  Atm.    Wellenlänge  X  =  4,7  mm. 

Fig.  14.    Düsendurchmesser  =  2,9  mm.  Ausflussdruck  Pi  =  6  Atm.  Aussen- 
druck Pq  —  39,8  cm.   PilpQ  =  10,8  Atm.  Wellenlänge  X  =  6,8  mm. 

Fig.  15.    Düsendurchmesser  =  3,5  mm.  Ausflussdruck  />,  =  0,6  Atm.  Aussen- 
dnick pQ  =  .30,8  cm.  Pi/Pq  =  15,3  Atm.  Wellenlänge  X  =  10,1  mm. 


Druck  von  Metzger  A  Wittig  In  Leipzig. 


1899.  ANNALEN  -^^  10. 


DBB 


PHYSIK  UND  CHEMIK 

NEUE  FOLGE.    BAND  69. 


1.   Ueber  die  bei  Explosionen  i/n  der  lAift  ei/n- 
geleiteten  Vorgänge;  von  W.  Wolf  f. 

(HIeno  Taf.  T,  Fiir9*  1—««  «nd  Taf.  YI,  Fi^.  1—4.) 


I. 

Die  bei  der  Explosion  eines  SprengstoflFs  frei  werdende 
Energie  IS  ist  durch  das  Gewicht  ca  des  explodirenden  Stoffs 
und  durch  seine  Ebcplosionswärme  Q  gegeben.  Sie  beträgt  in 
Arbeitsmaass  ausgedrückt 

wo  A  das  mechanische  Wärmeäquivalent  bedeutet.  Explosions- 
wärme heisst  die  bei  der  explosiven  Umsetzung  der  Gewichts- 
einheit des  betreffenden  Stoffs  frei  werdende  Wärmemenge. 

Die  verfügbare  Energie  kommt  zum  Ausdruck  in  der  Zer- 
störungsarbeit im  Explosionsherde,  als  fortschreitende  Erd- 
erschütterung, in  der  Bewegung  von  Sprengstücken  etc.  und 
in  der  Bewegung  von  Luft.  Trifft  die  bewegte  Luft  einen 
Körper,  so  hängt  es  von  der  Beschaffenheit  dieses  Körpers 
ab,  wieviel  Energie  er  aufnimmt.  Ist  der  Körper  absolut  fest 
und  starr,  so  nimmt  er  gar  keine  Energie  auf,  sondern  re- 
flectirt  die  gesammte,  ihn  treffende  Luftmenge,  ist  er  sehr 
träge,  so  nimmt  er  nur  wenig  Energie  auf,  und  zwar  um  so 
mehr,  je  mehr  sich  seine  Trägheit  derjenigen  der  ihn  treffen- 
den Luft  nähert,  und  die  umgebende  Luft  übernimmt  die  ge- 
sammte auf  sie  übertragene  Energie  von  Schicht  zu  Schicht, 
ohne  dass  diese  dadurch  wesentlich  abgeschwächt  würde;  die 
einzige  dämpfende  Kraft  ist  die  Reibung  der  Luft,  die  hier 
vollkommen  zu  vernachlässigen  ist. 

Messungen  über  die  Grösse  der  Wirkung  der  bei  der  Ex- 
plosion grösserer  Sprengstoffmengen  frei  werdenden  Energie 
auf  bestimmte  in  der  Umgebung  befindliche  Körper,  konnten 
in  der  Literatur  nicht  gefunden  werden  und  sind  wohl  bisher 


330  JT.  tfolff. 

auch  nicht  angestellt  worden.  Die  zahlreichen  Beobachtungen, 
die  an  den  Wirkungen  zufälliger  Explosionen  gemacht  worden 
sind,  bedürfen  in  mancher  Beziehung  der  Aufklärung,  zumal ^ 
über  die  relative  Abnahme  der  Wirkung  mit  der  Entfernung 
und  über  den  zeitlichen  Verlauf  der  auftretenden  Kräfte  that- 
sächliche  Angaben  fehlen. 

Auf  Veranlassung  des  kgl.  preussischen  Eriegsministeriums 
seitens  der  Artillericprüfungscommission  auf  dem  Schiessplatze 
Cummersdorf  in  der  Zeit  vom  October  1896  bis  Mai  1897 
vorgenommene  Sprengungen  boten  Gelegenheit,  Versuche  in 
dieser  Richtung  anzustellen. 

Bei  den  gewaltigen  Energiemengen,  welche  hier  frei  wurden, 
und  in  Berücksichtigung  der  Unklarheit,  welche  noch  hinsichtlich 
des  Verhältnisses  bestand,  in  welchem  die  von  einem  Körper  auf- 
genommene zu  der  bei  einer  Explosion  erzeugten  Energie  steht,  lag 
eine  Schwierigkeit  in  der  Wahl  geeigneter  Beobachtungs  verfahren, 
sodass  man  auf  zum  Theil  unerprobte  Methoden  angewiesen  war. 

Die  Versuche  erstreckten  sich  im  wesentlichen  auf 
Messungen: 

1.  der  Geschwindigkeit,  mit  welcher  sich  die  ICxplosions- 
wirkung  fortpflanzt; 

2.^)  der  Energie,  welche  von  bestimmten  Körpern  in  ver- 
schiedenen Entfernungen  aufgenommen  wird; 

3.  des  zeitlichen  Verlaufes  des  Explosionsstosses  in  ver- 
schiedenen Entfernungen  vom  Explosionsherde. 

Da  keine  Versuchsbedingungen  geschaflfen  werden  konnten, 
welche  den  späteren  Verhältnissen  auch  nur  annähernd  ent- 
sprachen, so  wurden  Vorversuche  nur  in  geringem  umfange 
angestellt  Falls  daher  die  beabsichtigten  Messmethoden  ver- 
sagten, sollte  aus  dem  Grade  der  Zerstörung  von  —  9  qm 
grossen  —  Bretterwänden  und  der  Zersplitterung  von  Fenster- 
scheiben, die  um  den  Explosionsherd  herum  gruppirt  waren, 
eine  ungefähre  Anschauung  über  den  relativen  Verlauf  der 
Kraftabgabe  mit  der  Entfernung  gewonnen  werden. 

Die  Messgegenstände  wurden  an  starken,  in  die  Erde  ge- 
grabenen Pfählen  oder  Bohlen  befestigt.  Diese  waren  strahlen- 
förmig  um    den   Explosionsherd   gruppirt.     In   den   einzelnen 

1)  Von  diesen  werden  am  Schlosse  nur  kurz  die  Resultate  mit- 
getheilt  werden. 


Explosionen  in  der  Luft  881 

Strahlen  waren  sie  25,  50,  7ö  und  so  fort  bis  zu  250  m  vom 
Explosionscentrum  entfernt  aufgestellt.  Die  Zahl  der  Strahlen 
war  von  Versuch  zu  Versuch  verschieden  und  richtete  sich 
nach  der  BeschaflFenheit  des  Geländes  und  nach  der  Grösse 
des  Kreissectors,  über  welchen  sich  die  Messungen  erstreckten. 
Die  Vertheilung  der  Messstationen  bei  den  verschiedenen 
Sprengungen  zeigt  Taf.  V,  Fig.  1.  Die  aus  leichten  Bau- 
stoffen (Hartgypsdielen  oder  Monierconstruction)  errichteten 
Sprengstoffmagazine  1 — 4  waren  auf  zwei  aneinander  stossenden 
Seiten  mit  einem  Wall  umgeben,  dessen  Lage  aus  den  Zeich- 
nungen hervorgeht.  Das  Magazin  5,  welches  zuletzt  gesprengt 
wurde,  war  aus  sehr  festem  Material  (Kiesbeton)  gebaut  und 
nur  mit  einem  kurzen  Wall  versehen,  der  den  Zweck  hatte, 
eine  schwere  eiserne  Doppelthür  aufzufangen. 

Bei  den  beiden  ersten  Versuchen  waren  die  Apparate 
hauptsächlich  auf  einem  relativ  kleinen  Sector  der  wall/rciVw 
Seiten  aufgestellt.  Dies  geschah  deswegen,  weil  die  zu  den 
Vorbereitungen  und  zu  den  nachherigen  Aufnahmen  noth- 
wendige  Arbeit  wuchs  mit  der  Grösse  des  mit  Messinstrumenten 
zu  versehenden  Feldes,  und  daher  zunächst  Erfahrungen  über 
die  zweckmässigste  Arbeitsvertheilung  hierbei  gesammelt  werden 
mussten,  und  weil  angenommen  wurde,  dass  die  Tauglichkeit 
der  gewählten  Beobachtungsverfahren  auf  den  wallfreien  Seiten 
am  sichersten  erprobt  werden  könnte.  Erst  nachdem  über 
diese  Dinge  Klarheit  geschaffen  war,  wurden  die  Versuchö- 
objecte,  welche  direct  zur  Kraftmessung  dienten,  im  ganzen 
Umkreise  gleichmässig  vertheilt.  Bei  der  5.  Sprengung  war  dies 
wegen  der  geringen  Ausdehnung  des  Walles  nicht  erforderlich. 

Für  die  Vorbereitungen  standen  immer  zwei  Tage  zur 
Verfügung.  Am  ersten  Tage  wurden  die  Plätze  für  die  In- 
strumente ausgewählt,  die  Entfernungen  mit  Hülfe  der  Mess- 
kette abgesteckt,  die  die  Apparate  tragenden  Pfähle  und  Sta- 
tive eingegraben  und  die  nothwendigen  Schutzhütten  errichtet. 
Am  zweiten  Vorbereitungstage,  der  stets  dem  Versuchstage 
unmittelbar  voranging,  wurden  die  erforderlichen  elektrischen 
Leitungen  ausgelegt,  die  Apparate,  welche  Nachts  im  Freien 
bleiben  konnten,  aufgestellt  und  eingerichtet,  während  die  Vor- 
richtungen, welche  Registrirungen  aufzunehmen  bestimmt  waren, 
und  die   feineren  Instrumente  erst   am  Morgen  des  Versuchs- 


882  F;  Wolff. 

tages  angebracht  wurden.  Die  Sprengungen  fanden,  je  nach- 
dem die  Vorbereitungen  fertig  gestellt  werden  konnten,  zwischen 
10  und  12  ühr  Vormittags  statt,  worauf  die  an  Ort  und  Stelle^ 
auszuführenden  Aufnahmen  und  Messungen  erledigt,  die  die 
Begistrirungen  enthaltenden  Gegenstände  verwahrt  und  der 
gesammte  Versuchsapparat  gesammelt  und  in  Sicherheit  gegen 
die  Witterung  gebracht  wurden. 

In  der  Zwischenzeit  von  einer  zur  anderen  Sprengung 
wurden  die  Beobachtungen  einer  überschläglichen  Berechnung 
unterworfen,  um  etwaige  Hinweise  für  die  späteren  Versuche 
zu  gewinnen,  die  Apparate  wieder  in  Stand  gesetzt,  ergänzt 
und  nöthigenfalls  abgeändert. 

2. 

Für  die  Beurtheilung  der  Natur  der  in  der  Umgebung 
eines  Explosionsherdes  hervorgerufenen  Erscheinungen  von 
hervorragender  Wichtigkeit  ist  die  Kenntniss  der  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit der  Explosionswirkung. 

lieber  den  Gegenstand  liegen  bereits  eine  Reihe  von 
Untersuchungen^),  dieE.  Mach  mit  seinen  Schülern  ausführte, 
vor.  Für  den  vorliegenden  Fall  von  Interesse  sind  be'sonders 
die  von  ihm  ausgeführten  Messungen  über  die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  von  explodirenden  Zündhütchen  und  von 
elektrischen  Funken  hervorgerufenen  Schallwellen.  Es  wurde  nur 
i&it  ganz  geringen  Ekplosiystofimengen  gearbeitet,  sodass  sich 
grosse  Schwierigkeiten  boten,  die  Erscheinungen  in  klarer  mess- 
barer Form  herzustellen.  Alle  Wirkungen  der  Explosionswellen, 
die  zur  Messung  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  verwendet 
werden  können,  äusserten  sich  bei  den  Mach 'sehen  Versuchen 
nur  auf  geringe  Entfernungen  (einige  Centimeter)  von  der 
Wellenquelle,  und  die  Eigenthümlichkeiten  der  Explosions- 
wellen, welche  dieselben  von  gewöhnlichen  Schallwellen  unter- 
scheiden, verschwanden  schon  nach  einer  kurzen  Wegstrecke. 
Die  Einzelheiten  der  höchst  interessanten  Arbeiten  müssen  in 
den    Originalen   eingesehen    werden.      Die   hierher    gehörigen 


DE.  Mach  u.  J.  Wosyka,  Sitzungsber.  der  k.  Gesellach.  der 
VVissensch.  zu  Wien.  72.  1875;  W.  Rosicky,  1.  e.  78.  1876;  E.  Mach 
u.  J.  Sommer,  1.  c.  75.  1877;  E.  Mach,  0.  Tum  Urz  u.  C.  Kögler, 
1.  c.  77.  1878. 


Explosionen  in  der  TmfL  833 

Resultate  sind  bereits  in  der  Arbeit  von  Mach  und  Sommer 
znsammengefasst  und  haben  sich  auch  bei  den  späteren  Ver- 
%suchen  bestätigt.     Sie  gipfeln  in  Folgendem:  ^) 

1.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der  von  Explosions- 
wellen ausgehenden  Bewegung,  mag  man  sie  als  Schallbewegung 
auffassen  oder  nicht,  ist  jedenfalls  von  derselben  Ordnung  wie 
die  Schallgeschwindigkeit. 

2.  Diese  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  hängt  von  der  Art 
und  Intensität  der  Explosion  ab  und  nimmt  mit  der  Heftig- 
keit der  letzteren  zu.  Sie  beträgt  bei  stärkeren  Zündhütchen 
bis  700  m  und  übersteigt  bei  elektrischen  Entladungen  noch 
400  m. 

3.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  nimmt  mit  der  Ent- 
fernung von  der  Explosionsstelle  ab. 

Femer  hat  sich  de  Waha^  experimentell  mit  Funken- 
wellen beschäftigt;  indessen  liefern  seine  Untersuchungen 
gegenüber  den  Mach 'sehen  Arbeiten  nichts  Neues. 

Als  diese  Arbeit  bereits  druckfertig  vorlag,  erschien  eine 
Mittheilung  von  Vieille  ^),  welche  sich  mit  der  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der  Explosionswellen  in  einem  abgegrenzten 
Räume  befasst.  (In  einer  4  m  langen  Stahlröhre  von  22  mm 
Weite  wurde  Jagdpulver  und  Knallquecksilber  zur  Explosion 
gebracht.)  Da  sich  die  Drucklegung  verzögerte,  kann  auf 
diese  Arbeit  sowie  eine  „die  Explosion  unter  Wasser"  betitelte 
Abhandlung  von  R.  Blochmann*)  noch  hingewiesen  werden. 

Auf  die  Vorgänge  in  der  Umgebung  eines  Explosions- 
herdes treflPen  theilweise  die  Voraussetzungen  zu,  welche  Rie- 
mann*)  seiner  Theorie  über  die  Fortpflanzung  ebener  Luft- 
wellen von  endlicher  Schwingungsweite  im  Jahre  1860  zu 
Grunde  gelegt  hat.  Mach*^)  spricht  schon  in  der  Arbeit, 
welche  er  mit  Sommer  zusammen  veröff'entlichte,  die  Ver- 
muthung  aus,    dass  er  es  wahrscheinlich    mit   einer  Art  Rie- 


1)  E.  Mach  u.  J.  Sommer,  1.  c.  75.  p.  127.  1877. 

2)  M.  de  Waha,  Publ.  de  Tlnst.  de  Luxembourg.  1877. 

3)  P.  Vieille,  Compt  rend.  126.  p.  31.  1898. 

4)  R.  Blochmann,    Marinerundschau.    Heft  2.    p.  197—227.  1898. 

5)  B.  Riemann,  Abh.  d.  k.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  zu  Göttingeu. 
18B0;  Riemann's  gesammelte  mathematische  Werke  p.  145  ff.  Leipzig  1876. 

6)  £.  Mach  u.  J.Sommer,  1.  c.  p.  128.  1877. 


834  #'.  »'olff. 

manu 'scher  Wellen    zu    thun    hatte.     Eine    spätere   Abhand- 
lung ')   lässt   darüber   keinen  Zweifel,    dass  der  Verfasser  der 
Ansicht  iat,  dasa  Funkenwellen  und  Explosionswellen  akustisch^ 
Erscheinungen    im   Sinne   der   Riemann'Bchen  Theorie    sind. 

Die  nachfolgend  zu  besprechenden  Versuche  werden  zeigen, 
dass  die  oben  angeführten,  von  Mach  fiir  ganz  minimale 
Sprengstoffmengen  erhaltenen  Resultate  anch  auf  grosse  Spreng- 
stofTmassen  auszudehnen  sind.  Natürlich  ist  das  Wirkungs* 
bereich  hier  ein  weit  grösseres. 

Es  soll  versucht  werden,  zu  zeigen,  dass  auch  die  Mach'- 
scbe  Anschauung,  dass  man  es  bei  Explosionen  mit  Riemaon'- 
schen  Wellen  zu  thun  hat,  zutreffend  ist,  und  dass  die  Folge- 
rungen aus  der  Riemann'scheu  Theorie  den  Thatsachen  ent- 
sprechen und  die  Beobachtungen  zu  erklären  im  Stande  sind. 


Um  die  Zeit  zu  messen,  in  welcher  die  durch  die  Ex- 
plosion in  dem  Grleichgewicht  der  Luft  hervorgerufene  Störung 
um  eine  bestimmte  Strecke  vorwärts  gerUckt  ist,  wurden  mit 
dem  Namen  Luftstossanzeiger  bezeichnete  Apparate  verwendet, 


Fig.  I.  Fig.  2. 

die  ursprünglich  für  die  Messung  von  Oeschossgeschwindig- 
keit«n  construirt  waren.  Als  Chronographen  dienten  le  Bou- 
lengS -Apparate  und  später  eine  Registrirtrommel. 

Die  Luftstossanzeiger  (Figg.   l  u.  2)  bestehen  aus  elektri- 
schen Gontacten,    welche    durch   den  Ausschlag    einer  Metall- 

1)  E.  Maub,  L  c  "i.  1878, 


Explosionen  in  der  Luft  385 

membran  geöfihet  oder  geschlossen  werden,  sobald  diese  ein 
LuftstosSy  z.  B.  die  Stirnwelle  eines  Geschosses  trifft. ') 

Der  Gontact  wurde  bei  den  verwendeten  Apparaten  ge- 
bildet durch  eine  mit  Platinspitze  r  versehene,  verstellbare 
Schraube  L,  gegen  die  ein  um  eine  Axe  drehbarer  Hebel  H 
mit  Hülfe  einer  Spannfeder  J  angedrückt  wird,  welcher  der 
Platinspitze  gegenüber  ein  Stück  Platinblech  aufgeiöthet  ent- 
hält. Die  Contactschraube  ist  von  dem  Hebel  und  den  übrigen 
Metalltheilen  des  Apparates  durch  Ebonit  E  isolirt,  sodass 
der  Gontact  ausschliesslich  durch  die  beiden  Piatintheile  her- 
gestellt wird.  Gegen  den  Contacthebel  drückt  ein  mit  der 
Stahlmembran  Z  verbundener  Stift  i>,  der  den  Hebel  von  der 
Platinspitze  abdrückt,  sobald  auf  die  Membran  ein  Druck  aus- 
geübt wird.  Die  Empfindlichkeit  des  Apparates  kann  mit 
Hülfe  der  Spannfeder  /  variirt  werden  und  ist  durch  ein  be- 
sonderes Verfahren  justirbar.  Bei  diesen  Apparaten  ver- 
ursacht ein  Luftstoss  eine  kurz  andauernde  Stromöffnung, 
worauf  der  Gontact  automatisch  wieder  hergestellt  wird.  Durch 
geringe  Abänderungen  kann  sowohl  der  automatische  Strom- 
schluss  verhindert,  als  auch  das  Instrument  in  ein  solches 
verwandelt  werden,  bei  welchem  der  Ausschlag  der  Lamelle 
einen  Stromschluss  herbeiführt.  Alle  drei  dieser  Modificationen 
kamen  bei  den  Versuchen  zur  Verwendung. 

Da  die  Apparate  auch  auf  starke  Erderschütterungen 
reagiren  können,  mussten  namentlich  die  in  der  Nähe  des 
Explosionsherdes  aufgestellten  Luftstossanzeiger  vor  solchen 
besonders  geschützt  werden.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  als 
Stative  eiserne  Füsse  von  Strassenlaternen  (Fig.  3)  benutzt, 
an  deren  oberem  ringförmigen  Rande  drei  Strähnen  von  Heft- 
gam  befestigt  wurden,  welche  eine  etwa  40  kg  schwere  Blei- 
platte als  Aufstellungstisch  für  die  Luftstossanzeiger  in  der 
Schwebe  hielten. 

Die  Chronographen  standen  300  bis  700  m  bei  den  ein- 
zelnen Sprengungen  von  der  Sprengstelle  entfernt   und  waren 


1)  £^  ist  vielleicht  nicht  uninteressant,  daran  zu  erinnern,  dass  die 
so  berühmt  gewordenen  Versuche  Mach 's,  Projectile  im  Fluge  zu  photo- 
graphiren,  welche  ihn  zu  der  militürtechnisch  nicht  unwichtigen  Ent- 
deckung der  Stirnweile  der  Geschosse  führten,  ihren  Ausgangspunkt  in 
den  oben  citirten  Untersuchungen  über  Explosionswellen  hatten. 


336  r.  Wolff. 

entweder  durch   besondere  Schwebegerüste   oder  —  wenn  die 
Grösse    der  Entfernung   dies    überäilssig   erscheinen   liess   — 
durch    untergelegte   Kautschukscheiben    gegen    Erderschütte-^ 
rungen  geschützt. 

Die  Flugzeiteumesser  le  Bouleng6  bestehen  bekanntlich 
aus  zwei  durch  getrennte  elektrische  Ströme  gespeisten  Elektro- 
magneten, an  denen  je  ein  Btah- 
förmiger  Anker  hängt.  Der  eine, 
der  „Zeitmesser",  wird  mit  einer 
Zinkbulse  versehen  und  fällt,  nach- 
dem sein  magnetisirender  Strom 
geöffnet  ist,  frei  herab.  Während 
seines  Falles  empfängt  er  durch 
ein  von  dem  nach  Unterhrechang 
des  zweiten  Stromes  herabfallen- 
den  zweiten  Anker,  dem  „Ge- 
wichte", ausgelöstes  Messer  eine 
scharfe  Marke.  Die  Entfemnng 
derselben  von  einer  Marke,  die 
erzeugt  wird,  wenn  beide  Ströme 
ichzeitig  geöfbet  werden,  ist 
das  MaasB  f^r  die  gesuchte  Zeit- 
differenz, 

Die  Apparate  sind  also  nur  für  die  Bestimmung  einer 
einzigen  ZeitdifTerenz  eingerichtet,  die  bei  den  übÜcheo  Di- 
mensionen dieser  Apparate  kleiner  sein  muss  als  0,3  Secunden. 
Sie  bedürfen  zur  Messung  derselben  je  zweier  vollständig  ge- 
trennter Stromkreise,  in  welchen  sich  je  eine  die  Stromöfihung 
herbeiführende  Vorrichtung  befindet. 

Ferner  verbietet  es  die  Einrichtung  der  Apparate,  die 
Vorrichtung,  welche  das  Scblusssignal  einer  Strecke  bei  einem 
Flugzeitenmesser  giebt,  gleichzeitig  für  die  Abgabe  des  An- 
fangssignals der  nächsten  Strecke  bei  einem  anderen  Chrono- 
graphen zu  verwenden,  weil  die  Ströme  für  das  erste  Signal 
etwa  6  mal  so  stark  sein  müssen,  wie  die  für  das  zweite  — 
im  vorliegenden  Falle  etwa  1  bez.  0,15  Amp,  E^  konnten 
daher  mit  den  verfugbaren  10  Luftstossanzeigem  nur  fünf 
Zeitdifferenzeii  gemessen  werden,  für  welche  verhältnissmässig 
viel  Leitungs-  und  Batteriematerial  erforderlich  war. 


Explosionen  in  der  Luft  837 

Die  Flugzeitenmesser  geben  bei  einigermaassen  guter 
Justirung  Zeitdifferenzen  bei  wiederholter  Messung  bis  auf 
OyOOOl  Secunden  gleiohmässig  an,  wie/  Tor  einigen  Jahren  ge- 
zeigt wurde.  ^)  Diese  Zeitdifferenzen  sind  aber  mit  —  ihrer 
absoluten  Grösse  nach  —  schwer  bestimmbaren  constanten 
Fehlem  behaftet,  die  bei  verschiedenen  Apparaten  verschiedene 
Werthe  haben  und  auch  je  nach  der  Einstellung  der  Ap- 
parate verschieden  sind,  sodass  den  Messungen  bei  möglichst 
gut  eingestellten  Apparten  nur  eine  absolute  Richtigkeit  von 
der  Grössenordnung  0,001  Secunde  zugeschrieben  werden  kann. 

Bedingung  für  diesen  Genauigkeitsgrad  ist  eine  sehr  feine 
Abstimmung  der  wirksamen  Elektromagnetismen,  welche  die 
zur  Messung  dienenden  Ströme  erzeugen;  und  ausserdem  dürfen 
diese  Ströme  erst  unmittelbar  vor  jeder  Messung  geschlossen 
werden,  um  eine  Erwärmung  der  Elektromagnetrollen  mög- 
lichst einzuschränken. 

Beide  Bedingungen  konnten  bei  den  Versuchen  nicht  er- 
fMt  werden,  sodass  die  oben  bezeichnete  Genauigkeit  mit  den 
le  Bouleng^- Chronographen  wahrscheinlich  nicht  erreicht 
wurde. 

Der  Aufstellungsort  derselben  lag  verschieden  weit  —  bis 
zu  etwa  400  m  —  entfernt  von  dem  Sicherheitsstande,  welcher 
zur  Unterkunft  des  Versuchspersonals  während  der  Ebcplosion 
diente,  sodass  die  Apparate  lange  vor  der  Zeitmessung  schon 
Strom  erhielten,  der  erheblich  stärker  gewählt  werden  musste, 
als  für  ein  tadelloses  Messen  der  Chronographen  statthaft  ist. 

Als  Ausgangszeitsignal  wurde  der  Moment  der  Sprengung 

selbst  registrirt,  was  dadurch  geschah,  dass  ein  isolirter  Kupfer- 
draht, der  einen  Theil  des  das  erste  Signal  gebenden  Strom- 
kreises bildete,  durch  die  Mitte  der  Sprengstoffmasse  geführt, 
bei  der  Explosion  also  zerstört  wurde.  Das  zweite  Signal  gab 
ein  25  m  (bei  dem  ersten  Versuche  27  m)  vom  Explosions- 
mittelpunkt entfernt  aufgestellter  Luftstossanzeiger.  Während 
des  Gebrauches  der  leBoulengö -Chronographen  befanden  sich 
an  jeder  Stelle  zwei  Luftstossanzeiger,  von  denen  der  eine 
das  Schlusssignal  der  vorderen,  der  andere  das  Anfangssignal 
der  folgenden  Strecke   gab.     Die  Länge  der  Strecken   betrug. 


1)  W.  Wolff,  Mitth.  über  Gegenst.  d.  Artill.-  u.  Geniewea.  1895 
Ann.  d.  Pbj«.  a.  Chem.    N.  F.    69.  22 


338 


r.  Wolff. 


mit  Ausnahme  der  ersten,  25  m  (bez.  27  m)  langen  Strecke, 

50  m.  ^ 

um  eine  grössere  Anzahl  von  Messungen  zu  erhalten, 
wurden  von  der  dritten  Sprengung  an  die  le  Bouleng^-Chrono- 
graphen  bis  auf  einen,  der  als  Normale  diente,  durch  eine 
von   einem  Elektromotor   getriebene  Registrirtrommel  ersetzt, 

die  ihre  Aufstellung  in  un- 
mittelbarer Nachbarschaft  des 
zur  Zündung  benutzten  Sicher- 
heitsstandes fand.  Die  Begis- 
trirungen  wurden  durch  einen 
kleinen     Elektromagneten, 
welcher  eine  Schreibfeder  in 
Thätigkeit  setzte,  yorgenom- 
men.  Der  Kern  des  hufeisen- 
förmigen Elektromagneten 
war  bei  einer  Dicke  von  1  mm 
nur  etwa  8  mm  lang  und  ent- 
hielt  eine   nur   sehr  geringe 
Anzahl  Windungen  aus  0,5  mm 
starkem  Eupferdraht.  Dieser 
Elektromagnet,  der  durch  den 
Sprengstoff   führende    Draht 
und    fünf   Luftstossanzeiger, 
bei   denen  der  automatische 
Stromschluss  verhindert  war, 
bildeten    mit   einer   Batterie 
einen    einfachen    Stromkreis 
(Fig.  4).  In  der  Mitte  zwischen 


R 


Spreogstofnnagazin 

offener  Loftstossanzeiger 

geschl. 

gewöhnl. 

RegiBtri  rtrommel 

Flagzeitenmesser 


f» 


II 


Fig.  4. 


je  zwei  solchen  Siromunterbrechunffsstellen  war  als  Brücke  über  die 
beiden  Hauptleitungsdrähte  je  ein  Luftstossanzeiger  eingeschaltet, 
der  bei  dem  Ausschlag  der  Lamelle  Stromschluss  herstellte. 
Die  Apparate  standen  je  25  m  voneinander  entfernt.  Der 
erst  unmittelbar  vor  der  Sprengung  geschlossene  Strom  vnirde 
durch  die  Sprengung  geöffnet,  worauf  dann  abwechselnd  Strom- 
schluss und  Stromöffnung  durch  die  fortschreitende  Elxplosions- 
wirkung  herbeigeführt  werden  sollte. 

Da   die  Registrirtrommel   mit   einer  Zeitmessvorrichtung 
nicht  versehen  war,    wurde  mit  einem  le  Bouleng^ -Chrono^ 


Explosionen  in  der  Luft,  339 

graphen  die  Zeitdifferenz  für  die  Wegestrecke  75 — 125  m  ge- 
messen.  Der  Abstand  der  fdr  die  gleiche  Wegestrecke  auf  der 
^  Begistrirtrommel  verzeichneten  Marken  gab,  in  Verbindung  mit 
der  durch  den  le  Boul eng  ^-Chronographen  gemessenen  Zeit- 
differenz,  dann  das  Maass  für  die  Botationsgesch windigkeit 
der  Trommel.  Da  diese  sich  bei  zahlreichen  früheren  Ver- 
suchen als  gut  ausbalancirt  erwiesen  hatte,  wurde  angenommen, 
dass  die  Rotationsdauer  sich  während  der  kurzen  Zeit  der 
Messungen  nicht  wesentlich  ändere.  Durch  diese  Art  der  Be- 
stimmung der  Rotationsgeschwindigkeit  mussten  sich  natürlich 
die  Fehler  des  Flugzeitenmessers  systematisch  auf  alle  Mes- 
sungen übertragen,  indessen  war  eine  erheblich  bessere  Ueber- 
einstimmung  der  Messungen  untereinander  zu  erwarten,  als 
sie  bei  der  Benutzung  von  f&nf  verschiedenen  le  Bouleng^- 
Chronographen  erreichbar  ist. 

4. 

In  den  nachfolgenden  Tabellen  1  bis  4  sind  die  erhal- 
tenen Messungen  unter  t  eingetragen.  Die  mit  den  le  Bou- 
1  eng 6 -Chronographen  gemessenen  Zeitdifferenzen  sind  hierbei 
aneinander  gereiht,  unter  r  sind  diejenigen  Entfernungen  vom 
Explpsionscentrum  in  Metern  angegeben,  für  welche  die  übrigen 
Werthe  gelten. 

Berechnet  man  die  mittleren  Geschwindigkeiten  für  die 
einzelnen  Messstrecken  (r„  +  i  —  r„)/(/„  +  i  —  ^),  so  erhält  man 
Werthe,  die  in  der  Nähe  des  Explosionsherdes  bis  zu  800  m 
betragen,  sich  aber  mit  zunehmender  Entfernung  der  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit des  normalen  Schalles  nähern.  Zahlen 
sind  dafür  in  den  Tabellen  nicht  angegeben,  weil,  wie  sich 
gleich  zeigen  wird,  an  ihrer  Stelle  die  Werthe  dr/dt,  d.  h.  die 
Geschwindigkeit  an  jeder  Stelle  berechnet  werden  konnten. 

Um  eine  analytische  Beziehung  zwischen  r  und  t  zu  finden, 
wurden  die  zusammengehörigen  Werthe  für  diese  Grössen  in 
ein  Coordinatensystem  eingetragen.  Die  erhaltene  Curve  zeigte 
die  Form  einer  Hyperbel,  deren  Axe  in  der  Coordinate  der  t 
liegt. 

Aus  der  Mittelpunktsgleichung  einer  Hyperbel 

22* 


340  r.  Il'olff. 

erhält   man   die   gesuchte   Beziehung,   wenn   man  y  ^r  und 
jT  =  /  —  a  setzt,  nämlich 

für  /  =  0  wird  r  =  0. 

Aus  dieser  Gleichung  ergiebt  sich 

(2)  '  =  »(|A+^-l) 

und  durch  Differentiation 

dt         aY^r^ 
Je  grösser  r  wird,  desto  mehr  nähert  sich  der  Werth  toi:^ 
drjdt  der  Grenze  6/a.     Es   ist  schon  erwähnt  worden,  da8F==g 
sich  die  mittleren  Geschwindigkeiten  dem  Werthe  der  Schall — 
gesch windigkeit  nähern.     Der  Quotient  b/a  soll  daher  mit 
bezeichnet  werden,  sodass  die  Gleichung  lautet: 

Nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  können  b  und 
leicht  berechnet  werden.     Ihre   Werthe  finden  sich  am  Eop 
der  Tabellen^)    verzeichnet.     Der  Quotient  (b/o)  =  u   hat   di» 
Grösse   der   den   meteorologischen  Verhältnissen  entsprechen^* 
den   Fortpflanzungsgeschwindigkeit  u   des  normalen  Schalles, 
wie  ebenfalls  aus  dem  Kopf  der  Tabellen  hervorgeht    Die  Ab- 
weichung liegt  durchweg  nach  derselben  Seite  hin.     Die  Con- 
stante  u  ist  bei  den  einzelnen  Versuchen  um  4,8,  3,0,  0,3  und 
4,6  Proc,  im  Durchschnitt  3,2  Proc.  grösser  gefunden  als  die 
Schallgeschwindigkeit  u  betrug. 

Die  aus  den  Gleichungen  (2)  und  (3)  mit  den  empirischen 
Constanten  a  und  b  berechneten  Werthe  sind  in  den  Tabellen 
unter  t^  und  drjdt  verzeichnet.  Die  Erklärung  ftir  die  übrigen 
Columnen  wird  in  Abschnitt  7  gegeben  werden. 

1)  Bedeutung  der  einxelnen  Columnen  der  Tabellen  1 — 4i  t  »  ge- 
messene Zeit  in  Secunden,  ^  «  aus  Gleichung  (2)  berechnete  Zeit  in 
Secunden;  drjdt  ^  aus  Gleichung  (S)  berechnete  Geschwindigkeit  in 
Metern;  f(\f)  s  Dach  der  Hie  man  naschen  Theorie  aus  den  Werthen  für 
drtdt  berechnete  Geschwindigkeiten  der  Lufttheilchen  in  der  Welle; 
(f'  jii  —  nach  der  gleichen  Theorie  berechnete  Maximalverdichtung  in  der 
Welle;  q'=  nach  der  gleichen  Theorie  berechnete  Mazimaldichte  in  der 
Welle;  S  »  Gewicht  der  von  den  Ezplosionsgasen  verdrängten  Luft  in 
Gramm,  welche  durch  1  qcm  hindurchströmt.  ^ 


Explosionen  in  der  Luft. 


841 


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5 

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3 

• 

« 

1           •^ 

5 

1 

Exphtionen  in  der  Luft. 


Es  ist  versucht  worden,  den  Verlauf  der  Verdichtung  der 
jft  an  verBchiedenen  Stellen  der  Umgebung  der  Explosione- 
eile  zu  regiatriren.  Der  hierzu  benutzte  Apparat  ist  in  der 
estalt,  die  er  Bchliessitcb  erbalten  bat,  und  wie  er  bei  der 
bzten  Sprengung  benutzt    worden   ist,   in  Fig.  5    dargestellt. 

Der  unten  geschlossene  Messingcylinder  C  wurde  mit  einer 
hr  feinen  Eautschukmembran  if  bespannt,  die  ein  bestimmtee 
iftTolumen  iu  dem  Cylinder  abschloss,  welches  bis  kurz  vor 
im  Versuche  mit  der  äusseren  Luft  in  Communication  stand, 
lon   aber  abgesperrt  wurde.     Auf  der  Mitte   der  Membran 


Fig.  5. 


r  mit  Eautschuklösung  ein  Stift  S  befestigt,  welcher  mit 
n  Hebel  H  in  Verbindung  stand,  der  die  Bewegung  der 
iinbraa  in  etwa  dreifacher  Uebertraguug  auf  die  durch  einen 
inen  Elektromotor  E  um  ihre  senkrecht  stehende  Axe  in 
tation  versetzte  Registrirtrommel  R  aufzeichnete.  Der 
sssingcylinder  war  an  einer  Wand  ausserhalb  des  die  übrigen 
teile  des  Apparates  bergenden  Kastens  befestigt,  der  nur 
len  Schlitz  hatte,  um  den  Schreibhebel  hindurch  zulassen, 
d  der  in  einer  Höhe  von  etwa  1,5  m  an  einer  festen,  in  die 
de  gegrabenen  Bohle  befestigt  wurde.  Als  Schreibhebel 
irden  bei  der  ersten  Anwendung  der  Apparate  direct  aut  die 
jmbraneu  geklebte  Federposen  verwendet,  an  deren  Enden 
t  Siegellack  Schreibfedem  aus  ganz  feinem  Stahlblech  be- 
lügt waren;  da  aber  von  fünf  derartigen  Apparaten  nur 
ler  eine  Begistrirung  ergab,    während  bei  den  vier  anderen 


346  r.  JFolff. 

die  Federposen  von    den  Membranen   oder   die   Schreibfedem 
von  den  Federposen  abgerissen  wurden,    ehe  eine  brauchbare 
Aufzeichnung  erreicht  war,    wurden  dann  genau  ausbalancirt^ 
Messinghebel  verwendet,  an  welche  die  Stahlfedern  angelöthet 
wurden. 

Das  Maass  für  die  Umdrehungsgeschwindigkeit  der  Be- 
gistrirtrommeln  wurde  anfangs  dadurch  gewonnen,  dass  in  dem 
Kasten  ein  eben  solcher  kleiner  elektromagnetisch  betriebener 
Schreibhebel,  wie  er  p.  338  erwähnt  ist,  eingebaut  war  (in  der 
Figur  nicht  gezeichnet),  der  mit  zwei  um  25  m  auseinander 
stehenden  Luftstossanzeigern  in  einen  Stromkreis  geschaltet 
wurde.  Durch  die  Explosionswelle,  deren  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit auf  anderem  Wege  gemessen  wurde,  sollten 
die  beiden  Luftstossanzeiger  in  Function  treten  und  je  eine 
Marke  liefern,  deren  Sinn  durch  eine  vorangegangene  über- 
schlägliche Bestimmung  der  Tourenzahl  leicht  festgestellt 
werden  konnte.  Letztere  wurde  so  gewählt,  dass  zwischen 
zwei  Marken  etwas  weniger  als  eine  Umdrehung  lag.  Da  die 
Luftstossanzeiger  aber  statt  je  einer  Unterbrechung  immer 
deren  mehrere  hervorriefen,  sodass  in  einem  Falle  die  Rotations- 
dauer nicht  genau  ermittelt  werden  konnte,  musste  ein  siche- 
reres Verfahren  der  Zeitregistrirung  angewendet  werden. 
Dieses  bestand  darin,  dass  ein  durch  drei  Gleitstangen  G 
(Fig.  5)  geführtes  Fallgewicht  F  mit  einer  Schreibfeder  ver- 
sehen wurde,  welche  während  des  Falles  eine  Curve  auf  der 
Registrirtrommel  beschrieb.  Das  etwa  70  g  schwere  Fall- 
gewicht wurde  bis  kurz  vor  dem  Eintrefi*en  des  Ekplosions- 
stosses  an  dem  dem  Magazine  zunächststehenden  Begistrator 
elektromagnetisch  gehalten.  Ein  Luftstossanzeiger,  der  mit 
den  Elektromagneten  N  aller  fünf  Apparate  einen  Stromkreis 
bildete,  löste  die  Fallgewichte  gleichzeitig  aus. 

Die  Aichung  dieser  Instrumente  wurde  mit  Hülfe  eines 
Wassermanometers  vorgenommen,  welches  die  Centimeter 
Wasserdruck  angab,  die  einer  bestimmten  Hebelstellung  ent- 
sprachen. 

Von  diesen  Instrumenten  wurden  die  Curven  1,  2,  3  .  .  ., 
welche  auf  der  Taf.  V,  Fig.  2 — 6  wiedergegeben  sind,  registrirt 
Da  die  Hebelarme  Kreisbögen  beschrieben,  mussten  die  Ab- 
scissen  vorher  auf  geradlinige  Coordinaten  transformirt  werdeiv 

f 


Explosionen  in  der  Luft  347 

was  auf  graphischem  Wege  geschehen  ist,  wobei  die  geringe 
Correction  wegen  der  Krümmung  der  Registrirtrommel  un- 
w  berücksichtigt  geblieben  ist. 

Wegen  der  Eigenschwingungen  des  die  Verdichtungen 
angebenden  Systems  sind  diese  Curven  theilweise  erheblich 
getrübt.  Sie  geben  also  in  der  mitgetheilten  Form  nicht  den 
reinen  zeitlichen  Verlauf  der  Gleichgewichtsstörung  an  den 
betreffenden  Stellen  an.  Anfangs  war  geplant,  diesen  durch 
empfindliche  Flammen  mit  Hülfe  photographischer  Registri- 
mng  zu  fixiren.  Der  hohen  Kosten  wegen,  welche  die  dazu 
projectirten  Apparate  verursachten,  wurde  von  dieser  einwand- 
freien Methode  Abstand  genommen. 

Um  ein  Bild  über  den  wirklichen  Verlauf  der  Dichte  zu 
erhalten,  müssen  die  erhaltenen  Curven  von  den  superponirten 
Eligenschwingungen  des  Systems  befreit  werden.  Hierbei  wurde 
von  dem  Gesichtspunkte  ausgegangen,  dass  der  Ausschlag 
nach  der  einen  Seite  den  der  Dämpfung  des  Systems  ent- 
sprechenden Ausschlag  nach  der  anderen  Seite  hätte  zur  Folge 
haben  müssen,  wenn  das  System  sich  selbst  überlassen  ge- 
blieben wäre.  Die  Differenz  dieses  Ausschlages  und  der  that- 
sächlich  registrirten  Ordinate,  welche  der  zugehörigen  Phase 
der  Eigenschwingungen  entsprach,  wurde  daher  als  Folge  der 
vorhandenen  Dichte  angenommen. 

Die  Grösse  der  Dämpfung  und  die  Dauer  der  Eigen- 
schwingungen wurde  in  der  Weise  gefunden,  dass  dem  Hebel- 
arm durch  mechanisches  Herabdrücken  der  Membran  ein  ent- 
sprechender Ausschlag  gegeben  wurde.  Während  die  Registrir- 
trommel sich  in  Rotation  befand,  wurde  der  Druck  plötzlich 
aufgehoben,  sodass  die  Membran  ihre  Schwingungen  auf- 
zeichnen konnte. 

Curve  1 2  (Fig.  6,  Taf.  V)  ist  eine  auf  diesem  Wege  erhaltene.  ^) 
Es  zeigt  sich,  dass  die  zahlreichen  Schwingungen,  die  oft  er- 
halten worden  sind,  thatsächlich  mit  den  Eigenschwingungen 
des  Apparates  nahe  übereinstimmen,  woraus  zu  schliessen  ist, 
dass  nur  die  ersten  Ausschläge  als  annähernd  den  wirklichen 
Verdichtungen   an  den   betreffenden  Stellen   entsprechend  an- 

1)  Es  braucht   kaum    erwähnt  zu  werden,  dass  jede  Membran  ihre 
eigene  Dämpfungs-  und  Schwingungscurve  hatte,  die  den  entsprechenden 
^  Curven  bei  der  Reduction  zu  Grunde  gelegt  wurde. 


348 


W.  JFolff. 


gesehen  werden  können,  während  die  übrigen  Ausschläge  als 
Folgen  der  Eigenschwingungen  zu  betrachten  sind. 

Nach  Ausführung  der  angedeuteten  Correctiony  die  auf  j 
graphischem  Wege  für  die  Curven,  in  welchen  Eigenschwingungen 
deutlich  erkennbar  sind,  durchgeführt  ist,  ergeben  sich  die 
Curven  la,  2a,  3a  .  .  .,  welche  einen  einigermaassen  einheit- 
lichen Charakter  zeigen,  der  dem  thatsächlichen  Verlauf  der 
Verdichtung  besser  entsprechen  dürfte,  als  die  Originalcurven. 
Neben  der  wohl  annähernd  richtigen  Registrirung  der  maxi- 
malen Verdichtung  in  der  Explosionswelle  ergiebt  sich  daraus, 
dass  der  Werth  gjX,  nachdem  die  Explosionswelle  an  einer 
Stelle  vorbeigegangen  ist,  eine  Zeit  lang  unter  1  herabsinkt. 
Hierfür  sprechen  alle,  auch  die  uncorrigirten  Curven,  ins- 
besondere aber  die  Curve  Nr.  1,  in  welcher  an  den  Stellen, 
wo  QJl.  bereits  <  1  geworden  ist,  die  Secundärschwingungen 
der  Membran  noch  vorhanden  sind.  Im  übrigen  kann  aus 
den  Curven  nur  ein  Schluss  über  die  Gesammtdauer  der 
Gleichgewichtsstörung  gezogen  werden.  Diese  war  bei  allen 
Curven  kleiner  als  0,05". 

Die  sich  aus  den  Curven  ergebenden  Maximalwerthe  für 
QJX  stimmen  mit  den  aus  den  Zeitmessungen  ^)  berechneten 
nicht  schlecht  überein,   wie  folgende  Zusammenstellung  zeigt: 


Tab 

eile   5. 

Datum 

Curve 

Entfernung 

Maximalwerth  der 

'  Verdichtung 

der 

von  der 

nach  den 

Nr 

Explosion     ^^' 

Exploeionsstelle 

nach  der  Curve 

Zeitenmessungen 

17.12.96,       1 

100  in 

1 

1,015    ( unsicher) 

1,005 

f         ^ 

40 

1,0355 

1,0359 

1       3 

100 

1,025 

1,0203 

1.4.97 

1        4 

125 

1,039                        ' 

1,0130 

1        ^ 

150 

1,005 

1,0091 

6 

175 

1.009 

1,0067 

r      7 

75 

1,021 

1       8 

100 

1,026                         1 

5.6.97 

1       9 

125 

1,022                        1 

K.  M. 

10 

1 

150 

1,007                        1 

.    11 

175 

1,0045                                             ;    > 

1)  Vgl.  Columne  7  der  Tab.  1—4  und  Gleichung  (10)  p.  358. 


Explotüm 


in  der  Luft 


w  In  B&mmÜicbea  Berichten  über  zut&Uige  BLzplosionen  findet 

man  neben  den  „directen"  E^plosionswirkungen,  d.  b.  den- 
jenigen, durch  welche  die  Trümmer  zerstörter  Gegenstände 
in  die  Richtung  vom  £xplosion3herde  weggeschleudert  werden, 
auch  „indirecte"  Wirkungen  verzeichnet,  welche  dadurch  ge- 
kennzeichnet sind,  das8  die  Tr&mmer  iu  die  Richtung  zum 
E^plosionsherd  hingeworfen  werden;  als  ob  sie  zu  ihm  hjn- 
geaangt  worden  wären.  Diese  indirecteu  Wirkungen  werden 
vorzugsweise  in  grösseren  Entfernungen  beobachtet,  während 
die  direct«n  auf  eine  relativ  geringe  Zone  beschränkt  bleiben, 
aber  weit  heftiger  sind  als  die  indirecten,  die  z.  B.  darin  be- 
stehen, dass  Ziegel  von  Dächern,  die  mehrere  Kilometer  weit 
vom  E^plosionsherde  entfernt  sind,  abgerissen  werden,  oder 
dass  Fensterscheiben  zerbrochen  werden  etc. 

Diese  Thatsacben  haben  bisher  eine  befriedigende  Auf- 
klämng  nicht  gefunden.  Es  wurde  angenommen,  dass  bei 
einer  Ekplosion  die  Explosionsgaae  vor- 
nehmlich in  die  Höhe  geschleudert  wur- 
den und  eine  Äspirationswirkung  auf  die 
Umgebung  ausübten,  wodurch  Luftmassen 
aus  grossen  Entfernungen  zum  Explo- 
sionsberde  hinstürzten.  Diese  angesaugten 
LoEtmassen  sollten  die  indirecten,  kilo- 
meterweit reichenden  Wirkungen  hervor- 
mfen.  Bei  näherer  Ueberlegung  ist  jedoch 
diese  Erklärung  nicht  stichhaltig. 

Die  schon  auf  p.  330  kurz  er- 
wähnten  Fensterscheiben  ergaben  Über 
diese  Verhältnisse  einwandfreies  Beob- 
achtungsmaterial. 

Quadratische  Scheiben,  aus  1,5  mm  starkem  gewöhnlichen 
Fensterglas  von  40  cm  Seitenlange,  waren  in  Holzrahmen 
{Fig.  6)  befestigt,  und,  mit  ihrer  Fläche  dem  Explosionsherde 
zugewendet,  etwa  75  cm  über  dem  Erdboden  an  Pfählen  an- 
gebracht, die  in  Entfernungen  von  25  bis  275  m  um  den 
Explosionsherd  herum  gruppirt  waren. 

Hierbei  wurde  folgendes  beobachtet: 


Fie-  6. 


350  W.  Wolf 

Die  Splitter  der  dem  Explosionsherde  zunächst  (25  m 
von  ihm  entfernt)  aufgestellten  Scheiben  waren  zum  weitaus 
grössten  Tbeile  vom  Explosionsherde  fortgeschleudert,  während^ 
ein  kleiner  Bruchtheil  auch  in  die  Richtung  zu  ihm  hingefallen 
war.  In  den  folgenden  Zonen  lagen  die  Splitter  (derselben 
Scheiben)  zu  etwa  gleichen  Theilen  vom  Magazin  weg  und  zu 
diesem  hingestreut. 

Je  weiter  die  Scheiben  vom  Explosionsherd  entfernt  waren, 
um  so  höher  war  der  Procentsatz  der  Bruchstücke,  die  nach  dem 
Magazin  zu  gefallen  waren,  bis  schliesslich  die  zerbrochenen 
Scheiben  ausschliesslich  nach  dem  Magazin  zu  geworfen  waren 
und  in  entgegengesetzter  (,,directer'')  Richtung  keine  Bruch- 
stücke von  zerbrochenen  Scheiben  mehr  aufgefunden  wurden. 

Diese  auffällige  Vertheilung  der  Glassplitter,  die  schon 
früher,  wenn  auch  weniger  vollständig,  bei  zufälligen  Ex- 
plosionen vielfach  beobachtet  wurde,  liess  als  erwiesen  er- 
scheinen, dass,  wo  die  Lage  der  Glassplitter  dies  anzeigte, 
an  derselben  Stelle  sowohl  positiv  gerichtete  Kräfte,  welche 
Körper  vom  Explosionsherde  weg,  als  auch  negativ  gerichtete, 
welche  Körper  zum  Explosionsherde  hin  zu  bewegen  im  Stande 
sind,  in  der  Umgebung  der  Explosionsstelle  auftraten. 

Um  zu  prüfen,  wie  sich  die  zum  Magazin  hin  gerichtete 
Kraft  zeitlich  zu  der  von  ihm  forfgerichteten  verhielt,  und  ob 
die  indirecte  Kraft  ihren  Ursprung  in  einer  nach  dem  Magazin 
hingerichteten  Luftströmung  habe,  wurden  genau  symmetrisch 
gebaute  elektrische  Stromunterbrecher  verwendet,  von  welchen 
der  eine  Theil  nur  auf  eine  negative,  d.  h.  nach  dem  Magazin 
hin  gerichtete  Kraft,  der  andere  nur  auf  eine  positive  Kraft 
reagiren  konnte.  Die  den  Stoss  auffangenden  Flächen  waren 
genau  in  derselben  Ebene  justirt.  Die  Construction  wurde 
so  gewählt,  dass  die  Apparate  einer  relativ  grossen  Arbeits- 
menge bedurften,  um  inThätigkeit  zu  treten. 

Die  Unterbrecher  bestanden  aus  schweren,  5  mm  starken 
Messingplatten  F  (F^ig.  7),  die  um  ein  Charnier  S  drehbar 
waren  und  durch  ein  kräftiges  Gummiband  (in  der  Figur  nicht 
gezeichnet)  fest  gegen  eine  Platinspitze  C  gedrückt  wurden. 
Beim  Auftreffen  des  Luftstosses  auf  die  Stossfiäche  sollte  der 
Contact  an  der  Platinspitze  unterbrochen  und  kurz  darauf 
durch  Vorschnellen   einer  Feder  F.    die   zunächst   von    einem 

t 


üxplotionen  in  der  Luft. 


851 

kleinen  Stifte  S  ztirOckgehaiten  wurde,    der  sein  Widerlager 
an  einem  Ansatz  A  der  Pkttei*  hatte,  wieder  gescMoasen  werden. 
P  Diese   kurzen  Unterbrechungen   wurdeu    mit   Hülfe    eben 

Bolcber  kleinen  Elektromagnete,  wie  sie  für  die  Luftotoss- 
anze^er  benutzt  wurden,  auf  der  gleichen  ßegistrirtrotnmel, 
anf  welcher  die  durch  die  Luftstoasanzeiger  erzeugten  Unter- 
brechangen  aufgezeichnet  wurden,  registrirt. 


T      ! 


[32 

ia 

M^ 

U 

,0 

"^ 

^y 

1 

T 

ELI 


H 


I. 


I* 


AAni/I/ n  A  Jiftniuc  d. 


Fig.  7. 


Fünf  dieser  Apparate  wurden  neben  fünf  Luftstoss- 
anzeigem  aui^esteltt,  sodass  sie  sich  mit  diesen  in  möglichst 
gleicher  Entfernung  vom  Explosion sherde  befanden.  Nach- 
stehend  sind  die  mit  diesen  Vorrichtungen  am  17.  12.  96 
bei  der  zweiten  Sprengang  von  Schwarzpulver  erhaltenen 
Messungen  mit  den  mit  Lnftstossanzeigern  in  der  gleichen 
Entfernung  erhaltenen  Resultaten  zusammengestellt.  Der  Con- 
tact  wurde  von  den  verschiedenen  Apparaten  in  den  be- 
treffenden Entfernungen  zu  den  in  Columne  2 — 4  verzeichneten 
Zeiten  nach  erfolgter  Sprengung  unterbrochen. 

Tabelle  6. 


EDtfeniuQg 

j 

Plftttennnterbrecher  für 

von  der 

LuftstoBeauzeiger 

Sprengstelle 

negaliveo  Stou 

50  m 

1             0,1189' 

0,1211« 

K.  M. 

75 

0,1926 

0,1959 

0,1961' 

100 

0,2666 

0,2705 

0,3713 

12& 

'             0,8389 

0,8423 

0,8450 

160 

j             0,4107 

K.  M. 

0,4181 

\ 


852  r.  ^'olff. 

Die  Zahlen  der  Columne  4  zeigen,  dass  eine  Luftströmung,  die 
—  im  Sinne  der  bisherigen  Anschauung  —  ihren  Urspruifi^ 
in  entfernter  gelegenen  Stellen  und  ihr  Ende  in  der  Explosions»*^ 
stelle  hat,  also  ein  sogenanntes  „Saugen'^,  nicht  stattgefunden 
hat,  denn  die  dem  Explosionsherde  näheren  Unterbrecher 
traten  durchweg  früher  in  Thätigkeit  als  entfernter  von  ihm 
aufgestellte.  Bemerkenswerth  ist,  dass  von  den  für  negativen 
Stoss  eingerichteten  Unterbrechern  der  dem  Magazine  zunächst, 
von  den  auf  positiven  Stoss  eingerichteten  der  von  ihm  am 
weitesten  aufgestellte,  nicht  functionirt  haben,  woraus  zu 
schliessen  ist,  dass  die  betreffenden  Kräfte  an  diesen  Stellen 
zu  gering  waren,  um  die  Apparate  in  Thätigkeit  zu  setzen. 
Der  Vergleich  der  Golumnen  3  und  4  zeigt,  dass  sich  eine 
Wirkung,  die  nach  dem  Explosionsherde  hin  gerichtet  war, 
nach  diesen  Versuchen  mit  ungefähr  dor  gleichen  Geschwindig- 
keit vom  Ekplosionsherde  fortbewegt  hat,  wie  der  positive 
Stoss  selbst.  Diese  Wirkung  ist  durchweg  etwas  später  an 
der  betreffenden  Stelle  zur  Geltung  gekommen  wie  der  posi- 
tive Stoss.  Da  aber  die  Empfindlichkeit  der  Apparate  nur 
in  roher  Weise  regulirt  werden  konnte,  und  von  den  positiv 
ansprechenden  Plattenunterbrechern  die  dem  Magazin  näheren, 
von  den  negativ  ansprechenden  die  ferneren  die  unempfind- 
licheren waren,  so  kann  man  aus  den  Zahlen  nur  schliessen, 
dass  die  positiven  und  negativen  Kräfte  an  derselben  Stelle 
ungefähr  gleichzeitig  aufgetreten  sind. 

7. 

Alle  in  den  Abschnitten  3 — 6  geschilderten  Beobachtungen 
deuten  darauf  hin,  dass  man  es  bei  den  durch  Explosionen  in 
der  Luft  eingeleiteten  Vorgängen  mit  Wellenbewegungen  zu 
thun  hat,  die  der  Schallbewegung  verwandt  sind.  Die  Ver- 
dichtungen, die  auftreten,  sind  aber  nicht,  wie  beim  normalen 
Schall  unendlich  klein,  sondern  wie  durch  die  Messungen 
nachgewiesen  ist,  von  endlicher  Grösse. 

Die  Explosion  eines  Sprengstoffes  findet,  selbst  in  freier 
Luft,  stets  unter  einem  sehr  hohen  Drucke  im  Explosionsherde 
statt,  welcher  infolge  der  rapiden  Gasentwickelung  mehrere 
Tausend  Atmosphären  beträgt.  In  dieser  plötzlichen  Gleich- 
gewichtsstörung hat  die  Wellenbewegung  ihren  Ursprung.   DiiU 


Explosionen  in  der  Luft  353 

Folge    der   unter   hohem  Drucke   stattfindenden  Oasentwicke- 
luug   zeigt   sich   in   dem  Bestreben   der   Explosionsgase,    das 
filmen  unter  den   herrschenden  Bedingungen  zukommende  Vo- 
lumen auszufüllen. 

Befindet  sich  der  explodirende  Körper,  welcher  der  Ein- 
fachheit wegen  als  Kugel  gedacht  sein  möge,  in  einem  homo- 
genen Medium,  z.  B.  in  ruhender  Luft,  von  überall  gleicher 
Beschaffenheit,  so  breiten  sich  die  Explosionsgase  nach  allen 
Bichtungen  hin  gleichmässig  aus,  weil  der  Widerstand,  den 
sie  finden,  in  allen  Richtungen  der  gleiche  ist.  Würde  die 
Bewegung  eine  vollständig  aperiodische  sein,  oder  würde  die 
Ausdehnung  langsam  vor  sich  gehen,  so  würde  die  Bewegung 
ihr  Ende  erreichen,  sobald  die  Gase  das  ihnen  zukommende 
Volumen  eingenommen  haben.  Vermöge  der  hohen  Spannung 
im  Explosionsherde  beim  Beginn  der  Erscheinung  expandiren 
jedoch  die  Oase  plötzlich,  und  die  Oastheilchen  können  in- 
folge ihrer  Trägheit  dieses  Volumen  überschreiten,  was  eine 
vorübergehende  Luftverdünnung  im  Explosionsherde  zur  Folge 
haben  würde.  Diese  durch  die  Expansion  der  Oase  bedingte 
translatorische  Bewegung  ist  indessen  auf  einen  relativ  geringen 
Raum  beschränkt.  So  entwickelt  1  kg  OranatfüUung  z.  B. 
das  beträchtliche  Oasvolumen  von  870  Litern,  gemessen  bei 
0®  und  760  mm  Druck.  Daraus  berechnet  sich,  dass  1500  kg 
dieses  Stoffes  ein  Oasvolumen  entwickeln,  welches  in  dem 
gleichen  Zustande  eine  Halbkugel  erfüllt,  deren  Radius  etwa 
8,6  m  beträgt.  Wäre  der  Widerstand,  den  die  Oase  bei  dieser 
Ausdehnung  finden,  längs  ihrer  Bewegungsrichtung  auf  der 
ganzen  Strecke  der  gleiche,  würden  sie  ihre  Oleichgew  ichtslage 
sehr  beträchtlich  überschreiten;  da  aber  der  Widerstand, 
welchen  die  zu  verdrängende  Luft  leistet,  auf  dieser  Strecke 
fortwährend  wächst,  ist  die  Bewegung  der  Explosionsgase  eine 
stark  gedämpfte,  sodass  die  translatorische  Bewegung  derselben 
sich  keinesfalls  bis  auf  das  Doppelte  des  genannten  Werthes 
des  Radius  erstreckt. 

Die  Oasmengen  treten  bei  einer  Explosion  mit  solcher 
Rapidität  auf,  dass  die  Theile  des  umgebenden  Mediums,  z.  B. 
der  Luft,  nicht  schnell  genug  ausweichen  können,  um  eine 
starke  Verdichtung  der  Luft  zu  verhindern.  Bei  ihrer  gewalt- 
samen plötzlichen  Ausdehnung  schieben    sie  die  Lult,    welche 

%    Abd.  d.  PhTi.  n.  Cli«ni.    N.  F.    69.  28 


354  r.  Wolff. 

sie  verdrängen,  in  die  umgebende  Schicht  hinein,  und  die  so 
erzeugte  Verdichtung  überträgt  sich  auf  immer  wachsenden 
Oberfiächenschichten.  4 

Dass  die  Explosionswelle  auch  bei  den  vorliegenden  Ver- 
suchen, bei  welchen  die  Sprengstoffe  weder  aus  einer  Kugel 
bestanden,  noch  kugelförmig  gelagert  waren,  eine  kugelförmige 
Welle  war,  geht  ausser  aus  anderen  Beobachtungen  aus  zwei  von 
der  Artillerieprüfungscommission  aufgenommenen  Photographien 
Taf.  VI,  Fig.  1  u.  2  hervor,  welche  zwei  kurz  aufeinander  folgende 
Momente  der  Rauchentwickelung  bei  der  Ehcplosion  am  17. 12. 96 
darstellen.  Auf  beiden  dieser  Bilder  ist  ein  eigenthümlicher 
Hof  erkennbar,  der  die  Sprengstelle  umgiebt.  Zeichnet  man 
in  die  beiden  Aufnahmen  das  Magazin  ein,  so  stellt  der  Hof 
auf  jedem  Bilde  genau  einen  Halbkreis  um  das  Magazin  dar, 
dessen  Durchmesser  auf  dem  ersten  Bilde  65  m,  auf  dem 
zweiten  80  m  beträgt.  Es  mag  unerörtert  bleiben,  welcher 
Ursache  die  Hofbildung  zuzuschreiben  .ist.  Zweifellos  war  sie 
vorhanden,  pflanzte  sich  unabhängig  von  der  Masse  der  Rauch- 
wolken fort  und  bestand  in  einem  Dichteunterschied  gegen- 
über der  umgebenden  Luft.  Die  genau  halbkreisförmige  Ge- 
stalt des  Hofes  zeigt,  dass  sich  der  Dichteunterschied  jeden- 
falls in  grosser  Annäherung  auf  Eugeloberfiächen  fortpflanzt.^] 

Wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  hat  Riemann  die 
Theorie  für  die  Fortpflanzung  ebener  Luftwellen  von  end- 
licher Schwingungsweite  entwickelt.  Er  hat  dabei  nicht  im 
Auge  gehabt,  dass  seine  Untersuchung  der  experimentellen 
Forschung  nützliche  Ergebnisse  liefern  würde,  sondern  „wünscht, 
sie  nur  als  einen  Beitrag  zur  Theorie  der  nicht  linearen 
partiellen  Differentialgleichungen  betrachtet  zu  sehen".  Der 
Inhalt  seiner  Arbeit  ist  von  ihm  in  einer  Selbstanzeige  *)  der- 
selben folgendermaassen  zusammengefasst: 

„Obwohl  die  Vergleichung  der  Resultate  unserer  Unter- 
suchung mit  der  Erfahrung  durch  Versuche  und  Beobachtungen 
grosse  Schwierigkeiten  hat  und  gegenwärtig  kaum  ausfllhrbar 


1)  Die  Reproductionen  lassen  die  Höfe  leider  nicht  in  der  wünschen«- 
Berthen  Schärfe  erkennen,  weil  sie  nach  Positiven  angefertigt  werden 
mussten,  da  die  Originalnegative  beim  Transport  zu  Bruch  gingen. 

2)  Göttinger  Nachrichten  1859,  Nr.  19;  Gesammelte  mathematische 
Werke,  p.  165.  1876. 

w 


Explosionen  in  der  Luft,  355 

sein  wird,  so  mögen  diese  doch,  soweit  es  ohne  Weitläufigkeit 
möglich  ist,  hier  mitgetheilt  werden. 

Die  Abhandlung  behandelt  die  Bewegung  der  Luft  oder 
eines  Oases  nur  für  den  Fall,  wenn  anfangs  also  auch  in  der 
Folge  die  Bewegung  allenthalben  gleichgerichtet  ist,  und  in 
jeder  auf  ihrer  Richtung  senkrechten  Ebene  Geschwindigkeit 
und  Dichtigkeit  constant  sind.  Für  den  Fall,  wo  die  anfäng- 
liche Gleichgewichtsstörung  auf  eine  endliche  Strecke  beschränkt 
ist,  ergiebt  sich  bekanntlich  bei  der  gewöhnlichen  Voraus- 
setzung, dass  die  Druckverschiedenheiten  unendlich  kleine 
Bruchtheile  des  ganzen  Druckes  sind,  das  Resultat,  dass  von 
der  erschütterten  Stelle  zwei  Wellen,  in  deren  jeder  die  Ge^ 
schwindigkeit  eine  bestimmte  Function  der  Dichtigkeit  ist, 
ausgehen  und  in  entgegengesetzten  Richtungen  mit  der  bei 
dieser  Voraussetzung  constanten  Geschwindigkeit  j/qp'  [q)  fort- 
schreiten, wenn  tp  (o)  den  Druck  bei  der  Dichtigkeit  q  und  (p*  [o) 
die  Derivirte  dieser  Function  bezeichnet  Etwas  ganz  Aehn- 
liches  gilt  nun  für  diesen  Fall  auch,  wenn  die  Druckverschieden- 
heiten endlich  sind.  Die  Stelle,  wo  das  Gleichgewicht  gestört 
ist,  zerlegt  sich  ebenfalls  nach  Verlauf  einer  endlichen  Zeit 
in  zwei  nach  entgegengesetzten  Richtungen  fortschreitende 
Wellen.  In  diesen  ist  die  Geschwindigkeit,  in  der  Fort- 
pflanzungsrichtung, eine  bestimmte  Function  /  )/qp'  [q)  d  log  o 
der  Dichtigkeit,  wobei  die  Integrationsconstante  in  beiden  ver- 
schieden sein  kann,  in  jeder  ist  also  mit  einem  und  demselben 
Werthe  der  Dichtigkeit  stets  derselbe  Werth  der  Geschwindig- 
keit verbunden,  und  zwar  mit  einem  grösseren  Werthe  ein 
algebraisch  grösserer  Werth  der  Geschwindigkeit.  Beide  Werthe 
rücken  mit  constanterGeschwindigkeit  fort.  Ihre  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit im  Gase  ist  j/qp'  [q)  ,  im  Räume  aber  um  die 
in  der  Fortpflanzungsrichtung  gemessene  Geschwindigkeit  des 
Gases  grösser.  Unter  der  in  Wirklichkeit  zutreflFenden  Voraus- 
setzung, dass  (f'{Q)  bei  wachsendem  q  nicht  abnimmt,  rücken 
daher  grössere  Dichtigkeiten  mit  grösserer  Geschwindigkeit 
fort,  und  hieraus  folgt,  dass  die  Verdünnungswellen,  d.  h.  die 
Theile  der  Welle,  in  denen  die  Dichtigkeit  in  der  Fort- 
pflanzungsrichtung wächst,  der  Zeit  proportional  an  Breite  zu- 
nehmen, die  Verdichtungswellen  aber  ebenso  an  Breite  ab- 
nehmen,   und    schliesslich    in    Verdichtungsstösse    übergehen 

28* 


> 


856  r.  Wolff. 

müssen.    Die  Gesetze,  welche  vor  der  Scheidung  beider  Wellen 
oder   bei   einer   über   den   ganzen   Raum   sich   erstreckenden 
Gleichgewichtsstörung  gelten,  sowie  die  Gesetze  für  das  Fort-  % 
schreiten    von   Verdichtungsstössen,   können   hier,    weil   dazu 
grössere  Formeln  erforderlich  wären,  nicht  angegeben  werden. 

In  akustischer  Beziehung  liefert  demnach  diese  Unter- 
suchung das  Resultat,  dass  in  den  Fällen,  wo  die  Dmck- 
verschiedenheiten  nicht  als  unendlich  klein  betrachtet  werden 
können,  eine  Äenderung  der  Form  der  Schallwellen,  also  des 
Klanges,  während  der  Fortpflanzung  eintritt.  Eine  Prüfung 
dieses  Resultates  durch  Versuche  scheint  aber  trotz  der  Fort- 
schritte, welche  in  der  Analyse  des  Klanges  in  neuester  Zeit 
durch  Helmholtz  u.  a.  gemacht  worden  sind,  sehr  schwer 
zu  sein;  denn  in  geringen  Entfernungen  ist  eine  Äenderung 
des  Klanges  nicht  merklich,  und  bei  grösseren  Entfernungen 
wird  es  schwer  sein,  die  mannichfachen  Ursachen,  welche  den 
Klang  modificiren  können,  zu  sondern.  An  eine  Anwendung 
auf  die  Meteorologie  ist  wohl  nicht  zu  denken,  da  die  hier 
untersuchten  Bewegungen  der  Luft  solche  Bewegungen  sind, 
die  sich  mit  der  Schallgeschwindigkeit  fortpflanzen,  die  Stö- 
rungen der  Atmosphäre  aber  allem  Anscheine  nach  mit  viel 
geringerer  Geschwindigkeit  fortschreiten/' 

Die  Aehnlichkeiten  und  Unterschiede,  welche  in  den  Voraus- 
setzungen, welche  Riemann  seiner  Theorie  zu  Grunde  legt, 
und  den  Verhältnissen  bestehen,  mit  denen  man  bei  einer 
Explosion  zu  rechnen  hat,  lassen  sich  hieraus  leicht  ableiten. 

Zunächst  ist  klar,  dass  man  es  bei  einer  Explosion  mit 
einer  Gleichgewichtsstörung  zu  thun  hat,  die  im  Anfang  auf 
eine  endliche  Strecke  beschränkt  ist,  nämlich  auf  das  Volumen 
des  explodirenden  Körpers.  Ferner  sind  auch  die  Druck- 
verschiedenheiten  im  Anfange  des  Phänomens  endlich.  Denn 
in  dem  denkbar  äussersten  Falle  steht  den  endlichen  Massen 
der  sich  bildenden  Explosion sproducte  doch  immer  das  end- 
liche Volumen  des  ursprünglichen  Sprengstoffes  zur  Verfügung. 
Die  Dichte  kann  also  nicht  unendlich  gross  werden. 

Andererseits  ist  die  Bewegung  nach  der  Explosion  nicht 
wie  bei  Riemann  überall  gleichgerichtet ^  sondern  findet  nach 
allen  Richtungen  hin  gleich  statt;  Dichtigkeit  und  Geschwindig- 
keit sind  nicht  wie  bei  Riemann  in  jeder  auf  der  Bewegungs- 


Explosionen  in  der  Luft  857 

richtnog   senkrechten  Ebene   constant,   sondern   die   Flächen 
gleicher  Dichtigkeit  und  Geschwindigkeit  sind  unter  den  obigen 
^  Voraussetzungen  Kugeloberflächen. 

Allgemein  gelten  folgende  von  Riemann  unter  Zugrunde- 
legung des  Poisson'schen  Gesetzes 

(4)  qp(p)=;?  =  aV* 
abgeleitete  Gleichungen : 

(5)  y^)  =  al/Ä(>"^, 

(6)  /V7F)^log(>  =  j^yÄ(>"^  +  const.  =/•((>) , 

k  ist  das  Verhältniss  der  beiden  specifischen  Wärmen  zu 
einander,  a  also  aus  correspondirenden  Werthen  von  p  und  q 
z.  B.  für  Luft  aus  dem  dem  Barometerstände  entsprechenden 
Drucke  und  der  beobachteten  Luftdichte  zu  berechnen.  Der 
Werth  f[Q)  bedeutet  die  Geschwindigkeit  der  Luft  in  der 
Schicht  für  die  Dichte  (),  während  ^tp*  (o)  die  Geschwindigkeit 
ist,  mit  welcher  sich  die  Dichte  q  von  Schicht  zu  Schicht 
überträgt. 

Nimmt  man  für  die  Bestimmung  der  Integrationsconstante 
an,  dass  sich  die  Welle  in  ruhender  Luft  von  der  Dichte  X 
bewegt,  so  hat  man  von  X  bis  zu  dem  Maximal  werth  q'  der 
Dichte  in  der  Welle  zu  integriren.  Die  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit stetiger  Wellen  ergiebt  sich  dann  zu 

(7)  v  =  af~kQ'    2     +^^[q'    2     -A    2    j, 
was  auch  geschrieben  werden  kann: 

(7a)         v  =  a  yU  "^  [[if^  (l  +  -1-^  -  ^^  . 

Für  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  von  Unstetigkeits- 
stellen  gegen  ruhende  Luft  findet  Riemann  den  Ausdruck 


Für  ebene  Wellen  ergeben  sich  also,  da  hier  der  Maximal- 
werth  der  Dichte  während  des  ganzen  Verlaufes  der  Bewegung 
constant  ist,  auch  constante  Fortpflanzungsgeschwindigkeiten 
in  beiden  Fällen. 


358  ir.  Wolff. 

Wellen  endlicher  Dichte,  deren  Oberflächengestalt  eine 
Aenderung  der  Maximaldichte  während  ihrer  Bewegung  be- 
dingt, haben  keine  constante  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  t 
In  diesen  Fällen  hat  man,  um  die  Fortpflanzungsgeschwindig- 
keit der  Welle  zu  finden,  in  die  obigen  Gleichungen  für  q'  die 
Function  einzusetzen,  welche  die  Veränderlichkeit  der  Maximal- 
dichte darstellt. 

Bei  Kugelwellen  in  der  Luft  steht  die  Aenderung  der 
Dichte  im  umgekehrten  Verhältniss  zum  Quadrate  des  Wellen- 
radius, für  einen  unendlich  grossen  Radius  ist  die  Dichte  gleich 
derjenigen  der  Luft.     Man  hat  also 

(9)  ?'=  ^  +  -^     oder    (9a)  -f^  =  1  +  ^.-^ 

in  die  Gleichungen  (7)  bez.  (7a)  und  (8)  einzusetzen,  um  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeiten  für  stetige  bez.  unstetige  kugel- 
förmige Luftwellen  von  endlicher  Schwingungsweite  in  ruhen- 
der Luft  zu  erhalten.  Die  Constante  b'^  hängt  von  den  Anfangs- 
bedingungen der  Bewegung  ab. 

Stellt  man  aus  Gleichung  (7  a)  o  jX  als  Function  von  ü 
_  *-^ 
und  t£  ==  a  )/ä  A   2     dar,  so  findet  man 


^  _ 


l?(^•-  1)  +  2m 


fc-i 


Die  nach  dieser  Gleichung  mit  den  empirischen  Werthen 
drjdt  (für  t?)  und  u  (für  u)  berechneten  q  ji.  (Columne  7  der 
Tabellen  1—4  auf  p.  341—844)  folgen  in  der  That  der  in 
Gleichung  (9  a)  aufgestellten  Beziehung.  Die  in  Columne  8 
und  9  der  gleichen  Tabellen  verzeichneten  Werthe  für  q'  und 
(}'  —  X  finden  sich  in  leicht  ersichtlicher  Weise  aus  Columne  7 
mit  der  am  Kopfe  der  Tabellen  gegebenen  Luftdichte. 

Der  Werth  f[Q)  bestimmt  sich  aus  Gleichung  (7)  nach 
mehrfachen  Transformationen  zu 

(11)  /■(?')  =  4"  ft'-'-V^)]. 

oder  mit  dem  Werthe  1,41  für  k  und  den  empirischen  Werthen 
für  V  und   ^fp'Q^  zu 

/•(po»  0,83(4^-.; 

(vgl.  Columne  6  der  Tabellen  1 — 4). 

f 


Explosionen  in  der  Luft  359 

Entwickelt  man  den  Äasdruck  (7  a),  nachdem  für  q'JXAqv 
Werth  (9  a)  eingesetzt  ist,  in  eine  binomische  Reihe,  so  ergiebt 
^    sich  unter  Vernachlässigung  der  Glieder,  welche  im  Nenner  r* 
und  höhere  Potenzen  von  r  enthalten, 

1  +  *-^^*' 


r=a)/ÄA     2 


2     rn 


Der  Factor  vor  der  Klammer  stellt  die  den  meteorologischen 
Verhältnissen  entsprechende  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  u 
des  normalen  Schalles  dar.  Führt  man  diese  Bezeichnung  ein 
und  setzt 

so  kann  der  vorstehende  Ausdruck  angenähert  auch  geschrieben 
werden 

(12)  „  =  „l/i  +  _*;, 

was  sich  genau  mit  der  empirisch  gefundenen  Gleichung 


deckt.  Diese  beiden  Ausdrücke  unterscheiden  sich  allein  da- 
durch, dass  die  in  deutschen  Schriftzeichen  wiedergegebenen 
Constanten  u  und  b*  der  Gleichung  (13)  empirisch,  während 
die  Constanten  n  und  b^  der  Gleichung  (12)  theoretisch  sind. 

Die  Dimensionen  und  die  Werthe  der  beiden  Grössen  u 
und  u  stimmen  überein.  Es  bleibt  zu  untersuchen,  wie  sich 
in  dieser  Beziehung  die  beiden  Constanten  b^  und  b^  verhalten. 

Bei  Explosionswellen  wird,  wie  oben  auseinandergesetzt 
wurde,  das  verdichtete  Gebiet  durch  die  Explosionsgase  er- 
zeugt, welche  eine  gewisse  Luftmenge  verdrängen  und  in  die 
umgebende  Luft  hineinschieben.  Dadurch  wird  eine  Kugel- 
oberflächenschicht gebildet,  in  welcher  die  Dichte  grösser  ist 
als  in  der  Umgebung,  und  deren  Volumen  gegeben  ist  durch 


\      'ir^Ttdr, 


r-a/2) 


360  W.  Wolff. 

wenn  /  die  Schieb tbreite  bedeutet.     Die  Gasmenge,  welche  in 
diesem  Gebiete  vorhanden  ist,  beträgt 

\ 


r  +  a/2) 
r-(I/2) 


/ 


und  besteht  aus  der  in  der  Schicht  schon  vorher  vorhandenen 
Luftmenge  von  der  Dichte  X  und  der  infolge  der  EIxplosion 
hineingetriebenen  Menge.  Das  Gewicht  dieser  letzteren  kann 
in  erster  Annäherung  dem  Gewicht  der  Explosionsgase  gleich- 
gesetzt werden.  Infolge  der  anfänglich  hohen  Temperatur  der 
Explosionsgase,  und  infolge  davon,  dass  die  Gase  bei  ihrer 
Ausdehnung  ihre  Gleichgewichtslage  vorübergehend  ein  wenig 
überschreiten,  sodass  im  Explosionsherde  vorübergehend  eine 
Luftverdünnung  hervorgerufen  wird,  kommt  zwar  noch  ein  be- 
stimmter Betrag  hinzu.  Da  aber  die  Arbeitsleistung  der  Gase 
bei  einer  Explosion  in  freier  Luft  nur  auf  minimalen  Wider- 
stand stösst,  die  Abkühlung  also  sehr  rasch  und  anscheinend 
ziemlich  vollständig  erfolgt,  so  kann  dieser  Betrag  nicht  sehr 
erheblich  sein.  Dass  bei  Explosionen,  wie  den  hier  behandelten, 
die  Abkühlung  thatsächlich  sehr  rasch  erfolgt,  kann  daraus 
gefolgert  werden,  dass  bei  der  Explosion  am  17.  12.  1896  die 
nach  starkem  Schneefall  stattfand,  auch  in  nächster  Nähe  des 
Explosionsherdes  nirgends  Schmelzspuren  beobachtet  wurden. 
Aus  diesen  Gründen  ist  daher  im  Folgenden,  mangels 
näherer  Eenntniss,  der  hinzukommende  Betrag  ganz  vernach- 
lässigt, und  das  Gewicht  der  verdrängten  Luftmenge  dem 
Gewicht  a(o  der  Explosionsgase  gleichgesetzt  worden,  wo  (o 
das  Gewicht  des  explodirenden  Körpers,  a  das  Gewicht  der 
von  der  Gewichtseinheit  desselben  entwickelten  Gasmenge  be- 
deutet.    Dann  ist 

r-«/2)  r-(//2) 

Q  ist  in  dieser  Gleichung  eine  Function  von  r  und  /;  für  einen 
bestimmten  Werth  von  r  ist  q  nur  eine  Function  von  /;  ein 
bestimmter  Werth  von  o,  z.  B.  der  Maximalwerth,  ist  nur  eine 
Function  von  r,  nämlich  o'=  A +  (Ä'*/r^).    Ist  /  gegen  r  klein, 


Explosionen  in  der  Luft,  361 

8o  kann  die  Gleichung  fllr  einen  bestimmten  Werth  von  r 
geschrieben  werden 

>  c 

4r^7t  lüdls=4r^nll  +  a(o. 

0 

Denkt  man  sich  die  Gasmenge  aco  in  dem  ganzen  Gebiet 
gleichmässig  vertheilt,  dieses  also  homogen,  z.  B.  von  der 
maximalen  Dichte  q',  so  entspricht  dieser  Hypothese  eine 
minimale  Schichtbreite  /'.    Für  ein  bestimmtes  r  erhält  man  dann 

oder 

Bei  Explosionen  an  der  Erdoberfläche,  wo  wogen  der  ein- 
seitigen Begrenzung  der  Luft  durch  den  Erdboden  das  ver- 
dichtete Gebiet  sich  auf  der  Oberfläche  einer  Halbkugel  aus- 
breitet, wird,  wie  ohne  weiteres  ersichtlich 

(12)  (/  =  ;.+    "'^ 


Berücksichtigt  man,  dass  in  Gleichung 

(9)  ?'  =  ^  +  5 

*'*  eine  constante  Grösse  ist,  so  folgt  der  Schluss,  dass  die 
Breite  der  Schicht  unter  den  gemachten  Annahmen  während 
des  ganzen  Verlaufes  der  Bewegung  oberhalb  einer  bestimmten 
Minimalgrenze  liegt,  die  durch  die  Anfangsbedingungen  be- 
stimmt wird.  Man  kann  unter  der  oben  angedeuteten  Ver- 
nachlässigung diese  Grenze  berechnen,  wenn  für  irgend  einen 
Werth  von  r  der  Werth  q'  bekannt  ist.  Dividirt  man  (Tab.  1 — 4) 
die  durch  die  Querschnittseinheit  (Quadratcentimeter)  in  der 
Entfernung  r  hindurchgehende  Menge  S  der  von  den  Explosions- 
gasen verdrängten  Luft  durch  q  —  A,  so  erhält  man  in  der  That 
constante  Zahlen,  wie  Columne  1 1  der  Tabellen  zeigt. 

Da  sich,  wie  Riemann  gezeigt  hat,  grössere  Dichtigkeiten 
mit  grösseren  Geschwindigkeiten  fortpflanzen  als  geringere, 
so  wird  das  erschütterte  Gebiet  vom  Anfang  der  Bewegung 
an  allmählich  immer  breiter.  Bei  Beginn  der  Bewegung  ist 
es  am    schmälsten.     Die  Minimalgrenze    wird    aber  praktisch 


362  W.  Wolff, 

auch  hier  nicht  erreicht.  Sie  ist  nur  denkbar  unter  der  An- 
nahme einer  idealen  Detonation,  d.  h.  wenn  die  Explosion  in 
so  kurzer  Zeit  vor  sich  geht,  dass  während  dieser  Zeit  übery^ 
haupt  keine  Volumenzunahme  stattfindet.  In  dem  Falle  würden 
die  Explosionsgase  in  dem  Zeitpunkte  der  beendeten  Detonation 
das  Volumen  des  ursprünglichen  Sprengstoffes  einnehmen. 
Denkt  man  sich  diesen  als  eine  homogene  Kugel,  so  würde 
der  Eadius  dieser  Kugel  die  Minimalgrenze  der  Breite  der 
Explosionswelle  darstellen.  In  Wirklichkeit  liegen  die  Ver- 
hältnisse nicht  so  einfach,  da  die  Sprengstofimasse  weder 
homogen  ist,  noch  in  idealer  Weise  detonirt.  Kommt  jedoch, 
wie  in  den  vorliegenden  Fällen,  die  Explosion  der  idealen 
Detonation  nahe^),  so  kann  man  das  Anfangsvolumen  der 
Gase  angenähert  dem  Volumen  gleich  setzen,  auf  welches  die 
SprengstoflFe  vertheilt  waren,  und  daraus,  allerdings  nur  in  sehr 
roher  Annäherung,  die  anfängliche  Schichtbreite  berechnen. 

Das  Volumen,  auf  welches  die  SprengstoflFe  vertheilt  waren, 
betrug  bei  allen  Versuchen  ungefähr  4  cbm,  welchem  ange- 
nähert das  Volumen  einer  Kugel  von  1  m  Radius  entspricht. 
Es  mag  daher  /'  =  1  m  angenommen  werden,  eine  Annahme, 
die  mit  den  Werthen  in  Columne  11  in  den  Tabellen  1  —  4 
recht  gut  vereinbar  ist. 

Der  Versuch  vom  17./12.  96  weicht  davon  allerdings  ab 
und  weist  eine  doppelt  so  grosse  Minimalschichtbreite  auf,  als 
unter  den  gemachten  Annahmen  zu  erwarten  war.  Dies  ist 
wahrscheinlich  darauf  zurück  zufuhren,  dass  an  diesem  Tage 
eine  wesentlich  langsamere  Explosion  stattfand  als  sonst.  Das 
geht  unter  anderen  diesbezüglichen  Beobachtungen  auch  aus  den 
photographischen  Aufnahmen  der  Artillerie-Prüfungscommission 
hervor  (vgl.  die  Photographien  Taf.  VI,  Fig.  1  u.  2),  welche 
abweichend  von  den  anderen  Explosionen,   gerade  bei  dieser 


1)  Dies  war  bei  Granat  füll  ung  u.  a.  an  der  Fftrbung  der  Rauch- 
wolke zu  erkennen.  ,,Explodirende"  Granatfüllung  wird  nie  vollkommen 
zersetzt,  sondern  ein  grosser  unzersetzter  Theil  fKrbt  die  Rauchwolke 
gelb,  während  durch  den  erreichbar  heftigsten  Grad  der  Explosion,  welcher 
in  der  Praxis  als  „Detonation*'  bezeichnet  wird,  stets  vollstftndige  Zer- 
setzung eintritt,  was  bei  Granatfüllung  dadurch  kenntlich  ist,  da»  die 
Rauchwolke  durch  ausgeschiedene  Kohle,  wie  in  den  vorliegenden  Fällen, 
schwarz  gefärbt  ist. 

f 


Explosionen  in  der  Luft  36 1$ 

Sprengung  an  den  scharfen  Spitzen  der  Eauchwolken^  die  sich 
über  mehrere  aufeinanderfolgende  Aufnahmen  erstrecken,  er- 
^kennen  lassen,  dass  sich  längere  Zeit  neue  Gasmassen  bildeten 
als  bei  den  übrigen  Explosionen.  Zum  Vergleich  sind  die  Photo- 
graphien Taf.  VI,  Fig.  3  und  4  hier  beigegeben.  Dieselben  stellen 
die  beiden  ersten  erhaltenen  Momente  der  Rauchentwickelung 
bei  der  Sprengung  am  29. /lO.  96  dar.  In  Fig.  8  ist  das 
Magazin  noch  völlig  sichtbar,  während  gerade  nach  allen  Seiten 
hin  die  Explosionsflammen  durch  die  Wände  schlagen.  Der 
nächste  Moment  der  Rauch entwickelung,  der  zeitlich  der 
Photographie  Fig.  2  entspricht,  zeigt  die  Wolke  schon  voll- 
standig  abgerundet  ohne  irgendwelche  Spitzenbildung,  die  auf 
weitere  Qasentwickelung  hindeuten  könnte.  In  der  Form, 
welche  die  Figuren  3  und  4,  Taf.  VI,  erkennen  lassen,  verliefen 
nach  den  photographischen  Aufnahmen  alle  Ekplosionen  mit 
Ausnahme  derjenigen  vom  17./12.  96.^) 

Aus  Gleichung  (9)  und  (12)  findet  sich  die  Constante 


und  da 


~2n  i 


1,2  «  A+1 1,'2 

gesetzt  war,  ergiebt  sich 

Dieser  Ausdruck  hat,  wie  die  empirisch  gefundene  Con- 
stante b^,  die  Dimension  einer  Fläche  und  sei,  da  er  für  stetige 
Wellen  gilt,  mit  bli,  bezeichnet. 

Die  gleiche  Behandlung  der  Gleichung  (8)  führt  zu  einem 
Ausdruck  gleicher  Form  wie  (13)  mit  dem  Unterschiede,  dass 
der  Ä*  darstellende  Quotient  für  die  Fortpflanzungsgeschwindig- 
keit der  ünstetigkeitsstellen  noch  durch  2  zu  dividiren,    also 


1)  Die  vier  Photographien  sind  unter  ZuBtimmung  der  Artillerie- 
Prüfangskommmission  und  mit  Genehmigung  des  Kgl.  Kriegsministeriums 
dem  von  Hauptmann  Heydenreich  entworfenen  „Ergänzungsbericht  2 
zu  dem  Bericht  der  Artillerie- Prüfungskommission  über  die  im  Jahre  1896—97 
auf  Schiessplatz  Cummersdorf  stattgehabten  Sprengungen  mit  belegten 
Sprengstoffmagazinen*'  entnommen  worden. 


364  r.  JFolff. 

halb   80   gross   ist,   wie   für   stetige  Wellen.     Berechnet  man 
die  Werthe  ist  und  b^^t,  aus  den  beiden  Gleichungen 

t 


'unst. 


unter  den  Annahmen,  welche  zu  dem  Werthe  /'  =  1  m  fährten, 
80  ergeben  sich  dafür  die  nachstehend  mit  den  aus  den  Zeit- 
messungen empirisch  berechneten  b  zusammengestellten  Werthe. 
m  betrug  in  allen  Fällen  1500  kg.  Bei  der  Ekplosion  von 
1  kg  Schwarzpulver  werden  u  =  0,43  kg  gasförmige  Explosions- 
producte  gebildet;  für  Granatfüllung  ist  dieser  Werth  etwa 
0,9;  für  Gelatinedynamit  nahezu  1. 


Tag  des  Versuches 

b 

^t. 

^OMt. 

8./10.  96 

15,12  m 

18,9  m 

9,8  m 

29./10.  96 

23,03 

20,9 

14,8 

17./12.  96 

10.38 

1 

13,4 

9,5 

1./4.     97 

22,19 

20,9 

14,8 

6./5.     97 

R.  M. 

21,6 

15,3 

Es  zeigt  sich,  dass  auch  die  Grösse  der  abgeleiteten  Con- 
staute  ist.  niit  der  empirisch  gefundenen  übereinstimmt.  Der 
Grad  der  Debereinstimmung  lässt  die  diesen  Betrachtungen 
zu  Grunde  gelegten  Voraussetzungen  für  Näherungsberechnungen 
als  gerechtfertigt  erscheinen. 

Bei  der  Dynamitsprengung  am  6./5.  97  haben  die  Luft- 
stossanzeiger  gar  keine  Messungen  ergeben.  Der  Grund  dafür 
ist  nicht  sicher  aufgeklärt.  Möglicherweise  hat  die  Bauart 
des  Magazines  dabei  mitgewirkt. 

Aus  Gleichung  (7a)  auf  p.  357  können  indessen  die  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeiten einer  stetigen  Explosionswelle  an 
Stellen,  wo  der  Maximal  werth  von  p'/A  bekannt  ist,  berechnet 
werden.  Führt  man  diese  Rechnung  unter  Benutzung  der  den 
meteorologischen  Verhältnissen  am  5./6.  97  entsprechenden 
Schallgeschwindigkeit  u  =  339,01  m  und  der  aus  den  Curven 
7 — 11  entnommenen  Maximalverdichtungen  aus,  so  ergeben 
sich  folgende  Geschwindigkeitswerthe  v  für  die  Entfernungen  r; 


Explosionen  in  der  Luft  365 


75  m  347,5  m 

100  349,5 

125  847,8 

150  341,7 

175  341,0 

Nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  berechnet  sich 
hieraus  die  Constante  6  zu  20,14m,  welche  mit  der  abgeleiteten 
Constante  £  =  21,6  m  ebensogut  übereinstimmt,  wie  die  aus 
den  anderen  Versuchen  erhaltenen  entsprechenden  Werthe 
auf  der  vorigen  Seite. 

Die  Curven  2 — 6  ergeben  bei  der  gleichen  Berechnung 
für  b  den  wahrscheinlichsten  Werth  25,05  m.  Lässt  man  jedoch 
die  Cnrye4,  die  einen  augenscheinlich  zu  grossen  Werth  für  qjX 
besitzt,  ausser  Betracht,  so  wird  b  =  22,55  m,  was  sehr  gut  zu 
dem  aus  Zeitmessungen  erhaltenen  Werth  22,19  m  stimmt. 

Schallgeschwindigkeiten,  die  grösser  als  die  normale  waren, 
sind,  wie  schon  wiederholt  erwähnt,  namentlich  von  Mach 
gemessen  worden.  Indessen  ist  noch  von  keiner  Seite  ver- 
sucht worden,  die  Riemann'sche  Theorie  auf  solche  Messungen 
anzuwenden. 

Dass  die  empirisch  gefundene  Gleichung  (1)  eine  allge- 
meinere Bedeutung  hat,  als  man  ohne  Ableitung  aus  der 
Biemann'schen  Theorie  geneigt  ist  anzunehmen,  geht  auch 
daraus  hervor,  dass  die  Mach'schen  Versuche,  welche  die 
Fortpflanzungsgeschwindigkeit  von  Funken  wellen  betrefifen  ^), 
durch  diese  Gleichung  in  noch  besserer  Weise  dargestellt  werden 
als  die  oben  mitgetheilten.  Mach  selbst  hat  eine  Beziehung 
zwischen  der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  und  der  Entfernung 
von  der  Wellenquelle  nicht  gesucht,  sonst  wäre  er  wahr- 
scheinlich zu  dem  gleichen  oder  doch  eineni  ähnlichen  Ausdruck 
gelangt 

In  nachfolgender  Tabelle  sind  in  Columne  1  und  2  die 
von  Mach  angegebenen  Messungen  enthalten,  r  (Meter)  be- 
deutet die  Entfernung,  in  welcher  die  Funken  welle  nach  t 
Secunden  anlangte,  t^  ist  aus  Gleichung  (2),  p.  340,  abgeleitet, 
nachdem  a,  6  und  u  nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate 
aus  r  und  t  berechnet  wurden.     Die  Schallgeschwindigkeit  u 

1)  E.  Mach,  0.  Tumlirz  u.  C.  Ktigler,  1.  c. 


866 


fF.  Wolff. 


betrug  nach  Mach 's  Angabe  bei  den  Versuchen  840  m.  Es 
«rgiebt  sich  0  =  0,000206";  b  =  0,071367  m;  u  =  846,72  m, 
also  etwa  2  Proc.  grösser  als  m.  % 


Tabelle  7. 

1 

2 

8 

4 

r 

t                         t^ 

i-i^ 

0,080  m 

0,000106" 

0,000103" 

+  0,000008" 

0,137 

0,000285 

0,000239 

-  0,000004 

0,254 

0,000560 

0,000555 

+  0,000005 

0,400 

0,000960 

0,000966 

-  0.000006 

0,977 

0,002621 

0,002620 

+  0,000001 

Um  für  diese  Versuche  die  Constante 

j2           ^  +  1     ff  W 

4  71  A         /' 

abzuleiten,  fehlt  es  an  einer  genügenden  Kenntniss  der  Anfangs- 
bedingungen.  Indessen  dürfte  eine  diesbezügliche  Untersuchung 
bei  Funkenwellen  zu  nicht  uninteressanten  Aufschlüssen  führen. 
Die  oben  erwähnten  Vieille'schen  Versuche  sind  unter 
so  wesentlich  anderen  Versuchsbedingungen  ausgeführt,  dass 
eine  Discussion  derselben  in  dem  vorstehenden  Sinne  hier  nicht 
möglich  ist.  Es  mag  nur  erwähnt  werden,  dass  die  Qleichung(7) 
unter  Annahme  der  Luftdichte  zu  0,0012,  des  Verhältnisses 
der  specifischen  Wärmen  zu  1,41  und  des  Werthes  u  zu  840  m 
für  einen  Versuch,  den  Vieille  mit  Knallquecksilber  anstellte^), 
bei  welchem  (>'— A  =  0,00666  zu  setzen  ist,  zu  einer  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit von  1278  m,  die  Gleichung  (8)  (für 
unstetige  Wellen)  z\\  einer  solchen  von  1128  m  führt,  während 
Vieille  gemessen  hat  1138  m.  Die  Riemann'sche  Theorie 
scheint  Vieille  nicht  zu  kennen,  dagegen  erwähnt  er  eine 
Arbeit  von  Hugoniot^),  in  welcher  theoretisch  nachgewiesen 
wird,  dass  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  eines  Druck- 
irapulses  in  einer  Röhre  abhängig  ist  von  der  Intensität  des 
Druckimpulses. 


1)  P.  Vieille,  1.  c.  p.  83. 

2)  Literaturangabe  fehlt;  gemeint  ist  wahrscheinlich  P.  S6bert  et 
H.  Hugoniot,  Compt.  rend.  98.  p.  507—509.  1884. 


r 


Explosionen  in  der  Luft  367 

8. 

Die  auf  p.  350  erwähnte  auffallige  Vertheilung  der  Splitter 
der  zerbrochenen  Fensterscheiben  erklärt  sich  aus  der  That- 
sache,  dass  man  es  bei  einer  Explosion  mit  einer  longitudinalen 
Wellenbewegung  zu  thun  hat.  Die  Riemann'sche  Theorie 
lehrt,  dass  die  Lufttheilchen  innerhalb  einer  Welle  von  end- 
licher Verdichtung  eine  bestimmte  Geschwindigkeit  /'(o)  be- 
sitzen, die  in  dem  einen,  vorderen  Theil  der  Welle  positiv,  d.  h. 
im  Sinne  des  Fortschreitens  der  Welle,  im  anderen  aber 
negativ,  d.  h.  nach  der  Sprengstelle  zu  gerichtet  ist.  Der  positiv 
gerichtete  Werth  für  /*((?')   ist  in  den  Tab.  1—4  mitgetheilt. 

Der  Werth  der  negativ  gerichteten  Geschwindigkeit  lässt 
sich  mit  dem  vorhandenen  Versuchsmaterial  nicht  mit  der 
gleichen  Sicherheit  berechnen,  weil  über  den  Zustand  der  Luft 
hinter  der  Explosions welle  keine  genügend  verbürgte  Kenntniss 


vorhanden  ist.  Da,  wie  die  Curven  auf  Taf.  V  zeigen,  der  Ver- 
dichtung unmittelbar  eine  Verdünnung  folgt,  müssen  die  negativ 
gerichteten  Geschwindigkeiten  in  der  verdichteten  Stelle  jeden- 
falls grösser  sein  als  die  positiv  gerichteten  Geschwindigkeiten 
der  Lufttheilchen. 

Wird  die  Dichte  in  der  Welle  von  der  Breite  l  =  ab  an 
irgend  einer  Stelle  der  Umgehung,  z.  B.  durch  die  Curve  acb 
Fig.  8  dargestellt,  und  herrscht  in  den  Punkten  a  und  ö  die 
Dichte  X  der  Umgebung,  während  in  d  die  durch  die  Ordinate 
de  dargestellte  Maximaldichte  vorhanden  ist,  so  bewegen  sich 
Lufttheilchen  sowohl  von  d  nach  a,  d.  h.  in  Richtung  des  Fort- 
schreitens der  Welle,  als  auch  solche  von  d  nach  b,  d.  h.  nach 
dem  Explosionsherde  zu.  Diese  Bewegung  der  Lufttheilchen 
ist  nur  relativ  zur  Welle  und  nicht  translatorisch  zu  verstehen. 
In  ruhender  Luft  bleiben  die  Theilchen  im  w^esentlichen  an 
der  Stelle  im  Räume,  wo  sie  die  Welle  triff't.  In  bewegter  Luft 
kommt  die  translatorische  Bewegung  der  Luft  algebraisch  hinzu. 


868 


W.  Wolff. 


An  Stellen  in  der  Umgebung  eines  Explosionsherdes,  wo 
die  Dichte  durch  eine  derartige  Curve  dargestellt  wird,  treten 
demnach,  der  localen  Bewegung  der  Lufttheilchen  an  dieser f 
Stelle  entsprechend,  zwei  entgegengesetzte  Kräfte  auf,  eine 
Kraft,  welche  Körper  vom  Explosionsherde  fort-,  und  eine, 
welche  solche  nach  ihm  hin  zu  bewegen  im  Stande  ist.  Daraus 
erklärt  sich  z.  B.  die  auffällige  Vertheilung  der  Glassplitter  in 
der  Nähe  des  Explosionsherdes,  wo  die  Wellenform  einen  der 
obigen  Darstellung  entsprechenden  Verlauf*  der  Dichte  bedingt 

Wie  Biemann  nachgewiesen  hat  und  durch  die  oben 
erwähnten  Versuche  bestätigt  worden  ist,  pflanzen  sich  stärkere 
Verdichtungen  mit  grösseren  Geschwindigkeiten  fort  als  geringere 
Verdichtungen.  Bei  der  Weiterwanderung  des  Gebietes  ab 
muss  daher  die  Maximaldichte  allmählich  näher  an  a  heran- 
rücken, und  der  Verlauf  der  Dichte  in  der  Welle  kann  dann 
etwa  durch  folgende  Curve  dargestellt  werden: 


Ä  b  ^^^ 

Fig.  9. 

Hat  die  Wellenform  diese  Gestalt  angenommen,  so  haben 
mehr  Lufttheilchen  eine  Bewegung  von  d  nach  b  als  von  d 
nach  a.  Infolge  dessen  überwiegt  die  nach  dem  Magazin  hin 
gerichtete  Kraft  Dem  entspricht  die  allmähliche  procentische 
Zunahme  der  nach  dem  Magazin  zu  geschleuderten  Glassplitter. 
Im  weiteren  Verlauf  rückt  die  Ordinate  de  näher  und  näher 
an  a  heran,  bis  die  Maximaldichte  schliesslich  an  den  Kopf 
der  Welle   gelangt   ist.     Die  Welle   hat  dann  die   in  Fig.  10 


Fig.  10. 

dargestellte  Form,  und  eine  Bewegung  von  Lufttheilchen,  also 
auch  eine  Kraftäusserung  innerhalb  der  Welle  findet  in  ihrer 
Fortpflanzungsrichtung  nicht  mehr  statt,  sondern  die  in  der 
Welle  enthaltenen  Lufttheilchen  haben  ausschliesslich  eine  Be- 
wegungsrichtung zur  Explosionsstelle  hin. 


r 


Explosionen  in  der  Luft  369 

Daraus  erklärt  sich,  dass  in  grösseren  Entfernungen 
Glasstücke  ausschliesslich  in  diese  Richtung  geschleudert  sind. 
Oamit  steht  auch  im  Einklänge  die  fast  in  allen  Berichten 
über  grössere  Explosionen  übereinstimmend  enthaltene  Be- 
obachtung, dass  in  grossen  Entfernungen  die  zerstörende 
Wirkung  nach  dem  Explosionsherde  hin  gerichtet,  also  gleich- 
sam durch  eine  saugende  Wirkung  hervorgerufen  ist. 

Es  ist  anzunehmen,  dass  in  der  Nähe  des  Explosions- 
herdes die  Form  der  Explosionswelle  eine  derartige  ist,  dass 
die  Maximaldichte  näher  bei  b  als  bei  a  liegt,  dass  also  dort 
die  vom  Explosionsherde  fort  gerichtete  Kraft  in  der  Welle 
die  entgegengesetzt  gerichtete  übersteigt.  Damit  würde  im 
Einklänge  stehen,  dass  die  Splitter  der  dem  Magazin  zunächst 
aufgestellten  Scheiben  überwiegend  von  diesem  fortgeschleudert 
wurden.  Es  steht  mit  der  vorgetragenen  Anschauung  ferner 
im  Einklänge,  dass  von  den  auf  p.  352  erwähnten  Platten- 
unterbrechem  der  dem  Magazin  zunächst  stehende,  für  nega- 
tive Stossrichtung  eingerichtete,  und  der  von  ihm  entfernteste 
für  positive  Stossrichtung  eingerichtet,  nicht  functionirt  haben. 

9. 

Die  unter  2.  auf  p.  330  angeführten  Kraftmessungen  wurden 
in  der  Weise  ausgeführt,  dass  auf  die  erwähnten  Pfähle  auf 
besonderen  Unterlagen  Kugeln  aus  verschiedenen  Stoffen  und 
von  verschiedener  Grösse  sehr  empfindlich  aufgelegt  wurden, 
die  durch  die  Explosionswirkung  herabgeworfen  werden  sollten. 
Aus  ihrer  Fallhöhe,  Wurfweite  und  Masse  konnte  die  von 
ihnen  aufgenommene  Energie  berechnet  werden. 

Ferner  wurden  besonders  construirte  Federkraftmesser 
verwendet,  bei  welchen  der  Explosionsstoss  von  Stempeln  be- 
kannten Querschnittes  aufgefangen  wurde.  Die  Stempel  wirkten 
auf  vorher  geaichte  Federn,  deren  Verkürzung  registrirt  wurde. 
Aus  der  Federverkürzung  wurde  die  von  diesen  Instrumenten 
registrirte  Energie  berechnet. 

Nach  beiden  Verfahren  ergab  sich  übereinstimmend,  dass 
die  Intensität  der  aufgenommenen  Energie  im  umgekehrten 
Verhältniss  zum  Quadrate  der  Entfernung  stand. 

Bei  den  Kugeln  verhielt  sich  die  an  irgend  einer  Stelle 
aufgenommene  zu  der  vorhandenen  Energieintensität  angenähert 

Ann.  d.  Phyi.  n.  Cheni.    N.  F.    69.  24 


370  ;/^.  Wolff. 

wie    das    specifische   Gewicht    der   Luft    zu    demjenigen   der 
Kugel. 

Ein  näheres  Eingehen  auf  Einzelheiten  bei  diesen  Me8sungeii% 
liegt  ausserhalb  des  Rahmens  dieser  Annalen.^) 

Resultate. 

Nach  den  vorstehenden  Untersuchungen  sind,  wie  schon 
erwähnt  wurde,  die  durch  Explosionen  in  der  Luft  hervor- 
gerufenen Wirkungen  auf  Schallbewegungen  zurückzußihren. 
Nur  in  nächster  Nähe  des  Explosionsherdes  tritt  zu  diesen 
eine  translatorische  Bewegung  der  Explosionsgase  hinzu  und 
führt  dort  eine  erhebliche  Verstärkung  der  Zerstörung  herbei. 

Der  Unterschied  zwischen  dem  normalen  Schall  und  der 
Explosionswirkung  besteht  darin,  dass  die  Bewegung  bei  Ex- 
plosionen die  Folge  von  endlichen  Verdichtungen  ist,  während 
der  normale  Schall  als  Bewegung  infolge  von  unendlich 
kleinen  Verdichtungen  aufgefasst  wird. 

Im  Explosiousherde  wird  durch  die  Explosion  eine  Gas- 
verdichtung erzeugt,  die  sich  nach  allen  Richtungen  hin  fort- 
pflanzt. Die  Gleichgewichtsstörung  überträgt  sich  —  ab- 
gesehen von  der  auf  ein  enges  Gebiet  beschränkten  trans- 
latorischen Bewegung  —  von  Stelle  zu  Stelle,  und  an  jeder 
Stelle  wiederholt  sich  unter  abgeänderten  Bedingungen,  was 
sich  in  der  Explosionsstelle  zugetragen  hat.  Die  Bedingungen 
sind  insofern  abgeändert,  als  im  Ekplosionsherde  das  er- 
schütterte Gebiet  irgend  eine  Körperform,  z.  B.  angenähert 
^ie  Kugelform  hatte,  während  an  den  Folgestellen  das  er- 
schütterte Gebiet  nicht  die  Gestalt  dieses  Körpers,  sondern 
die  Gestalt  einer  Oberflächenschicht  desselben,  z.  B.  einer 
Kugelschalenschicht  hat. 

Ueberall  zerfällt  das  erschütterte  Gebiet,  die  Elxplosions- 
welle,  nach  einer  endlichen  Zeit  in  nach  entgegengesetzten 
Richtungen  der  Wellennormale  fortschreitende  Wellenzüge. 
Mit  der  Explosionswelle  sind  also  genau  wie  im  Explosions- 
herde selbst  in  der  Richtung  jeder  einzelnen  Wellennormale 
zwei   in  entgegengesetztem  Sinne  wirkende  Kräfte   verbunden. 

1)  Man  findet  dieselben  in  dem  Ergänzungsbericht  1  zu  dorn  auf 
p.  868  erwähnten  Bericht  der  Artillerie-Prüfungscommission. 


Explosionen  in  der  Luft  371 

Die  Verdichtung  pflanzt  sich  mit  einer  gewissen  Ge- 
schwindigkeit fort;  und  zwar  ergiebt  der  Versuch  überein- 
^  stimmend  mit  der  Theorie  für  grössere  Dichten  grössere  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeiten, woraus  folgt,  dass  sich  die  Wellen- 
form im  Verlaufe  der  Bewegung  ändert.  Der  vordere  Theil 
der  Welle  wird  allmählich  steiler  und  damit  die  positive  Kraft- 
wirkung geringer,  während  der  hintere  Theil  der  Welle  all- 
mählich flacher  und  damit  die  negative  (indirecte)  Eraftwirkung 
im  Verhältniss  zur  positiven  allmählich  grösser  wird.  In  der 
Nähe  des  Magazines  tritt  also  die  directe  Wirkung  stärker  — 
und  zwar  zunächst  ausschliesslich  solche  —  hervor  als  die 
indirecte;  aUmählich  geht  aber  dieses  Verhältniss  in  das  um- 
gekehrte über,  bis  von  einer  gewissen  Entfernung  an  nur  noch 
die  indirecte  Wirkung  auftritt. 

Ein  Strömen  der  Luft  —  in  dem  Sinne,  wie  die  bisherige 
Anschauungsweise  die  indirecten  Wirkungen  zu  erklären  ver- 
suchte —  vom  Explosionsherde  fort  nach  ferner  gelegenen 
Punkten  hin  oder  umgekehrt  findet,  abgesehen  von  der  aller- 
nächsten Nähe  des  Ekplosionsherdes,  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  überhaupt  nicht  statt.  Jedenfalls  konnte  eine  derartige 
translatorische  Bewegung  in  Entfernungen,  die  mehr  als  25  m 
vom  Explosionsmittelpunkte  betrugen,  nicht  festgestellt  werden. 
Dass  sie  in  geringeren  Entfernungen  vorhanden  ist,  zeigt  die 
Thatsache,  dass  der  aus  verdichteten  Gasen  bestehenden  Ex- 
plosionswelle unmittelbar  eine  Welle  aus  verdünnten  Gasen 
folgt,  was  nur  erklärbar  ist,  wenn  von  der  Explosionsstelle 
mehr  Gase  fortbewegt  sind,  als  dem  Gleichgewichtszustande 
entspricht. 

Spandau,  Militärversuchsamt,  im  Januar  1898. 

(Eingegangen  6.  Juli  1899.) 


24 


1 


2.  Glimmlichter  scheinungen  bei  hochfrequentem^ 
Wechselstronne^);  von  H.  JEbert. 

(Mittheilung  aus  dem  physikalischen  Institute  der  Technischen  Hochschal 

zu  München.) 


Eine  Reihe  von  neueren  Untersuchungen  hat  zu  der  Ver 

muthung  geführt,  dass  in  der  Umgebung  der  Kathode  einer ^^ 
elektrischen  Gasentladung  Veränderungen  mit  dem  verdünnten 
Gas  vor  sich  gehen,  von  denen  es  wahrscheinlich  erscheinen 
musste,  dass  sie  sich  auch  nach  dem  Ablaufe  der  eigentlichen 
Entladung  eine  gewisse,  wenn  auch  nur  kurze  Zeit  lang  dauernd 
erhalten.  Schon  die  Grundvorstellung  über  das  Wesen  des 
Glimmlichtes,  der  man  sich  jetzt  allgemeiner  als  früher  zu- 
neigt, wonach  dasselbe  eine  Art  Fluorescenz-  oder  Phos- 
phorescenzerscheinung  des  Gases  ist,  welches  unter  dem 
Einflüsse  der  von  der  Kathode  fortgeschleuderten  negativ 
elektrischen  Theilchen,  der  Kathodenstrahlen^  luminescirt,  sowie 
die  vermuthlich  weitgehende  Dissociation,  auf  welche  die  Leit- 
fähigkeit dieser  „phosphorescirenden  Luft^'  hinweist,  legen  die 
Vermuthung  nahe,  dass  jene  Vorgänge,  welche  die  sichtbare 
Erscheinung  des  Glimmlichtes  bedingen,  auch  nach  dem  Auf- 
hören unsichtbar  und  doch  so  wirksam  nachdauern,  dass  sie 
die  nachfolgende  Entladung  und  ihre  charakteristische  Er- 
scheinungsform nicht  unwesentlich  beeinflussen.  Um  diese 
Vermuthung  experimentell  zu  prüfen,  verwendete  ich  zur  Er- 
zeugung der  Entladungen  den  hochfrequenten,  800 — 1000  Pol- 


1)  Einzelne  Theile  dieser  Arbeit  sind  in  ausführlicherer  Form  bereits 
in  drei  Mittheilungen  veröffentlicht  worden,  von  denen  zwei  der  kgl. 
bayer.  Akad.  der  Wissensch.  eingereicht  wurden:  „Unsichtbare  Vorgänge 
bei  elektrischen  Gasentladungen'*,  Sitzungsber.  28.  p.  497—529.  1898  und 
„Zur  Mechanik  der  Glimmlichtphänomene'S  Sitzungsber.  29.  p.  28—37. 
1899;  die  dritte  Mittheilung,  „Rückstosswirkungen  elektrischer  Wechsel- 
stromentladungen", vgl.  Verhandl.  der  Deutsch.  Physikal.  Geselbch.  1. 
p.  141  —  141.  1899.  Die  genannten  Veröffentlichungen  geben  die  Eiiizel- 
heiten  der  vorliegenden  stark  gekürzten,  zusammenfassenden  Darstellung. 


Glimmlichterscheinungen .  873 

Wechsel  in  der  Secunde  aufweisenden  Wechselstrom  eines 
Weinen  vierpoligen  Gleichstrom-Wechselstromumformers,  Typus 
Gr.  Hummel,  der  auf  einen  kleinen  Igeltransformator  arbeitete. 
Die  Spannung  V  (Volt)  und  Stromstärke  i  (Milliamperes)  im 
Hochspannungskreise  konnte  mittels  früher  beschriebener  Mess- 
instrumente ^)  trotz  der  hohen  Spannung  und  Wechselzahl  genau 
?emessen  werden;  das  Product  JE'=  Tx « X  10'  (Watt)  lässt 
ien  Gang  des  Energieconsums  im  Rohre  verfolgen,  wenn  auch 
ier  wahre  Werth  desselben  wegen  der  Phasenverschiebung 
iavon  nicht  unerheblich  abweicht.^)  Der  Gasdruck  wurde 
Qiit  dem  Mac  Leo d- Manometer  gemessen;  d  bedeutet  in  den 
folgenden  Tabellen  die  Dicke  des  Hittorf'schen  Kathoden- 
dunkelraumes  in  Millimeteni. 

£s  gelang  bei  dieser  raschen  Aufeinanderfolge  von  Einzel- 
Entladungen,  die  abwechselnd  in  umgekehrter  Richtung  den 
Oasraum  durchsetzten,  in  allen  Fällen  eine  deutliche  Wirkung 
der  eben  verklungenen  Entladung  auf  die  folgende  nachzuweisen, 
also  eine  unsichtbare  Nachdauer  der  durch  die  erste  Entladung 
hervorgerufenen,  oder  diese  bedingenden  Vorgänge  im  Gase 
über  die  Zeit  hinaus,  wo  die  Wechselstromspannung  durch 
ihren  NuUwerth  hindurchgeht  und  nach  Ausweis  des  Dreh- 
$piegels  die  Lichterscheinung  in  der  That  vollkommen  erloschen 
st.  Die  Nachwirkung  äussert  sich  in  verschiedener  Weise; 
mmer  hat  sie  den  Charakter,  als  ob  elektrisch  geladene  Par- 
ikelchen, etwa  positiv  geladene  Ionen,  längere  Zeit  sich  mit 
hren  freien  elektrischen  Ladungen  in  dem  Räume,  der  von 
lern  Glimmlichte  eingenommen  war,  zu  erhalten  vermögen, 
t^on  den  verschiedenen  hierdurch  bedingten  Erscheinungen  bei 
1er  Hochfrequenzentladung  hebe  ich  nur  zwei  als  besonders 
iharakteristisch  hervor:  1.  Die  eigen thümliche  Umkehrerschei- 
luug,  welche  sich  in  den  elektrischen  Bestinimungsstücken  bei 
;leichmäS8ig  fortschreitender  Evacuation  ergiebt;  2.  Mechanische 
lückstoss Wirkungen,  welche  die  abwechselnd  +  und  —  ge- 
adenen  Elektrodenplatten  aufeinander  ausüben,  sobald  die 
)eiderseitigen ,  wacÄeinander  zum  Leuchten  kommenden  Glimm- 
ichträume in  die  gegenseitige  Wirkungssphäre  gerathen. 


1)  Vgl.  H.  Ebert,  Wied.  Aun.  05.  p.  761.  1898. 

2)  L  c.  p.  787  und  67.  p.  615.  1899. 


374  H.  Ebert 

1.    Die  Umkehrerscheinung  der  Spannung,  Stromstärke  und  des 

Wattconsums.  ^ 

Erhalten  sich  die  freien  positiven  Ladungen ,  welche  im 
Glimmlicht  durch  Bestimmung  der  Spannungsgradienten  nach- 
gewiesen werden  konnten,  eine  kurze  Zeit  lang,  so  findet  von 
einem  bestimmten  Drucke  an  bei  einer  Folge  rasch  aufeinander- 
folgender Entladungen,  jede  folgende  das  Gas  nicht  mehr  in 
dem  ursprünglichen  Zustande  vor,  wie  die  erste.  Dies  muss 
bei  gleichmässiger  Evacuation  von  dem  Momente  an  sich  geltend 
machen,  wo  die  Dififusionsgeschwindigkeit  der  geladenen  Par- 
tikelchen nicht  mehr  ausreicht,  einen  vollkommenen  Ausgleich 
herbeizuführen,  d.  h.  wo  durch  jede  Entladung  mehr  freie 
Ladung  auf  das  Gas  übertragen  wird,  als  sich  in  der  Zwischen- 


:^    ^ 


a;^ 


Fig.  1. 

zeit  etwa  durch  Auswanderung  der  geladenen  Theilchen  aus 
der  Umgebung  der  Kathode  ausgleichen  kann.  Eine  Rück- 
wirkung auf  die  Entladungsspannung,  damit  aber  auch  auf 
die  Stromstärke  und  den  Energieverbrauch  im  Rohre,  ferner 
auf  die  Erwärmung  in  den  der  Kathode  benachbarten  Theilen, 
kann  dann  nicht  mehr  ausbleiben.  Auf  die  Coincidenz  der 
genannten  Phänomene  hatten  schon  die  Herren  A.  Paalzow 
und  F.  Neesen^)  hingewiesen;  sie  bemerkten  auch  schon, 
dass  bei  der  ,,Umkehr^^  eine  eigenthümliche  Aenderung  im 
Aussehen  der  Entladung  eintritt.  Dass  die  Erscheinung  in 
der  angedeuteten  Weise  zu  erklären  ist,  glaube  ich  durch  die 
folgenden  Versuche  beweisen  zu  können. 

Zunächst  mögen  hier  einige  Messungsreihen  an  einem 
einfachen  cylindrischen  Entladungsrohre,  Fig.  1  (Elektroden- 
durchmesser 2,0  cm,  Elektrodenabstand  16,8  cm),  angestellt, 
Platz  finden,  welche  den  Gang  der  Erscheinung  bei  Wechsel- 
strom erläutern  sollen.  Die  der  „Umkehr"  entsprechenden 
elektrischen  Daten  sind  durch  den  Druck  hervorgehoben. 

1)  A.  Paalzow  u.  F.  Neesen,  Wied.  Ann.  56.  p.  276  u.  p.  700.  1895. 


Glimmlichterscheinungen, 


375 


Tabelle  1. 

Wasserstoff. 


Jt> 

4,48 

2,49 

2,15 

1,06 

0,88 

0,58 

0,47 

€i 

1,2 

2,3 

2,5 

4,2 

4,9 

6,3 

7,6 

14,02 

16,89 

17,00 

16,57 

15,94 

15,01 

18,91 

V 

742 

614 

583 

592 

648 

698 

784 

^  1 

10,40 

10,07 

9,91 

9,80 

10,83 

10,48 

10,66 

Tabelle  2. 

Luft. 

p 

'i 

1 

2,76 

i        1,30 

•              0,83              0,51      ' 

0,27 

0,20 

d 

1 

0,9 

1,5 

2,2 

2,8       ; 

5,0 

6,7 

■ 

t 

1 

12,61 

15,76 

15,94 

15,89 

18,49 

12,87 

V 

718 

'        574 

1 

559       1       602       1 

725 

812 

E 

1 

1 

9,05 

9,06 

8,93     !        9,27      i 

9,77      '      10,06 

Tabelle  3. 

Kohlenoxjd. 

- 

P 

I 

1,81               0,99 

0,46 

d 

1,8 

2,0 

8,0 

• 

14,02 

15,20 

14,12 

V 

673 

618                 707 

E        1 

9,43 

9,40               9,98 

Tabelle  4. 

Kohlensäure. 

P 

8,92 

1,21 

0,91 

0,88 

0,52 

0,33           0,22 

d 

0,7 

1,5 

2,0 

2,0 

2,9 

4,5       [      5,0 

• 

t 

13,49 

17,25 

17,58 

17,66 

16,88 

15,30     1    14,72 

V 

815       1 

598 

596 

596 

659 

748            881 

E 

11,00     1 

10,81 

10,47 

10,52          11,10 

11,45         12,23 

Tabelle  5. 

Leuchtgas. 

P 

5,09       1 

2,69               1,76                1,01 

0,64 

d 

'        1,1         1 

2,0         1        2,5          1        3,0 

5,0 

• 

12,83       ' 

'                       1 

17,00       1      18,14             17,25 

)             15,58 

V 

795         , 

568                541                592 

1        676 

E 

IC 

1,21   : 

9,( 

55 

9 

,81 

10,21 

10,54 

876 


H.  Ebert 


Dass  eine  Art  Diffusionsprocess  im  Spiele  ist,  zeigt  der 
Umstand,  dass  die  Umkehr  bei  den  verschiedenen  Oasen  nahezu 
bei  Drucken  U  eintritt,  die  sich  wie  die  mittleren  freien  Weg- 
längen X  der  Gasmoleciile  verhalten,  wie  man  am  besten  sieht, 
wenn  man  die  Spannungswerthe ,  welche  am  schnellsten  mit 
dem  Drucke  variiren,  als  Ordinaten  zu  den  Drucken  als  Ab- 
scissen  aufträgt     Man  erhält  so  (A760  in  /UjU  ausgedrückt): 

Tabelle  5a. 


V 

;i 

HU 

Wasserstoff 

1,80 

185 

108 

Luft 

0,96 

95 

99 

Kohlenoxyd 

0,99 

98 

99 

Kohlensäure 

0,75 

68 

90 

Eine  vollständige  Uebereinstimmung  ist  nicht  zu  erwarten  , 
schon  weil  A  nicht  ganz  von  der  Temperatur  unabhängig  ist, 
die  in  den  einzelnen  Fällen. gewiss  eine  sehr  verschiedene  war- 

Da  die  freie  Weglänge  umgekehrt  proportional  dem  Gas- 
drücke zunimmt,   so  kann  man   die  hier  gefundene  Thatsach^ 


J  V. 


Fig.  2. 

auch  so  ausdrücken:  Die  Umkehr  im  Gange  von  Stromstärke^ 
Spannung  und  H^'attconsum  findet  bei  derselben  Röhre  in  denM^ 
Momente  der  fortschreitenden  Evacuation  statt,,  in  welchem  di^ 
mittlere  freie  Weglänge  der  verschiedenen  Gase  die  gleiche  ge^ 
worden  ist.^) 

1)  Dass  bezüglich  der  Spannungswerthe  eine  ähnliche  Relation  auds 
bei  den  Entladungen  der  Influenzmaschine  besteht,  hat  vor  kurzem  eii^ 
Schüler  von  mir,  Hr.  P.  Ewers,  nachgewiesen,  vgl.  Wied.  Ann.  69.  p.  167- 
1899;  hier  ist  die  Stromstärke  natürlich  constaut  und  nur  von  der  Pro- 
duction  der  Maschine  abhängig. 


I 


Olimmlichterscheinungen. 


377 


In  weiten  Röhren  können  sich  die  elektrisirten  Partikelchen 
weiter  verbreiten,  als  in  engeren,  wo  die  Wolke  oder  „Atmo- 
^spliäre  geladener  Theilchen'^   (Righi)  durch  die  Gefässwände 
m    der  Nähe   der  Elektroden   zusammengehalten   wird.     Ver- 
gleicht man  also  mit  der  cylindrischen  Röhre  B  (Fig.  1)  eine 
weitere  D  (Fig.  2)   (8,2  cm  Elektrodendurchmesser,    14,5  cm 
Elektrodenabstand,  Durchmesser  der  Elektrodenräume  8,5  cm, 
Raamverhältniss   von   I)\B  wie    7:1),    so    muss    im   weiten 
Kohre  I)   die  Umkehr   immer   erst   später   eintreten   wie   im 
engen  Rohre  B,   wie  es  die   folgenden  Messungsreihen  that- 
sachlich  zeigen. 

Tabelle  6. 

Stickstoff.    Röhre  D. 


P 
d 

t 

V 
E 


d 

» 

t 


S,45 

-   2,01   -   -   1,02^  - 

0,68  0,53  — 

0,88 

0,7 

1,5 

-   -1,9   - 

— 

-   2,7 

3,95 

14,62 

— 

17,66 

1   

19,00,  — 

-  Max.  19,23 

18,78 

682 

— 

464 

—  1  —   887  i  — 

— 

Min. 

390 

—   424 

9,26 

— 

8,19 

—   — 

7,36;  - 

Min. 

7,51 

7,97 

Röhre  B, 


E 


— 

3,40 

— 

1,98 

1,07 

—  :  1,00 

0,66  —   — 

0,34 

— 

0,6 

1,4 

1,8 



2,7  ,  -   - 

4,0 

— 

10,88  — 

14,12 

16,03 

—  Max.  15,39  —   — 

13,80 

1  "^ 

843 

— 

656 

570 

-  'Min.  1  606   —   — 

691 

1  - 

9,17 

9,26 

9,14 

—   Min.  1 

9,33,  -   - 

9,54 

Tabelle  7. 
Luft.    R6hre  D. 


p 

^^. 

2,06 

1,24 

€t 

— 

1,2 

1,8 

^T 

— 

19,60 

20,40 



>    - 

884 

846 

^ 

— 

7,53 

— 

1 
1 

0,61 
2,4 
20,46 
346 
7,09 

Röhre  B. 


—  j  (0,60)  I    0,47 

-  '  -  i  3,1 

—  Max.  I  20,25 

—  1  Min.   I    367 

—  I  Min.   I    7,44 


p 

2,08 

1,24 

(1,00) 

ä 

1,2  ,  - 

1,7 

1 

m 

% 

15,11   — 

16,74 

Max. 

V 

608 

— 

529  !  Min. 

E 

9,19 

— 

8,86 

Min. 

0,60. 
2,9 

16,39  ' 
559  I 
9,16  1 


0,27  '    0,19 

4,6    I    7,0 

19,15    17,66 


427 


505 


8,18      8,92 


0,47      0,27      0,19 
4,0        6,0    I    8,0 
15,58  I  13,71  !  11,90 


614 
9,57 


707 
9,69 


835 
9,94 


378 


H.  Ebert 


Tabelle  8. 

Sauerstoff.    Röhre  2>. 


p 

2,77 

— 

—       -       1,88 

d 

0,6      - 

-    ,  -    !  1,2 

• 

% 

20,95'  — 



—     21,43 

V 

377            1 

343 

E 

7,91 

— 

^— 

7,35 

p 

d 
« 

V 
E 


1,21  (1,20) 

1,19 

0,92 

—    i  0,58 

0,53 

( 

1,3  i  - 

1,5 

— 

1,5 

-    :   2,4 

2,5 

\ 

21,63    — 

21,63  Max. 

21,70 

—     20,88 

20,8215 

332  Min 

335 

335 

—       371 

374    \ 

7,1 7  i  Min. 

7,26 

7,28 

—        7,75 

7,79 

< 

2,751   1,801(1,70);  1,32 
0,5      0,7  1  -       1,1 
19,53  19,74  Max.  1 18,46 


447 
8,73 


433 
8,55 


Min.     502 


Röhre  B. 

1,24;  1,21 
1,3  '   1,3 

17,82|l7,58 
527  '  531 


Min.  I  9,28    9,39    9,35    —       — 


0,93 

—  _ 

0,89 

0,58 1  0,54  ( 

1,5 

-       1,7 

2,4      2,4 

17,91 

~     17,74 

17,66  17,17  1< 

536 

—       550 

566  '  579    ' 

9,60 

9,76 

9,99    9,9411 

Ebenso  muss  dann,  wenn  man  die  Cylinderröhre  B  von 
16,8  cm  Elektrodenabstand  mit  einer  gleich  weiten  aber  längeren 
Röhre,  etwa  der  Röhre  Äj  welche  zwei  gleichbeschaffene  Elek- 
troden in  33,9  cm  Abstand  hatte,  bei  denselben  Drucken  und 
den  nämlichen  Gasfiillungen  vergleicht,  die  Umkehr  in  A  bei 
tieferen  Drucken  auftreten  als  in  J?,  was  die  folgenden  Tabellen 
bestätigen. 


1 

Tabelle 

9. 

Li 

Lift.    Röhre  A. 

d 

2,5 

3,0 

4,0 

4,5 

i 

13,76 

13,82 

13,89 

13,09 

V 

1059 

1013 

1007 

1042 

E 

14,56 

14,01 
Röhre  B. 

13,98 

13,66 
Umkehr 

i 

13,68 

13,63 

13,37 

13,37 

V 

765 

801       : 

834 

839 

E 

10,42* 
Umkehr 

10,92 

11,15 

11,21 

I 


Glimmlichter scheinutiffen. 


379 


Tabelle  10. 

Wasserstoff.    ROhre  Ä. 


p 

3,05 

2,04 

1,37 

0,95 

0,72 

0,54 

'     0,40 

d 

1,5 

2,0 

2,8 

4,0 

5,0 

5,6 

7,0 

m 

12,40 

12,40 

12,40 

12,40 

12,11 

12,11 

12,40 

V 

1553 

1276      * 

1104 

1024 

1019 

1024 

1104 

E 

19,25 

15,81 

13,69 

12,70 

12,33 
UmlEehr 

12,40 

13,69 

Röhre  B, 

• 

13,23 

12,54 

12,54 

12,11 

12,40 

12,40 

12,54 

V 

801 

715 

767 

(767) 

1027 

(928) 

(967) 

E 

10,60 

8,96 
Umkehr 

9,62 

Tabe 

(9,29) 

lle  11. 

12,73 

(11,45) 

(12,13) 

Stickstof 

f.     Rohre  A. 

P 

2,81 

1,91 

1,28 

0,93 

1 

!      0,65 

0,45 

0,30 

d 

0,5 

1,5 

2,1 

2,5 

3,5 

4,0 

6,0 

m 

% 

11,05 

12,13 

12,65 

12,97 

12,80 

12,80 

12,97 

V 

1758 

1472 

1264 

1114 

'    1039 

1033 

1128 

E 

19,41 

17,86 

15,99 

14,46 

13,30 

13,23 

Umkehr 

14,63 

Röhre  B. 

l 

1    12,80 

12,97 

12,97 

12,97 

12,97 

12,97 

12,97 

V 

1051 

901 

796 

743 

737 

812 

984 

E 

13,46 

11,69 

10,33 

9,64 

9,57 
Umkehr 

10,53 

12,77 

Während  in  den  überall  gleichweiten  cylindrischen  Röhren 
bei  den  höheren  Drucken  die  Anodensäulen  völlig  ungeschichtet 
waren,  trat  eine  deutliche  Schichtung  immer  auf,  sowie  der 
TJmkehrdruck  erreicht  war.  Das  Aussehen  der  Entladung 
änderte  sich  dann  vollkommen. 

Dem  Umstände  entsprechend,  dass  die  Umkehr  in  dem 
längeren  Rohre  erst  bei  erheblich  tieferen  Drucken  eintritt, 
zeigen  sich  hier  auch  die  Schichten  erst  sehr  viel  später,  als 
in  dem  mit  ihm  in  Communication  stehenden  kürzeren  Rohre. 
Beide  Erscheinungen,  Umkehr  und  Schichtenbildung,  machen 
ganz  den  Eindi-uck,  als  beruhten  sie  auf  einer  Art  Stauwirkung; 
das   vollkommen    entsprechende    Verhalten    derselben   in   vor- 


880 


H.  Eben. 


liegendem  Falle  macht  diese  ÄnschauaDg  nar  noch  w&hrscheiD> 
licher.  Die  die  Umkehr  von  Stromstärke,  Spannung  und 
Eoergieconsum  bedingenden  Vorgänge  scheinen  hiern&ch  ihrei 
Sitz  in  dem  ganzen  Glimmlichtraume 
bis  in  den  vorderen,  unsichtbaren 
Sanm  desselben  hinein  zu  haben.  Efi 
musste  dalier  von  Wichtigkeit  sein, 
diesen  Schluss  in  demselben  Entla- 
dutiffsraume  bei  demselben  Drucke  und 
der  gleichen  GasfUllung  an  einem. 
Bohre  zu  prüfen,  welches  gestattete, 
tcöArend  der  Entladung  gelbst  die  vor- 
deren Punkte  der  Glimmentladung 
gegen  einander  zu  (Uhren  und  so 
bei  denselben  äusseren  Entladnngs- 
bedingungen,  namentlich  bei  demselben 
Drucke  jene  eigenthUmliche  Umkehr 
nach  Willkür  hervorzurufen.  Die 
Glimmlichtgebilde  folgen  ihrer  Ka- 
thode, an  der  sie  angeheftet  zu  sein 
scheinen ;  die  die  Umkehr  herbei- 
filhrende  Wirkung  musste  also  ledig- 
lich durch  Verkürzung  des  Elektroden- 
abstandes herbeizuführen  sein. 

Um  dies  zu  bewerkstelligen, 
wurde  eine  Anordnung  mit  einer 
festen  und  einer  beweglichen  Elek- 
trode benutzt,  wie  sie  ähnlich  schon 
von  Hm,  R.  W.  Wood  beschrieben 
worden  ist.'} 

Das  3,5  cm  weite,  30  cm  lange 
cylindrische  Rohr  A  (Fig.  3)  trägt  oben 
die  feststehende  Elektrode  E^  (Ereis- 
scheibe    aus   Aluminium   von   2,7  cm 
^'^S-  3-  Durchmesser);  die  Stromzaleituug  ge- 

schieht   von    oben    her   mittels    des    angesetzten   QuecksUfaer- 
näpfchens  a,  um  Funkenstrecken  zu  vermeiden;  durchs  steht 


1)  R.  W.  Wood,  Wied.  Ann.  5».  p.  2*6.  1896. 


Glimmlichter  scheinungen. 


381 


das  Rohr  J  dauernd  mit  der  Quecksilberluftpumpe  in  Ver- 
bindung. Unten  trägt  es  den  weiten  Schliff  S,  an  dem  das 
14  mm  weite,  80  cm  lange  yerticale  Rohr  R  angesetzt  ist. 
Durch  S  kann  die  untere,  ebenfalls  2,7  cm  im  Durchmesser 
haltende  Elektrode  E^  eingeführt  werden,  welche  von  einem 
Glasrohre  r  getragen  wird,  welches  durch  R  hindurchgeführt 
und  das  unten  U-fÖrmig  umgebogen  ist.  Die  Zuleitung  ge- 
schieht mittels  eines  durch  r  hindurchgezogenen  Kupferdrahtes, 
der  oben  bei  o  an  einen  Platindraht  hart  angelöthet  ist;  auf 
diesen  wird  der  Aluminiumstiel  /  der  Elektrode  E^  fest  auf- 
gedrückt, sodass  ein  vollkommen  metallischer  Contact  besteht. 
Bei  c  Hess  man  das  Rohr  r  vor  der  Gebläselampe  zusammen- 
fallen, bis  sich  das  Glas  allseitig  dicht  an  das  Platin  anlegte; 
80  wurde  hier  ein  völlig  gasdichter  Abschluss  erzielt. 

Das  untere  Ende  des  Rohres  R  taucht  in  das  mit  Queck- 
silber gefüllte,  oben  napfartig  erweiterte  Standgefäss  Sj  welches 
von  einem  in  der  Schwarzblechwanne  fF  befindlichen  Holz- 
klotze K  gehalten  wird.  Wird  Ä  durch  b  hindurch  evacuirt, 
so  steigt  das  Quecksilber  in  R  in  die  Höhe  und  bildet  einen 
Barometerabschluss,  der  dem  Rohre  r  dennoch  völlige  Be- 
wegungsfreiheit gestattet.  Mittels  desselben  kann  die  Elek- 
trode E^  in  jede  beliebige  Höhe  gebracht  und  durch  Fest- 
klemmen des  Rohres  r  bei  f  in  dieser  erhalten  werden;  der 
Zeiger  Z  gestattet  auf  einer  Scala  H  den  Elektrodenabstand 
E^E^^a  direct  abzulesen. 

Tabelle  12. 
Luft. 


a  a  22  cm 


12  cm 


a»    2  cm 


1 

I 

d 

^mmm 

^ 



1,5 

1 
2,2 

3,2 

5,0 

7,5 

10,0 

• 

% 

11,50 

U,65 

12,96 

13,63 

14,02 

14,02 

13,89 

13,63 

13,76 

r;1826    1732 

1312 

846 

759 

734 

794 

992 

1208 

E 

20,94 

20,18  117,00 

11,53 

10,64 

10,30 
Umkehr 

11,08 

18,52 

16,62 

i  13,23     —     !l4,02 

14,02 

14,02 

14,02 

14,15 

13,89 

14,27 

no76 



819  ,    578 

541 

585 

746 

1015 

1240 

i7  14,23:  — 

11,49 

8,10 

7,58 

8,20 

10,54 

14,09 

17,68 

Umkehr 

*   14,02 



14,40 

14,27 

14,15 

14,27 

14,15 

13,76 

14,27 

V 

430      —     '  406  '    851 

396 

497 

715 

996 

1198 

E 

6,04 

5,84      5,02 

5,60 

7,09 

10,11 

18,71 

17,03 

Umkehr 

382 


H.  Ebert 


Tabelle  13. 

Wasserstoff. 


a  =  22  cm 


a  =s  12  cm 


a  =    2  cm 


P 
d 

t 

V 

E 


V 
E 

% 

V 
E 


4,39 

1,0 

12,54 

1083 

13,58 

12,96 

679 

8,78 

13,37 
363 

4,85 


2,89 
2,0 
12,25 

851 
10,42 

12,82 
556 
7,12 

13,23 

346 

4,57 
Umkehr 


1,94 

1,28 

3,0 

3,5 

12,82 

12,68 

726 

679 

1 

9,31 

8,61 

13,09 

12,96 

521 

525 

6,83 

6,81 

Umkehr 

13,09 

12,96 

380 

421 

4,97 

5,45 

0,85 

4,2 

12,82 

706 

9,05 
Umkehr 

12,82 

538 
7,54 


0,59 
5,5 
12,68 
773 
9,80 

13,09 
676 
8,85 


18,09    '  13,09 


517 
6,77 


642 
8,40 


0,43 

6,5 
12,54 

880 
11,04 

12,96^ 

817 

10,5». 

13,3X 
781 
10, 


Tabelle  14. 

Stickstoff. 


P 

2,85 

d 

1,0 

a  =  22  cm 

• 

12,13 

V 

1119 

E 

13,58 

a  =  12  cm 

« 

t 

12,65 

V 

667 

E 

8,43 

a  s    2  cm 

• 

13,13 

V 

321 

E 

4,21 
Umkeh 

1,91 
1,5 

12,30 
925 

11,39 

12,47 
567 
7,07 

12,80 
333 
4^7 


1,25 

2,0 
12,30 

849 
10,45 

12,47 

509 

6,35 
Umkehr 

12.80 
363 
4,65 


0,82 
2,7 
12,47 
740 
9,23 

12,47 

533 
6,65 

12,65 
411 
5,20 


0,54 

4,0 

12,65 

720 

9,11 
Umkehr 

12,80 
592 

7,58 

12,65 

513 
6,49 


0,85 

6,5 
12,65 

791 
10,00 

12,65 

728 
9,14 

12,97 
694 
9,00 


0.2  e 

8,0 
12,47 

965 
12,03 

12,47 

984 

12,27 

12,65 

980 

11,76 


Damit  an  dem  Schlifife  S  eine  völlige  Dichtung  bei  An- 
wendung möglichst  geringer  Mengen  von  Fett  und  dergleichen 
erzielt  wird,  ist  von  unten  her  um  denselben  herum  der  Glas- 
becher J  mittels  Kautschukstopfens  befestigt,  der  mit  Queck- 
silber gefüllt  wird,  welches  durch  e  wieder  abgelassen  wer- 
den kann. 

Die  Resultate  der  mit  diesem  Apparate  angestellten  Be- 
obachtungsreihen enthalten  die  vorhergehenden  Tab.  12— 1^- 


1 


Glimmlichterscheinungen, 


383 


Diese   Tabellen    lassen    übereinstimmend    den    folgenden 

Gang  der  Erscheinung  deutlich  erkennen :  Bei  demselben  Druck 

wird  die  Stromstärke  um  so  grösser,  je  näher  die  Elektroden 

einander  kommen,  die  Spannung  sowie  der  Wattconsum  werden 

Ueiner.^)    Bei  grossen  Elektrodenabständen  tritt  die  Umkehr 

bei  viel  tieferen  Drucken  ein  als  bei  kleinen  Abständen.    Wenn 

ferner  beim  Annähern  der   beweglichen   Elektrode   auch   die 

Spa.nnung  sinkt,   die  Stromstärke  wächst,   so   geht  dies  doch 

iiaiuer  langsamer  vor  sich,  je  näher  die  Glimmlichter  einander 

räoken.     Für  die  Spannung  tritt  dies  am  deutlichsten  hervor, 

^Sl.  Tab.  15.     Es  findet  eine  Kückstauung  statt.    Ja,  bei  der 

^  ^Segnung  der  Glimmlichter,  in  der  Nähe  der  Umkehrdrucke 


T 

abelle  15. 

Luft 

d 

^__ 

1 

! 

1,5 

2,2 

3,2 

5,0 

1 
7,5 

10,0 

cc  =r  22  cm 

Ft 

182G 

1732 

1312 

846 

759 

734 

794 

992 

1208 

Q=  12  cm 

F. 

1076 

819 

578 

541 

585 

746 

1015 

1240 

a=  2  cm 

F. 

430 

— 

406 

351 

396 

497 

715 

996 

1193 

Fi-F, 

750 

493 

268 

218 

149 

48 

-23 

32 

F.-F, 

646 

— 

413 

227 

145 

88 

31 

19 

47 

fi. 

P 

— ^ 

4,39 

2,89 

1,94 

1,28 

0,85 

0,59 

0,43 

d 

— 

1,0 

2,0 

3,0 

3,5 

4,2 

5,5 

6,5 

a  =  22  cm 

F. 

1083 

851 

726 

679 

706 

773 

880 

— 

a  1  12  cm 

F, 

679 

556  521 

525 

588 

676 

817 

— 

a  =  2  cm 

F. 

— 

363 

346  380,  421 

517 

642 

781 

— 

F.-F, 

404 

295 

205  1  154 

118 

97 

63 

— 

F.- F. 

— 

316 

210 

141 

104 

71 

34 

36 

N, 

P 

2,85 

1,91 

1,25 

0,82 

— 

0,54 

—. 

0,35 

0,26 

d 

1,0 

1.5 

2,0 

2,7 

— 

4,0 

— 

6,5 

8,0 

a  =  22  cm 

F. 

1119 

925 

849 

740 

720 

— 

791 

965 

a  •  12  cm 

F. 

667 

567 

509 

533 

592 

— 

723 

984 

a—  2  cm 

F. 

321 

333 

363 

411 

— 

513 

— 

694 

930 

V,-V, 

452 

358 

340 

207  — 

128 

68 

19 

v,-v. 

346 

234 

146 

122 

1 
1 

79 

— 

29 

54 

1)  Wie  aus  der  Vergleichung  der  d-  und  der  a-Werthe  hervorgeht, 
wurde  eine  so  grosse  Annäherung  der  Elektroden,  dass  die  eine  in  den 
Dunkelraum  der  anderen  eindrang,  wobei  sich  ausserordentliche  Spannungs- 
tffeigerungen ergeben,  vermieden. 


884  H.  Ebert. 

kann  die  Spannungsabnahme  infolge  der  Annäherung  sogar 
durch  die  von  der  Begegnung  bedingte  Spannungssteigerung 
überwunden  werden,  sodass  die  Spannung  bei  nahen  E21ektrodei% 
gleich  oder  sogar  noch  grösser  ist  als  diejenige  bei  grösserem 
Elektrodenabstande.  Analoges  gilt  für  die  Stromstärke.  In 
den  Tabellen  sind  die  Werthe,  welche  diese  Stauwirkung  ganz 
besonders  gut  veranschaulichen,  fett  gedruckt.  Man  sieht, 
dass  sie  sich  durchaus  um  die  Umkehrdrucke  gruppiren  und 
erst  häufiger  werden,  nachdem  die  Begegnung  stattgefunden 
hat.  Zu  beachten  ist  dabei  immer,  dass  es  sich  um  eine 
Durchdringung  nur  der  Glimmlichter,  nicht  aber  der  Hittorf- 
schen  Dunkelräume  handelt,  und  dass  die  Durchdringung  des- 
selben Raumes  zeitlich  nacheinander  stattfindet.  Auch  treten 
die  Umkehrungen  immer  schon  bei  so  hohen  Drucken  und  so 
kleinen  d  auf,  dass  die  Anoden  der  jedesmaligen  Entladungen 
bei  den  hier  eingehaltenen  Abständen  a  noch  vollkommen 
ausserhalb  ihrer  eigenen  zugehörigen  Glimmlichter  liegen,  wie 
schon  das  Vorhandensein  einer  merklich  ausgedehnten  Anoden- 
säule und  die  Controle  im  Drehspiegel  erkennen  lassen.  Das 
Phänomen  ist  also  nicht  etwa  auf  die  bekannte,  in  neuester 
Zeit  von  Hm.  Wehnelt^)  durch  Messungen  genauer  verfolgte 
Potentialsteigerung  zurückzuf^ren,  welche  eintritt,  wenn  man 
die  Anode  durch  ihr  eigenes  Glimmlicht  hindurch  gegen  den 
Dunkelraum  der  der  gleichen  Entladung  angehörenden  Kathode 
voranschiebt. 

Mittels  eines  kreuzförmig  gestalteten  Rohres  wurde  femer 
nachgewiesen,  dass  die  spannungssteigernde  Wirkung  vorher- 
gehender Entladungen  auch  eintritt,  wenn  die  zeitlich  aufein- 
ander folgenden  Glimmlichter  denselben  Gasraum  senkrecht  zu 
einander  durchstrahlen. 

Mit  Hülfe  der  Spannungssteigerung  infolge  von  Vorgängen 
bei  der  Entladung  selbst  innerhalb  desselben  Rohres  musste  es 
möglich  sein,  eine  Art  Äutoventilwirkung  zu  erzielen,  d.  h.  die 
Entladung  zu  veranlassen,  sich  selbst  von  einem  von  ihr  bisher 
allein  eingenommenen  Entladungswege  abzudrängen  und  zum 
Theil  in  einen  parallel  geschlossenen  mit  hinüber  zu  gehen. 

Zwei  einander  vollkommen  gleiche  Cylinderröhren  B^  und 


1)  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  «5.  p.  521  f.  1898.  . 


Glimmlichterscheinungen,  385 

Äj  werden  nebeneinander  nach  dem  Schaltschema  (Fig.  4)  in 

Jen    Hochspannungswechselstromkreis    eingeschaltet;    die   von 

^dem   Transformator  TT  kommenden   Kabel  wurden  zwischen 

beiden  Röhren   so   verzweigt, 


Ä. 


3 


(b 


H      "■       B 


dass  beiden  der  Strom  durch 
kurze  gleichiange  und  gleich- 
dicke Leitungen  von  beiden 
Seiten  her  zugeführt  wurde. 
Dass  sowohl  die  Röhren  wie 
die  Zuleitungen  wirklich  als 
fast  vollkommen  identisch  be- 
trachtet  werden  konnten,  wurde 

daran  erkannt,  dass  bei  höheren  Drucken  bald  die  eine,  bald 
die  andere  Röhre  aufleuchtete,  ohne  dass  eine  derselben 
irgendwie  bevorzugt  wurde. 

Bei  tieferen  Drucken  wurde  die  Vertheilung  der  Entladung 
insofern  stabiler,  als  die  Entladung  bei  Stromschluss  immer 
mehr  dasjenige  Rohr  bevorzugte,  welches  schon  vorher  ge- 
leuchtet hatte.  In  demselben  waren  die  Elektroden  warm 
geworden  und  es  ist  bekannt,  wie  eine  Entladung  das  Ein- 
treten der  nachfolgenden  erleichtert,  entweder  dadurch,  dass 
die  Elektroden  gereinigt  und  aufgelockert  sind,  oder  durch 
Bildung  von  Ionen  (vgl.  die  Anregbarkeit  von  elektrodenlosen 
Röhren  in  elektrischen  Wechselfeldern),  oder  durch  Ver- 
minderung des  Uebergangswiderstandes.  Näherte  man  sich 
dem  „Umkehrdrucke,**  so  setzte  die  Entladung  nach  jeder 
Unterbrechung  mit  Bestimmtheit  immer  wieder  in  demselben 
Rohre  ein,  dessen  Elektroden  dadurch  sehr  heiss  gemacht  werden 
konnten.  In  dem  Momente  aber,  wo  der  rotirende  Spiegel 
zeigte,  dass  die  äussersten  Glimmlichtspitzen  nacheinander 
von  beiden  Seiten  her  die  Mitte  des  Rohres  trafen,  begann 
dcLS  andere  Rohr  regelmässig  mitzuleuchten ,  die  Entladung  ging 
gleichzeitig  durch  beide  Rohren.  Wiewohl  also  die  Röhre,  welche 
bis  dahin  den  Ausgleich  allein  vermittelt  hatte,  erheblich 
prädisponirt  war  auch  zur  weiteren  Stromftihrung,  setzte  doch 
die  Entladung  im  genannten  Augenblicke  in  dem  anderen 
Rohre  mit  kalten  Elektroden  und  ohne  die  unterstützende 
Wirkung  vorhergehender  Entladungen  ein,  augenscheinlich, 
weil  sich  in  dem  ersten  Rohre  bei  der  Begegnung  der  Glimm- 

Ann.  d.  Pbji.  o.  Chem.    N.  F.    69.  25 


386  H.  Ebert 

lichter  die  zur  Entladung  nöthige  Spannung  erheblich  steigert. 
Es  ist  hier,  wie  in  allen  früheren  Fällen,  als  ob  sich  in  dieseia 
Momente  der  Gasdruck  in  dem  stromdurchflossenen  Robr»-^ 
erhöhe.  Dass  diese  Druckerhöhung  aber  nur  eine  scheinbare 
ist,  wurde  durch  sehr  häufige  Controlen  an  dem  Manometer 
nachgewiesen;  jedenfalls  sind  die  durch  die  Entladung  voa 
den  Elektroden  etwa  losgerissenen  Spuren  von  Gasresten  bei 
weitem  nicht  hinreichend,  um  die  Umkehr  und  die  im  vor- 
liegenden Falle  damit  in  Verbindung  stehende  Ventilwirkung 
herbeizuführen. 

Also  nicht  einfach  deshalb,  weil  ein  gewisser  Druckwerth 
erreicht  wird,  tritt  die  Umkehr,  die  Spannungssteigerung  und 
Stromabnahme  ein,  sondern,  weil  sich  im  Rohre  selbst  ge- 
wissermaassen  elektromotorische  Gegenkräfte  entwickeln.  Denn 
sonst  wäre  kein  Grund  vorhanden,  warum  die  Entladung  auf 
die  andere  Röhre  überspringen  sollte,  in  der  ja  genau  der 
gleiche  Gasdruck  herrscht.  Durch  die  Entladung  selbst  muss 
also  ein  Hindemiss  geschafft  werden.  Das  Auftreten  der 
Gegenkraft  ist  an  den  Moment  gebunden,  wo  das  Glimmlicht 
der  einen  Entladung  gezwungen  wird,  in  einen  Raum  einzu- 
dringen, den  vorher  das  Glimmlicht  einer  anderen  Entladung, 
wenn  auch  nur  zum  kleinen  Theile,  inne  gehabt  hatte. 

Dieser  Ventilversuch  gelingt  mit  allen  Gasen,  besonders 
gut  mit  Luft,  Stickstoff,  Kohlensäure  und  Wasserstoff.  Das 
Mitleuchten  einer  parallel  geschalteten  gleichbeschaffeuen  Ent- 
ladungsröhre giebt  ein  sehr  einfaches  und  empfindliches  Krite- 
rium an  die  Hand  zur  Entscheidung  der  Frage,  wann  man 
beim  Evacuiren  bei  dem  Umkehrdrucke   U  angelangt  ist. 

Die  vorstehenden  Versuche  dürften  auch  Licht  auf  eine 
Erscheinung  werfen,  welche  Hr.  E.  Wiedemann  und  ich 
selbst*)  in  dem  Hochfrequenzfelde  des  Endcondensator  eines 
einmal  überbrückten  Lech  er 'sehen  Drahtsystems  beobachtete!): 
ein  elektrodenloses,  mit  verdünntem  Gase  gefülltes,  in  dem 
Wechselfelde  leuchtendes  Glasgefäss  erlischt  in  dem  Momente, 
in  welchem  sich  die  von  beiden  Seiten  her  bei  abnehmenden 
Drucken  vorrückenden  Glimmlichter  in  seiner  Mitte  begegnen. 
Die  Folge  davon  ist,  dass  kleinere  Entladungsgef&sse,  bei  denen 


\)  H.  Ebert  u.  E.  Wiedemann,    Wied.  Ann.  62.  p.  182.   1897., 


Glimmlichterscheinungen,  887 

es  früher  eintritt,  schon  bei  höheren  Drucken  erlöschen  als 
össere,  bei  denen  die  Glimmlichter  die  den  tieferen  Drucken 
tsprechende  grössere  Ausbreitung  annehmen  können,  ehe  die 
^egnung  stattfindet.  In  dem  Momente  der  Begegnung  be- 
mt  die  zum  Unterhalten  der  Entladung  nöthige  Spannung 
inauer  gesagt  der  nöthige  Spannungsgradient)  erheblich  zu 
chsen  infolge  der  unsichtbaren  Nachwirkung  der  eben  vor- 
*gehenden  sichtbaren  Entladung;  bei  der  sehr  viel  schnelleren 
feinanderfolge  der  Einzelerregungen  bei  dem  Lech  er 'sehen 
item  ist  die  Spannungssteigerung  und  Abnahme  der  Strom- 
rke  noch  viel  ausgeprägter  als  in  den  oben  angefahrten 
)ellen  fiir  die  hier  angewendete  viel  niedrigere  Frequenz. 
)  Lech  er 'sehe  System  stellt  aber  an  seinem  Endcondensator 
eine  ganz  bestimmte,  und  zwar  verhältnissmässig  kleine 
mnungsamplitude  zur  Verfügung.  Folglich  muss  das  in 
selben  gebrachte  Entladungsgefäss  in  dem  Momente  er- 
ihen,  in  welchem  erheblich  höhere  Spannungswerthe  er- 
lert  werden,  und  dieses  findet  statt,  wenn  sich  die  Glimm- 
ter  begegnen;  dieses  wiederum  hängt  in  unmittelbar 
chtlicher  Weise  von  den  Dimensionen  der  Gefösse  ab. 

2.   Mechanische  Rückstosswirkiingen. 

War  nach  dem  vorigen  das  Andauern  einer  bestimmten 
Inng  von  einer  Wechselstromentladung  bis  zur  nächsten  wahr- 
einlich  gemacht,  so  war  zu  erwarten,  dass  Elektroden  mit 
(hen  Atmosphären  geladener Theilchen  eine  ponderomotorische 
rkung  aufeinander  ausüben,  gleichgültig  ob  sie  dazwischen 
übergehend  auch  wieder  als  Anoden  functionirten.  Da  von 
i  mit  dem  Hochfrequenzstrome  gespeisten  Elektroden  immer 

eine  Anode  ist,  während  die  andere  Kathode  wird,  so 
19  zunächst  zwischen  ihnen  eine  elektrostatische  Anziehung 
»tfinden.  Dauert  aber  ein  der  Kathodenerscheinung  eigen- 
mlicher  Zustand,  z.  B.  der  Ladezustand  in  der  Glimmlicht- 
ion, von  dem  zahlreiche  Untersuchungen  gelehrt  haben, 
s  er  durch  freie  positive  Ladungen  ausgezeichnet  ist,  längere 
b  an,  so  muss  sich  über  die  anziehende  Wirkung  eine 
kstossende  lagern,  die  sich  freilich  zunächst  nur  an  den 
chnamig  geladenen  Theilen  der  Gasmasse  äussert.    Denken 

uns  aber   die  Ladungen  von  gewissen  Vorgängen  an  dar 

25* 


388  H.  Ebert 

Kathode  herrührend,  so  wird  die  rückstossende  Wirkung  aucl^ 
diese  selbst  ergreifen;  es  fragt  sich  nur,  ob  diese  Wirkung' 
stark  genug  werden  kann,  um  die  gleichzeitig  bestehende  an^ 
ziehende  Kraft  zu  tiberwinden.  Bei  den  dahinzielenden  Ver — 
suchen  war  besonderes  Augenmerk  darauf  zu  richten,  das^ 
nicht  etwa  die  längst  bekannten  Repulsionen  der  von  de^ 
Kathode  ausgehenden  Kathodenstrahlen  oder  Radiometer — 
erscheinungen  ins  Spiel  traten.  Durch  die  folgende  Anordnunpg 
und  die  weiter  unten  beschriebenen  ControWersuche  glaube 
ich  jede  mögliche  Fehlerquelle  eliminirt  zu  haben  und  biMiz: 
geneigt,  die  thatsächlich  gefundenen  kräftigen  Rückstoss^  - 
Wirkungen  schon  bei  sehr  hohen  Drucken  als  eine  neue,  desc 
Hochfrequenzentladungen  eigenthtimliche  Erscheinung  anzusehesc 
und  dieselbe  in  dem  oben  angegebenen  Sinne  auf  eine  Naclm.- 
dauer  der  Wirkung  der  einzelnen  Entladungen  auf  das  6^.^ 
zurückzuführen. 

An   eine   dickwandige   Glaskugel  A^   Fig.  5,  von    14  c 
Durchmesser  waren  zwei  Schliffe  angeblasen,  oben  ein  4,5  c 
weiter  -B,   seitlich  ein  engerer  C  von    1,8  cm    lichter  Weit^. 
Durch  den  ersteren  wurde  eine  mit  dem  einen  Transformatorpol 
in    metallischer  Verbindung   stehende  Drehwaage,    durch    den 
letzteren  das  ablenkende,   mit  dem  anderen  Pole  verbundene 
System  eingeführt.    Die  Dreh waage  hängt  an  dem  18  cm  langen, 
nur   0,003  cm   dicken   Constantandraht  a,    der   oben   an  deo 
dicken  kupfernen  Zuführungsdraht  b  angelöthet  ist;  an  diesen 
ist  oben  das  Quecksilbernäpfchen  c  angekittet  zum  Einfähreo 
des   Zuleitungsdrahtes.     Damit   sich    die  Entladung   nicht  an 
den  Aufhängedraht  a  ansetzt  und  ihn  erwärmt,  begleitet  den- 
selben die  unten  napfförmig  erweiterte  Schutzröhre  d  aus  Glas, 
welche   weit  genug   ist,    um    der  Suspension  die  nöthige  Be- 
wegungsfreiheit zu  gewähren,   aber  eng  genug,   um  das  Auf- 
treten von  Entladungsbüscheln  am  Drahte  selbst  zu  verhindern. 
Der  Zufuhrungsdraht  b  ist  oben  in  d  mit  Siegellack  festgekittet 
Die  Röhre  d  wird  von  der  Trageröhre  e  gehalten,  in  die  sie 
eingekittet   ist,    letztere   ist   in    dem   Schlififstück  /   befestigt, 
welches  unmittelbar  auf  B  aufsitzt.    Vermittelst  des  Schliffes  ff 
wird    es   möglich,    der  Dreh  waage  jede   gewünschte  Anfangs- 
lage   und   dem    Aufhängedrahte    a   nach   erfolgter  Ablenkung 
eine   beliebige  Torsion    zu  erth eilen.     Eine  hier  angebrachte, 


Glimmlichters  cheinunffen. 


389 


sowie  eine  zweite  um  den  Aequator  von  A  herumgelegte  (in 
der   Figur   gleichfalls   nicht   gezeichnete)    Gradscala  gestattet, 
w  wie  bei  der  Coulomb'schen    Drehwaage,   die  entsprechenden 
W'inkel  zu  messen. 


Fig.  5. 

9urch  das  seitliche  Rohr  I)  wird  der  Apparat  evacuirt. 
Die  Verbindung  nach  der  Quecksilberpumpe  wird  durch  den 
Schliff  ff  und  einen  zweiten  (//)  vermittelt,  dessen  Axe  senk- 
recht zur  Zeichenebene  steht.  Durch  Drehen  um  diese  beiden 
Schliffe  ist  es  möglich,  auch  dem  an  der  Pumpe  befindlichen 
Apparat  jede   beliebige   Neigung   gegen   die  Verticale   zu   er- 


390  H.  Ebert 

theilen  und  zu  bewirken,  dass  der  Draht  a  genau  axial  in  dem 
Kobre  d  berabhängt  und  nirgends  anstösst;  die  Kugel  Ä  ruhte  aaf 
einem  Strobkranz  und  einem  in  der  Höbe  verstellbaren  Tischchei.'^ 

Die  JDrehwaage  selbst  besteht  aus  einem  dünnen  8  cm 
langen  Aluminiumstabchen  t,  welches  von  einer  eng  anschliessen- 
den, in  der  Mitte  bei  k  geöffneten  Glasröhre  /  umgeben  ist 
Durch  die  Oeffnung  k  ist  der  Aufhäugedraht  a  eingeführt  and 
an  dem  Stäbchen  t  befestigt.  An  beiden  Enden  sind  die 
1,5  cm  im  Durchmesser  haltenden  kreisscheibenformigen  Elek- 
troden m^,  m,  aus  dünnem  Aluminiumblech  durch  angebogene 
Hülsen,  welche  in  die  Röhre  l  über  die  etwas  zugespitzten 
Enden  von  i  gesteckt  werden,  befestigt.  Es  besteht  daher  eine 
ununterbrochene  metallische  Verbindung  von  c  bis  zu  »ij,  n^ 
hin,  ohne  dass  irgendwo  Veranlassung  zu  störender  Funken- 
bildung gegeben  wäre.  Die  etwas  nach  oben  gebogenen  Bänder 
der  Oeffnung  k  greifen  so  unter  die  Erweiterung  von  </,  dass 
hier  keine  Entladung  zu  Stande  kommt  und  doch  die  völlige 
Bewegungsfreiheit  der  Waage  gewahrt  bleibt. 

Um  starke  Bewegungsantriebe  zu  erhalten,  war  es  geboten, 
die  Ausbildung  des  Glimmlichtes  auf  diejenige  Seite  zu  con- 
centriren,  gegen  welche  die  rücktreibende  Kraft  gerichtet  sein 
sollte.  Zu  diesem  Zwecke  ist  je  eine  Seite  der  Elektroden 
iWj,  m^  mit  einem  Glimmerblättchen  bedeckt  (schraffirt),  welche 
von  drei  nach  rückwärts  umgebogenen  Fortsätzen,  die  man  an 
dem  Rande  der  Aluminiumschei beben  hatte  stehen  lassen,  fest- 
gehalten werden.  Diese  Bedeckung  hindert  vollkommen  den 
Austritt  der  Entladung.  In  der  perspectivischen  Zeichnung  5 
würde  also  das  Glimmlicht  an  der  Elektrode  m^  sich  nur  auf 
der  vom  Beschauer  abgewandten,  an  m^  nur  an  der  diesem 
zugewandten  Seite  ausbilden. 

Damit  jedoch  auch  dem  etwa  zu  erhebenden  Einwände 
begegnet  werden  konnte,  dass  dabei  durch  Theilchen,  welche 
von  den  Elektroden  fortgeschleudert  würden,  ein  merklicher 
Rückstoss  eintreten  und  etwa  durch  diesen  die  beob^phtete 
Abstossung  der  Flügel  erklärt  werden  könne,  wurden  auch 
zahlreiche  Versuche  mit  Elektroden  ohne  diese  Glimmer- 
bedeckung ausgeführt.  Bei  diesen  bedeckten  sich  dann  beide 
Seiten  vollkommen  gleichmässig  mit  Glimmlicht,  nur  war  dieses 
nicht  so  dicht,  die  Wirkung  daher  etwas  schwächer. 

c 


Glimmlichterscheinungen,  39 1 

Um  der  Drehwaage  noch  ausser  der  Torsionskraft  der 
Suspension  ein  bestimmtes  Directionsmoment  ertheilen  zu 
können,  war  meist  an  der  Glasröhre  /  unten  eine  äusserst  feine, 
Hark  magnetisirte  Nadel  n  befestigt,  welche  in  dem  Felde 
öines  H&lfsmagneten,  oder  der  Erde,  oder  des  mehr  oder 
Weniger  vollkommen  astasirten  Erdfeldes  schwingend,  die 
£^mpfindlichkeit  der  Drehwaage  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen 
^on  aussen  her,  ohne  inneren  Eingriff  nöthig  zu  machen, 
variiren  Hess. 

Das  ablenkende  System  besteht  ebenfalls  aus  je  zwei  1,5  cm 
grossen,  entweder  einseitig  mit  Glimmer  belegten  oder  beider- 
seitig freien  Aluminiumelektroden  a^^  a^,  welche  tou  Ansätzen 
der  zweimal  umgebogenen  Glasröhre  ß  getragen  werden. 
Biese  führt  den  am  Ende  mit  dem  Quecksilbemäpfchen  y 
versehenen  Zuleitungsdraht  S  und  ist  mit  der  Trageröhre  € 
in  den  Schlifif  C  eingekittet.  Beim  Zusammensetzen  des  Ap- 
parates wird  zuerst  die  Röhre  ß  durch  den  SchliflF  C  eingeführt, 
dann  werden  von  B  aus  mittels  einer  langen  Greifzange  die 
Scheiben  a^  und  c^2  ^^^  ihren  Hülsen  in  die  Ansätze  der  Glas- 
röhre ß  fest  eingesetzt.  Diese  lehnt  sich  dabei  mit  ihrem 
zugeschmolzenen  Ende  an  die  Innenwand  der  Kugel  A  an, 
um  dem  Drucke  beim  Einsetzen  der  Elektroden  genügenden 
Widerstand  entgegensetzen  zu  können.  Kurze  Drahtstücke 
und  Auskleidungen  mit  Stanniol  vermitteln  eine  sichere  funken- 
lose Zuleitung  zu  den  Elektroden  a^,  a^\  die  allseitige  Um- 
kleidung mit  Glas  bewirkt,  dass  nur  auf  diesen  Entladungs- 
erscheinungen auftreten. 

Damit  es,  solange  noch  die  elektrostatische  Anziehung 
zwischen  den  einander  gegenüber  stehenden,  unbedeckten 
Elektrodenflächen  überwiegt,  nicht  bis  zur  metallischen  Be- 
rührung und  damit  zu  Kurzschlüssen  in  der  Hochspannungs- 
leitung kommen  kann,  sind  an  dem  Glasstabe  ß  noch  zwei 
„Abweiser"  aus  Glimmer  auf  den,  den  unbedeckten  Hälften 
von  «j  und  a^  zugekehrten  Seiten  angekittet,  zwei  kleine  Blätt- 
chen mit  je  zwei  verticalen  Einschnitten,  in  die  nach  dem 
Einsetzen  von  C  von  oben  her  (durch  B  hindurch)  die  längeren 
Glimmerstreifen  fj  und  Cg  eingeschoben  werden. 

Schon  bei  den  ersten  Versuchen  stellte  es  sich  heraus, 
dass  die  rückstossenden  Kräfte  ziemlich  grosse  waren,  sodass 


392  H.  EberL 

augenscheinlicli  auch  schon  mit  einer  viel  weniger  empfindlicheD 
und  darum  auch  weniger  subtilen  Anordnung  auszukommen 
war.  Es  wurde  daher  noch  das  einarmige  in  Fig.  5  a  v(n% 
vom  (in  etwas  perspectivischer  Ansicht),  in  Fig.  5  b  von  oben 
gesehen  dargestellte  System  angewendet.  Die  rechteckig  ge- 
staltete £Ilektrodenplatte  n  aus  Messing  von  0,8  x  2,2  cm^ 
Fläche  mit  abgerundeten  Ecken,  mit  oder  ohne  Glimmerbeleg, 
ist  an  einem  Eupferdrahte  o  befestigt,  der  durch  das  recht- 
winklig umgebogene  Olasrohr  p  geschoben  nnd  an  den  dünnen, 
12  cm  langen,  vorher  gut  gestreckten,  harten  Messingdraht  q 
angelöthet  ist.  Auf  der  entgegengesetzten  Seite  von  p  ist 
mittels  des  kurzen  Glasstäbchens  r  die  kleine,  oben  offene 
Kugel  t  angeschmolzen,  in  welche  Tarierschrot  zur  Aus- 
balancirung  der  Elektrode  n  gethan  wird.  Die  feste  Elektroder 
ist  ebenso  beschaffen,  wird  von  dem  Zuleitungsdrahte  a  ge- 
tragen, und  hält  den  kleinen,  aus  einem  Glimmerblatte  ge- 
bogenen Abweiser  r.  Die  bewegliche  Elektrode  n  ist  an  ihrer 
Ansatzstelle  so  gebogen,  dass  sie  in  der  der  Elektrode  v 
nächsten  Stellung,  die  sie  vermöge  der  Grösse  von  r  ein- 
nehmen kann,  dieser  parallel  steht;  dies  hat  den  Vortheil, 
dass  auch  die  Glimmlichtschichten  und  ihre  Begrenzungen 
einander  parallel  verlaufen,  und  der  Druck  der  abstossenden 
Kraft  auf  der  ganzen  Fläche  gleichmässig  erfolgt. 

Beobachtungen  1.  Ist  der  Druck  in  der  Kugel  Ä  hoch, 
so  vermag  der  Wechselstrom,  der  ja  nur  auf  eine  gewisse 
Spannung  hinauf  transformirt  wird  (etwa  2800  Volt),  die  Gas- 
schicht nicht  zu  durchbrechen.  Die  Elektroden  werden  dann 
abwechselnd  positiv  und  negativ  auf  diese  Maximalspannung 
geladen.  Die  ungleichnamig  geladenen  Platten  ziehen  sich  an,  die 
Drehwaagenäügel  schlagen  ziemlich  heftig  gegen  die  Abweiser. 

2.  Dieses  Verhalten  besteht  fort,  wenn  bei  allmählicher 
Evacuation  die  ersten  Glimm-  und  Anodenlichter  auf  den 
Platten  erscheinen.  Selbst  wenn  der  Abstand  der  Elektroden 
im  Ruhezustand  mehrere  Centimeter  beträgt,  werden  die  be- 
weglichen Elektroden  herangezogen. 

3.  Bedeckt  das  Glimmlicht  die  ganze  Elektrodenfläche,  so 
ändert  sich  zunächst  nichts  an  dem  Verhalten,  so  lange  die 
Glimmlichtschicht  noch  dünn  ist.  Breitet  sich  dieselbe  aber 
bei  fortschreitender  Evacuation  weiter  in  den  Gasraum  hinein 

c 


Glimmlichterscheinungen.  393 . 

aus,  so  tritt  eine  neue  Erscheinung  von  dem  Momente  an  ein, 
in  welchem  der  vordere  Glimmlichtsaum  die  Mitte  des  Ab- 
standes  zwischen  den  einander  gegenüberstehenden  Elektroden 
überschreitet:  die  Anziehting  wird  lockerer,  schon  eine  geringere 
Torsionskraft  zieht  den  Drehwaagenarm  zurück,  gegenüber  der 
Anziehung  macht  sich  eine  rückstossende  Kraft  geltend, 

4.  Bei  weiterem  Auspumpen  werden  die  Glimmlichtschichten 
immer  dicker.  In  dem  Momente  der  Anschaltung  des  Wechsel- 
stromes findet  im  ersten  Momente  noch  Anziehung  statt;  die 
Entladung  ist  noch  nicht  voll  ausgebildet,  auch  findet  das  erste 
Glimmlicht,  wenn  es  auf  einer  Seite  hervorbricht,  ja  noch 
nicht  die  Veränderung  im  Gase  durch  eine  vorhergehende,  von 
der  anderen  Seite  kommende  Glimmlichtsäule  vor,  auf  die  wir 
die  rückstauende  Wirkung  zurückführen.  Sowie  das  Glimm- 
licht aber  vollkommen  ausgebildet  ist^  schiebt  es  die  beweg- 
lichen Elektroden  deutlich  zurück;  die  Anziehung  der  ungleich-- 
namig  geladenen  Elektroden  hat  sich  in  eine  Äbstossung  verwandelt. 

5.  Wird  der  Druck  noch  tiefer,  sodass  die  Glimmlicht- 
ausbildung an  beiden  Elektroden  immer  stärker  wird,  so  tritt 
die  rückstossende  Kraft  immer  deutlicher  hervor.  War  der 
Schliff  ff  so  gestellt,  dass  die  festen  Elektroden  a^  a^  von  den 
beweglichen  m^  m^  einen  grossen  Abstand  haben  und  dreht 
man  nun  /*/*  so,  dass  die  Drehwaagenflügel  mit  ihren  Glimm- 
lichtern denen  der  feststehenden  Elektroden  genähert  werden, 
80  stellt  sich  in  dem  Momente  der  Begegnung  der  Glimm- 
lichter dem  weiteren  Annähern  ein  Hinderniss  entgegen,  sodass 
nun  der  Aufhängedraht  aa  tordirt  wird.  Dabei  tritt  eine 
merkliche  Deformation  beider  Glimmlichter  ein;  dieselben 
drücken  sich  scheinbar  gegenseitig  zusammen,  wodurch  selbst 
der  unter  ihnen  liegende  Dunkelraum  schwache  Zusammen- 
drückungen erfährt.  (Bei  diesen  wie  den  folgenden  Versuchen 
war  der  kleine  Richtmagnet  n  [Fig.  5]  entfernt  worden.) 

6.  Dass  die  Ursache  der  Erscheinung  wirklich  darin  liegt, 
dass  die  Glimmlichter  in  die  gegenseitige  Wirkungssphäre  ge- 
langen, wird  durch  folgende  Controlversuche  bestätigt:  Die 
ürehwaage  wird  durch  Drehen  an  dem  Schliff  ff  senkrecht  zu 
der  Verbindungslinie  der  feststehenden  Elektroden  a^  a^  ge- 
stellt: Bei  Erregung  des  Wechselstromes  war  nicht  der  ge- 
ringste  Bewegungsantrieb    zu    erkennen.     Wurden    die   Elek- 


394  H.  Ebert 

troden  einander  mehr  genähert,  etwa  in  45  ^  Stellung  gebracht, 
so  schien  eine  schwache  Anziehung  sich  bemerklich  zu  machen. 
Dies  würde  die  von  Hrn.  Warburg ^)  bei  Batterieentladungei% 
genauer  verfolgte  Erscheinung  sein.     Die  Abstossung  trat  aber 
erst  in  Entfernungen  ein,  bei  denen  die  beiderseitigen  OUmm- 
lichter  denselben  Ort  im  Oasraume  erreichten.     Durch  diese 
Versuche  mit  grossen  Elektrodenabständen,   bei  denen  weder 
Anziehung  noch  Abstossung  eintrat,  wird   zugleich  bewiesea- 
dass   nicht   irgend   welche   Störungen,    etwa    durch   schwache 
Entladungen   am  Aufhängedraht,    die  Ursache   der   oben  be- 
schriebenen Glimmlichtwirkungen  sein  können.     Auch  elektro- 
dynamische Wechselwirkungen  sind  nicht  zur  Erklärung  heran— 
2iehbar,  wie  man  durch  eine  einfache  Ueberlegung  findet. 

Ferner  kann  man   die  Erscheinung  nicht  darauf  zurück- 
führen, dass  das  Glimmlicht  über  die  eigene  Anode  hinweg- 
gegangen   wäre    oder    diese   selbst    gar    in    den    zugehörigei^ 
Eathodendunkelraum  eingetaucht  hätte.    In  allen  Fällen  war* 
der   Elektrodenabstand    so   gross,    dass   sich   die   ganze   Ent- 
ladung   vollkommen    frei    ausbilden    konnte.     Beim   Zeichen- 
Wechsel  des  Wechselstromes  war  die  Erscheinung  vollkommen 
umgelagert,  dazwischen  wurde  das  Gas  immer  völlig  dunkel, 
die   Wirkung  muss  also  auf  einer  unsichtbaren  Nachdauer  in  der 
Wirkung    der   sichtbaren    Glimmlichterscheinung    beruhen.      Wird 
sehr  tief  ausgepumpt,  so  wird  die  Erscheinung  immer  kräftiger 
und  deutlicher.     Zu  den  allertiefsten  Drucken,  bei  denen  dann 
lebhafte   Entwickelung    der   Kathodenstrahlen    eintrat,    wurde 
indessen  absichtlich  nicht  gegangen,   um  nicht  dem  Einwände 
zu  vei*fallen,  es  handle  sich  um  eine  Art  Radiometererscheinung. 
Die  gewöhnlich  benutzten  Drucke   waren  immer  viel  zu  hoch, 
als  dass  Bewegungsimpulse  wie   bei  den  Radiometern  hätten 
auftreten  können. 

Dass  die  beobachtete  Erscheinung  nicht  durch  Rück- 
wirkungen schon  bei  höheren  Drucken  etwa  entstehender 
Kathodenstrahlen  erklärt  werden  kann,  sieht  man  am  besten, 
wenn  man  beide  Elektrodenseiten  unbedeckt  lässt,  sodass  sich 
das  Glimmlicht  auf  beiden  in  gleicher  Weise  ausbildet.  Dann 
müssten  die  Reactionsstösse  auf  beiden  Seiten  gleich  stark  er- 


1)  E.  Warburg,  Wied.  Ann.  45.  p.  1.  1892. 

I 


Glimmlichterscheinungen,  395 

folgen  und  sich  ihre  bewegenden  Kräfte  aufheben.  Nichts- 
destoweniger gelingt  der  Abstossungs versuch.  Auch  müsste 
bei  merklichen  Reactionsstössen  und  einseitiger  Elektroden- 
bedeckung sich  die  Drehwaage  in  allen  Lagen  in  Bewegung 
setzen,  was  sie  nicht  thut.  Vielleicht  austretende  Eathoden- 
strahlen  würden  femer  schon  bei  einigermaassen  grossen 
Drehungswinkeln  die  gegenüber  liegenden  Elektrodenäächen 
gar  nicht  mehr  treffen,  sondern  an  ihnen  vorbeigehen,  da  sie 
ja  immer  vorwiegend  senkrecht  zur  emittirenden  Elektroden- 
ebene verlaufen. 

Wurde  bei  Drucken,  bei  denen  die  Erscheinung  unter 
Anwendung  von  Wechselstrom  sehr  deutlich  war,  die  Vacuum- 
drehwaage  an  ein  grosses  Inductorium  (25  cm  Funkenlänge) 
angeschlossen  und  gingen  in  dem  weiten  Entladungsraume  der 
Oeffnungsstrom  wie  der  Schliessungsstrom  durch  das  Gas  hin- 
durch, so  war  auch  die  Abstossung  unter  den  oben  genannten 
Bedingungen  vorhanden,  wenn  auch  minder  deutlich.  Wurde 
aber  in  den  secundären  Stromkreis  vor  die  Vacuumkugel  eine 
Funkenstrecke  oder  ein  Geissler'sches  Rohr  eingeschaltet, 
sodass  nur  der  Oeffnungsinductionsstrom  überging,  so  blieb  die 
Abstossung  völlig  aus  und  nur  Anziehung  wurde  beobachtet. 

Mit  einer  grossen  20plattigen  Töpler'schen  Maschine 
wurde  immer  nur  Anziehung  beobachtet. 

Dass  endlich  auch  nicht  die  Erwärmung  der  Gasmasse 
zwischen  den  Elektroden  die  Ursache  der  mechanischen  Rück- 
stauung sein  kann,  wie  es  Hr.  Neesen^)  vermuthungs weise 
aussprach,  scheint  mir  aus  folgender  Ueberlegung  hervor- 
zugehen: 

Geht  zwischen  zwei  vertical  stehenden  plattenförmigen 
Elektroden,  die  in  nicht  zu  grossem  Abstände  einander  gegen- 
über stehen,  eine  kräftige  Entladung  über  (wobei  wir  uns  die 
Rückseiten  mit  Glimmer  bedeckt  denken,  sodass  die  Ent- 
ladung nur  an  den  einander  gegenüberstehenden  Seiten  auf- 
tritt, wie  es  bei  den  Versuchen  meist  der  Fall  war),  so  wird 
die  zwischenliegende  Gasmasse  von  der  Entladung  erwärmt 
und  steigt  in  die  Hohe;  kältere  Gasmassen  dringen  von  unten 


1)  F.  Neesen,  Verhandl.  d.  Deutsch.  Phyaikal.  GeselUch.  1.  Nr.  3. 
p.  69.  1899. 


396  H.  Eben. 

nach  und  es  entsteht  in  dem  weiten  Entladungsgefasse  eine 
regelmässige  Circulation.  Hierbei  kann  es  nicht  fehlen,  dass 
von  den  Gasströmungen,  welche  auch  in  den  benacbbartenl 
Gasschichten  erregt  werden,  und  die  alle  von  unten  her  gegen 
den  Zwischenraum  zwischen  den  Elektroden  zusammenfliessen, 
die  äussersten  nicht  mehr  in  das  Innere  zwischen  die  Elek- 
trodenplatten gelangen,  sondern  von  aussen  her  gegen  diese 
Platten  strömen  und  diese  gegeneinander  zu  schieben  suchen. 
Wir  erhalten  eine  starke  ansaugende  Wirkung,  welche  wohl 
die  elektrostatische  Anziehung  verstärken,  nicht  aber  unsere 
Repulsionserscheinung  hervorrufen  kann.  — 

Es  dürften  somit  die  folgenden  Resultate  festgestellt  sein: 

1.  Eine  kräftige  elektrische  Entladung  verändert  ein  ver- 
dünntes Gas  namentlich  in  dem  Theile,  welcher  von  Glimm- 
lichtstrahlen  durchsetzt  war,  derart,  dass  die  Veränderung 
noch  eine  gewisse  Zeit  nach  dem  Aufhören  des  eigentlichen 
EntladungsvorgaTiges,  wenn  auch  unsichtbar,  nachdauert. 

2.  Die  Nachdauer  scheint  hauptsächlich  in  dem  An- 
dauern gewisser  Ladungen  zu  bestehen,  welche  dem  Gase  bei 
dem  Entladungsprocesse  mitgetheilt  werden. 

3.  Sinkt  demnach  der  Gasdruck,  so  sinkt  zwar  zunächst 
auch  die  Entladungsspannung;  bei  einem  ganz  bestimmten, 
durch  die  molecularen  Eigenschaften  des  Gases  bedingten 
Drucke  aber  beginnt  die  Spannung  mit  fortschreitender  Eva- 
cuation  wieder  zu  steigen;  gleichzeitig  nimmt  die  Stromstärke 
ab,  der  Wattverbrauch  der  Entladung   zu. 

4.  Diese  „Umkehrdrucke*'  verhalten  sich  wie  die  mittleren 
freien  Weglängen  der  Gasmolecüle  bei  demselben  Drucke. 
Oder:  Die  Umkehr  tritt  bei  verschiedenen  Gasen  ein  bei 
Drucken,  bei  denen  die  mittleren  freien  Weglängen  eine  be- 
stimmte Grösse  erreicht  haben. 

5.  Speciell  bei  den  Wechselstromentladungen  treten  die 
Umkehrungen  in  cylindrischen  Röhren  auf,  wenn  die  mit 
Glimmlicht  erfüllten  Gasmassen  etwa  die  Hälften  der  ihnen 
zur  Verfügung  stehenden  Entladungsräume  beiderseitig  erfüllt 
haben,  also  bei  weiteren  und  längeren  Röhren  bei  tieferen 
Drucken  als  bei  engeren  und  kürzeren. 

6.  Etwas  ganz  ähnliches  gilt  von  den  Schichtungen,  in 
die  sieh  die  Anodensäule  in  gleichweiten  cylindrischen  Röhren 

( 


Glimmlichterscheinungen,  39  7 

bei  den  Hochfrequenzentladungen   untertheilt.     Dieselbe   tritt 
in  verschieden  langen  Röhren  nicht  bei  demselben  Gasdrucke 
^auf,  sondern  dann,  wenn   die  Glimmlichter  sich  etwa  bis  zur 
Mitte  von  beiden  Seiten  her  verbreitet  haben. 

7.  Dass  es  wirklich  hauptsächlich  die  die  Kathode  zu- 
nächst umgebenden  Gasschichten  sind,  welche  die  nachdauernde 
elektrische  Wirkung  tragen,  sieht  man,  wenn  man  eine  Elek- 
trode beweglich  macht;  man  kann  dann  die  Umkehr  in  dem- 
selben Gasraume  bei  einem  beliebigen  Drucke  (innerhalb  ge- 
wisser Grenzen)  durch  Heranschieben  einer  Wechselstrom- 
elektrode gegen  die  andere  herbeiführen. 

8.  Durch  die  Erhöhung  der  Entladungsspannung  beim 
ümkehrdrucke  kann  man  die  Entladung  veranlassen,  sich  zu 
theilen  und  ein  gleich  beschaflfenes  Entladungsrohr  mit  zu 
passiren;  durch  den  Entladungsvorgang  selbst  wird  also  eine 
Art  Ventilwirkung  in  der  eigenen  Entladungsbahn   geschaffen. 

9.  Ist  eine  von  beiden  Elektroden  leicht  beweglich,  so 
äussert  sich  an  ihr  die  Rückstauung,  welche  die  Entladungs- 
spannung bei  der  Umkehr  in  die  Höhe  treibt,  auch  als 
mechanische  Repulsion. 

München,  Juli  1899. 

(Eingegangen  28.  Juli  1899.) 


% 


3.   Ueber  den  JEinfluss  kleiner  Bei' 
mengungen  zu  einem  Gase  auf  dessen  Spectrum^f 

von  JPercival  Lewis. 


Es   ist   häufig   beobachtet  worden,    dass   unter   gewissen 
Bedingungen  geringe  Mengen  einer  fremden  Substanz  in  einem 
Gase   das  Spectrum   desselben   in   unerwarteter  Weise  beein- 
flussen,   üeber  derartige  Erscheinungen  sind  bisher  noch  wenig 
systematische   Beobachtungen   angestellt   worden,    und    daher 
schien   es  von  Interesse,   den  Einfluss   einiger  Substanzen  zu 
prüfen,    welche   selten  oder  nie  in  Vacuumröhren  fehlen.    Es 
handelt  sich  vorzugsweise   um  Quecksilberdampf,  Wasserstoff, 
Sauerstoff  und  Wasserdampf. 

Es  wurden  folgende  Fälle  untersucht: 

1.  Das  Spectrum  des  Wasserstoffs:   a)  des   reinen  Gases, 

b)  Spuren  von  Quecksilberdampf  enthaltend,  c)  mit  Sauerstoff 
und  d)  mit  Wasserdampf  vermischt. 

2.  Das   Sauerstoffspectrum:  a)  rein,    b)  wasserstoffhaltig, 

c)  mit  Spuren  von  Quecksilberdampf  vermischt. 

Die  Versuchsmethode  bestand  darin,  zuerst  ein  möglichst 
reines  Gasspectrum  zu  beobachten,  namentlich  rein  in  Bezug 
auf  diejenigen  Substanzen,  deren  Einfluss  auf  das  Spectrum 
festgestellt  werden  sollte.  Es  ging  nicht  an,  die  gesammten 
sich  darbietenden  Einzelheiten  zu  berücksichtigen;  es  wurde 
nur  die  charakteristische  Erscheinung  der  Spectren  studirt 
und  photometrische  Messungen  der  Intensität  einzelner  Spectral- 
bezirke  bez.  Linien  unter  verschiedenen  Gasdrucken  vor- 
genommen. Es  wurden  sodann  geringe  Mengen  fremder  Sub- 
stanzen eingeführt  und  die  Beobachtungen  wiederholt. 

Um  Störungen  durch  Entwickelung  oder  Absorption  von 
Gasen  seitens  innerhalb  der  Röhren  befindlicher  Metallelektroden 
zu  vermeiden,  wurden  äussere  Elektroden,  wie  sie  von  Salet^) 


1)  G.  Salet,  Ann.  de  Chim.  et  de  Phy8.  28.  p.  20.  1873. 


Gaupectra,  Einfluss  kleiner  Beimengungen.  S99 

iebeo    sind,    aogewaadt.      äqb    diesem    Grunde    waren 
Dgen  der  Stromstärke  nicht  ausführbar. 

Der  Apparat. 
ie  allgemeine  Versachsanordnung  ist  in  Fig.  1  ver- 
lulicht.  Der  Wasserstoff  wnrde  in  dem  Voltameter  V- 
ihwacl)  phosphorsäurehaltigem  destillirtem  Wasser  ent- 
t.  Spuren  von  Sauerstoff,  die  der  auf  diese  Weise  dar- 
te  Wasserstoff  stets  enthält,  wurden  entfernt  beim  Darck- 
des  Gases  durch  die  Waschflascbe  d,  welche  eine  con- 
to Lösung  von  Pyrogallussäure  enthielt.  Das  Qas  wurde 
n  in  den  Trockenröbren  C  angesammelt.  Letztere  ent- 
i  bez.  Chlorcalcium,   festes  Katihjdrat  und  Phosphor- 


Fig.  1. 
nhydrid.  G  ist  ein  Schwefelsäureverschluss  zur  Fern- 
;  von  Quecksilberdämpfen  von  der  Pumpe  her.  Die 
F  ist  mit  festem  Kalihydrat  beschickt,  um  Dämpfe  aus 
bwefelsäare  zu  absorbiren.  Das  Vacuumrohr  B  gehörte 
Ljpns  der  H-f5rmigen  Spectrair Öhren  [mit  Durchsicht 
der  Axe  der  Gapillare).  Die  Elektroden  bestaiiden  ans 
rücken  Messingrohr  und  waren  durch  Glimmer  von  der 
ind  getrennt.  Ohne  diese  Vorsichtsmaassregel  wurde  das 
lei  dem  hohen  angewandten  Potential  regelmässig  von 
mken  durchschlagen.  Der  capillare  Theil  der  am  häufig- 
enutzten  Röhre  war  ca.  10  cm  lang  bei  einer  lichten 
von  4  mm.  E  ist  ein  Quecksilbeneservoir.  Durch 
1  eines  Hahnes  konnte  Quecksilberdampf  in  die  Ent- 
sröhre eingelassen  werden  und  zwar  unter  einem  der 
ratur  des  Reservoirs  entsprechenden  Druck.  Diese 
ratur  war  stets  niedriger  als  die  der  VacuumrÖbre. 
line  Glaskugel  mit  Übermangansaurem  Kali,  aus  welchem 
Erhitzen  Sauerstoff  entwickelt  werden  konnte. 


400  P.  Lewis. 

Zuerst   wurden   alle   Theile    des    Apparates    miteinande'^: 
Verblasen.     Da   dies   aber   beim  Auswechseln  oder  Erneuern 
einzelner   Theile    zu   Unbequemlichkeiten   Veranlassung    gab^ 
wurden  schliesslich  einige  Verbindungen  mittels  Siegellack  heir- 
gestellt.     Nachtheilige  Wirkungen  hiervon  wurden  nicht  wahi-- 
genommen,  vorausgesetzt,  dass   keine  Entladungen  die  Siegel- 
lackstellen trafen.     In  letzterem  Falle  traten  stets  die  Kohlen* 
oxydbanden  auf.     Dasselbe  war  der  Fall  bei  Anwendung  von 
Hähnen,  welche   daher   anfangs   wegen   des  Fettes  vermieden 
wurden,  indem  das  zu  untersuchende  Gas  durch  ein  Barometer- 
rohr eingeführt  wurde.     Für  Versuche  über  die  Wirkung  des 
Quecksilberdampfes   war   natürlich    diese   Methode    nicht  an- 
wendbar,   die  Anwendung   von   Hähnen   daher   unvermeidlich. 
Bei  niederen  Drucken  erschienen  die  CO-Banden  immer,  wenn 
die  Entladungen   bereits  mehrere  Minuten  angedauert  hatten. 
Meine   Beobachtungen  wurden   daher   stets   an   frischem   Gas 
angestellt,  das  noch  keine  Gelegenheit  gehabt  hatte^  sich  mit 
Dämpfen  von  den  Hähnen  zu  verunreinigen.   Ausserdem  wurde 
die  Diffusion    dieser  Dämpfe    durch   capiUare  Einschnürungen 
zwischen  Entladungsröhre  und  Hähnen  beschränkt. 

Den  Strom  lieferte  ein  kleines  Inductorium,  welches  unter 
gewöhnlichen  Umständen  Funken  von  ungefähr  5  cm  Länge 
lieferte.  Gespeist  wurde  dasselbe  durch  den  Strom  der  städti- 
schen Centrale  mit  einer  Spannung  von  110  Volt  unter  An- 
wendung eines  Wehnel tischen  Unterbrechers.  Die  Röhre 
mit  den  äusseren  Elektroden  wirkt  als  Condensator  und  es 
zeigte  sich,  dass  der  Unterbrecher  nicht  so  leicht  und  gleich- 
massig  functionirte,  wie  bei  geschlossenem  Stromkreis.  Infolge 
häufiger  Erneuerung  des  Unterbrechers,  Concentrationsände- 
rungen  etc.  war  es  ohnehin  nicht  möglich,  immer  dieselben 
Bedingungen  aufrecht  zu  erhalten.  Während  der  Dauer  einer 
Versuchsreihe  variirten  diese  Bedingungen  indessen  nur  wenig; 
und  verschiedene  Reihen  wurden  so  weit  als  möglich  auf  die 
gleiche  Scala  reducirt,  indem  man  annahm,  dass  bei  reinen 
Gasen  in  einer  gegebenen  Röhre  unter  bestimmtem  Druck,  die 
Lichtintensität  der  Stromstärke  proportional  sei.  ^) 

Die  photometrischen  Messungen  wurden  mittels  des  Glan'- 

1)  E.  S.  Ferry,  Phys.  Review  7.  p.  9.  1898. 


Gasspectra,  Einfluss  kleiner  Beimengungen,  401 

sclicii  Spectrophotometers  ausgeführt.  Zum  Vergleich  diente 
eine  hinter  einem  Schirm  von  geöltem  Papier  aufgestellte  ge- 
wöhnliche Glühlampe.  Es  wurden  nur  relative  Bestimmungen 
der  Intensität  gemacht;  die  Intensität  der  Lichtstrahlung 
wurde  gleichgesetzt  dem  Quadrat  der  Tangente  des  am  Photo- 
laeter  abgelesenen  Winkels,  noch  multiplicirt  mit  einem  ge- 
eigneten Constanten  Factor. 

Resultate. 
I.    Wasserstoff. 

Zunächst  wurden  mit  reinem  Wasserstoff  Versuche  au- 
Söstellt  zur  Feststellung  von  Beziehungen  zwischen  Licht- 
^i^tensität  und  Druck.  Die  Intensität  ist  ausserdem  Function 
der  bei  diesen  Versuchen  unbekannten  Stromstärke;  da  in- 
dessen die  Stromquelle  möglichst  constant  gehalten  wurde, 
^ind  die  Resultate  miteinander  vergleichbar. 

Die  Messungen  wurden  in  der  Regel  an  frischem  Wasser- 
stoff vorgenommen,  sodass  die  Resultate  nur  sehr  wenig  durch 
die  Kohlenstoffverbindungen  oder  durch  die  von  der  Glaswand 
losgelösten  Oase  beeinflusst  sind.  In  einigen  Fällen  wurden 
die  Messungen  mit  ein  und  demselben  Wasserstoffquantum 
wiederholt,  wobei  der  Druck  durch  Auspumpen  reducirt  wurde. 
Meistens  waren  die  hierbei  erhaltenen  Werthe  (in  der  Tabelle 
durch  ( — )  bezeichnet)  etwas  kleiner,  als  die  bei  frischem 
Wasserstoff  gefundenen. 

Für  genauere  photometrische  Messungen  besass  der  Spalt 
eine  Oeffnung  von  ca.  0,5  mm  oder  mehr.  Aus  diesem  Grunde 
erschien  das  stets  anwesende  zusammengesetzte  ^)  Spectrum  des 
Wasserstoffs  als  eine  Gruppe  breiter  Bänder  im  Roth  und 
Orange;  im  Grün  war  es  scheinbar  continuirlich.  Photo- 
metrisch gemessen  wurde  H^  (A  =  6563),  H^  (A  =  4861)  und 
das  zusammengesetzte  Spectrum  in  der  Umgebung  der  grünen 
Quecksilberlinie  [X  =  5460).  An  H^  wurden  nur  wenige  Be- 
obachtungen gemacht,  da  die  Intensität  dieser  Linie  demselben 
Gesetz  zu  folgen  schien  wie  H^,  und  da  ausserdem  in  diesem 
Theil  des  Spectrums  die  Messungen  schwierig  waren. 


1)  Die  beiden  Liuienspectrcn  des  Wasserstoffs  werde  ich  im  FolgeD- 
den  stets  als  elementares  und  zusammengesetztes  Spectrum  bezeichnen. 
P       Ann.  d.  Pbys.  o.  Chem.    N.  F.    G9.  26 


402 


P.  Lewis. 


Die  Resultate  sind  in  folgender  Tabelle  zusammengestelL^ 

Tabelle  I. 
Reiner  Wasserstoff. 


Druck 


Intensitftt 


Ha 


zusammenges 
Spectrum 


Druck 


Intensität 


H 


zusammengi 
Spectmm 


0,7 

38 

4,5 

0,7 

35 

1 

4,9 

(0,8) 

'    33 

4 

1 

44 

4,5 

1,3 

70 

7,3 

1,4 

65 

8,8 

(1,5) 

:    55 

8 

1,5 

65 

9,4 

1,7 

i    ®^ 

12,6 

(1,8) 

i!    65 

8,8 

(.2,3) 

78 

8,8 

2,6 

1    96 

12,8 

3 

107 

13 

3,2 

103 

12 

3,9 

93 

9,4 

(4,2) 

90 

1 

12 

(4,5) 

'    81 

8,8 

5,5 

i    73 

9 

5,8 

70 

1 

8,8 

8 

63 

8 

0,9 
1,5 
2,6 
3,5 
4,5 
11 


52 
100 
106 
86 
92 
42 


In  Fig.  2  sind  diese  Ergebnisse  graphisch  dargestellt^  in 
der  oberen  Curve  (I.  H«)  für  H^  und  in  der  oberen  geschlän- 
gelten  Curve  für  das  zusammengesetzte  Spectrum.  Diese 
Curven  zeigen,  dass  bei  constanter  Stromquelle  die  Intensität 
des  elementaren,  sowie  des  zusammengesetzten  Wasserstoff- 
spectrums bei  einem  Druck  von  ca.  3  mm  ein  Maximum  er- 
reicht, dann  aber  mit  dem  Druck  schnell  abnimmt.  Bei  zu- 
nehmendem Druck  vermindert  sich  die  Intensität  des  elementaren 
Wasserstoffspectrums  schneller,  als  die  des  zusammengesetzten, 
und  bei  Drucken  von  mehr  als  4  oder  5  cm  bleibt  letzteres 
allein  sichtbar,  allerdings  zu  lichtschwach,  um  noch  gemessen 
zu  werden.  Bei  Wiederholung  der  Versuche  an  einer  Röhre 
mit   inneren  Elektroden  zeigte  sich,   dass   die  Intensität  be- 


Gattpeetra,  Sinfltas  kleiner  Beimengungen.  403 

atiodig  zunahm  bis  zn  den  kleinsten  Drucken,  die  Bicb  zufolge 
des  Schwefels&ureverschlusses  erreichen  Hessen.     Es  betrogen 
i  lÜese  etwa  0,6  mm. 

Lagarde*)  fand  bei  Anwendung  innerer  Elektroden  und 
bei  einer  Stromstärke  Ton  115.10~'Amp.  keine  Aendemug 
•Jer  Intensität  der  Linien  H^,  H^  und  H^  bei  Drucken  zwischen 


"  -F              ^ 

-  T^            i 

t            1 

«   x               -^       H 

?                                     1 

t  X                                      t- 

nr  \t                          V 

fl   11                          \ 

11   ^  L 

/  \  ■  V                          \ 

f]    |\-\\                           \ 

\\                              ^* 

ß    1  ^  f\l\                   •»■,  «»*-■-' 

"If^SÄ           ri 

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-1      -S^v 

-jv,    *e^^; 

4=4:         ^^^ 

i4?sSS^-^!ää£*-  =  ^- 

jij^r"*'""'j   '   1   1  i  r  '  1^  1  i  1 

Fig.  2. 
T,8  und  0,27  mm.  Bei  schwächeren  Strömen  nahm  die  Inten- 
sität ab,  bei  stärkeren  stieg  sie,  wenn  der  Druck  von  1,8  auf 
0,27  mm  erniedrigt  wurde.  Ferry*}  fand  ein  beständiges 
Wachsen  der  Intensität  von  H„  und  dam  zusammengesetzten 
Spectrum  bei  Verminderung  des  Druckes  bis  zu  0,7  mm  und 
bei  Benutzung  innerer  Elektroden  und  Stromstärken  von  1  bis 

1)  H.  Lagarde,  Aiid.  de  Chim.  et  Phys.  (6)  4.  p.  3S2.   1S8S. 

2)  E.  S.  Ferry,  Phya.  Rev.  7.   p.  6.    1898. 


404  P.  Lewis. 

6  Milliamp.  Der  Gasdruck,  welcher  der  Maximalintensitat 
entspricht,  ist  demnach  von  der  Stromstärke  abhängig,  und 
man  kann  keine  Schlüsse  ziehen  hinsichtlich  des  Unterschiedes  % 
zwischen  Röhren  mit  inneren  Elektroden  und  solchen  mit 
äusseren,  ohne  Kenntniss  der  Stromstärke  in  letzteren.  Der 
allgemeine  Charakter  der  Entladungserscheinungen  lässt  es 
kaum  als  möglich  erscheinen,  dass  die  Stromstärke  so  rasch 
abnimmt,  wie  die  Lichtintensität  unterhalb  3  mm. 

Diese  Resultate  sind  natürlich  von  der  Stromdichte  ab- 
hängig und  können  deshalb  je  nach  der  Gestalt  der  Röhren 
bedeutende  Unterschiede  aufweisen.  Bei  sehr  weiten  Röhren 
(1  cm  im  Durchmesser)  erschien  nur  das  zusammengesetzte 
Spectrum.  Ferner  wuchs  bei  engeren  Capillaren  oder  bei 
zunehmender  Stromstärke  die  Intensität  des  elementaren 
Spectrums  rascher  als  die  des  zusammengesetzten.  Obschon 
niemals  ganz  abwesend,  war  letzteres  stets  schwächer  beim 
Vorhandensein  von  Spuren  von  Quecksilberdampf,  Sauerstoff 
oder  Wasserdampf.  Von  diesen  Umständen  wird  später  die 
Rede  sein. 

Einfluss  des  Quecksilberdampfes  auf  das  Wasserst offspectrum. 

Quecksilberdampf  aus  der  Pumpe  wurde  durch  den  Schwefel- 
säureverschluss   femgehalten.     Aber   es   war   ausserordentlich 
schwierig,  vor  Beginn  einer  Versuchsreihe  die  letzten  Spuren 
von  Quecksilberdampf  zu  beseitigen,  die  mit  der  atmosphärischen 
Luft  des  Zimmers  in  den  Apparat  gelangt  waren.    Die  grüne 
Linie   [X  =^  5460)   blieb   sichtbar,    auch   nachdem   die   Röhre 
wiederholt  erhitzt,  ausgepumpt  und  mit  frischem  Wasserstoff 
gefiillt  wai*.     Selbst,    wenn  dem  Anschein  nach  alles  Queck- 
silber entfernt  war,  kam  doch  die  grüne  Linie  im  Spectrum 
immer  wieder  zum  Vorschein,  wenn  die  Röhre  einige  Minuten 
lang  von  den  Entladungen  durchsetzt  oder  wenn  dieselbe  er- 
hitzt worden  war.    Es  kostete  in  der  Regel  einen  oder  mehrere 
Tage  unausgesetzten  Arbeitens,  bis  jede  Spur  des  Quecksilber- 
spectrums  verschwunden  war.     Ferner  musste  dieser  Procesa 
jedesmal  wiederholt  werden,   wenn  Luft  in  die  Röhre  hinein- 
gelassen war.   Unter  diesen  Umständen  erscheint  die  Annahme, 
dass  fortgesetzt  Quecksilberdampf  in  der  Röhre  geblieben  wäre, 
unwahrscheinlich.    Vielmehr  liegt  der  Gedanke  an  ein  dünnes 


Gasspectra,  Einfluss  kleiner  Beimengungen,  405 

Häutchen  von  Quecksilberoxyd  nahe^  welches  an  den  Wan- 
dungen der  Röhre  haftend,  durch  Entladungen  oder  Erhitzen 
nach  und  nach  zersetzt  wurde.  Aehnliche  Resultate  wurden 
bei  späteren  Versuchen  mit  Sauerstoff  erzielt,  bei  welchen 
Quecksilberoxyd  jedenfalls  vorhanden  war.  Zuweilen  leuchtete 
auch  die  grüne  Linie  hell  auf,  wenn  die  ersten  Entladungen 
die  Röhren  passirten,  um  dann  allmählich  zu  verblassen,  als 
wenn  der  Quecksilberdampf  einer  Verbindung  entzogen  worden 
und  nach  und  nach  durch  Diffusion  verschwunden  wäre. 

Diese  Thatsachen  beweisen  die  spectroskopische  Empfind- 
lichkeit des  Quecksilberdampfes,  ein  umstand,  der  in  der  dies- 
bezüglichen Literatur  wenig  hervorgehoben  ist  und  der  eines 
eingehenderen  Studiums  werth  erscheint.  Plücker  und  Hit- 
torf ^)  bemerken  zwar  die  ausserordentliche  spectroskopische 
Empfindlichkeit  des  Quecksilberdampfes,  aber  viele  andere 
Beobachter  scheinen  diese  Thatsache  als  nebensächlich  an- 
gesehen zu  haben.  Hertz ^  sagt,  nachdem  er  gezeigt  hat, 
wie  klein  bei  gewöhnlicher  Temperatur  der  Sättigungsdruck  des 
Quecksilberdampfes  ist:  „Die  Kleinheit  des  in  Rede  stehenden 
Druckes  und  nicht  eine  hervorragende  Eigenschaft  des  Queck- 
silbers dürfte  auch  der  Grund  für  den  verschwindenden  Einfluss 
sein,  welchen  der  stets  vorhandene  Quecksilberdampf  auf  die 
Entladungserscheinungen  in  Geissler 'sehen  Röhren  ausübf 

In  vielen  Fällen  waren  zwischen  Entladungsrohr  und 
Pampe  Röhren  eingeschaltet^  die  zur  Absorption  des  Queck- 
silberdampfes mit  Schwefel  und  zur  Absorption  des  Schwefel- 
dampfes mit  Eupferspähnen  angefüllt  waren ;  aber  es  ist  wenig 
über  die  Wirkungsweise  dieser  Anordnung  mitgetheilt  worden. 
Arnes*),  der  sich  derartiger  Absorptionsröhren  bediente,  fand 
einige  Quecksilberlinien  auf  seinen  Photogrammen.  War- 
burg^)  fand,  dass  diese  Methode  nicht  zum  vollständigen  Aus- 
schliessen  des  Quecksilberdampfes  ausreicht.  In  der  voran- 
gegangenen Versuchsreihe  wurde  gefunden,  dass  dies  Verfahren 
einige   Hg- Linien   beseitigte    und   die    grüne   Linie    merklich 

1)  J.  Plücker  u.  W.  Hittorf,  Phil.  Trans.  155.  p.  25.  1865. 

2)  H.  Hertz,  Wied.  Ann.  17.  p.  200.  1882. 

3)  J.  S.  Arnes,  Phil.  Mag.  30.  p.  49.  1890. 

4)  E.  Warburg,  Wied.  Ann.  81.  p.  576.  1887. 


406  P.  Lewis. 

schwächte;  aber  nie  war  sie  aus  dem  Wasserstoffspectrum 
ganz  verschwunden,  ausser  bei  Anwendung  des  Schwefelsaure- 
verschlusses.  \ 

E.  Wiedemann^)  untersuchte  die  Spectra  von  Gemischen 
aus  Luft  und  Wasserstoff  mit  gesättigtem  Quecksilberdampfe 
bei  Temperaturen  bis  zu  ca.  240"^.  Photometrische  Messungen 
wurden  von  ihm  nicht  angestellt ,  aber  er  fand,  dass  in 
allen  Fällen  das  Hg-Spectrum  mit  steigender  Temperatur  an 
Helligkeit  rasch  zunahm,  während  das  Wasserstoff-  oder  Stick- 
stoffspectrum blasser  wurde  und  schliesslich  bei  sehr  hoher 
Temperatur  gänzlich  verschwand.  Abkühlung  der  Röhre  ver 
ursachte  die  entgegengesetzte  Erscheinung. 

Eoch^)  fand,  dass  bei  Abkühlung  der  Vacuumröbre  bis 
auf  —80**  die  Hg-Linien  aus  den  Spectren  des  Wasserstoffs, 
Sauerstoffs  und  Stickstoffs  vollständig  verschwanden. 

Es  wurde  beschlossen,  den  Einfluss  des  Quecksilber- 
dampfes auf  das  Wasserstoffspectrum  bei  gewöhnlichen  Tempe- 
raturen zu  untersuchen,  sowie  Beziehungen  zwischen  Licht- 
emission  und  Dichte  des  Hg-Dampfes  aufzustellen.  Ferner 
sollte  die  kleinste  Menge  des  letzteren  bestimmt  werden,  die 
sich  unter  den  gegebenen  Bedingungen  zur  Hervorrufung  des 
Quecksilberspectrums  als  nöthig  erwies.  Da  die  gelben  und 
blauen  Hg-Linien  nur  dann  sichtbar  wurden,  wenn  das  Re- 
servoir E  (Fig.  1)  nahezu  Zimmertemperatur  hatte,  die  höchste, 
die  bei  diesen  Versuchen  erreicht  wurde,  so  wurde  zu  Mes- 
sungen nur  die  grüne  Linie  herangezogen. 

Nach  Ausführung  von  Beobachtungen  an  reinem  Wasser- 
stoff wurde  das  Quecksilberreservoir  E  (Fig.  1),  welches  durch 
eine  Eältemischung  constante  Temperatur  erhielt,  mit  der 
Entladungsröhre  in  Verbindung  gebracht  und  die  relativen 
Helligkeiten  von  H«  und  der  grünen  Hg- Linie  gemessen,  nach 
Ablauf  einer  für  die  Diffusion  des  Quecksilberdampfes  hin- 
reichenden Zeit.  Die  Helligkeit  der  Hg-Linie  erreichte  schon 
innerhalb  weniger  Minuten  ihr  Maximum,  was  immerhin  über- 
raschend ist,  wenn  man  den  Umstand  in  Betracht  zieht, 
dass  der  Hg-Dampf  eine  ca.  ^2  ^  lange   und  durchschnittlich 


1)  E.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  5.  p.  517.  1878. 

2)  K.  R.  Koch,  Wied.  Ann.  38.  p.  216.  1889. 

I 


Gasspectra,  Mnfiuss  kleiner  Beimengungen.  407 

ca.  6  mm  weite  Röhre  zu  passiren  hatte.  Die  Messungen  wurden 
wiederholt,  während  der  Wasserstoff  verschiedenen  Drucken 
und  das  Reservoir  E  verschiedenen  Temperaturen  ausgesetzt 
war.  Die  ersten,  bei  Temperaturen  des  Reservoirs  unter  0® 
ausgeführten  Messungen  stimmten  nicht  gut  überein  und  waren 
nicht  befiriedigend.  Der  Grund  hiervon  liegt  in  der  bedeuten- 
den Schwierigkeit,  die  unter  diesen  Umständen  geringe  In- 
tensität der  grünen  Linie  zu  messen;  vielleicht  ist  dies  auch 
Sparen  von  HgO,  die  noch  in  der. Röhre  enthalten  waren, 
zuzuschreiben.  Die  bedeutendste  Schwierigkeit  verursachte 
indessen  die  Schätzung  der  Intensität  des  vom  Wasserstoff- 
spectrum gebildeten  Hintergrundes,  die  von  der  scheinbaren 
Intensität  der  Hg- Linie  abzuziehen  war.  Bei  weitem  Spalt 
und  frischem  Wasserstoff  war  derselbe  in  diesem  Bereiche 
gleichförmig  und  continuirlich,  und  die  wahre  Intensität  der 
Hg-Linie  wurde  angenommen  als  die  Differenz  zwischen  ihrer 
scheinbaren  Intensität  und  der  der  benachbarten  Theile  des 
zusammengesetzten  Wasserstoffspectrums. 

Es  wurde  die  Beobachtung  gemacht,  dass  bei  kleinen 
Drucken,  wenn  die  Entladungen  einige  Minuten  angedauert 
hatten,  in  der  Umgebung  der  grünen  Linie  mehrere  licht- 
schwache und  unscharfe  grüne  Linien  auftraten.  Sorgrältige 
Untersuchungen  unter  Ausschluss  von  Hg- Dampf  fühi*ten  zu 
der  Entdeckung  einer  anderen  Linie,  die  mit  der  Hg-Linie 
fast  coincidirt.  Wie  sich  herausstellte,  waren  die  Intensitäten 
dieser  vier  Linien  gleich  bei  verschiedenen  Wasserstoffdrucken. 
In  Zukunft  wurde  daher  die  Intensität  der  am  nächsten  ge- 
legenen jener  unbekannten  Linien  sowohl  wie  die  des  unter- 
liegenden zusammengesetzten  Wasserstoffspectrums  von  der 
scheinbaren  Intensität  der  Hg-Linie  abgezogen,  um  die  wirk- 
liche Intensität  der  letzteren  zu  bekommen.  Augenscheinlich 
gehörten  diese  Linien  nicht  dem  H-Spectrum  an,  da  sie  zu- 
gleich mit  der  Hg-Linie  verschwanden,  sobald  ein  langsamer 
Strom  reinen  Wasserstoffs  durch  die  Röhre  geleitet  wurde. 
Sie  zeigten  sich  auch  in  einer  Röhre  mit  inneren  Elektroden, 
sowie  in  einer  solchen,  welche  Stickstoff  enthielt.  Sie  wurden 
unsichtbar,  wenn  der  Druck  4  bis  5  mm  überstieg,  desgleichen 
bei  Gegenwart  von  viel  Quecksilberdampf. 

Die  auf  diese  Weise  ausgeführten  Schätzungen  der  Hellig- 


408  P.  Lewis. 

keit  der  Hg-Linie  stimmen  gut  überein.  War  die  Temperatur 
des  Quecksilberreservoirs  £  niedriger  als  —5^,  so  war  die 
Linie  für  Messungen  zu  lichtschwach.  Bei  —20®  war  8ic% 
kaum  noch  mit  dem  Auge  wahrnehmbar  und  bei  —40®  toU- 
ständig  verschwunden.  Diese  Begrenzung  änderte  sich  natur- 
gemäss  mit  der  Weite  der  Capillare  der  Entladungsröhre, 
sowie  auch  mit  der  Stromstärke.  Befand  sich  der  Wasserstoff 
unter  hohem  Druck,  so  änderte  die  Hg-Linie  ihre  Helligkeit 
sehr  langsam,  und  wepn  die  Temperatur  des  Quecksilber- 
reservoirs E  10®  oder  mehr  beträgt,  bleibt  sie  sichtbar  noch 
bis  zu  Drucken  von  10  cm  und  darüber,  wofern  nur  das 
äusserst  schwache,  zusammengesetzte  Spectrum  des  Wasser- 
stoffs wahrnehmbar  ist. 

Gemessen  wurde  die  Intensität  von  H«,  der  grünen 
Hg-Linie  und  der  benachbarten  unbekannten  grünen  Linie 
(oder,  wenn  diese  nicht  erschien,  das  angrenzende  zusammen- 
gesetzte Wasserstoffspectrum).  Das  Quecksilberreservoir  hatte 
dabei  eine  Temperatur  von  -5®,  H-3®,  +7®,  +11®,  +21® 
und  stand  mit  der  Vacuumröhre  in  Verbindung.  Der  Dampf- 
druck des  Quecksilbers  in  der  Röhre  war  gleich  dem  Sättigungs- 
druck desselben  im  Reservoir.  Diese  Drucke  wurden  nach  der 
Hertz* sehen  *)  Formel  berechnet: 

logp  =  10,59271  -  0,847  log  T  -  ?^ . 

Gewöhnlich  wurden  die  Ablesungen  nach  dem  Einbringen 
von  frischem  Wasserstoff  gemacht  (nachdem  für  die  Diffusion 
des  Hg-Dampfes  genügende  Zeit  belassen  war);  zuweilen 
wurden  indessen  die  Beobachtungen  an  einem  und  demselben 
Gasquantum  wiederholt,  wobei  dann  der  Druck  durch  Aus- 
pumpen vermindert  wurde.  Die  so  erhaltenen  Resultate  sind 
in  den  nachstehenden  Tabellen  mit  ( — )  bezeichnet.  Eine  An- 
zahl ähnlicher  Beobachtungen  wurde  zu  verschiedenen  Zeiten 
angestellt;  sie  ergaben  dieselben  qualitativen  Ergebnisse.  Die 
unten  angegebenen  schliessen  sich  indessen  unmittelbar  an  die 
vorher  beschriebenen  Versuche  mit  reinem  Wasserstoff  an. 
Zum  Schlüsse  wurden  die  Beobachtungen  mit  reinem  Wasser- 
stoff wiederholt,  mit  dem  Ergebniss,  dass  die  Verhältnisse  sich 


1)  H.  Hertz,  Wied.  Ann.  17.  p.  199.  1882. 


Gtutpectra,  Einfiuss  kleiner  Beimengungen. 


409 


cLt  geändert  hatten,   sodass   also  die  Resultate  unter  sich 

rgleichbar  sind. 

Tabelle  II. 

tmpentor  des  Quecksilberreservoirs:  —  5^;  Dampfdruck:  0,000 116  mm. 


Intensität 


Druck 


H« 


unbekannte  Linie,! 

+  zusammenges. 
Spectrum 


Hg  beob. 


Hg  corrigirt 


0,7 
1,8 
2,7 


39 
65 

78 


8,8 
8,8 
7,8 


11,8 
10 

8,8 


3,5 

1,2 
0,5 


Tabelle  HL 

imperatnr  des  Quecksilberreservoirs :  +3^;  Dampfdruck:  0,00022  mm. 


Intensität 


I>rnck 


H« 


(0,7) 

(1) 
(1,8) 

(4) 
9 


86 
41 
69 
61 
86 


unbekannte  Linie, 

+  zusammenges. 
Spectrum 

Hg  beob. 

Hg 

corrigirt 

5,3 

12,6 

7,8 

7,3 

18,3 

6 

9,4 

11,2 

1,8 

7,3 

10 

2,7 

8,6 

4,9 

1,8 

Tabelle  IV. 


'XHperatnr  des  Quecksilberreservoirs:  +  7^;  Dampfdruck:  0,00084  mm. 


Intensität 


I3ruck 


0,9 

1,2 
3,6 

(4,4) 
5 

10 

13 

22 

31 

44 


H, 


33 
84 
90 
68 
70 
33 
16 

4 

1,5 

0 


unbekannte  Linie, 

+  zusammenges. 
Spectrum 

2,5 

2,8 

5 

5,8 

5 

5,3 

3,6 

2,5 

1,5 

1,5 


Hg  beob.     :  Hg  corrigirt 


10,6 
8,2 
8,8 
8,8 

10 
7,8 
6,7 
4,5 
3,0 
2,5 


8,3 

5,4 

3,8 

3,5 

5 

2,5 

3,1 

2 

1,5 

1 


410 


P.  Lewis. 


Tabelle  V. 

Temperatur  des  Quecksilberreservoirs :  n®;    Dampfdruck  0,00058  n» 


Intensität 

Druck 

I 

1 

H« 

z^ammengea.        Hg  beob.    , 
H- Spectrum            ^ 

Hg  corri^^ 

(0,8)        1 

19 

8,3  X 

14,8 

11,5 

1,9         ! 

53 

10,6 

^             ;         15,5 

4,9 

2,5          i 

57 

10 

1                     18.8 

3,3 

(2,7) 

49 

6,2 

„  s      :       !•>■« 

4,4 

8.2 

61 

8,3 

1  1                 "'» 

3,6 

(4) 

51 

8,2 

"i-S        1         ^^'2 

3 

(4,5) 

57 

10 

1                     ^^'^ 

1                       7,8 

3,3 

9 

26 

5,3 

2,5 

26 

3,3 

1,5 

^                       3,6 

2,1 

34 

1 

0,8 

2,8 

2 

Tabelle  VI. 

Temperatur  des  Quecksilberreservoirs:    21®;    Dampfdruck:   0,00185  m«'^ 


Druck 


(0,6) 

1,1 

(1,5) 

(2.6) 
(2,7) 
4 

(5,8) 
6,5 
(14) 
19 
21 
36 


H. 


16 
38 
34 
39 
36 
33 

87 
83 
13 

7 
6 
1 


Intensität 


zusammenges. 
H-Spectrum 


Hg  beob.       Hg  corrigirt 


2,5 

30,7 

4,2 

82 

6,2 

31 

7 

28,8 

5,7 

19 

7 

23,8 

7,3 

17 

7,3 

14,8 

4,9 

10,6 

3,9 

9,3 

3,6 

8,2 

1,1 

3,8 

28,2 

27,8 

25 

16,8 

18,3 

16,8 

9.7 
7,5 
5,7 
5,4 
4,6 
2,2 


Bei  einem  anderen  Versuch  wurde  eine  Beobachtungsreibe 
auch  an  H^  ausgeführt.  Die  Besultate  finden  sich  in  nach- 
stehender Tabelle. 

c 


Gcuspecira,  Mnfluss  kleiner  Beimengungen, 


411 


Tabelle  VII. 

remperatur  des  Qaecksilberreservoirs:  21^;  Dampfdruck:  0,00185  mm. 


Druck 


Intensität 


H 


ß 


zusammenges. 
H-Spectrum 


Hg  beob.      Hg  corrigirt 


1 

2,5 
3,5 
4,5 


24 

8 

81 

5 

42 

10 

89 

11 

20 
17 
20 
16 


11,8 

8,7 

10,1 

4,6 


Die  graphische  Darstellung  findet  sich  in  Fig.  2.  Die 
■^rven  sind  den  Tabellen  nach  numerirt. 

Betrug  die  Temperatui'  des  Quecksilbers  —5®  und  +3®, 
^  War  die  Intensität  von  H«  fast  genau  dieselbe  wie  bei  Ab- 
wesenheit von  Hg -Dampf.  Hatte  das  Quecksilber  die  Tem- 
peratur 7^,  so  trat  eine  geringe  Abnahme  der  Intensität  von 
I«  ein.  Dieselbe  wurde  ausgeprägter  bei  11  und  21  ^  Auch 
^©  Intensität  von  H^?  wurde  bei  Anwesenheit  von  Hg-Dampf 
jWk  herabgesetzt  (vgl.  Tab.  I).  Ferner  wurde  die  maximale 
'-^^tensität  von  H« ,  welche  bei  reinem  Wasserstoff  3  mm  Druck 
'titsprach,  durch  die  Gegenwart  des  Quecksilbers  etwas  gegen 
höhere  Drucke  verschoben.  Ungefähr  an  dem  Punkt,  wo  die 
Intensität  von  H«  bei  abnehmendem  Druck  anf&pgt  zu  sinken, 
beginnt  die  Lichtemission  des  Quecksilbers  sehr  rasch  anzu- 
steigen. Das  zusammengesetzte  Spectrum  unterliegt  etwas 
inregelmässigen  Veränderungen  (wie  aus  Vergleichung  von 
Tab.  IV  mit  den  anderen  ersichtbar  ist).  Im  grossen  und 
;anzen  gehorcht  es  aber  denselben  Gesetzen  wie  H«. 

Der  Einfiuss  des  Hg-Dampfes  auf  die  Emission  des  Wasser- 
tofifs  geht  aus  folgender  Tabelle  deutlich  hervor.  Nach  dem 
Einbringen  von  frischem  Wasserstoff  nahm  die  Intensität  von 
\a  und  dem  zusammengesetzten  Spectrum  in  dem  Maasse 
tb,  wie  aus  dem  auf  20^  erwärmten  Reservoir  Hg-Dampf 
linüberdiffundirte  und  stieg,  sobald  das  Reservoir  abgekühlt 
vurde. 


412 


P.  Lewit. 


Ta 

ibelle  VIII. 

1 

Intensität 

1 

1 

Druck 

"<■ 

zusammeDges. 
H-Spectrum 

Hg  beob. 

Hg  corr. 

i 

{ 

86 

4,5 

1 

0 

0 

Frischer  Wasserstoff 

0,9  { 

1        15 

2,5 

18 

15,5 

Hg  bei  Temp.  20  ** 

1 

28 

6                    11 

5 

Hg  bei  Temp.  5** 

f 

59 

13              10, 

0 

Frischer  Wasserstoff 

M 

38 

4,5                 32         i 

27,8 

Hg  bei  Temp.  21'' 

l 

63 

1 

12,5 

19,8 

7,3 

Hg  bei  Temp.  5*> 

*  i 

100 

12 

0 

0 

Frischer  Wasserstoff 

33 

7 

23 

16,8 

Hg  bei  Temp.  21* 

6,6  { 

59 

11 

0 

0 

Frischer  WasseretoÖ 

33 

7,3 

14,8      , 

7,5 

Hg  bei  Temp.  21* 

I 


Diese  Beobachtungsreihen  sind  an  verschiedenen  Tagen 
und  unter  verschiedenen  Umständen  erhalten  worden;  es  sind 
daher  ihre  absoluten  Werthe  nicht  miteinander  vergleichbar« 

Zuweilen  wurde  die  Hg -Dampf  enthaltende  Röhre  mit^ 
einem  Bunsen'schen  Brenner  stark  erhitzt,  was  indessen  keine 
Intensitätsänderungen  des  Wasserstoff-  oder  Quecksilberspec'* 
trums  zur  Folge  hatte.  Durch  die  Temperaturerhöhung  konnten 
nur  kleine  Aenderungen  der  Dichten  beider  Gase  bewirkt 
werden,  da  das  Rohr  an  beiden  Enden  durch  Hähne  geschlossen 
war.  Es  ist  daher  wahrscheinlich,  dass  in  diesem  TemperatuT" 
intervall  die  Beziehung  zwischen  den  beiden  Spectren  nicht 
als  Function  der  Temperatur  aufzufassen  ist,  sondern  als 
Function  der  relativen  Dichten  beider  6ase. 

Obschon  die  Emission  des  Quecksilbers  kein  Maximum 
erreicht,  sind  dennoch  die  relativen  Dichten  und  relativen  In« 
tensitäten  von  Hg  und  H»  annähernd  proportional  für  aUe 
Drucke  des  Wasserstoffs  unterhalb  6  mm,  wie  folgende  Tabelle 
zeigt.  K  ist  ein  Proportionalitätsfactor,  ^h  und  ^Hg  die  Dichtig- 
keit von  Wasserstoff  und  Quecksilber,  und  /h  und  /ng  die  In- 
tensitäten von  Ha  und  der  grünen  Hg-Linie. 


f 


Gattpectra,  Mnfitiss  kleiner  Beitaengungen. 


413 


Tab( 

Blle 

IX. 

Druck 

A- 

^K 

B 

A 

1 

1 

0,75 

0,75 

2 

2 

1,7 

0,85 

3 

3 

2,3 

0,76 

4 

4 

3,2 

0,80 

6 

6 

4,2 

0,70 

8 

8 

3,5 

0,40 

Die  Abhängigkeit  der  Intensität  der  Hg-Linie  vom  Dampf- 
druck D  des  Quecksilbers,  wie  sie  aus  den  Curven  in  Fig.  2 
hervorgeht,  ist  in  folgender  Tabelle  zusammengefasst. 

Tabelle  X. 


Druck  des  Wasserstoffs 


Diese  Resultate  zeigen  unregelmässige  Abweichungen,  die 
indessen  innerhalb  der  Grenzen  der  Beobachtungsfehler  liegen. 
Es  geht  aus  ihnen  die  Proportionalität  der  Strahlungsintensität 
^t  der  Dichte  deutlich  hervor,  allerdings  unter  der  Annahme, 
^^88  in  allen  Fällen  der  Strom  bei  einem  bestimmten  Wasser- 
stoffdruck derselbe  ist.  Es  scheint  in  der  That  sehr  unwahr- 
scheinlich, dass  so  minimale  Quantitäten  Quecksilberdampf  die 
Stromstärke  erheblich  alteriren.  Warburg ^)  hat  nachgewiesen, 
dass  in  einer  Wasserstoflfröhre  der  Quecksilberdampf  das  Ka- 
thodengefälle nicht  wesentlich  beeinflusst,  auch  wenn  er  in 
Solchen  Mengen  vorhanden  ist,  dass  er  ein  glänzendes  Spec- 
trum  liefert. 


1)  E.  Warburg,  Wied.  Ann.  31.  p.  574.  1887. 


414  P.  Lewis, 

Die  Curven  in  Fig.  2  thun  dar,  dass  bei  einem  Wasser- 
ßtoffdruck  von  3  mm  und  einer  Temperatur  des  Quecksilbei^ 
reservoirs    unterhalb    7®    die   Helligkeit    von   H«    durch   dfP 
Hg- Dampf  fast  nicht  geändert  wird;  dass  sie  durch  denselben 
dagegen  um  mehr  als  die  Hälfte  verringert  wird,    wenn  die 
Temperatur  des  Reservoirs  21^  beträgt.    Dasselbe  gilt  für  H^ 
und   in  etwas  geringerem  Grade  auch  für  den  grünen  Theil 
des   zusammengesetzten   Spectrums.     Andere   Theile    des  zn- 
sam mengesetzten  Spectrums   wurden  zu  Messungen  nicht  her- 
angezogen, aber  es  wurde  beobachtet,  dass  die  Helligkeit  dieser 
Bereiche  annähernd   in  gleichem  Verhältnisse  abnahm,  sodass 
also  die  Intensität  des  sichtbaren  Spectrums  in  seiner  ganze; 
Ausdehnung   um   mehr   als   die   Hälfte   reducirt   wurde.    Di 
relativen  Dichten  der  Hg-Dämpfe  bei  3  und  bei  21  ®  und  di 
des  Wasserstoffs  bei  3  mm  Druck  betragen: 

0,00022       200         AnA7Q  A      0,00185       200  aa^ka 

— ^ -^-  =  0,0073    und   -^ -—  =  0,0450. 

Also  die  Hinzufügung  von  4  6ewichtsproc.  Hg-Dampf  zu  Wassei 
Stoff  von  3  mm  Druck,  oder  mit  anderen  Worten:  die  HinzoK- 
fügung  eines  Molecüles  Hg  zu  2500  Molecülen  H  bewirkt  ein^ 
Herabminderung  der  sichtbaren  Strahlungsenergie  des  Wasser« 
Stoffs  um  mehr  als  die  Hälfte.  , 

Eine  Erklämng  für  diese  Erscheinung  ist  nicht  leicht  zu  i 
finden.  E.  Wiedemann*)  legt  die  auf  Grund  seiner  vorhin 
erwähnten  Versuche  die  Vermuthung  nahe,  dass  im  allge- 
meinen Metalldämpfe  bessere  Leiter  der  Elektricität  seien,  als 
nicht-metallische  Dämpfe.  Aehnliche  Erscheinungen  sind  aller- 
dings auch  von  Anderen  beobachtet  worden.  Bekanntlich  ver- 
schwindet bei  Gegenwart  geringer  Mengen  Na  oder  K  im 
elektrischen  Lichtbogen  das  Kohlenspectrum  fast  gänzlicL 
Trowbridge*)  weist  nach,  dass  durch  30  proc.  Fe  im  Licht- 
bogen das  Auftreten  des  Eohlenspectrums  vollständig  aus- 
bleibt Indessen  haben  J.  J.  Thomson')  u.  A.  gefunden, 
dass,  während  einige  Metall  dämpfe  fast  so  gut  leiten,  wie  dis- 
sociirbare    nicht-metallische    Gase,    erhitzter    Hg-Dampf  ein 


1)  E.  Wiedemann,  Wied.  Ano.  5.  p.  517.  1878. 

2;  J.  Trowbridgc,  Phil.  Mag.  41.  p.  450.  1896. 

3)  J.  J.  Thomson,  Phil.  Mag.  29.  p.  364  u.  441.  1890.  | 


Gasspectra,  Einfluss  kleiner  Beimengungen.  415 

nahezu   vollständiger   Nichtleiter    ist.     Die   aus   meinen   Ver- 
suchen folgenden  Thatsachen,  dass  die  sehr  kleinen  Mengen 
'Hg-Dampf,  die  einem  Drucke  von  0,0002  oder  weniger  ent- 
sprechen,   das  Wasserstoffspectrum   nicht   alteriren,    dass  die 
Emission  des  Hg-Dampfes  proportional  ist  seiner  Dichte,  end- 
lich dass  die  relativen  Helligkeiten  des  Wasserstoffs  und  Queck- 
silbers  proportional    sind    ihren    relativen   Dichten,    scheinen 
nicht  dafür  zu  sprechen,  dass  dem  Hg-Dampfe  ein  unverhält- 
lussmässiger  Theil  der  Gesammtenergie  durch  den  Strom  mit- 
getheilt  wird.     Dagegen  spricht  auch  die  bekannte  Thatsache, 
dass   ein   Rohr,    welches    ohne   Abhaltung    des    Quecksilber- 
dampfes   durch   die    Quecksilberluftpumpe    evacuirt    ist,    dem 
Strome  einen  ausserordentlich    grossen  Widerstand   entgegen- 
setzt   Es  muss  also  nach  einer  anderen  Erklärung  für  diese 
Verminderung  der  Intensität  des  Wasserstoffspectrums  gesucht 
^^rden. 

Aehnliche  Wirkungen  sind  bei  Flamm enspectren  beob- 
<^\\jd\,  worden,  wo  eine  Thätigkeit  des  elektrischen  Stromes 
^\)erhaupt  nicht  in  Frage  kommt.  Bringt  man  Salze  in  eine 
*  lamme,  so  nimmt  man  bloss  die  Spectra  der  Metallcompo- 
^enten  wahr  (Verbindungsspectren,  wenn  keine  Dissociation 
tattfindet).  Im  Sonnenspectrum  sind  die  einzigen  identificir- 
>aren  Linien  von  Nichtmetallen  die  des  Wasserstoffs,  Heliums, 
Kohlenstoffs  und  Siliciums. 

Hr.  Prof.  Warburg  brachte  mich  auf  den  Gedanken, 
lass  die  Emission  möglicherweise  eine  secundäre  Folge  des 
Itromes  sei,  indem  der  Strom  in  erster  Linie  eine  Art  un- 
ichtbarer  Strahlen  hervorbringe  (nach  Art  der  Kathoden- 
tralilen).  In  der  Absorption  dieser  Strahlen  liegt  die  Be- 
ingang  des  Leuchten  s.  Falls  nun  die  Strahlen  durch  den 
^uecksilberdampf  besonders  stark  absorbirt  werden,  lässt  sich 
ladurch  seine  spectroskopische  Empfindlichkeit,  sowie  auch 
eine  Eigenschaft,  das  Wasserstoffspectrum  abzuschwächen, 
ehr  wohl   erklären. 

Einfluss  des  Sauerstoffs  auf  da£  WasserstofiGspectnim. 

Sehr  kleine  Sauerstoffmengen  dem  Wasserstoff  beigemengt, 
zeigten  einen  sehr  bemerklichen  Einfluss  auf  die  Lichtemission 
ies  Wasserstoffs.     Die  grösste  Helligkeit  von  H«  wurde  erst 


416 


P.  Lewis. 


bei  viel  niedrigeren  Drucken  erreicht,  als  im  Falle  des  reinen 
Gases;  oder  aber  es  war  das  Maximum  weniger  scharf  definiri 
Ein  Gleiches  wurde  beobachtet,  wenn  in  der  Röhre  Sparer 
von  Luft  zurückblieben.  Unter  diesen  Umständen  schien  dem 
Quecksilberdampf  ein  weniger  ausgeprägter  Einfluss  hinsichtlich 
der  Abschwächung  des  Wasserstofibpectrums  zuzukommen. 


Tabe] 

ile  XI. 

Nr.  der 

1 

1 

1 

Zusammenges. 

Nr.  der 

1 
1 

1 
1 

1 
Zasammeng 

0 -Ver- 

Druck 

Ha 

Spectrum 

0 -Ver- 

Druck 

Ha 

Spectrun 

dünnung 

(grün) 

dünnung 

0,6 

47 

(grün) 

1 
1      0,8 

10,6 

2,5 

1 

1,8 

8,2 

2 

0,8 

45 

1 

1            -^— 

III 

2,6     :    3,6 

0,8 

1,1 

i  49 

1 

3,2         2 

0,8 

1,2 

47 

5            1,5 

0,3 

l,'<f 

49 

' 

VII 

1                7 

0,6     i  18 

3,1 

V     A  & 

1     1.8 

1 

1  53 

w 

1,2 

16,3 

3,1 

1,9 

49 

— 

IV 

2,2 

8,2 

3,1 

2,4 

1 

45 

— 

3,1 

5,3 

* 

2,5 

'     4 

28 

.      5 

3,6 

0,8 

6 

!    ^^ 

^^■" 

0,7 

18 

3,6 

'     0,6 

1 
42 

— 

'     0,9 

18    1 

3,6 

0,9 

70 

— 

1 

18      : 

3,1 

i     1.1 

78 

— 

1,3 

20 
20    , 

4,5 
3,9 

VIII 

1,9 
2 

81 
81 

— 

2,3 

20 

4,5 

2,2 

76 

— 

V 

7 

2,9 

20 

4,5 

2,9 

70 

— 

3,2       20    1 

/ 

4,5 

3,6 

65 

— 

'                1 
,     4          18 

4,5 

4 

89 

— 

0,7  J 

1 

3,6 

0,7 

83 

— 

i 

1,2 

57 

— 

7,5     ^    6    ; 

3,1            1 

1,4 

57 

W^i^ 

;     0,7       36 

1 

Reiner 
Waflsor- 

1 

2,6 

2,8 

76 
70 

— 

« 

1,0       42    i 

1,1   ;42  : 

1 

stoflF 

8,6 

70 

1 

— 

VI 

1,7       42    ' 
2,1       39 

1 1 

. 

4,2 

'        1 

58 
36 

3,6       22    j 

— 

1                          i 

1 

1 

■ 

6 

1 

13,3| 

i 

t                          1 

1 

1 

1 

t 

Gattpectra, 


I  kleiner  Beimenguttgen, 


Durch  gelindes  Erhitzen  wurde  aus  dem  in  der  Kugel  B 

(Fig.  1)  enthaltenen  EaliumpermangaDat  reiner  Sauerstoff  ent- 
9.  wickelt  und  iu  das  Vacuumrobr  eingeleitet.     Ein  Zusatz  von 

3 — 4  Proc.  Sauerstoff  za  reinem  Wasserstoff  (wie  sich  aus  der 

damit  yerbnudenen  Druckänderung  constatiren  liess)  hatte  eine 

derartige  Abnahme   der  Helligkeit  der 

Ehitladungen  zur  Folge,  daes  überhaupt 

kein    Spectrum     mehr    zu    sehen    war. 

Beim  Zußlgen  von  mehr  Wasserstoff  er-  i 

schien  ein  blasses,  scheinbar  continuir- 

liches  Spectrum;  nach  weiterem  Wasser-  ; 

Stoffzusatz  traten  Hg,  H^  und  die  grüne 

Hg-Linie  [herrührend  von  in  der  Röhre  ce  - 

zurückgebliebenen   Spuren    von  Queck- 
silberozjd)  auf.    Erst  nach  mehrmaligem  - 
Verdünnen  innerhalb  der  Trockenröhren, 
BO  dass  nur  ein  minimaler  Rest  Sauer-  ' 
Stoff  übrig  blieb,   gewann  das  Wasser- 
atoffspectrum  einigermaassen  an  Hellig-  -^t 
keit.  Die  Resultate  sind  in  vorhergehender 
Tab.  XI  zQsammengefasst  und  in  Fig.  3  ' 
graphisch  dargestellt.  Die  unteren,  punk- 
tirten  Curven  beziehen  sich  auf  die  In-  ' 
tensität    des   zusammengesetzten    Spec- 
trame  im  6rün,  oben  in  Reihe  III  and  V 
enthalten. 

E^  zeigen  diese  Curven: 


■% 

,  t 

1 

.  4 

■ 

■4t 

Siflt 

ü 

fm,.„ 

tS-   ' 

\J     *<  raUJo 

'^"\  1 

•\*    \  ""*• 

Fig.  3. 


.  Eine  mit  wachsendem  Sauerstoffgehalt  zunehmende  Ver- 
schiebung des  Helligkeitsmaximums  nach  niedrigeren  Drucken. 

2.  Eine  Verminderung  der  Intensität  von  H^  bei  Drucken 
oberhalb  1  mm,  ein  Zunehmen  derselben  bei  Drucken  unterhalb 
1  mm.  Paalzow  und  Vogel']  beobachteten  ein  Stärkerwerden 
des  0-Spectnims  durch  Hinzufügen  von  Spuren  von  Wasserstoff. 

Eine  gewisse  Menge  des  Gasgemisches,  durch  welches 
schon  Entladungen  hindurchgegangen  waren,  wurde  über  Nacht 
in  der  Röhre  gelassen.  Am  nächsten  Morgen  zeigte  H^  wieder 
ein    scharf   deBnirtes  Maximum    bei   3  mm.     Allem   Anschein 


1)  A.  Paalzow  u.  H.  W.Vogel,  Wied.  Ann.  18.  p.  33T. 


418 


P.  Lew  ig. 


nach  hatten  sich  die  Grase  unter  dem  Ginfluas  des  Stromes 
verbunden,  und  es  war  der  gebildete  Wasserdampf  in  den 
Trockenröhren  absorbirt  worden.  % 

Als  aus  dem  Qnecksilberreservoir  von  der  Temperatur 
20"  Hg-Dampf  eingeführt  wurde,  trat  eine  Schwächung  des 
Wasserstoffiicbtes  in  geringerem  Kfaasse  ein,  als  dies  bei  nicht 
sauerstoffhaltigem  WasserstofT  der  Fali  war.  In  der  That  war 
die  Helligkeit  von  H^  grösser  bei  Drucken  oberhalb  2  mm, 
geringer   bei    kleineren  Drucken.     Ee    ist  dies  in  Fig.  4  zam 


*.^v 

^^ 

Z  S^ 

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^ 

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v^- 

«^X 

"^ 

S*«u) 

»■"^--.r 

Pig.  4.  Rg.  5. 

Ausdruck  gebracht.  Die  Erscheinung  lässt  sich  folgender- 
maassen  erklären.  Bei  Drucken  Über  2  mm  beseitigt  das 
Quecksilber  einen  Theil  des  Sauerstoffs,  indem  es  sich  damit 
verbindet.  Damit  steigt  die  Reinheit  des  Wasserstoffs  and 
somit  auch  die  Helligkeit  seines  Spectrums.  Unterhalb  2  mm 
ist  die  Menge  des  vorhandenen  Sauerstoffs  so  gering,  dass  er 
vollständig  vom  Quecksilber  fortgenommen  wird.  Letzteres  wirkt 
dann  auf  den  Wasserstoff  in  seiner  charakteristischen  Weise. 
Es  wurde  bei  Anwesenheit  noch  geringerer  Quantitäten 
Sauerstoffs  einige  Male  Hg-Dampf  eingeführt.  Der  eintretende 
Effect  war  dann  jedesmal  schwächer,  als  in  reinem  Wasser- 
stoff. Aber  nach  kurzer  Zeit  verminderte  sich  die  Intensität 
von  H„,  bis  derselbe  Werth  erreicht  wurde,  wie  bei  Wasser- 
stoff, der  keinen  Sauei-stoff  enthielt.  Es  ist  dies  mit  obiger 
Erklärung  in  voller  U  eberein  Stimmung. 


Gcuspectra,  Einfluss  kleiner  Beimengungen, 


419 


Die  Gegenwart  von  Sauerstoff  veränderte  die  Farbe  des 
itladungslichtes  von  blass  rosa  in  ein  schwaches  dunkelroth. 

Einfluss  des  Wasserdampfes  auf  das  Wasserstofispectrum. 

Das  Quecksilberreservoir  E  wurde  durch  ein  Gefäss  er- 
tzt,  welches  eine  ziemlich  concentrirte  wässerige  Lösung  von 
hwefelsäure  enthielt.  Dasselbe  war  auf  3^  abgekühlt.  Das 
icuumrohr  wurde  wiederholt  ausgepumpt,  erhitzt,  sodann 
t  reinem,  trockenem  Wasserstoff  gefüllt  und  die  Intensitäts- 
sssungen  an  Ha  vorgenommen.  Die  Lage  des  Maximums 
l\.  Fig.  5)  deutete  auf  das  Vorhandensein  noch  zurück- 
bliebener  Spuren  von  Sauerstoff. 

Nun  wurde  das  Schwefelsäuregefäss  geöffnet.  Der  Wasser- 
mpfdruck  muss  zwar  ausserordentlich  klein  gewesen  sein; 
iessen  wurde  doch  fast  momentan  eine  recht  bedeutende 
irkung  constatirt. 

Die  Resultate  sind  im  Folgenden  zusammengestellt.  Die 
aphische  Darstellung  vgl.  Fig.  5.  Die  unteren  punktirten 
irven  beziehen  sich  auf  das  zusammengesetzte  Spectrum. 


Trockener 
Wasserstoff 


Tabelle 

xn. 

Druck 

1 

Ha 

Zusammengesetztes 

1 

Spectrum  (grün) 

0,9 

45 

5 

1,* 

61 

6 

1,7 

61 

7 

2,3 

53 

7 

2,9 

49 

7 

3,8 

42 

7 

4,9 

'           33 

7 

(           0,8 

:    24 

8,6 

i          1,1 

26 

3,6 

1          1,6 

26 

7 

2,7 

20 

7 

4,2 

1            15 

4,5 

Vasserdampfhaltiger 
Wasserstoff 


Der  Einfluss  des  Wasserdampfes  ist  dem  des  Sauerstoffs 
knz  analog,  wie  sich  das  auch  erwarten  Hess.  In  der  ßegel 
Bur  die  Wirkung  auf  das  zusammengesetzte  Spectrum  grösser 
s  die  oben  beschriebene. 

27* 


420  P.  Lewü. 

Wurde   die   Verbindung   des   Schwefelsäurebehälters  mit 
der  Röhre  unterbrochen  und  dafür  der  Zugang  zum  Trocken-  ^ 
apparat   geöffnet,   so   nahm   das  Licht   des  Wasserstoffs   all-  ^ 
mählich  an  Intensität  zu. 

Die  hier  erörterten  Erscheinungen  dürften  in  naher  Be- 
ziehung zu  den  Beobachtungen  von  War  bürg  ^)  stehen.  Letzterer 
fand  nämlich,  dass  sehr  geringe  Mengen  Wasserdampf  in  be- 
merklicher Weise  das  Eathodengefälle  in  Wasserstoff  be- 
einflussen. Für  die  durch  den  Wasserdampf  verursachte 
starke  Herabsetzung  der  Lichtstrahlung  braucht  nicht  noth- 
wendige  Voraussetzung  zu  sein,  dass  auch  die  Stromstärke 
durch  Anwesenheit  von  Wasserdampf  stark  vermindert  wird. 

Das  zusammengesetzte  Wasserstofibpectrum. 

Bei  keinem  dieser  Versuche  war  das  zusammengesetzte 
Wasserstoffspectrum  abwesend.  Durch  Spuren  von  Queck- 
silberdampf, Sauerstoff  oder  Wasserdampf  wurde  die  Strahlung 
sowohl  des  elementaren  als  auch  des  zusammengesetzten  Spec- 
trums beträchtlich  reducirt,  und  letzteres  erschien  bei  engem 
Spalt  oft  sehr  lichtschwach.  Wahrscheinlich  würde  das  zu- 
sammengesetzte Spectrum  bei  Benutzung  eines  sehr  engen 
Spaltes  und  6  ei  ssl  er 'scher  Röhren  ohne  Längsdurchsicht^ 
oder  bei  sehr  grosser  Dispersion  überhaupt  nicht  sichtbar 
sein,  wenn  der  Wasserstoff  Quecksilber,  Sauerstoff  oder 
Wasserdampf  enthält.  Zweifelhaft  ist,  ob  in  reinem  Wasser- 
stoff bei  niedrigen  Drucken  ein  vollständig  isolirtes  elemen- 
tares Spectrum  überhaupt  jemals  beobachtet  wurde.  La- 
garde^  erhielt  ein  scheinbar  reines  elementares  Wasserstoff- 
spectrum nur  bei  Gegenwart  von  Wasserdampf,  und  dann 
war  die  Intensität  des  Linienspectrums  selbst  bedeutend  durch 
den  Wasserdampf  reducirt.  Salet^)  und  Cornu*)  erhielten 
ein  reines  elementares  Spectrum  nur  nach  mehrmaligem  Aus- 
spülen der  Röhre  mit  Sauerstoff.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen, 
dass  Spuren  von  Sauerstoff  in  der  Röhre  zurückblieben,  welche 


1)  E.  Warburg,  Wied.  Ann.  31.  p.  575.  1887. 

2)  H.  Lagarde,  Ann.  de  Chim.  et  de  Phys.  4.  p.  265.  1885. 

3)  G.  Salet,  Ann.  de  Chim.  et  de  Phya.  28.  p.  22.  1871. 

4)  A.  Cornu,  J.  de  Phys.  (2)  5.  p.  100.  1886.  . 


Gasspectra,  Einfluss  kleiner  Beimengungen,  421 

das  zusammengesetzte  Spectrum  stark  schwächten.  Ames^), 
Schumann^  und  Huton^)  gelang  es  niemals,  das  zusammen- 
\  gesetzte  Spectrum  zu  beseitigen.  Schumann  erhielt  es  am 
intensivsten  in  Röhren,  die  er  am  sorgfältigsten  gereinigt  hatte, 
und  am  schwächsten  in  solchen,  die  überhaupt  nicht  gereinij^ 
waren  und  daher  wahrscheinlich  Bestandtheile  enthielten,  die 
Sauerstoff  oder  Wasserdampf  abgeben  konnten.  Hutton  fand, 
dass  es  nach  Ausspülen  der  Röhre  mit  Sauerstoff  viel  schwächer 
war.  Trowbridge*)  erhielt  bei  Anwendung  eines  sehr  grossen 
Condensators  ein  einfaches  Linienspectrum  des  Wasserstoffs, 
in  welchem  er  kein  zusammengesetztes  Spectrum  wahrnehmen 
konnte.  Sowohl  die  drei  letztgenannten  Beobachter,  als  auch 
ich  selbst  haben  bemerkt,  dass  diejenigen  Entladungen,  die 
das  reinste  elementare  Spectrum  lieferten,  roth  aussehen,  dass 
hingegen,  wenn  das  zusammengesetzte  Spectrum  besonders 
ausgeprägt  ist,  die  Entladung  bei  kleinem  Druck  sehr  blass 
rosa  oder  fast  weiss,  bei  höherem  Druck  bläulich  weiss  er- 
scheint. 

Bei  diesen  Versuchen  wurde  beobachtet,  dass  bei  reinem 
Wasserstoff  die  Intensitäten  des  elementaren  und  des  zu- 
sammengesetzten Spectrums  mit  Aenderung  des  Stromes  und 
der  Dichte  zu  gleicher  Zeit  zu-  oder  abnehmen,  wenn  auch  nicht 
in  gleichem  Maasse.  Die  durch  Quecksilber,  Sauerstoff  und 
Wasserdampf  verursachten  Aenderungen  der  beiden  Spectren 
sind  qualitativ,  wenn  auch  nicht  quantitativ  dieselben.  Trotz 
vieler  Zweifel,  die  sich  dagegen  erhoben,  scheint  es  unmöglich, 
sich  der  Schlussfolgerung  zu  entziehen,  dass  jenes  zusammen- 
gesetzte Spectrum  wirklich  dem  Wasserstoff  angehört  und 
nicht  etwa  Verunreinigungen  zuzuschreiben  ist.  Ferner,  da 
beide  Spectren  fast  immer  unter  sehr  verschiedenen  physika- 
lischen Bedingungen  nebeneinander  zu  bestehen  scheinen,  liegt 
die  Vermuthung  nahe,  dass  sie  nicht  nothwendig  verschiedenem 
molecularen  Bau  entsprechen,  sondern  dass  sie  Theile  eines 
und  desselben  Spectrums  sind.    Die  Unterschiede,  die  ihr  Aus- 


1)  J.  S.  Arnes,  Phil.  Mag.  80.  p.  50.  1890. 

2)  y.  Schumann,    Jahrb.    f.    Phot    8.    p.  59.    1894:    Beibl.  18. 
p.  752.  1894. 

3)  R.  S.  Hutton,  Phil.  Mag.  46.  p.  338.  1898. 

4)  J.  Trowbridge,  Phil.  Mag.  43.  p.  137.  1897. 


422  P.  Lewis. 

sehen  unter  Terschiedenen  physikalischen  Bedingungen  bietet, 
sind  kaum  auffallender  als  solche,  wie  man  sie  auch  bei  Linien 
wahrnimmt,  die  allgemein  als  zu  einem  und  demselben  Spec-% 
trum  gehörig  angesehen  werden,  wie  es  beispielsweise  bei  den 
grünen  und  gelben  Linien  des  Quecksilbers  der  Fall  ist,  wenn 
die  Dichte  seines  Dampfes  variirt. 

II.  Sauerstoff. 

Einige  Versuche,  bei  denen  Röhren  mit  inneren  Elek- 
troden angewandt  wurden  und  der  Schwefelsäureyerschluss 
zwischen  Röhre  und  Pumpe  fehlte,  zeigten,  dass  in  einer 
reinen  Sauerstoffatmosphäre  das  Spectrum  des  Ton  der  Pumpe 
herkommenden  Quecksilbers  vollständig  fehlte.  Eisig  ^)  fand 
ebenfalls,  dass  in  Sauerstoffröhren  die  Hg-Linien  nicht  auf- 
treten. 

Das  Zufügen  einer  minimalen  Spur  Wasserstoff  bewirkte 
das  sofortige  Erscheinen  der  grünen  Linie.  Zur  Bestätigung 
dieser  Beobachtung  wurden  weitere  Versuche  an  Röhren  mit 
äusseren  Elektroden  angestellt. 

Die  Röhre  wurde  mit  reinem,  aus  Kaliumpermanganat 
hergestelltem  Sauerstoff  beschickt.  Selbst  bei  kleinen  Drucken 
war  das  Leuchten  der  Entladungen  nur  sehr  schwach  und  es 
konnte  nur  ein  äusserst  blasses,  wie  es  schien  continuirliches 
Spectrum  wahrgenommen  werden.  Nachdem  der  Strom  einige 
Minuten  lang  hindurchgegangen  war,  änderte  sich  die  Farbe 
der  Entladungen  von  blassrosa  in  weiss  und  die  rothe  H-Linie 
und  die  CO-Banden  traten  auf.  Bei  mehrmaligem  Ausspülen 
def  Röhre  mit  reinem  Sauerstoff  nahmen  letztere  dauernd  ab. 

Die  Röhre  wurde  mit  frischem  Sauerstoff  gefüllt  und  mit 
dem  auf  20^  erwärmten  Quecksilberreservoir  verbunden.  Ob- 
gleich auf  die  Diffusion  des  Hg-Dampfes  geraume  Zeit  gewartet 
wurde,  kam  die  grüne  Linie  nicht  zum  Vorschein,  bis  die 
Linie  H«  sichtbar  wurde. 

Es  wurde  eine  Spur  frischen  Wasserstoffs  hinzugefügt 
Der  Erfolg  bestand  in  einem  langsamen  Zunehmen  der  In- 
tensität der  Wasserstoff-  und  Quecksilberlinien.  Zu  keiner 
Zeit  wurde  irgend  eine  Sauerstoff li nie  bemerkt;    ebensowenig 


1)  M.  Eisig,  VVied.  Ann.  51.  p.  750.  1894. 


Gasspectra,  Einfluss  kleiner  Beimengungen.  423 

zeigte  sich  die  grüne  Hg- Linie,  wenn  nicht  gleichzeitig  Wasser- 
stoff zugegen  war. 

War  das  Quecksilberreservoir  geöffnet,  so  leuchtete  bei 
Beginn  der  Entladungen  die  grüne  Linie  hell  auf,  um  darauf 
wieder  zu  verblassen.  Wurde  der  Strom  unterbrochen  und 
gleich  wieder  geschlossen,  so  kehrte  das  Aufleuchten  nicht 
wieder.  Dagegen  trat  es  immer  ein,  wenn  einige  Secunden 
gewartet  wurde,  bis  neuer  Hg-Dampf  in  die  Capillare  der 
Röhre  hineindiffundirt  war.  Dieses  Aufleuchten  rührt  offenbar 
her  entweder  vom  Durchgang  der  Entladung  durch  freien 
Hg-Dampf  oder  aber  von  dem  Process  der  (chemischen)  Ver- 
bindung des  Quecksilbers  mit  dem  Sauerstoff.  Dass  thatsäch- 
lich  chemische  Vereinigung  stattfand,  ging  aus  der  Druck- 
abnahme in  der  Röhre  hervor.  In  einem  Fall  sank  der  Druck 
während  weniger  Minuten  des  Stromdurchganges  von  1,9  auf 
0,8  mm. 

Das  Hg-Reservoir  wurde  auf  —  13®  abgekühlt.  Es  be- 
wirkte dies  nicht  die  mindeste  Aenderung  der  Intensität  der 
grünen  Linie,  wie  es  bei  den  Versuchen  mit  Wasserstoff  der 
Fall  war,  wo  die  Helligkeit  des  Hg-Spectrums  rasch  und  mit 
Sicherheit  den  Temperaturschwankungen  des  Reservoirs  folgte. 
Erhitzen  der  Röhre  bewirkte  ebenfalls  ein  rasches  Anwachsen 
der  Intensität  dieser  Linie  (in  einem  Falle  von  13  auf  87); 
ebenso  verhielt  sich  die  gelbe  Linie.  Ein  gleichmässiger  Strom 
von  frischem  Wasserstoff  verringerte  die  Helligkeit  des  Hg- 
Spectrums  nicht.  Diese  Thatsachen  beweisen,  dass  sich  der 
Quecksilberdampf  nicht  im  freien  Zustande  befand,  sondern 
in  Quecksilberoxyd  überging. 

SchluBsfolgerungen. 

1.  Minimale  Quantitäten  von  Verunreinigungen  in  einem 
Gase  können  beträchtliche  Veränderungen  in  seinem  Spectrum 
verursachen,  unabhängig  davon,  ob  diese  Verunreinigungen 
chemisch  activ  sind  oder  nicht. 

2.  Die  Zuführung  sehr  kleiner  Mengen  Quecksilberdampfes 
zu  reinem  Wasserstoff  bewirkt  das  Auftreten  der  grünen  Queck- 
silberlinie im  Spectrum.  Unter  den  bei  meinen  Versuchen 
herrschenden  Bedingungen  verschwindet  die  grüne  Linie  erst 
bei  Abkühlung  des   Quecksilberreservoirs    unter    —  20  ^     Bei 


424  P.  LewU. 

dieser  Temperatur  beträgt  der  Sättigungsdruck   des  Queck— 
Silberdampfes  nur  0,000016  mm. 

Bei  gewöhnlicher  Temperatur  und  Wasserstoffdruckexm 
oberhalb  10cm  bleibt  die  grüne  Linie  schwach  sichtbar,  so- 
lange ein  wenn  auch  schwaches,  zusammengesetztes  Wasser- — 
Stoffspectrum  sich  zeigt.  Die  Emission  des  mit  Wasserstoff 
gemischten  Quecksilberdampfes  unter  einem  gegebenen  Wasser— 
stoffdruck  ergab  sich  annähernd  proportional  der  Dichte  de*^ 
Quecksilberdampfes.  Die  gelbe  und  blaue  Linie  erschien  nux* 
bei  Temperaturen  über  10®. 

8.  Geringe  Mengen  Quecksilberdampfes  dem  Wasserstoff 
beigemischt,  vermindern  die  Helligkeit  des  elementaren  wie  des 
zusammengesetzten  Spectrums  um  ein  Bedeutendes.  Unterhalb 
6  mm  Wasserstoffdruck  scheinen  die  relativen  Helligkeiten  de^s 
Wasserstoff-  und  Quecksilberspectrums  ihren  relativen  Dichti^— 
keiten  proportional  zu  sein.  Bei  höheren  Wasserstoffdrucken 
ist  die  Helligkeit  des  Quecksilberspectrums  relativ  grösser. 
Werden  zu  reinem  Wasserstoff  4  Proc.  Quecksilberdampf  bei- 
gemischt (mit  anderen  Worten:  kommt  auf  2500  WasserstoflE^ 
molecüle  1  Molecül  Quecksilber),  so  wird  die  Helligkeit  des 
gesammten  Wasserstoffspectrums  auf  weniger  als  die  Hälfte 
herabgesetzt. 

4.  In  Röhren  mit  äusseren  Elektroden  wurde  bei  An- 
legung des  benutzten  Inductoriums  die  Emission  des  Wasser- 
stoffs am  stärksten  bei  3  mm  Druck  gefunden.  Bei  Röhren 
mit  inneren  Elektroden  tritt  unter  sonst  gleichen  Bedingungen 
das  Maximum  erst  bei  Drucken  unterhalb  0,6  mm  ein.  Die 
Lage  dieses  Maximums  hängt  wahrscheinlich  ausser  von  der 
Stromstärke  auch  noch  von  der  Gestalt  der  Röhre  ab. 

5.  Zuflihrung  von  geringen  Mengen  Sauerstoff  zu  Wasser- 
stoff bewirkt  beträchtliche  Veränderungen  in  der  Intensität 
des  Wasserstoffspectrums.  Bei  Wasserstoffdrucken  unter  1,5  mm 
nimmt  die  Emission  zu;  bei  höheren  Drucken  nimmt  sie  ab. 
Bei  wachsendem  Sauerstoffgehalt  tritt  Verschiebung  des  Maxi- 
mums der  Wasserstoffemission  nach  niedrigeren  Drucken  ein. 

6.  Wasserdampf  bewirkt  dem  Sauerstoff  ganz  analoge 
Veränderungen.  Wahrscheinlich  wird  Wasserdampf  gebildet, 
wenn  Entladungen  ein  Gemisch  von  Wasserstoff  und  Sauer- 
stoff durchsetzen. 

f 


GoMpecira,  Einfluss  kleiner  Beimengungen.  425 

7.  Das  sogenannte  ^^zusammengesetzte'^  Spectram  gehört 
tbatsächlich  dem  Wasserstoff  an  und  nicht  irgend  welchen 
Verunreinigungen,  wie  öfters  behauptet  wurde. 

8.  Eine  sehr  kleine  Menge  von  Wasserstoff  zu  Sauerstoff 
hinzugefügt,  erregt  sofort  die  Emission  vorhandenen  Qneck- 
silberdampfes.  Der  Grund  dieser  Erscheinung  ist  noch  nicht 
aufgeklärt. 

Hm.  Professor  Dr.  Warburg  bin  ich  für  beständigen 
Rath  und  vielseitige  Hülfe  im  Laufe  dieser  Untersuchung  zu 
grossem  Danke  verpflichtet. 

Berlin,  Phys.  Inst.  d.  Univ.,  Juli  1899. 

(Eingegangen  4.  August  IS99.) 


1^ 

4.  lieber  die  Auaströmungserscheinungen  permar 
nenter  Gase;  von  Robert  JEmden. 

(Schlußs  von  p.  289.) 
(Tafeln   hierzu   sind   dem  vorigen    Hefte   beigelegt.) 


II.  Theorie  der  AuBströmungBerBcheinungen. 

Wir  betrachten  die  StrömuDg  einer  Flüssigkeit  durch  eiu^ 
Röhre  von  veränderlichem  Querschnitt.     An  den  Orten  Ä  und 
B  soll  derselbe  den  Inhalt  a^  bez.  a^  besitzen.     Die  Strömung 
sei   senkrecht   zu  diesen  Querschnitten  gerichtet   und   gleicb' 
massig  über  diese  vertheilt.   Geschwindigkeit,  Druck  und  Dicht« 
der    Flüssigkeit    bei  A    und   B   seien   u^PiQ^j    bez.    u^p^?^' 
Ist  die  Strömung  stationär,   so  können  wir  zwei  Oleichungei^ 
aufstellen,  die  der  Thatsache  Rechnung  tragen,   dass  in  der 
Zeiteinheit  sowohl  gleiche  Massen,  als  auch  gleiche  Energie« 
mengen  die  beiden  Querschnitte  passiren  müssen.   Diese  Massen 
sind  in  der  Zeiteinheit 

Die  Energiegleichung  können  wir  folgendermaassen  auüstellen : 
Der  eintretenden  Flüssigkeitsmasse  wird  zur  Ueberwindus^ 
des  Druckes  bei  A  eine  Arbeit  mitgetheilt  =  ;>i  «i  ^i ;  die  bei 
B  entsprechend  abgegebene  Arbeit  ist  =  p^  u^  (t^.  Die  kinetische 
Energie  der  eintretenden  Masse  ist  ^  (>i  «i  o-^ .  iij,  der  austreten- 
den ^(>2"2^2-^2'  ^^®  innere  Energie  der  Gewichtseinheit 
Flüssigkeit  ist  bekanntlich 


=  fo.dt-. 

--fpäv=-fpd'^-,                           1 

also  wird  eingeführt 

1 

und  ausgeführt 

-Q^u^a^Jpd  ^ 

2 

sodass  wir  haben 

m 

I 


Äusströmungserscheinungen  permanenter  Gase,  427 

pd 


Pi  "i  ^1  +  Y  9i  ^1  ^1  "I  -  Qi  ^h  ^Jp ^^  l  =/^2  "2  S  +  "2  Qt "« ^i " 


-P2W3S//''^-^ 


Dividiren  wir  durch  die  betreflfenden  Mengen,  so  erhalten  wir 
für  die  Gewichtseinheit 

l  2 

f +  T<-  fpd-   =^  +1";-  r;>rfi-  =  const. 
Üa  aber 

80  erhalten  wir  die  Gleichung 


/y  +  2- «'  =  <=«"«*• ') 


Das  Integral  fdpjg  hat  verschiedene  Werthe,  je  nach 
löx*  Natur  der  Flüssigkeit;  für  Gase,  die  während  eines 
^iabatisch  verlaufenden  Processes  dem  Poisson'schen  Ge- 
^tze /?  =  A.  (>**  (x  =  dem  Verhältniss  der  spec.  Wärme  c  Ic^ 
[öhorchen,  ist 


>der 


/dp   _^       X        p 
Q       ""    X   -     1      Q 


,1  «  -  1 


1        X  X  _  1 

=  h -Q 

X  —   1  ^ 


1  2 

X-  -1  '    ' 


1)  Die  Gleichuug  entspricht  vollständig  derjenigen   eines  Körpers 
*i  einer  Verticalebene 

g  h  +  ^u^  =  const . 

^  nimmt  zu  oder  ab,  wenn  u  ab-  oder  zunimmt.  Der  Fall  der  Strahlen- 
Bildung  entspricht,  wie  wir  sehen  werden,  dem  Hinüberleiten  und  Gleiten 
^line  Heibung  des  bewegten  Körpers  auf  einer  Horizontalebene  mit  der 
einmal  erlangten  Geschwindigkeit. 


k 


428  B.  EmdetL 

wenn  c   die   den   jeweiligen  p   und  q   entsprechende  Schall- 
geschwindigkeit bezeichnet 

Wir  wenden   diese  Gleichungen  auf  unser   Problem  an. 
Wir  denken  uns  ein  sehr  grosses  Gefäss  mit  einem  Gase  bis 
zum   Drucke  p^    angefüllt;    Dichtigkeit  und   Temperatur  des- 
selben  seien   dann  q^   und   Ty     Durch   eine   kleine   OefinnDg 
vom  Querschnitte  P  Quadratmeter   ströme   dasselbe  in   einen 
Raum,  in  dem  stets  der  Druck  p^  herrschen  möge,    und  wir 
nehmen  an,    die  Strömung  sei   stationär   geworden.     Im  Re- 
servoir nehmen  wir  in  einiger  Entfernung  von  der  Oeffnung 
Ruhe   an    und   haben    dann    u^  =  0,    wodurch    die   Constante 
unserer  Gleichung  bestimmt  ist.     In  der  Oeffnung  selbst  seien 
während    der   Strömung   Druck,   Dichtigkeit  und  Temperatur 
p  qT,  von  denen  wir  vor  der  Hand  nicht  wissen,  ob  sie  gleich 
den  entsprechenden  Grössen  p^  q^  T^  des  Aussenraumes  sind. 
Für  die  Geschwindigkeit  t<,    die  Ausflussgeschwindigkeit,  mit 
der  das  Gas  die  Oeffnung  F  passirt^  haben  wir 

Vi 


Lu^=  r^p  ^  ^  (pl  ».  p.) 

2  J     9  '^  -  1  Ui  9  1 


Durch  Einführung  der  Schaltgeschwindigkeit  Cj*  =  ^Pilh 
erhalten  wir 


«-l/S  •■.!/'-(') 


K-1 


Hier  hindert  uns  vor  der  Hand  nichts,  den  Druck  p  in  der 
Oeffnung  gleich  dem  p^  im  Räume,  in  den  hinein  die  Aas* 
Strömung  erfolgt,  anzunehmen.  Wir  erhalten  dann,  wie  zu  er- 
warten, für  p^  =  p^  ?^  =  0  und  für  p^  =  0,  also  Ausströmung 
in  eiuVacuum,  einen  Maximal  ^erth  für  w. 


Wmax  —  l/;;-:rY  ^1 


Mit  Hülfe  dieser  Formeln  hat  L.  Mach  die  Geschwindigkeiten 
des  ausströmenden  Lufbstrahles  berechnet.  Es  wird  sich  zeigen, 
dass  diese  Werthe   illusorisch  sind  und  in   Wirklichkeit  nur 

t 


r 


Äuiitrömungserscheinungen  permanenter  Gase.  429 

geringen  Druckdififerenzen  vorkommen.  Die  thats&chlich 
andenen  Geschwindigkeiten  erhalten  wir  nur  dann,   wenn 

gleichzeitig  noch  Rücksicht  auf  die  ausströmende  Gas- 
ge  nehmen. 

Die  Gtismenge,  welche  in  der  Zeiteinheit  die  Mündung 
lassirt,  isi  Mm^ F.u.q.  Für  u  setzen  wir  den  bereits  ge- 
lenen  Werth  ein,  berechnen  q  aus  der  Beziehung 

P_       Pi_ 
erhalten  nach  leichter  Umformung 


e  Formeln  f&r  u  und  Af  sind  zuerst  von  de  St.  Venant 
WantzeP)  gegeben  worden.  Später  (1855)  sind  sie  von 
sbach^  wahrscheinlich  unabhängig  davon  abgeleitet 
ien  und  daher  unter  dem  Namen  der  Weisbach'schen 
lussformeln  bekannt.  In  diesen  Gleichungen  darf  dei 
dungsdruck  p  nicht  in  allen  Fällen  gleich  dem  Aussen- 
k  Pq  gesetzt  werden.  Ist  p^  =  p^,  so  liefert  die  Gleich- 
ng  von  p  undpQf  allerdings  den  Verhältnissen  entsprechend, 
0;  findet  aber  die  Ausströmung  in  ein  Vacuum  statt,  so 
ten  wir  für  /?  =  /?^,  =  0  wiederum  3/  =  0,  was  widersinnig 
la  wir  eher  ein  Maximum  von  M  erwarten  können.  Wir 
liten  nun  Folgendes.  Nimmt  der  Aussendruck  p^  von  p^ 
Ihlich  bis  0  ab,  so  wird  auch  der  Mündungsdruck  p  von 
m  Anfangswerthe  p^  aus  abnehmen.  Die  Ausfiussmenge 
st  nach  der  abgeleiteten  Formel,  aber  nur,  um,  nachdem 
inen  gewissen  Maximalwerth  erreicht  hat,  wieder  abzu- 
en.  Wir  finden  leicht,  dass  dies  Ausflussmaximum  er- 
b  ist,  wenn 


Pi         \x  +  1/ 


.)  Barr€  de  St  Venant  uikd  Laurent  Wantzel,  M^moires  et 
snces  aar  Töcoulement  de  l*air,  d^termin^  par  des  diff(6rence8  de 
>DB  consid^rables.  Journal  de  l'£cole  polytechnique.  T.  XVI.  1839. 
l)  J.  Weisbach,  Lehrbuch  der  Ingenieur-  und  Maficbinentechnik. 
1.     Bd.  I,  p.  280.     1855. 


430  B.  Emden. 

Für  atmosphärische  Luft  z.  B.,  wo  x  »  1,41,  ergiebt  sich 
Verhältniss  =  0,527.     Der   durch  diese  Gleichung  bestimmjt 
Druck  p  spielt  in  unserem  Problem  eine  Hauptrolle.  Ich  nedP 
ihn  den  kritischen  Ausflussdruck  und  bezeichne  ihn  im  Folgen« 
den    mit    pj^.     Diese    Verhältnisse    haben    St.   Venant  und 
Wantzel  in  ihrer  bereits  erwähnten  Abhandlung  experimentell 
untersucht  und  sind  auf  Grund  ihrer  Versuche  zu  folgendem^ 
scheinbar  unnatürlichem  Ergebnisse  geftLhrt  worden:     Nimmt 
der  Aussendruck  von  p^  an  ab,  so  ist,  bis  derselbe  dem  eben. 
definirten  kritischen  Drucke  gleich   geworden,  der  Mündungs- 
druck  p  gleich  dem  Aussendrucke  p^;  und  Ausflussmenge  unl. 
Ausflussgeschwindigkeit  wachsen  beständig  nach  den  Formeln  r 


Nimmt  p^  aber  noch  weiter  ab,  so  bleibt  p  constant  =Pj^  uad 
auch  ^  und  u  behalten  constant  Maximalwerthe: 


Af 

■'"max 


-  \/.-u «. ".  mf  -  m  ■ 


x+   1 


"-  -  \/,h "  /Mi 


-  1 


Da  die  Versuche  von  St.  Venant  und  Wantzel  nur  mit 
sehr  kleinen  Recipienten  angestellt  waren,  so  wurden  ihre 
merkwürdigen  Ergebnisse  angezweifelt  und  namentlich  von 
Poncelet^)  bestritten.  In  ausgedehntestem  Maasse  sind  diese 
Untersuchungen  namentlich  von  Zeuner^,  Fliegener')  und 
Wilde*)  durchgeführt  worden,  üebereinstimmend  bestätigen 
dieselben  die  erwähnten  überraschenden  Beziehungen,  die  nicht 
mehr  angezweifelt  werden    können.     Mit  Wilde   können  wir 


1)  J.  V.  Poncelet,  Compt  rend.  21.  p.  195—387.  1845. 

2)  G.  Zeuner,  CiviliDgeoieur  20.  p.  1.  1874. 

3)  A.  Fliegener,  Civilingenieur   20.  1874;   28.  p.  443.  1877;  24^ 
p.  2.  1878. 

4)  H.  Wilde,  Phil.  Mag.  (V).  20.  p.  531.  1885;  21.  p.  494.  188e.| 


Auaströmungserscheinungen  permanenter  Gase.  431 

aussprechen:  ^^Ist  der  äussere  Druck  kleiner  als  der  kritische 
Druck,  so  verhält   sich   der  Aussenraum  dem   ansfliessenden 
^Oase  gegenüber   wie   ein   Vacuum.^'     Halten   wir    also   fest: 
Nimmt  bei  gegebenem  p^  p^  fortwährend  ab,  so  wachsen  Aos- 
flussmenge,  Ausflussgeschwindigkeit  und  Ausflussvolumen,  bis 
A  ^  Pu  geworden,   um   von   da  an   constant  zu  bleiben.     Ist 
der  Aussendruck  p^  gegeben  und  steigern  wir  im  Recipienten 
den  Druck  p^,  so  wächst  Ausilussmenge  und  -Geschwindigkeit, 
[st  das  kritische  Druckverhältniss  erreicht,  so  wächst  die  Aus- 
lassmenge  zwar   weiter,  da   die    Dichtigkeit  im   Recipienten 
^ächst,  die  Ausflussgeschwindigkeit  und  das  Ausflussvolumen 
ber  bleiben  constant.     Diese  Gesetze  sind  f&r  atmosphärische 
uft  experimentell  bestätigt.     Da  die  Ausflussformeln  f&r  alle 
^rmanenten  Gase  gelten,  werden  auch   diese   sich  wie  jene 
^x-Lalten. 

Wir  betrachten  die  Verhältnisse,  die  in  der  Düsenmün- 
^ng  vorliegen,  sobald  dies  kritische  Druckverhältniss  erreicht, 
'Bp.  unterschritten  wird.  Das  Verhältniss  des  kritischen 
^i'iicks  zum  Ausflusdruck  ergab 

Pi       [»^  +  1  j 
daraus  ergiebt  sich  f&r  das  Verhältniss  der  kritischen  Dichten 

ler  kritischen  Temperaturen 

?»  =  _2_   • 
Ti      X  +  1 

md  der  kritischen  Schallgeschwindigkeiten 


Vür  die  Geschwindigkeit  u,  mit  der  das  Gas  dann  die  Düsen- 
nündung  passirt,  ergiebt  sich 


ilso  ^  —  ^k 


1.  h.   das  ausströmende  Gas  passirt   die  Mündungsebene  mit 
Schallgeschwindigkeit,   d.  h.    mit   derjenigen   Geschwindigkeit, 


432  R.  Emden. 

mit  der  sich  in  der  austretenden  Gasmasse  Schallwellen  fort* 
pflanzen.  Wie  also  das  Verhältniss  von  Innendmck  lud 
Aassendruck  sein  möge,  es  ist  die  Ausflussgeschwindigkeil 
in  der  Düsenöffnung  gleich  der  Schallgeschwindigkeit,  sobald 
für  jene  das  kritische  Druckverhältniss  erreicht  oder  unter- 
schritten wird. 

Die  Ausflussgesetze  von  St.  Yenant  und  Wantzel  können 

wir  in  einen  Satz  zusammenfassen:  Die  Geschwindigkeit^  mit 
der  ein  atisströmendes  Gas  die  Mündungsebene  passirt,  kann  täe 
grösser  werden,  als  die  daselbst  herrschende  Schallgeschwindigkiit, 
Diese  Maximalgeschwindigkeit  tritt  ein,  sowie  zwischen  Innen"  und 
Aussendruck  das  kritische  Druckverhältniss  erreicht  ist 

Die  Grösse  des  kritischen  Druckes  ergiebt  sich  aus  der 
Gleichung 


\pj       U  +  1/ 


N   -   1 


Neuerdings  haben  Lummer  und  Pringsheim^)  in  der 
Physikal.  Reichsanstalt  neue  Bestimmungen  you  x  vorgenommen 
und  erhalten: 

für  Luft  X  »  1,4025, 

„    Wasserstoff    x  -  1,4084, 
„    KohleDsäure  x  =  1,2995. 

Daraus  berechnet  sich: 

für  Luft  pk  =  0,528  j?i, 

„    Wasserstoff    jo»  =  0,527  pj, 
„    Kohlensäure  p^  —  0,540  p,. 

Erfolgt  der  Ausfluss  in  die  Atmosphäre,  wo  der  Druck  1  herrscht, 
und  steigern  wir  allmählich  den  Druck  im  Recipienten,  so  wird 
ein  Druck  p;^  erreicht,  dem  gegenüber  der  Druck  1  gleich  dem 
kritischen  Druck  wird.  Für  diesen  ausgezeichneten  Dmci  pk' 
finden  wir 

für  Luft  pj^  =  0b2S  ~  ^'®®  Atm., 

„   Wasserstoff    pj^  =     '  1,90      „ 

„   Kohlensäure  Pj^  »  1,88      „ 

Die  Differenzen  dieser  Werthe  für  die  verschiedenen  Gase  sind 
bei  den  Druckmessungen  des  experimentellen  Theiles  nicht 
mehr  nachweisbar.     Vergleichen  wir  hiermit  das  rein  experi- 


1)  0.  Lummer  u.  K  Pringsheim,  Wied.  Ann.  64.  p.  555.  1898_ 


AuMströmungserscheinungen  permanenter  Oase.  433 

iitell  ermittelte  Gesetz  Nr.  2,  wonach  die  Schlierengebilde 
)  Strahles  für  alle  Gase  bei  einem  Drucke  von  1^9  Atm. 
fzatreten  beginnen,  so  erhalten  wir  einen  Hauptsatz  unserer 
itersuchungen: 

Der  ausgezeichnete  Druck  pjt'j  bei  dem  ein  Gasstrahl  beim 
\sfluss  in  die  Atmosphäre  die  Düsenm'undung  mit  Schallgeschwin^ 
jkeit  zu  passiren  beginnt,  ist  gleich  dem  Ausflussdrucke,  bei  dem 
k  im  Strahle  stationäre  Schallwellen  zu  entwickeln   beginnen. 

Bevor  wir  das  Gas  auf  seiner  Wanderung  von  der  Düse 
-t  verfolgen ,  haben  wir  eine  Bemerkung  einzuschalten, 
e  nach  obigen  Formeln  berechnete  Ausflussmenge  ist  in 
irklichkeit  nie  beobachtet  worden,  sondern  stets  eine  ge- 
kgere,  die  durch  Multiplication  der  berechneten  mit  einem 
uche  a,  der  bei  Flachdüsen  bis  auf  etwa  ^  sinken  kann, 
ihrend  er  bei  conischen  Düsen  nahezu  =  1  ist,  erhalten  wird, 
eser  Bruch  a  ist  aber  nicht  vom  Drucke  abhängig,  sondern 
.  eine  jeder  Düse  eigenthümliche  Constante.  Dadurch  wird 
,s  über  die  kritischen  Grössen  Auseinandergesetzte  nicht  be- 
hrt.  Man  hat  versucht,  dies  Deficit  an  Ausflussmenge  in 
lalogie  mit  Wasserstrahlen  durch  eine  vena  contracta  zu  er- 
Iren, und  Reynolds^)  glaubt  durch  Versuche  mit  aus- 
römendem  Tabaksrauch  eine  solche  nachgewiesen  zu  haben. 
ies  steht  aber  in  vollständigem  Widerspruche  mit  den  Strahl- 
Idern,  die  L.  und  E.  Mach  und  ich  erhalten  haben.  Eine 
3rengerung  des  Strahles  ist  nie  nachzuweisen,  und  Flach- 
Lsen,  wo  jener  Coefficient  cc  bis  zum  Werthe  ^  heruntersinkt, 
jfern  dieselben  Strahlbilder,  wie  conische  Düsen,  wo  a  nahezu 
1.  Eine  vena  contracta  ist  nie  vorhanden;  die  Ursache 
nes  Deficits  muss  also  wo  anders  gesucht  werden.  Ein  Ein- 
ihen  auf  diese  Verhältnisse  würde  hier  zu  weit  führen  und 
uss  einer  späteren  Publication  vorbehalten  bleiben.  Wir 
achen  uns  im  Folgenden  von  diesem  störenden  umstände 
ei,  indem  wir  unsere  Energiebetrachtungen  nicht  auf  die  in 
5r  Zeiteinheit  austretende  Menge  Gases,  sondern  auf  dessen 
ewichtseinheit  beziehen. 

Betrachten  wir  nun  den  Umsatz  der  Energie,  die  in  der 
ewichtseinheit   des   ausströmenden    Gases   bis   zu  der  Stelle 


1)  0.  Reynolds,   Fhil.  Mag.  (5)  21.  p.  185.  1886. 
Ann.  d.  Phjs.  a.  Chem.    N.  F.    69.  28 


434  R.  Emden. 

stattfindeti  wo  dasselbe  die  Düse  verlässt.  Der  Ausfluss  finde 
in  eine  Atmosphäre  vom  Drucke  Pq=^  \  statt.  Solange  im  £e- 
cipienten  ein  Druck  kleiner  als  p]^  herrscht,  liegen  die  Veivl 
hältnisse  sehr  einfach.  In  der  Düsenmündung  herrscht  bereit 
der  Druck  1  und  der  zur  Verfügung  stehende  Theil  ix 
inneren  Energie  ist  zur  Kolbenarbeit  und  zur  Erzeugung  der 
lebendigen  Kraft  der  Strömung  verbraucht  worden.  Ist  d( 
Druck  im  Recipienten  p^  aber  grösser  als  /?»/,  so  herrscht 
der  Düsenmündung  der  kritische  Druck  p^f  und  die  nun  ein- 
tretenden Verhältnisse  erfordern  das  sorgfältigste  Studium- 
Sind  im  Recipienten  Druck  und  Dichte  p^  und  q^  und  wird 
das  Gas  bis  zum  Drucke  p^  entlastet,  so  wird  eine  Energie- 
menge umwandelbar  pro  Gewichtseinheit 

Diese  Energie  zerlegen  wir  folgendermaasseninzweiTheile: 

j>o  ^*  Po 

P\  P\  Pk 

lieber  den  ersten  Theil  haben  wir  bereits  verfügt;  er  ist  um- 
gewandelt in  Kolbenarbeit  und  lebendige  Kraft  der  Strömung. 
Den  zweiten  Theil  bezeichnen  wir  im  Folgenden  stets  mit  M'y 
haben  also 

Unterhalb  des  kritischen  Druckverhältnisses  ist  AT  =s  0,  um 
von  da  ab  dann  stetig  zu  wachsen.  In  genügender  Entfer* 
nung  von  der  Düse  ist  pj^  =  p^  geworden,  muss  also  IF  ver- 
braucht sein.  Die  allgemeine  Ansicht,  wie  sich  diese  Um- 
wandlung vollzieht,  geht  dabin,  dass  sowohl  der  Querschnitt 
des  Strahles  von  der  Düsenmündung  an,  als  auch  dessen 
kinetische  Energie  solange  zunehmen,  bis  pj^  =  p^,  geworden. 
Namentlich  in  der  technischen  Thermodynamik  von  Zeuner 
sind  die  unter  dieser  Annahme  vorhandenen  Verhältnisse  näher 
dargelegt.  Es  wird  unterschieden  zwischen  dem  bereits  er- 
wähnten ,, Mündungsquerschnitte"  F  und  dem  „Ausflussquer- 

f 


Ausströmung ser scheinungen  permanenter  Gase.  435 

L     schnitte"  Foy  jenem   Strahlquerschnitte,   in    dem  p^  =  p^   ge- 
I    worden.^)    Letzterer  kann  beträchtlich  grösser  sein  als  erste- 

rrer;  strömt  z.  B.  ein  Gas  unter  einem   Drucke  von  4  Atm. 
in  die  freie  Atmosphäre,  so  ist  Fa  =  3,88 .  F,     Ob  eine  solche 
Qnerschnittserweiterung  in  Wirklichkeit  stattfindet,  kann  nicht 
a  priori,    sondern   nur   durch   Sichtbarmachen   oder  Abtasten 
'     des  Strahles  (vgl.  experimentellen  Theil)   entschieden  werden. 
Das  Abtasten,    sowie   unsere  Strahlbilder  (auch   der   Strahl 
unter  4  Atm.  ausströmend   findet   sich   darunter)   zeigen   zur 
Sndenz,  dass  eine  solche  Elrweiterung  nicht  stattfindet.    Erst 
^D  beträchtlicher  Entfernung  von  der  Düse   wird    der   Strahl 
scheinbar  stärker,  aber  nur  durch  Wirbelbildung,   durch  Rei- 
bung an  der  umgebenden  Luft  verursacht,  wie  die  Aufnahmen 
bei    Dauerbeleuchtung   zeigen.     Bei    100   Atm.    ausströmend, 
sieht  der  Strahl  nach  Mach  aus  wie  ein  40  cm  langer,  dünner 
Ölasstab   von   etwa  dreifachem  Durchmesser   der  Düse,   wäh- 
^öd   der  Ausflussquerschnitt   (p^^  =  53  Atm.)  ausserordentlich 
^^1  grösser  sein  müsste.     Ein  Strahl  erweitert  sich  zwar  hinter 
uöi"  Düse,  aber  aus  anderem,  später  auszuführendem  Grunde, 
und  diese  Erweiterungen  sind,  wie  nachgewiesen,    periodisch 
^^terbrochen  von  Zusammenziehungen  auf  den  Mündungsquer- 
^Ixnitt  F,     Es  wird  sich  aber  auch  zeigen,  dass  jene  Energie- 
°^^iige  W  nicht  verwandelt   sein   kann   in  grössere,  lebendige 
^^aft   der  Strömung    bei   constantem  Querschnitte.     Es   lässt 
^^^l  zeigen,    dass  der  Strahl  von  der  Düsenmündung   an  mit 
^^xistanter  Geschwindigkeit  fliesst.     Dies  zu  beweisen,  müssen 
'^X'  in  Kürze  auf  die  Theorie  der  Ausflussstrahlen,   im  Sinne 
]^On  Helmholtz,*)  eingehen.     Helmholtz  hat  gezeigt,  dass 
l^^e  scharfe,  geometrisch  vollkommen  ausgebildete  Kante,  an 
^^Icher  die  Flüssigkeit  vorbeifliesst,  selbst  bei  der  massigsten 
^^schwindigkeit  der  übrigen  Flüssigkeit  dieselbe  zerreissen  und 
^^ne  Trennungsfläche  herstellen  muss. 

Strömt  das  Gas  durch  eine  scharfkantige  Mündung  aus, 
*o  giebt  letztere  Anlass  zur  Bildung  einer  röhrenförmigen 
*^i8Continuitätsfläche,  welche  den  Strahl  von  vollständig  ruhen- 


1)  W.  Rankine,    Civilingenieur    16    p.  35.  1S78. 

2)  H.  V.   Helmholtz,    Ges.    Abhandl.    1.    p.  146;    8.  p.  316;   G. 
Kirchhof f,  Mechanik,  p.  291. 


436  R,  Emden» 

dem  Medium   scheidet.     Anfang  und  Ende   derselben  könne: 
nur  in  der  Gefässwandung,  welche  erstere  tangiren  muss,  nn 
in  der  Unendlichkeit  liegen.     Ohne  Reibung  oder  auf  Hinderr— ^ 
nisse   stossend,   müsste   der   Strahl   das   Medium    ohne  End^ 
durchfliessen.   Die  Grenz bedingungen  für  Discontinuitätsflächexi 
also  auch  für  die  Strahlbegrenzung,  sind  die,  dass  1.  der  Druals 
auf  beiden  Seiten  der  Fläche  gleich  sein  muss  und  2.  ebenso 
die  normal  gegen  die  Trennungsfläche  gerichteten  Componenten 
der  Geschwindigkeit;   ist   erstere   stationär,    so    müssen   diese 
Componenten  gleich  Null  sein.     Strömt  ein  Strahl  durch  die 
freie  Atmosphäre  vom  Drucke  Pq^  so   muss   überall  in  seiner 
Obei-fläche  der  Druck  p^  herrschen,  in  seiner  Oberfläche  kann 
also  keine  Ursache  zu  einer  Geschwindigkeitsänderung  liegen. 
Untersuchen  wir  das  Druckgefälle  in  der  Strömungsaxe.    Wäre 
ein  solches  vorhanden,  so  müsste  sich  die  Geschwindigkeit  der 
Strömung,  die  bis  dahin  gleich  der  Schallgeschwindigkeit  war, 
vergrössem.      Dagegen    spricht    der   Umstand,    dass   wir  im 
Strahle   stationäre  Dichtigkeitsänderungen  wahrnehmen;  »denn 
wir  werden  im  Folgenden  drei  Beweise  angeben,  abgesehen 
von  der  in  die  Augen  springenden  Evidenz  dieser  Nothwendig- 
keit,    dass    solche   nur    dann  möglich  sind,    wenn  ihre  Fort- 
pflanzungsgeschwindigkeit gleich  und  entgegengesetzt  der  Strö- 
mungsgeschwindigkeit des  sie  tragenden  Mittels  ist. 

In  Richtung  des  Strahles  findet  demnach  keine  Aende- 
rung  der  Geschwindigkeit,  also  auch  keine  Aenderung  des 
Druckes  statt.  Eine  solche  kann  unter  diesen  Umständen  auch 
in  radialer  Richtung  nicht  stattfinden,  denn  nach  der  zweiten 
Oberflächenbedingung  muss  an  der  Oberfläche  die  radiale  Ge- 
schwindigkeit =  0  sein.  Im  ganzen  Strahle  herrscht  also 
der  Oberflächendruck  p^  und  wir  haben  das  wichtige  Resultat: 

Der  ausfliessende  Strahl  fliesst  nach  lieber  schreitung  des 
kritischen  iJruckverhältnisses  an  allen  Stellen  mit  der  kritischen 
Ausflussgeschwindigkeit  u  =  c,  der  Schallgeschwindigkeit;  und 
an  allen  seinen  Stellen  herrscht  der  Druck  p^  der  freien  Atnuh 
Sphäre, 

Legen  wir  in  die  Düsenöflfnung  eine  Ebene,  so  herrscht 
an  derselben  Unstetigkeit,  sobald  das  kritische  Druckverhältniss 
überschritten  wird.  Zwar  ist  auf  beiden  Seiten  derselben  die- 
selbe  Dichtigkeit   (>^    möglich    und    dieselbe    Geschwindigkeit 


• 


AusBtromungserscheinungen  permanenter  Oase.  437 

« ==  c  vorhanden  und  ist  die  Gewichtseinheit  Gas  mit  derselben 
kinetischen  Energie  \u^  beladen.  Aber  auf  der  einen  Seite 
^örrscht  der  Druck  p^^  und  führt  die  Gewichtseinheit  Gas 
i^och  die  Energiemenge 

Po 

mit  sich;  auf  der  anderen  Seite  derselben  ist  jo^  =  jo^  geworden 
und  W  scheinbar  verschwunden. 

In  welche  Energieform  hat  Jf^'  sich  umgewandelt? 

Nun  ist  bekannt,  dass  schwingende  Luftsäulen  Träger 
einer  bestimmten  Energieform  sind.^)  Die  stationären  Schwin- 
gungen unseres  Luftstrahles  können  nur  auf  Kosten  einer  be- 
stimmten Menge  Energie  erzeugt  sein.  Wir  bezeichnen  diese 
„Schallenergie"  pro  Gewichtseinheit  austretenden  Gases  mit  w. 
Wir  könnten  nun,  da  uns  kein  anderer  Ausweg  bleibt,  als 
Hypothese  aufstellen,  dass  diese  Energiemenge  w  gleich  ist  jener 
Energiemenge  W^  die  pro  Gewichtseinheit  Gas  verschwunden  ist. 
Einen  Schimmer  von  Wahrscheinlichkeit  können  wir  dieser  Annahme 
geben  durch  den  Hinweis,  dass,  wie  wir  bereits  gezeigt  haben,  jene 
stationären  Schlierengebilde  gerade  bei  Erreichung  des  kritischen 
Druckverhältnisses  entstehen,  dass  also  gerade  im  gleichen  Augen- 
blicke ein  w  aufzutreten  und  ein  H^  zu  verschwinden  beginnt. 
Gelingt  es  uns  aber,  diese  Energiemenge  w  zu  berechnen  und 
dafür  einen  Werth  zu  finden  gleich  dem  bekannten  Werthe 
von  Wj  so  wird  jener  Satz,  den  wir  als  Hypothese  aufstellten, 
zur  Gewissheit.  Dieser  Nachweis  wird  uns  gelingen,  und  ihm 
sollen  die  folgenden  Betrachtungen  gewidmet  sein. 

Wir  beginnen  mit  dem  Nachweise,  dass  in  einem  mit 
constantem  Querschnitte  fliessenden  Strahle  stationäre^  ebene 
Wellen  selbst  von  geringster  Dichtigkeitsänderung  nicht  möglich 
sind,  ausser  wenn  derselbe  mit  Schallgeschwindigkeit  fliesst. 
In  meiner  Originalarbeit  habe  ich  drei  Beweise  dieses  Satzes 
gegeben.     Ich  führe  hier  den  zweiten  Beweis  an,  der  gleich- 


1)  Vgl.  "hierzu:  M.  Wien,  Wied  Ann.  86.  p.  834.  1889;  A.  Raps, 
Wied.Ann.36.  p.278. 1889;  A.Toepler  u.  L.  Boltzmann,  Pogg.Ann.  141. 
p.  821.  1870;  A.  Toepfer,  Die  Orgel.  Erfurt  1842.  Wiedergedruckt  1862; 
Bosanquet,  Phil.  Mag.  (4).  44.  p.  881.  1872;  Lord  Rajleigh,  Phil. 
Mag.  (5)  18    p.  456.  1877. 


488  R.  Emden. 

zeitig  eine  Erklärung  des  experimentell  gefundenen  Gesetz^^ 
Nr.  7  ergiebt. 

Eayleigh  bestreitet^)  die  Möglichkeit  stationärer  ebem 
Schallwellen    von   beträchtlichen   Dichtigkeitsunterschieden 
irgend  einer  geradlinigen  Strömung.    Sein  Beweis  ist  folgendes 
Es  mögen  q^  p^  u^  Dichte,  bez.  Druck  und  Geschwindigkeit  d^ 
Fluidums  in  seinem  ungestörten  Zustande  darstellen;  gpu  seie 
die  entsprechenden  Grössen  in  einem  Punkte  der  Welle. 

Die  Continuitätsgleichung  ergiebt 

(a)  QU  =  QqUq 

und  die  Gleichung  der  Energie 

Durch  Elimitiation  von  u  erhalten  wir 

Po 

Diese  Gleichung  giebt  also  für  den  Druck  das  Gesetz  an, 
unter  welchem  allein  es  ftir  eine  stationäre  Welle  möglich  ist«^ 
sich  in  einem  mit  der  Geschwindigkeit  Uq  bewegenden  Mediunci 
zu  erhalten.     Aus  (c)  folgt 

(d)  ^=<    4  oder 

(e)  p  =  const  -  -^' . 

Da  die  Beziehung  zwischen  Druck  und  Dichtigkeit  in  Gasen  nicht 
durch  (e)  ausgedrückt  wird,  schliessen  wir,  dass  eine  sich  selbst 
aufrecht  erhaltende  Welle  eine  Unmöglichkeit  ist,  welches  auch 
die  Geschwindigkeit  Uq  des  Luftstromes  sei.  Nur  bei  kleinen 
Dichtigkeitsunterschieden  ergiebt  (d) 

dp  2 

do        "-  ^'' 

also  die  Möglichkeit  solcher,  wenn  die  Strömungsgeschwindig- 
keit =  Schallgeschwindigkeit  ist.     Und  doch  ergab  die  optische 


^^ 


1)  Lord  Rayleigh,  Theorie  des  Schalles  2.  §  250.  p.  41.  Deutsch 
von  Neesen.  f 


Äti$Btrdmungser$cheinungen  permanenter  Gtzse,  489 

I^ntersuchung  des  Strahles  stationäre  Wellen  von  bedeutenden 
Kchtigkeitsunterschieden.  Es  muss  deshalb  eine  Möglichkeit 
eben,  die  Formeln  (a)  bis  (d)  so  zu  modificiren,  dass  sie  den  wirk- 
ich  auftretenden  Erscheinungen  Rechnung  tragen.  Wir  ver- 
i.ssen  dazu  die  Annahme,  dass  das  bewegte  Fluidum^  der 
ttrahl,  überall  mit  gleichem  Querschnitte  fliesst.  Damit  ver- 
tossen  wir  zwar  gegen  unsere  bisherige  Annahme,  dass  im 
trahle  nur  Bewegungen  längs  dessen  Axe  vorkommen;  denn 
ne  Variation  des  Querschnittes  muss  von  Bewegungscompo- 
^nten  in  radialer  Richtung  begleitet  sein.  Sind  aber,  wie  es 
e  optische  Untersuchung  der  Strahlen  lehrt,  die  Aenderungen 
^T-  Durchmesser  der  Querschnitte  klein  im  Verhältnisse  zu 
rem   gegenseitigen  Abstände,   so   können  wir    die  Strömung 

erster  Annäherung  immer  noch  als  geradlinig  betrachten. 
Ägen  wir  die  Querschnitte,  an  denen  wir  u  und  u^  betrachten, 
^er  an  die  Stellen  des  grössten  und  kleinsten  Durchmessers, 

sind  die  nachfolgenden  Entwickelungen  immer  noch  streng 
^ktig,  denn  an  diesen  Stellen  herrscht  nur  Strömung  in 
^cshtung  der  Axe.  Bezeichnen  wir  zwei  Querschnitte  mit  f  und 
>    so  erhalten  wir  statt  der  Gleichung  (a) 

'>  of^i  =  9ofo^o  =  const. 

l^ichung  (*')  bleibt  =  (*). 

Po 

Cid  wir  erhalten  daraus 


)  r*  =  |,j(i_;i^')  und 

.  Pi> 

achen  wir  nun  die  Annahme 

)  (>/'=?o/i  =  const, 

•  erhalten  wir  aus  (d') 

is  (a') 

?|  =  M     =  c, 
13   (b') 

dp  =  0,  p  =  const  =  Pq  , 


440  R.  Emden. 

d.  h.,  der  Strahl  fliesst  überall  mit  Schallgeschwindigkeit  um  <J 
an  jeder  Stelle    desselben   herrscht   der  Druck  p^   der  Obe^c-- 
fläche.    Diese  beiden  Bedingungen,  die  wir  bereits  aus  anderem^ 
Gründen  für  das  Strahlinnere  annehmen  mussten,  finden  ?rLr 
so    wieder    als   Bedingungen    für    das   Auftreten    stationärej-, 
ebener  Schallwellen.     Für  constante  Strömungsgeschwindigkeit 
folgt  unsere  Annahme  gf^  cönst  schon  aus  der  Continuitats- 
gleichungy    unsere  Betrachtungen   haben  uns  aber  ausserdem 
gezeigt y    dass  zum  Zustandekommen  stationärer  Wellen  u-c 
Bedingung  ist.     Wir  haben  also  wiederum  einen  wichtigen  Satz 
gefunden: 

An  jeder  Stelle   des  Strahles  ist  die  Dichtigkeit   itmgekehri 
proportional  dem   (Querschnitte, 

Damit  ist  aber  das  experimentell  gefundene  Gesetz  Nr.  7 
theoretisch  begründet.  Von  dem  Augenblicke  an,  wo  das 
kritische  Druckverhältniss  erreicht  wird,  der  Strahl  mit  Schall- 
geschwindigkeit fliesst,  eine  Energiemenge  W  scheinbar  yer- 
schwindet  und  eine  Schallenergie  w  im  Strahle  in  Form  statio- 
närer Schallwellen  auftritt,  muss  derselbe  mit  periodisch 
wechselndem  Querschnitte  fliessen.  Sein  kleinster  Durchmesser 
muss  sich  an  den  Orten  grösster  Dichtigkeit,  den  Scheibchen, 
vorfinden.  In  den  Scheibchen  befindet  sich  das  Gas  im  gleichen 
Zustande,  wie  an  der  Düsenmündung,  ihr  Querschnitt  ist  gleich 
der  Düsenöffnung.  Der  grösste  Querschnitt  fällt  zusammen 
mit  der  Stelle  kleinster  Dichte  q^.  Da  die  Querschnitte  grösster 
Dichte  durch  die  Düsenöffnung  bestimmt  sind,  müssen  die 
Stellen  ungestörter  Dichte  sich  erweitem.  Das  Plus  an  Gas, 
das  mit  steigendem  ßeservoirdrucke  stets  mit  gleicher  Ge* 
schwindigkeit  ausströmt,  durchsetzt  die  Stellen  constanten  Quer- 
schnittes, die  Scheibchen,  in  immer  grösserer  Dichte,  die 
Stellen  constanter  Dichte  q^  in  immer  grösser  werdendem  Quer- 
schnitte. 

Der  dritte  Beweis  folgt  unmittelbar  aus  der  von  Riemann^) 
entwickelten  Theorie  ebener  Wellen  und  zeigt  zugleich,  dass 
bei  diesen  stationären  Schallwellen  von  endlichen  Dichtigkeits- 
unterschieden die  Wellenfront  steiler  abfallen  muss,  als  der 
Wellenrücken. 


1)  B.  Ei  e mann,  Ges.  Abhandig.  8.  p.  144.  1860.  f 


AusstrÖmungserscheinungen  pejmanenter  Gase.  441 

Bei  grossen  Ausflussdrucken  können  wir  den  Verlauf  der 
DiiiXitigkeit  wahrscheinlich  zum  Ausdrucke  bringen  durch  eine 
'  Corve  (Fig.  5)  von  der  Form: 


Fig.  5. 

Mit  dieser  Auffassung  stimmt  das  Aussehen  der  gewon- 
nenen Strahlbilder  vollkommen  überein.  Während  bei  gerin- 
geren Ausflussdrucken  jene  zwischen  zwei  Scheibcben  auftre- 
tenden Linien  sich  symmetrisch  kreuzen,  rückt  bei  zunehmendem 
Druck  ihr  Schnittpunkt  mehr  und  mehr  zum  nächsten  Scheib- 
chen, an  dessen  der  Düse  zugekehrten  Seite  wir  das  ver- 
wickeltste,  contrastreichste  Schlierenbild  wahrnehmen,  während 
auf  dessen  Rückseite   alles   auf  langsame  Uebergänge  deutet. 

Die  ünkenntniss  dieser  Wellenprofile  lässt  uns  bei  unseren 
weiteren  üntei'suchungen  auf  eine  Schwierigkeit  stossen,  die 
wir  nur  durch  eine  Hülfshypothese  überwinden  können, 
Ka  ist  möglich,  den  Energieinhalt  einer  einfachen  harmonischen 
Schwingung  zu  berechnen,  nicht  aber  den  einer  Welle  von  un- 
bekanntem Profil.  Wissen  wir  von  einer  Welle,  dass  sie  aus 
einer  Sinuswelle  hervorgegangen  ist,  so  enthält  sie  natürlich 
dieselben  Energiemengen  wie  jene,  denn  sie  ist  ja  ohne  Ein- 
wirkung äusserer  Kräfte  aus  derselben  zu  Stande  gekommen. 
Gewisse  Sätze,  die  wir  brauchen,  gelten  zwar  für  Wellen  von 
beliebigem  Profil,  andere  aber,  ohne  die  wir  bei  Berechnung  der 
Wellenlänge  nicht  auskommen,  aber  nur  für  harmonische 
Schwingungen.  Wir  müssen  deshalb  annehmen,  dass  die  sta- 
tionären Wellen  des  Luftstrahles  ohne  Energieverlust  in  Sinus- 
wellen umgewandelt  werden  können,  was  auch  ihrer  Bezeich- 
nung als  Schallwellen  entspricht.  Diese  Annahme  wird  die 
Wellenlänge  in  ü.ebereinstimmung  mit  der  Beobachtung  be- 
rechnen lassen. 

Die  Methoden,  welche  wir  zur  Energieberechnung  ebener, 
fortschreitender  Wellen  anwenden,  sind  von  ßayleigh^)  an- 


I 


1)  Lord  Rayleigh,  Theorie  des  Schalles.  2.  §  245. 


442  S.  Emden. 

gegeben,  die  Ergebnisse  derselben  im  Principe  aber  bereits  vo: 
W.  Thomson^)  ausgesprochen  worden  und  liefern  den  Satz  ^ 

,^Die    totale    Energie    der   Wellen    ist  gleich   der   kinetisch 
Energie  der  ganzen^  von  der  Welle  ergriffenen  Luft^  wenn  dieselbe 
sich  mit  dem  Maximum  der  in  den  Wellen  auftretenden  Geschwin^^ 
digkeiten  fortbewegt,  oder  gleich  der  potentiellen  Energie  derselberm 
Luftmasse,  wenn  dieselbe  auf  die  grösste  Dichtigkeit  der  Well^' 
verdichtet  wird^^  (Rayleigh). 

Diese  Sätze  sind  von  Rayleigh  für  gewöhnliche  Schall- 
wellen mit  geringen  Dichtigkeitsunterschieden  abgeleitet.  Lb. 
meiner  Originalarbeit  findet  sich  der  Nachweis,  dass  sie  aucb. 
auf  Wellen  von  endlichen  Dichtigkeitsunterschieden  anwend— 
bar  sind.  Bezeichnen  wir  ferner  mit  a  die  Maximalgeschwindig— 
keit,  mit  ß  den  Maximalausschlag  eines  Theilchens  einer  ebenen 
Schallwelle  von  der  Schwingungsperiode  T,  die  sich  durch  ein 
Gas  von  der  Dichte  q^  fortpflanzt,  so  ist  bekanntlich  in  der 
Volumeneinheit  dieser  Gasmasse  in  Form  von  Schwingungen 
eine  Energiemenge  vorhanden  gleich 

Auch  diese  beiden  Formeln  gelten,  wie  ich  (1.  c.)  gezeigt 
habe,  für  ebene  Wellen  mit  endlichen  Dichtigkeitsunterschieden. 

Nun  ändern  aber  ebene  fortschreitende  Wellen  ihren 
Energieinhalt  beim  Uebergang  in  den  stationären  Zustand 
nicht.  Es  folgt  dies  daraus,  dass  die  mit  constanter  Ge- 
schwindigkeit c  strömende  Luft,  die  wir  zu  diesem  Zwecke 
denselben  entgegensenden,  an  kinetischer  Energie  weder  ge- 
winnt, noch  verliert.  Dem  scheint  nun  der  Umstand  zu 
widersprechen,  dass  eine  stationäre  Welle  keine  kinetische 
Energie  mehr  besitzt.  Wir  dürfen  aber  nicht  vergessen,  dass 
eine  solche  Welle  nur  durch  Aufwand  einer  gewissen  Menge 
Energie  stationär  erhalten  werden  kann,  und  zwar  einer  Energie- 
menge, die  gleich  ist  ihrer  kinetischen  Energie.  Denn  in  der 
Zeit  ST  haben  wir  jedes  Lufttheilchen  um  dieselbe  Strecke 
zurückzuschieben,  um  die  es  sich  durch  die  Welle  vorwärts 
bewegt  hätte.  In  diesem  Sinne  können  wir  also  auch  von 
einer  kinetischen  Energie  der  stationären  Welle  reden.  Auf 
die  Volumeneinheit  der  Welle  haben  wir,  um  sie  stationär  zu 

1)  W.  Thomson,  Phil.  Mag.  9.  p.  36.  1855.  . 


Au$8trÖmungserscheinungen  permanenter  Gase,  443 

erhalten,  eine  Druckdififerenz  p^  -^  p^  wirken  zu  lassen,  welche 
der  in  jener  enthaltenen  kinetischen  Energie  gleich  ist.  Da 
diese  aber  gleich  ist  der  potentiellen  Energie,  so  haben  wir 
den  Satz:  Um  eine  Welle  stationär  zu  erhalten^  muss  auf  die 
Volumeneinheit  derselben  eine  Druckkraft  wirken  gleich  der  in 
derselben  enthaltenen  potentiellen  oder  kinetischen  Energie,  Um 
eine  stationäre  Welle  zu  erzeugen  und  zu  unterhalten,  müssen 
wir  auf  die  Volumeneinheit  derselben  demnach  einen  Druck 
wirken  lassen  gleich  der  in  derselben  enthaltenen  Gesammt- 
energie.  Für  letztere  fanden  wir  aber  den  Werth  2;r*o^/9*/r*, 
worin  ß  den  Maximalausschlag  eines  Theilchens  bedeutet.  In 
unserem  Problem  ist  der  wirkende  Druck  pj^  —  p^.  Können 
wir  beweisen,  dass 

worin  das  Glied  rechts  die  Schallenergie  in  der  Volumeneinheit 
unseres  Luftstrahles  ist,  so  haben  wir  auch  bewiesen,  dass 
w  ^W\  denn  jene  Druckkraft  p^  —  p^  wird  dadurch  aufrecht 
erhalten,  dass  jene  Energiemenge  W  nicht  in  kinetische  Energie 
der  Strömung  umgewandelt  wird.  Gestützt  auf  diese  Beziehung 
können  wir  die  Wellenlänge  der  auftretenden  Schallschwingung 
berechnen,  diese  mit  den  direct  gemessenen  vergleichen  und 
diese  Beziehung  quantitativ  controliren. 

Die  Bestimmung  der  Wellenlänge  l  gelingt,  wenn  wir  ein 
allgemeines  Gesetz  gefunden  haben  werden,  welchem  die 
Schwingungsdauer  T  folgen  muss.  Wir  denken  uns  eine  ge- 
rade, cylindrische  Säule  vom  Durchmesser  cf,  angeftillt  mit 
einem  Gase  von  der  Dichtigkeit  q  unter  dem  Drucke  p.  So- 
wohl Temperatur  als  Schallgeschwindigkeit  in  demselben  sind 
durch  Q  und  p  bestimmt.  Die  einzigen  Grössen,  von  denen  T 
abhängen  kann,  sind  demnach  dy  q,  p\  andere  unabhängige 
Variabein  sind  nicht  vorhanden.  Wir  haben  also  T  ^  f  [d,  o,  p). 
Die  Form  dieser  Function  können  wir  leicht  durch  eine 
Dimensionsbetrachtung  finden.  Es  zeigt  sich,  dass  keine  andere 
Beziehung  zwischen  den  Dimensionen  dieser  4  Grössen  mög- 
lich ist,  als 

denn  setzen  wir 


444  R.  Emden, 

so  bestimmen  sich  x  y  z  eindeutig  aus  den  8  Bedingungs- 
gleichungen: 

.r  —  3y  -  z  =  0  % 

y  +  z  =  0 
-2z=  1 

zu  X  =  1,  y  =  ^,  r  =  —  ^.  Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  rf,  p,  p 
auf  keine  Weise  zu  einer  dimensionslosen  Grösse  combinirt 
werden  können. 

Nennen  wir  einen  dimensionslosen  Factor  ö>,  so  er- 
halten wir: 

T^^(od^-^. 
P 

Den  Werth  von  o>  können  wir  ermitteln,   wenn  wir  diese 

Formel  auf  einen   speciellen  Fall  anwenden.     Wir  haben  für 

eine    ebene,    fortschreitende   Welle    die    beiden   Werthe    der 

Energie  der  Volumeneinheit  gefunden: 

worin  ß  und  a  Maximalausschlag  und  Maximalgeschwindigkeit 
eines  Theilchens  bedeuten.  Wir  nehmen  nun  solche  Energie 
der  Schwingung  von  der  Periode  T  an,  dass  «  =  der  Schall- 
geschwindigkeit c  =  '^xp  I Q  wird;  dadurch  ist  ß  bestimmt 
Diese  Schallbewegung  soll  in  einer  geraden  Röhre  vor  sich 
gehen,  deren  Durchmesser  d  gleich  dem  Maximalauschlage  ß 
ist.  Setzen  wir  dann  unseren  Ausdruck  lür  Tein,  so  erhalten 
wir  0}  =^  4n^ I X  und  daraus 

Die  Berechnung  der  Wellenlänge  bietet  nun  keine  weite- 
ren Schwierigkeiten.  Wir  gehen  nun  von  der  aufgestellten 
Beziehung  aus 

Pk  -  /^o  =  2  71^  Q^  ^^  . 

Den  Werth  für  T  für  eine  Luftsäule  an  der  Dichte  p^  und 
dem  Drucke  p^^  haben  wir  entwickelt.  Der  Maximalausschlag 
ß,  den  ein  Lufttheilchen  auf  die  Düse  zu  macht,  hat  einen 
einfachen  Werth.  Er  ist  gleich  der  Strecke,  um  die  der  mit 
Schallgeschwindigkeit  c  strömende  Strahl  das  Theilchen  wäh- 
rend  der   Schwingungsdauer  T  zurückschiebt,   um   die  Welle 

m 


Atustramungserscheinungen  permanenter  Otue.  445 

stationär  zu  machen.  Wir  haben  also  ß  =^  cT=  l  der  Wellen- 
läoge.  Setzen  wir  für  ß  und  T  ihre  Werthe  ein,  so  er- 
halten wir 

Pk       Po-  4n^cPp' 

also  ""'' 

k  Po 

^nd  zwar  k  mit  demselben  Maasse  gemessen  wie  d.  Hierin 
tonnen  wir  j»^  noch  ausdrücken  durch  den  Druck  p^  im  Re- 
<^ipienten,  denn  der  kritische  Druck  p^  ist  bestimmt  durch  die 
R-elation 

Sodass  wir  für  X  die  Schlussformel  erhalten 


..-1  p^ 


^■" = i/h^-' •  - 1/ -^i-'-"^ 


^  tff^  aho  proportional  dem  Düsendurchmesser  und  unabhängig 
t>am  Moleculargewicht  des  ausströmenden  Gases,  Findet  das 
Ausströmen  in  die  freie  Atmosphäre  vom  Drucke  Pq=^1  statt, 
so  beginnt  X  reelle  Werthe  anzunehmen,  sobald 

geworden;  das  ist  jener  ausgezeichnete  Druck,  den  wir  oben 
mit  Pj^  bezeichneten,  jener  Druck,  bei  dem  zwischen  p^  und 
Pq  bei  allmählicher  Drucksteigerung  zuerst  das  kritische  Druck- 
verhältniss  erreicht  ist.  Von  da  an  geht  eine  Energiemenge 
1/'  verloren  kommt  ein  X  zum  Vorschein. 

Berechnen  wir  die  nur  von  x  abhängigen  Coefficienten 
der  Formel  für  die  experimentell  geprüften  Gase,  so  erhalten 
wir  für  Lufl:^  wo  x  =  1,4025 


X^=0,81d^^]M — "^ 

V  Po 


-  1,89  Po 


wenn  p^  den  wirklich  vorhandenen  Druck 


V  Po 


446  R.  Emden. 


wenn  p^   den  Ueberdruck  bedeutet;    flir  Wasserstoff,  wo  ;r  = 

1,4084:  

-  UO  Po  • 

bez. 


;imm  ^  0,86  rfmmi/KIlLi  ^ 


=  0,86  rfmmy/P.  -  O»"«  Po 

und  flir  Kohlensäure,  wo  x  =  1,2995: 


;tmm  ^  0,92  rfmmi/Pi \:»^_Po 

V  Po 

bez. 


=  0,92£/°^l/^^^ 


-  0,83  Po 


Experimentell  aber   fanden  wir   als   Mittel   von  8  Düsen  flir 
alle  Gase 

;tmm  =   0,89  rfmmi/Pi  -  ^0  Po^ 

bez. 


;tmm  ^  0,89  ^nii/i?i_:^0,?Ö^ 

K  Po 


Dies  ist  eine  Uebereinstimmung,  wie  sie  vollständiger 
nicht  verlangt  werden  kann.  Die  Differenzen  der  berechneten 
Proportionalitätsfactoren  für  Luft,  Wasserstoff  und  Kohlen- 
säure von  dem  experimentell  gefundenen  Mittelwerthe  betragen 
1 — 4Proc.  und  sind  bei  weitem  geringer,  als  diese  Differenzen, 
die  wir  für  die  verschiedenen  Düsen  fanden,  unter  sich,  und 
sind  experimentell  nicht  mit  Sicherheit  nachweisbar.  Die 
uebereinstimmung  der  beobachteten  und  berechneten  Werthe 
für  ;?fc/,  den  Druck,  bei  dem  sich  diese  Wellen  zu  entwickeln 
beginnen,  ist  für  Luft  und  Wasserstoff  eine  vollständige;  für 
Kohlensäure  ist  diese  Differenz  kleiner  als  0,1  =  0,07  Atmo- 
sphären. Da  diese  Differenz  aber  nur  in  der  Potenz  ^i  auf- 
tritt, kann  sie  in  den  Beobachtungen,  deren  Genauigkeitsgrenze 
höchstens  0,1  Atm.  beträgt,  nicht  mehr  zur  Geltung  kommen. 

Daraus  ergiebt  sich  das  Hauptresultat  dieser  Betrachtungen, 
die  Gleichheit  der  Energie  w  der  im  Strahle  vorhandenen 
stationären  Wellenbewegung  und  jener  scheinbar  verschwundenen 
Energiemenge  /r.  Denn  nur  unter  dieser  Vorraussetzung  haben 
wir  diese  Werthe  für  l  berechnet. 

i 


AusstrÖmunffsersckeinunffen  permanenter  Gase,  447 

Die  Mechanik  des  Ausströmungsvorganges  permanenter 
Gase  liegt  also  klar  vor  uns. 

Strömt  ein  Gas  unter  steigendem  Drucke  in  die  freie 
Atmosphäre  aus,  so  steigt  die  Geschwindigkeit  im  Strahle,  bis 
sie  bei  einem  gewissen,  berechenbaren  Drucke  /?*-  gleich  der 
durch  den  Zustand  des  Gases  im  Strahl  bestimmten  Schall- 
geschwindigkeit geworden  ist.  Dieser  Druck  pj^f,  ist  nicht  ab- 
hängig von  der  Dichte,  dem  Moleculargewichte  des  Gases  und 
wird  nur  in  sehr  geringem  Grade  beeinflusst  durch  das  Ver- 
hältniss  seiner  specifischen  Wärmen,  sodass  derselbe  für  die  ver- 
schiedenen Gase  zwischen  dem  Werthe  1,90  u.  1,83  Atm.  liegt. 

Von  da  an  passirt  das  Gas  die  Düsenmündung,  indem  es 
in  der  Gewichtseinheit  die  Energiemenge 

mit  sich  führt.  Aber  diese  Energiemenge  wird  nicht,  wie 
bisher  allgemein  angenommen,  bei  weiterer  Entlastung  des 
Gases  umgesetzt  in  grössere  kinetische  Energie  der  Strömung, 
denn  die  Geschwindigkeit  derselben  bleibt  von  da  an  gleich 
jener  Schallgeschwindigkeit,  sondern  wird  vollständig  um- 
gewandelt in  eine  im  Strahle  auftretende  stationäre  Wellen- 
bewegung. Von  diesem  Drucke  pkf  an  beginnt  der  Strahl 
seinen  Querschnitt  periodisch  zu  ändern,  wodurch  stationäre 
Dichtigkeitsunterschiede  möglich  gemacht  werden.  Unter  dieser 
Annahme  haben  wir  die  Wellenlänge  der  auftretenden  Schwin- 
gungen in  Uebereinstimmung  mit  den  Beobachtungen  berechnet. 
Diese  Ausflussstrahlen  geben  uns  ein  Mittel,  Schallschwin- 
gungen von  beliebig  kurzer  Wellenlänge,  bez.  hoher  Seh wingungs- 
zahl  hervorzubringen.  Hat  die  Luft  im  Reservoir  eine  Temperatur 
von  ca.  20^  C,  so  beträgt  die  Schallgeschwindigkeit  im  Strahl 
etwa  300  m  sec.  Wir  haben  Wellen  gemessen,  deren  Länge 
bis  auf  0,1  mm  heruntergeht;  dies  enspricht  drei  Millionen 
Schwingungen  pro  Secunde.  Die  längsten  Wellen  betrugen  ca. 
1  cm,  entsprechend  30000  Schwingungen.  Das  mächtige  Getöse 
des  Strahles  ist  also  nicht  durch  diese  Wellen  verursacht.  Wie 
die  Formel  für  k  zeigt,  können  wir  die  Schwingungszahl  be- 
liebig erhöhen,  wobei  allerdings  die  Schallschwingung  immer 
weniger  Energie  enthält,  da  der  Düsendurchmesser  nicht  zu 


448  R.  Emden, 

klein  genommen  werden  kann.  Durch  Vergrösserung  des  Drucke» 
oder  noch  vortheilhafter  des  Düsendurchmessers  können 
andererseits  bis  ins  Bereich  der  hörbaren  Töne  kommen.  Bi£l 
einem  Ueberdruck  von  ca.  26  Atm.  und  einer  Düse  von  ßmnc^ 
würden  wir  mit  10000  Schwingungen  diese  Grenze  erreichen  - 
durch  Vergrösserung  von /?  und  rf  können  wir  beliebig  weit  mi^ 
der  Schwingungszahl  heruntergehen,  wobei  die  entstehende 
Schwingungen  an  Energie  zunehmen,  sodass  sie  in  dem  starke 
Ausflussgeräusche  möglicherweise  noch  deutlich  vernomme 
werden  können.  Wo  eine  Druckluftanlage  im  grossen  Maass- 
Stabe  vorhanden,  würden  sich  Versuche  in  dieser  Richtung 
sicherlich  lohnen;  denn  auf  diese  Weise  ist  die  Möglichkeil 
vorhanden,  gerade  die  höchsten  musikalischen  Töne,  die  sonst 
in  einiger  Intensität  kaum  herzustellen  sind,  in  kräftigstes 
Weise  zu  erhalten. 

m.   Vacuumstrahlen. 

Die  Aufgabe,  einen  unter  starkem  Ueberdrucke  ausfliessenden 
Strahl  durch  einen  luftverdünnten  Raum  zu  senden,  lässt  sich 
verhältnissmässig  einfach  lösen,  indem  man  nach  dem  Principe 
der  Wasserstrahlpumpe  den  Strahl  selbst  benutzt,    aus  dem 
durchströmten  Räume  die  Luft  fortzuschaffen  und  den  Druck 
in  demselben  herabzusetzen.    Eine  gewöhnliche  Wasserstrahl- 
pumpe, kräftig  mit  Luft  gespeist,  übt  schon  mehr  oder  minder 
beträchtliche  Saugwirkungen  aus.     Es  handelt  sich  nur  noch 
darum,   durch   optische   Untersuchung   den   wirkenden  Strahl 
auch  verfolgen  zu  können.   Dazu  wurde  folgendes,  provisorisches 
Versuchsmodell  (vgl.  Fig.  6)  gebaut. 

Ein  9  cm  langes  und  9  cm  weites,  starkwandiges  Messing- 
rohr  Ä  wurde  an  seinen  Enden  mit  Fassungen  versehen,  auf 
welche  durch  eine  Anzahl  Schrauben  zwei  starke,  ebene 
Messingplatten  B,  durch  Fett  gedichtet,  luftdicht  aufgepresst 
werden  konnten.  Diese  Platten  waren  im  Centrum  durchbohrt 
In  die  eine  Durchbohrung  konnten  die  conischen  Messingdüsen  C 
eingeschraubt  werden,  die  in  Verbindung  mit  dem  Reducirventil 
standen  und  denen  der  Strahl  entströmte.  Durch  die  Durch- 
bohrung der  anderen  Platten  war  ein  weites  Messingrohr  D 
geführt,  das  an  dem  der  Düse  zugekehrten  Ende  durch  eine 
dünne  Messingscheibe  verschlossen  war.    In  derselben  war  eine 

I 


ÄussirÖmungserscheinungen  permanenter  Gase.  449 

kreisförmige  Oeffhung  E,  etwas  weiter  als  die  Düsenöffnung, 
angebracht,  durch  welche  der  Strahl  aus  dem  Inneren  des 
V  Apparates  ungestört  ausfliessen  konnte.  Ich  nenne  diese  Oeff- 
niuig  die  Säugöffnung.  Dies  Messingrohr  war  durch  eine  Stopf- 
btLclise  geführt,  um  den  Abstand  der  Säugöffnung  von  der 
Dtäse,  die  Strahllänge,  ändern  zu  können.  Die  eine  der  beiden 
Deckplatten  konnte  verschoben  werden,  um  Düsenmündung 
and  Saugöffnung  genau  aufeinander  zu   centriren.     An   zwei 


Fig.  6. 

diametral  gegenüberliegenden  Stellen  waren  an  dem  weiten 
Messingrohre  möglichst  weite  Durchbohrungen  F  angebracht, 
auf  diese  kurze  Kamine  aufgesetzt,  die  durch  aufgefettete 
Spiegelglasplatten  luftdicht  abgeschlossen  waren.  Durch  diese 
hindurch  konnte  der  Strahl  direct  beobachtet  oder  photographisch 
fixirt  werden.  Durch  ein  weiteres  Ansatzrohr  G  war  das 
Rohrinnere  mit  einem  offenen  Quecksilberbarometer  in  Ver- 
bindung. Alle  Fugen  wurden  mit  Wachs  und  Colophonium 
abgedichtet.  Leider  aber  konnte  die  erwähnte  Stopfbüchse 
nicht  genügend  luftdicht  hergestellt  werden,  sodass  es  trotz 
■kräftigen,  sehr  raschen  Saugens  des  Strahles  nicht  gelang,  den 


▲od.  d«  PhTi.  XL  CbeiD.    N.  F.    69. 


29 


450  R.  Emden. 

Druck  unter  70  mm  herabzusetzen.  Es  hat  dies  aber  um  so 
weniger  zu  bedeuten,  als  ja  nicht  die  Grenze  dieser  Sang- 
wirkung  geprüft  werden  sollte  und  es  sich  andererseits  heraus*« 
stellte,  dass,  um  stärkste  Vacua  zu  erhalten,  die  Säugöffnung 
der  Düse  auf  eine  Distanz  genähert  werden  musste,  die  kleiner 
war  als  die  Länge  der  auftretenden  Schallwellen,  sodass  eine 
Messung  derselben  doch  nicht  mehr  möglich  war. 

Die  Düsen  G  und  S  sind  schwach  conische  Messing- 
düsen, die  Durchmesser  ihrer  Mündungen  betragen  2,9  bez. 
3,50  mm.  p^^  bedeutet  den  im  Eeductionsventil  herrschenden 
Druck  {nicht  Ueberdruck),  p^  den  Druck  im  durchströmten 
Raum  in  Atm.;  die  gemessenen  Werthe  von  p^Ipq  und  die 
zugehörigen  k  sind  in  die  Diagramme  6  und  H  eingetragen. 

Die  Wellenlänge  k  in  ihrer  Abhängigkeit  von  den  drei 
Variabein  d,  p^  und  p^  (bisher  war  p^  constant  =1)  können 
wir  wiederum  darstellen  durch  die  beiden  Formeln: 


{G)  Ä  -°>  =  0,79 .  d^^  Wp±  _  1^90. 


{H)  k^^  =^0,n.d ^^  Jvi  _  1,90. 

Die  Abhängigkeit  des  p^  von  p^  brauchen  wir  nicht  zu 
kennen,  da  wir  stetö  p^/p^  gemessen  haben.  Unter  Zugrunde- 
legung dieser  Formeln  sind  die  in  Taf.  IV  ausgezogenen 
Curven  G  und  //  construirt 

Die  so  gewonnenen  Strahlbilder  stimmen  im  wesentlichen 
mit  den  bereits  im  ersten  Abschnitte  beschriebenen  überein. 
Die  Strahlen  sind  diesmal  aber  viel  früher  schon  gestört  und 
sind  merkwürdigerweise  die  Scheibchen,  namentlich  das  erste, 
gegenüber  der  Düsenmündung  bedeutend  erweitert.  Eine  Ur- 
sache hierfür  kann  ich  nicht  angeben.  Möglicherweise  haben 
wir  hierin  wie  in  der  rascheren  Störung  des  Strahles  eine 
Wirkung  der  Reibung  zu  sehen,  die  wir  bis  jetzt  vernach- 
lässigten. Denn  da  die  Geschwindigkeiten  dieselben  sind,  wird 
dieselbe  in  gleicher  Stärke  auftreten;  da  aber  mit  fallendem 
Pf^  auch  die  mittlere  Dichte  des  Strahles,  wie  wir  sehen 
werden,  abnimmt,  wird  ihre  Wirkung  auf  ein  Volumelement 
immer   mehr   zur   Geltung   kommen.     Selbstverständlich   wird 


Atuströmungserscheinungen  permanenter  Gase.  451 

die  im  vorigen  Abschnitte  entwickelte  Theorie  durch  die  Un- 
gleichheit der  Scheibchen  und  des  Düsendurchmessers  nicht 
P  berührt,  da  sie  nur  die  Constanz  von  gf  verlangt.  Auch  jene 
noch  nicht  völlig  erklärten,  sich  kreuzenden  Linien  im  Strahl- 
bilde stimmen  bei  Werthen  von  Pijp^,  die  den  früheren  p^ 
gleich  sind,  vollständig  mit  den  bereits  geschilderten  überein. 
Namentlich  bei  Abnahme  des  p^  aber  nehmen  sie  Formen  an, 
die  wohl  niemand  in  Versuchung  führen  werden,  dieselben  für 
das  Abbild  conischer  Schallwellen  zu  halten.  Auch  schmiegen 
sich  dann  an  diese  dunklen  Linien  solche  von  grösster  Hellig- 
keit an,  in  denen  dies  Deficit  an  Lichtenergie  wiederum  zum 
Vorscheine  kommt,  sodass  mich  dies  in  meiner  Auffassung 
dieser  Linien  als  einer  eigenthümlichen  Brennlinienerscheinung 
bestärkt. 

Wir  betrachten  wiederum  in  erster  Linie  die  in  Umsatz 
tretenden  Energiemengen.  Beim  Ausflusse  in  die  freie  Atmo- 
sphäre hatten  wir,  sobald  das  kritische  Druckverhältniss  über« 
schritten  war,  die  in  der  Gewichtseinheit  des  aufgespeicherten 
Gases  enthaltene  innere  Energie 

in  zwei  Theile  zerlegt  nach  dem  Schema 

Po  '*  Po 

Pi  Px  Pjc 

und  hatten  die  durch  das  zweite  Integral  rechts  repräsentirte 
Energiemenge  im  Strahle,  der  mit  Schallgeschwindigkeit  mit 
einer  Dichte  q^  unter  dem  Drucke  p^  strömte,  als  Schallenergie 
wiedergefunden.  Bei  steigendem  Drucke  p^  nimmt  letztere  zu, 
da  das  betreffende  Integral  durch  Wachsen  von  p^^  sein  Inter- 
vall erweitert.  Ebenso  verfahren  wir  hier.  Nimmt  bei  ge- 
gebenem /?j  der  Aussendruck  Pq  ab,  so  tritt  wiederum,  sobald 
das  kritische  Druckverhältniss  erreicht  wird,  jene  Integral- 
zerlegung ein,  und  wiederum  finden  wir  im  Strahle  stationäre 
Schallwellen,  deren  Energie  bei  abnehmendem  p^  zunimmt,  da 

Pn 

das  Integral   f  hier  durch  Verminderung  von  p^  sein  Intervall 

•  29* 


452  R.  Emden. 

erweitert.  Während  aber  im  ersten  Falle  diese  Wellen  stet^ 
in  demselben  Strahle  sich  bilden,  hat  im  zweiten  Falle  der  di 
Wellen  tragende  Strahl  stets  kleiner  werdende  Werthe  YonT 
Pq  and  Qq.  Aber  immer  können  wir  uns  vorstellen,  dass  incx 
Recipienten  anfangs  auch  p^  herrschte  und  wir  durch  Steige-- 
rung  desselben  den  in  Frage  kommenden  Zustand  herstelltea. 
Auch  hier  wird  die  Uebereinstimmung  der  unter  der  Annahme 
w  =s  W  berechneten  A  mit  den  direct  beobachteten  diese  Auf- 
fassung der  Ausströmungserscheinungen  rechtfertigen. 

Auf  Grund  der  Annahme  w  =^  W  werden  wir  auch  hier 
auf  die  Gleichungen 

geführt  und  erhalten  daraus  die  Gleichung  für  A: 


;^mm 


=  v^itSF-l/^-^ 


X-    1 


p« 


also  für  Luft,  wo  x  »  1,4025: 


l^^  =  0,87  (f°««l/^-  1,89, 

r     x'O 


während  wir  auf  Grund  der  Versuche  fanden : 


;mm  ^  0,79  (/™™l/^'  -  1,90  für  Düse  G 

und  A°»°»  =  0,77  rf«>™i/?^  -  1,90  für  Düse  H, 

eine  in  Anbetracht  des  Umstandes,  dass  wir  Reibungskräfte 
vernachlässigen,  die  stets  im  Sinne  einer  Verkleinerung  von  X 
wirken,  völlig  befriedigende  Uebereinstimmung.  Dadurch  ist 
auch  bei  diesen  Strahlen  die  Gleichheit  von  w  und  W  bewiesen. 
Da  in  dieser  Gleichung  jo^  4=  1  ist,  so  können  wir  offenbar 
nicht  ohne  weiteres  mit  Ueberdrucken  arbeiten,  welche  die 
Formel  compliciren  würden,  sondern  haben  stets  die  herrschen- 
den Drucke  einzuführen.  In  unsern  Versuchen  war  p^  von  p^ 
abhängig.     Könnten  wir  aber  p^  beliebig  constant  halten  und 


ÄusstrSmungsersckeinungen  permanenter  Gase.  463 

e   A-Curven  construiren,   so   würden   alle   diese  Curven  die 
bscissenaxe  in  dem  Punkte 


S-("-T^)^ -••»»*'"•. 


ixn  kritischen  Druckverhältnisse,  schneiden;  von  diesem 
unkte  an  beginnen  die  Wellen  und  Strahlen  aufzutreten,  be- 
Ont  der  Strahl  periodisch  seinen  Querschnitt  zu  ändern ;  der 
Dergieinhalt  dieser  Wellen  to  ist  gleich  der  von  diesem 
unkte  an  zur  Umwandlung  verf&gbaren  Energiemenge 

Die  hier  entwickelte  Theorie  der  Ausströmungserscheinungen 
r  Oase,  welche  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit,  die  Wellen- 
ige und  selbst  den  Energieinhalt  der  in  den  Strahlen  auf- 
tenden  stationären  Wellen  auf  Grund  einfacher  Energiebe- 
chtungen  zu  berechnen  gestattet,  wird  vielleicht  in  einigen 
nkten  auf  Grund  weiterer  Erfahrungen  noch  modificirt  werden 
Lssen.  Die  üebereinstimmung  der  berechneten  und  beob- 
iteten  Wellenlängen  aber  beweist,  dass  sie  wenigstens  in  den 
sentlichen  Grundzügen  die  beobachtbaren  Erscheinungen 
htig  interpretirt. 

München,  Physik.  Institut  der  Egl.    techn.  Hochschule, 

October  1898. 

(EiDgegangen  19.  März  1899.) 


% 

6.  Ueber  den  JLuftwidersta/nd  fliegender  Geschosse; 

van  Robert  Emden. 


Bewegen  wir  eine  senkrecht  gestellte  Fläche  vom  Quer- 
schnitte F  mit  der  horizontalen  Geschwindigkeit  v  durch  Lufl 
von  der  Dichte  p,  so  ist  der  Widerstand,  den  sie  erfahrt: 

Für  den  Widerstand,  den  ein  fliegendes  ßeschoss  vom 
Querschnitte  F  erfährt,  hat  sich  durch  Versuche  ergeben^), 
dass  wir  dies  M^'  noch  multipliciren  müssen  mit  einem  Factor  Jl, 
der  von  der  Form  desselben  und  der  Beschaffenheit  seiner 
Oberfläche  abhängt,  und  mit  einer  Function  der  Geschwindig- 
keit, K{v)^  weil  der  Widerstand  nicht  genau  proportional  mit 
v^  wächst,  sodass  wir  haben: 

}r^'k,o.F.v^.K{v). 

Für  Fluggeschwindigkeiten  des  Geschosses,  die  kleiner  als 
Schallgeschwindigkeit  sind,  hat  K[v)  den  konstanten  Werth  0,14; 
nähert  sich  jene  der  Schallgeschwindigkeit,  so  steigt  K{y)  plötz- 
lich sehr  rasch  an,  um  nach  Ueberschreitung  derselben  wieder 
constant  zu  werden,   =  0,39. 

Die  Function  nimmt  K[v)  also  ungefähr  folgenden  Verlauf: 


K 


'V> 


0.5 
lO/t 

0.3 
10.2 


J).I 


V  ' 


m      200      JtkJ      ¥ßO     ÖOO      öVü       700    ^ 


Die  Ursache  dieses  plötzlichen  Wachsens  von  K  ist  noch 
unerklärt.     Mir  scheint  folgende  Erklärung  einfach  und  über- 


1)  Vergleiche  C.  Cranz.    Lehrbuch  der  theoretischen  äusseren  BaJIi- 

I 


Luftwiderstand  fliegender  Geschosse.  455 

zeugend.  Zur  Ueberwindung  des  Widerstandes  hat  das  Ge- 
schoss  Arbeit  zu  leisten.  Diese  Arbeit  steigt  an,  sobald  die 
Geschwindigkeit  der  Art  angewachsen  ist,  dass  sich  nach  den 
Versuchen  von  E.  Mach  eine  conische  Kopfwelle  ausbildet;  denn 
dies  findet  statt,  sobald  das  Geschoss  mit  Schallgeschwindig- 
keit fliegt.  Eine  jede  Schallwelle  enthält  aber  Energie;  dieselbe 
ist,  wie  ich  in  einer  früheren  Arbeit^)  gezeigt,  =«  c' (>q /«*  df  F, 
wobei  die  Integration  über  den  von  der  Welle  eingenommenen 
Raum  auszudehnen  ist  und  s  die  Gondensation  bedeutet. 
Diese  Energiemenge  muss  der  lebendigen  Kraft  des  Ge- 
schosses entnommen  werden.  Sowie  das  Geschoss  beginnt 
mit  Schallgeschwindigkeit  zu  fliegen,  hat  es  ausser  Ueberwin- 
dung des  Widerstandes  noch  Arbeit  zu  leisten  zur  Bildung 
der  Kopfwelle,  welche  Arbeit  steigt,  bis  die  Kopfwelle  in  ihrer 
Maximalintensität  sich  entwickelt  hat.  Diese  Maximalwelle 
muss  stets  neu  erzeugt  werden,  und  der  vergrösserte  Widerstand 
des  Geschosses  bleibt  von  da  an  wieder  constant.  Ich  konnte 
keine  Versuchsdaten  auffinden,  die  entscheiden  lassen,  ob  die 
Maximalintensität  in  Wirklichkeit  existirt,  oder  die  Intensität 
der  Kopfwelle  dauernd  mit  der  Geschwindigkeit  wächst. 


1)  R.  Emden,  Wied.  Ann.  69.  p.  264.  1899. 

(CiDgegangen  19.  März  1899.) 


6.  Dichtebestimfnungen 

von  gesättigten  I>änipfen  wnd  Flüssigkeiten; 

von  Mudolf  Freiherr  von  Hirsch* 

(Htem  Taf.  TU.) 


Einleitung. 

Die  specifischen  Volumina  der  gesättigten  Dämpfe  und  der 
Flüssigkeiten  unter  Sättigungsdruck  spielen  einestheils  in  den 
Gleichungen  der  Thermodynamik  eine  Eolle,  andererseits 
scheinen  sie  geeignet,  über  den  Zusammenhang  des  flüssigen 
und  dampfförmigen  Aggregatzustandes  wichtige  Aufschlüsse  zu 
geben. 

Dennoch  umfasst  die  experimentelle  Untersuchung  ver- 
hältnissmässig  wenige  Stoffe  und  ist  auch  fiir  diese  nur  inner- 
halb enger  Temperaturgrenzen  ausgeführt;  besonders  für  hohe 
Temperaturen  sind  die  vorliegenden  Resultate  so  wenig  zahl- 
reich, dass  weitere  Bestimmungen  als  wünschenswerth  er- 
schienen. 

Bei  der  Ausführung  der  Versuche  bediente  ich  mich 
folgender  von  S.  Young  angegebenen  Methode^):  Eine  beider- 
seitig geschlossene  Glasröhre  wird  nacheinander  mit  zwei  ver- 
schiedenen Gewichtsmengen  p  und  /?'  der  zu  untersuchenden 
Substanz  gefüllt ^j  und  auf  eine  constante  Temperatur  T  ge- 
bracht. Aus  dem  abgelesenen  Stand  des  Meniscus  ergeben 
sich  in  dem  calibrirten  Rohr  die  von  Flüssigkeit  und  Dampf 
eingenommenen  Volumina,  F^  bez.  F^  für  die  erste,  Fa  bez.  Fi 
für  die  zweite  Füllung.     Bildet  man  die  Grössen 


5«'  =  z;»,    sb  =  ^ 


1)  Eine  Uebersicht  und  Discussion  der  sonst  bekannten  Methoden 
findet  sich  in  der  Dissertation. 

2)  S.   Young,    Joum.   of  the   Chemical   Society   of  London  &9* 
p.  911  ff.  1891. 


Dichte  geiäüigter  Dampfe  und  FlüaiigkeiteH.  457 

8^  bei  der  ersten  Füllung  das  aus  der  Gewichtseinheit 
kelte  DampfvolumeD ,  S^  die  von  der  Gewichtseinheit 
bleibende  Flüssigkeit;  also  das  specifische  Volumen  der 
;keit,  d.  h.  das  Volumen  der  Gewichtseinheit  Flüssigkeit 

das  VerhaltnisB  der  specifischen  Volumina  von  Dampf 
.Qssigkeit  bedeutet.  Dieselbe  Betrachtung,  auf  die  zweite 
g  angewendet,  ergiebt 

Ä  =  s;  +  5i  > . 

OS  beiden  Gleichungen  berechnet  sich 

„       s«  s'b  -  s: St 


er  bei  den  Versuchen 
te  Apparat  war  bis  auf 
geringfttgige  Aende- 
I  nach  den  Angaben 
,  Yonng')  angefertigt 
■ig-  1): 

in  vertical  stehendes, 
!0  mm  weites,  60  cm 
Bohr  aus  dickwan- 
scbwer  schmelzbarem 
{Verbrennungsrohr  ab) 
einen  kurzen  Messing- 
ific)  eingekittet;  der- 
xng  zwei  seitliche  An- 
ire,  von  denen  das  eine 
er  Kühlschlange  k,  das 
zu  einem  Kolben 
der  die  zur  Her- 
g  der  hohen  Tempera- 
iienenden  SiedeflUssig- 
enthielt.     Hit  einem 


8.  Young,  Joum.  Chem.  Soc.  59.  p.  S7.  1891. 


458  R,  von  Hirsch, 

ebensolchen    Kolben    war    das    obere    Ende    der    Röhre  cm  b 
durch    ein    doppelt   gebogenes   Messingrohr   verbunden.     I>i6 
Röhren   sind   in   die  Siedekolben  mittels  durchbohrter  Eorfct^ 
eingesetzt;    diese    stehen    in   Sandbädern   und   werden  durcii 
starke   Bunsenbrenner    erhitzt     Das   Dampfrohr  ah   ist  von 
einem  weiteren  Schutzrohr  ef  umgeben,  welches  durch  Korke 
auf  diesem   gehalten  wird.     Ausserdem   sind,   ebenfalls  zum 
Schutz  gegen  Abkühlung  nach  aussen,  alle  erwärmten  Theile 
des  Apparates  mit  dickem  Asbestpapier  umwickelt     Das  Ver- 
suchsrohr  wurde  anfangs  nach  den  Angaben  von  S.  YouDg 
an   einem   Stiel  von   unten  in  das  Dampfrohr  eingeführt  und 
mittels    eines    durchbohrten    Korkes    festgeklemmt,    während 
ein  Thermometer  von  oben  an  einem  Draht  in   den  Dampf- 
raum  hing.     Da  jedoch   der  Kork   beständig   undicht  wurde 
und  die  Röhre  nicht  ordentlich  festhielt,  so  wurde  später  die 
untere  OeflFnung  des  Dampfrohres  ganz  verschlossen,  die  Ver- 
suchsröhre aber  ohne  Stiel  an  das  Thermometer  gebunden  von 
oben  eingeführt.     Gegenüber  der  FlüssigkeitsoberÜäche  o  ist 
aus  der  Asbestumwickelung  vorne  und  hinten  ein  längliches 
Fenster  ausgeschnitten;   das  eine  dient  zur  Beleuchtung  des 
Meniscus  mit  einer  kleinen  Glühlampe,   das  andere  zur  Ab- 
lesung durch  ein  etwa  5  m  entferntes  Fernrohr.    Da  während 
der  Versuche  die  Drucke  im  Rohr  sehr  gross  werden,    so  ist 
zum   Schutz   gegen   etwaige   Explosionen   der   ganze  Apparat 
von   einem   Drahtgitter   umgeben.     Der   Gang   der   Versuche 
bedarf  keiner  Erläuterung.    Bringt  man  die  Flüssigkeit  in  den 
Kolben  zum  Sieden,  so  erfüllt  sich  der  Inneuraum  des  Apparates 
mit  einem  Dampfstron;  von  constanter  Temperatur;  diese  sowie 
der  Stand  des  Flüssigkeitsmeniscus   in  der  Röhre  werden  ab- 
gelesen.   Der  verbrauchte  Dampf  strömt  durch  die  von  kaltem 
Wasser    umflossene    Kühlschlange    ab    und    wird    in    einem 
unterstellten  Gefäss  als  lauwarme  Flüssigkeit  wiedergewonnen, 
welche  sofort  zur  Wiederholung  des  Versuches  benutzt  werden 
kann. 

Die  Füllung  der  Versuchsröhren  mit  den  zu  untersuchen- 
den Flüssigkeiten  geschah  nach  der  von  Young  angegebenen 
Methode.^)     Ein  Glasrohr  von  2\/j  bis  5  mm  innerem  Durch- 

1)  S.  Young,  Journ.  Chem.  Soc.  59.  p.  37 fF.  1891. 


Lichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigheiten.  469 

^^^ser  und  etwa  5  mm  Wandstärke  (vgl.  Fig.  2)  wurde  mit  einer 
ÄiWimetertheilung  versehen  und  mittels  Quecksilberfadens  calib- 
'^.  Hierauf  wurde  die  Röhre  etwa  30  cm  von  einem  Ende  zuge- 
^chmolzen  (bei  a),  sodass  das 

Stück  a b  den  Stiel  bildete;  bei  c         .,,  ,,.,,,     ,    ,  ^  — b 

den  späteren  Versuchen,  wo  Pig,  2. 

derselbe  weggelassen  wurde, 

zog  man  die  Röhre  bei  a  ab.  Das  Ende  bei  a  wurde  mit  Queck- 
silber ausgewogen  und  auf  das  sorgfältig  gereinigte  Rohr  bei  c 
1er  nebenbei  abgebildete  Ansatz  aufgeschmolzen.  Nachdem 
ler  ausgebauchte  Theil  desselben  etwa  zur  Hälfte  mit  der  zu 
)rüfenden  Flüssigkeit  gefüllt  war,  wurde  die  OeflFnung  o  mit 
dner  Quecksilberpumpe   verbunden   und   das  o 

iohr  ausgepumpt.  Befindet  sich  die  Oeffnung 
les  kleinen  Rohrstückes  r  unter  der  Ober- 
läche  der  Flüssigkeit,  so  saugt  es  dieselbe 
etzt  ein,  ist  eine  genügende  Quantität  ein- 
gedrungen, so  dreht  man  das  Rohr,  sodass 
iie  OeflEhung  von  r  jetzt  über  dem  Niveau 
ler  Flüssigkeit  steht  und  die  Saugewirkung 
lufhört.  Nach  einigen  Stössen  der  Luftpumpe 
97ird  sodann  das  Ansatzstück  an  der  zu  diesem 
Zweck  verengten  Stelle  e  abgeschmolzen.  Nach- 
dem man  der  Flüssigkeit  einige  Stunden  Zeit 
gelassen  hat,  an  den  Wänden  herabzufliessen,  ^^S-  ^' 
wird  der  Stand  bei  Zimmertemperatur  abgelesen  und  hieraus 
mittels  des  bekannten  specifischen  Gewichtes  das  Gewicht  der 
Füllung  berechnet.  Hierauf  wird  die  Röhre  umgekehrt  und 
jetzt  mittels  des  bekannten  Gewichtes  der  Füllung  das  Volumen 
des  anderen  Endes  bestimmt.  Diese  Methode  der  Füllung 
ist  nicht  gerade  sehr  einfach,  dafUr  leistet  sie  aber  Gewähr, 
dass  die  Luft  aus  der  Röhre  vollkommen  entfernt  ist,  und 
die  Substanz,  welche  ja  nur  mit  den  Rohrwänden  in  Berührung 
kommt,  nicht  verunreinigt  wird  (vgl.  Fig.  3). 

Als    Siedeflüssigkeiten   wurden    folgende  Substanzen    ver- 

wendet* 

Dimethylanilin  (Siedepunkt  190<>) 

Diäthylanilin  (Siedepunkt  2120) 

Benzoesfiureisobutylester  (Siedepunkt  237°) 

Bromnaphtalin  (Siedepunkt  276°) 


460  B,  von  Hirsch, 

Die  drei  ersten  Substanzen  sieden  sehr  constant,  Brom- 
naph talin  dagegen  zersetzt  sich  sehr  stark,  sodass  die  Tem- 
peratur während  eines  Versuches  nie  ganz  constant  wird,  be-^ 
sonders  wenn  man  den  in  den  Kolben  bleibenden  Rest  der 
Flüssigkeit  nicht  jedesmal  entfernt  und  nur  das  Destillat  ver- 
wendet; thut  man  dies,  so  braucht  man  sehr  grosse  Mengen 
Substanz;  auch  der  sehrunangenehme  Geruch  des  Bromnaphtalins, 
der  ein  längeres  Arbeiten  in  diesen  Dämpfen  erschwert,  lässt 
es  als  Siedeflüssigkeit  wenig  geeignet  erscheinen. 

Betreffs  der  Berechnung  der  Versuche  ist  folgendes  zu 
erwähnen: 

Alle  Volumina  sind  auf  ^lo  ^^™  genau  bestimmt  und 
hieraus  die  Grössen  Sa  und5^auf4Decimalstcllen  ausgerechnet; 
die  vierte  Stelle,  welche  keinen  Anspruch  auf  Richtigkeit 
machen  kann,  ist  in  dem  nach  der  Formel 

o  Sa    Sb  —  Sa'  Sb 


Sb-  Sb 

berechneten   Werth    des    specifischen   Volumens   weggelassen. 
Ein  immerhin  möglicher  Ablesefehler  von  ^/^^  ^^  macht  sich 
bereits   in  der  dritten  Decimale  bemerkbar,  deren  Einheiten 
daher  nicht  als  sicher  betrachtet  werden  können. 
Die  Berechnung  von 

S, 


r  = 


S-S. 


wird  um  so  ungenauer,  je  kleiner  S—Sa  ist,  d.  h.  je  weniger 
Substanz  verdampft  ist.  Die  Methode  ist  daher  nur  für  Tempe- 
raturen erheblich  über  dem  normalen  Siedepunkte  der  zu 
untersuchenden  Substanz  anwendbar. 

Wird  S  zu  gross  gefunden,  so  muss  r  zu  klein  ausfallen  und 
umgekehrt.  Das  specifische  Volumen  des  Dampfes,  auf  das 
es  eigentlich  ankommt,  s  =  r .  S,  ist  daher  immer  weniger  un- 
genau als  r. 

Es  wurden  folgende  Correctionen  angebracht. 

1.  Correction  wegen  des  Caliberfehlers  des  Rohres. 

2.  Correction  wegen  des  Meniscus  (stets  als  ^/j  Grund- 
fläche-Höhe berechnet).  Dieselbe  Correction  wurde  auch  bei 
der  Calibrirung  mit  Quecksilber  angewendet. 


> 


Dickte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten,  461 

3.  EHne  Correction  wegen  AusdebnuDg  des  Glases  war 
nicht  nöthig,  da  dieselbe  auch  bei  den  grössten  Werthen  der 
Yolumina  (2000  cmm)  mit  dem  gewöhnlichen  Ausdehnungs- 
coefficienten  des  Glases  0,000025,  erst  0,05  cmm  ausmacht, 
während  alle  Volumina  nur  auf  0,1  cmm  berechnet  sind. 

4.  Die  wichtigste  Correction  ist  die  wegen  des  bei  Zimmerr 
temperatur  im  Rohr  vorhandenen  Dampfes,  welche  bei  der 
Gewichtsbestimmung  einige  Milligramm  ausmachen  kann.  Sie 
beeinflusst  den  Werth  von  S  fast  gar  nicht,  den  von  r  sehr 
stark,  um  so  stärker  je  grösser  r,  also  je  niedriger  die  Tem- 
peratur ist. 

Bei  dieser  Correction  wurde  für  den  Dampf  stets  die 
normale  Dichte  angenommen,  d.  h.  das  halbe  Moleculargewicht 
multiplicirt  mit  der  Dichte  des  Wasserstoffs,  0,0008988. 

Alle  Versuche  wurden  mindestens  dreimal,  und  wenn  die 
Resultate  schlecht  übereinstimmten,  noch  öfter  wiederholt. 

Um  S  aus  den  Versuchen  mehrere  Male  zu  berechnen, 
müssen  mindestens  drei  verschiedene  Füllungen  untersucht 
werden,  wie  dies  bei  der  einen  Hälfte  der  geprüften  Substanzen 
auch  geschah;  da  aber  in  der  Gleichung 

S^b  —  Sb 

S'j^  —  5j  nicht  zu  klein  werden  darf,  so  können  nur  solche 
Werthe  zur  Berechnung .  combinirt  werden,  bei  welchen  die 
Füllungen  erheblich  voneinander  abweichen.  Da  die  mehr- 
mals berechneten  Werthe  von  S  stets  gut  miteinander  über- 
einstimmten, so  erscheint  auch  da,  wo  diese  Grösse  aus  den 
Versuchen  nur  einmal  berechnet  werden  konnte,  die  Genauig- 
keit hinreichend. 

Versuchsresultate. 

Es  wurden  folgende  Substanzen  untersucht:  Toluol;  Ortho-, 
Para-  und  Metaxylol;  Propionsäure;  normale  und  Isobutter- 
säure *). 


1)  Ueber  Reinigung  der  Substanzen  vgl.  die  Dissertation. 


462 


R,  von  Hirsch. 


I.  Toluol. 


Siedepunkt  110^;    specifisches  Gewicht  bei  18^:   0,8665.* 
Die  Resultate  sind  in  den  folgenden  Tabellen  zusammen- 
gestellt^): 

Tabelle  1. 


190  <> 
212 
237 
276 


Sa 


S, 


1,2318 
1,1949 

0,6685 


7,0657 
7,1026 

7,6290 


S, 


1,4318 
1,4558 


2,5276 
2,5036 


1,2255    7,1188    1,3476  3,3628 

1,1751    7,1692  ;  1,3648  3,3456 

1,0798    7,2645  i  1,3634  3,3470 

I                 1,3207  3,3897 


Tabelle  2. 


T 


190» 
212 
237 
276 


I 


8 


1,452  30,7 
1,516  1  22,1 
1,620       13,4 


44,7 
33,5 
21,8 


1,839         6,43  !    11,8 


II 


S 


1  .4 
1.4 
2.3 
1.4 


1,456 
1,534 
1,606 
1,842 


31,4 
19,8 
13  8 
6,59 


8 


45,7 

8.4 

30,4 

3.4 

22.1 

3    4 

12,4 

1.2 

Tabelle  3. 


T         \ 

S 

r 

s 

D 

(l 

190» 

1,455 

31,1 

45,2 

0,687 

0,022 

212 

1,525 

21,0 

32,0 

0,656       1 

0,031 

237 

1,613 

13,6 

22,0 

0,620       1 

0,045 

276          1 

1,841 

6,51 

12,1 

0,543 

0,082 

Die  erste  Tabelle  enthält  die  aus  der  Beobachtung  an  vier 
Versuchsreihen  entnommenen  Werthe  von  S^  und  45^,  die  zweite 
die  hieraus  berechneten  Grössen  Ä,  r  und  *,  wobei  die  letzte 
Columne  die  Nummern  der  Beobachtungsreihen  angiebt,  welche 
der  Berechnung   zu  Grunde   liegen.     In    der  dritten  Tabelle 

1)  Bei  Toluol  ist  das  ganze  Material  angegeben,  bei  den  folgenden 
Substanzen  nur  die  für  Temperaturintervalle  von  10  °  abgeleiteten  Werthe 
von  5,  *,  D  und  d. 


Dichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiteru 


463 


sind  die  aus  beiden  Berechnungen  gezogenen  Mittelwerthe  von 
S,  r  und  ä,  sowie  deren  reciproke  Werthe,  die  Dichten  i>=  1/5 
^  und  d=lls  zusammengestellt.  Trägt  man  diese  Werthe  D 
und  d  in  einem  Coordinatensystem,  dessen  Ordinaten  die 
Temperaturen  sind,  als  Abscissen  auf,  so  sollen  nach  einem 
von  Matthias  aufgestellten  Gesetz^)  die  Mittelwerthe  (D  +  d)j2 
auf  einer  Geraden,  dem  sogenannten  Durchmesser  der  Dichte- 
curren,  liegen.  Dieses  Gesetz  zeigte  sich  hier  wie  bei  allen 
anderen  imtersuchten  Substanzen  vollständig  bestätigt,  wie 
nachstehende  Tabelle  zeigt,  in  welcher  die  erste  Columne  die 
beobachteten,  die  zweite  die  nach  der  Formel 

J  =  0,4464  -  0,000483  t 

berechneten  Werthe  von  (d+D)j2  zeigt: 

Tabelle  4. 


190  0 
212 
237 
276 


0,3547 
0,3435 
0,3328 
0,3128 


0,3546 
0,3440 
0,3319 
0,3131 


Da  also  die  Curve,  welche  die  Dichten  als  Function  der 
Temperatur  darstellt,  einen  geradlinigen  Durchmesser  hat,  so 
ist  die  Annahme  naheliegend,  dass  die  Curve  eine  Parabel 
sei;  thatsächlich  haben  Cailletet  und  Matthias^  für  eine 
Reihe  von  Substanzen  die  Formel  d^a  —  ßt-^-y  '^ß'—t  be- 
stätigt gefunden,  wobei  sie  allerdings  für  den  der  Flüssigkeit 
entsprechenden  Gurvenast  andere  Constanten  a,  /?,  y  annahmen 
als  für  den  Theil,  welcher  dem  Dampf  entspricht;  {0-  bedeutet 
die  kritische  Temperatur),  um  diese  Gesetzmässigkeit  zu 
prüfen,  wurden  die  Constanten  der  Parabel  t/*  =  mx  +  ni/  be- 
stimmt, welche  auf  ein  schiefwinkliges  Coordinatensystem  be- 
zogen ist,  dessen  eine  Axe  dem  Durchmesser  J=:a  —  ttga 
parallel  ist,  sodass 

t/^d+ttga,    ^=— - 
•^  cosa 


1)  £.  Mathias,  Compt.  reud.  115.  p.  35.  1890. 

2)  L.  Cailletet  u.  E.  Matthias,  Compt.  rend.  104.  p.  1563.  1887. 


464 


J?.  von  Hirsch. 


ist.     Die  Scheitelcoordinaten  dieser  Parabel  sind 


—  =s  a    und 
2 


n' 


4m 


cos« 


(t9*  kritische  Temperatur);  also  n  =  2«  =  0,8928 


m  = 


I»- 


«y 


cosa 


Setzt  man  in  dieser  Gleichung  nacheinander  die  vier 
beobachteten  Werthe  von  d  bez.  D  ein,  so  erhält  man 

m'  =  0,0004680  =  0,0004659 
m'  *-  0,0004804  »  0,0004820 
w'  =  0,0004959  -  0,0004904 
m'  «  0,0005293  =  0,0005302. 

Die  Werthe  der  Constante  werden  also  immer  grösser, 
wenn  man  von  niedrigen  zu  höheren  Temperaturen  fortschreitet, 
was  auf  eine  regelmässige  Abweichung  von  der  Parabelgestalt 
deutet.  Diese  Abweichung  ist  sehr  bedeutend;  denn  berechnet 
man  mit  dem  Mittelwerth  von  m'  =  0,000  493  2  die  kritische 
Temperatur  i9-=  —  (n*/4iii'),  so  findet  man  452^  anstatt  des 
beobachteten  ^)  Werthes  320  ^  Die  Curve,  welche  die  Dichten 
als  Function  der  Temperatur  darstellt,  ist  also  im  Vergleich 
mit  dieser  Parabel  erheblich  abgeplattet;  sie  wurde  aus  den 
beobachteten  Werthen  D  und  d  auf  graphischem  Wege  f&r 
das  Intervall  190^  bis  280*^  construirt.  Die  aus  der  Curve 
abgelesenen  Werthe  von  D  und  d  und  ihre  reciproken  Werthe 
S  und  s  sind  in  beistehender  Tabelle  für  Intervalle  von  lO'^ 
angegeben;  die  Curve  selbst  ist  beigefügt  (vgl.  Taf.  VII).  In 
einer  zweiten  Tabelle  sind  die  aus  der  Curve  entnommenen 
Werthe  von  S  und  s  mit  den  aus  der  Beobachtung  direct  ab- 
geleiteten verglichen. 

Tabelle  5. 


T 

D 

d 

S 

s 

T 

0 

d 

5 

s 

190 

0,687 

0,022 

1,455 

45,5  I 

240 

1 

0,614 

0,048 

1,629 

20,8 

200 

0,672 

0,026 

1,488 

38,5  , 

250 

0,594 

0,057 

1,684 

17.5 

210 

0,658 

0,030 

1,520 

33,3 

260 

0,574 

0,066 

1,742 

15,1 

220 

0,644 

0,035 

1,553 

28,6 

270 

0,554 

0,076 

1,805 

13,2 

230 

0,630 

0,040 

1,587 

25,0 

1  280 

0,534 

0,085 

1,873 

11,8 

1)  Pawlewski,  Chem.  Ber.  21.  p.  2141.  1888. 


Lichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten,  465 


\ 


190 
212 
237 
276 


Tabelle  6. 


Beobachtet 


s 


_jl 


1,455 
1,525 
1,613 
1,841 


45,2 
82,0 
22,0 
12,1 


Aus  der  Curve 


6' 


1,455 
1,527 
1,616 
1,846 


8 


45,5 
32,4 
22,1 
12,3 


IL  Orthoxylol. 

Siedepunkt  141^;  specifisches  Gewicht  bei  18^:  0,8790. 
Es  wurde  wieder  die  Curve  der  Dichten  construirt,  deren 
Durchmesser  der  Gleichung 

J  =  0,4578 -0,000 48  W 

entspricht.  Die  nach  dieser  Formel  berechneten  Werthe  sind 
in  Tab.  8  mit  den  aus  der  Beobachtung  sich  ergebenden 
Grössen  {d  +  l))j2  verglichen  und  zeigen  die  Richtigkeit  des 
Matthias'schen  Gesetzes  für  Orthoxylol.  Aus  der  Curve  sind 
die  Werthe  d  und  D  für  Intervalle  von  10^  abgelesen  und 
die  zugehörigen  Grössen  s  und  S  berechnet  (Tab.  7). 


Tabc 

iUe   7. 

» 

T 

S 

1 

s 

D 

d      ;!      T 

1      S 

1 

8 

D 

d 

190 

1,396 

71,4 

0,716 

0,014 

240 

1,524 

35,7 

0,656 

0,028 

200 

1,418  1 

62,5 

0,705 

0,016 

250 

1,560 

29,4 

0,641 

0,034 

210 

1,441 

52,6 

0,694 

0,019 

260 

1,600 

25,0 

0,625 

0,040 

220 

1,466 

47,6 

0,682 

0,021 

1    270 

1,642  \  21,7 

0,609 

0,046 

230 

1,493 

41,7 

0,670 

0,024  "    280 

1,686 

1 

19,2 

0,593 

0,052 

1 

Tabelle  8. 

» 

T 

i      d  +  n     ' 

1     .. 

A 

190 

\       0,3663 

0,3664 

212 

0,3546 

0,3558 

237 

0,3459 

0,3438 

276 

,       0,3' 

249 

0,325 

0 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.    N.  F.    69. 


30 


466 


B.  von  Hirsch, 


III.  Paraxylol. 

Siedepunkt  137^;    Schmelzpunkt  13,0®;    specifisches   Ge- 
wicht bei  18<^:  0,8620. 

Der  Durchmesser  entspricht  der  Gleichung 

A  =  0,3902  -  0,00344  t. 


Tabe 

lUe   9 

1 

T 

d+D 
2 

A 

48 

1900 

0,3237 

0,32 

212 

0,3163 

0,3172 

237 

0,3127 

0,3086 

276 

0,2933 

Tabelle  10 

0,2952 

1. 

T 

1 

1      D 

1 
1 

d 

S 

8         [       T      \ 

D           d 

5 

8 

190« 

0,620 

0,028 

1,613  ' 

!i 
35,7       240  0 

0,575  '  0,041 

1,739 

24,4 

200 

0,612 

0,030 

1,684 

38,3 

250 

0,562 

0,045 

1,779 

22,2 

210 

0,603 

0,032 

1,658 

31,3 

260 

0,548  1  0,051 

1,825 

19,6 

220 

0,594 

0,035 

1,684 

28,6    : 

270    ^ 

0,534 

0,057 

1,873 

17,5 

230 

0,585 

0,038 

1,710  . 

26,3    , 

280 

0,520 

0,062 

1,923 

16,1 

IV.  Metaxylol. 

Siedepunkt  138  ^    specifisches  Gewicht  bei  18  <^:  0,8667. 
Die  Durchmessergleichung  wird 

A  =  0,4385  -  0,000438  L 


Tabelle 

11. 

• 

1 

T 

1 

2 

A 

190 

0,3552 

0,3553 

212       1 

0,3457 

0,3457 

237       ! 

1 

0,3351 

• 

0,3348 

276 

0,3175 

0,3177 

Dickte  ge$äUigter  Dämpfe  und  Flüttigkeiten.  467 


Tabelle  12. 


► 


190 
200 
210 
220 
230 


D 


I 


s 


0,690 
0,678 
0,666 
0,654 
0,642 


0,020 
0,023 
0,026 
0,030 
0,034 


1,449 
1,475 
1,501 
1,529 
1,557 


50,0  i| 
44,5  ,| 
38,5 
33,3 
29,4 


240 
250 
260 
270 
280 


D 

1 

d 

s 

8 

1  0,629 

0,088 

1,590 

26,3 

0,615 

0,043 

1,626 

28,3 

0,600 

0,048 

1,667 

20,8 

0,585 

0,054 

1,709 

18,5 

1  0,570 

0,060 

1,754 

16,7 

V.  Propionsäure. 

Siedepunkt  140^;   specifisches  Gewicht  bei  18^: 
Die  Oleichung  des  Durchmessers  ist: 

J  =  0,5212 -0,000605^. 


1,006. 


Tabe 

Ue   13. 

T 

d-{-  D 
2 

A 

190 

0,4052               0,4053 

212 

0,3928 

0,3932 

287 

0,3779 

0,3781 

275 

0,3538 

0,3538 

Tabelle  14. 

T 

D 

d 

s 

8        T   '    D 

j 

d 

S 

8 

190. 

0,800 

0,0103 

1,250 

97,2      240      0,722 

0,029 

1,383 

34,4 

200 

0,786 

0,013 

1,272 

77,0  i 

250  1  0,703 

0,036 

1,422 

27,b 

210 

0,772 

0,016 

1,295 

62,5  , 

260  1  0,682 

0,044 

1,466 

22,7 

220 

0,756 

0,019 

1,323 

52,7  1 

270 

0,662       0,052 

1,511 

19,2 

230; 

0,740 

0,028 

1,351 

43,5 

280 

0,642 

0,060 

1,558 

16,7 

VI.  Normale  Buttersäure. 

Siedepunkt  162  <>;   specifisches  Gewicht  bei  18^:  0,969. 
Die  Gleichung  des  Durchmessers  ist: 

J  =  0,4953 -0,000  528  f. 

30  ♦ 


468 


R.  von  Hirsch. 


Tabelle  15. 


T 

d+D 
2 

A 

190° 
212 
237 
275 

0,3950 
0,3830 
0,3690 
0,3496 

0,3950 
0,3834 
0,3702 
0,3501 

Tabelle  16. 


T 


D 


190  • 

200 

210 

220 

230 


0,790 
0,774 
0,758 
0,743 
0,728 


d 

S 

8 

T 

D 

d 

S 

0,0033 

1,266 

300 

240  0 

0,713 

0,020 

1,403 

0,006 

1,292 

166 

250 

0,699 

;  0,024 

1,430 

0,009 

1,319 

111 

260 

0,685 

!  0,028 

1,460 

0,012 

1,346 

83,3 

270 

0,671 

0,032 

1,490 

0,016 

1,373 

62,5  , 

280 

0,657 

0,036 

1,520 

50.0 
41,7 
34,3 
31,2 

27,8 


Die  Versuche  bei  190^  liefern  so  grosse  Werthe  von  r, 
dass  dieselben  nur  geringe  Ansprüche  auf  Genauigkeit  machen 
können.  Der  Werth  cL^^^  =  0,0083  ist  kleiner  als  die  normale 
Dampfdichte  0,00395;  wenn  dieser  Werth  aber  auch  etwas 
fehlerhaft  sein  kann,  so  lässt  sich  doch  durch  diesen  Umstand 
allein  das  auffällig  rasche  Abnehmen  der  Dampfdichte  mit  der 
Temperatur  nicht  erklären. 

VII.  Isobuttersäure. 

Siedepunkt  153°;  specifisches  Gewicht  bei  18®:  0,959. 
Die  Gleichung  des  Durchmessers  wird 

J  =  0,4965- 0,000573  A 
Tabelle  17. 


/)  +  d 


190  <» 

0,3877 

0,3876 

212 

0,3760 

0,3750 

237 

0,3612 

0,3607 

275 

0,3396 

0,3389 

Dichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten,  469 


Tabelle  18. 


:r 

!      ^ 

d 

1 
S 

8 

T 

D 

d 

S 

8 

l^Oo 

0,762 

0,013 

1,311 

11,1 

'! 
240  «^ 

0,692 

0,027 

1,445 

37,0 

20o 

0,750 

0,0U 

1,333 

71,4 

250 

0,673 

0,033 

1,486 

30,3 

2lO 

0,738 

0,015 

1,355 

66,7 

260 

0,654 

0,040 

1,529 

25,0 

2<iO 

0,724 

0,018 

1,381 

55,5 

270 

0,636 

0,048 

1,572 

20,8 

^^0 

,  0,708 

0,022 

1,412 

45,4 

280 

0,618 

0,057 

1,618 

17,5 

Zur  Theorie. 

] .  Die  Beobachtungen  gestatten  eine  directe  Bestimmung  der 
Constanten  a  und  b  der  van  der  Wa  als 'sehen  Zustands- 
gieichung: 

RT  a 

Die  Versuche  liefern  nämlich  für  das  specifische  Volumen  v 
zwei  Werthe,  S  für  die  Flüssigkeit,  und  s  für  den  Dampf, 
welche  beide  derselben  Temperatur  und  demselben  Druck  ent- 
sprechen; also 

,T.  RT  a  RT  a 

(I)  P  = 


S-h 


S* 


s-b 


8' 


Femer  gilt  für  die  Sättigungscurve  die  aus  der  Thermodynamik 
bekannte  Gleichung: 

Jpdv  =  p^{v^^v^). 

Vi 

Setzt  man  den  aus  Gleichung  (I)  genommenen  Werth  von 
p  hier  ein  und  führt  die  Integration  aus  (wobei  mit  den  bisher 
angewandten  Bezeichnungen  v^==  Sj  v^=s  zu  setzen  ist),  so 
erhält  man 

Aus  den  beiden  Gleichungen  (I)  und  (II)  ergiebt  sich  durch 
Elimination  von  a: 


(*-*)(«-*)  log- (4^)  = 


2S.s{S-8) 


S  +  5 


-(5-ä)^. 


470 


S,  von  Hirsch, 


Da  diese  Gleichung  nicht  direct  auflösbar  ist,  so  wurd 
ihre  beiden  Theile 


und 


(,.i)(5-/.)log-f-|-  =  y 


S+s  ^         '        ^ 


\ 


als  Curven  construirt  und  aus  ihrem  Schnitt  der  Werth  von  h 
entnommen.     Es  ist  dann  ferner 


a  = 


ETS*8^ 


(S'-b){S''b){S  +  s) 


WO 


7?  = 


absolute  Gasconstante         81,49 


Moleculargewicht 


m 


Die  bei  jeder  untersuchten  Substanz  für  drei  Temperaturen 
berechneten  Werthe  der  Constanten  b  und  a  zeigen  unten- 
stehende Tabellen.  Hieraus  ergiebt  sich^  dass  b  mit  der  Tem- 
peratur langsam  wächst,  während  a  im  allgemeinen  abnimmt; 
nur  bei  Paraxylol   wird  auch  a  mit  der  Temperatur  grösser. 


Tabelle  18 

l 

T 

Toluol 

b 

a 

200° 

230 

270 

1,105 
1,120 
1,145 

Tabelle  20 

2456 
2365 
2270 

T 

Orthoxylol 

Parai 

1       1,185     i 
!       1,210     ' 
:.      1,295 

ylol 
a 

Metaxjlol 

1        b 

a 

b                 a 

190 '^ 

230 

270 

1 

1,097 
1,120 
1,135 

2311 
2291 
2183 

2143 
2226 
2469 

1,110          2191 
1,125           2192 
1,150     ;      2130 

1 

f 


Dichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten.  471 


Tabelle  21. 


Propionsäure 


n- Buttersäure 


Isobuttersäure 


n 


a 


a 


190« 

230 

270 


0,990 
1,025 
1,040 


3058 
3081 
2836 


1,067 
1,080 
1,087 


3451 
3002 
2752 


1,040 
1,072 
1,100 


2709 
2715 
2581 


Die  ,,CoDstanten'^  sind  also  nicht  vollständig  constant,    d.  h. 
die  Zustandsgieichung  entspricht  den  wirklichen  Verhältnissen 
nur   angenähert;    dieses  Resultat   war  vorauszusehen,   da  alle 
bisherigen  Vergleiche  der  Theorie  mit  dem  Versuch  dasselbe 
ergeben  haben.     Die  zahlreichen   anderen,  von  verschiedenen 
Autoren  nach  dem  Muster  von  van  der  Waals  aufgestellten 
Zustandsgieichungen  enthalten  stets  mehr  als  zwei  Constanten, 
welche  daher  aus  den  hier  besprochenen  Versuchen  mit  Hülfe 
obiger    Gleichungen 
nicht  direct  berech- 
net werden  können. 
2.  Theorie  des  kri- 
tischen Punktes.    Die 
Dichten  von  Flüssig- 
keit und  Dampf  im 

Sättigungszustand 
stellen  sich  als  Func- 
tionen der  Tempe- 
ratur in  Form  zweier 
Curven  dar,  welche 
nach  der  herrschen- 
den Theorie  an  der 
kritischen  Tempera- 


krT 


Fig.  4. 


tur  ineinander  übergehen  sollen,  indem  sie  dort  ein  Maximum 
der  jetzt  geschlossenen  Curve  bilden;  dieser  Maximalpunkt,  an 
dem  die  Curve  die  Abscisse  der  kritischen  Temperatur  berührt, 
heisst  der  kritische  Punkt,  das  ihm  entsprechende  Volumen 
das  kritische  Volumen. 

Lässt  man  nun  in  einer  geschlossenen  Bohre,  welche  eine 
bestimmte  Quantität  Substanz  theils  als  Flüssigkeit,  theils  als 
Dampf  enthält,  die  Temperatur  wachsen,  so  wird  die  gleich- 


472  B.  von  Hirsch, 

zeitige  Aenderung  der  Dichten  in  der  Fig.  4  durch  zi^ei 
Punkte  dargestellt,  die  entlang  den  beiden  Aesten  der  Sättigunf^- 
curve  fortschreiten  und  solange  auf  ihr  bleiben,  als  im  Rohr% 
Flüssigkeit  und  Dampf  vorhanden  sind.  Dehnt  sich  die  Flüssig- 
keit so  stark  aus,  dass  sie  das  ganze  Rohr  erfällt,  oder  ver- 
dampft so  viel  Substanz,  dass  das  Rohr  nur  mehr  Dampf 
enthält,  so  hört  die  eine  abbildende  Linie  auf,  während  die 
andere  die  Sättigungscurve  verlässt  und  entlang  der  Ordinate 
weitergeht.  Denn  jetzt  befindet  sich  eine  homogene  Substanz 
yon  unveränderlichem  Gewicht  im  Rohr  von  unveränderlicheai 
Volumen,  die  Dichte  ist  also  constant. 

Ist  dagegen  die  Füllung  so  gewählt,  dass  beim  Erreichen 
der   kritischen  Temperatur   noch  Flüssigkeit   und   Dampf  im^ 
Rohr  vorhanden  sind,  so  müssen  beide  Aeste  der  Sättigungs-^ 
curve   vollständig  bis   zur  kritischen  Temperatur  durchlaufeit 
werden.     Oberhalb  dieser  Grenze  wird  die  Substanz  plötzlick 
homogen,  die  abbildende  Curve  setzt  sich  also  entlang  eiueir 
Ordinate  fort,  die  nur  vom  Verhältniss  der  verwandten  Sub— 
stanzmenge   zum   Rohrvolumen   abhängig   ist,   also   sehr  ver- 
schiedene Lagen  haben  kann,  da  es  in  der  Willkür  des  Be- 
obachters liegt,  wieviel  Substanz  das  Rohr  enthält 

Bezeichnen  nun  d^  und  d^  die  Dichten  von  Dampf  unA 
Flüssigkeit  bei  einer  Temperatur  unterhalb  der  kritischen, 
t?j  und  t»3  die  von  beiden  eingenommenen  Volumentheile,  F  das 
Gesammtvolumen  des  Rohres,  d  die  Dichte  der  homogen  ge- 
wordenen Substanz  bei  einer  Temperatur  oberhalb  der  kriti- 
schen, endlich  p  das  Gewicht  der  Füllung,  so  ist 

Vd  =  v^d^+v^d^=pj 

(I)  d^d,+^^^^, 

also 

und  da  d  mit  der  Füllung  willkürlich  veränderlich  ist: 

<^2  >  ^1  • 

Hierbei  kann  d^  und  d^  bei  jeder  Temperatur  genommen 
werden,  bei  welcher  noch  Flüssigkeit  und  Dampf  im  Rohr 
vorhanden  sind,  d.  h.  bis  zum  Verschwinden  des  Meniscus. 
Bezeichnen  also  d\  und  S^  die  Dichten  des  gesättigten  Dampfes 

I 


Dichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten,  473 


und  der  Flüssigkeit  an  der  kritischen  Temperatur  vor  diesem 
Verschwinden  der  Trennungsfiäche,  so  gilt  auch  hier: 

^,  >  ^^1 , 

d.  h.  die  Dichten  des  gesättigten  Dampfes  und  der  Flüssigkeit 
bei  der  kritischen  Temperatur  sind  nicht  gleich;  die  beiden 
Sättigungscurven  gehen  nicht  ineinander  über,  sondern  treffen 
die  kritische  Temperatur  in  zwei  verschiedenen  Punkten,  A  und  B. 
(Vgl.  Fig.  5.) 

Aus  Gleichung  (I)  ergeben  sich  für  die  kritische  Temperatur 
die  Grenzwerthe  von  d: 

rf  =  ^j  für  Vg  =  0 , 

d  =  d^  für  Vg  =  r,  d.  h.  Vj  =  0, 

d.  h.  die  Dichte   des   gesättigten  Dampfes  an  der  kritischen 
Temperatur   ist   gleich   der  Dichte  der  homogen  gewordenen 
Substanz  bei  derjenigen    j- 
Füllung,  bei  welcher  bei 
der  kritischen  Tempera- 
tur gerade  alle  Flüssig- 
keit verdampft  ist;  die 
Dichte  der  Flüssigkeit 
unter    Sättigungsdruck 
an  der  kritischen  Tem- 
peratur ist  gleich  der 
Dichte  der  homogen  ge- 
wordenen Substanz  bei 
derjenigen  Füllung,  bei 
welcher  bei  der  kriti- 
schen  Temperatur  die  ^^'  ^' 
Flüssigkeit  das  Eohr  gerade  ganz  ausfüllt. 

Der  Deutlichkeit  halber  sei  das  Resultat  obiger  Entwicke- 
lung  nochmals  kurz  zusammengefasst: 

a)  Oberhalb  der  kritischen  Temperatur  ist  die  Dichte 
der  Substanz  jedenfalls  durch  eine  Ordinate  dargestellt,  deren 
Lage  mit  der  Füllung  willkürlich  geändert  werden  kann,  etwa 
durch  Cc  oder  Dd  oder  etc.;  die  äussersten  möglichen  Lagen 
derselben  seien  Aa  und  Bb.    (Fig.  6.) 


Ärr 


d. 


474 


R,  von  Hirsch, 


b)  Unterhalb  der  kritischen  Temperatur  sind  die  Dichten 
von  Flüssigkeit  und  Dampf  nach  der  herrschenden  Theorie 
durch  die  Curven  ImK  bez.  Im  K  dargestellt.  * 

c)  Demgegenüber  wird  behauptet,  der  Verlauf  dieser 
Curven  sei  V  m  Ä  bez.  ImB. 

Beim  Ueberschreiten  der  kritischen  Temperatur  findet 
also  in  beiden  Fällen  ein  plötzlicher  Uebergang  der  Dichten 
statte  entweder  von  K  nach  einem  Punkt  zwischen  Ä  und  B, 
etwa  C,  oder  von  Ä  und  B  zugleich  nach  C,     Während  aber 


Ä-  c 


d  b 


^tld  ^  Igl^ 


.krT 


Fig.  6. 

gegen  diesen  letzteren  Weg  von  A  und  5  zu  C  nichts  einzu^ 
wenden  ist,  erweist  sich  ein  Uebergang  KG  als  unmöglich; 
denn  in  A^  hätte  die  Substanz  bereits  eine  einheitliche  Dichte; 
eine  Aenderung  derselben  im  geschlossenen  Rohr,  d.  h.  bei 
constantem  Volumen,  würde  eine  Aenderung  des  Gewichtes  in 
sich  schliessen,  ist  daher  unmöglich.  Hierdurch  ist  bewiesen, 
dass  die  Sättigungscurve  die  kritische  Temperatur  nicht  be- 
rührt, sondern  ihre  beiden  Aeste  sie  in  zwei  verschiedenen 
Punkten  treflfen.  Den  diesen  Punkten  entsprechenden  ge- 
sättigten Dichten  8^  und  8^  gebührt  der  Name  „kritische 
Dichten",  denn  sie  gehören  als  dritte  Variable  zur  „kritischen 
Temperatur"  und  zum  „kritischen  Druck",  der  ja  als  Sättigungs- 
druck bei  der  kritischen  Temperatur  definirt  ist. 

Nach   dem    Gesetz    von  Matthias^)    wird    die  „kritische 


1)  E.  Matthias,  Compt.  rend.  115.  p.  35.  1890. 


I 


Dichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten.  476 

t^'  als  Schnittpunkt  des  Durchmessers  mit  der  kritischen 
iratur  bestimmt;  diese  Dichte 

a  =  — ^—     . 

icht  offenbar  dem  Mittelpunkt  von  A  B,  Aus  Gleichung  (I) 

man,  dass  dieser  Mittel werth  dann  wirklich  erreicht 
^enn  v^  =  v^  ist,  d.  h.  der  Meniscus  gerade  in  der  Mitte 
3hre  verschwindet;  dieses  S  entspricht  dann  aber  der 
en  gewordenen  Substanz,  keinem  gesättigten  Zustand 
Idet  daher  mit  der  kritischen  Temperatur  und  dem  kri- 

Druck  keinen  möglichen  Zustand  der  Substanz;  daher 
it  S  auch  nicht  den  Namen   einer  „kritischen"  Dichte. 

jde  experimentelle  Bestimmung,  welche  den  verschwin- 
i  Meniscus  beobachtet,  muss  die  Grössen  S^  und  S^ 
Denn  da  sie  auf  der  Beobachtung  einer  Trennungs- 
beruht,  so  setzt  sie  noch  zwei  getrennte  Theile,  Flüssig- 
nd  Dampf,  voraus.  Dennoch  behaupten  verschiedene 
n  auf  Grund  ihrer  Versuche,  die  Dichten  von  Flüssig- 
Qd  Dampf  seien  an  der  kritischen  Temperatur  gleich, 
lagat^)  und  Young^  bei  Gelegenheit  der  Untersuchung 
mtan.  Sie  finden  nämlich,  dass  bei  den  höchsten  be- 
eten  Temperaturen  beide  Grössen  so  rasch  aufeinander 
>en,  dass  die  bei  der  kritischen  Temperatur,  welche  einige 
1,  ja  einige  Hundertstel  Grade  höher  liegen  soll,  einander 
würden.  Offenbar  braucht  man  die  kritische  Temperatur 
lige  Hundertstel  Grade  niederer  anzunehmen,  um  zu  dem 
angesetzten  Eesultat  zu  gelangen,  und  da  die  Erscheinungen 
ischen  Zustand  eine  so  genaue  Bestimmung  dieser  Tempe- 
inmöglich  mit  Sicherheit  ausführen  lassen,  so  muss  an- 
8  der  logischen  Unmöglichkeit,  zu  der  er  führt,  dieser 
j   der  genannten  Beobachter   als  unstatthaft  angesehen 


ELH.  Amagat,  Compt.  rend.  114.  p.  1093  u.  1322.  1892;  Physik. 
.  p.  37.  1892. 
S.  Young,  Journ.  Chem.  Soc.  71.  p.  446.  189T. 


476  R.  von  Hirsch, 

werden.  Hier  ist  hervorzuheben,  dass  wenn  auch  wenige 
Bruchtheile  eines  Grades  über  der  letzten  beobachtbaren  Tem- 
peratur die  Dichtecurven  ineinander  übergehen  würden,  docf| 
ihre  thatsächlich  gefundenen  Endwerthe  nicht  in  gleichem 
Maasse  nahe  aneinander  liegen,  da  die  Curven  hier  eben  sehr 
flach  verlaufen. 

Battelli^)  führt  för  die  Gleichheit  der  kritischen  Dichten 
einen  theoretischen  Grund  an.     Er  sagt:     In  Gleichung 


r.if 


-^«(^Ä-/')  =  o, 


wo  u  die  Differenz  der   specifischen  Volumina  bedeutet,  muss 
entweder   u   oder   der  Elammerausdruck  =  0    sein;   letzterer 
lässt  sich  berechnen  und  ist  nicht  =  0 ;  also  ist  u  =  0 .    Die 
angeführte  Gleichung  ist  offenbar  aus  der  bekannten  Beziehung 
abgeleitet: 


r  =  Tu 


dp 
~dt 


WO  r  die  Verdampfungs wärme  bedeutet.  Zerlegt  man  dieselbe 
in  die  innere  Verdampfungswärme  q,  welche  die  Energie  der 
Molecüle  vermehrt,  und  die  äussere,  welche  die  Ausdehnungs- 
arbeit p  u  leistet,  und  setzt  an  der  kritischen  Temperatur  o  =  0, 
so  erhält  man  die  von  Battelli  angeführte  Gleichung.  Offen- 
bar liegt  aber  in  der  Voraussetzung  p  =  0  bereits  die  An- 
nahme, dass  Dampf  und  Flüssigkeit  identisch  sind,  der  Schluss 
von  Battelli  ist  also  nicht  stichhaltig. 

Auch  die  Darstellung  von  Stoletow*)  in  seiner  Arbeit 
über  den  kritischen  Zustand  ist  nicht  einwurfsfrei.  Er  nimmt 
nämlich  an,  die  abbildende  Curve  gehe  nur  dann  durch  den 
„kritischen  Punkt'*,  wenn  der  Meniscus  in  der  Mitte  des 
Rohres  verschwindet,  während  sie  in  jedem  anderen  Fall  die 
kritische  Temperatur  an  einem  etwas  seitwärts  gelegenen 
Punkt  überschreite.  Da  aber  unterhalb  der  kritischen  Tem- 
peratur stets  Flüssigkeit  und  Dampf  im  gesättigten  Zu- 
stand  vorhanden    sind,    so    ist  hier   ein   Abweichen   von    der 


1)  A.  Battelli,  Physik.  Revue  1.  p.  264.  1892. 

2)  A.  G.  Stoletow,  Physik.  Revue  2.  p.  44.  1892. 


Dichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten,  477 

Sättigungscurve   unmöglich,  die  Dichten  sind  durch  die  Tem- 
peratur  allein  vollständig   bestimmt;    erst   oberhalb  derselben 
^Werden  sie  von  der  Füllung  abhängig,  erst  hier  also  kann  die 
abbildende  Curve  sich  verzweigen. 

Eine  vollständig  hiervon  verschiedene  Auffassung  vertritt 
Boltzmann  in  den  „Vorlesungen  über  Gastheorie",  II, 
p.  21:  Er  nimmt  an,  der  Meniscus  verschwinde  überhaupt 
lüeht  wirklich  in  der  Röhre,  sondern  wandere  auch  bei  der 
kritischen  Temperatur  stets  nach  einem  Ende,  wobei  er  jedoch 
80  undeutlich  würde,  dass  man  ihn  in  den  letzten  Momenten 
nicht  mehr  sehen  soll.  Diese  Darstellung  ist  der  einzige 
Ausweg,  bei  welchem  die  Annahme  einer  kritischen  Dichte 
bestehen  kann,  scheint  aber  den  Versuchsresultaten  direct  zu 
widersprechen;  denn  aus  den  Angaben  der  verschiedenen  Ex- 
perimentatoren ergiebt  sich,  dass  der  Meniscus  an  einer  ganz 
bestimmten  Stelle  im  Rohr  verschwindet. 

üeberträgt  man  die  ausgeführten  Betrachtungen  in  ein 
Coordinatensystem  mit  Druck  und  specifischem  Volumen  als 
Variablen,  so  ergiebt  sich  eine  der  früheren  ganz  ähnliche 
Figur:  die  beiden  Grenzcurven  vereinigen  sich  nicht,  da  für 
den  kritischen  Druck  die  Dichten  nicht  gleich  sind,  sie  sind 
vielmehr  durch  das  horizontale  Stück  der  kritischen  Isotherme 
verbunden.  Die  Curve  hat  also  kein  bestimmtes  Maximum, 
die  Annahme  von  van  der  Wa^ls,  dass  am  „kritischen" 
Punkt 

(1)       ^  =  0,  (2)       -^  =  0 

sei,  wird  hinfällig;  denn  die  erste  Gleichung  gilt  für  alle  Punkte 
auf  Ä  By  die  zweite  für  keinen,  ein  „kritischer  Punkt"  existirt 
nicht.  Van  der  Waals  hat  aus  obigen  Gleichungen  den  Zu- 
sammenhang der  kritischen  Grössen  mit  den  Constanten  seiner 
Zustandsgieichung  abgeleitet,  hieraus  die  reducirte  Zustands- 
gieichung und  schliesslich  die  Theorie  der  correspondirenden 
Zustände. 

Die  Grundlage  dieser  ganzen  Entwicklung  wird  daher 
hinfallig;  dagegen  lässt  sich  aus  dem  vorhergehenden  kein 
Schluss  gegen  die  van  der  Waals'sche  Anschauung  ziehen, 
dass  es  möglich  sei,  die  individuellen  Constanten  der  Substanz 


478     R»  von  Hirsch,    Dichte  gesättigter  Dämpfe  und  Flüssigkeiten. 

aus  der  Zustandsgieichung  durch  Einführung  der  kritischen 
Grössen  zu  entfernen;  als  solche  müssen  dann  aber  neben 
Temperatur  und  Druck  die  beiden  kritischen  Dichten  toi" 
Flüssigkeit  und  Dampf  angesehen  werden.  Ek^t  wenn  der 
Zusammenhang  dieser  Grössen  mit  den  Constanten  der  (rich- 
tigen) Zustandsgieichung  ermittelt  ist,  lässt  sich  die  Frage 
entscheiden,  ob  eine  ,,reducirte''  Zustandsgieichung  und  ,,cor- 
respondirende'^  Zustände  existiren. 

Es  erübrigt  jnir,  dem  Leiter  des  Institutes,  Hm.  Professor 
Dr.  E.  von  Lommel,  sowie  Hrn.  Professor  Dr.  L.  Graetz, 
von  dem  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  ausging,  meinen  Danic 
für  ihre  liebenswürdige  Unterstützung  auszusprechen. 

(Eingegangen  7.  Juni  1899.) 


7.  Elektrische  Abbildn/ngen; 
von  L.  Fomtn. 

(HIeni  Taf.  Till,  Flg.  1-6.) 


Berührt  man  mit  einem  elektrisch  geladenen,  metallischen 
iter  einen  Punkt  einer  nicht  leitenden  Platte,  z.  B.  von 
rtgummi,  und  giebt  dann  durch  ein  leinenes  Säckchen  ein 
menge  von  Mennige  und  Schwefelblumen  auf  die  Platte,  so 
steht  bei  positiver  Elektricität  um  den  Berührungspunkt  ein 
her  Stern,  bei  negativer  ein  rundlicher  rother  Fleck.  Diese 
^en  wurden  1777  von  Lichtenberg  entdeckt  und  tragen 
aen  Namen.  Sie  dienen,  in  obiger  Weise  erzeugt,  als  ünter- 
leidungsmittel  zwischen  positiver  und  negativer  Elektricität. 
besonders  schöner  und  einfacher  Weise  lässt  sich  nament- 
i  die  positive  Figur  folgendermaassen  erzeugen. 

Man  legt  auf  zur  Erde  abgeleitetes  Stanniol  eine  61as- 
tte  und  übergiesst  letztere  mit  einer  dünnen  Schicht  Schmieröl, 
t  solches  zu  Gasmotoren  verwendet  wird.  Auf  die  Mitte  der 
.tte  wird  ein  zugespitzter  Metallstab  gesetzt,  den  man  mit 
Q  positiven  Pol  einer  Influenzmaschine  verbindet,  während 
'  negative  Pol  zur  Erde  abgeleitet  ist. 

Setzt  man  die  Maschine  in  Thätigkeit,  so  schiesst  das  Oel 
;h  allen  Richtungen  auseinander,  eine  strahlenförmige  Figur 
iend,  die  sich  noch  einige  Zeit  nach  Einwirkung  der  Elektri- 
It  erhält  Später  breitet  sich  das  Oel  wieder  gleichmässig 
5r  die  Glasplatte  aus,  und  der  Versuch  kann  wiederholt 
•den.  Die  entstehende  Figur  ist  dabei  um  so  grösser,  je 
lere  Spannung  die  Elektricität  besitzt  und  je  dünner  die 
«platte  ist. 

Stellt  man  den  Versuch  im  verdunkelten  Zimmer  an,  so 
;t  sich,  dass  die  Entstehung  der  Figur  mit  einer  Licht- 
jheinung  verknüpft  ist.  Von  der  Spitze  des  metallischen 
eiters  schiessen  längs  der  Platte  blaue  Büschel  nach  allen 
htungen.  Diese  Büschel  sind  photographisch  wirksam  und 
ist  desshalb  leicht,  sich  ein  dauerndes  Bild  von  dieser 
drischen  Erscheinung  zu  verschaffen,   indem  man  einfach 


480  L.  Fomm. 

die  photographische  Platte  mit  der  Glasseite  auf  ein  zur  Erde 
abgeleitetes  Stanniolblatt  legt  und  die  metallische  Spitze  auf 
die   Schichtseite   setzt.     In   wenigen  Secunden  ist   die  Platte* 
entwickelungsfähig.  Schon  Friedländer  hat  diese  ErscheinuDg 
auf  solche  Weise  abgebildet. 

Es  ist  nicht  gleichgültig,  aus  welchem  Stoff  die  Flächen 
sind,  die  man  der  elektrischen  Entladung  aussetzt.  Hat  man 
isotrope  Stoffe,  wie  Glas,  Ebonit,  Harz  etc.,  so  breiten  sich 
die  Strahlen  nach  allen  Seiten  gleichmässig  aus. 

Dieses   ist   bei   anisotropen,    d.  h.  bei   solchen   Körpern, 
deren  inneres  GefQge  nach  verschiedenen  Seiten  Terschiedene 
Beschaffenheit  besitzt,  z.  B.  bei  Holz,  bei  ein-  und  zweiaxigen 
Krystallen  etc.,  nicht  mehr  der  Fall,  wie  schon  G.  Wiedemann 
und   von  Bezold   gezeigt   haben.    Auf  solchen  Platten  sind 
die   Lichtbüschel   elliptisch   ausgebildet.     Auf  Holz,    welches 
senkrecht  zur  Wachsthumsrichtung  geschnitten  ist,  verbreiten 
sich  die  Büschel,  vorausgesetzt,  dass  die  metallische  Spitze  im 
Kerne  aufgesetzt  ist,  allerseits  gleichmässig.     In  diesem  Falle 
ist  nämlich  die  Structur  des  Holzes  nach  allen  Richtungen  der 
Oberfläche  gleichartig.     Bei  jedem  anderen  Schnitte  dagegen 
tritt  elliptische  Form  auf,  und  zwar  steht  die  grosse  Axe  der 
Ellipse    senkrecht   zur  Längsfaser   des  Holzes.     Es  zeigt  sich 
also  hier,  dass  die  Art  des  Stoffes  einen  wesentlichen  Einfluss 
auf  die  Bildung  der  elektrischen  Büschel  ausübt. 

Beschäftigt  mit  Versuchen  über  die  Art  dieses  Einflusses 
habe  ich  eine  Reihe  von  Erscheinungen  erhalten,  von  denen 
ich  hier  einige  mittheilen  möchte. 

Legt  man  auf  ein  Stanniolblatt  eine  wenige  Millimeter 
dicke  sehr  trockene  Holzplatte  und  bedeckt  letztere  so  mit 
photographisch  sehr  empfindlichem  Papier  —  Eastman  paper  — , 
dass  die  Papierseite  dem  Holze,  die  Schichtseite  der  elektrischen 
Spitze,  diese  berührend,  zugewandt  ist,  so  zeigt  sich  auf  dem 
entwickelten  Papier  deutlich  ein  von  Strahlen  gebildeter  Kreis, 
wenn  das  Holz  senkrecht,  dagegen  eine  Ellipse  (vgl.  Taf.  VIII, 
Fig.  1),  wenn  das  Holz  in  anderer  Weise  zur  Wachsthumsrichtung 
geschnitten  ist.  Bei  genauer  Betrachtung  von  Fig.  1  bemerkt 
man,  dass  in  dem  erhaltenen  Bilde  neben  der  strahligen  Figur 
auch  noch  die  Structur  des  Holzes  ausgeprägt  ist.  Dies  ver- 
anlasste mich,  Versuche  anzustellen,  inwieweit  sich  Structu^ 


Elektrische  Abbildungen,  481 

«igenthümlichkeiten  des  Holzes  elektrophotographisch  abbilden 
lassen.     Die  Versuche   wurden   in  folgender  Weise  angestellt: 
S  Die  mit  Glaspapier  fein  geschliffene,  sehr  trockene  Holz- 

platte bedeckt  empfindliches  Papier  mit  der  Schichtseite  dem 
Holze  zugekehrt.  Ueber  dem  Oanzen,  das  wie  oben  auf  einem 
zur  Erde  abgeleiteten  Stanniolblatt  liegt,  befindet  sich  in  einer 
Sntfemung  von  ungefähr  5  cm  die  metallische  Spitze.  Diese 
wird  in  diesem  Falle  mit  Vortheil  mit  dem  negativen  Pole 
der  Influenzmaschine  verbunden,  während  der  positive  zur 
Erde  abgeleitet  ist,  da  das  kleine  negative  Büschel  weniger 
das  lichtempfindliche  Papier  als  Nebenlicht  beeinflusst,  als  es 
die  grossen  positiven  Büschel  thun.  Nach  einer  Minute  ist  bei 
einer  kleiner,  nach  10  Secunden  bei  einer  grösseren  einfachen 
Influenzmaschine  das  Papier  genügend  exponirt,  um  ein 
kräftiges  Bild  beim  Entwickeln  zu  liefern.  Figg.  8,  4  und  5, 
Taf.  Vni  sind  solche  elektrophotographisch  hergestellte  Bilder. 
Bei  sämmtlichen  Hölzern  sind  die  Jahresringe  deutlich  ab- 
gebildet. Der  physikalische  Vorgang  ist  dabei  folgender:  das 
photographische  Papier  wird  durch  die  aus  der  Spitze  strömende 
Elektricität  negativ  geladen.  Zwischen  dem  Papier  und  der 
Holzplatte  befindet  sich  eine  dünne  Luftschicht,  die  lumines- 
cirend  wird  und  zwar  mit  blauem,  photographisch  wirksamem 
Lichte.  Diese  elektrische  Entladungserscheinung  ist  nicht  an 
allen  Stellen  des  Holzes  gleich  kräftig;  an  den  Jahresringen 
ist  sie  am  bedeutendsten  und  deshalb  leuchtet  die  Luft  hier 
starker,  als  an  anderen  Stellen,  was  auf  der  empfindlichen 
Schicht  zum  Ausdruck  gelangt.  Die  hier  auftretende  Glimm- 
lichterscheinung lässt  sich  im  dunkeln  sehr  schön  mit  dem 
Auge  beobachten,  wenn  man  statt  des  photographischen  Papieres 
«in  seidenes  Tuch  oder  ein  sehr  feinmaschiges  Drahtnetz  über 
das  Holz  breitet.  Man  sieht  dann  das  Holz  mit  blauem 
Olimmlichte  bedeckt,  in  welchem  sich  die  Structur  durch 
grössere  oder  geringere  Kraft  des  Leuchtens  deutlich  ausprägt. 
Fig.  2,  Taf.  Vni  stellt  das  photographisch,  Fig.  3,  Taf.  VIII 
das  elektrophotographisch  erhaltene  Bild  eines  und  desselben 
Holzschnittes  dar  und  zwar  ist  Fig.  2  ein  Positiv,  Fig.  3  das 
direct  erhaltene  Negativ ;  letzteres  giebt  desshalb  auch  eine  linke 
Ansicht.  Die  Aehnlichkeit  der  beiden  Bilder  ist  nur  eine  zu 
fällige.     Thatsächlich  hat  das  elektrophotögraphische  Bild  mit 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.    N.  F.    69.  31 


482  L,  Fomm,     Elektrische  Abbildungen. 

dem  optischen  Charakter  der  Oberfläche  des  Holzes  gar  nichts  zu 
thun,  sondern  es  gelangt  in  diesem  Bilde  im  wesentlichen  der 
stoffliche  Inhalt  des  Holzes  zum  Ausdruck.    Dieses  zeigt  sich% 
sehr  schön  an  den  Figg.  4  und  5,  Taf.  VIII. 

Bekanntlich  laufen  vom  Kerne  des  Baumes  aus  radiale 
Strahlen,  die  sogenannten  Markstrahlen,  welche  sich  durch 
einen  gewissen  Glanz,  den  sogenannten  Spiegel,  auszeichnen. 
Diese  Markstrahlen  sieht  man  schön  bei  Eichen  und  Buchen- 
holz. Stellen  wir  aus  diesen  beiden  Holzarten  Platten  her, 
und  zwar  sogenannte  Hirnschnitte,  so  erscheinen  die  Jahres- 
ringe bei  beiden  Holzarten  dunkel,  die  Markstrahlen  hell  für 
das  Auge.  Anders  gestaltet  sich  das  elektrophotographische 
Bild.  In  Fig.  4  (Eichenholz)  und  Fig.  5  (Buchenholz)  sind 
die  Jahresringe  dunkel;  dagegen  sind  die  Markstrahlen  im 
Eichenholz  hell,  im  Buchenholz  dunkel  abgebildet.  Machen 
wir  bei  beiden  Holzarten  mikroskopische  Schnitte  von  den 
Markstrahlen,  so  zeigt  die  Untersuchung,  dass  dieselben  beim 
Eichenholz  reich,  beim  Buchenholz  arm  an  Stärkekömem  sind, 
ein  Beweis,  dass  im  elektrophotographischen  Bilde  nicht  der 
optische  Charakter,  sondern  die  Eigenart  des  Holzes  zum 
Ausdruck  gelangt,  was  für  den  Botaniker  von  Interesse  sein 
dürfte. 

Auch  ohne  Zuhülfenahme  der  Photographie  lassen  sich  in 
einfachster  Weise  dauernde  Abbildungen  der  Eigenthümlich- 
keiten  des  Holzes  auf  elektrischem  Wege  erhalten.  Man  legt 
auf  die  Holzplatte,  welche  sehr  trocken  sein  muss,  ein  Blatt 
Papier  und  siebt,  während  die  Influenzmaschine  im  Gange  ist, 
irgend  ein  feines  Pulver,  z.  B.  Mennige  oder  Graphit,  darauf. 
Das  Pulver  kann  aus  leitendem  oder  nichtleitendem  Material 
sein.  Sofort  erscheint  das  Bild  des  Holzes,  in  dem  sich  das 
Pulver  hauptsächlich  auf  den  Jahresringen  lagert. 

München,  am  2.  Juli  1899. 

(Eingegangen  3.  Juli  1899.) 


8.  Ueber  eine  zweckmässige  Anordnung 
des  Mac  Farlan  Moore' sehen  Vacuumvihrators; 

von  J.  Mister  und  H.  Geitel. 


Im  April  des  Jahres  1896  zeigte  Hr.  Mac  Farlan  Moore 
in  dem  „American  Institute  of  Electrical  Engineers"  eine  neue 
elektrische  Beleuchtungsart,  bei  welcher  evacuirte  zum  Theil 
elektrodenlose  Röhren  von  etwa  2  m  Länge  und  5  cm  Dicke 
zu  hellem,  gleichmässigem  Leuchten  angeregt  wurden.  Jede 
Röhre  entwickelte  dabei  eine  Lichtstärke,  welche  der  einer  ge- 
wöhnlichen Glühlampe  von  16  NK.  etwa  gleichkam.  ^) 

Den  Kern  der  Erfindung  bildete  dabei  die  Verwendung 
eines  im  Vacuum  schwingenden  Wagnerischen  Hammers. 
Bei  genügender  Luftleere  verläuft  selbst  bei  Benutzung  hoch- 
gespannter Ströme  die  Stromunterbrechung  in  diesem  Apparate 
so  rasch  und  erfolgt  so  vollkommen,  dass  die  Selbstin duction 
in  einer  vorgeschalteten,  kurzen  Drahtspirale  bis  zum  Funken- 
übergange gesteigert  werden  kann.  Von  der  Anbringung 
einer  Secundärspule  kann  daher  ganz  abgesehen  werden. 
Mac  Farlan  Moore  knüpfte  an  die  Erfindung  dieses  Be- 
leuchtungssystems grosse  Erwartungen,  die  sich  jedoch  nicht 
zu  verwirklichen  scheinen.  Immerhin  muss  aber  anerkannt 
werden,  dass  der  „Vacuumvibrator"  an  sich  ein  interessanter 
Apparat  ist  und  dass  er,  in  Verbindung  mit  einer  geeigneten 
Drahtspule,  ein  kleines  Inductorium  zu  ersetzen  vermag.  ^) 

Bei  gelegentlichem  Arbeiten  mit  einem  derartigen  Vibrator 
zeigte  sich  ein  liebelst  and,  der  eine  andauernde  Verwendung 
des  Apparates  unmöglich  machte.  Solange  nämlich  die 
elastische  Feder  des  Vibrators  lebhaft  schwingt,  geht  selbst 
bei  Anschluss  einer  Leitung  von  50  bis  100  Volt  Klemmen- 
spannung ein  Strom  von  nur  wenigen  Ampere  durch  den 
Apparat  hindurch.     Sobald  jedoch  die  schwingende  Feder  an 

1)  Mac  Farlan  Moore,    Elektrotechn.  Zeitschr.  17.   p.  637.  1896. 

2)  Vgl.  J.  Tuma,  Beibl.  21.  p.  767.  1897. 

81* 


484  J.  Ekter  u.  H.  Geitel 

der  Spitze,    an   welcher  die  Unterbrechung   erfolgt,   klebt  — 
und  dies  tritt  sehr  leicht  ein  — ,  so  steigert  sich  die  Strom- 
intensität plötzlich  so,  dass  die  Spitze  abschmilzt,  wobei  meistV 
auch    die  Feder   erglüht  und   das  Glas   an   den  Einschmelz- 
stellen  springt 

Die  Haltbarkeit  desVibrators  lässt  sich  nun  bei  einiger- 
maassen  vorsichtiger  Behandlung  dadurch  ganz  wesentlich  er- 
höhen, dass  man  zwei  Stromkreise,  einen  niedrig-  und  einen 
hochgespannten,  in  Anwendung  bringt,  von  denen  der  erstere 
lediglich  dazu  benutzt  wird,  denVibrator  durch  äussere  mag- 
netische Kräfte  in  Schwingung  zu  erhalten  und  dadurch  die 
Unterbrechung  des  letzteren  zu  bewirken. 

Je  nach  der  Höhe  der  verfügbaren  Spannung  hat  man 
Widerstände  vorzuschalten,  um  eine  gefährliche  Erhitzung  des 
Vibrators  zu  verhüten.  Zweckmässig  wählt  man  dazu  eine 
Reihe  von  Inductionsrollen,  die  ihrerseits  zur  Erhöhung  der 
Spannung  des  Extrastromes  beitragen. 

Diese  Gesichtspunkte  sind  bei  dem  Bau  des  unten  be- 
schriebenen Apparates  maassgebend  gewesen,  der  für  eine 
Maximalspannung  des  Primärstromes  von  60 — 70  Volt  von 
Müller-Unkel  in  Braunschweig  nach  unseren  Angaben  aus- 
geführt wurde. 

Auf  einem  starken  Orundbrette  MN  von  48  cm  Länge 
und  33  cm  Breite  sind  folgende  Vorrichtungen  angebracht: 
ein  Quecksilberunterbrecher  Q,  der  Vacuumvibrator  F,  unter 
diesem  ein  kleiner  Elektromagnet  E  (in  der  Figur  seitlich  ge- 
zeichnet), 13  Drahtspulen  (Drahtslärke  ca.  1  mm)  von  8  cm 
Höhe  und  4  cm  Durchmesser  (Oesammtwiderstand  8  ß),  auf- 
gesteckt auf  ebenso  viele  vernickelte,  weiche  Eisenkerne  von 
1  cm  Dicke ;  ferner  eine  Kurbel  Ä",  die  gestattet,  eine  beliebige 
Anzahl  dieser  Rollen  einzuschalten,  und  ein  mit  Spitze  m  und 
Platte  n  versehener  Funkenzieher  F,  In  der  nachstehenden 
Figur  sind  diese  einzelnen  Theile  schematisch  angedeutet,  die 
Träger  für  die  einzelnen  Apparate  sind  der  Uebersichtlichkeit 
wegen  fortgelassen. 

Wie  bemerkt,  hat  man  es  bei  dieser  Anordnung  mit  zwei 
ganz  getrennten  Stromkreisen  zu  thun.  Der  erste,  welcher 
dazu  dient,  die  Feder  des  Vibrators  in  unausgesetzten  Schwin- 
gungen  zu   erhalten,    wird   unter  Einschaltung  eines  Regulir- 


Mac  Farlan  Moore^ scher  Facuumvibrator. 


485 


Widerstandes  einer  Accumulatorenbatterie  Ä^  von  sechs  Zellen 
entnommen.  Dieser  Strom  geht  von  der  Klemme  5^  zum  Queck- 
silberunterbrecher  Q,  alsdann  durch  den  kleinen  Elektro- 
magneten E  und  von  dort  über  Klemme  s^j  zum  —  Pol  der 
Batterie  A^  zurück.  Der  Quecksilberunterbrecher  ist  nach 
dem  Princip  der  Roget'schen  Spirale  construirt:  eine  elasti- 
sche Spirale  aus  Kupferdraht  umgiebt,  frei  schwebend,  einen 
von  einer  Glasröhre  umhüllten  weichen  Eisenstab,  während 
ihr  unteres  Ende  in  ein  theilweise  mit  Quecksilber  gefülltes 
Gläschen  eintaucht.  Auf  das  Quecksilber  wird  eine  mehrere 
Centimeter  hohe  Schicht  destillirten  Wassers  gegossen.    Jeder 


Stromschluss  bewirkt  alsdann  bekanntlich  eine  Contraction  der 
Spirale  und  hebt  ihr  unteres  Ende  aus  dem  Quecksilber  heraus, 
wodurch  der  Strom  selbstthätig  unterbrochen  wird. 

Zunächst  sorge  man  nun  dafür,  dass  die  Spirale  des  Queck- 
silberunterbrechers und  die  Feder  des  Vacuumvibrators  einiger- 
maassen  synchron  schwingen,  was  man  an  der  Gleich- 
mässigkeit  des  auftretenden  Geräusches  erkennen  kann.  Es 
empfiehlt  sich,  mehrere  Spiralen  von  verschiedener  Windungs- 
zahl und  Drahtstärke  zur  Hand  zu  haben  und  von  diesen  die- 
jenige auszuwählen,  welche  den  Vibrator  am  gleichmässigsten 
anregt.  Die  Kraft,  mit  der  die  schwingende  Feder  des  Vibra- 
tors  angetrieben  wird,  lässt  sich  durch  Verschiebung  des  kleinen 
Elektromagneten  E  reguliren,  der  zu  diesem  Zwecke  in  ein 
Grundbrettchen  eingelassen  wurde,  das  mit  sanfter  Reibung 
in  einer  Nuthe  gleitet. 

Ist    nun    ein    möglichst    schneller   und    dabei    möglichst 


486  /.  Elster  u.  H.  Geitel 

gleichmässiger  Gang  des  Yibrators  erreicht,  so  schreitet  man 
zur  Herstellung  des  zweiten  Stromkreises. 

Den  hochgespannten  Strom  entnehmen  wir  einer  kleinen^ 
Accumulatorenbatterie  Ä^  von  32  Elementen,  deren  positiver 
Pol  mit  der  durch  ein  Pluszeichen  gekennzeichneten  Klemme 
S^  verbunden  wird.  Diese  steht  ihrerseits  mit  der  beweglichen 
Kurbel  K  in  metallischem  Contact.  Solange  man  mit  der 
Herstellung  des  zweiten  Stromkreises  beschäftigt  ist,  muss  K 
an  der  Arretirung  R  anliegen;  es  ist  alsdann  ganz  aus- 
geschlossen, dass  man  den  Apparat  etwa  durch  einen  un- 
richtigen Handgriflf  verdirbt  Nunmehr  verbindet  man  S  mit 
dem  Stifte  q  des  Yibrators  und  die  Feder  p  desselben  mit 
dem  negativen  Pol  der  Batterie  A^  und  führt  von  der  Spitze  m  des 
Funkenziehers  einen  dünnen  Draht  nach  g  und  von  der  Platte  n 
einen  ebensolchen  nach  p. 

Die  Verbindung  der  dreizehn  Drahtspulen  untereinander 
ist  in  folgender  Weise  erreicht:  Der  eine  Pol  der  mit  Nr.  13 
bezeichneten  Spule  steht  mit  dem  in  ihr  befindlichen,  ver- 
nickelten Eisenkerne  in  Contact,  während  der  andere  mit  dem 
freien  Ende  der  Spule  Nr.  12  verlöthet  wurde  u.  s.  f.  Die 
oberen  Kuppen  der  Eisenkerne  dienen  also  als  Contacte.  über 
die  der  bewegliche  Metallarm  bei  seiner  Drehung  hinweggleitet. 

Sobald  Z  den  Contact  Nr.  13  berührt,  so  fliesst  demnach 
der  positive  Strom  der  Accumulatoren  von  S^  durch  die 
dreizehn  Rollen,  von  dort  in  den  Vibrator  und  aus  diesem  zur 
Batterie  zurück.  (Es  ist  zu  beachten,  dass  entgegengesetzte 
Stromesrichtung  leicht  zu  starker  Wärmeentwickelung  im 
Innern  des  Yibrators  Veranlassung  giebt  und  so  den  Apparat 
gefährdet.) 

Bei  einer  Klemmenspannung  des  Primärstromes  von  60 
bis  70  Volt  geht,  sobald  K  den  Contact  Nr.  13  berührt,  ein 
prasselnder  Funkenstrom  von  etwa  12  mm  Länge  zwischen 
Spitze  und  Platte  des  Funkenziehers  über.  Arbeitet  man  mit 
geringerer  Spannung,  etwa  mit  30 — 35  Volt,  so  bewege  man 
vorsichtig  den  Arm  K  von  Contact  zu  Contact  weiter,  bis  das 
Maximum  der  Wirkung  eintritt. 

Die  Extrastromfunken  sind  sehr  massig  und  heiss;  sie 
scheinen  uns  daher  zu  spectralanalytischen  Untersuchungen 
geeignet  zu  sein. 


Mac  Farlan  Moore' scher  Facuumvibrator.  487 

Der  (in  der  Figur  nicht  gezeichnete)  Halter,  welcher  den 
Vibrator  trägt,  ist  mit  einer  Vorrichtung  versehen,  an  welcher 
Vacuumröhren  nach  Moore  befestigt  werden  können.  Soll 
der  Apparat  ausser  Thätigkeit  gesetzt  werden,  so  ist  zunächst 
die  Kurbel  K  bis  an  die  Ärretirwrig  R  zurück  zu  drehen  und 
alsdann  erst  der  Quecksilberunterbrecher  auszuschalten. 

Der  Vortheil  der  hier  beschriebenen  Schaltung  gegenüber 
der  Moore 'sehen  liegt  darin,  dass  man  den  sorgfältig  ein- 
gestellten Apparat  dauernd  im  Betriebe  halten  kann,  ohne 
ein  Verderben  des  immerhin  ziemlich  kostspieligen  Vibrators 
befürchten  zu  müssen;  dagegen  ist  nicht  zu  läugnen,  dass  das 
in  Vacuumröhren  erzeugte  Licht  flackernder  ist,  als  bei  der 
Moore 'sehen  Anordnung.  Der  Grund  hierfür  liegt  offenbar 
in  dem  unvollkommenen  Synchronismus  der  beiden  Unter- 
brecher. 

Wolfenbüttel,  im  August  1899. 

(Eingegangen  23.  August  1899.) 


9.  Ursache  und  Beseitigung  eines  Fehlers 

bei    der   Lippmann^ sehen  Farbenphotographie, 

zugleich  ein  Beitrag  zu  ihrer  Theorie; 

von  Otto  Wiener. 


Bei  meiner  ÜDtersucbung  über  Körperfarbenphotographie ') 
stiess  ich  auf  einen  Fehler  des  Lippmann' sehen  Verfahrens^, 
der  bisher  noch  nicht  aufgeklärt  war  und  der  auch  in  rein 
physikalischer  Hinsicht  interessante  Seiten  darbietet. 

Wenn  man  eine  Photographie  des  Spectrums  nach  Lipp- 
mann, mit  Bromsilbergelatine  und  unter  Anwendung  von 
Farbstoffsensibilisatoren  hergestellt,  einmal  von  der  Schicht- 
seite, einmal  von  der  Olasseite  aus  im  senkrecht  zurück- 
geworfenen Licht  betrachtet,  so  beobachtet  man  von  den  beiden 
Seiten  aus  an  derselben  Stelle  der  Platte  verschiedene  Far- 
ben. Diese  Erscheinung  war  zwar  bekannt^,  aber  die  Er- 
klärungen dafür,  die  ich  in  der  Literatur  gefunden  habe,  sind 
nicht  richtig. 

Man  hat  bisher  den  Einfluss,  den  die  an  der  Oberfläche 
der  Schicht  zurückgeworfene  Lichtwelle  auf  die  wiedergegebene 
Farbe  hat,  entweder  übersehen  oder  falsch  beurtheilt  oder 
endlich  sogar  geleugnet. 

Diesen  letzten  Standpunkt  nimmt  Meslin^)  ein,  indem 
er  die  nach  der  Formel  J  =  [n  —  1)^1  {n  +  1)*  zu  0,08  berech- 
nete Intensität  des  an  der  Schicht  in  Luft  bei  senkrechtem 
Einfall  zurückgeworfenen  Lichtes  glaubt  nicht  beachten  zu 
brauchen.  Obgleich  aus  n  =  l,5,  wie  Meslin  annimmt^, 
für  J  nur  0,04    folgen  würde,    darf  trotzdem  diese  Lichtwelle 


1)  0.  Wiener,  Wied.  Ann.  55.  p.  250.  1895. 

2)  G.  Lippmann,  Compt.  rend.  112.  p.  274.  1891;  114.  p.  961.  1892. 

3)  Vgl.  z.  B.  G.  Meslin,  Ann.  de  cbim.  et  de  phys.  (6)  27.  p.  389. 
1692. 

4)  L  c.  p.  874. 

5)  1.  c.  p.  370. 


LippmanrC sehe  Farbenphotographie,  489 

nicht  ausser  Acht  gelassen  werden;  denn  sie  kommt  mit  Noth- 
wendigkeit  zur  Interferenz  mit  den  an  den  Elementarspiegeln 
zurückgeworfenen  Wellen;  und  für  die  Interferenz  ist  nicht 
die  Intensität;  sondern  die  Amplitude  mit  dem  Betrage 


y0,04  =  0,2 

inaassgebend.  Selbst  in  dem  günstigsten  Falle,  dass  die 
Amplitude  der  Gesammtwelle  des  aus  der  Tiefe  der  Schicht 
reflectirten  Lichtes  nahe  den  Werth  1  erreichte,  würden  das 
Maximum  und  Minimum  ihrer  Interferenz  mit  der  Oberflächen- 
welle annähernd  im  Amplitudenverhältniss 

(l+0,2):(l-0,2)=:.3:2, 

also  annähernd  im  Intensitätsverhältniss  9  :  4  stehen.  In  Wirk- 
lichkeit wird  dies  Verhältniss  noch  grösser  sein  und  darf  nicht 
ausser  Acht  bleiben.  Dafür  enthält  die  vorliegende  Mitthei- 
lung auch  eine  Reihe  experimenteller  Beweise. 

Die  Oberflächenwelle  würde  nur  dann  nicht  stören,  wenn 
sie  für  die  wirksam  gewesene  Farbe  die  gleiche  Phase  hätte, 
wie  die  EUementarwellen.  Dies  wäre  z.  B.  der  Fall,  wenn  man 
annehmen  dürfte,  dass  ein  Knoten  der  stehenden  Lichtwellen 
—  ich  spreche  hier  und  im  Folgenden  nur  von  der  elektrischen 
Kraft  der  Wellen  —  während  der  Belichtung  in  der  Ober- 
fläche der  Schicht  läge  und  dass  die  Phasenänderung  bei 
Zurückwerfung  an  einem  durch  die  Entwickelung  entstandenen 
Elementarspiegel  gleich  Null  wäre.  Beide  Annahmen  hat  man 
in  der  That  gemacht  ^)  und  beide  sind  unrichtig. 

Es  herrscht  also  im  allgemeinen  keine  Uebereinstimmung 
in  der  Phase  der  Oberflächen-  und  Tiefenwelle  für  die  wirk- 
sam gewesene  Farbe  und  dadurch  wird  die  Richtigkeit  der 
Farbenwiedergabe  gestört. 

Mau  überzeugt  sich  leicht  von  diesem  störenden  Einfluss 
der  Oberflächenreflexion,    indem  man  sie  einfach   ausschaltet. 

Taucht  man  z.  B.  die  Platte  unter  Benzol,  dessen 
Brechungsexponeut  dem  der  Schicht  nahe  liegt,  so  treten  die 
richtigen  Farben  auf,  insofern  keine  weiteren  Fehler  vorliegen. 

Ich  werde  im  Folgenden  zeigen,  von  welchen  Umständen 
der  Phasenunterschied  zwischen  der  Oberflächenwelle  und  den 


1)  Vgl.  z.  B.  Labatut,  Compt.  rend.  113.  p.  126.  1891. 


490  0.  Wiener. 

Elementarwellen    abhängt   und  wie  im  einzelnen  der  dadurch 
bedingte  Fehler  beseitigt  werden  kann. 

1.  Abstand  der  ersten  Bauohebene  von  der  Qrensfläche 

Qelatine-Queoksilber. 

Es  ist  öfters  behauptet  worden,  ich  hätte  gezeigt,  dass  in 
der   ßeflexionsebene    ein    Schwingungsknoten    der    stehenden 
Lichtwellen  liege,  und  zwar  auch  unter  den  Bedingungen  des 
Lippmann 'sehen    Verfahrens.      Mein  Versuch^)    bezog    sich 
indess  nur  auf  die  Reflexion  an  Glas,  nicht  an  einem  MetalL 
Die  Phasenänderung  an  einem  solchen  hat  aber  nicht  ¥rie  an 
einem  durchsichtigen,  optisch  dichteren  Mittel  den  Betrag  von 
0,5  Wellenlängen,  sondern  wie  aus  Theorie  und  Experiment  ^ 
hervorgeht,    einen  anderen  Betrag.     Welchen,    das  liesse  sich 
zwar  theoretisch  berechnen;   indess  würde   man  keine  Sicher- 
heit haben,  ob  der  berechnete  Werth  unter  den  Bedingungen 
des  Versuchs  wirklich  zuträfe.     Die  Untersuchungen   über  die 
absolute   Phasenänderung   bei   Reflexion    au   Metallen    haben 
gezeigt,    dass  diese  Grösse  unter  Umständen  ausserordentlich 
empfindlich   ist  gegen  Spuren  von  Verunreinigung  der  Grenz- 
fläche. ^) 

Bei  dieser  Sachlage  war  es  erforderlich,  durch  den  Ver- 
such unmittelbar  die  Phasenänderung  des  Lichtes  bei  Reflexion 
in  Gelatine  an  Quecksilber  zu  bestimmen.  Hr.  H.  Wallbott 
hat  dies  auf  meine  Veranlassung  hin  gethan  ^)  und  die  Phasen- 
änderung bei  Reflexion  in  reiner,  unter  dem  Exsiccator  ge- 
trockneten Gelatine  an  reinem  Quecksilber  für  Farben  von 
der  Wellenlänge  A  =  625jUjU  bis  415fifi  gleich  einer  Be- 
schleunigung (jp  von  bez.  0,405  bis  0,411  Wellenlängen  ge- 
funden, unter  gleichmässigem  Ansteigen  der  Werthe  bis  zu 
diesem  Betrage.  Die  zum  Theil  extrapolirten  theoretischen 
Werthe  fallen  in  den  gleichen  Grenzen  von  etwa  0,414  bis  zu 
0,404  Wellenlängen  ab. 


1)  0.  Wiener,  Wied.  Ann.  40.  p.  229.  1890. 

2)  W.  Wernicke,  Pogg.  Ann.  159.  p.  198.  1876. 

3)  W.  Wernicke,  Wied.  Ann.  51.  p.  448.  1894. 

4)  H.  Wallbott,  Die  Phasenänderung  des  Lichtes  bei  der  Re- 
flexion an  Quecksilber.  Giessener  Dissertation.  Leipzig.  J.  A.  Barth. 
1899.     Im  Auszug  in  Wied.  Ann.  68.  p.  471.   t899. 


Lippmanji' sehe  Farbenphotographie,  491 

War  die  Gelatine  nicht  unter  dem  Exsiccator,  sondern 
nur  in  Luft  getrocknet  bei  einer  relativen  Feuchtigkeit  der 
Luft  von  etwa  75  Proc,  so  nahm  die  Phasenbeschleuuigung  tp 
von  0,476  flir  Ä  =  625^^  stetig  bis  0,393  für  A  =  475|Uiu  ab. 
Der  kleinste  Werth  wurde  bei  einer  Platte  f ilr  Ä  =  469  mit 
ip  =  0,388,  der  grösste  für  X  =  635  mit  (p  =  0,491   gefunden. 

Eine  Verunreinigung  des  Quecksilbers  mit  ^looo  Proc.  Blei 
ergab  keinen  Einiluss  auf  die  Phasenänderung,  wenigstens  bei 
Reflexion  in  Glimmer  an  Quecksilber. 

Für  die  besonderen  Zwecke  der  Farbenphotographie  nach 
Liippmann  wäre  noch  die  Bestimmung  der  Phasenänderung 
für  die  mit  Bromsilber  und  Farbstoflfen  präparirte  Gelatine- 
und  Eiweissschicht  erwünscht.  Es  ist  indess  nicht  wahrschein- 
lich, dass  die  Phasenänderung  sich  hierbei  noch  wesentlich 
anders  verhielte,  als  die  bei  an  Luft  getrockneter  Gelatine,  denn 
die  letztere  verhält  sich  bereits  so,  als  ob  die  Gelatine  eine  ver- 
unreinigende Oberflächenschicht  enthielte,  und  höchstens  so 
könnte  sie  sich  wohl  bei  der  sensibilisirten  Schicht  auch  verhalten. 

Die  Grösse  der  Phasenbeschleunigung  cp  bei  Reflexion 
des  Lichtes  am  Quecksilber  bestimmt  den  Abstand  a  der  ersten 
Bauchebene  von  der  Grenze  Gelatine-Quecksilber.  Für  diese 
£bene  muss  der  Gangunterschied  zwischen  der  einfallenden 
und  zurückgeworfenen  Ebene  Null  sein,  d.  h.  es  ist: 

0  =  -j--(JP, 

also: 

d.  L  der  gesuchte  Abstand  beträgt  das  ^/2  9>  fache  derjenigen 
Wellenlänge,  welche  dem  wirksam  gewesenen  Licht  in  Gela- 
tine zukommt. 

Würde  die  Phasenänderung  bei  der  sensibilisirten  Gela- 
tine die  gleiche  wie  bei  reiner  Gelatine  sein,  so  wäre  jener 
Abstand  bei  gut  unter  dem  Exsiccator  getrockneten  Platten 
durchschnittlich  0,205  Wellenlängen;  bei  an  Luft  getrockneten 
Platten  wäre  der  Abstand  im  blauen  Theile  des  Spectrums 
merklich  ein  anderer  wie  im  rothen,  nämlich  im  blauen  ein 
kleinster  von  etwa  0,20,  im  rothen  ein  grösster  von  etwa  0,24. 

Am  rothen  Ende  des  Spectrums  könnte  er  unter  Um- 
ständen nahe  den  Werth  0,25  erreichen. 


492  0.  Wiener. 

2.  Fhasenänderung  bei  ReÜezion  an  einem  Elementarapiegel  der 

entwickelten  Iiipp  mann 'sehen  Platte.  ^ 

unter  dem  „Eiern entarspiegel*'  verstehe  ich  nicht  eine 
geometrische  Ebene,  sondern  eine  Schicht  endlicher  Dicke, 
welche  den  photographischen  Niederschlag  enthält,  der  sich 
symmetrisch  um  die  geometrische  Bauchebene  der  stehenden 
Licbtwellen  anordnet.  Diese  Ebene  ist  daher  zugleich  die 
Symmetrieebene  des  Elementarspiegels. 

Unter  der  „Fhasenänderung  bei  JReflexion  an  einem  Ele- 
mentarspiegel'' verstehe  ich  den  Unterschied  der  Phase  der 
von  dem  Elementarspiegel  zurückgeworfenen  Welle  gegen- 
über der  Phase  der  in  seiner  Symmetrieebene  einfallenden 
Lichtwelle. 

Lippmann  ^)  hat  diese  Phasenänderung  in  der  Theorie 
seines  Verfahrens  gleich  Null  gesetzt,  wohl  aber  nicht  deshalb, 
weil  er  diesen  Werth  für  den  richtigen  hielt,  sondern  weil  bei 
jeder  Theorie,  welche  die  Reflexion  an  der  Oberfläche  nicht 
berücksichtigt,  jene  Phasenänderung  in  den  Differenzen  der 
Gangunterschiede  herausfällt.  In  gleicher  Weise  dürfte  die 
Angabe  von  Niewenglowski^  aufzufassen  sein,  der  ohne 
nähere  Begründung  sie  gleich  einer  halben  Wellenlänge  setzt 

Es  ist  eben  nicht  ganz  leicht,  von  vornherein  etwas  Be- 
stimmtes über  diese  Phasenänderung  auszusagen,  bevor  man 
genauer  über  die  optischen  Constanten  des  Niederschlages 
und  die  Art  seiner  Vertheilung  unterrichtet  ist. 

Es  giebt  im  wesentlichen  zwei  Annahmen,  die  man  darüber 
machen  kann.  Beide  sollen  genauer  erörtert  werden.  Sie 
führen  zu  verschiedenen  Werthen  der  Phasenänderung  und 
man  kann  daher  experimentell  darüber  entscheiden.  Die  Ejit- 
scheiduDg  konnte  für  die  Photographien,  mit  denen  ich  ex- 
perimentirte,  thatsächlich  durch  einen  später  mitzutheilenden 
Versuch  getroffen  werden.  Gleichwohl  kann  man  mit  Sicher- 
heit sagen,  dass  auch  die  andere  Annahme  für  bestimmte 
Arten  von  Farbenphotographien  zutreffen  muss. 

Die  letztere  Annahme  —  sie  werde  als  Annahme  I  be- 
zeichnet —  setzt  voraus,  dass  im  wesentlichen  nur  die  Ver- 


i<^ 


r 


1)  G.  LippmanD,  Journ.  de  phys.  (3)3.  p.  97.  1894. 

2)  G.  H.  Niewenglowski,  Eder's  Jahrb.  f.  Photogr.  S.p.81.189i. 

i 


Zippmann'sche  Farbenphotographie,  498 

schiedenheiten   des   Brechnngsexponenten    in   der   Schicht  es 
sind,  welche  die  Reflexionen  veranlassen 

Diese  Annahme  wurde  schon  von  Lippmann  ^)  als  mög- 
lich bezeichnet  ,,au  moins  dans  certains  cas'^  Er  verstand 
darunter  jedenfalls  seine  Farbenphotographieen  mit  Chrom- 
gelatine, deren  Zustandekommen  er  vorher  auf  diese  Weise 
«rklärt  hatte*),  und  bei  denen  in  der  That  eine  andere  Mög- 
lichkeit ausgeschlossen  ist. 

Diese  Erklärung   wurde   von  Schutt  *)   als   die   auch  für 
Bromsilberplatten  einzig  mögliche  hingestellt. 

Auch  ich  hatte  schon  früher  bei  meiner  Untersuchung 
der  Körperfarbenphotographien  mich  auf  den  Boden  dieser 
Annahme  gestellt  und  unter  ihrer  Voraussetzung  bewiesen^), 
dass  dann  die  Phasenänderung  an  einem  Elementarspiegel 
eine  viertel  Wellenlänge  betragen  muss,  und  einen  zweiten 
Beweis  in  Aussicht  gestellt,  der  alsbald  hier  folgen  soll. 

Der  ausführlichen  Theorie  seiner  Farbenphotographie  hat 
Liippmann^)  eine  andere  Annahme  zu  Grunde  gelegt.  Danach 
sollen  die  Reflexionen  erfolgen  durch  ,,mol6cules  r^fl^chissantes 
diss^min^es^^  Dabei  braucht  man  wohl  das  Wort  „molöcules" 
nicht  strenff  zu  nehmen;  es  spielt  auch  in  der  Theorie  keine 
wesentliche  Rolle,  dass  es  gerade  Molecüle  sind,  es  genügt, 
dass  der  photographische  Niederschlag  in  Dimensionen  ab- 
geschieden wird,  die  klein  gegen  eine  Wellenlänge  sind,  zum 
mindesten  in  der  Dickenerstreckung  der  Schicht,  während 
die  Dimensionen  parallel  der  Schichtoberfläche  beliebig  gross 
sein  dürfen. 

Es  ist  ferner  nicht  erforderlich,  dass  die  abgeschiedenen 
Theilchen  aus  reinem  Silber  bestehen,  wenigstens  nicht  aus 
metallischem  Silber,  es  könnte  auch  moleculares  Silber  oder 
eine  Silberverbindung  sein.  Wesentlich  ist  aber,  dass  der 
Niederschlag  insofern  metallähnlich  ist,  als  sein  Reflexions- 
vermögen nicht  allein  von  dem  Brechungsexponenten  abhängen 


1)  G.  Lippmann,  Journ.  de  phys.  (3)  $•  p.  107.  1S94. 

2)  G.  Lippmann,  Compt.  rend.  115.  p.  575.  1892. 

3)  F.  Schutt,  Wied.  Ann.  67.  p.  533.  1896. 

4)  0.  Wiener,  Wied.  Ann.  55.  p.  255.  1895. 

5)  G.  Lippmann,  Journ.  de  pbys.  (3)  8*  p.  97.    1894. 


494  0.  JViener. 

darf,    sondern    durch    sein    Absorptionsvermögen    mitbedingt 
sein  muss. 

Die  so  abgegrenzte  Annahme  werde  als  Annahme  11  bei| 
zeichnet.  I 

Ich  wende  mich  zunächst  zu  der  Annahme  der  Reflexion 
allein  durch  unterschiede  im  Brechungsexponenten. 

Dieselbe  ist  bereits  von  Schutt^)  zum  Ausgangspunkt 
einer  Theorie  gemacht  worden.  Seine  Theorie  beschränkt  sich 
aber  auf  die  etwas  sehr  schematische  Voraussetzung,  dass  in 
der  fertigen  Platte  Schichten  von  abwechselnd  constanten 
niederen  und  constanten  höheren  Brechungsexponenten  und  je 
ein  viertel  Wellenlänge  Dicke  miteinander  abwechseln.  Er 
macht  also  die  beiden  vereinfachenden  Voraussetzungen,  dass 
erstens  die  Elementarschicht  gerade  ein  viertel  Wellenlänge 
Dicke  besitzt,  und  dass  zweitens  der  Brechungsexponent  inner- 
halb und  ausserhalb  derselben  jeweils  constant  ist.  ^ 

Von  beiden  Voraussetzungen  kann  man  mit  Leichtigkeit 
absehen.  Es  möge  zunächst  die  erste  Voraussetzung  faJlen, 
es  habe  also  die  Elementarschicht  eine  beliebige  Dicke  zwischen 


1)  F.  Schutt,  1-  c.  p.  547. 

2)  Leider  geht  Hr.  Schutt  ausserdem  von  einem  faUcheo  Aiisatx 
aus.  In  seinem  Streben,  Combinationen  zweier  Ebenen  zu  finden,  die 
eine  gesuchte  Lichtart  mit  übereinstimmenden  Phasen  zurückwerfen,  über- 
sieht er,  dass  die  gleiche  Lichtart  an  anderen  Ebenen  mit  entyegengeseixtm 
Phasen  zurückgeworfen  werden  kann.  Für  die  beiden  Fälle,  dass  die 
betrachteten  Ebenen  um  ein  gerades  und  um  ein  ungerades  Vielfachet 
einer  viertel  Wellenlänge  l  der  wirksam  fs^ewesenen  Farbe  voneinander 
abstehen,  findet  er,  dass  Lichtarten  von  der  Wellenlänge  A',  bez.  l"  mit 
gleicher  Phase  zurückgeworfen  werden,  wenn  sie  den  Bedingungen  ge- 
nügen : 

r  =  ±A   bez.    r  =  --^, 

2  m  2  m  —  1 

worin  n  und  m  ganze  Zahlen  bedeuten.  Um  ein  Beispiel  zu  nehmen, 
so  werde  in  der  ersten  Formel  n  =  4,  m  =  3,  in  der  zweiten  n  =  2, 
m  =  2  eingesetzt,  die  Formeln  führen  dann  zum  gleichen  Werthe  für  V 
und  X"j  nämlich  '/,  X.  Die  Lichtart  dieser  Wellenlänge  ('/,  k)  müsste 
also  durch  Interferenz  begünstigt  werden.  In  Wirklichkeit  wird  sie  durch 
die  Interferenz  der  von  je  zwei  um  X/2  abstehenden  Ebenen  völlig  be- 
seitigt. Damit  verlieren  auch  alle  Folgerungen  aus  dieser  Theorie  ihre 
Beweiskraft,  wenngleich  ihr,  wie  sich  zeigen  wird,  ein  brauchbarer  Kern 
zu  Grunde  liegt 

I 


Zippmanh'sche  Farbenphotographie.  495 

ind  einer  halben  Wellenlänge.  Ihre  Grenzen  lasse  man 
menfallen  mit  den  Stellen  der  stärksten  Aenderung  des 
mgsexponenten  und  nehme  vorläufig  der  Leichtigkeit 
erständnisses  halber,  unter  Beibehaltung  der  zweiten 
Bsetzung,  den  Brechungsexponent  innerhalb  und  ausser- 
ler  Elementarspiegelschicht  jeweils  als  constant  an. 
de  an  einem  Elementarspiegel  zurückgeworfene  Welle 
sich  dann  in  Wirklichkeit  aus  zwei  Wellen  zusammen , 
erste  am  optisch  dichteren,  deren  zweite  am  optisch 
-en  Mittel  zurückgeworfen  wird,  wenn  man  zunächst  der 
t  des  Elementarspiegels  einen  grösseren  Brechungs- 
mten  als  ausserhalb  desselben  zuschreibt.  Phase  und 
iUde  der  zusammengesetzten  Welle  findet  man  dann 
ler  FresnePschen  Regel  ^): 

teilt  man  eine  Welle,  bez.  die  durch  sie  in  einem  Punkte 
te  Sinusschwingung  durch  einen  Fahrstrahl  dar,  dessen 
die  Amplitude,  dessen  Winkel  mit  einer  Anfangsrichtung 
lase  angiebt,  so  stellt  die  geometrische  Summe  (Zu- 
nsetzung  nach  dem  Kräfteparallelogramm)  der  zu  zwei 
gungen  von  gleicher  Schwingungsdauer  gehörigen  Fahr- 
n  die  zusammengesetzte  Schwingung  nach  Amplitude 
iiase  dar. 

1  vorliegenden  Falle  wähle  man  die  Anfangsrichtung  so, 
e  die  Phase  einer  in  der  Symmetrieebene  des  Elementar- 
s  ankommenden  Welle  W^  darstelle.  Die  an  der  zweiten 
I  des  Elementarspiegels,  also  am  optisch  dünneren  Mittel 
geworfene  Welle  erfährt  gegenüber  W^  eine  Phasen- 
3rung,  die  nur  durch  den  von  der  Mitte  der  Elementar- 
Bchicht  bis  zu  ihrer  im  Abstand  d  befindlichen  unteren 
!  doppelt  zurückgelegten  Weg  bedingt  ist  und  also  in 
längen  ausgedrückt  den  Werth  2e//A,  in  Bogenmaass^ 
rückt  den  Werth 

;  }V^  bildet  also  mit  W^  den  Winkel  qp;  es  ist  dabei* 
Bsenverzögerunff  durch  Drehung  des  Ausgangsfahrstrahles^ 


Vgl.  einfachen  geometrischen  Beweis  im  Leitfaden  der  Physik 
«Lach,  2.  Aufl.  §137.  p.  87.  1891;  vgl.  auch  A.  Wüllner,  Lehr- 
r  Experimentalphysik.  5.  Aufl.  1.  p.  703.  1895. 


496  0.  Wiener. 

im  entgegengesetzten  Sinn  des  Uhrzeigers  dargestellt  (vgl.  Fig.  l). 
Die   an    der   ersten   Grenze   des  Elementarspiegels,   also  am 
optisch  dichteren  Mittel  zurückgeworfene  Welle  erfährt  gegen»f 
über  Wq  zunächst  eine  Phasenverzögerung   von   einer  halben 

Wellenlänge  durch  den 
Act  der  Reflexion;  da 


M 


5- 


'^  \ 


vr 


^  sie  aber  gegenüber  W^ 


einen  um  2  d  kleineren 

^    Weg  zurückgelegt  hat, 

%    so    hat   die   gesammte 
^'  Phasen  Verzögerung,  in 

Bogenmaass  ausgedrückt,  nur  den  Werth  n^  (p.  Man  findet 
also  die  Richtung  W^,  indem  man  an  der  W^  entgegengesetzten 
Richtung  den  Winkel  (p  im  Sinne  kleiner  werdender  Winkel 
abträgt  Zieht  man  die  Diagonale  des  aus  W^  und  W^  con- 
struirten  Parallelogramms,  so  findet  man  den  die  zusammen- 
gesetzte Welle  darstellenden  Fahrstrahl  W^.  Er  steht  zufolge 
der  Construction  senkrecht  auf  W^]  die  am  Elementarspiegel 
reflectirte  Gesammtwelle  erfährt  also  an  ihm  eine  Phasen- 
verzögerung von  einer  viertel  Wellenlänge. 

Die  Phasenänderung  ist  die  gleiche,  wie  gross  man  auch 
die  Dicke  2  d  des  Elementarspiegels  wählen  mag.  Die  Grösse 
von  2d  hat  nur  Eiufiuss  auf  die  Grösse  der  Amplitude,  die 
mit  2d  verschwindet  und  für  2«/=Ä/4  ein  Maximum  erreicht, 
d.  i.  für  den  Specialfall  des  Schütt'schen  Schemas. 

Der  obige  Beweis  lässt  sich  ohne  weiteres  auf  den  Fall 
der  stetigen  Aenderung  des  Brechungsexponenten  übertragen. 
Es  treten  nur  an  die  Stelle  der  geradlinigen  Fahrstrahlen  W^ 
und  //g  zwei  stetig  gekrümmte  Curvenstücke,  welche  aber 
gleichfalls  spiegelbildlich  zu  der  auf  W^  errichteten  Normale 
verlaufen  und  sich  daher  auch  zu  einem  in  dieser  Normale 
liegenden  Fahrstrahle   W^  zusammensetzen  müssen. 

Damit  ist  die  oben  aufgestellte  Behauptung  allgemein 
bewiesen:  Unter  den  angegebenen  Bedingungen  ist  die  Phasen- 
änderung  bei  Reflexion  an  einem  Elementarspiegel,  bezogen  auf 
die  geometrische  Mittelebene  seiner  Schicht,  eine  viertel  Wellenlänge, 
und  zwar  eine  Phasenverzögerung,  wenn,  wie  hier  vorausgesetzt, 
die  Schicht  des  Elementarspiegels  einen  höheren  Brecbungs- 
exponenten  hat  als  seine  Umgebung,  eine  Phasenbeschleunigung 


Lippmann' sehe  Farbenphotographie.  497 

^om  gleichen  Betrage,    wenn   sie  einen  kleineren  Brechungs- 
^Xponenten  hat. 

Dabei  ist  freilich  noch  vorausgesetzt,  dass  die  Amplituden 
der  an  beiden  Grenzflächen  des  Elementarspiegels  refiectirten 
Wellen  als  gleich  gross  angenommen  werden  dürfen.  In  Wirk- 
lichkeit muss  die  Amplitude,  welche  zu  der  zweiten  Reflexion 
gehört,  die  kleinere  sein,  allein  schon  wegen  des  Intensitäts- 
verlustes  des  Lichtes  bei  der  ersten  Reflexion. 

Will  man  diese  Verschiedenheit  der  Amplituden  berück- 
sichtigen, so  ersieht  man  aus  Fig.  1,  dass  die  Phase  der 
restdtirenden  Welle  W^  etwas  grösser  als  90®  (V*^)  werden 
muss,  wenn  W^  <  /F^,  und  zwar  um  so  mehr,  je  kleiner  das 
Amplitudenverhältniss  v  von  H^^  zu  W^  ist,  und  femer  um  so 
^össer,  je  kleiner  bei  gleichem  v  der  Winkel  cp  ist. 

Quantitativ  lässt  sich  leicht  ersehen,  dass  die  Vergrösserung  a 
der  Phasenverzögerung  über  90®  hinaus  aus  v  und  cf  sich 
durch  die  folgende  Gleichung  berechnen  lässt: 

.  1   -V 

tgc  = 


(l  +  p)tg<JP 


Aus  dieser  Formel  erkennt  man,  dass  selbst  in  ungünstig 
gegriffenen  Fällen  6  keine  grossen  Beträge  erreichen  wird. 
Nach  von  mir  angestellten  angenäherten  Messungen,  deren 
Mittheilung  mich  hier  zu  weit  führen  würde,  dürfte  bei  den 
Farbenphotographien,  mit  denen  ich  experimentirte,  v  schwer- 
lich kleiner  als  0,85  sein.  Macht  man  femer  die  Annahme, 
dass  die  Stelle  des  schroffsten  Wechsels  der  Brechungsexpo- 
nenten  von  der  Bauchebene  nur  in  ^4  ihres  Abstandes  von 
der  Knotenebene  entfernt  liegt,  so  würde  y  =  45  ®  und  tg  9)  =  1 
werden;  daraus  ergiebt  sich  e  zu  rund  5^,  entsprechend  einer 
Vermehrung  der  Phasenverzögerung  von  0,015  Wellenlängen; 
würde  die  Stelle  des  schroffsten  Wechsels  nur  in  ^g  jenes  Ab- 
standes von  der  Bauchebene  abliegen,  so  wäre  qp  =  22,5  **,  und 
daraus  ergäbe  sich  a  zu  rund  11^,  entsprechend  einer  Ver- 
mehrung der  Phasenverzögerung  von  0,031  Wellenlängen.  Die 
letztere  Annahme  ist  aber  schon  sehr  unwahrscheinlich. 

Zwar  folgt  aus  obiger  Formel  fürqp  =  0^,  6  =  90**,  sodass 
die  gesammte  Phasenverzögerung  tp  an  dem  Elementarspiegel 
180®  oder  eine  halbe  Wellenlänge  sein  würde.   Man  darf  aber 

W         Ann.  d.  PhjB.  u.  Cbem.    N.  F.    69.  32 


498  0.  Wiener. 

nicht  überseheu,  dass  zagleich  mit  (p,  also  auch  zugleich  mit 
der  Dicke  des  Elementarspiegels,  die  Amplitude  der  an  ihm 
reflectirten  Welle  gegen  Null  convergirt.  Denn  obgleich  die' 
Amplitude  der  an  der  hinteren  Fläche  des  Elementarspiegels 
zurückgeworfenen  Welle  kleiner  ist  als  die  für  die  vordere 
Fläche,  wegen  des  durch  sie  bedingten  Intensitätsverlustes,  so 
wird  die  Amplitude  der  Gesammtwelle  doch  streng  Null  bei  Be- 
rücksichtigung der  mehrfach  hin-  und  hergehenden  Reflexionen, 
so  lange  wenigstens  eine  merkliche  Absorption  in  der  Schicht 
nicht  in  Frage  kommt. 

Wesentlich  anders  liegen  aber  die  Verhältnisse,  wenn  noch 
eine  Absorption  in  der  Elementarschicht  zu  berücksichtigen 
ist,  welche  der  metallischen  Absorption  gleich  oder  nahe  kommt 
Hier  kann  eine  Schicht  von  ^I^^qqq  Wellenlänge  Dicke  noch 
merkliche  Eeflexion  ausüben,  was  für  eine  gleiche  dicke,  nicht 
absorbirende  Schicht  nicht  mehr  der  Fall  ist 

Damit  ist  bereits  auf  die  andere  Möglichkeit  von  der 
Wirkungsweise  des  photographischen  Niederschlages  eingegangen, 
wonach  dieser  in  getrennten,  gegen  die  Lichtwelle  kleinen 
Theilchen  oder  entsprechend  dünnen  Schichten  angeordnet  ist. 

Man  hat  gegen  diese  Auffassung  geltend  gemacht,  dass 
die  Schicht  gar  nicht  kornlos  erscheint,  wie  sie  voraussetzen 
müsste.  Neuhauss  ^)  und  Schutt')  haben  mit  dem  Mikro- 
skop Körner  von  einem  Durchmesser  bis  gegen  0,0015  bez. 
0,0013  mm  nachzuweisen  geglaubt.  Doch  waren  das  wirklich 
Körner,  was  sie  sahen?  Wenn  man  so  schliesst,  übersieht  man, 
dass  durch  die  mikroskopische  Betrachtung  nur  die  Flächen- 
ansicht dieser  Gebilde  beobachtet  wurde,  nicht  die  Seiten- 
ansicht Aber  gerade  Neuhauss  ist  ja  auch  die  schwierige 
Aufgabe  gelungen,  einen  Querschnitt  der  Schicht  mikroskopisch 
zu  photographiren.  Hr.  Dr.  Neuhauss  hat  die  Freundlichkeit 
gehabt,  mir  die  Positive  zweier  seiner  Aufnahmen  zu  senden, 
aus  denen  die  Einzelheiten  noch  etwas  schärfer  zu  erkennen 
sind,  als  in  der  Abbildung  in  den  Annalen.^)  Hier  ist  von 
einem  Korn  nichts  mehr  zu  erkennen,  sondern  nur  die  perio- 
dische Veränderlichkeit  der  Dichte  des  Niederschlages. 

1)  R.  Neuhauss,  Verh.   d.  Phys.  Ges.  zu  Berlin  14.  p.  18.  1895. 

2)  F.  Scbütt,  1.  c.  p.  537. 

3)  R.  Neuhauss,  Wied.  Ann.  65.  p.  165.  1898.  i 


LippmanrC sehe  Farbenphotographie,  499 

Mithin  darf  man  aus  den  obigen  Beobachtungen  nicht  auf 
nach  allen  Seiten  gleich  dicke  Körner,  sondern  nur  auf  Blätt- 
ehen schliessen,   deren  seitliche  Dimensionen  die  Lichtwellen- 
länge  zum  Theil  übertrefifen,  deren  Dicke  aber  unterhalb  der 
Wellenlänge  bleibt. 

Uebrigens  giebt  Schutt  die  Möglichkeit  solcher  feineren 
Liamellen  doch  zu  mit  den  Worten :  ,,  Von  einer  Lamellenbildung 
durch  diesen  Niederschlag  kann  demnach  überhaupt  nicht  die 
Kede  sein,  wohl  aber  von  einer  Lamellenbildung  in  demselben." 

Es  fragt  sich  nun,  woraus  der  Niederschlag  besteht.  Dass 
es  cohärentes  metallisches  Silber  wäre,  dagegen  spricht  seine 
in  der  Durchsicht  braune  Farbe,  während  cohärentes  Silber 
bekanntlich  in  der  Durchsicht  blau  ist. 

Dagegen  ist  die  Annahme  sehr  wahrscheinlich,  dass  der 
Niederschlag  aus  molecularem  Silber  besteht  oder  zum  min- 
desten ans  einem  ihm  optisch  nahestehenden  Körper. 

Unter  molecularem  Silber  versteht  Wernicke^)  Silber, 
dessen  Molectile  durch  irgendwelche  andere  Theilchen  von- 
einander getrennt  sind^,  so  dass  die  starken  metallischen 
Cohäsionskräfte  nicht  zur  Geltung  kommen,  das  aber  durch 
Druck  und  andere  Einflüsse  leicht  in  cohärentes  Silber  über- 
gefiihrt  werden  kann. 

In  scharfsinniger  Weise  hat  Wer  nicke  nachgewiesen,  dass 
diese  beiden  Modificationen  es  sind,  welche  die  Widersprüche 
erklären,  die  zwischen  den  Beobachtungen  verschiedener  Be- 
obachter über  die  absolute  Phasenänderung  des  Lichtes  an 
dünnen  Metallschichten  unter  sich  und  mit  der  Theorie  be- 
standen. 

Kurz  vorher  hatte  schon  Drude  *)  jene  Abweichungen 
auf  eine  sehr  dünne  Oberflächenschicht  des  Silbers  zurück- 
geführt und  deren  optische  Constanten  bestimmt. 

Diese  Constanten  sind  also  nach  Wernicke  diejenigen 
des   molecularen  Silbers.     Sie   unterscheiden   sich  von    denen 


1)  W.  Wernicke,  Wicd.  Ann.  52.  p.  528.  1894. 

2)  Ob  die  Aneinauderlagerung  zweier  Silbermolccüle  bereits  diesen 
die  Eigenschaften  des  cohärenten  Silbers  crtheilt,  dürfte  wohl  nicht 
feststehen.  E^  ist  daher  auch  nicht  gesagt,  dass  man  diesen  Ausdruck 
wörtlich  nehmen  muss. 

3)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  50.  p.  595.  1893;    51.  p.  77.  1894. 


500  0.  fTietier. 

des  cohärenten  Silbers  durch  einen  bedeutend  grösseren 
Brechungsexponenten  n  und  einen  bedeutend  kleineren  Ab- 
sorptionsindex X  (der  sich  auf  die  Strecke  einer  WellenlängcV 
bezieht,  während  der  Absorptionscoefficient  n .  x  sich  auf  gleiche 
absolute  Längen  bezieht).  Nach  Drude  sind  die  Constanten  ftbr 
cohärentes  Silber  n  =  0,181;  nx  =  3,67;  also  x  =  20,3;  die- 
jenigen für  moleculares  Silber  zufolge  der  Deutung  von  Wer- 
nicke:  n  =  4;  nx  =  2,82;  also  x  =  0,705. 

Es  hat  eine  hohe  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dass  die 
letzteren  Constanten  zugleich  annähernd  diejenigen  des  photo- 
graphischen Niederschlages  bei  den  Lippmann'schen  Brom- 
silberplatten sind,  selbst  in  dem  FaUe,  dass  der  Niederschlag 
nicht  aus  reinem  Silber,  sondern  aus  einem  Oxyd  desselben 
bestehen  sollte.  Denn  nach  Wernicke^)  ist  das  optische 
Verhalten  eines  solchen  nur  wenig  von  dem  des  molecularen 
Silbers  verschieden. 

Die  nächste  Frage  ist  die  nach  der  Dicke  der  zusammen- 
gedrängt gedachten  Silberschicht,  die  sich  in  einem  Elemeutar- 
spiegel  durch  die  Entwickelung  abscheiden  kann.  Ihre  obere 
Grenze  lässt  sich  abschätzen  aus  dem  Verhältniss  der  an- 
gewandten Substanzmengen  und  den  specifischen  Gewichten 
und  Brechungsexponenten  der  in  der  präparirten  Schicht  vor- 
handenen Stoffe.  Die  Platten,  welche  zu  den  für  die  vor- 
liegende Frage  maassgebenden  Versuchen  benutzt  wurden, 
waren  nach  dem  von  Neuhauss*)  angegebenen  Eecept  her- 
gestellt. Würde  durch  die  Entwickelung  alles  Silber  zwischen 
zwei  aufeinanderfolgenden  Knotenebenen  ausgeschieden ,  so 
würde  dieses  zusammengedrängt  eine  Schicht  von  etwa  2,9  /u/i 
(Millionstel  mm)  ausfüllen.  Macht  man  die  nächstliegende  An- 
nahme, dass  nur  die  Hälfte  ausgeschieden  wird,  so  würde  sie 
etwa  l,4jUju  betragen. 

Das  Refiexionsyermögen  einer  Silberschicht  solcher  Dicke 
darf  nicht  unterschätzt  werden.  Bei  einer  früheren  Gelegenheit^ 
habe  ich  die  Dicke  derjenigen  dünnsten  Silberschicht  bestimmt, 
die  sich  eben  noch  durch  ihr  Reflexionsvermögen  von  der  un- 

1)  W.  Wernicke,  Wied.  Ann.  52.  p.  525.  1894. 

2)  H.  Neuhauss,  Die  Photographie  nach  Lippmann's  Verfahren; 
Encyklopädie der  Photographie.  Heft33.  Halle  a.S.  Verl.  v.W.  Knapp.  IS93. 

8)  0.  Wiener,  Wied.  Ann.  81.  p.  666.  1887. 

i 


LippmanrC sehe  Farbenphotographie,  501 

bedeckten  durchsichtigen  Unterlage  (Glimmer)  abhebt.  Der 
gefundene  Mittelwerth  aus  zwei  Zahlen  war  0,13  jUjU.  Da  man 
f  den  Molecülen  eine  Grösse  von  dieser  Ordnung  zuschreibt,  so 
dürften  Lippmann's  „mol^cules  r^fl^chissantes  diss6min6es** 
vielleicht  sogar  wörtlich  genommen  werden. 

Einer  Silberschicht  von  l,4jti|ti  Dicke  kommt  also  bereits 
ein  nicht  unbedeutendes  Reflexionsvermögen  zu.  Trotz  merk- 
licher Absorption  ist  eine  solche  Schicht  aber  noch  sehr  gut 
durchsichtig,  sodass  die  diesbezüglichen  Bedenken  von  Schutt^) 
wegfallen. 

Welche  Phasenänderung  wird  nun  ein  Elementarspiegel 
bedingen,  wenn  man  annimmt,  dass  die  Reflexion  an  äusserst 
dünnen  Blättchen  aus  molecularem  Silber  erfolgt,  die  innerhalb 
seiner  Schicht  zerstreut  sind  und  deren  Dicke  insgesammt  nur 
etwa  1,4  jUju  beträgt? 

Ich  habe  schon  oben  (p.  498)  angedeutet,  wie  sich  die 
Phasenänderung  einer  sehr  dünnen,  in  einen  andersartigen  Stoff 
eingelagerten  Schicht  verändern  muss,  wenn  Absorption  noch 
mit  ins  Spiel  kommt.  Solange  diese  nicht  schon  innerhalb 
einer  Wellenlänge  stark  ist,  wird  die  Phasenänderung  bei 
Reflexion  an  der  vorderen  Fläche  eine  halbe  Wellenlänge,  die 
an  der  hinteren  gleich  Null  sein.  Aber  die  Amplitude  für  das 
an  der  Vorderfläche  zurückgeworfene  Licht  ist  jetzt  im  üeber- 
gewicht,  da  das  von  der  hinteren  Fläche  kommende  Licht, 
abgesehen  von  den  Schwächungen  beim  Durchtritt  durch  die 
vordere  Fläche,  zweimal  die  Absorption  in  der  Schicht  zu 
erleiden  hatte.  Die  Phasen änderung  wird  also  im  Ganzen 
nahezu  ebenfalls  eine  halbe  Wellenlänge  betragen,  nicht  ganz, 
wegen  des  zu  berücksichtigenden  kleinen  Wegunterschiedes  der 
von  hinten  kommenden  und  der  mehrfach  reflectirten  Wellen. 
Ausserdem  wird  noch  die  Absorption  an  sich,  indem  sie  die 
Reflexion  verstärkt,  einen  modificirenden  Einfluss  ausüben. 

Das  Experiment  bestätigt  diese  Anschauung.  Ich  habe 
schon  bei  früherer  Gelegenheit  die  Phasenänderung  an  sehr 
dünnen  Silberschichten  bestimmt,  welche  zwischen  Stoffen  von 
nahezu  übereinstimmenden  Brechungsexponenten  eingebettet 
waren,  nämlich  zwischen  Glimmer  und  Cassiaöl.     Die  Schicht 


1)  F.  Schutt,  1.  c.  p.  539. 


502  0.  mener. 

muss   nach  Wernicke  als  im  wesentlichen  aus  moleeolarem 
Silber  bestehend  aufgefasst  werden. 

Man  erkennt  die  Phasenänderung  aus  Fig.  19,  Taf.  V,  meine ic" 
früheren  Abhandlung.^)  Die  Verschiebung  der  dort  dargestellter^ 
Interferenzstreifen  für  die  Reflexion  Glimmer- Silber -Cassiai>l 
beträgt  gegenüber  der  für  Glimmer-Luft   nahezu   eine   halb^ 
Wellenlänge  in  allen  Theilen  des  Spectrums,  d.  h.  die  Phasen— 
änderung  ist  nahezu  eine  halbe  Wellenlänge. 

Die  bezeichnete  Figur  lehrt  zugleich ,  da  sie  auch  die 
Interferenzstreifen  für  die  Reflexion  Glimmer-Silber -Luft  auf- 
weist, wie  stark  die  Phasenänderung  von  dem  Brechungs- 
exponent des  hinter  der  Silberschicht  liegenden  Stoffes  abhängt. 
Neuerdings  angestellte  Versuche  haben  mir  das  bestätigt. 

Daraus  folgt,  dass  die  Phasenänderung  bei  den  Lipp- 
mann'sehen  Schichten  davon  abhängen  wird,  ob  zu  beiden 
Seiten  des  Silbers  wirklich  nur  Gelatine,  oder  vielleicht  nach 
der  geometrischen  Bauchebene  hin  Gelatine,  mit  noch  etwa 
zurückbleibenden  Stofifen  verunreinigt,  sich  befindet.  Die  Art 
und  Dauer  der  Entwickelung  und  die  Genauigkeit  des  Aus- 
waschens  kann  also  auf  diese  Verhältnisse  und  die  dadurch 
bedingte  Farbenwiedergabe  Einfluss  haben. 

Aus  der  Phasenänderung  an  einem  einzelnen  Silberblättchen 
kann  man  jetzt  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  früheren  Ab- 
leitung für  fehlende  Absorption  die  Phasenänderung  für  den 

ganzen  Elementarspiegel  ab- 
leiten.   Man  zerlege  zu  die- 

>%  sem  Zwecke  denselben  in  etwa 

drei  gleich  dicke  Schichten, 
so  wird  die  oberste  die  durch 
fß\  (Fig.  2),  die  mittlere  die 
durch  //,,  die  unterste  die  durch  /^  nach  Amplitude  und  Phase 
dargestellten  Wellen  zurücksenden,  die  sich  zu  einer  einzigen 
addiren,  der  gleichfalls  die  Phasenänderung  von  einer  halben 
Wellenlänge  zukommt,  jedoch  wieder  nur  angenähert,  erstens 
aus  dem  schon  oben  angegebenen  Grunde  und  zweitens,  weil 
ir^  eine  kleinere  Amplitude  als   W^  zukommen  wird. 

Die    beiden   verschiedenen   Annahmen   über  die  Art    des 


Fig.  2. 


1)  0.  Wiener,  Wied.  Ann.  31.  Taf.  V.  Fig.  19.  1887. 


Lippmann! sehe  Farhenphotographie,  503 

Niederschlages  f&hren  also  za  wesentlich  verschiedenen  Folgen 
für  die  Phasenänderung  des  an  einem  Elemeutarspiegel  zurück- 
geworfenen Lichtes.  Annahme  I  bei  fehlender  Absorption  be- 
dingt Phasenverzögerungen  von  annähernd  einer  viertel  Wellen- 
länge mit  Neigung  zu  etwas  grösseren  Verzögerungen,  An- 
nahme II  bei  einer  der  metallischen  nahekommenden  Absorption 
bedingt  Phasenverzögerungen  von  annähernd  einer  halben 
Wellenlänge  mit  Neigung  zu  etwas  kleineren  Verzögerungen. 

3.  Der  PhaaenunterBchied  zwischen  der  von  der  Oberfläche  und 
der  vom  ersten  Elementarspiegel  zurückgeworfenen  Welle. 

Der  Phasenunterschied  S  zwischen  der  von  der  Oberfläche 
und  der  vom  ersten  Elementarspiegel  zurückgeworfenen  Welle 
hängt  erstens  von  dem  Abstand  a  der  ersten  geometrischen 
Bauchebene  von  der  Schichtoberfläche  und  zweitens  von  der 
Phasenverzögerung  %fj  bei  Reflexion  an  dem  Elementarspiegel 
ab.  Der  zurückgelegte  Weg  2  a  bedingt  eine  Phasen  Verzögerung 
gegenüber  der  einfallenden  Welle  von  2a/A,  welcher  nach 
Abschnitt  1  (p.  491)  gleich  cp,  d.  h.  gleich  der  Phasenbeschleu- 
nigung ist,  die  das  Licht  bei  Reflexion  in  der  empfindlichen 
Schicht  am  Quecksilberspiegel  erlitt  Die  gesammte  Phasen- 
verzögerung der  am  ersten  Elementarspiegel  reflectirten  Welle 
gegenüber  der  einfallenden  beträgt  daher  qr  +  t/'.  Die  Phasen- 
verzögerung an  der  Oberfläche  der  Schicht  ist  gleich  einer 
halben  Wellenlänge.  Der  gesuchte  Phasenunterschied  ist  daher: 

S  ^  (f  +  rp  -\. 

Setzt  man  nach  den  früheren  Abschnitten  für  (f  den  für 
sorgfältig  getrocknete  Gelatine  geltenden  Werth  0,41  und  für 
\f,f  den  für  unmerkliche  Absorption  annähernd  geltenden  Werth 
0,25  ein,  so  ergiebt  sich: 

d  =  0,41  +0,25-0,5  =  0,16. 

Für  nur  an  Luft  getrocknete  Gelatine  könnte  im  Blau  des 
Spectrums  cp  auf  0,39  sinken,  dann  würde  8  =  0,14,  im  Roth 
dagegen  auf  0,49  steigen,  dann  würde  S  ==  0,24. 

Setzt  man  für  \p  den  für  beträchtliche  Absorption  an- 
nähernd geltenden  Werth  0,5  ein,  so  ergiebt  sich  für  sorg- 
fältig getrocknete  Gelatine  J=0,41,  für  nur  an  Luft  getrocknete 
könnte  d  nahe  den  Werth  0,5  im  Roth  erreichen;  d.  h.  dann 


504  0.  Wiener. 

stände   das   aus  der  Tiefe  der  Schicht  kommende  Licht  mit 
dem  an  der  Oberfläche  reflectirten  nahezu  in  entgegengesetzter 
Phase.    Der  schädliche  Einfluss  der  Oberflächenreflexion  wäre% 
dann  am  grössten.     Es  ist,  wie  schon  oben  bemerkt,  leicht 
möglich,  dass  für  die  präparirte,  selbst  gut  getrocknete  Gela- 
tine ein  Werth  tp  gilt,  welcher  demjenigen  der  an  Luft  ge- 
trockneten reinen  Gelatine  näher  steht,  als  dem  der  vollkommen 
trockenen.   Der  Werth  von  8  wird  also  je  nach  den  Versuchs- 
bedingungen und  den  davon  abhängenden  Werthen  von  (p  und 
\f)  verschieden  ausfallen. 

Es  ergiebt  sich  aber,  dass  selbst  unter  normalen  Versuchs- 
bedingungen  die  Oberflächenwelle  in  ihrer  Phase-  nicht  mit  der 
ersten  Elementarwelle  übereinstimmt  für  die  Farbe,  mit  der  die 
Platte  belichtet  worden  war, 

4.  liipp  mann 'sehe  Schichten,  deren  Qrenzfläche  die  Slementar- 

spiegel  schneidet. 

Bevor  ich  zur  Besprechung  der  unter  Einfluss  der  Ober- 
flächenreflexion entstehenden  Farben  übergehe,  ist  des  besseren 
Verständnisses  halber  die  Mittheilung  der  hier  folgenden  Ver- 
suche erforderlich. 

Betrachtet  man  eine  in  Gelatine  hergestellte  Farben- 
photographie  von  der  Glasseite  aus,  so  sieht  man  das  Spec- 
trum von  einer  Reihe  heller  und  dunkler  Streifen  durch- 
zogen. Die  Erscheinung  gewährt  ungefähr  den  Anblick  wie 
der  des  Spectrums  in  einem  Spectralapparat,  auf  dessen  Spalt 
man  das  Bild  eines  dünnen  und  nicht  ganz  gleichmässig  dicken 
Blättchens  entworfen  hat  oder  eines  Spectrums,  das  man  auf 
einem  solchen  Blättchen  entworfen  hat  und  im  reflectirten 
Lichte  betrachtet.  Nur  sind  die  Minima  im  Lippmann'schen 
Spectrum  nicht  so  stark  ausgeprägt  wie  in  den  beiden  damit 
verglichenen  Spectra. 

Man  wird  daher  geneigt  sein,  die  Erscheinung  so  auf- 
zufassen, als  ob  ein  dünnes  Blättchen  der  Beleuchtung  durch 
das  Lippmann'sche  Spectrum  ausgesetzt  wäre.  Es  würde 
dies  voraussetzen,  dass  das  Spectrura  nur  durch  einen  äusseren 
Theil  der  Schicht  erzeugt  wird,  während  der  innere  von  Ele- 
mentarspiegeln frei  bliebe.  Es  würde  dann  die  im  Glas  an 
der  Schichtgrenze   mit   der   aus  der  Tiefe  kommenden  Welle 

I 


LippmanrC sehe  Farbenphotographie,  505 

• 

1  nahe  homogener  Farbe  interferiren.  Diese  Auffassung 
•d  begünstigt  durch  die  Beobachtung  von  Neuhauss^),  der 

seinem  mikroskopischen  Nachweis  der  Elementarspiegel 
einer  Eiweissschicht  solche  nur  in  dem  äusseren  Theile  des 
.ttchens  fand,  während  der  innere  davon  frei  war.  Dagegen 
bachtete  er  gerade  an  dessen  innerer  Grenze  einen  wenn 
;h  nur  feinen  Niederschlag.  Dieser  könnte  also  das  zur 
därung  nothwendige  Reflexionsvermögen  an  jener  Stelle 
iingen. 

Trotz  allem  ist  diese  Erklärung  der  Streifen  nicht  stich- 
tig.  Die  Farben  des  Lipp mann 'sehen  Spectrums  sind 
SU  nicht  homogen  genug ,  zum  mindesten  nicht  bei  den 
r  vorliegenden  Platten.  Man  überzeugt  sich  davon  leicht, 
am  man  auf  der  Schichtseite  eine  fernere  Schicht  aus 
lodium  oder  dergl.  von  geeigneter  Dicke  aufträgt.  Es  ist 
in  im  Tageslicht  nichts  von  Streifen  zu  sehen,  wohl  aber 
Natriumlicht,  sodass  also  die  Möglichkeit  der  Streifenbildung 
;h  im  weissen  Licht  gegeben  wäre. 

Die  Verhältnisse   liegen    also    anders  wie   bei  den  Neu- 

ass 'sehen  Eiweissschichten,  bei  denen  die  hier  beobachtete 

scheinung   auch   nicht   stattgefunden  zu  haben  scheint,    da 

nur   mittheilt,    dass   die   Farben    auf  der  Glasseite  ,.viel 

aiger  leuchtend  sind**^),  und   von  Streifen  nichts  erwähnt. 

ist  ferner  zu  berücksichtigen,  dass  die  Eiweissschichten 
en  Gehalt  an  Silbersalz  erst  hinterher  durch  ein  Bad  er- 
ten;  es  ist  also  leicht  möglich,  dass  die  Diffusion  des 
zes  nicht  tief  genug  reicht.  Bei  den  Bromsilberplatten 
(egen  ist  das  Salz  von  vornherein  gleichmässig  in  der  Schicht 
theilt. 

Vielmehr  sind  jene  Streifen  die  nothwendige  Folge  davon, 
18  die  Grenzfläche  Schicht-Glas  im  allgemeinen  die  Elementar- 
egel in  schwacher  Neigung  schneiden  wird. 

Dass  die  Elementarspiegel  die  ganze  Schicht  durchsetzen 
inen,  wenn  die  Entwickelung  lange  genug  gedauert  hat,  ist 
ht  zu  bezweifeln;  denn  in  der  nahezu  vollkommen  durch- 
bogen unentwickelten  Schicht  müssen  die  stehenden  Licht- 


1)  R.  Neuhauss,  Wied.  Ann.  65.  p.  165.  1898. 

2)  1.  c.  p.  171. 


506 


0.  Wiener. 


wellen  in  der  ganzen  Tiefe  auftreten ,  sonst  könnten  sie  bei 
meinen  eigenen  Versuchen  über  solche  auch  nicht  beobachtet 
worden  sein,  wo  der  Abstand  der  empfindlichen  Schichten  anf 
Spiegel  zum  Theil   bedeutend  grösser  war,  als  die  Dicke  der 
Gelatineblättchen  betrug. 

Dass  in  der  That  die  ganze  Schicht  mit  Elementarspiegeln 
ausgefüllt  ist,  lässt  sich  einfach  nachweisen,   indem  man  den 
grössten  Theil  der  Schicht  durch  Eeiben  mit  Leder  und  enghsch 
Roth  abträgt,  soweit  als  es  bequem  möglich  ist,  ohne  die  Schiebt 
vollkommen  von  der  Glasunterlage  zu  entfernen,  und  soweit, 
dass  die  übrigbleibende  Schicht  bedeutend  durchsichtiger  ge- 
worden  ist;    man    sieht   dann  von   der   Glasseite   her   immer 
noch  das  Spectrum  mit  den  Streifen,  wenn  auch  begreiflicher- 
weise  durch   die  von    der  Rückseite   her   in  Schicht  an  Luft 
zurückgeworfenen  Welle  etwas  verändert.    Die  obige  Erklärung 
der  Streifen  ist  damit  widerlegt. 

Ein  Schneiden  der  Elementarspiegel  mit  der  anliegenden 
Glasfläche  muss  gerade  dann  eintreten,  wenn  die  Gelatine- 
schicht planparallel  ist. 

Es  werde  zunächst  einmal  die  Annahme  einer  solchen 
Planparallelität  gemacht  und  der  Einfachheit  halber  die  fernere, 
dass  das  Spectrum  vom  Roth  der  Wellenlänge  760  /uju,  bis 
zum  ultraviolett  der  Wellenlänge  380  fifif  abgebildet  werde, 
dann  liegt  an  der  letzten  Stelle  im  Vergleich  zur  ersten  die 
doppelte  Zahl  von  Elementarschichten,  worunter  der  Zwischen- 
raum zwischen  zwei 
Enotenflächen  der  ste- 
henden Wellen  verstan- 
den sei. 

In  nebenstehender 
Fig.  3  ist  der  Fall  ver- 
^^•^  anschaulicht,    dass   im 

^'S'  ^'  Roth  4  und  im  Ultra- 

violett S  Elementarschichten  in  dem  Gelatineblättchen  Platz 
finden,  wobei  jeweils  an  den  Grenzen  zwei  unvollständige 
Schichten  auftreten,  die  sich  zusammen  zu  einer  vollständigen 
ergänzen.  Die  gezeichneten  Striche  sollen  dabei  die  Mittel- 
ebenen der  Elementarschichten  d.  h.,  die  Bauchebenen  dar- 
stellen. 


Zti/t 


JtoC 


mtracynoUtt 


Lippmann' sehe  Farbenphotographie,  507 

Die  Figur  lehrt,  dass  dann  die  Grenzfläche  am  Glase 
^ch  von  vier  Elementarschichten  geschnitten  werden  muss. 
Hes  gilt  allgemein;  so  viele  Elementarschichten  im  Eoth»  so 
>ft  muss  die  Grenzfläche  am  Glas  von  Elementarspiegeln  ge- 
schnitten werden. 

Betrachtet  man  nun  die  Platte  von  der  Glasseite,  so  muss 
iie  an  der  Grenze  Glas-Gelatine  zurückgeworfene  Welle  mit 
ler  aus  der  Tiefe  kommenden  Gesammtwelle  zur  Interferenz 
elangen.  Zwischen  zwei  Schnittstellen  der  Mittelebenen  der 
llementarspiegel  sind  nun  alle  möglichen  Phasenunterschiede 
er  Oberflächenwelle  gegenüber  der  Gesammtwelle  aus  der 
'iefe  vertreten;  es  müssen  also  so  viele  dunkle  Streifen  als 
chnittstellen  der  Elementarspiegel  mit  der  Glasfläche  vor- 
anden  sein. 

Die  Minima  für  verschiedene  Farben  müssen  ferner  au 
srschiedenen  Stellen  liegen.  Dies  ist  in  der  That  der  Fall. 
e\  genauerem  Zusehen  beobachtet  man  nämlich,  dass  die 
treifen  mit  farbigen  Säumen  umgeben  sind,  welche  nicht  zum 
pectralbereich  der  beobachteten  Stelle  gehören.  Dadurch 
nterscheidet  sich  also  die  Erscheinung  von  der  oben  erwähnten 
er  spectralen  Interferenzen  dünner  Blättchen  und  schliesst 
aber  schon  deshalb  die  ZurückfÜhrung  auf  diese  aus. 

Beobachtet  man  im  homogenen  gelben  und  blauen  Lichte, 
>  liegen  daher  auch  die  Minima  nicht  an  denselben  Stelleu, 
nd  zwar  die  Minima  für  Blau  gegenüber  denen  für  Gelb 
Bgen  das  rothe  Ende  des  Spectrums  hin  verschoben,  in  Ueber- 
instimmung  mit  der  in  Fig.  3  dargestellten  Lage  derElementar- 
piegel. 

Die  Maxima  und  Minima  sind  indess  nicht  ausschliesslich 
urch  Interferenz  bedingt;  denn  man  darf  nicht  vergessen, 
ass  die  Stärke  des  Niederschlages,  mithin  auch  die  Stärke 
er  Reflexion  an  den  Knotenstellen  eine  bedeutend  kleinere 
tj  als  an  den  Bauchstellen.  An  diesen  ist  daher  schon  an 
ch  die  Amplitude  der  zurückgeworfenen  Welle  grösser. 
^aher  kommt  es,  dass  man  die  Streifen  auch  im  Natrium- 
cht  nicht  bloss  in  Gelb,  wo  sie  begreiflicher  Weise  sehr  stark 
uftreten,  sondern  auch  in  der  ganzen  Ausdehnung  des  photo- 
raphirten  Spectrums  noch  verhältnissmässig  gut  erkennen 
ann;    sie    sind   in   den  nicht  gelben  Partien  desselben  daher 


508  0.  Wiener. 

wesentlich  durch  die  Unterschiede  in  dem  Reflexionsvermögen 
der  Schicht  an  Knoten-  und  Bauchstellen  bedingt.    Die  dunklen 
Linien   sind    deshalb    hier    annähernd    die   Schnittlinien   defV 
Knotenebenen  mit  der  Glasfläche. 

Im  allgemeinen  wird  die  Schicht  nicht  genau  planparallel 
sein.  Ist  sie  an  dem  rothen  Ende  des  Spectrums  dicker,  so 
wird  man  weniger,  ist  sie  am  violetten  Ende  des  Spectrums 
dicker,  so  wird  man  mehr  Schnittstellen  der  Elementarspiegel 
mit  der  Glasoberfläche  erhalten,  und  entsprechend  ändert  sich 
die  Zahl  der  von  der  Glasseite  aus  beobachteten  Streifen. 
Man  übersieht  dies  sofort  an  der  Hand  der  Fig.  3.  Jedenfalls 
müssen  stets  mindestens  soviel  Elementarspiegel  vorhanden  sein^ 
als  man  Streifen  auf  der  Glasseite  zählt 

Man  könnte  höchstens  einwenden,  dass  das  Blättchen  eine 
wellige  Oberfläche  besässe,  wodurch  es  möglich  wäre,  dass 
derselbe  Elementarspiegel  die  Glasoberfläche  nochmals  schnitte. 
Indess  müssten  dann  die  Streifen  ebenfalls  aus  Wellenlinien 
bestehen,  was  der  Beobachtung  widerspricht. 

Gleichwohl  spiegeln  sich  die  Unebenheiten  des  Blättchens 
in  dem  Verlaufe  der  Streifen  wieder,  die  meist  mehr  oder 
weniger,  wenn  auch  stetig  gekrümmt  sind.  Sie  bevorzugen 
aber  die  Richtung  der  Spectrallinien ,  was  dem  Umstände  zu 
verdanken  ist,  dass  die  Blättchen  auf  horizontaler  Unterlage 
trocknen  gelassen  wurden.  Manchmal  bestehen  die  Streifen  aus 
ziemlich  geraden  und  parallelen  Linien,  die  aber  mit  der 
Richtung  der  Spectrallinien  einen  Winkel  einschliessen.  Dieser 
Fall  muss  bei  keilförmigen  Blättchen  eintreten,  deren  Keil- 
schneide nicht  parallel  der  Richtung  der  Spectrallinien  verläuft. 

Merkwürdigerweise  beobachtet  man  von  diesen  Streifen 
beim  Betrachten  der  Platte  von  der  Schichtseite  aus  nichts. 
Diese  Thatsache  beweist,  dass  das  von  der  Glasfläche  zurück- 
geworfene gegenüber  dem  aus  den  oberen  Theilen  der  Schicht 
kommenden  Licht  keine  merkliche  Stärke  mehr  besitzt.  Dies 
erklärt  sich  zum  Theil  durch  die  Absorption  des  Lichtes  in 
dem  ziemlich  dunkelbraun  gefärbten  Niederschlag,  zum  Theil 
durch  die  Reflexion  an  den  oberen  Elementarspiegeln  und  die 
dadurch  verminderte  Stärke  des  weiter  nach  unten  dringenden 
Lichtes. 

I 


Lippmann^ sehe  Farbenphotographie,  509 

Aber  ähnliche  Streifen  wie  die  auf  der  Glasseite  lassen 
sich  auch  auf  der  Luftseite  hervorrufen,  wenn  man  die  Schicht 
mit  Leder  und  Polirroth  keilförmig  abträgt.  Diese  Streifen 
sind  nur  noch  stärker  ausgeprägt,  entsprechend  dem  grösseren 
Unterschiede  der  Brechungsexponenten  zwischen  Luft  und 
Schicht  und  der  dadurch  bedingten  grösseren  Stärke  des  in 
Luft  an  der  Schicht  reflectirten  Lichtes.  Bei  diesem  Versuche 
sieht  man  also  die  Farben  nebeneinander^  die  Neuhauss^) 
durch  gleichmässiges  Abreiben  der  Schicht  hintereinander  hat 
erscheinen  lassen.  Neuhauss  glaubte  damals  diese  Erscheinung 
in  Widerspruch  mit  der  Zenker 'sehen  Theorie.  Sie  folgt 
indess,  wie  aus  obigem  hervorgeht,  nothwendiger  Weise  aus 
derselben. 

Eine  solche  durch  theilweises  Abtragen  verhältnissmässig 
dünn  und  durchsichtig  gewordene  Schicht  bietet  also  den 
merkwürdigen  Anbhck  voneinander  unabhängigerStreifensysteme 
auf  den  beiden  Seiten  der  Schicht  dar.  Die  Erklärung  dafür  er- 
giebt  sich  wie  oben  durch  die  grossen  Intensitäts Verluste,  die 
das  aus  grösseren  Tiefen  kommende  Licht  durch  Absorption 
und  Reflexionen  erlitten  hat. 

Begreiflicherweise  giebt  es  aber  für  die  Unabhängigkeit 
der  beiden  Streifensysteme  voneinander  eine  Grenze.  Hat  die 
Schicht  eine  ausreichend  kleine  Dicke  erreicht,  so  macht  sich 
die  Reflexion  an  der  Grenze  Schicht-Luft  durch  eine  Ver- 
zerrung der  von  der  Glasseite  aus  betrachteten  Streifen  be- 
merklich. 

5.  Zahl  der  Elementar  Spiegel,  die  wesentlich  an  der  Farben- 
wiedergabe betheiligt  sind. 

Die  Beobachtungen  des  letzten  Abschnittes  gestatten  einen 
Schluss  auf  die  Zahl  der  Elementarspiegel,  die  wesentlich  an 
der  Farbenwiedergabe  betheiligt  sind. 

Eine  untere  Grenze  für  die  Zahl  der  überhaupt  vor- 
handenen Elementarspiegel  liefert  die  Zahl  der  von  der  Glas- 
seite her  beobachteten  Streifen  im  Spectrum  (vgl.  p.  508). 
Ich  zählte  deren  bei  zwei  Platten  in  den  glänzendsten  Theilen 


1)  B.  Neuhauss,  Verhandl.  d.  Physikal.  Gesellsch.  zu  Berlin  (2j 
14.  p.  17.  1895. 
\ 


510  0.  Wietier. 

des  Spectrums  von  Orange  bis  in  den  Anfang  des  Blaa  hinein 
12  bez.  18.  Soviel  Elementarspiegel  müssen  also  mindestens 
im  blauen  Theile  des  Spectrums  vorbanden   sein.  ^ 

Es  ist  aber  nicht  gesagt,  dass  die  sämmtlichen  Elementar- 
spiegel einen  merklichen  Beitrag  zu  der  reflectirten  Gesammt- 
welle  liefern.  Die  Thatsache,  dass  die  Interferenzbilder  auf 
Luft-  und  Glasseite  voneinander  unabhängig  sind,  lehrt  das 
Gegentheil. 

Einen  genaueren  Aufschluss  liefert  der  folgende  Versuch. 
Eine  keilförmige,  bis  zur  Dicke  Null  abgetragene  Schicht  wurde 
darauf  hin  untersucht,  an  welcher  Stelle  sich  eben  noch  die 
schwächsten  Spuren  der  Reflexion  an  der  Grenze  Schicht- Lait 
durch  eine  Verzerrung  der  von  der  Glasseite  aus  betrachteten 
Streifen  bemerklich  macht.  Es  war  die,  an  der  man  von  der 
Dicke  Null  an  gerechnet  immerhin  noch  den  9.  bis  18.  Streifen 
auf  der  Luftseite  zählte,  der  zu  der  an  der  betrachteten  Stelle 
beobachteten  Farbe  gehörte. 

Es  betheiligen  sich  also  noch  merklich  9 — 13  Elementar- 
spiegel an  der  Farbenwiedergabe.  Es  könnten  in  Wirklichkeit 
deren  noch  mehr  sein,  da  die  dünnste  beim  Wegwischen  noch 
stehen  gebliebene  Schicht  bereits  wenige  Elementarspiegei 
enthalten  könnte.  Auf  der  anderen  Seite  ist  es  wahrscheinlich, 
dass  auf  der  Luftseite  der  unversehrten  Schicht  eine  geringere 
Zahl  von  Elementarspiegeln  zur  Geltung  kommt,  als  auf  der 
Glasseite,  weil  dort  wahrscheinlich  der  photographische  Nieder- 
schlag dichter  ist. 

Diese  annähernden  Feststellungen  haben  natürlich  keine 
allgemeine  Gültigkeit. 

Je  geringer  die  Absorption  der  Schicht  und  je  kleiner 
die  Amplitude  der  an  einem  einzelnen  Elementarspiegei  zurück- 
geworfenen Welle  ist,  um  so  mehr  Elementarspiegel  werden 
auf  die  reflectirte  Gesammtwelle  merklichen  Einfluss  haben 
können.  Diese  Zahl  hängt  also  unter  anderem  von  der  Stärke 
der  Belichtung  und  Entwickelung  ab, 

Immeihin  hat  die  obige  Zahl  insofern  ein  Interesse,  als 
sie  für  den  vorliegenden  Fall  einen  annähernden  Anhalt  über 
das  Verhältniss  der  Amplituden  giebt,  mit  denen  sich  zwei 
aufeinanderfolgende  Elementarspiegel  an  der  reflectirten  Ge- 
sammtwelle betheiligen. 


Lippmann' sehe  Farbenphotographie.  511 

t         6.    Zur  Theorie  der  Lipp mann  sehen  Spectrumphotographie 
1^  für  den  Fall  des  Fehlens  einer  Oberflächenreflexion. 

'  Lippmann ^)  selbst  hat,  wie  bereits  erwähnt,  eine  Theorie 

seines  Verfahrens  entwickelt,  dabei  aber  nicht  berücksichtigt, 
dass  die  Amplitude  der  an  einem  Elementarspiegel  zurück- 
geworfenen Welle  mit  seiner  Tiefe  unter  der  Oberfläche  der 
Schicht  abnehmen  muss,  selbst  in  dem  Fall,  dass  keine  merk- 
liche Absorption  in  der  Schicht  stattfindet.  Infolge  dessen 
lassen  sich  seine  Formeln  nicht  ohne  weiteres  auf  den  prak- 
tisch vorliegenden  Fall  übertragen. 

Dagegen  hat  Meslin^)  die  durch  Reflexion  erfolgende 
Abschwächung  der  Elementarwellen  bei  zunehmender  Tiefe 
in  Betracht  gezogen  und  die  Amplitude  der  Gesammtwelle 
berechnet;  trotzdem  erkannte  er  den  Sachverhalt  nicht  voll- 
ständig richtig  infolge  Vernachlässigung  der  Oberflächenreflexion 
und  einer  nicht  vollkommen  zutrefifenden  Analogie  mit  den 
Newton 'sehen  Farben  von  dünnen  Blättchen  im  durchgehen- 
den Lichte. 

Die  Aufgabe  lässt  sich  durch  ein  ausserordentlich  einfaches 
geometrisches  Verfahren  lösen,  welches  zugleich  Amplitude 
und  Phase  der  aus  allen  Elementarwellen  zusammmengesetzten 
Welle  ergiebt.  Die  Meslin 'sehen  Schlussformeln  lassen  sich 
ohne  weiteres  daraus  ableiten.  Aber  eine  weitere  geometrische 
Darstellung  lässt  alle  in  Betracht  kommenden  Verhältnisse 
leichter  überblicken  als  solche  Formeln. 

Ich  beschränke  mich  jedoch,  wie  Lippmann  und  Meslin, 
auf  die  Betrachtung  jeweils  einer  Reflexion  an  jedem  Elemen- 
tarspiegel und  sehe  also  von  den  mehrfachen  Reflexionen  ab, 
die  innerhalb  der  Schicht  hin  und  her  erfolgen,  ehe  das 
Licht  wieder  nach  aussen  tritt.  Bei  der  zunächst  in  Betracht 
kommenden  3  maligen  Reflexion  an  £lementarspiegeln  wird  die 
Amplitude  kaum  noch  von  merklichem  Betrage  sein. 

Der  einfachste  Fall  ist  zunächst  der,  dass  die  Wellen- 
länge X  einer  Farbe  des  Lichtes,  in  der  das  Bild  betrachtet 
wird  —  sie  heisse  die  Beleuchtungsfarbe  — ,  übereinstimmt 
mit    der  Wellenlänge  A  des  Lichtes,    mit  dem  dieselbe  Stelle 


1)  G.  LippmanD,  Joura.  de  pbys.  (8)  3.  p.  97.  1894. 

2)  G.  Meslin,  Add.  de  chim.  et  de  pbys.  (6)  27.  p.  389.  1892. 


512  0.  Wiener. 

vorher  belichtet  worden  war  —  diese  heisse  die  BelichtuDgs- 
farbe. 

Sei  1  die  Amplitude  der  am  ersten  ElementarspiegdV 
reflectirten  Welle  und  r  diejenige  der  am  zweiten  Spiegel 
reflectirten  Welle  in  dem  Augenblicke,  wo  sie  den  ersten 
Spiegel  soeben  wieder  durchsetzt  hat.  Da  im  angenommenen 
Falle  alle  Wellen  übereinstimmende  Phasen  haben,  so  ist  die 
Summe  Sq  der  Amplituden: 

Ä^j  =  1  +  r  +  r*  +  r'  +  . . . 

Da,  wie  im  Abschnitt  5  bemerkt,  die  von  der  Rückseite 

der  Schicht  kommende  Welle  keinen  merklichen  Einßuss  mehr 

hat,   so  darf  man  die  Summe  ins  Unendliche  erstrecken  und 

erhält: 

1 

0         1  -  r 

Ist  X  von  X  verschieden,  so  wird  die  an  dem  zweiten 
Elementarspiegel  reflectirte  Welle  einen  um  a  grösseren  Phasen- 
unterschied als  eine  ganze  Wellenlänge  gegenüber  der  ersten 
Elementarwelle  besitzen.  Drückt  man  a  als  Phasenverzögerung 
in  Bogengraden  aus,  so  ist: 

Wählt  man  wieder  die  auf  p.  495  geschilderte  graphische 
Darstellung,  so  stellt  in  Fig.  4  /f^  und  fF^  den  zur  ersten 
und  zweiten  Elementarwelle  gehörigen  Schwingungszustand 
nach  Amplitude  und  Phase  dar,  wobei  als  Ausgangsphase  Null 


Fig.  5. 

diejenige  von  //'^  und  für  W^  die  Phasenverzögerung  a  =  15^, 
die  Amplitude  r  =  0,85  gewählt  ist. 

Die  Darstellung  jeder  folgenden  Elementarwelle  W^  er- 
hält man  aus  der  der  vorhergehenden  /^n-i  indem  man  den 
Fahrstrahl  nach  Maassgabe  des  Verhältnisses  r :  1  verkleinert 
und  ihn  um  den  Winkel  a  weiterdreht.  Nach  diesem  Ver- 
fahren sind  in  Fig.  5  die  Wellen   //^  bis  W^^  dargestellt 


Lippmann' sehe  Farbenphotographie.  513 

Die  Summe  all  dieser  Fahrstrahlen  IV  bis  ins  Unendliche 
erstreckt,  erhält  man  nun  sehr  leicht,  wenn  man  sie  als  Dar- 
F  Stellungen  complexer  Zahlen  in  der  Zahlenebene  auffasst.  Der 
Modul  oder  absolute  Betrag  der  complexen  Zahl  ist  dann 
gleich  der  Amplitude,  das  Argument  gleich  dem  Werthe  der 
Phasenverzögerung  zu  set/en.     So  wird  H\  dargestellt  dui-ch 


z  =^  r ,e 


x  a 


H\  durch 

Da  sich  complexe  Zahlen  wie  Strecken  addiren,  so  wird 
die  Summe  aller  Fahrstrahlen  dargestellt  durch 

s=l+z+z^  +  z^  +  ..., 

d.  h.;  es  ist 

1 
s  =  - —   . 
1  —  * 

Den  Werth  von 

1  -  z  =  z' 

findet  man  durch  die  in  Fig.  6  dargestellte  Construction.  Man 
trägt  an  die  Strecke  A£=l  die  Strecke  £C  =  ~'Z  mit  dem 
absoluten  Betrag  r  an  und  findet  so  1  —  z  =  /  dargestellt  durch 
die  Strecke  A  C  mit  dem  absoluten  Betrag  r  und  dem  Argu- 
ment (0,     Es  ist  also 

Daraus  ergiebt  sich 

e  »_  Ä  —  t  « 

—     ♦'    —    *.'  ' 

X  T 

s  ist  in  Fig.  6  durch  die  Strecke  AD  dargestellt. 

Daraus  ergiebt  sich  die  folgende  einfache  Regel: 

Hat  die  zweite  Elementarwelle    zur    ersten  ein   Amplituden" 

verhältniss  r  und  eine  Fhasenver zögerung  a,   so  construire  man 

mit   den    Seiten    1  und  r    und   dem    zwischenliegenden   Winkel  u 

ein    Dreieck,      Dann    hat    die    aus    sämmtlichen    Elementarwellen 

zusammengesetzte  Welle  eine  Amplitude,  die  gleich  dem  reciproken 

H^erth   der  a  gegenüberliegenden  Seite  r'    des  Dreieckes    ist   und 

eine  PhasenverzÖgerurig  gegen  die  erste  Elementarwelle ^  die  gleich 

dem   Winkel  zioischen  r    und  1  ist.^) 


1)  Dieser  Satz,   bez.   die  Methode   seiner  Ableitung   läset   sich   bei 
verschiedenen  Problemen  der  Optik,  wie  bei  den  mehrfachen  Reflexionen 

%  Ann.  d.  Phyi.  o.  Cb«m.    N.  F.    69,  33 


514 


0.  Wiener. 


Die  Construction  findet  sich  in  Fig.  7  ausgeführt,  wo 
BC^r  ist.  Aus  dieser  Figur  ist  zugleich  die  Construction 
eines  zu  1/r  proportionalen  Werthes  ersichtlich.  Man  braucht  f 
nämlich  nur  um  Ä  als  Centrum  einen  Kreis  mit  dem  Radius  Ä  C 
zu  schlagen,  so  erhält  man  als  zweiten  Schnittpunkt  der  Ge- 
raden B  C  mit  dem  Kreise  den  Punkt  C.  Es  ist  dann  B  C 
mit  BC  umgekehrt  proportional,  da  ihr  Product  gleich  dem 
Quadrat  des  Abschnittes  B  F  auf  der  von  B  aus  an  den  Kreis 
gezogenen  Tangente  ist. 


Fig.  6. 


Fig.  7. 


Fig.  7  gestattet  zugleich  den  ganzen  Verlauf  der  Ab- 
hängigkeit der  Amplitude  und  Phase  der  Gesammtwelle  von 
dem  Phasenunterschiede  a  zweier  benachbarten  Elementar- 
wellen, mithin  von  dem  Unterschiede  der  Wellenlänge  der 
Belichtungs*  und  Beleuchtungsfarbe  zu  überblicken. 

Die  Amplitude  der  Gesammtwelle  war  für  a=15^  mit 
B  C  umgekehrt  proportional,  für  cz  =  0*^  ist  sie  mit -ff -D  um- 
gekehrt proportional.  Fasst  man  nun  das  Verhältniss  a  jener 
Amplitude  für  beliebiges  u  zu  ihrem  maximalen  Werthe  für 
/^  =  0  ins  Auge  und  setzt  ^-D=l,  so  ist  unmittelbar  BC'^a, 
Den  Radius  Ä  C  des  Constructionskreises  findet  man  dann  aus 
B JD  =  \  durch  die  Gleichung: 

BD.r  r 


ÄC  = 


l  +r 


14-r 


in  einer  Pianplatte  und  bei  Beugungserscheinungen  bequem  verwenden. 
Man  vergleiche  die  verhfiltnissmässig  verwickelten  Ableitungen  in  Kirch- 
hof f*8  Vorlesungen    über   mathematische  Optik  1891,    p.  157  und  p.  100. 


I 


LippmanrC sehe  Farbenphotographie. 


516 


Man  übersieht  jetzt,  dass  a  bei  stetig  von  Null  wachsen- 
m  a  zuerst  rasch  und  dann  langsamer  abnimmt  und  für 
=  180^  ein  Minimum  erreicht. 

Die  Phasenverzögerung  (o  der  Gesammtwelle  nimmt  unter 
n  gleichen  Bedingungen  erst  rasch  zu,  erreicht  ein  Maximum, 
!nn  (o  +  a  =  90  ^  und  nimmt  dann  wieder  langsam  ab.  Das 
iximum  tritt  ein  für  cos  a  ^  r  mit  sin  a>  =  r;  für  diesen  Fall 
zugleich  die  verhältnissmässige  Intensität  durch  die  einfache 
»rmel  ausgedrückt: 


a«  = 


1  -  r 


1  +  r 


)r  maximale  Werth  von  (o  kann  nicht  grösser  als  90^  werden^ 
Icher  Werth  für  r  =  1  eintreten  würde. 

Figur  8  stellt 
3  Abhängigkeit  der 
•össeavona,Fig.9 
>t]enige  der  Grösse 
von  a  dar;  beide 
irven  sind  mit  der 
nstanten  r  =  0,85 
s  Fig.  7  abgeleitet. 
ich  verschiedenen 
hätzungen  (vgl. 
B.  die  Bemerkung 
1  Schluss  von  Ab- 
initt  5,  p.  510)  j 
hme  ich  an,  dass 
«er  Werth  nicht 
it  abliegt  von  dem- 
iigen, der  für  einige 
leiner  Spectrum- 
otographien  gilt. 

Am  meisten  in- 
'essirt  zunächst, 
t  welcher  verhält- 
ssmässigen  Inten- 
ät  a*  eine  von  der  Belichtungsfarbe  mit  der  Wellenlänge  A 
weichende  Beleuchtuugsfarbe  mit  der  Wellenlänge  X  von  der 


Fig.  8. 


rso 


!80^ 


Fig.  9. 


oo  * 


516  0.  Wiener. 

fertigen  Platte  zurückgeworfen  wird.  Man  findet  z.  B.  fiir  a =30^ 
d.  i.  für  ^ 

r      ~  360  ""  12  '    • 

d.  h.  wenn  der  Wellenlängenunterschied  nur  7ii  ^^^  Wellen- 
länge r  ist,  eine  verhältnissmässige  Amplitude  a  =  0,3  und 
somit  eine  verhältnissmässige  Intensität  gleich  0,09. 

Es  ist  aus  Fig.  7  ersichtlich,  dass  der  Intensitätsabfall 
bei  grösserem  r  viel  rascher  geschieht;  wenn  r  gegen  1  con- 
vergirt,  convergiren  die  verhältnissmässigen  Intensitäten  für 
von  den  Belichtungsfarben  abweichende  Beleuchtungsfarben 
gegen  Null;  ein  Ergebniss,  das  auch  schon  von  Lippmann 
abgeleitet  wurde.  Praktisch  findet  diese  Convergenz  nicht  statt 
Man  erkennt  aber,  dass  die  reflectirte  Farbe  eine  um  so 
reinere  sein  muss,  je  geringer  der  Intensitätsverlust  der  ein- 
dringenden Wellen  durch  Absorption  und  Reflexion  ist,  voraus- 
gesetzt natürlich,  dass  in  entsprechendem  Maasse  die  Zahl  der 
wesentlich  betheiligten  Elementarspiegel  zunimmt. 

7.  Benicksichtigung  der  störenden  Oberfiächenreflexion  und  Er- 
klärung der  durch  sie  bedingten  fehlerhaften  Farbenwiedergabe. 

Die  Ergebnisse  der  früheren  Abschnitte  ermöglichen,  zu- 
nächst wenigstens  qualitativ,  zu  beurtheilen,  wie  an  einer  be- 
stimmten Stelle  des  Spectrumbildes  die  Oberflächenwelle  die 
aus  der  Tiefe  kommende  Welle  für  jede  einzelne  Farbe  be- 
einflusst. 

Bezeichne  ähnlich  wie  früher  W^  in  Fig.  10  die  an  der 
Oberfläche  der  Schicht  ankommende  Welle  mit  der  Phase  Null 

so  stellt  H'     die  an  der  Ober- 

00 

-►w;  fläche  zurückgeworfene  Welle 
dar,  ^ti  die  aus  der  Tiefe 
kommende  Gesammtwelle  fiir 
die  mit  der  wirksam  gewesenen 
Belichtungsfarbe  übereinstim- 
p.     jQ  mende  Beleuchtungsfarbe  beim 

Betrachten  der  fertigen  Schicht, 
für  den  Fall,  dass  nach  Annahme  I  in  Abschnitt  2  die  Phasen- 
änderung rp  bei  Reflexion  an  einem  Elementarspiegel  eine 
viertel  Wellenlänge,   Jf'ta  im  Falle  sie  nach  Annahme  II  eine 


LippmanrCsche  Farbenphotographie,  517 

halbe  Wellenlänge  beträgt.  ^)  In  beiden  Fällen  ist  eine  Phasen- 
änderung (f  für  die  Reflexion  der  im  Exsiccator  getrockneten 
Gelatine  gleich  0,41  vorausgesetzt.^ 

Nun  lehrt  Fig.  9,  welches  die  Phasenverzögerung  der 
Tiefenwelle  bei  einer  von  der  Belichtungsfarbe  mit  der  Wellen- 
länge X  abweichenden  Beleuchtungsfarbe  mit  der  Wellenlänge  V 
wird  gegenüber  der  in  der  Symmetrieebene  des  ersten  Elementar- 
spiegels ankommenden  Welle.  Jetzt  sind  aber  die  Phasen- 
verzögerungen gegenüber  der  in  der  Oberfläche  ankommenden 
Welle  zu  bestimmen.  Sie  waren  in  Fig.  10  durch  die  Winkel 
der  W^  mit  W^^^  angegeben  für  den  Fall  der  Uebereinstimmung 
jener  beiden  Farben.  Sie  werden  bei  Verschiedenheit  dieser 
Farben  aber  noch  vergrössert  um  den  Betrag  qp(A  — A')/A',  in 
Wellenlängen  ausgedrückt^  oder  um  den  Betrag 

9-^7^.360«=  9>.a 

in  Bogengraden  ausgedrückt. 

Der  Werth  q>a  in  Abhängigkeit  von  a  wird  also  durch 
eine  gerade  Linie  ausgedrückt,  die  die  Abscissenaxe  der  Fig.  9 
unter  einem  Winkel  schneidet,  deren  Tangente  gleich  rp  ist, 
wofür  in  der  Figur  der  Werth  0,41  benutzt  wurde. 

Will  man  also  den  Gesammtzuwachs  der  Phasenänderung 
für  X  gegenüber  der  für  X  wissen,  so  hat  man  für  den  Winkel 

a=— ^.360« 

in  Fig.  9  den  Abstand  zwischen  der  Curve  und  der  geraden 
Linie  zu  suchen. 

Der  Zuwachs  der  Phasenänderung  ändert  sich  also  für 
kleine  a  noch  rascher  im  vorliegenden  Fall,  als  in  dem  Falle 
des  Abschnittes  6,  wird  aber  dann  bald  nahezu  constant,  weil 
die  Curve  nach  Ueberschreitung  des  Maximums  ungefähr  mit 
der  Neigung  der  Geraden  abfällt. 

Daraus  erkennt  man,  dass  für  Beleuchtungsfarben  grösserer 
Wellenlänge   als   die   der   ßelichtungsfarbe ,   wobei   a   und   (o 


1)  Es  sind  der  Einfachheit  halber  die  Grenzwerthe  angegeben;  vgl. 
darüber  Abschnitt  2. 

2)  Vgl.  die  möglichen  Abweichungen   von  diesem  Werthe   in  Ab- 
schnitt 1. 


518  0.  }flener. 

negativ  werden,  sich  die  Fahrstrablen  der  Fig.  10   mit  dem 
Uhrzeiger   drehen    in   den    durch   r  bezeichneten   RichtangeOr 
für  nach  Violett  zu  liegenden  in  den  entgegengesetzten,  durdr 
V  bezeichneten  Richtungen,  und  zwar  schon  bei  kleinen  Farben- 
änderungen  am  Anfang  recht  beträchtlich. 

Es  ist  daher  sofort  klar,  dass  die  Tiefenwellen  W^  Ton 
der  Oberflächenwelle  W^^  bei  Interferenz  stärker  begünstigt 
werden  durch  Beleuchtungsfarben  grösserer,  als  durch  solche 
kleinerer  Wellenlängen. 

Daher  hat  die  Oberflächenwelle  die  Wirkung,  dass  der  Schwer- 
punkt der  wiedergegebenen  Farbe  gegenüber  der  Belichtungsfarbe 
nach  Roth  zu  verschoben  wird. 

Das  ist  es  auch,  was  man  im  allgemeinen  beobachtet. 
Nur  am  rothen  Ende  des  Spectrums  gewahrt  man  häufig  Farben 
kleinerer  Wellenlänge,  je  nach  dem  Präparat,  Blau  oder  Blau- 
grün;  auch  wechseln  hier  die  Farben  in  rascher  Folge.  Meist 
sind  diese  Farben  äusserst  dunkel,  häufig  schwer  zu  erkennen, 
weil  sie  gegen  Grau  oder  Schwarz  hinneigen.^) 

Hier  ist  zunächst  zu  bedenken,  dass  am  rothen  Ende  des 
photographirten  Spectrums,  das  allerdings  meist  nur  bis  etwa 
zur  Fraunhofer'schen  Linie  B  reicht,  die  durch  die  Ober- 
flächenwelle begünstigten  Farben  zum  Theil  in  das  Ultraroth 
fallen  und  also  nicht  mehr  dem  Auge  wahrnehmbar  sind. 

Femer  kommt  es  nun  wesentlich  darauf  an,  ob  man  es 
mit  JFfj  oder  mit  Wt2  zu  thun  hat. 

Darüber  erhält  man  Aufschluss,  wenn  man  das  vom  Lipp- 
mann'sehen  Bilde  reflectirte  Licht  spectral  untersucht.  Da 
beobachtet  man,  wie  das  schon  Meslin^  beschrieben  hat, 
die  aufi'allende  Erscheinung,  dass  dieses  einen,  und  zwar  bei 
dicken  Schichten  nur  einen  intensiv  dunkeln  Streifen  aufweist, 
der  ofi'enbar  die  Rolle  eines  Interferenzstreifens  spielt.  Er 
liegt  nicht  weit  von  der  Belichtungsfarbe  nach  Violett  zu  ver- 
schoben. 

Gerade  das  ist  aber  die  Erscheinung,  die  man  beobachten 
muss,  wenn  Annahme  II  die  richtige  ist.  Dann  liegt  Wt^  in 
der  Nähe    von   Wq   und  muss  es  erreichen  für  Beleuchtungs- 


1)  Vgl.  auch  die  Angaben  von  Meslin,  1.  c. 

2)  G.  Meslin,  1.  c.  p.  387. 


Zippmann' sehe  Farbenphotographie,  519 

färben,  die  ein  wenig  von  der  Belichtungsfarbe  nach  Violett 
zu  liegen.  In  der  Lage  W^  wird  die  Tiefenwelle  am  stärksten 
y  durch  die  Oberflächen  welle  geschwächt.  Bei  einer  Beleuchtungs- 
farbe von  noch  kleinerer  Wellenlänge  tiberschreitet  H^q  die 
Lage  Wq,  und  die  Intensität  der  Gesammtwelle  muss  wieder 
zunehmen.  Aber  auch  Wt^  muss  von  vornherein,  wenn  die 
Erscheinung  möglich  sein  soll,  sehr  nahe  an  W^  liegen,  damit 
diese  Phase  erreicht  werden  kann  fttr  so  kleine  Werthe  von  a, 
dass  ö)  noch  auf  dem  aufsteigenden  Ast  der  Curve  {Fig.  9) 
liegt,  weil  sonst  }^\,  nicht  mehr  nach  der  anderen  Seite  über- 
schritten werden  kann. 

Auch  im  einzelnen  stimmen  die  beobachteten  Intensitäts- 
verhältnisse mit  den  nach  den  Figg.  8 — 10  zu  erwartenden 
überein.  So  erscheinen  nur  auf  der  rothen  Seite  des  Inter- 
ferenzstreifens die  Farben  mit  bedeutend  grösserer  Intensität 
im  Vergleich  zu  denjenigen  des  daneben  liegenden  Spectrums, 
welches  von  der  unbelichteten  Nachbarfläche  der  Lipp mann *- 
sehen  Platte  herrührt. 

Gegen  die  blaue  Seite  hebt  sich  daher  auch  der  Inter- 
ferenzstreifen nicht  so  schroff  ab.  Es  kommt  dies  daher,  dass 
W^g  in  Fig.  10  nach  üeberschreiten  von  W^  nicht  mehr  so 
grosse  Intensitäten  besitzen  kann,  da  sich  die  Beleuchtungs- 
farbe hier  von  der  Belichtungsfarbe  zu  weit  entfernt,  während 
für  die  entgegengesetzte  Drehung  von  Wta  sich  zugleich  grössere 
Amplituden  und  günstigere  Phasen  der  Tiefenwelle  einstellen. 

Am  rothen  Ende  des  Spectrums  liegen  aber  die  meist 
begünstigten  Farben  schon  im  ültraroth,  die  noch  frei  bleibende 
Stelle  im  Roth  ist  zu  klein  und  zu  wenig  leuchtend;  nach 
Blau  zu  erfolgen  aber  auch  keine  günstigeren  Bedingungen. 
Daher  erklärt  sich  die  an  dieser  Stelle  beobachtete  Dunkelheit 
und  auch  die  Farbe,  welche  zu  dem  ausgelöschten  Streifen, 
der  zwischen  den  Fraunhofer'schen  Linien  C  und  D  liegt, 
complementär  ist,  d.  h.  je  nach  Lage  des  Streifens  blaugrün  bis 
blau.  Die  Belichtungsfarbe  an  dieser  Stelle  lag  in  der  Nähe  von  B. 

Will  man  später  diese  Verhältnisse  genauer  quantitativ 
verfolgen,  so  muss  man  beachten,  dass  der  Abschwächungs- 
factor  r  nicht  für  alle  Farben  gleich,  sondern  für  das  rothe 
Ende  des  Spectrums  kleiner  als  für  das  violette  ist,  entsprechend 
dem  Absorptionsspectrum  der  braun  durchsichtigen  Schicht. 


520  0.  IFiener. 

Sehr  einfach  bestätigt  der  folgende  Versach  die  in  den 
Figg.  7 — 10  dargestellte  Theorie.  Betrachtet  man  dieselbe 
Platte,  welche  die  soeben  beschriebene  Erscheinung  liefert,  im^ 
senkrecht  reflectirten  Natriumlicht,  so  sieht  man  einen  kräftigen 
Interferenzstreifen  an  einer  Stelle,  wo  die  Belichtungsfarbe 
von  der  Farbe  des  Natriumlichtes  etwas  weiter  gegen  Roth 
lag.  Legt  man  jetzt  auf  die  Lippmann'sche  Platte  eine 
durchsichtige  ebene  Glasplatte  und  orientirt  die  entstehenden 
Luftinterferenzstreifen  so,  dass  siejenen  Interferenzstreifen  senk- 
recht durchschneiden,  so  bemerkt  man  an  der  Durchschnitts- 
stelle  eine  starke  Verschiebung  der  Interferenzstreifen,  welche 
an  einigen  Stellen  den  Betrag  von  etwa  einer  halben  Streifen- 
breite erreicht. 

Diese  Verschiebung  beweist  einen  sehr  raschen  Wechsel 
der  Phase  der  von  der  Lipp  mann 'sehen  Schicht  kommenden 
Gesammtwelle ;  denn  dass  nicht  etwa  Dickenunterschiede  der 
Schicht,  vielleicht  durch  die  Verschiedenheit  der  Stärke  des 
Niederschlages  hervorgerufen,  die  Ursache  der  Streifenver- 
schiebungen sind,  erkennt  man,  wenn  man  den  Einfallswinkel 
der  Strahlen  ändert  und  dadurch  die  Stelle  raschen  Phasen- 
wechsels auf  der  Oberfläche  des  Blättchens  verschiebt.  Diese 
Stelle  dürfte  sich  nicht  ändern,  wenn  Dickenunterschiede  des 
Blättchens  hier  in  Frage  kämen. 

Die  Verschiebungen  sind  vielmehr  die  Folge  der  mit  der 
Entfernung  der  Beleuchtungsfarbe  von  der  Belichtungsfarbe 
sich  rasch  ändernden  Phase  (o  der  Tiefenwellen  und  der  damit 
verbundenen  raschen  Phasenänderung  der  Gesammtwelle. 

Der  einzige  Unterschied  zwischen  den  Bedingungen  des 
Versuches  und  der  Darstellung  der  Figuren  ist,  dass  der  Ver- 
such sich  auf  dieselbe  Beleuchtungsfarbe  bei  sich  ändernder 
Belichtungsfarbe  bezieht,  während  die  Figuren  den  umgekehrten 
Fall  erläutern. 

Die  beobachtete  Phasenänderung  ist  derart,  dass  sie  fUr 
die  vom  Interferenzstreifen  gegen  Roth  hin  liegende  Seite  des 
Lippmann'schen  Spectrums  gegenüber  der  gegen  Violett  zu 
liegenden  eine  Phasenbeschleunigung  der  Gesammtwelle  be- 
deutet. Daraus  folgt,  wie  man  sich  leicht  klar  machen  kann, 
dass  der  Oberfiächenwelle  im  vorliegenden  E^U  eine  grössere 
Amplitude    als    der   Tiefenwelle    zukommt.      Wenngleich    die 

i 


LippmanrC sehe  Farbenphotographie.  521 

letztere  in  der  Nälie  der  Stelle,  wo  sie  mit  der  Oberflächen- 
welle entgegengesetzte  Phase  hat,  nicht  ihre  maximale  Ampli- 
{^  tude  besitzt,  so  geht  daraus  doch  hervor,  wie  wenig  man  Recht 
hat,  die  Oberflächenwelle  ausser  acht  zu  lassen. 

Meslin^)  glaubt  die  besprochenen  Interferenzstreifen  im 
Spectrum  auch  ohne  Oberflächenwelle  erklären  zu  können.  Er 
irrt  sich  darin;  denn  dann  gelten  die  durch  Fig.  8  dargestellten 
Intensitätsverhältnisse  in  Uebereinstimmung  mit  seinen  eigenen 
Formeln.  Die  Helligkeit  fällt  von  ihrem  Maximum  symmetrisch 
nach  beiden  Seiten  des  Spectrums  ab. 

Das  lässt  sich  auch  leicht  durch  das  Experiment  be- 
weisen; man  braucht  bloss  über  die  Lippmann'sche  Platte 
z.  6.  Kanadabalsam  zu  giessen  und  mit  einer  Glasplatte  zu- 
zudecken, so  ist  die  interferenzfähige  Oberflächen  welle  be* 
seitigt.  Denn  die  von  der  Oberfläche  der  aufgelegten  Glas- 
platte reflectirte  Welle  kommt  nun  wegen  des  zu  grossen 
Abstandes  von  der  Schicht  nicht  mehr  zur  Interferenz. 

Die  spectrale  Untersuchung  der  Helligkeitsvertheilung  für 
die  verschiedenen  Farben  entspricht  vollständig  der  Erwartung. 
Der  Interferenzstreifen  ist  verschwunden  und  statt  dessen  ist 
eine  verhältnissmässig  schmale  helle  Zone  zu  erkennen  in  dem 
,  sonst  dunklen  Spectrum.  Diese  Zone  habe  ich  z.  B.  in  einem 
Falle  als  zwischen  den  Wellenlängen  682  und  618  ju/i  liegend 
gefunden.  Das  entspricht  einem  Winkel  a  für  die  Randfarbe 
gegenüber  der  Mittelfarbe  von  18^. 

Aber  all  dies  gilt  nur  für  so  dicke  Platten,  dass  von 
der  Rückseite  nicht  mehr  merklich  Licht  reflectirt  werden 
kann.  Bei  dünnen  Platten  gelten  die  Betrachtungen  des  Ab- 
schnittes 6  nicht  mehr  streng.  Es  wird  dann  jede  einzelne 
Elementarwelle  ihre  Schwankungen  ftlr  die  Amplitude  der  Ge- 
sammtwelle  bedingen^),  d.  h.  man  wird  mehr  als  einen  dunklen 
Streifen  im  analysirenden  Spectrum  erhalten.  Das  habe  ich 
auch  an  dünnen  Platten  bekommen,  ja  auch  noch  an  dickeren 


1)  G.  Meslin,  1.  c. 

2)  Das  Genauere  crgiebt  sich  aus  der  Summation  der  p.  518  an- 
geführten Reihe,  die  dann  mit  einem  endlichen  Glicde  x"  abschliesst;  e« 
wird  dann 


s  = 


l-*«  +  i 


522  0.  fTiener. 

in  den  gelben  und  rothen  Theilen  des  Spectrums ,  für  die  die 
Absorption  der  Schicht  besonders  schwach  ist. 

Daher  erklären  sich  auch  die  von  Schutt^)  beobachtetei^ 
Streifen,  der  mit  sehr  dünnen  Schichten  experimentirte.  & 
trägt  aber,  wie  man  sieht,  nicht  zur  Güte  der  Farben  wieder- 
gäbe bei.  Bei  den  Becquererschen  Chlorsilberplatten,  auf 
die  sich  Schutt  beruft,  liegen  die  Verhältnisse  anders,  weil 
dort  die  Absorption  in  der  Schicht  eine  unverhältnissmässig 
stärkere  ist.  als  bei  den  Lipp  mann 'sehen  Platten. 

8.  Krone 'b  Farbendarstellung  ohne  Queoksilberspiegel; 

Versuohe  von  Neuhauss. 

Die  voi*stehenden  Untersuchungen  ermöglichen  das  Ver- 
ständniss  für  die  Versuche  verschiedener  Forscher  auf  diesem 
Gebiete,  welche  noch  nicht  richtig  oder  noch  nicht  völlig  er- 
klärt waren. 

Krone^)  ist  es  gelungen,  das  Spectrum  auch  ohne  Queck- 
silberrefiexion  zu  photographiren.  Die  Reflexion  erfolgt  also 
in  der  Schicht  an  Luft.  Die  Abweichung  der  von  ihm  er- 
haltenen Farben  von  den  entsprechenden  unter  Anwendung 
des  Quecksilberspiegels  ergiebt  sich  ohne  weiteres,  wenn  man 
beachtet,  dass  die  Phasenänderung  tp  bei  Reflexion  in  Schicht 
an  Luft  jetzt  Null  ist,  statt  wie  sonst  etwa  zwischen  0,4  und 
0,5  zu  liegen.  Die  Phasenverzögerung  der  Tiefenwelle  gegen- 
über der  Oberflächenwelle  ergiebt  sich  daher  aus  der  p.  503 
abgeleiteten  Formel 

Wäre  t/;,  die  Phasenänderung  bei  Reflexion  au  einem 
Elementarspiegel,  genau  gleich  ^,  so  würde  durch  dieses  Ver- 
fahren genau  die  richtige  Farbe  wiedergegeben.  Die  Farben 
müssen  aber  dann  schon  im  Vergleich  zu  den  mit  dem  Queck- 
silberspiegel erhaltenen  nach  Roth  zu  verschoben  sein.  Das 
ist  es  auch,  was  Krone  beobachtet.')  Sie  müssen  noch  weiter 
im  gleichen  Sinne  verschoben  sein,  wenn,  wie  im  Abschnitt  2 
wahrscheinlich  gemacht,   i/»  etwas   kleiner  als  -J-  ist,  sodass  S 

1)  F.  Schutt,  1.  c.  p.  546. 

2)  H.  Krone,  Die  Darstellung  der  natürlichen  Farben  durch  Photo- 
graphie, Verl.  der  deutsch.  Photographenzeitung  (K.  Schwier),  Weimar  1894. 

3)  H.  Krone,  1.  c.  p.  65. 


Lippmann^ sehe  Farhenphotographie,  523 

negativ  wird  und  gegenüber  dem  bei  Quecksilberreflexion  gelten- 
den Werth  sein  Zeichen  wechselt.  Man  ersieht  dies  leicht  aus 
Fig.  11,  wo  Wi2  jetzt  für  kleinere  Wellen  als  die  der  Beleuch- 
tungsfarbe mit  der  Oberflächen  welle  W^^  eine  tibereinstimmende 
Phase  erhält  Im  gleichen  Sinne  wirkt  auch  die  Reflexion  an  der 
unteren  Grenze  des  ersten  Elementarspiegels, 
dessen  Sjmmetrieebene  jetzt  in  die  Oberfläche 
hineinfällt,  sodass  seine  eine  Hälfte  fehlt. 

Auch  dieser  Schluss  bestätigt   sich,   da 
Krone  nach  seiner  Methode  gewöhnlich  über-  pj«  ^ 

haupt  kein  Roth  erhält. 

Neuhauss  hat  seine  Versuche  mit  Lippmann 'sehen 
Photographien  ausführlich  in  dem  schon  erwähnten  Buche  be- 
schrieben und  auch  seine  zum  Theil  lang  andauernden  Miss- 
erfolge in  humorvoller  Weise  zum  besten  gegeben.')  Es  er- 
giebt  sich  daraus  ein  von  vornherein  schwer  verständlicher 
Einfluss  der  Bezugsquelle  seiner  Gelatine. 

Wenn  man  bedenkt,  wie  häufig  schon  kleine,  chemisch 
kaum  nachweisbare  Verunreinigungen  die  Phasenänderung 
eines  durchsichtigen  Stofles  an  Metallen  beeinflusst,  so  liegt 
es  nahe,  darin  jenen  Einfluss  der  Gelatinesorte  zu  suchen. 
Mit  der  Phasenänderung  q)  ändert  sich  aber  auch  das  ftir  die 
Oberflächenreflexion  maassgebende  S.  Ist  diese  Erklärung 
richtig,  so  musste  Neuhauss  mit  Gelatine  jeglicher  Sorte 
gleich  gute  Bilder  erhalten,  sowie  er  die  Oberflächenreflexion 
beseitigte. 

Versuche  mit  Mischfarbenaufnahmen  durch  Eiweissplatten 
haben  Neuhauss^)  auf  die  Vermuthung  eines  besonderen 
Einflusses  der  obersten  Schicht  geführt.  Er  sagt  tiber  die  Mög- 
lichkeit eines  Erfolges  solcher  Aufnahmen  mit  Eiweissplatten : 

„Es  hat  nämlich  den  Anschein,  als  ob  unter  der  Ober- 
fläche doch  gute  Lamellenbildung  vorhanden  ist,  welche  auch 
die  Mischfarben  richtig  wiedergeben  könnte,  und  dass  nur  durch 
die  alleroberste  Schicht,  welche  bei  der  Aufnahme  in  unmittel- 
barer Berührung  mit  dem  Quecksilber  steht  und  daher  durch 
das  Licht   die   durchgreifendsten  Veränderungen   erfährt,    die 


1)  R.  Neuhauss,  I    c.  p.  20. 

2)  R.  Neuhauss,  1.  c.  p.  15. 


524  0.  onerier. 

richtigen  Farben   zerstört   werden.     Im    Einklang  mit  dieser 
Vermuthung  steht  der  Umstand,  dass  die  Mischfarben  auf  der 
Rückseite  des  Glases  häufig  besser  sichtbar  sind,  als  auf  dei^  . 
Schichtseite." 

Neuhauss'  Vermuthung  wird  streng  richtig,  wenn  man 
statt  „alleroberste  Schicht"  das  Wort  „Oberfläche"  setzt 

Uebrigens  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  unter  Um* 
ständen  unmittelbare  chemische  Einwirkungen  des  Quecksilbers 
auf  die  Schicht  ausserdem  noch  eine  Bolle  spielen.  Es  würde 
mich  zu  weit  führen,  wollte  ich  noch  weitere  Beobachtungen 
dieser  Art  erörtern,  die  sich  leicht  auf  einen  der  oben  be- 
sprochenen Einflüsse  zurückführen  lassen. 

9.  Beseitigung  des  ung^ünstigen  Einflusses  der  Oberflaohenreflexion. 

Am   nächsten   liegen    die   folgenden   Verfahren,   um  den 
störenden  Einfluss  der  Oberflächenwelle  zu  beseitigen. 

1.  Man  beseitigt  die  Reflexion   an    der  Oberfläche  über- 
haupt. 

2.  Man   lässt   die  Oberflächen  welle   nicht   zu  merklicher 
Interferenz  mit  der  Tiefenwelle  kommen. 

3.  Man  verändert  nach  der  Fertigstellung  der  Platte  den 
Abstand  der  Oberfläche  von   dem    ersten  Elementarspiegel  in 

solchem  Betrage,  dass  die  von  ihnen 
reflectirten  Wellen  übereinstimmende 
Phasen  erhalten. 

1.  Die  Beseitigung  der  Reflexion 
an  der  Oberfläche  lässt  sich,  wie 
schon  eingangs  kurz  erwähnt,  da- 
durch erreichen,  dass  man  die  Platte 
eintaucht  in  einen  Glastrog,  der  eine 
Flüssigkeit  enthält,  von  annähernd 
mit  dem  der  Schicht  übereinstimmen- 
den Brechungsexponent,  also  etwa 
p.     j2         '  Benzol.     Man  giebt  der  Platte   eine 

gegen  die  Oberfläche  des  Troges  ge- 
neigte Stellung,  sodass  sie  nach  dem  Auge  in  0  (Fig.  12)  das 
Licht  einer  wenig  ausgedehnten  Lichtquelle  in  Ä  zurückwirft 
Da  in  der  Flüssigkeit  an  der  Schicht  keine  merkliche  Reflexion 


^ 


Lippmanrf  8che  Farbenphoto  ff  raphie,  625 

sta^ttfindet,  so  gelangt  nur  das  von  den  Elementarspiegeln 
zurückgeworfene  Licht  ins  Auge,  während  die  Oberfläche  des 
1*roges  das  Licht  nach  einer  anderen  Richtung  Ä  reflectirt. 
£0  muss  nur  dafür  gesorgt  sein,  dass  in  der  Richtung  £  von 
>voher  die  Trogoberfläche  Licht  nach  0  spiegeln  könnte,  keine 
störende  Helligkeit  herrscht. 

Unter  diesen  Verhältnissen  gewahrt  man  überaus  glänzende 
Farben,  die  annähernd  an  der  richtigen  Stelle  liegen. 

Lässt  man  den  einen  Theil  der  Platte  aus  der  Flüssig- 
keit herausragen,  und  auch  von  ihr  Licht  reflectiren,  so  zeigen 
sich  die  Farben  des  photographirten  Spectrums  gegeneinander 
verschoben,  und  zwar  so,  dass  der  herausragende  Theil,  ab- 
gesehen von  dem  rothen  Ende  des  Spectrums,  Farben  grösserer 
Wellenlänge  zeigt,  als  der  benachbarte  eingetauchte  Theil,  in 
Uebereinstimmung  mit  obiger  Theorie. 

Das  Gleiche  erreicht  man  durch  Verwendung  eines 
schwachen  Glaskeiles,  der  mit  Canadabalsam  auf  die  Schicht 
gekittet  wird.  Nach  Valenta^)  hat  sich  schon  L.  Lumi^re 
eines  solchen  bei  Projectionen  bedient,  die  erzielte  glänzende 
Farben  Wirkung  liegt  aber  nicht  an  der  Projection,  wie  Valenta 
anzunehmen  scheint^,  sondern  hauptsächlich  in  der  Ausschal- 
tung der  störenden  Oberflächenreflexion. 

In  Ermangelung  eines  Glaskeilcs  kann  man  eine  zweite 
Planplatte  mit  keilförmiger  dickflüssiger  Canadabalsamschicht 
auf  die  photographische  Platte  auf  kitten.  Man  kann  dann 
leicht  die  Platten  so  halten,  dass  nur  das  aus  der  Tiefe 
kommende  Licht  ins  Auge  fallt,  das  dann  die  Farben  in 
grosser  Sättigung  und  Glanz  erblickt. 

Das  Verfahren  des  Eintauchens  der  fertigen  Platte  in 
Benzol  empfiehlt  sich  zum  mindesten  zu  ihrer  Prüfung.  Man 
kann  so  stets  leicht  entscheiden,  ob  wenigstens  die  Elementar- 
spiegel gut  und  in  richtigen  Abständen  ausgebildet  sind. 

2.  Kittet  man  die  Planplatte  nicht  keilförmig,  sondern 
parallel  zur  photographischen  Platte  auf,  so  wird  deren  Ober- 
flächenreflexion zwar  beseitigt,  man  erhält  aber  dafür  Licht 
von   der  Aussenseite   der  Planplatte   reflectirt.     Doch    dieses 


1)  E.  Valenta,  I.  c.  p.  79. 

2)  1.  c.  p.  78. 


526  0.  Wiener. 

deckt  sich  jetzt  als  weisses  Liebt  gleichmässig  über  die  aus 
der  Tiefe  stammenden  Farben;   denn   der   grosse  Ganganter-  ^ 
scbied   zwischen   beiden  Wellen   schliesst  eine  störende  Inter-  ^ 
ferenz  aus. 

Dieser  Gangunterschied  braucht  nicht  einmal  so  gross 
zu  sein,  es  genügt  einfach  eine  dickere  Schicht  von  photo- 
graphischem Lack,  Collodium,  Celloidin  (gelöst  in  Amylacetat, 
sog.  Zaponlack)  oder  dergleichen  aufzutragen,  so  treten  bereits 
die  richtigen  Farben  der  Schicht  hervor.  Die  aufzutragende 
Schicht  braucht  nur  so  dick  zu  sein,  dass  sie  für  sich  ein 
Weiss  ausreichend  hoher  Ordnung  erzeugen  würde.  Sie  braucht 
um  so  weniger  dick  zu  sein,  je  weniger  homogen  die  Farben 
der  Schicht  sind. 

Will  man  Gelatine  selbst  auftragen,  so  muss  man  sich 
vorsehen,  dass  man  dabei  die  nicht  schon  vorhandene  Gelatine- 
schicht auflockert  und  dadurch  den  Abstand  der  Elementar- 
spiegel ändert.  Es  wird  sich  dann  empfehlen,  wenigstens  erst 
eine  andersartige  dünne  Schicht,  z.  B.  von  Collodium,  zwischen- 
zuschalten. 

Die  so  erhaltenen  Platten  liefern  natürlich  lange  nicht 
so  glänzende  Farben,  wie  die  nach  Verfahren  1,  weil  eben 
sich  überall  das  Weiss  der  Oberflächenreflexion  überlagert*) 

3.  Ein  günstigeres  Ergebniss  wäre  zu  erwarten,  wenn  es 
gelänge,  der  Oberfläche  der  Schicht  einen  solchen  Abstand 
von  dem  ersten  Elementarspiegel  zu  geben,  dass  die  Phase 
der  Oberflächenwelle  mit  der  der  Tiefenwelle  übereinstimmt. 

Dies  ist  zunächst  möglich  durch  ein  Heben  der  Ober- 
fläche, d.  h.  indem  man  eine  dünne  Schicht,  wieder  etwa  von 
Celloidin  aufträgt.  Da  die  Oberflächenwelle  gegenüber  der 
Tiefen  welle  um  0,4  bis  0,5  A  voraus  ist,  so  würde  für  eine 
Ergänzung  des  Gangunterschiedes  zu  einer  ganzen  Wellenlänge 
ein  Phasenzuwachs  von  0,6  bis  0,5,  oder  ein  Dickenzuwachs 
gleich  der  Hälfte,  also  0,3  bis  0,25  A  (bezogen  auf  die  Schicht) 
nöthig  sein. 


1)  Wie  ich  hiuterher  bemerke,  hat  auch  schon  NeahauBB  in  seinem 
Buch  p.  59,  um  die  Platten  zu  schützen,  Lack  und  dergleichen  aufge- 
gossen. £r  gicbt  unter  anderem  an,  dass  die  Farben  an  Glanz  verlieren, 
nicht  aber,  dass  sie  sich  ändern. 


Lipp mann' sehe  Farbenphotograpitie.  52.7 

Zu  diesem  Zwecke  stellt  man  sich  verdünnte  Lösungen 
der  aufzutragenden  Schicht  her  und  prüft  die  mit  bestimmter 
Tropfen  zahl  erzielte  Dicke  durch  eine  Probeglasplatte  von 
gleicher  Fläche,  wie  die  der  photographischen  Platte,  indem 
man  nach  Eintrocknen  einen  Theil  der  Schicht  entfernt,  eine 
zweite  Glasplatte  auflegt  und  die  an  der  Grenze  des  weg- 
gewischten Theiles  im  Natriumlicht  eintretende  Verschiebung 
der  Luftinterferenzen  beobachtet.^) 

Es  gelang  mir  in  einem  Falle,  die  richtige  Schichtdicke 
zu  treffen,  sodass  die  Farben  ziemlich  richtig,  wenn  auch  nicht 
genau  richtig  wiedergegeben  wurden.  Es  ist  aber  ziemlich 
schwer,  gleichförmige  Dicke  zu  erreichen;  daher  zeigten  sich 
an  einer  Stelle  Farbeuschwankungen  entlang  der  Richtung  der 
Spectrallinien.  Ferner  müsste  streng  genommen,  wegen  der 
Abnahme  der  Wellenlänge  gegen  Violett,  die  aufgetragene 
Schicht  auf  dem  violetten  Ende  des  Spectrums  kleiner,  als 
auf  dem  rothen  Ende  sein. 

Dass  obiger  Versuch  annähernd  gelang,  war  nur  ein  Zu- 
fall, denn  ich  kannte  damals  noch  nicht  den  richtigen  Werth 
für  die  Phasenäuderung  am  Elementarspiegel. 

Dass  er  trotzdem  gelang,  liegt  daran,  dass  es  sehr  schwer 
ist,  selbst  bei  gleicher  Tropfenzahl  stets  gleiche  Dicken  zu 
erzielen,  weil  sich  von  der  Flüssigkeit  bald  mehr,  bald  weniger 
am  Rande  ansammelt,  und  dass  ein  Dickenausfall  von 
7g  Wellenlänge  in  der  Schicht,  oder  nur  Y13  Wellenlänge  in 
Luft  den  Fehler  wieder  ausgleichen  konnte.  Andere  Versuche 
misslangen  unter  anscheinend  gleichen  Bedingungen.  Immerhin 
sind  Abänderungen  dieses  Verfahrens  denkbar,  welche  besser 
und  sicherer  zum  Ziel  führen. 

Jedenfalls  beweisen  diese  Versuche  schlagend  den  Ein- 
fluss  der  Oberilächenreflexion.  Giesst  man  z.  B.  eine  äusserst 
verdünnte  Lösung  auf,  deckt  eine  zweite  Glasplatte  darüber 
und  zieht  ab,  so  erhält  man  dabei  sehr  ungleichmässige  Dicken. 
Es  erscheinen  jetzt  zum  Theil  die  glänzendsten  Farben,  aber 
an  durchaus  verkehrten  Stellen. 

Statt  die  Grenzfläche  nach  oben,  kann  man  sie  auch  nach 
unten  verlegen,    zunächst   durch   einfaches   mechanisches  Ab- 

1)  Vgl.  0.  Wiener,  Wied.  Ann.  40.  p.  207.  1890,  wo  das  Ver- 
fahren genauer  beschrieben  ist. 


528  0.  Wiener. 

tragen.  Dieser  Versuch  wurde,  wie  bereits  erwähnt,  schon 
von  Neuhauss^)  ausgeführt  Es  treten  dann,  wie  meine 
•eigenen  Versuche  bestätigen,  zunächst  im  allgemeinen  di^ 
benachbarten  Farben  kürzerer  Wellenlänge  auf,  d.  h.  man 
nähert  sich  und  erreicht  bei  bestimmter  Dickenabnahme  der 
Schicht  die  richtigen  Farben.  Geht  man  noch  weiter,  so  treten 
wieder  verkehrte  Farben  auf.  Es  genügt  hier,  auf  schon  früher 
Erwähntes  zu  verweisen  (p.  509). 

Eine  dritte  Möglichkeit  ergiebt  sich  noch  aus  dem  Ver- 
suche von  Neuhauss^,  bei  dem  er  die  oberflächliche  Schicht 
durch  einen  photographischen  Abschwächer  —  Lösung  von 
Sublimat  oder  Fixirnatron  und  Blutlaugensalz  —  veränderte  oder 
theilweise  zerstörte.  Es  wird  dadurch  gleichfalls  der  Abstand 
der  Oberfläche  von  dem  nächsten  Elementarspiegel  vergrössert. 
Doch  ist  dadurch  nicht  ohne  weiteres  die  Uebereinstimmung 
■der  Phase  der  Oberflächenwelle  mit  der  von  den  tiefer  liegen- 
den Elementarspiegeln  gesichert.  Immerhin  hatte  Neuhauss 
damit  Erfolg.  Er  schreibt:  „Bei  dieser  Behandlungsmethode'^ 
—  mit  dem  zweitgenannten  Mittel  —  „kamen  in  der  That  rich- 
tige Mischfarben  zum  Vorschein,  von  denen  vorher  keine  Spur 
zu  finden  war'^  Es  ist  möglich,  dass  die  zerstörte  Schicht 
«inen  ausreichend  grossen  Abstand  der  Oberfläche  von  den 
Elementarspiegeln  herbeiführte,  um  zwischen  beiden  ein  Weiss 
höherer  Ordnung  zu  erzeugen. 

Bei  der  Behandlung  mit  Sublimat  ist  zu  beachten,  dass 
die  Schicht  so  durchsichtig  wird,  dass  die  Phasenänderung 
des  Elementarspiegels  den  Betrag  von  einer  viertel  Wellen- 
länge annimmt.  Dafür  spricht  der  Umstand,  dass  hier  Neu- 
hauss^) in  der  Durchsicht  die  Complementärfarben  zu  denen 
der  Aufsicht  erhielt. 

10.    Verschiedene  sonstige  Fehlerquellen  beim  Lipp mann  sehen 

Farbenverfahren.  —  Schluss. 

Auf  allerlei  andere  Fehler,  deren  Vermeidung  beim  Lipp- 
in an  n 'sehen  Verfahren  anzustreben  ist,  sei  hier  nur  noch 
kurz  eingegangen. 

1)  R.  Neuhauss,  Verhandl.  d.  physikal.  Gesellsch.  zu  BerÜD  U. 
p.  19.  1895. 

2)  In  dem  citirten  Buche  p.  15. 

3)  1.  c.  p.  53.  . 


Lippmann' sehe  Farbenphotographie.  529 

Die  richtige  Farbenwiedergabe  setzt  voraus,  dass  zwischen 
zwei  Bäuchen  der  stehenden  Lichtwellen  der  optische  Weg, 
d.  h.  die  Zahl  der  Wellenlängen,  während  der  Belichtung  und 
nach  Fertigstellung  der  Platte  derselbe  bleibt. 

Zunächst  ist  klar,  dass  der  optische  Weg  sich  ändert, 
wenn  der  Feuchtigkeitsgehalt  der  Gelatine  sich  ändert.  Es 
ist  daher  das  sicherste,  die  Platte  vor  der  Belichtung  im 
Elxsiccator  zu  trocknen.  Denn  hinterher  lässt  sie  sich  jeder- 
zeit wieder  vollständig  trocknen,  falls  man  sie  nicht  mit  einer 
für  Wasserdampf  undurchlässigen  Schicht  überziehen  will. 

Aber  selbst  bei  gleich  bleibendem  Feuchtigkeitsgehalt  wird 
der  optische  Weg  kaum  derselbe  bleiben.  Denn,  wenn  auch 
alles  Silber  reducirt  würde  und  diesem  als  molecularem  Silber 
der  Brechungsexponent  4  zukäme,  würde  der  optische  Weg 
gegenüber  der  ursprünglichen  Bromsilberschicht  verringert, 
um  so  mehr  also,  wenn  ein  Theil  des  Bromsilbers  ausfixirt  wird. 

Ich  habe  ausgerechnet,  dass  der  optische  Weg  sich  um 
etwa  4  Proc.  vermindert,  wenn  die  Hälfte  des  Silbers  reducirt 
würde.  Der  entsprechende  Farbenfehler  muss  noch  deutlich 
zu  bemerken  sein.  Es  müssen  im  Vergleich  zu  der  Belichtungs- 
farbe im  Bilde  Farben  kleinerer  Wellenlängen  erscheinen,  und 
um  so  kleiner,  je  kürzer  die  Belichtung  gedauert  hat.  Dies 
wird  auch  von  verschiedenen  Seiten  bestätigt. 

Dieser  Fehler  Hesse  sich  leicht  beseitigen  durch  Baden 
der  fertigen  Platte  in  der  Lösung  eines  indifferenten  Körpers, 
durch  dessen  Aufnahme  dann  der  optische  Weg  wieder  ver- 
grössert  vird.  Auch  könnte  man  daran  denken,  die  Schicht 
durch  Wasserdämpfe  aufzuquellen,  und  nach  Erreichung  der 
richtigen  Dicke  sie  dicht  gegen  die  Luft  abzuschliessen.^) 

Doch  hat  es  nur  Zweck  darauf  einzugehen,  wenn  man 
den  Fehler  der  Oberflächenretiexion  beseitigt,  der  im  allgemeinen 
überwiegen  wird. 

Auf  andere  Fehler,  wie  den,  welchen  die  Absorption  des 
Niederschlages,  besonders  der  kurzwelligen  Farben  bedingt,  ist 
schon  von  anderer  Seite  genügend  eingegangen  worden. 


1)  Vgl.  dazu  Versuche  von  Neuhauss  in  dessen  Buch  p.  49,  wo 
die  hier  berührten  Fehlerquellen  in  Betracht  kommen.  Besagte  Stelle  kam 
mir  erst  zu  Gesicht,  als  ich  obiges  schon  geschrieben  hatte. 

Ann.  d.  Phya.  u.  Chem.     N.  F.    69.  34 


530  0.  Wiener,    LippmantC sehe  Farbenphotographie. 

Die  vorstehende  Untersuchung  wurde  bereits  1895  im 
physikalischen  Institut  der  Technischen  Hochschule  in  Aachen 
begonnen  im  Zusammenhang  mit  Versuchen  an  Becquerer«  A 
sehen  Farbenphotographien.  Diese  entstehen  bekanntlich  in 
silberchlorürhaltigen  Chlorsilberschichten  auf  Silberunterlage 
im  wesentlichen^)  durch  die  Wirkung  stehender  Lichtwellen. 
Hebt  man  die  Schicht  von  der  Unterlage  ab,  so  erblickt  man 
auf  der  Hinterseite  Farben,  die  von  denen  auf  der  Vorderseite 
wesentlich  verschieden  sind.  Der  Einfluss  der  störenden  Ober- 
flächenreflexion macht  sich  dort  noch  viel  stärker  bemerklich 
als  bei  den  Lippmann'schen  Schichten.  Elr  konnte  durch 
Eintauchen  des  Blättchens  in  Schwefelkohlenstofi'  vermindert, 
wenn  auch  wegen  des  immer  noch  grösser  bleibenden  Brechungs- 
exponenten der  Schicht  so  nicht  völlig  beseitigt  werden. 

Die  Versuche  wurden  erst  in  diesem  Jahre  im  physikalischen 
Institut  der  Universität  Giessen  fortgesetzt.  Ich  wurde  dabei 
durch  Hm.  Lehramtsaccessist  Nennstiel  unterstützt,  der  ins- 
besondere die  Spectrumbilder  nach  den  Vorschriften  von  Neu- 
hauss  herstellte,  wofür  ich  ihm  sehr  zu  Dank  verpflichtet  bin. 

Die  Versuche  wurden  endlich  im  hiesigen  Institute  ab- 
geschlossen, wobei  mir  in  der  Beurtheilung  der  Farben,  wie 
auch  schon  früher,  Hr.  Dr.  Scholl  behülflich  war. 

Die  Untersuchung  ist  annähernd  soweit  fortgeführt,  als  es 
gut  möglich  ist,  ohne  die  Eigenschaften  des  photographischen 
Niederschlages  experimentell  genauer  festzustellen.  Ich  wollte 
aber  die  Veröffentlichung  ihrer  Ergebnisse  nicht  länger  hinaus- 
schieben, die,  wie  ich  hoffe,  dem  Praktiker  von  Nutzen  sein 
werden. 

Leipzig,  Physikal.  Inst.  d.  Univ.,  August  1899. 

1)  0.  Wiener,  Wied.  Ann.  55.  p.  246  u.  256.  1S95. 

(Eingegangen  24.  August  1899.) 


Druck  Ton  Metxger  d  Witt  ig  ia  Leipzig. 


1899.  ANNALEN  -^^  ^^- 


DBB 


PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.    BAND  69. 


1.  Ueber  bewegte  Körper 

im    elektrischen  Felde   und  über  die  elektrische 

Leitfähigkeit  der  atmosphärischen  Luft; 

von  Adolf  Heydweiller. 


I.  Fonderomotorische  Kräfte  des  elektrischen  Feldes  auf 

bewegte  Körper. 

1.  Befindet  sich  ein  leitender  Körper  im  elektrischen  Felde 
in  einer  Umgebung  von  anderem  Leitvermögen ,  so  treten  an 
seiner  Oberfläche  elektrische  Ladungen  auf,  die  sich  bei  einer 
relativen  Bewegung  des  Körpers  gegen  die  Kraftlinien  des 
Feldes  verschieben  und  dadurch  ponderomotorische  £j:äfte  des 
Feldes  auf  den  bewegten  Körper  hervorrufen.  Diese  Kräfte 
hemmen  die  vorhandene  Bewegung  des  Körpers,  wenn  sein 
Leitvermögen  das  der  Umgebung  übertrifft,  sie  wirken  be- 
schleunigend unter  Verbrauch  elektrischer  Energie  im  um- 
gekehrten Falle.  Ich  werde  sie  im  Folgenden  kurz  als 
hemmende  und  treibende  Kräfte  unterscheiden.  Bei  gewissen 
kleinen  Werthen  des  Leitvermögens  können  sie  auch  bei 
massigen  Geschwindigkeiten  messbare  Grösse  erreichen. 

Den  theoretischen  und  experimentellen  Nachweis  der 
hemmenden  Kräfte  für  den  speciellen  Fall,  dass  das  Leit- 
vermögen in  der  Umgebung  des  bewegten  Körpers  verschwindend 
klein  ist,  verdanken  wir  Heinrich  Hertz ^);  auf  die  Ver- 
eJlgemeinerung  seiner  Entwickelungen  und  deren  Anwendung 
zur  Erklärung  von  Beobachtungen  Hrn.  Quincke 's  und  Hrn. 
0.  E.  Meyer's  habe  ich  hingewiesen*),  und  Hr.  v.  Schweidler 
hat  sie  auf  Hm.  Boltzmann's  Veranlassung  für  den  Fall 
einer    im    homogenen    elektrischen    Felde    rotirenden    Kugel 


1)  H.    Hertz,    Wied.   Ann.    13.    p.  266.     1881;    Ges.    Werke   1. 
p.  135.  1895. 

2)  A.  Heydweiller,  Verhandl.  d.  Phys.  Gesellsch.  zu  Berlin  16. 
p.  82.  1897. 

34* 


532  A,  HeydweiUer. 

rechnerisch   durchgeführt.*)     Weitere  hierher   gehörige  Beob- 
achtungen werden  später  erwähnt. 

2.  Neben  diesen  Kräften  treten  noch  andere  auf,  die 
den  dielektrischen  Eigenschaften  des  bewegten  Körpers  zu- 
sammenhängen, da  infolge  der  Bewegung  die  Richtung  der 
dielektrischen  Polarisation  nicht  mehr  in  jedem  Augenblicke 
zusammenfällt  mit  der  Richtung  der  elektrischen  Kraft;  diese 
Eigenschaft  hat  man  als  dielektrische  Hysteresis  bezeichnet;  die 
durch  sie  bedingten  Kräfte,  die  stets  nur  unter  Verbrauch 
freier  Energie  hemmend  wirken^,  sind  Gegenstand  zahlreicher 
Experimentaluntersuchungen  gewesen,  unter  denen  hier  die  von 
Arno^),  Threlfall*)  und  Schaufelberger*)  hervorzuheben 
sind.  Aus  dem  Folgenden  wird  hervorgehen,  dass  bei  den  meisten 
dieser  Versuche  neben  den  dielektrischen  Hysteresiserscheinungen 
wohl  auch  Kräfte  der  erstgenannten  Art  wirksam  waren. 

II.  Die  Vergleichung  sehr  kleiner  elektrischer  Ijeitverniögen. 

3.  Auf  die  Möglichkeit,  die  im  ersten  Abschnitt  erwähnten 
Erscheinungen  für  die  Bestimmung  sehr  kleiner  Leitvermögen 
von  sogenannten  Isolatoren  nutzbar  zu  machen^  hat  ebenfalls 
schon  H.  Hertz  hingewiesen.  Die  Vervollständigung  seiner 
Theorie  durch  Hm.  v.  Seh  weidler  lässt  sie  noch  deutlicher 
hervortreten. 

Hiernach  ist  das  Drehungsmoment,  das  eine  gleichförmig 
rotirende  Kugel  vom  Radius  R  im  homogenen  elektrischen 
Felde  von  der  Stärke  F  (elektrostatisch)  mit  den  Kraftlinien 
senkrecht  zur  Rotationsaxe  erfährt: 

(1)  B  =  ^8^2     _^r(^- .T/i)_ 


1  +  (•/'s  r)«  (2  K  +  Ä,)» 
wenn  r   die  Umlaufszeit,    X^  die   elektrische  Leitfähigkeit  der 
Kugel  im  elektrostatischen  Maasse  und  X^  die  der  Umgebung  ist 

1)  £.  V.  Scbweidler,  Sitzoingsber.  d.  k.  Akad.  d«  WiBsenach.  zn 
Wien  106.  IIa.  p.  526.  1897. 

2)  Vgl.  L.  Boltzmann,  Wied.  Ann.  60.  p.  399.  1897. 

3)  R.  Arno,  N.  Cini.  (3)  33.  p.  15.  1893;  Elektrotechn.  Zeitscfar. 
14.  p.  17.  1893;  Rend.  della  R.  Acc.  dei  Lincei  (5)  2.  I.  p.  341,  2.  IT. 
p.  260.  1893;  Atti  della  Acc.  di  Torino  29.  p.  429.  1894;  Rend.  della  R.  Acc. 
dei  Lincei  (5)  3.  I.   p.  272  u.  294.  1894;    N.   Cim.  (4)  5.  p.  52.  1897. 

4)  R.  Threlfall,  Phys.  Rev.  4.  p.  457;  5.  p.  21  u.  65.  1897. 

5)  W.  Schaufelberger,  Wied.  Ann.  67.  p.  307.  1899. 

f  ' 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  538 

Ist   Aj   gegen  a^  zu  yernachlässigen ,   so   erhält   man  ein 
.    treibendes  Drehungsmoment 

für  X^  klein  gegen  A.  dagegen  ein  hemmendes: 
(3)  i)  =  -  Ä»  i^»       *^«  ^  ^' 


1  +  (*/.  I  h? 

Ein  rotirendes  elektrisches  Feld  würde  im  letzteren  Falle 
die  Eugel  mitzuziehen,  im  ersteren  entgegengesetzt  zu  drehen 
suchen,  und  wenn  es  gelänge,  die  Erscheinung  rein  zu  erhalten, 
müsste  man  aus  den  gemessenen  Grössen  i>,  R,  F  und  r  die 
Leitfähigkeiten  \  oder  X^  bestimmen  können.  Das  ist  nun, 
wie  schon  Hertz  bemerkte,  leider  nicht  der  Fall,  da  zu  den 
leitenden  Eigenschaften  der  in  Betracht  kommenden  festen 
oder  flüssigen  Körper  die  dielektrischen  hinzutreten  und  zu 
Kräften  der  zweiten  Art  Veranlassung  geben.  Wenn  sonach 
auch  genauere  quantitative  Bestimmungen  auf  diesem  Wege 
nicht  möglich  sind,  so  bieten  die  besprochenen  Erscheinungen 
doch  ein  äusserst  empfindliches  Reagenz  auf  sehr  geringe,  in 
anderer  Weise  kaum  nachweisbare  Spuren  von  Leitvermögen 
und  gestatten  eine  Bestimmung  derselben  wenigstens  der 
Grössenordnung  nach,  die  den  Vortheil  hat,  unabhängig  zu 
sein  von  jeder  hypothetischen  Annahme  über  die  Gültigkeit 
des  Ohm*schen  Gesetzes  für  die  schlechten  Leiter  und  von 
etwaigen  „üebergangswiderständen"  an  den  Zuflihrungsstellen 
des  elektrischen  Stromes. 

III.  Störungen  und  Schwierigkeiten. 

4.  Der  Ausführung  solcher  Bestimmungen  war  zunächst 
folgende  Idee  zu  Grunde  gelegt  worden.  In  ein  rotirendes 
elektrisches  Feld  sollte  ein  schlechter  fester  Leiter  in  Form 
eines  Rotationskörpers  in  ein  gasförmiges  oder  flüssiges  Medium 
von  ebenfalls  geringem  Leitvermögen  eingeführt  werden.  Bei 
einer  Aenderung  des  Leitvermögens  des  festen  Körpers  oder 
der  Umgebung  schien  es  möglich,  einen  Uebergang  von  hemmen- 
den zu  treibenden  Kräften  des  rotirenden  elektrischen  Feldes 
auf  den  festen  Körper  zu  finden,  dem  bei  Abwesenheit  dielek- 
trischer Hysteresis  Gleichheit   des  Leitvermögens    von   festem 


534  A,  Heydweiller, 

Körper  und   Umgebung    entsprechen   musste,   mit   Rücksicht 
darauf,  dass  die  dielektrische  Hysteresis  nur  hemmende  Kräfte 
erzeugt,  aber  wenigstens  Grenzwerthe  des  Leitvermögens  er-^ 
geben  konnte. 

Der  Erfolg  der  ersten  mit  einer  Ebonitscheibe  in  Luft 
von  verschiedener  Dichte  angestellten  Versuche  schien  den 
Erwartungen  zu  entsprechen.  Bald  ergab  sich  aber,  dass 
neben  dem  schon  hier  störend  bemerkbaren  Einfluss  der 
dielektrischen  Hysteresis  des  Ebonits  noch  andere  Wirkungen 
die  Versuche  beeinflussten. 

Bei  der  gewählten  Versuchsanordnung  war  ein  Einscbliessen 
der  rotir  enden  Scheibe  in  ein  Glasgehäuse  nicht  zu  vermeiden, 
schon  um  bei  verschiedenen  Verdünnungsgraden  der  Luft  beob- 
achten zu  können,  aber  auch  bei  Luft  von  Atmosphärendmck, 
da  sich  eine  vollkommene  Trockenheit  der  Luft  notbwendig 
erwies,  und  die  Ebonitscheibe  gegen  Luftströmungen  gesichert 
werden  musste.  Den  rotirenden  Condensator  in  das  Gehäuse 
mit  einzuschliessen  ging  nicht  an,  so  befand  sich  dieses  zwischen 
Condensator  und  Scheibe,  sodass  Ladungen  an  den  beiden 
Seiten  der  Glaswand  auftraten,  die  im  rotirenden  Felde  za 
neuen  störenden  Kräften  Veranlassung  gaben.  Diese  Störungen 
machten  sich  zunächst  durch  einen  polaren  Unterschied  be- 
merklich, durch  Verschiedenheit  der  erhaltenen  Resultate,  je 
nachdem  die  positive  oder  die  negative  Condensatorplatte  zur 
Erde  abgeleitet  war,  dann  dadurch,  dass  nachfolgende  Ver- 
suche mit  ruhendem  Condensator  zu  ganz  anderen  Ergebnissen 
führten-  Ferner  zeigte  sich  im  letzteren  Fall,  dass  die  Wir- 
kung einer  allmählich  gesteigerten  Condensatorentladung  mit 
der  Zeit  abnahm,  bei  Entladung  aber  von  neuem  wieder  auf- 
trat und  durch  langsam  abwechselnde  Ladung  und  Entladung 
dauernd  zu  erhalten  war.  Endlich  Hessen  sich  die  Ladungen 
der  Glaswand  direct  nachweisen  durch  einen  an  der  Innenseite 
der  isolirten  Condensatorplatte  befestigten  Streifen  aus  Alu- 
miniumblatt, der  bei  hinreichend  starker  Ladung  der  Platte 
divergirte,  bei  Entladung  aber  nicht  sofort,  sondern  erst  nach 
einiger  Zeit  zurückging. 

Auf  diese  Ladungen  der  Glaswand  ist  auch  wohl  der  Ein- 
fluss von  Feuchtigkeit  in  der  umgebenden  Luft  ausserhalb  des 
Glasgefässes  zurückzuführen. 

f 


^ 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde.  535 

£benso  sind  begreiflicherweise  auch  Feuchtigkeitsschichten 
auf  der  rotirenden  Scheibe  von  Einfluss. 

Die  entscheidenden  Versuche  wurden  daher  immer  erst 
angestellt,  nachdem  die  Scheiben  tage-  oder  gar  wochenlang 
in  mit  Phosphorpentoxyd  getrockneter  Luft  gehangen  und 
ausserdem  auch  nur  bei  ziemlich  trockener  Zimmerluft. 

Die  Frage,  ob  nicht  directe  Influenzwirkungen  infolge 
mangelhafter  Symmetrie  des  rotirenden  Körpers  oder  der  Auf- 
hängevorrichtung die  Ergebnisse  merklich  beeinflussen,  Hess 
sich  auf  Grund  mehrfacher  Controlversuche  bei  verschiedener 
Orientirung  der  Scheibe  gegen  die  Kraftlinien  des  Feldes  ver- 
neinen. 

Dagegen  machten  sich  gelegentlich  dauernde  mit  der 
dielektrischen  Hysteresis  zusammenhängende  Ladungen  der 
rotirenden  Scheibe  störend  bemerklich. 

Die  erwähnten  Umstände  führten  dazu,  die  ursprüngliche 
Idee  zu  verlassen,  und  die  Beobachtungen  hauptsächlich  bei 
ruhendem  Condensator  anzustellen,  wobei  man  freilich  auf  das 
Feststellen  treibender  Kräfte  beschränkt  blieb  und  auch  hier- 
bei von  dem  Vorhandensein  zufälliger  kleiner  Bewegungen  ab- 
hängig war. 

Diese  mit  Paraffin-,  Ebonit-  und  Glimmerscheiben  an- 
gestellten Versuche  Hessen  erkennen,  dass  auch  hier  zweierlei 
Wirkungen  auftreten,  von  denen  die  eine  an  der  Grenze  von 
Glasgehäuse  und  innerer  Luft  ihren  Sitz  hat,  zuerst  diese  in 
Bewegung  setzt  und  dann  erst  vermöge  der  inneren  Reibung 
auch  die  Scheibe,  während  die  andere  an  der  Grenze  von 
Luft  und  Scheibe  direct  auf  letztere  wirkt.  Um  diese  beiden 
Wirkungen,  von  denen  die  erste  hauptsächHch  bei  grösserer, 
die  andere  nur  bei  sehr  geringer  Luftdichte  zur  Geltung  kommt, 
voneinander  zu  trennen,  wurden  noch  Versuche  mit  einer 
Scheibe  aus  dünnem  Kupferblech  angestellt,  bei  der  wegen 
hres  grossen  Leitvermögens  die  letzteren  Kräfte  unmerklich 
werden. 

IV.  Versuche  im  rotirenden  Feld. 

5.  Versuchsanordnung,  Die  Scheiben,  deren  Rotation  beob- 
achtet wurde,  waren  anfänglich  mit  Glashütchen  auf  Spitzen 
aufgesetzt,  später  zur  Erhöhung  der  Empfindlichkeit  mit  einer 


536 


A,  Heydtoeiller, 


Li4/tpu//ipc 
u  .Ma/iomele/- 


\ 


u: 


ec 


Coconsuspension   versehen;   sie  wurden   mittels   zweier  Korl 
cylinderchen  auf  einer  Stecknadel  festgeklemmt,  die  an  einei^H 
10  cm  langen,  möglichst  feinen  Coconfaden  hing  und  zur  V^^x*. 
minderung   seitlicher  Schwankungen   unten   mit   einer  klein^a? 
Bleikugel  beschwert  war.     Der  Durchmesser  der  Scheiben  ke« 
trug  6 — 7  cm. 

Das  rotirende  Feld  wurde  bei  den  ersten  Versuchen  mit 
einem  geriebenen  Glas-  oder  Ebonitstab  erzeugt,  der  in  einem 

Abstände    von    etwa  5  cm    um    die 
Drehungsaxe     der    Scheibe     rotirte. 
Später    wurde   ein   Condensator  an- 
gewendet   mit    kreisrunden    Platten 
von  10  cm  Abstand  und  von  14  cm 
Durchmesser,    die   an   zwei   concen- 
trischen   durch   eine   Ebonitlage  ge- 
trennten   Cylindem     befestigt,     mit 
diesen   auf  die  Axe  einer  Schwung- 
maschine  gesetzt   wurden;    die   eine 
Platte  war  durch  die  Schwungmaschine 
zur  Erde  abgeleitet,  die  andere  vnirde 
mittels    einer    auf  dem   zugehörigen 
Cylinder  schleifenden  Feder  geladen. 
Die  weitere  Versuchsanordnung 
ist,    mit  Weglassung   der   Schwung- 
maschine,  schematisch  in  der  Figur 
dargestellt,    i  ist  die  ladende  Holt  zi- 
sche Influenzmaschine,  f  eine  Funken- 
strecke,  e  ein  Elektrometer,  M\  und 
W^    sind  Widerstände   von  ca.  1,3  bez.  50  Megohm,    /  eine 
grosse  Leydener  Flasche,  c^  und  c,   die  beiden  Condensator- 
platten,   s  die  rotirende  Scheibe,    eingeschlossen  in  ein  cyhn- 
drisches  Glasgehäuse  ff  von  18  cm  Höhe,  7  cm  innerem  Durch- 
messer und  0,2  bis  0,25  cm  Wandstärke,  das  unten  durch  eine 
aufgekittete  Glasplatte  verschlossen,  oben  durch  ein  eingekittetes 
Rohr  mit  einer  Töpler-Ha gen 'sehen  Quecksilberluftpumpe  in 
Verbindung  stand. 

Die  Influenzmaschine  wurde  bei  jeder  Beobachtung  in 
Gang  gehalten,  sodass  in  der  Funkenstrecke  f,  die  zur  Be- 
gulirung  der  Spannung  diente,  ein  continuirlicher  Funkenstrom 

i 


v: 


IlnU 


r 


f 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  537 

überging;  /,  w^  und  w^  dienten  zur  Verminderung  der  Spannungs- 
scli-wankungen.   Gemessen  wurden  die  Spannungen  bis  3500  Volt 
mittels  eines  Braun 'sehen  Elektrometers  (mit  neuer,  richtiger 
Eichung),  darüber  hinaus  mit  meinem  Elektrometer  für  hohe 
Spannungen'),  bez.  auch  durch  die  Länge  der  Funkenstrecke  /; 
^er  Luftdruck  im  Gehäuse  g  mit  einem  Mac  Le od- Manometer 
Kahlbaum'scher    Construction.')     Die    angegebenen   Drucke 
^ind  daher  die  der  Luft  und  etwaiger  Fett-  oder  Eittdämpfe 
(von  den  Dichtungen  herrührend),  aber  abzüglich  der  Drucke 
des  Quecksilber-  und  des  Wasserdampfes,  die  in  der  angegebenen 
Weise  nicht  zur  Messung  kommen.    Der  letztere  kann  übrigens 
nur  gering   sein,   da   das  Trockengefäss   der  Luftpumpe   mit 
Phosphorpentoxyd  beschickt  war,  das  Auspumpen  immer  lang- 
sam   geschah,    sodass   die  kleinen  Druckdifferenzen  Zeit  zum 
Ausgleich   hatten,   und,   wie  schon  bemerkt,  die  endgültigen 
Versuche   namentlich   bei   niederen  Drucken   erst   nach  tage- 
und    wochenlangem    Evacuiren    vorgenommen    wurden.      Die 
Beobachtungen  wurden  bei  Zimmertemperatur  angestellt,  meist 
in  der  Nähe  von  18^ 

6.  Einige  Forversuche.  Ich  bezeichne  im  Folgenden  mit 
-f-  Bot.  eine  Rotation  durch  treibende  Kräfte  (Abschnitt  1), 
also  entgegen  der  Feldrotation,  mit  —  Rot.  eine  solche  durch 
hemmende  Kräfte  mit  dem  rotirenden  Felde. 

In  atmosphärischer  Luft  geben  Scheiben  aus  Glimmer, 
Paraffin,  Paraffinpapier,  trockenem  Schreibpapier,  Kork  leb- 
hafte —  Rot,  sowohl  innerhalb  eines  Glascylinders ,  wie  ohne 
denselben;  eine  Kupferscheibe  zeigt  keine  Bewegung.  Benetzen 
der  Glimmerscheibe  mit  destillirtem  Wasser  und  Bedecken 
des  Papieres  mit  Graphit  schwächt  die  Wirkung,  Anfeuchten 
mit  verdünnter  Säure  hebt  sie  auf.  In  verdünnter  Luft  nimmt 
mit  abnehmendem  Druck  die  Wirkung  erst  ab,  verschwindet 
bei  geringeren  Feldstärken  und  gewissen  kleinen  Drucken,  um 
bei  grosser  Verdünnung  wieder  stärker  zu  werden.  Bei  grösserer 
Feldstärke  erhält  man  mit  der  Glimmerscheibe  für  grosse  und 
mittlere  Drucke  —  Rot.,  für  kleine  +  Rot.,  bei  sehr  hoher 
Verdünnung   wieder   —  Rot.     Es   tritt   also   eine   Umkehrung 


1)  A.  Heydweiller,  Wied.  Ann.  48.  p.  llü.  1893. 

2)  G.  Kahlbaum,  Zeitschr.  f.  Instrum entenk.  15.  p.  191.  1895. 


588  A,  Heydweiller. 

der  Wirkung  auf  bei  Drucken,  die  für  die  angewandte  Feld- 
stärke etwa  bei  ^^^  mm  Hg  lagen. 

7.  Die  folgenden   Versuche  mit  rotirendem  Condensator,  dJF 
isolirte  Platte  +  geladen,  werden  das  näher  erläutern;  p  be- 
zeichnet die  Drucke  in  mm  Hg,  F  die  Feldstärken  in  elektro- 
statischen C.O.S.-Einheiten   (bei  10  cm  Plattenabstand  gleich 
dem  Potentialunterschied  der  Platten  in  Volt,    dividirt  durch 

3000). 

Tabelle  1. 


Glimmersch 

eibe. 

p 

- 

25 

8                2,5 

1 

0,5 

0,25  mm 

F^ 

4 

— 

—               — 

— 

+  Rot 

+  Rot 

F^ 

5 

-  Rot. 

-  Rot.       -  Rot. 

+  Rot. 

+  Rot 

+  Rot 

F  = 

6 

— 

— 

— 

+  Rot 

P  = 

0,3            0,15 

0,02 

0,004  mm 

F-0,5 

—           -  Rot. 

-  Rot 

— 

F  =  1,0 

-  Rot.       +  Rot. 

-  Rot 

-Rot 

F  =  2,0 

+  Rot       +  Rot. 

+  Rot 

0 

F  =  3,0 

—           +  Rot. 

Tabelle 

-Rot 
2. 

+  Rot 

Ebonitscheibe. 

P  = 

17,5 

4,5           2,5           0,85 

0,15 

0,026 

0,0023  mm 

F^  1 

-  Rot.     - 

•  Rot.     -  Rot.         — 

— 

-Rot 

F^  4 

-  Rot.     - 

•  Rot.     -  Rot.     -  Rol 

t.     -  Rot. 

-Rot 

— 

F=  5 

-  Rot.     - 

•  Rot.        —             0 

-I-Rot 

-  Rot 

-Rot 

F^  6 

-Rot. 

0          +  Rot     +  Rot     +  Rot. 

+  Rot 

-^Rot 

Diese  Versuche  mit  der  Ebonitscheibe  wurden  bald  nach 
dem  Ansetzen  des  Gefässes  an  die  Luftpumpe  angestellt;  nach 
längerer  Verbindung  mit  der  durch  Phosphorpentoxyd  ge- 
trockneten Luftpumpe  nimmt  die  +  Rot.  zu,  d.  h.  sie  setzt 
schon  bei  kleineren  Feldstärken  ein,  so  ergab  sich  später: 


Tabelle 

3. 

Bbonitsch( 

eibe. 

p  = 

6 

0,2 

0,014 

0,0028 

0,0008  mm 

F=  1,5 

0 

-  Rot. 

-  Elot 

— ^ 

F  =  3 

— 

+  Rot. 

-  Rot 

-Rot 

-  Rot 

F=  4 

-  Rot. 

+  Rot. 

0 

+  Rot 

-  Rot 

F=  5 

-  Rot. 

+  Rot. 

+  Rot. 

— 

±  Rot  (wechselnd) 

F  =  e 

-  Rot. 

+  Rot 

+  Rot 

— 

+  Rot. 

Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde.  539 

Bei  den  vorstehenden  Versuchen  mit  der  Olimmerscheibe 
hatte  die  Verbindung  mit  der  Luftpumpe  schon  mehrere  Tage 
bestanden. 

Aus  diesen  Versuchen  lässt  sich  soviel  schliessen,  dass 
bei  gewissen  Verdünnungsgraden  und  Feldstärken  die  auf  Leit- 
fähigkeit beruhenden  Kräfte  der  ersten  Art  (Abschnitt  1)  die 
von  der  dielektrischen  Hysteresis  herrührenden  der  zweiten 
Art  (Abschnitt  2)  an  Wirkung  übertreffen^  da  nur  die  ersteren 
treibende  Kräfte  zu  erzeugen  im  Stande  sind,  dass  die  Wirkung 
der  ersteren  mit  steigender  Feldstärke  wächst  und  mit  zu- 
nehmender Verdünnung  bei  derselben  Feldstärke  ein  Maximum 
besitzt.  Die  auftretenden  Unterschiede  der  einzelnen  Reihen 
erklären  sich  durch  Veränderungen  der  Oberflächen  bei  längerem 
Evacuiren  und  Trocknen,  unentschieden  bleibt,  ob  in  den 
Fällen ,  wo  —  Rot.  beobachtet  wurde ,  die  Kräfte  erster  Art 
doch  noch  merkliche  Wirkung  haben,  die  nur  von  denen 
zweiter  Art  überdeckt  wird,  und  weiter,  wo  der  Sitz  der  Kräfte 
zu  suchen  ist,  ob  in  der  Grenze  zwischen  Glashülle  und 
verdünnter  Ijuft,  oder  in  der  zwischen  Luft  und  rotirender 
Scheibe. 

8.  üeber  den  zweiten  Punkt  geben  die  folgenden  Versuche 
mit  einer  Kupferscheibe  im  rotirenden  Felde  Auskunft,  da  bei 
diesen  die  Kräfte  an  der  Oberfläche  der  Scheibe  selbst  wegen 
ihres  grossen  Leitvermögens  verschwinden  (vgl.  Abschnitt  3). 
Die  Scheibe  dient  also  in  diesem  Falle  nur  als  Indicator  für 
die  Bewegung  der  umgebenden  Luft. 

Bei  höheren  Drucken  bis  zu  10  mm  hinunter  ist  die  Art 
der  auftretenden  Bewegungen  schwer  zu  bestimmen;  häufig 
treten  zunächst  +  Bewegungen  und  Rotationen  auf,  die  aber 
bei  Umkehr  der  Drehungsrichtung  des  Feldes  nicht  ebenfalls 
umkehren.  Die  Beobachtung  wird  dadurch  erschwert,  dass 
in  schwächeren  Feldern  die  Bewegung  geringe  Stärke  hat,  in 
stärkeren  die  Scheibe  in  pendelnde  Bewegung  geräth,  dabei 
an  die  Glaswand  anstösst  und  durch  diese  Stösse  dann  auch 
in  Rotation  versetzt  wird.  Jedenfalls  ist  nichts  von  den  regel- 
mässigen —  Rotationen  zu  bemerken,  wie  sie  die  Glimmer- 
und Ebonitscheibe  bei  den  entsprechenden  Luftdrucken  auf- 
weisen. Diese  können  daher  nur  von  Kräften  herrühren,  die 
durch  die  Substanz  der  Scheibe  selbst  bedingt,  an  deren  Ober- 


540  A.  Heydweüler. 

fläche  ihren  Sitz  haben  und  entweder  durch  ihre  dielektrische 
Hysteresis  oder  ihre  Leitfähigkeit,  vielleicht  auch  durch  beide 
bedingt  sind.  * 

Erst  unterhalb  10  mm  Druck  werden  die  Erscheinungen 
wieder  regelmässiger;  die  Eupferscheibe  zeigt  Ablenkungen 
aus  der  Gleichgewichtslage^  die  bei  gleichmässiger  Rotation 
des  Feldes  constant  sind,  bei  Wechsel  der  Drehungsrichtung 
nach  einiger  Zeit  gleichfalls  umkehren  und  eine  gleichmässige 
Botation  der  umgebenden  Luft  anzeigen.  Diese  ist  regel- 
mässig bei  kleineren  Feldstärken  positiv,  bei  grösseren  negativ, 
zunächst  bei  Drucken  bis  zu  0,1  mm  hinunter  sehr  schwach 
und  nimmt  erst  bei  weiterer  Druckabnahme  etwas  an  Stärke 
zu.  Die  Zusammenstellung  eines  Theiles  der  Beobachtungen 
in  Tab.  4  wird  dies  erläutern.  Darin  bedeuten  die  Zahlen  die 
Ablenkungen  der  Eupferscheibe  aus  der  Gleichgewichtslage  in 
Bruchtheilen    einer  Umdrehung   bei   langsamer  gleichförmiger 

Rotation  des  Feldes. 

Tabelle  4. 

Kupferscheibe. 


p  = 

7 

3,3 

0,8 

0,044 

0,014 

0,0035 

0,00080  mm 

F^  0,9 

— 

— 

— 

+    V8 

+  •/* 

— 

F=  1,3 

-4-   >' 

0 

+  •/.. 

4.   »' 

+     /8 

+   V4 

-•/« 

+  v, 

F=  2,0 

0 

0 

— 

4-  »' 
+     .16 

+    '/. 



+  Bot. 

F=  2,7 

-  ^'I. 

+  Vie 

+  Vie 

_  1 

;i« 

+    V4 

-Rot 

±  wechselnd 

F  =  3,8 

+  Vu 

0 

-'/. 

-'/. 

f  starkes 
Pendeln 

stariLes 
Pendeln 

Aus  diesen  Versuchen,  die  freilich  auch  an  Regelmässig- 
keit noch  zu  wünschen  übrig  lassen,  kann  man  schliessen,  dass 
erstens  bei  kleinen  Feldstärken  die  Leitfähigkeit  der  yerdünnten 
Luft  kleiner  ist,  als  die  der  Glashülle,  da  nur  so  positive  Be- 
wegungen eintreten  können,  dass  sie  bei  steigender  Feldstärke 
aber  grösser  wird,  und  dass  zweitens  die  an  den  schlecht 
leitenden  Scheiben  in  stark  verdünnter  Luft  bei  grösseren 
Feldstärken  beobachteten  starken  +  Rotationen  in  Kräften  ihre 
Ursache  haben,  deren  Sitz  an  der  Grenze  der  verdünnten  Luft 
und  der  Scheiben  gelegen  ist. 

y.    Versuche  im  ruhenden  Felde. 

9.  Bei  den  Versuchen  im  ruhenden  Felde  treten  wesent- 
lich verschiedene  Erscheinungen  bei  höheren  und  bei  niederen 

t 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde.  541 

Drucken  auf.  Bewegungen,  die  hier  nur  von  treibenden  Kräften 
herrühren  können,  sind  in  beiden  Fällen  zu  beobachten,  aber 
während  bei  niederen  Drucken  im  constant  bleibenden  Felde 
stationäre  Zustände  auftreten,  d.  h.  je  nach  dem  Verhältniss 
von  treibender  und  richtender  Kraft  entweder  constante  Ab- 
lenkungen der  Scheibe  aus  der  Gleichgewichtslage  oder  auch, 
wenigstens  zeitweise,  Rotationen  mit  nahe  constanter  Winkel- 
geschwindigkeit, sind  bei  höheren  Drucken  die  treibenden  Kräfte 
impulsiver  Natur  und  immer  nur  bei  Aenderungen  des  Feldes, 
Entstehen  und  Verschwinden  desselben,  merklich.  Wird  das 
Feld  erregt,  so  erhält  die  Scheibe  einen  impulsiven  Anstoss, 
bewegt  sich  unter  dem  Einfluss  desselben  eine  Zeit  lang  und 
kommt  dann  im  constant  bleibenden  Felde  wieder  zur  Ruhe, 
ohne  dauernde  Ablenkung  aus  der  Gleichgewichtslage.  Diese 
Stösse  können  sehr  heftig  sein,  und  oft  kann  durch  periodische 
Wiederholung  derselben  die  Bewegung  der  Scheibe  bis  zur 
Rotation  gesteigert  werden. 

Die  ersten  Versuche  mit  Glimmer-,  Paraffin-  und  Ebonit- 
scheiben Hessen  vermuthen,  dass  auch  hier  üebereinander- 
lagerung  zweier  verschiedener  Wirkungen,  wie  im  rotirenden 
Felde,  auftritt  Nachfolgende  Versuche  mit  der  Kupferscheibe 
bestätigten  das  und  zeigten,  dass  bei  höheren  Drucken  nur 
die  an  der  Glaswand  wirkenden  Kräfte  zur  Geltung  kommen, 
und  erst  bei  sehr  kleinen  Drucken  die  an  der  Grenze  zwischen 
verdünnter  Luft  und  (schlecht  leitender)  Scheibe  auftretenden 
die  Erscheinungen  wesentlich  bedingen. 

Ich  gebe  bei  den  einzelnen  Scheiben  Dimensionen,  Träg- 
heitsmomente und  Richtkräfte  an,  da  dieselben  in  die  nach- 
folgenden Berechnungen  der  späteren  Kapitel  eingehen.  Des- 
gleichen gebe  ich  zu  demselben  Zwecke  für  die  stationären 
Bewegungen  und  Ablenkungen  aus  der  Gleichgewichtslage  die 
Grösse  der  letzteren  in  Bruchtheilen  einer  Umdrehung,  sowie 
als  Maass  für  die  Winkelgeschwindigkeit  die  mittlere  Umlaufs- 
zeit in  Secundeu,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  beide  Bestim- 
mungen nur  ziemlich  roh  vorgenommen  werden  konnten.  Sofern 
die  Ablenkung  aus  der  Gleichgewichtslage  mehr  als  eine  Um- 
drehung betrug,  ist  sie  einfach  als  Rotation  (Rot.)  bezeichnet. 

Diese  Rotationserscheinungen,  die  bei  sehr  kleinen  Drucken 
(unter   0,1  mm   Hg)   und    hinreichenden    Feldstärken   an   den 


542  Ä.  HeydweiUer. 

schlecht  leitenden  Scheiben  zu  beobachten  sind,  können  ent- 
weder längere  Zeit  mit  nahe  gleichförmiger  Geschwindigkeit 
andauern,  bis  die  zunehmende  Torsion  des  Aufhängefadens^ 
sie  verlangsamt,  oder  sie  setzen  bei  grösseren  Feldstärken 
gleich  mit  erheblicher  Beschleunigung  ein,  wobei  die  Rotations- 
geschwindigkeit bald  solche  Werthe  erhalten  kann,  dass  eine 
Bestimmung  kaum  mehr  möglich  ist.  Wegen  der  Gefahr,  dass 
der  Faden  abgedreht  wird,  ist  es  dann  nöthig,  durch  Auf- 
heben des  Feldes  die  Bewegung  bald  wieder  zu  unterbrechen. 
Bei  diesen  beschleunigten  Rotationen  habe  ich  entweder  nur 
den  ungefähren  Anfangswerth  der  Umdrehungszeit  für  die  erste 
Umdrehung,  oder  auch  noch  ihre  Zunahme  für  einige  Um- 
drehungen angegeben. 

Die  Feldstärke  ist  auch  hier  überall  in  elektrostatischen 
C.G.S.-£inheiten  angegeben  und  erhalten  durch  Division  des 
Spannungsunterschiedes  der  Condensatorplatten  in  Volt  durch 
3000  (bei  10  cm  Plattenabstand). 

Von  den  zahlreichen  Beobachtungen  wird  hier  nur  ein 
Theil  wiedergegeben ;  die  anderen  lehren  nichts  wesentlich 
Neues. 

10.  Versuche  mit  Ebonitscheibe,  Halbmesser  a  =  3  cm, 
Dicke 2 &  =  0,041  cm,  Trägheitsmoment  T  =  5,85  g. cm^  Richt- 
kraft der  Aufhängung  0  =  0,0025  für  die  Winkelablenkung  1. 

In  den  folgenden  Tabellen  bedeuten  r  die  Umlaufszeit 
der  rotirenden  Scheibe  in  Secunden,  bez.  bei  schwächeren  Be- 
wegungen 2  n  dividirt  durch  die  ungefähre  mittlere  Winkel- 
geschwindigkeit der  Bewegung,  (o^  die  maximale  Ablenkung 
der  Scheibe  aus  der  Gleichgewichtslage,  also  bei  Hin-  und 
Herbewegung  die  halbe  Amplitude  der  Bewegung;  eine  0  be- 
deutet, dass  die  Bewegung  nicht  merklich  ist;  ist  q?^  >  2  inr,  so 
ist  in  den  Tabellen  kurzweg  Rot.  (Rotation)  angegeben;  ist 
die  Rotation  eine  nahe  gleichförmige,  so  ist  sie  mit  gl.  Rot, 
ist  sie  beschleunigt  mit  b.  Rot.  bezeichnet.  F  ist  die  Feld- 
stärke in  elektrostatischen  C.G.S.- Einheiten,  p  der  Druck  in 
mm  Hg,  t  die  Temperatui*. 

Tab.  5  giebt  zunächst  Beobachtungen  bei  höheren  Drucken 
wieder,  von  Atmosphärendruck  bis  etwa  5  mm,  bei  denen  eine 
stärkere  und  dauernde  Bewegung  nur  durch  periodisch  ab- 
wechselndes Laden  und  Entladen  zu  erzielen  ist. 

1 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde, 


548 


Tabelle  5. 

Ebonit 


760  mm 
15,5« 


n 


P 

t 

F 


126  mm 
19,8« 

n 


,33 
,50 
,73 


0 
0,25 
Rot 


» 


»> 


» 


»» 


» 


0,17 
0,83 
0,57 

1,0 
1,6 
2,2 
3,4 
4,5 


0,25 

0,5 

Rot 


,» 


»> 


» 


>» 


)> 


100 

120 

50 

30 

25 

15 

7 

5 


p  '■ 

=  20  mm 

1        P  = 

■  7,0  mm 

t 

=  19,8« 

f - 

-  19,9« 

F 

^1         , 

71 

F 

n 

r 

0,18 

0,5      100 

0,17 

0,25 

200 

0,87 

Rot       85 

0,37 

Rot 

40 

0,73 

»         25 

0,73 

», 

20 

1,2 

„      n 

1,0 

>» 

15 

1,9 

„         15 

1,9 

i> 

12 

2,5 

„         12 

2,5 

,y 

20 

3,6 

8 

8,7 

0,25 

60 

4,7 

5 

5,8 

0,25 

60 

Tab.  6  giebt  die  Beobachtungen  bei  mittleren  Drucken 
rischen  5  mm  und  0,1  mm,  bei  denen  bei  constanter  Ladung 
r  Condensatorplatten  ein  stationärer  Zustand  eintritt ,  eine 
nstante,  wenn  auch  schwache  Ablenkung  der  Scheibe  aus 
r  Gleichgewichtslage,  die  beim  Entladen  wieder  zurückgeht 
it  übrigens  geringer  Geschwindigkeit,  anfangs  mit  wachsen- 
r  Feldstärke  zunimmt  bis  zu  einem  Maximum,  bei  grösseren 
ddstärken  aber  sehr  schwach,  fast  unmerklich  wird. 


T 

abelle  6. 

Ebonit 

9 

■■  1,7  mm 

P  = 

=  1,3  mm 

P 

s  0,50  mm 

P- 

-  0,136 

mm 

t 

=  19,9« 

t- 

=  22,5 

0 

t 

-  20,5« 

i- 

=  20,5« 

, 

.^t       , 

F 

-?.L 

i 

F 

J^L. 

T 

F 

«1 

i 

n 

n 

n 

71 

3 

0        - 

.^_ 

__ 

0,23 

0,12 

300 

0,18 

0 

8 

0,12    300 

0,40 

0,25 

200 

0,43 

0,12 

300 

0,37 

0 

— 

7 

0,25    120 

0,70 

0,25 

150 

0.70 

0,12 

300 

0,73 

0,12 

200 

0,25    120  . 

1,0 

0,25 

150 

1,2 

0,25 

160 

1,0 

0,12 

180 

0,12    800  , 

1,2 

0,12 

300 

1,9 

0,12 

200 

1,9 

0,12 

180 

1 

1,9 

0,12 

300 

2,5 

<  0,12 

>800 

2,5  > 

<0,12 

>800 

0,12    300 

bU 

bis 

bis 

7,3 

0,12 

300 

7,0 

<0,12 

>800 

7,0 

<0,12 

>800 

"Rndlinh 

brini 

li    T 

ab. 

7    di( 

3   Beol 

»achtur 

Igen 

bei   kleinen 

ucken  unter  0,1  mm,  bei  denen  die  mit  wachsender  Feld- 


544 


A.  Heydweiller. 


stärke  zunehmende  Bewegung  der  Scheibe  im  constanten  Felde 
wieder  sehr  beträchtlich  wird  und  zu  gleichmässigen  oder  be- 
schleunigten Rotationen  führt.  Hierbei  ist  indessen  zu  bel^ 
achten,  dass  diese  auffallenden  Rotationserscheinungen  nicht 
zu  bemerken  sind  bei  erstmaligem  Evacuiren,  wenn  die  Ver- 
bindung erst  kurze  Zeit  bestanden  hat,  vielmehr  erfordert  ihr 


Tabelle 

7. 

Ebonit. 

p  =  0,081  mm 

P  = 

0,013  mm 

p= 

0,011  mm 

P  = 

=  0,0056  mm 

^-15,6« 

t  = 

18,8« 

/= 

:  16,8«» 

t  = 

=  19,5« 

F        — *- 
n 

T 

F 

«1 
n 

X 

F 

71 

r 

F 

TT 

0,50         0 

... 

^_ 

... 

—    0,63 

0,25 

.^ 

0,27 

0,25        60 

0,67    gl.  Rot. 

55 

1,3 

gl.  Rot. 

40  ;  0,87 

0,25 

— 

0,47 

gl.  Rot     80 

*»l       >»      >» 

30 

1,6 

»>    »» 

80  1  1,2 

gl.  Rot 

60 

0,73 

„     „       IS 

1»6           >»          M 

45 

2,0 

»    »» 

30  !  1,5 

»»     ») 

15 

1,0 

1*» 

^»^            »>          1» 

70 

2,8 

»»    >» 

60 

1,9 

M     )» 

30 

1,8 

2>2       „      „ 

60 

2.6 

»    »> 

50 

2,5 

b.  Rot 

7 

1,7 

),      »»         " 

2,5           0 

3,7 

b.  Rot. 

40 

8,6 

»     »» 

3 

2,0 

b.  Rot.   8-5 

3,6         0,25 

200 

4,8 

V        »1 

30 

4,7 

gl.  Rot 

15 

2,7 

„      „      4-8 

5,2         0,25 

80    5,7 

»»      >» 

25     — 

— 

— 

3,8 

gl.  Rot      5 

-    7,3 

»»      » 

20.- 

— 

5,7 

»»      »»         ^ 

1 

•_ 

—  !6,7 

>»      »,         ^ 

p  =  0,0033  mm      p  = 

0,0012  1 

Dom 

P  = 

• 

0,00039  mm  '     p- 

^  0,00012  mm 

t  =  16,7» 

1 

16,7« 

t  = 

18,7« 

t  = 

:21,5« 

F         "» 

71 

r 

F 

6), 
71 

i 

F 

71 

T   .    F 

rr 

0,93         0 

^_ 

__ 

0,67 

0 

- ;  0,40 

0,12       300 

1,2           0 

-!i,o 

0 

— 

1,0 

0 

— 

0,67 

0,25       100 

1,5         0,2  i 

100'  1,5 

0 

— 

1,3 

0,5 

60 

1,10 

0,25         40 

1,9      gl.  Elot. 

40  .  1,9 

0,25 

20 

1,6 

0,5 

20 

2,0 

gl.  Rot      - 

35    2,2 

0,25 

30  i  1,9 

gl.  Rot. 

20 

2,6 

1»      >»         1^ 

2,5      b.  Rot. 

12  1  3,1 

b.  Rot. 

2!  2,6 

»»        n 

10 

3,2 

,,      ,.         10 

3jl              >•           M 

10 

3,6 

j)      j> 

2 

8,1 

»»       » 

10!  3,7 

b.  Rot    8-2 

^»^             1»           » 

2 

4,7 

?>       y> 

l;3,7 

b.  Rot 

1'4,7 

»>       »1        8     1 

^»  *              >»           >J 

l  '  5,7 

??        »' 

1 

5,7 

»»      »» 

<1 

5,7 

9_* 

**'2       „      „ 

2,5 



— 



— 

7,8 

^  1 

ße.wefjte   Kö'rj)er  im  elektrischen  Felde,  545 

Auftreten,  dass  die  Scheibe  tagelang  im  mit  Phosphorpentoxyd 
scharf  getrockneten  Vacuum  gehangen  hat. 

In  früheren  Reihen  habe  ich,  ohne  genauere  Bestimmung 
von  T  und  «j,  die  Beobachtungen  bis  zu  noch  kleineren  Drucken 
(0,000025  mm)  fortgeführt;  es  zeigte  sich  hier  dasselbe  Ver- 
halten, wie  in  den  Beobachtungsreihen  der  Tab.  7;  die  zur 
Erzeugung  einer  merklichen  Bewegung,  einer  gleichmässigen 
und  einer  beschleunigten  Rotation  erforderlichen  Feldstärken 
nehmen  bei  steigender  Verdünnung  ab  bis  zu  einem  Minimum 
und  wachsen  dann  langsam,  aber  stetig,  auch  bis  zum  äussersten 
erreichten  Vacuum. 

Einen  Einfluss  der  Temperatur  zwischen  11  und  22®  habe 
ich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen  können;  derselbe  ist  jeden- 
falls nicht  gross  und  wird  überdeckt  von  den  durch  die  fort- 
schreitende Entfernung  der  adsorbirten  Oberflächenschichten 
bedingten  kleinen  Aenderungen.  Es  darf  dies  als  Beweis  dafür 
aufgefasst  werden,  dass  der  Quecksilberdampf,  dessen  Dichte 
in  dem  angegebenen  Temperaturintervall  um  mehr  als  das 
Doppelte  steigt  und  die  geringsten  erreichten  Luftdichten 
bedeutend  übertriflft,  an  der  Erscheinung  nicht  erheblich  be- 
theiligt ist. 

11.  Versuche  mit  Glimmer-  und  Paraffinscheiben,  Die 
Glimmerscheibe  hat  einen  Halbmesser  a  =  3  cm,  eine  Dicke 
2  Ä  =  0,01  cm,  ein  Trägheitsmoment  T=  2,43  g  cm^  und  eine 
Aufhängung  von  der  Richtkraft  0  =  0,003  pro  Winkelein- 
heit; für  die  Paraffinscheibe  ist  a  =  2,8  cm,  2^  =  0,215  cm, 
T=  18,4  g  cm»,  0  =  0,034. 

Genauere  quantitative  Bestimmungen,  wie  mit  der  Ebonit- 
scheibe, habe  ich  mit  diesen  Scheiben  nicht  gemacht,  da  mir 
grössere  Reihen  mehr  qualitativer  Beobachtungen,  auf  deren 
Wiedergabe  ich  verzichte,  gezeigt  hatten,  dass  die  Erschei- 
nungen sich  nicht  wesentlich  von  den  an  der  Ebonitscheibe 
beobachteten  unterschieden.  Die  geringere  Amplitude  und 
Geschwindigkeit  der  Bewegung  bei  der  Paraffinscheibe  Hess 
sich  auf  die  grösseren  Werthe  von  Richtkraft  und  Trägheits- 
moment zurückführen,  während  ich  nicht  feststellen  konnte, 
dass  die  Unterschiede  des  Leitvermögens  bei  den  drei  Scheiben 
irgend  einen  erkennbaren  Einfluss  gehabt  hätten,  worauf  mein 
Augenmerk  besonders  gerichtet  war. 

Ann.  d.  Phfs.  u.  Cheni.     N.  F.    61».  35 


546 


A.  HeydweUler. 


Die  auflFallenden  ßotationserscheinungen  bei  grosser  Ver- 
dünnung treten  auch  bei  diesen  Scheiben  erst  auf,  nachdem  ^ 
sie  längere  Zeit  im  gut  getrockneten  Vacuum  gehangen  haben," 
dann  aber  in  ganz  ähnlicher  Weise,  wie  bei  der  Ebonitscheibe. 

12.  Versuche  mit  Kupfer sclieibe  vom  Halbmesser  a=3cm, 
der  Dicke    2Ä  =  0,01cm,    dem   Trägheitsmoment   9,08  g  cmV 
der   Richtkraft    der   Aufhängung    0  =  0,0025.      Bei   höheren— 
Drucken    zeigen    die    Versuche   wesentlich   Uebereinstimmun 
mit   den    entsprechenden   für  die  schlecht  leitenden  Scheiben 
Die  Bewegungen,  die  sich  auch  hier  bis  zur  Rotation  steige 
lassen,  haben  impulsiven  Charakter  und  treten  nur  beim 
wechselnden  Laden  und  Entladen  der  Condensatorplatten  anrZ- 
Auch    quantitativ   besteht  die  Uebereinstimmung,    die  Abwei — 
chungen  in  der  Winkelgeschwindigkeit,  welche  die  nachstehend^^ 
Tab.  8,  verglichen  mit  Tab.  5,  für  die  Ebonitscheibe  aufweis 
sind    auf   das    verschiedene    Trägheitsmoment    der    Scheibe; 
zurückzuführen.     Es  steht  dieses  Verhalten  im  Gegensatz 
den  Versuchen  im  rotirenden  Felde,  wo  die  Kupferscheibe  sie 
anders  verhält,  als   die  Ebonitscheibe  und  beweist,  dass  be:m 
letzteren  Versuchen    die   dielektrische  Hysteresis  von  wesent — 
liebem  Einäuss  ist 


Tabe 

lle  8. 

Kupfer. 

p 

=  580  mm 

P 

=  240  mm 

P  = 

=  65  mm 

P 

=  16  mn 

i 

t 

=  19,5» 

t 

=  18,70 

t^ 

=  18,7* 

i 

=  19,0  <> 

F 

J^i_ 

T 

F 

0,,           ^ 

F 

6), 

T 

F 

Wj 

I 

n 

180 

0,20 

TT 

n 

n 

0,63 

0,12 

0           — 

0,20 

0 

0,50 

0 

^m. 

0,83 

Rot. 

70 

1,3 

0,25      60 

0,50 

0,25 

200 

0,83 

0,12 

i6c:3 

1,1 

50 

2,0 

0,75      45 

0,83 

0,5 

120 

1,1 

0,20 

12Cr3 

2,0 

45 

,2,7 

Rot.      22 

1,1 

0,75 

80 

1,4 

0,25 

9Cß 

2,7 

25 

3,8 

„        30 

1,3 

Rot. 

40 

2,1 

0,25 

SCP 

3,8 

12 

4,8 

„        25 

2,0 

32 

3,8 

0,40 

SC? 

4,8 

10 

6,9 

„        20 

2,7 

30 

5,9 

0,40 

so 

5,9 

14 

8,0 

„        15 

3,8 

30 

8,0 

0,40 

so 

6,9 

10 

10,1 

0,75      — 

4,8 

30 

— 

— 

8,0 

15 

starkes  Pendeln 

5,9 

85 

-- 

— 

— 

Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde. 


547 


Uebereinstimmung  besteht  weiter  auch  zwischen  den  Ver- 
suchen mit  der  Kupferscheibe  und  denen  mit  den  schlecht 
leitenden  Scheiben  bei  den  kleineren  Drucken,  zwischen  5  und 
0,1  mm  ungefähr^  soweit  die  Genauigkeit  der  Beobachtungen 
reicht,  die  bei  den  hier  nur  schwachen  Bewegungen  nicht  sehr 
gross  ist.  Sowohl  die  con stauten,  einem  stationären  Zustande 
im  gleich  bleibenden  Felde  entsprechenden  Ausschläge,  wie 
auch  die  Geschwindigkeit,  mit  der  die  neue  Ruhelage  erreicht 
wird  (d.  h.  die  Werthe  von  r)  sind,  wie  die  Tabellen  6  und  9 
zeigen,  in  beiden  Fällen  von  ungefähr  gleicher  Grösse.  Das 
zeigt,  dass  in  beiden  Fällen  die  Scheiben  nur  als  Indicator 
für  die  Bewegung  der  umgebenden  Luft  dienen  (vgl.  unten 
Abschnitt  19). 

Tabelle  9. 

Kupfer. 


p  =  4  mm 

p  =  1  mm 

p  =  0,25 

mm 

p  =  0416  mm 

t  =  18,0«' 

^=18,0 

0 

t  =  18,0° 

^  =21<> 

n 

T 

F 

n 

r 

F        "> 

71 

I 

F       ""^       r 

71 

0,57   0,25 

250 

0,40 

0,25 

180 

0,40   0,25 

240  0,20  0,08  600 

0,83   0,12 

300 

0,77 

0,25 

240 

0,83   0,25 

200;  0,42  0,25  250 

1,1  <0,12 

>300 

1,3 

0,25 

240 

1,3    0,37 

200 

0,80  0,12  500 

2,7    0,25 

160 

2,7 

<0,12 

>300  2,7    0,50 

160  1,20  0,08  700 

4,8   0,25 

180 

4,8 

0,25 

200  4,8   0,37 

200 1  2,0   0,20  300 

6,9    0,37 

240 

6,9 

0,25 

240  6,9  <0,1 

>500  2,8   0,25  250 

9,0  <0,12 

>300 

1 

—    — 

— 

—   —   — 

Völlig  abweichend  sind  dagegen  bei  kleinen  Drucken  unter 
0,1  mm  die  Versuche  mit  der  Kupferscheibe  gegenüber  denen 
mit  den  isolirenden  Scheiben.  Die  hier  auftretenden,  so 
charakteristischen  und  starken  Rotationen  im  constanten  ruhen- 
den Felde  sind  dort  nie  zu  beobachten,  auch  nicht  nach 
monatelangem  Evacuiren.  Die  Bewegung  der  Scheibe  bleibt 
hier  immer  verhältnissmässig  klein  und  unbestimmt,  ihre  Am- 
plitude erreicht  selten  eine  Umdrehung,  nur  tritt  in  stärkeren 
Feldern  regelmässig  ein  starkes  Pendeln  der  Scheibe  auf,  wobei 
diese  häufig  an  die  G4aswand  anstösst  und  dadurch  in  stärkere 
Bewegung  geräth.  Man  darf  daraus  schliessen,  dass  die  Kräfte, 
welche  die  Rotation  der  schlecht  leitenden  Scheiben  bewirken, 


35 


\* 


548 


A.  Heydweiller, 


in  der  Oberfläche  derselben  ihren  Sitz  haben  und  davon  her- 
rühren, dass  die  umgebende  verdünnte  Luft  ein  grösseres  Leit- 
vermögen  besitzt,  als  sie  selbst.  ^ 

Da  diese  Beobachtungen  an  der  Kupferscheibe  ein  ge- 
ringeres Interesse  haben,  so  gebe  ich  in  Tab.  10  nur  wenige 
der  zahlreichen  Versuchsreihen  wieder. 


T 

abelle 

10. 

Kupfer. 

V 

=  0,031 

mm 

p  = 

0,0026  mm 

P 

=  0,00032 

mm 

t 

=  20,5<> 

f  = 

18,0« 

t 

=  18,0<> 

F 

«i 

T 

F 

w, 

T 

F 

*"». 

X 

n 

n 

n 

0,17 

0,08 

>500 

0,40 

0.25 

180 

0,47 

0,25 

280 

0,33 

0,25 

240 

0,83 

0,75 

120 

0,77 

0,25 

120 

0,50 

0,30 

160 

1,1 

0,75 

110 

1,0 

1,0 

90 

1,0 

0,06 

>500 

1,3 

0,75 

80 

1,3 

1,0 

150 

1,3 

0,18 

480 

2,7 

1,0 

20 

2,7 

1,0 

30 

2,7 

0,11 

480 

3,8 

0,37 

30 

3,8 

1,5 

17 

— 

4,8 

0,75 

25 

4,8 

0,75  1 
0,75  j 

starkes 

— 

7,0 

1,0 

30 

7,0 

Pendeln 

VI.  Deutung  der  Versuche  und  die  Leitfähigkeit  der  Ijuft. 

13.  Ich  will  nun  versuchen,  die  vorstehenden  Beobach- 
tungen  an  der  Hand  der  eingangs  erwähnten  Theorie  zu  be- 
handeln. Ich  muss  gleich  betonen,  dass  mir  eine  quantitative 
Durchführung  der  Rechnung  nur  in  einigen  Fällen  gelungen 
ist  und  auch  hier  nur  unter  nicht  unbeträchtlichen  Vernach- 
lässigungen. 

Ich  beginne  mit  den  Versuchen,  bei  denen  die  Verhält- 
nisse am  einfachsten  liegen,  nämlich  den  auf  die  rotirende 
Kupferscheibe  bei  ruhendem  Condensator  bezüglichen.  Ver- 
nachlässigt man  die  Wirkung  der  an  der  äusseren  Begrenzung 
des  Glasgehäuses  auftretenden  Ladungen  auf  die  innere  Luft- 
masse, so  kommen  hier  wesentlich  nur  die  an  der  Grenze 
/.wisclien  dem  Glascylinder  und  der  eingeschlossenen  Luft  in 
Betracht,  da,  wie  schon  erwähnt,  wegen«  der  grossen  Leitfähig- 
keit des  Kupfers  an  diesem  merkliche  Kräfte  nicht  auftreten; 
die  Bewegung  der  Kupferscheibe  kann  also  nur  von  der  Be- 


Bewc<jte  Körper  im  elektrischen  Felde,  549 

wegung  der  umgebenden  Luft  herrühren,  die  sich  durch  Rei- 
bung  auf  sie  überträgt. 
^  Ich  nehme  das  elektrische  Feld  zwischen  den  Condensator- 

platten  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  als  homogen  an,  und  be- 
handle den  eingeschlossenen  Luftcylinder  als  Rotationsellipsoid 
mit  den  Halbaxen  a  und  b\  es  tritt  dann  in  der  von  Schweid- 
ler'schen  Gleichung  (1)  für  das  Drehungsmoment  a^b  an  Stelle 
von  R^  und  r  an  Stelle  von  */,  r,  sodass  dieselbe  wird: 

da)         ^=«^*^v;%i^-,p 

worin  D  das  auf  den  rotirenden  Luftcylinder  wirkende  Drehungs- 
moment bei  der  Feldstärke  F  und  der  ümlaufszeit  r,  A  die 
Leitfähigkeit  des  Glases,  und  X^  diejenige  der  eingeschlossenen 
Luft  ist.  Es  ist  klar,  dass  treibende  Kräfte,  also  eine  Be- 
wegung des  Luftcylinders  bei  ruhendem  Condensator,  nur  mög- 
lich sind,  wenn  X^>  X., 

14.  Es  sei  zunächst  die  Möglichkeit  der  Verstärkung  einer 
kleinen  vorhandenen  Anfangsbewegung  der  Luft  gegen  die  Glas- 
wand erörtert  und  angenommen,  dass  diese  Anfangsbewegungen 
infolge  der  Reibung  so  klein  sind,  dass  4  r^  XI  gross  ist  gegen  1 ; 
dann  erhält  man 

oder,  wenn  an  Stelle  von  r  die  Winkelgeschwindigkeit  dcojdt 
eingeführt  wird: 

1  1     do) 


T 

2n 

dt   ' 

a*  b  F* 

2  71 

■i2i. 

-i, 

d(ü 
dt 

^ 

A 

da 
dt 

2>  = 

Bezeichnen  fenier  T  das  Trägheitsmoment  des  rotirenden 
Luftcylinders  und  7?j  {doy/df)  den  Reibungswiderstand,  den 
er  erfährt,  so  erhält  man  für  die  Winkelbeschleunigung  die 
Gleichung: 

d^a   _  Dx-  Ri  d(ü^ 
dt*    "        T         dt  ' 

Eine    Verstärkung    der   Bewegung    kann   also   nur   eintreten, 
wenn  D^  >  7i*j . 

15.  Der  Reibungscoefficient  B^  setzt  sich  aus  mehreren 
Theilen  zusammen;    zunächst   und   bei  höheren  Drucken  aus- 


► 


•  j 


550  A,  Heydiceiller, 

schliesslich  kommt  die  Reibung  zwischen  Luft  und  Glas  an 
der  Mantelfläche  des  Cylinders  in  Betracht,  und  zwar  kann 
es  sich  hier  nur  um  gleitende  Eeibung  handeln,  da  die  elek-i^ 
trischen  Kräfte  ja  die  Luftschichten  am  Glase  gegen  dieses 
zu  verschieben  suchen ;  dazu  kommt  die  Reibung  an  den  Grund- 
flächen des  Cylinders  und,  solange  nicht  ein  stationärer  Zu- 
stand erreicht  ist,  bei  welchem  die  Kupferscheibe  die  gleiche 
Rotationsgeschvmidigkeit  wie  die  Luft  besitzt,  die  Reibung 
an  dieser;  für  letztere  beiden  Theile  ist,  abgesehen  von  grossen 
Verdünnungen,  die  innere  Reibung  der  Luft  die  maassgebende 
Grösse. 

Bezeichnet  man  mit  6  den  Coefficienten  der  gleitenden 
Reibung,  so  ergiebt  sich  der  erste  Theil  der  Reibung  als  das 
Product  der  Reibungsfläche  und  Gleitgeschwindigkeit  mit  %  zu 

11  aha  — .—  ^2ncrhi 


dt  dt 

Die  Reibung  an  der  Kupferscheibe  kann  man  unter  Ver- 
nachlässigung des  sehr  kleinen  am  äusseren  Umfange ,  dem 
Rande,  wirkenden  Theiles  mit  ziemlicher  Annäherung  gleich 
setzen  dem  Drehungsmoment,  das  auf  ein  Rotationsellipsoid 
in  einer  unendlichen  Flüssigkeit  wirken  muss,  um  es  in  con- 
stanter  Rotation  zu  erhalten.  Für  dieses  hat  man  nach 
G.  Kirchhoff^)  die  Grösse 

16  d(ü  1  32        rf  w      .  roj  -  6?  \Vt 

-3-^^  rf^-— 00 =  s-'^-dT<[-~är) ' 

r        _dx 

J    W-^kyVbi-^x 
0 

worin  17  den  Reibungscoefficienten  der  Flüssigkeit,  und  a^  und  i^ 
die  beiden  Halbaxen  des  Rotationsellipsoides  bedeuten. 

Ist,  wie  im  vorliegenden  Fall,  b]  zu  vernachlässigen  gegen 


a\,   so  erhält  man  einfach 


32         .  d  (ü 


Für  die  Reibung  an  den  Grundflächen  des  Luftcylinders 
kann  man  annähernd  den  gleichen  Ausdruck  setzen,  wenn  man 


1)  G.  Kirchhoff,  Mechanik  p.  379.  Leipzig  1876. 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  551 

darin  den  Radius  a^  der  Scheibe  durch  den  des  Luftcylinders  a 
ersetzt,  also 

W  S2         .   d(ü 

3     '         dt 

Die  gesammte  Reibung  wird  also 

und  der  Factor  von  dcojdt  ist  das  oben  eingeführte  E^. 

16.  Es  ergiebt  sich  also  als  Bedingung  für  den  Eintritt 
einer  Beschleunigung  der  vorhandenen  Bewegung  die  Un- 
gleichung: 

2  71       (2  ia  +  ;..)*  "^  \        ^     3     '   6   V    ^    a«  y 

oder 

und  für  den  Fall^  dass  X^  gegen  ?.^  zu  vernachlässigen 

a  <J'- L 

«  ^    16n  32       - 


TT  6  +  -  -  1/ 


Für  die  numerische  Berechnung  setze  ich: 
V=  1,80.10-*  [C.G.S]  bei  18«'), 

wenn  p  den  Luftdruck^  im  Innern  des  Glascylinders  in  Milli- 
metern Quecksilber  bedeutet,  den  Radius  des  Glascylinders 
a  =  3,5  cm,  den  Radius  der  Kupferscheibe  «^  =  3  cm  und  die 
halbe  Höhe  b  des  Cy linders,  soweit  er  im  elektrischen  Felde 
liegt,  gleich  dem  Radius  der  Condensatorplatten,  also  b  =  l  cm. 
Daraus  folgt 

K  <  -ir^rrr^— o-ir.  .w  0-  [C.G.S.  el.-stat.l. 

«         9,05  (413  p +  8,7)  10- 3    '-  -^ 


1)  Vgl.  0.  E.  Meyer,  Kinetische  Theorie  der  Gase,  2.  Aufl.  p.  190 
und  p.  221.  Breslau  1899. 

2)  l.  c.  p.  211. 


552  A.  Heydweiller, 

Nun  ergab  sich  bei  p^b^O  schon  eine  merkliche  Verstärknng 
der  Bewegung  für  J^=  0,63  (vgl,  Tab.  8),  mithin  muss 

sein.  Das  ist  in  Uebereinstimmung  mit  weiter  folgenden  Be- 
rechnungen, welche  die  elektrostatisch  gemessene  Leitfähig- 
keit des  Glascylinders  von  der  Grössenordnung  10"*  ergeben 
(Abschnitt  19). 

17.  Die  in  Abschnitt  14  eingeführte  Bedingung:  4T*ii 
gross  gegen  1,  setzt  voraus,  dass  jedenfalls  r  >  3000  sec,  damit 
die  Differentialgleichung 

dt*  "       T    ~  dt 
noch  gültig  sei. 

Das  Integral  derselben  ist 


=  A  ^'"■^^ 


dt  1       T 


e 


T 


wo   Jj    eine   Integrationsconstante,    die    durch    die   Anfangs- 
geschwindigkeit bestimmt  ist. 

Aus  den  obigen  Angaben  ergiebt  sich 


also  für  A„=  10-4  und  Ä.=  0:  D^  =  3,41 .10*  F*, 

Äi  =  0,031(413^9 +  8,7), 
also  für  p  =  760:  F^  =  9,7.10», 

y=  0,00332.  ;>, 
also  für  ;?  =  760:  r=  4. 

Es  wird  also  für  Werthe  von  F>  »/^  etwa  (i?i-Äi)/r 
mindestens  von  der  Grössenordnung  10*,  sodass  mithin  mini- 
male x\nfangsbewegungen  rapid  verstärkt  werden,  und  r  in 
kleinsten  Bruchtheileu  einer  Secunde  von  sehr  grossen  Werthen 
auf  Werthe  sinken  muss,  für  die  4t^Aj  nicht  gross  gegen  l 
ist.  Die  im  Vorstehenden  behandelten  Kräfte  werden  daher 
in   dieser  Weise  immer  nur  sehr  kurze  Zeit   impulsiv  wirken. 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  553 

18.  Wir  wollen  weiter  den  Fall  ins  Auge  fassen,  dass 
a  durch  eine  solche  impulsive  Wirkung  r  Werthe  erlangt 
16,  für  welche  4  r^  A«  klein  ist  gegen  1 . 

Es  wird  dann  das  Drehungsmoment  der  elektrischen  Kräfte 

dl  d  t 

I  an  Stelle   der   obigen   Dififerentialgleichung   für   die   Be- 
|[ung  des  Luftcylinders  tritt  die  andere 

cPw  _  Z>,  _i ^^^ 

dt 
m  Integral 


/d  wV  ^ 
[dtj  - 


2Ä1 


^3^        ^        + 


worin  wiederum  A^  eine  durch  den  Werth  von  diojdt 
^  =  0  zu  bestimmende  Integrationsconstante  ist.  In  diesem 
.  nähert  sich  also  die  Bewegung  mehr  oder  weniger  schnell 
rn  stationären  Endzustand,  für  den  die  Winkelgeschwindigkeit 


Die  Geschwindigkeit,  mit  der  dieser  stationäre  Endzustand 
acht  wird,    hängt   von   dem   Verhältniss   R^jT  ab  und  ist 

Drucken  bis  zu  0,1  mm  hinunter,  bei  denen  die  gleitende 
bung  an  der  Mantelfläche  des  Cylinders  die  übrigen  Theile 

Beibung  beträchtlich  überwiegt,  nahe  unabhängig  vom 
ftdruck  und  sehr  gross,  da  bei  Vernachlässigung  von  8,7 
;en  418/>  nach  obigem 


Ferner  ist 


folgt  daraus 


2^=  7710 
D,^b,AAO^F^C^.^-l,)', 

2 71  _     jix^  __    \^2  F  \'\^  h 


_     4,77.10"- 1/413/; +  8,7 


554  A,  Heydweiller. 

Für  A^=  10-*,  A.  =  0  ergiebt  das: 

Mithin  für  F=  1  und 

p  =      580  240  65  16 

T  =     2400  1500  800  400  sec 

ungefähr,  d.  h.  die  zu  Stande  kommenden  stationären  Be- 
wegungen sind  unter  diesen  Verhältnissen  kaum  merklich,  sie 
werden  es  erst  bei  kleineren  Drucken  oder  grösseren  Feld- 
stärken. 

Dagegen  wird  in  den  obigen  Fällen  folgendes  eintreten 
Bei  jedem  Erregen  des  elektrischen  Feldes  erfahren  die  an 
der  Glaswand  liegenden  Luftschichten  bei  ganz  minimalen 
vorhandenen  Bewegungen  kräftige  impulsive  Anstösse,  die  zwar 
fast  augenblicklich,  wie  wir  sahen,  stark  gedämpft  werden,  sich 
aber  doch  auf  die  nächstliegenden  inneren  Luftdichten  über- 
tragen werden.  Bei  diesen  wird  die  Bewegung  nun  nicht 
mehr  durch  die  gleitende  Reibung  an  der  Wand,  sondern  durch 
die  bei  höheren  Drucken  weit  kleinere  innere  Reibung  der 
Luft  gedämpft  Indem  man  nun  die  Impulsivstösse  durch 
periodisches  Erregen  und  Vernichten  des  elektrischen  Feldes 
in  geeigneten  Zwischenräumen  wiederholt,  wird  man  allmählich 
die  ganze  Luftmasse  in  beträchtliche  Bewegung  versetzen  können, 
die  sich  auch  auf  die  Kupferscheibe  überträgt.  Das  entspricht 
aber  vollständig  den  bei  höheren  Drucken  mit  der  Kupfer- 
scheibe ebenso,  wie  mit  den  übrigen  Scheiben  gemachten  Er- 
fahrungen (vgl.  Abschnitt  9 — 12).  Freilich  müsste  man  nach 
den  obigen  Entwickelungen  bei  hinreichend  gesteigerter  Feld- 
stärke immer  auch  eine  merkliche  stationäre  Bewegung  er- 
halten können;  dass  dies  in  Wirklichkeit  nicht  der  Fall  ist, 
deutet  darauf  hin,  dass  mit  wachsender  Feldstärke  die  Leit- 
fähigkeit der  Luft  bis  zu  Werthen  steigt,  die  mit  der  des 
Glases  vergleichbar  werden,  sodass  in  dem  Nenner  des  letzten 
Ausdruckes  für  r  mit  dem  Wachsen  des  einen  Factors  F  eine 
Abnahme  des  anderen  "[/Ä^  — Ä,.  verbunden  ist.  Wir  werden 
weiterhin  diese  Vermuthung  für  kleinere  Drucke  bestätigt  finden. 

19.  Eine  stationäre  Rotation  der  ganzen  Luftmasse  mit 
merklicher  Geschwindigkeit  kommt  erst  zu  Stande,  wenn  mit 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde.  555 

abnehmendem  Luftdruck   auch   die   gleitende  Eeibung   soweit 
gesunken  ist,  dass  der  Zähler  in  dem  vorstehenden  Ausdruck 
*  für  T  von  massiger  Grösse  ist 

Es  erfährt  dann  die  Kupferscheibe  eine  constante  Drehung 
aus  der  Gleichgewichtslage,  die  in  einem  angebbaren  Zu- 
sammenhang mit  der  Drehungsgeschwindigkeit  der  umgebenden 
Luft,  der  Reibung  und  der  Richtkraft  der  Aufhängung  steht. 
Denn  es  ist,  wie  oben  (p.  550)  erwähnt,  nach  G.  Kirchhoff 
das  Drehungsmoment  das  auf  die  Scheibe  wirken  muss  um 
sie  in  constanter  Rotation  in  der  Luft  zu  erhalten: 

32         *  d(jii 

2    '    »   dt 

Wird  nicht  die  Scheibe,  sondern  die  Luft  bewegt,  so  bleibt 
erstere  in  Ruhe,  wenn  dieses  Drehungsmoment  gleich  ist  der 
Richtkraft  der  Aufhängung;  also  wenn  0  die  letztere  flir  den 
Drehungswinkel  1,  so  wird: 

0  32        jL  dti 

oder  wenn  wieder  r  die  Umlaufszeit,  also  d(ojdt=2nJT 

64  TT  Jy  «5  41,0  71 

da  17  =  1,8  .  10-^  und  für  die  Kupferscheibe  0  =  2,5  .  10-»  ist. 
Diese  Gleichung  kann  dazu  dienen,  co  aus  r  oder  umgekehrt 
zu  berechnen;  ich  habe  das  erstere  vorgezogen,  da  die  Beob- 
achtungen die  T  mit  etwas  grösserer  Genauigkeit  ergaben  als 
die  €0.  Vorausgesetzt  ist  allerdings,  dass  bei  langsamer  Be- 
wegung die  Scheibe  der  Rotation  der  Luft  in  ungefähr  gleichem 
Tempo  folgt,  was  bei  grösserem  Trägheitsmoment  der  Scheibe 
nicht  mehr  der  Fall  sein  wird.  Die  ziemliche  Uebereinstimmung 
zwischen  den  beobachteten  und  den  aus  t  berechneten  w- Werthen 
(vgl.  Tab.  11)  spricht  für  die  annähernde  Richtigkeit  dieser 
Annahme  bei  der  Kupferscheibe.  Dies  vorausgesetzt  lässt  sich 
dann  aus  den  an  der  Scheibe  beobachteten  Werthen  von  r 
die  DiflFerenz  X^  —  \  nach  der  oben  abgeleiteten  Gleichung 

2         2   —    2,27.10-3(413;?  + 8,7) 

berechnen. 

Indessen  ist  diese  Formel  nur  in  einem  begrenzten  Inter- 
vall anwendbar,  da  bei  höheren  Drucken  der  Luft  eine  merk- 


550 


Ä.  HeydweiUer, 


liehe    stationäre   Bewegung,    wie    erwähnt,    nicht   zu    Stande 
kommt  und  bei  niederen  Drucken  über  die  innere  und  äussere 
Eeibung   der  Luft,    die   in  jene  Formel   eintreten,    zu  wenig* 
sicheres  bekannt  ist. 

Ich  habe  sie  daher  nur  zwischen  />  =  4  mm  und  0,1  mm  Hg 
zur  Berechnung  verwerthet  und  dieselbe  in  der  folgenden 
Tab.  11  zusammengestellt 


Tabelle  11. 

Kupfer. 


üi. 


n 


beob.      ber. 


Afl  kl 


F 


beob.      ber 


Afi         ki 


P  = 

4  mm 

P  = 

1  mm 

0,57 

250 

0,25 

0,17 

18,6  .10-5  0,40 

180 

0,25 

0,23 

18,1  .10-5 

0,83 

300 

0,12   0,14 

6,1  .10-5  0,77 

240 

0,25 

0,17 

^   2,7  .10-5 

1,1 

>300 

<0,12  <0,14 

<  3,4  10 -5  1  1,3 

240 

0,25 

0,17 

0,96.10-' 

2,7 

160 

0,25 

0,26 

2,0  .10-5  2,7 

>300 

<0,12 

<0,14 

<  0,14.10-5 

4,8 

180 

0,25   0,23 

0,50.10-5  4,8 

200 

0,25 

0,21 

0,10.10-5 

6,9 

240 

0,37   0,17 

0,14.10-5  6,9 

240 

0,25 

0,17 

0,03.10-5 

9,0 

800 

<0,12|<0,14 
p  =  0,25  mm 

<  0,05.10-5! 

p  =  0 

,116  mi 

n 

0,40 

240 

0,25 

0,17 

2,8  .10-5  0,20 

600 

0,08 

0,07 

0,94.10-5 

0,83 

200 

0,25 

0,21 

0,92  .10-5'  0,42 

250 

0,25 

0,17 

1,20.10-5 

1,3 

200 

0,37:  0,21 

0,38  .10 -5;!  0,80 

500 

0,12 

0,08 

0,08.10-5 

2,7 

160 

0,50   0,26 

0,14  .10-5'  1,20 

700 

0,08 

0,06 

0,02.10-5 

4,8 

200 

0,37   0,21 

0,03  .10-5  2,0 

300 

0.20 

0,14 

0,04.10-5 

6,9 

>500 

<0,1 

<0,08 

<  0,002. 10 -5 

2,8 

250 

0,25 

0,17 

0,03.10-5 

Es  geht  daraus  hervor,  dass  a^  —  X^  sowohl  mit  wachsender 
Feldstärke  bei  gleichem  Luftdruck,  wie  mit  abnehmender 
Dichte  der  Luft  bei  gleicher  Feldstäi-ke  abnimmt.  Da  in 
letzterem  Falle  X^,  die  Leitfähigkeit  des  Glases,  constant  bleibt, 
so  muss  die  Leitfähigkeit  der  Luft  mit  abnehmendem  Druck 
zwischen  4  und  0,1  mm  wachsen.  Ob  die  Leitfähigkeit  des 
Glases  von  der  Feldstärke  unabhängig  ist,  lässt  sich  nicht  mit 
Sicherheit  sagen,  vielmehr  lässt  sich  vermuthen,  dass  sie  mit 
wachsender    Feldstärke,    wie    auch    bei    anderen    schlechten 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde.  557 

Leitern,  etwas  zunimmt  ^)y  sodass  jedenfalls  X^  die  Leitfähigkeit 
der  Luft  mit  wachsender  Feldstärke  erheblich  zunimmt  und 
die  Leitfähigkeit  des  Glases  nicht  nur  erreichen,  sondern  auch 
übertreflFen  wird.  Hierfür  spricht  die  Abnahme  der  treibenden 
Kräfte  mit  wachsender  Feldstärke  und  ihr  Uebergang  in 
hemmende,  wie  die  Versuche  mit  rotirendem  Condensator 
lehren.  Die  grössten  berechneten  Werthe  für  A^  —  X^  sind  etwa 
1,8  .  10-*  in  den  obigen  Versuchsreihen  bei  />  >  1  mm,  F<  0,6 
und  fallen  somit  nahe  zusammen  mit  dem  oben  (p.  552)  als  obere 
Grenze  für  die  Leitfähigkeit  des  Glases  gefundenen  Werthe 
(1,8.10"*).  Es  scheint  also,  dass  bei  diesen  Drucken  und 
Feldstärken  die  Leitfähigkeit  X^  der  Luft  noch  erheblich  unter 
diesem  Werthe  liegt,  aber  dann  mit  wachsender  Feldstärke 
schnell  und  beträchtlich  ansteigt. 

20.  Bestätigt  wird  dieses  Verhalten  durch  die  Versuche 
mit  rotirendem  Condensator  und  Eupferscheibe  (Abschnitt  8, 
Tab.  4).  Bei  diesen  tritt  der  Uebergang  von  treibenden  zu 
hemmenden  Kräften  auf  die  innere  Luftmasse  bei  wachsender 
Feldstärke  deutlich  hervor.  Eine  genauere  quantitative  Be- 
rechnung ist  in  diesem  Falle  freilich  nicht  mehr  möglich,  ab- 
gesehen davon,  dass  die  Theorie  dadurch  verwickelter  wird, 
dass  hier  die  beiden  aneinander  grenzenden  Medien  eine  relative 
Bewegung  zum  elektrischen  Felde  mit  verschiedener  Ge- 
schwindigkeit besitzen,  kommt  hierdurch  auch  —  im  Gegensatz 
zum  vorigen  Fall  —  die  dielektrische  Hysteresis  des  Glases 
zur  Wirkung  und  überdeckt  die  von  der  Leitfähigkeit  her- 
rührenden Kräfte.  Diese  Wirkung  der  Hysteresis  ist  derart, 
dass  die  Leitfähigkeit  des  Glases-  eine  scheinbare  Vergrösserung 
erfährt,  und  es  entspricht  daher  der  Uebergang  von  treibenden 
zu  hemmenden  Kräften  nicht  dem  Falle  ij  — A^,  wie  es  ohne 
Hysteresis  wäre,  sondern  bereits  einem  üeberwiegen  der  Leit- 
fähigkeit der  Luft  über  die  des  Glases. 

Man  hat  dann  zu  erwarten,  dass  im  ruhenden  Felde  bei 
den  entsprechenden  und  höheren  Spannungen  keine  Bewegung 
der  eingeschlossenen  Luft  mehr  auftritt.  Wenn  trotzdem  nach 
Ausweis  der  Tab.  1 1  noch  solche  —  übrigens  sehr  schwache  — 
Bewegungen  beobachtet  wurden,  so  liegt  das  wohl  daran,  dass 


1)  Vgl.  z.  B.  W.  Leick,  Wied.  Ann.  66.  p.  1107.  1898. 


558  A,  Heydweiller. 

die    Beobachtungen   mit   abwechselnden    Ladungen   und  Ent- 
ladungen angestellt  wurden,  und  hierbei  auch  die  niedrigere». 
Spannungswerthe  durchlaufen  werden,  bei  denen,  wegen  l.<ijP 
noch  treibende  Kräfte  auftreten. 

Aus  der  vorstehenden  Tab.  11,  der  weiter  folgenden  mi't 
der  Ebonitscheibe  und .  anderen  nicht  mitgetheilten  schUessc 
ich,  dass  die  Luft  etwa  bei  den  folgenden  zusammengehörigen 
Werthen  des  Druckes  p  und  der  Feldstärke  F  die  LeitCÜiig- 
keit  des  Glases  (2. 10~*  el.-stat.)  erreicht: 

p  =  4        2        1       0,5       0,25       0,12  mm  Hg 

i^  =  7      4,5      3        2       1,5  1     C.G.S.-Einh.  el.-stat 

21.  Ich  gehe  über  zu  den  Fer suchen  mit  der  Ebonitscheiie, 
zunächst  denen  bei  grösseren  Drucken  bis  etwa  5  mm  hinunter 
(Tab.  5).  Dieselben  zeigen  nicht  nur  qualitativ,  sondern  auci 
quantitativ  grosse  Uebereinstimmung  mit  den  entsprechenden 
Beobachtungen  an  der  Kupferscheibe.  Wir  haben  dieselben 
ruckweisen  und  schnell  gedämpften  Bewegungen,  die  nur  darcb 
abwechselndes  Laden  und  Entladen  zu  verstärken  sind  und 
die  auf  starke  impulsive  Anstösse  hinweisen. 

Auch  erfolgt  das  Auftreten  stärkerer  Bewegung  und  von 
Rotation  unter  sonst  gleichen  Umständen  bei  annähernd  den- 
selben  Feldstärken.  Unterschiede,  die  hier  auftreten,  finden 
sich  auch  bei  verschiedenen  Beobachtungen  mit  derselben 
Scheibe  und  sind  auf  mehrfache  Umstände,  z.  B.  verschieden 
gute  Entfernung  absorbirter  Schichten  von  der  Glaswand,  zurück- 
zuführen. 

Alles  in  Allem  lassen  die  Versuche  keinen  Zweifel,  dass 
wir  es  hier  bei  der  Ebonitscheibe  mit  Kräften  der  gleichen 
Art,  wie  bei  der  Kupferscheibe,  zu  thun  haben,  die  ihren  Siti 
in  der  Grenze  zwischen  Glas  und  Luft  haben.  Dass  bei  den 
höheren  Drucken  die  Kräfte  an  der  Grenze  zwischen  Luft  und 
Ebonit  nicht  zur  Geltung  kommen,  liegt  an  der  Grösse  der 
äusseren  Reibung,  die  das  Zustandekommen  einer  merklichen 
Verschiebung  der  Luftschichten  gegen  die  fast  ebenso  leicht 
bewegliche  Ebonitscheibe  verhindert,  auch  wenn  eine  solche 
an  der  feststehenden  Glaswand  noch  möglich  ist. 

22.  Auch  bei  Drucken  zwischen  5  mm  und  Yio  ™^  zeigen 
die  Versuchsreihen    mit    Ebonit-    und    Kupferscheibe   (Tab.  6 

I 


Bewegte  KÖrpe?*  im  elektrischen  Felde, 


559 


und  9)  im  Ganzen  noch  ziemliche  Uebereinstimmung,  soweit 
das  bei  der  geringen  Genauigkeit  in  der  Bestimmung  der  hier 
auftretenden  schwachen  Bewegungen  zu  erwarten  ist.  Die  Er- 
scheinung hat  in  beiden  Fällen  denselben  Charakter,  an  Stelle 
der  impulsiven  Anstösse  bei  altemirenden  Ladungen  tritt  der 
stationäre  Zustand,  der  eine  Ablenkung  der  Scheibe  aus  der 
Gleichgewichtslage  auch  bei  constanter  Ladung  des  Conden- 
sators  ergiebt.  Man  kann  daher  die  Versuchsreihen  mit  der 
Ebonitscheibe  innerhalb  der  obigen  Druckgrenzen  einer  gleichen 
Berechnung  unterziehen,  wie  die  mit  der  Kupferscheibe  (Ab- 
schnitt 19),  die  nachstehende  Tab.  12  enthält  das  Ergeb- 
niss  dieser  Berechnung. 


Tabelle  12. 

Ebonit. 


F 


w. 


71 


beob.  !    ber. 


Afl        A^ 


F 


(X)t 


n 


beob.      ber 


Xa  —  A< 


p  =  1,7  mm 


p  =  1,3  mm 


0,33 

300 

0,12 

0,14 

0,67 

120 

0,25 

0,34  i 

1,0 

120 

0,25 

0,34 

1,2 

800 

0,12 

0,14 

2,7 

300 

0,12 

0,14 

5,8 

300 

0,12 

0,14 

16,5   .10-0    0,40 


25,2    .10-5 

11,2    .10-6 

1,27.10-5 

0,25.10-0 

0,05.15-6 


p  =  0,50  mm 


0,23 

300 

0,12 

0,14 

0,43 

300 

0,12 

0,14 

0,70 

300 

0,12 

0,14 

1,2 

160 

0,25 

0,26 

1,9 

200 

0,12 

0,21 

2,5 

>300 

<0,12 

<0,14i 

7,0 

>300 

<0,12 

<0,14' 

10,3  .10-5 
2,9  .10-5 
1,1  .10-5 
1,3  .10-5 
0,34.10-5 
<  0,09.10-6 


0,70 
1,0 

1,2 
1,9 
2,7 
7,3 


200 

0,25 

0,21  ' 

150 

0,25 

0,28; 

150 

0,25 

0,28 

300 

0,12 

0.14 

800 

0,12 

0,14 

300 

0,12 

0,14 

800 

0,12 

0,14 

19,4  .10-6 
11,2  .10-6 
5,0  .10-6 
0,96.10-6 
0,38.10-6 
0,19.10-6 
0,03.10-6 


p  =  0,136  mm 


0,73 

200 

0,12 

0,21 

1,0 

180 

0,12 

0,23 

1,9 

180 

0,12 

0,23 

2,5 

>300 

<0,12 

<0,14 

7,0 

>300 

<0,12 

<0,14 

0,67    .10-6 

0,44   .10-6 

0,12    .10-6 

<0,02   .10-6 

<  0,003. 10 -6 


lfm 


23.  Wesentlich  andere  Erscheinungen,  als  die  Kupfer- 
scheibe, weist  die  Ebonitscheibe  erst  bei  sehr  kleinen  Drucken 
der  umgebenden  Luft  unterhalb  i/g^  mm  auf,  ein  Beweis,  dass 
jetzt   bei    hinreichender  Abnahme   der   äusseren  Reibung   die 


j 


560  A,  Heydweiller, 

Kräfte  an  der  Grenze  von  Luft  und  Ebonit  zur  Wirkung 
kommen,  und  zwar  erst  dann,  nachdem  durch  mehrtägig« 
Evacuiren  und  Verbindung  mit  dem  scharf  getrockneten  Raoir 
der  Luftpumpe  die  letzten  Spuren  adsorbirter  Feuchtigkeits- 
schichten von  der  Ebonitscheibe  entfernt  sind. 

Es  treten  dann  bei  genügender  Stärke  des  ruhenden 
Feldes  treibende  Kräfte  auf,  die  zunächst  eine  schwache  Be> 
wegung,  dann  mit  wachsender  Feldstärke  eine  ziemlich  gleich- 
massige  Rotation  der  Scheibe  hervorrufen,  die  bei  einem 
gewissen  Werth  der  Feldstärke  in  eine  stark  beschleunigte 
Rotation  tibergeht. 

Die  Theorie  giebt  von  diesen  Erscheinungen  Rechenschaft, 
wenn  wir  annehmen,  dass  erstens  das  Leitvermögen  der  Luft 
bei  diesen  Verdünnungsgraden  und  Feldstärken  das  der  gnt 
getrockneten  Ebonitscheibe  übertrifft,  und  dass  es  zweitens, 
wie  auch  bei  höheren  Drucken  (vgl.  Abschn.  19),  mit  wachsender 
Feldstärke  stark  ansteigt. 

unter  Benutzung  der  früheren  Bezeichnungen  (p.  549  ft) 
erhalten  wir  nämlich  als  Differentialgleichung  für  die  Bewegung 
der  Ebonitscheibe  in  diesem  Falle  eine  Gleichung  von  der  Form: 

da 

^^  a¥^~f       ~      (d(üY  T     dt  f^' 

worin  iJj,  c  und  R^  gewisse  Constanten  sind,  von  denen  die 
letztere  durch  die  äussere  Reibung  der  verdünnten  Luft  an 
der  Ebonitscheibe  bestimmt  ist.  Die  vollständige  rechnerische 
Verwerthung  dieser  Gleichung  scheitert,  abgesehen  von  Inte- 
grationsscbwierigkeiten,  an  unserer  Unkenntniss  bezüglich  der 
Gasreibung  bei  so  niederen  Drucken.  Indessen  lässt  sie  sich 
doch  zu  einigen  Schlussfolgerungeu  verwenden. 

Zunächst  ergiebt  sich,  dass  eine  nahezu  stationäre  Be- 
wegung (gleichmässige  Rotation)  möglich  ist,  wenn  das  dritte 
Glied  der  rechten  Seite  klein  ist,  also  für  eine  geringe  Richt- 
kraft und  nicht  zu  grosse  Torsion  der  Aufhängung.  Bei  Ver- 
nachlässigung dieses  Gliedes  wird  cP«/rf^  =  0  für 

1 a'I^o 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  561 

Da  treibende  Kräfte  nur  auftreten,  wenn  dcj/dt^Oj  so 
folgt  daraus 

Dieser  nahe  stationäre  Zustand  kann  beständig  sein,  er 
kann  aber  auch  gewissermaassen  labil  werden,  insofern  jede 
kleine  Abweichung  sich  selbstthätig  vergrössert. 

So  lange  c{d(üldt)^  gross  ist  gegen  1  entspricht  nämlich 
einer  Zunahme  von  dtojdt  eine  Abnahme  von  d^co/dfi,  da 
das  erste  positive  Glied  in  dem  Ausdruck  für  diese  Grösse 
abnimmt,  das  zweite  negative  zunimmt;  von  dem  stationären 
Zustand  aus  wird  also  jede  Zunahme  von  dcojdt  eine  negative 
Beschleunigung  und  ebenso  einer  Abnahme  von  dco/dt  eine 
positive  Beschleunigung  entsprechen. 

In  der  That  zeigen  die  Beobachtungen  unter  Umständen 
eine  nahezu  gleichförmige  Winkelgeschwindigkeit,  so  lange 
nicht  ck>  beträchtliche  Werthe  (ein  grösseres  Vielfaches  von  n) 
erreicht  hat.  Der  entsprechende  Werth  für  die  Winkel- 
geschwindigkeit ist  von  der  Leitfähigkeit  der  Luft  abhängig, 
aber  die  Beziehung  ist  keine  ganz  einfache.  Für  den  statio- 
nären Zustand  ergiebt  sich  nämlich  nach  früheren  Entwicke- 
lungen: 

(7)  l.  =  4n\2l^  +  X,)\ 

worin  jetzt  k^  die  Leitfähigkeit  der  Luft,  A^  die  der  Ebonit- 
scheibe, a^  und  b^  Halbmesser  und  halbe  Dicke  der  letzteren. 
Nur  wenn  B^  klein  ist  gegen  B^,  wird  das  constante  dcojdt 
annähernd  proportional  ]/A^  —  X^ ;  die  Beobachtungen  lassen 
aber  erkennen,  dass  das  unter  den  gegebenen  Umständen  nicht 
der  Fall  ist. 

Das  erste  Glied  in  dem  Ausdruck  (4)  für  die  Winkel- 
beschleunigung d^cüjdfi  hat  nun  aber  ein  Maximum  für 

Ist  dieser  Werth  für  den  durch  Gleichung  (5)  gegebenen 
stationären  Zustand  noch  nicht  erreicht,  so  kann  nach  Glei- 
chung  (4)   einem   wachsenden    dcojdt  eine    positive   Winkel- 

▲oii.  d.  PUjs.  u.  Gliom.  N.  V.    Ü9.  iiO 


562 


A.  HeydweiUer, 


beschleunigung  entsprechen^  da  das  erste  Glied  in  dem  Aus- 
druck (4)  stärker  wachsen  kann,  als  das  zweite  und  dritte 
zusammen.  Dann  ist  der  durch  (5)  charakterisirte  Zuständig 
ein  labiler,  der  bei  der  kleinsten  Vermehrung  der  Winkel- 
geschwindigkeit in  eine  stark  beschleunigte  Bewegung  über- 
gehen muss. 

Augenscheinlich  entspricht  dieser  Fall  dem  in  fast  sämmt- 
lichen  Beobachtungsreihen  (Tab.  7)  verzeichneten  ziemlich 
plötzlichen  Uebergang  von  einer  nahe  gleichmässigen  in  eine 
stark  beschleunigte  Eotation  bei  steigender  Feldstärke. 

Dieser  Umstand  giebt  wieder  ein  Mittel,  die  Grössen- 
ordnung  für  die  Leitfähigkeit  X^  der  Luft  bei  den  Verdünnungs- 
graden und  Feldstärken,  die  diesem  Uebergang  entsprechen, 
und  die  nachstehend  in  Tab.  13  zusammengestellt  sind,  zu 
bestimmen. 

Tabelle  13. 

F  Feldstärke  C.G.S.-Einh.  (el.-stat.),  p  Luftdruck  in  mm  Hg  für  den  Ueber- 
gang ans  gleichmässiger  zu  beschleunigter  Rotation  der  Ebonitscheibe. 


F 
P 


>  5,0        3,3 
0,08      0,013 


2,5  2.0 

0,010  I  0,005 


2,5 
0,003 


3,0 
0,001 


3,3 


3,7 


0,0004      0,0001 


Es   muss   nämlich   für   diese  Werthe  von  F  und  p  nach 
dem  Vorgesagten 

oder 

1     d(o         Xi 


^«  ^  in    dt 


sein. 


2n         -1 

—  sec 

10 


Nun  ist  aber  der  Werth  der  Winkelgeschwindigkeit,  mit 
dem  die  beschleunigte  Rotation  einsetzt,  im  Durchschnitt  etwa 

d(a 
~dt    ' 

und  ferner  ist  nach  Ayrton  und  Perry  ^)  X^  die  Leitfähig- 
keit des  Ebonits  in  elektrostatischem  Maasse  etwa  von  der 
Grössenordnung  10-^,  also  hier  zu  vernachlässigen,   mithin 

1 

K  >    20  ' 


1)  W.E.  Ayrton  u.  J.  Perry,  Proc.  Roy.  Soc.  27.  p.  219.  1878. 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  563 

wSthrend  bei   kleineren  Feldstärken,  bei  denen  die  Bewegung 
Qocb  gleichmässig  ist,  also 


m  > ' . 


i^  kleiner  sein  muss,  da  mehrfach  d  (ojd  t  mit  wachsender  Feld- 
stärke gegen  die  Grenze  der  gleichmässigen  Rotation  hin  an- 
steigt oder  constant  bleibt.  Man  darf  also  annehmen,  dass 
auch  bei  den  stärkeren  Verdünnungen  ebenso,  wie  bei  den 
nüttleren  das  Leitvermögen  der  Luft  mit  zunehmender  Feld- 
stärke wächst 

Vergleichen  wir  das  jetzt  erhaltene  Resultat  mit  dem 
^J^^eren  bei  grösseren  Dichten,  wo  die  Leitfähigkeit  der  Luft 
''on  der  Grössenordnung  10"*  und  darüber  je  nach  der  Feld- 
stärke gefunden  wurde  (Abschnitt  19,  20,  22)  und  überblicken 
•^  die  vorstehende  Tab.  13,  so  erkennen  wir,  dass  bei  gleich- 
bleibender Feldstärke  die  Leitfähigkeit  der  Luft  mit  steigender 
Verdünnung  wächst  bis  zu  einem  Maximum,  das  für  meine 
Versuchsbedingungen  bei  etwa  p  =  0,005  mm  Quecksilber  liegt, 
am  dann  wieder  bis  zu  dem  äussersten  erreichten  Vacuum 
abzunehmen. 

Vergleichen  wir  ferner  die  Grössenordnung  10"^  C.G.S. 
elektrostatisch)  =  IO--22  C.G.S.  (el.-magn.),  die  beim  Druck 
j  =  0,005  mm  Hg  bei  einer  Feldstärke  2  C.G.S.  (el.-stat.)  oder 
JOO  Volt/cm  etwa  erreicht  wird,  mit  anderen  Leitvermögen, 
;o  finden  wir,  dass  die  Luft  auch  bei  diesen  Verdünnungs- 
praden  und  Feldstärken  für  normale  Temperatur  noch  ein  sehr 
ichlechter  Leiter  ist,  etwa  von  der  Leitfähigkeit  des  Benzols, 
ind  selbst  wenn  wir  annehmen,  dass  das  Leitvermögen  für 
iie  höchsten  für  uns  erreichbaren  Feldstärken  eine  Million 
mal  grösser  wäre,  würde  es  noch  immer  hinter  dem  eines 
guten  in  Luft  destillirten  Wassers  zurückbleiben,  und  die  von 
Bdlund  herrührende,  von  Hrn.  Trowbridge  neuerdings 
wieder  aufgenommene  Hypothese,  dass  das  Vacuum  ein  guter 
Leiter  sei,  scheint  mir  mit  meinen  Versuchen  unvereinbar. 

Ich  sehe  dabei  natürlich  ab  von  dem  sehr  grossen  Einfluss, 
den  Temperatur  und  Bestrahlung  mit  ultraviolettem  Licht 
oder  Röntgenstrahlen  auf  das  Leitvermögen  besitzen.  Dass 
z.   B.  Funkenstrecken    nur    einen    verhältnissmässig    kleinen 


564  A.  Heydweiller. 

Widerstand  besitzen,  habe  ich  an  anderer  Stelle  gezeigt^); 
seitdem  ist  man  von  verschiedenen  Seiten  zu  demselben  Schliw 
gelangt.  2)  Aber  hier  kommen  neben  der  bedeutend  gesteigerter 
Temperatur  auch  viel  höhere  Feldstärken  in  Betracht,  als  bei 
den  vorliegenden  Versuchen. 

Die  Versuche  mit  Paraffin-  und  Glimmerscheibe  lehren 
nichts  neues.  Sie  stimmen  in  den  wesentlichen  Zügen  mit 
den  vorstehend  besprochenen  Versuchen  an  der  Ebonitscheibe 
überein.  Wo  in  quantitativer  Hinsicht  Abweichungen  auf- 
treten, lassen  sie  sich  auf  die  Verschiedenheit  der  Trägheits- 
momente und  der  Aufhängungsrichtkräfte  zurückführen. 

Nicht  unerwähnt  lassen  will  ich,  dass  ich  auch  einige 
Versuche  über  die  Einwirkung  der  Belichtung  mit  Röntgen- 
strahlen auf  die  besprochenen  Erscheinungen  angestellt  habe; 
dieselbe  war  derart,  wie  sie  nach  den  vorhergehenden  Er- 
örterungen bei  einer  durch  die  Bestrahlung  vermehrten  Leit- 
fähigkeit der  Luft  zu  erwarten  war.  Indessen  bedarf  die 
fragliche  Erscheinung  noch  einer  eingehenderen  Untersuchung, 
daher  ich  hier  auf  eine  ausführlichere  Besprechung  verzichte. 

VII.  Die  Hypothese  der  elektrolytischen  Leitfähigkeit  der  Luft 

24.  Die  vorstehend  besprochenen  Thatsachen  und  Schluss- 
folgerungen lassen  sich,  wie  ich  glaube,  leicht  verstehen  an 
der  Hand  der  Hypothese  der  lonenleitung  der  Luft,  die  wir 
Hrn.  Giese  verdanken,  und  die  mehr  und  mehr  an  Boden 
gewonnen  hat,  wenn  wir  dazu  folgende  Annahmen  machen: 

1.  die  Leitfähigkeit  der  Luft  ist,  wie  die  der  flüssigen 
Elektrolyte  bedingt  a)  durch  die  lonenbeweglichkeit,  b)  durch 
die  Zahl  der  Ionen  in  der  Volumeneinheit; 

2.  der  Dissociationsgrad  ist  abhängig  von  der  elektrischen 
Feldstärke  und  wächst  in  hohem  Maasse  mit  dieser; 

3.  bei  constanter  Feldstärke  nimmt  die  elektrolytische 
Dissociation  der  Luft  mit  wachsender  Verdünnung  zu. 

Wir  haben    danach   die  Leitfähigkeit   der  Luft  zu  setzen 

2  //  .  y  .  r 
A  = -' , 


1)  A.  Heydweiller,  Wied.  Ann.  4:3,  p.  340.  1891. 

2)  W.  Biernacki,  Jonrn.  de  phys.  (3)  4.  p.  474. 1895;  V.  Bjerknes, 
Bih.  Sv.  Vet  Ak.  Handl.  (1)  20.  Nr.  5.  1895;  ForUchr.  51.  (2).  p.  500. 189& 

i 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  565 

,    wenn  n  die  Zahl  der  Grammäquivalente  in  der  Volumeneinlieit, 

1^    der  Dissociationsgrad,    s    das  elektrochemische  Aequivalent 

IRiud  V  die  lonengeschwindigkeit  für  die  Feldstärke  1,  die  hier 

wohl    für  Anion   und   Kation    als   gleich    angenommen  werden 

darf.     Bezeichnet  wieder  p  den  Druck  in  mm  Hg,  so  ist 

1,2.10-3        p 

n  =  — ^—    pro  cm^  , 

28,9  760    P'"   ^"^    ' 

oder 

n  =  5,46. 10-^/?  pro  cm^. 

Wendet  man  ferner  mit  Hm.  Arrhenius^)  eine  von  Hm. 
Nernst^  aufgestellte  Beziehung  zwischen  den  Diflfusions- 
geschwindigkeiten  von  Elektrolyten  in  wässeriger  Lösung  und 
den  lonenbeweglichkeiten  auf  den  gasförmigen  Aggregatzustand 
an  und  nimmt  mithin  an,  dass  die  lonengeschwindigkeiten  in 
Lösungen  und  in  Gasen  sich  wie  die  Diffusionsgeschwindigkeiten 
verhalten,  so  findet  man,  dass  die  lonengeschwindigkeiten  in 
normaler  Luft  rund  etwa  10*  mal  so  gross  sind,  als  in  wässeriger 
Lösung;  setzt  man  die  Geschwindigkeit  der  „Luftionen^^  in 
wässeriger  Lösung  etwa  gleich  der  der  OH-Ionen,  also  in 
runder  Zahl: 

f^     -^     q  cm  Volt 

V  =  2  .  10-"^—       pro  , 

sec     "^  cm 

oder 

V  =  2.10-^i-^5!l_  pro  C.G.S.-Einh.  (el.-magn.)  der  Feldstärke, 

80  wird  für  normale  Luft  zu  setzen  sein: 

V  =  2  .  10-''  -^  pro  C.G.S.-Einh.  (el.-magn.)  der  Feldstärke. 

B6C 

Da  nach  obigem  die  lonengeschwindigkeiten,  wie  die 
Diifusionsgeschwindigkeiten  der  Gase  der  Dichte  umgekehrt 
proportional  anzunehmen  sind,  so  hat  man  für  den  Druck  p 
Millimeter  Hg  innerhalb  de^  Gültigkeitsgrenzen  des  Boyle- 
Mariotte'schen  Gesetzes  Iji  normaler  Temperatur: 

2  .  760  .  10  -  "         1,5     1  ^-  4  cm  n  r»  o    t^-    i.      /  i  \ 

v  = =-^—.10      —  pro  C.G.S.-Einh.   (el.-magn.) 

p  p  sec    ^  V  o    / 

der  Feldstärke. 


1)  S.  Arrhenius,  Wied.  Ann.  42.  p.  55.  1891. 

2)  W.  iJcrnst,   Zcitschr.  f.  phys.  Chem.   2.  p.  613.  1888;  Theoret. 
Chem.  2.  Aufl.  p.  357.  1899. 


566  Ä,  Heydweiller. 

Da  ferner  das  elektrochemische  Aequivalent 

6  =  1,036. 10-^ C.G.S.-Einh.  (el.-magn.) ,  '|:  J 

80  folgt  die  Leitfähigkeit  der  Luft 

A  =  1,6  .  10- VC.G.S.-Einh.  (el.-magn.), 
oder 

A  =  1,4 .  lO^V  C.G.S.-Einh.  (el.-stat.). 

Für  Leitvermögen,  die,  wie  die  oben  für  verdünnte  Luft 
gefundenen,  kleiner  sind,  als  1  el.-stat.  C.G.S.-Einheit,  wäre  also 
der  Dissociationsgrad  <  10""^*,  also  äusserst  gering  und  würde 
selbst  bei  10  000  facher  Steigerung  mit  wachsender  Feldstarke 
noch  nicht  den  für  reines  Wasser,  der  bei  18^  1,4.10"^  be- 
trägt ^),  erreichen.  Bei  so  kleinen  Werthen  der  Dissociation 
würde  diese  für  binäre  Verbindungen  nach  dem  Massenwirkongs- 
gesetz  umgekehrt  proportional  der  Quadratwurzel  aus  der 
Concentration  oder  für  Gase,  soweit  das  Boyle'sche  Gesetz 
gilt,  umgekehrt  proportional  der  Quadratwurzel  aus  dem  Druck 
sein,  und  dasselbe  würde  mithin  auch  für  die  Leitfähigkeit 
gelten. 

25.  Indessen  ist  hierbei  noch  zweierlei  zu  beachten.  Einmal 
scheint  es  fraglich,  ob  hier,  wo  die  elektrische  Feldstärke  ein 
wesentlich  mitbestimmender  Factor  für  die  Dissociation  ist, 
das  Massenwirkungsgesetz  ohne  weiteres  anwendbar  ist,  und 
aus  meinen  Beobachtungen  scheint  mir  eher  bei  grösseren 
Drucken  eine  stärkere  Zunahme  des  Leitvermögens  mit  ab- 
nehmender Dichte  zu  ergeben,  als  aus  vorstehendem  folgen 
würde.  Sodann  kann  diese  Zunahme  des  Leitvermögens  nur 
bis  zu  einer  gewissen  Grenze  gehen,  da  sie  voraussetzt,  dass 
die  lonenbeweglichkeit  dem  Drucke  umgekehrt  proportional  sei 
Das  ist  aber  oflFenbar  nicht  mehr  der  Fall,  sobald  erstens  die 
Beweglichkeit  der  Lufttheilchen  in  erheblichem  Maasse  be- 
einflusst  wird  durch  fremde  Beimengungen,  insbesondere  den 
Quecksilberdanipf,  dessen  Druck  mit  dem  Mac  Leod-Mano- 
meter  nicht  mitgemessen  wird  und  nach  Hertz  bei  18**  etwa 
10-^  mm  Hg  beträgt  und  sobald  zweitens  die  mittlere  freie 
Weglänge  der  Lufttheilchen  von  derselben  Grössenordnung 
wird,  wie  die  zur  Verfügung  stehenden  Wegstrecken. 


1)  F.  Kohlrauschu.  A.  Heydweiller,  Wied.  Ann. 58. p. 209. 1891. 

1? 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde.  567 

Nun  beträgt  der  Abstand  zwischen  Scheibenrand  und 
^lashüUe  bei  meinen  Versuchen  */,  cm,  der  Durchmesser  der 
itzteren  7  cm  und  die  Druckwerthe,  bei  denen  die  mittlere 
•eie  Weglänge  der  Molecüle  diese  Beträfe  erreicht,  sind  etwa 
,015  bez.  0,001  mm  Hg.  Zwischen  diesen  beiden  Werthen, 
ämlich  bei  0,005  mm  Hg,  liegt  nun  nach  Ausweis  der  Ta- 
elle  13  das  Maximum  des  Leitvermögens  mit  abnehmendem 
)ruck.  Nehmen  wir  an,  dass  von  diesem  Werthe  abwärts  die 
teweglichkeit  der  Ionen  unabhängig  vom  Druck  ist,  so  würde 
ei  Gültigkeit  des  Massenwirkungsgesetzes  nach  der  vor- 
tehenden  Darstellung  für  weiter  abnehmende  Drucke  die 
jeitfähigkeit  der  Quadratwurzel  aus  der  Dichte  direct  pro- 
ortional  sein,  vielleicht  aber  auch  weniger  stark  mit  abneh- 
lendem  Drucke  wachsen.  Eine  Zunahme  des  Leitvermögens 
ei  den  kleinsten  abnehmenden  Drucken  ergeben  nun  die  Be- 
bachtungen in  der-That.  Zu  einer  genaueren  quantitativen 
'eststellung  der  Beziehung  fehlt  es  noch  an  der  Kenntniss  der 
ibhängigkeit  der  Dissociation  von  der  Feldstärke. 

Nach  obigem  muss  der  Druck,  für  den  das  Leitvermögen 
in  Maximum  wird,  von  den  Dimensionen  des  Gefässes  ab- 
ängen,  clas  die  verdünnte  Luft  enthält.  Bekanntlich  ergeben 
i  auch  Entladungsversuche  in  Vacuumröhren  ein  Minimum 
er  Entladungsspannung  mit  abnehmendem  Druck,  dessen  Lage 
on  den  Dimensionen  der  Entladungsröhre  abhängt.  M 

VII.  Aeltere  Versuche. 

26.  Aehnliche  Beobachtungen,  wie  sie  vorstehend  für  die 
chlecht  leitenden  Platten  in  verdünnter  Luft  beschrieben  wurden, 
at  Hr.  Quincke  in  Flüssigkeiten  von  geringem  Leitvermögen 
emacht.*)  Er  sucht  die  Ursache  auf  das  Vorhandensein  einer 
ünnen  Luftschicht  zwischen  rotirendem  festem  Körper  und 
'lüssigkeit  zurückzuführen  und  stützt  diese  Anschauung  haupt- 
ächlich  durch  Versuche  folgender  Art.  „Kugeln  aus  Crown- 
las,  Flintglas,  Quarz  und  Kalkspath,  welche  nach  elektrischer 
Dotation  in  Rapsöl,  Abwaschen  und  längerer  Berührung  mit 
Ichwefelkohlenstoff  die  Fähigkeit  verloren  haben,    unter  dem 


1)  Vgl.  G.  Wiedemann,  Elcktricitfit  4.  (2).  p.  471.  1885. 

2)  G.  Quincke,  Wied.  Aun.  59.  p.  417.  1896 


568  A.  Heydweiller, 

Einfluss   elektrischer  Kräfte   zu  rotiren,    drehen  sich  wieder, 
nachdem   sie   genügend   lange  Zeit  in  Luft  unter  einer  Glas- 
glocke gehangen  haben.**     Diese  Versuche  erklären  sich  naclr 
meiner  Auffassung  aus  den  Thatsachen,  dass  es  ausserordent- 
lich schwierig  ist,  Oelschichten  von  der  Oberfläche  fester  Körper 
durch  Abwaschen  vollständig  zu  entfernen,  und  dass  ein  Gemisch 
zweier  verschiedener  Flüssigkeiten  (Rapsöl  und  Schwefelkohlen- 
stoff)   ein   bedeutend  höheres  Leitvermögen  besitzt,    als  jede 
der  Flüssigkeiten   für   sich.     Wird  also  die  zuerst  in  Rapsöl 
befindliche  Kugel  in  Schwefelkohlenstoff  eingeführt,   so  bilden 
sich  durch  Auflösen  der  kleinen  Oelreste  Grenzschichten  von 
weit  höherer  Leitfähigkeit,  als  die  des  reinen  Schwefelkohlen- 
stoffs,   die  das  Auftreten    merklicher  elektrischer  Kräfte  ver- 
hindern (Ar  sehr  gross);  wird  die  Kugel  herausgenommen,  in 
Luft  getrocknet  und  wieder  in  Schwefelkohlenstoff  eingeführt, 
so  bilden  sich  diese  Grenzschichten  infolge  der  verminderten 
Oelschicht   nur   langsam   und   in   geringerem  Maasse   wieder; 
eine  anfängliche  nur  allmählich  abnehmende  Rotation,  wie  sie 
Hr.  Quincke  beobachtete,  ist  die  Folge.    Zur  Controle  meiner 
Auffassung  habe  ich  folgenden  Versuch  angestellt.     Zwischen 
zwei    kreisförmige    Platinplatten    von    2   cm    Durchihesser  in 
0,05  cm  Abstand  wurde  Ricinusöl  gebracht  und  dieselben  mit 
einem    empfindlichen    Galvanometer   in    den  Stromkreis   eines 
Daniell  eingeschaltet.     Der  Ausschlag  betrug  0,1 — 0,2  Scalen- 
theile.     Das  Ricinusöl  wurde  entfernt,  die  Platten  so  gut  wie 
möglich    abgewischt    und    Schwefelkohlenstoff  eingeführt;    der 
Ausschlag   stieg   bis   zu  500  p,    um   nach  mehrmaligem  Aus- 
waschen mit  CSj  wieder  auf  50  p  zu  sinken.    Es  folgt  daraus, 
dass  die  dünnen  Schichten  an  den  Platinblechen,  wo  sich  die 
Mischung   von  Oel   und  Schwefelkohlenstoff   bildet,    ein   Leit- 
vermögen von  einer  vielfach  höheren  Grössenordnung  besitzen 
müssen,  wie  die  reinen  Flüssigkeiten. 

Hr.  Quincke  scheint  aber  selbst  nicht  mehr  an  seiner 
Auffassung  festzuhalten,  da  er  auf  die  von  Hrn.  Boltzmann 
und  von  mir  aufgeworfene  Frage  nach  der  Energiequelle 
für  die  von  ihm  beobachteten  Bewegungen  mit  dem  Hinweis 
auf  die  elektrische  Strömung  in   der   Flüssigkeit  antwortet*), 


1)  G.  Quincke,  Wied.  Ann.  62.  p.  12.  1897. 


Bewegte  Körper  im  elekti-ischen  Felde,  569 

die  bei  seiner  Deutung  der  Versuche  gar  keine  Rolle  spielt, 
während    sie    die   wesentliche  Grundlage  der   meinigen  bildet. 

27.  Interessante  Rotationserscheinungen  im  rotirenden 
elektrischen  Felde  in  Luft  haben  ferner  die  Herren  Arno  und 
ThrelfalP)  beobachtet.  Beide  suchen  die  Ursache  dieser 
Erscheinungen  lediglich  in  dielektrischer  Hysteresis;  mir  scheint 
aber,  dass  bei  demselben  auch  die  Leitfähigkeit  eine  wesent- 
liche Rolle  spielt,  und  es  sich  um  eine  üebereinander- 
lagerung  beider  Wirkungen  handelt  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen. 

Die  beiden  Herren  finden,  dass  die  dielektrische  Hysteresis 
nicht,  wie  zu  erwarten  ist,  dem  Quadrat  der  Feldstärke  pro- 
portional ist,  sondern  dass  die  Beziehung  zwischen  beiden 
Grössen  eine  viel  verwickeitere  ist.  Dieser  Befund  ist  im 
Widerspruch  mit  Versuchen  der  Herren  Steinmetz*)  und 
Schaufelberger^),  von  denen  der  erstere  mit  alternirenden 
Ladungen  eines  ruhenden  Condensators,  der  letztere  mit 
Bchwingenden  Rotationsellipsoiden  im  ruhenden  Felde  arbeitete. 
Letzterer  findet  übrigens  auch  nur  bei  Paraffin  Proportionalität 
zwischen  dielektrischer  Hysteresis  und  Quadrat  der  Feldstärke, 
nicht  aber  bei  Hartgummi,  was  ebenfalls  auf  die  grössere 
Leitfähigkeit  des  letzteren  zurückzuführen  ist. 

Rührt  nämlich  ein  Theil  der  beobachteten  Wirkung  von 
der  Leitfähigl^eit  her,  so  muss  eine  Abweichung  von  der  ein- 
fachen Gesetzmässigkeit  deswegen  stattfinden,  weil  die  Leit- 
fähigkeit der  schlechten  Leiter  selbst  eine  Function  der  Feld- 
stärke ist. 

Der  Einfluss  der  Leitfähigkeit  verschwindet,  wenn  das 
Product  Xt  entweder  sehr  klein  oder  sehr  gross  ist;  das  erstere 
würde  bei  Hrn.  Schaufelberger's  Versuchen  an  Paraffin, 
das  letztere  bei  Hrn.  Steinmetz-  Versuchen  (t  =  oc)  zutrefi*en 
und  ferner  auch  bei  gewissen  Versuchen  von  Hrn.  Threlfall, 
bei  denen  die  Leitfähigkeit  des  Dielektricums  durch  Zusatz 
leitender  Substanz  (Graphitpulver)  vermehrt  wurde  (A  sehr  gross), 
wobei  sich  eine  zunehmende  Annäherung  an  die  erwähnte  ein- 
fache Gesetzmässigkeit  ergab. 


1)  Vpl.  die  Citate  auf  p.  532. 

2)  C.  P.  Steinmetz,  Elektrotechn.  Zeitechr.  13.  p.  227.  1892. 


570  Ä.  HeydweiUer, 

Zu  betonen  ist,  dass  bei  vielen  der  obigen  Versuche,  ins- 
besondere bei  denen  von  Arno  nicht  die  Leitung  der  iso-^ 
lirenden  Substanz,  sondern  die  absorbirten  Oberflächenschichten 
(Feuchtigkeit)  die  maassgebende  Grösse  ist,  wie  aus  den  Ver- 
suchen von  Hrn.  Schau felberger  und  vielen  meiner  Beob- 
achtungen (vgl.  p.  538  und  544 — 545)  hervorgeht. 

Hr.  Arno  hat  auch  Rotation  der  Luft  in  einem  Vacuum- 
gefäss  im  rotirenden  Felde  beobachtet,  aber  nur  hemmende 
Kräfte  gefunden,  die  er  ebenfalls  nur  auf  dielektrische  Hysteresis 
zurückführt.  Aus  den  obigen  Darlegungen  und  meinen  Ver- 
suchen ergiebt  sich,  dass  auch  hier  der  Leitfähigkeit  eine  wesent- 
liche Rolle  zufällt. 

28.  Weiter  hat  Hr.  BoreP)  hierher  gehörige  Beobachtungen 
gemacht  Scheiben  aus  Glimmer  etc.  rotirten  im  altemiren- 
den  elektrischen  Feld,  wenn  ihnen  zur  Seite  ein  isolirender 
Stab  (Glas)  aufgestellt  war.  Auch  diese  Erscheinung  kann  nicht 
auf  dielektrischer  Hysteresis  beruhen,  da,  wie  schon  bemerkt 
durch  Hysteresis  freie  Energie  nicht  erzeugt,  sondern  nur  ver- 
nichtet werden  kann.  Sie  muss  vielmehr,  wie  auch  Hr.  Borel 
annimmt,  auf  Leitfähigkeit  zurückgeführt  werden  und  dürfte 
von  derselben  Art  und  ebenso  zu  erklären  sein,  wie  meine  in 
den  Abschnitten  18  und  21  besprochenen  Beobachtungen. 

Zum  Schluss  möchte  ich  noch  Beobachtungen  von  Hm. 
0.  Lehmann^)  anfuhren,  der  kreiselnde  Bewegungen  von 
schlecht  leitenden  Theilchen,  die  in  eben  solchen  Flüssigkeiten 
suspendirt  sind,  im  elektrischen  Felde  beschreibt.  Ich  ver- 
muthe,  dass  auch  diese  auf  Kräfte  von  der  in  der  vorliegenden 
Abhandlung  besprochenen  Art  zurückzuführen  sind. 

Die  Beobachtung  treibender  Kräfte  im  rotirenden  Felde 
an  einem  Radiometer  von  Hrn.  0.  E.  Meyer^)  habe  ich  schon 
in  meiner  früheren  Mittheilung*)  erwähnt,  wo  auch  einige  an- 
schliessende Versuche  angeführt  sind. 


1)  Ch.  Borel,   Compt.  rend.  116.  p.  1192.  1893;  Arch.  de  Genöve 
(3)  29.  p.  317.  1893. 

2)  0.  Lehmann,  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  14.  p.  305.  1894. 

3)  0.  E.   Meyer,    Kinetische  Theorie   der  Gase    p.  156.    Anm.  3. 
Breslau  1877. 

4)  A.  Heydweiller,   Verhandl.  d.   Physikal.  Gesellscb.  zu  Berlin 
16.  p.  32.  1897. 

i 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  571 


VIII.  ADwendung  auf  kosmisohe  Erscheinungen. 

29.  Man  kann  die  Frage  aufwerfen,  ob  die  in  den  vor- 
stehenden Abschnitten  besprochenen  Kräfte  nicht  auch  auf 
die  Bewegung  der  Himmelskörper  einen  Einfluss  haben.  Zweifel- 
los hat  man  der  Erde,  wahrscheinlich  der  Sonne  und  wohl 
auch  anderen  Himmelskörpern  beträchtliche  elektrische  La- 
dungen zuzuschreiben  und  die  Bewegungen  der  Planeten  und 
Trabanten  finden  mithin  im  elektrischen  Felde  statt. 

Wir  wollen  hier  nur  die  Frage  erörtern,  ob  die  Um- 
drehungszeiten der  Erde  und  des  Mondes  um  ihre  Axe  durch 
Kräfte  der  besagten  Art  merklich  beeinflusst  werden  können.- 
Wir  dürfen  bei  den  geringen  hier  in  Frage  kommenden  Feld- 
stärken die  Annahme  machen,  dass  die  Leitfähigkeit  A^  in  der 
Umgebung  der  Weltkörper  gegen  die  ihrer  Oberflächenschichten 
X.  zu  vernachlässigen  sei,  die  auftretenden  Kräfte  also  hemmende 
sind,  und  ferner  wollen  wir  voraussetzen,  dass  (Vs^,-^)^  gross 
sei  gegen  1,  was  mit  der  Wirklichkeit  übereinstimmen  dürfte. 
Es  ergiebt  sich  dann  folgende  Differentialgleichung  für  die 
Winkelgeschwindigkeit  der  Axendrehung  der  beiden  Weltkörper, 
dtojdt: 

wenn  die  Beschleunigung  so  klein  ist,  dass  die  Bewegung  vom 
stationären  Zustand  nicht  weit  entfernt  ist,  was  auch  den 
thatsächlichen  Verhältnissen  entspricht;  hierin  ist  T  das  Träg- 
heitsmoment des  Weltkörpers  in  Bezug  auf  seine  Axe,  also 
wenn  r  sein  Halbmesser  und  d  seine  Dichte: 

sowie 


^3  -  4i,7r 

Die  Feldstärke  F  möge  herrühren  von  der  Ladung  des 
Centralkörpers  vom  Radius  7?,  dem  Potential  F  im  Abstände  a, 
sodass 

4  71  a" 


572  A.  Heydweiller. 

Es  ist  daun 

Z>,  _  _  45         F» _    45  V^R" 

f   ""         32  '  Ti^r-  kiä   "  128    ■  7i=»  r''  a*  X.  d  ' 

und  das  Integral  der  obigen  Differentialgleichung  giebt 


dcü   (  ^^\      ~T^ ' 


cü   I dtü  \ 


Nimmt  man  als  Leitfähigkeit  der  Erdoberfläche  diejenige 
einer  3  proc.  Kochsalzlösung,  des  Meerwassers,  so  ergiebt  die 
Einsetzung  der  bekannten  Grössen,  dass  auch  bei  unwahr- 
scheinlich hohen  Annahmen  über  die  Grösse  des  Sonnen- 
potentiales  eine  merkliche  Verkürzung  des  Tages  auch  in 
Millionen,  ja  Billionen  von  Jahren  durch  diese  Kräfte  nicht 
bedingt  wird. 

Anders  verhält  es  sich  mit  dem  Monde,  dessen  Oberfläche 
bei  völliger  Trockenheit  jedenfalls  ein  weit  geringeres  Leit- 
vermögen besitzt,  das  wir  in  elektrostatischem  Maasse  wohl 
zwischen  10"^  und  10 ~^  annehmen  dürfen;  ich  setze  Aj=  10 ~*. 
Das  elektrische  Potential  der  Erde,  auf  das  es  hier  ankommt, 
ist  von  Hrn.  F.  Exner  zu  3.10^  elektrostatischen  Einheiten 
berechnet  worden^);  die  Grundlage  dieser  Rechnung,  das 
Potentialgefälle  über  der  Erdoberfläche  ist  nach  den  neueren 
Messungen  im  Luftballon  wohl  nicht  ganz  zuverlässig,  auch 
dürfte  in  früheren  Zeiten  das  Potential  erheblich  höher  ge- 
wesen sein,  als  heute,  da  eine  allmähliche  Zerstreuung  der 
elektrischen  Energie  wohl  sicher  anzunehmen  ist.  Das  höchste 
Potential,  das  die  Erde  gegenwärtig  haben  könnte,  ohne  dass 
disruptive  Entladung  durch  die  Atmosphäre  einträte,  ist  nach 
Berechnungen,  die  ich  früher  anstellte^),  etwa  200^=1,26.10^^ 
elektrostatische  Einheiten. 

Nehmen  wir  an,  dass  das  Erdpotential  einmal  diesem 
Werthe  nahe  gekommen  sei,  etwa  10^^  betragen  habe,  so  ergiebt 
sich,  dass  in  einigen  100  Billionen  Jahren  eine  massige  Rotations- 
geschwindigkeit des  Mondes  um  seine  Axe,  oder  auch  eine 
starke  nach  der  Erstarrung  noch  vorhandene  Libration  relativ 
zu  den  Kraftlinien  des  erdelektrischen  Feldes  auf  nicht  mehr 


1)  F.  Exner,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien  (2) 
96.  p.  418.  1887. 

2)  A.  Heydweiller,  Wied.  Ann.  40.  p.  464.  1890. 


I 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  573 

nachweisbare  Werthe   herabgesunken    sein   muss.     Es  scheint 
also  nicht  unmöglich^  dass  die  fast  unveränderliche  Lage  des 
^    Mondes    gegen    seinen  Radiusvector  zum   Erdmittelpunkt   zum 
Theil  in  diesen  Kräften  ihre  Ursache  hat. 

Bei  diesen  Berechnungen  ist  sowohl  die  Abweichung  der 
Mondgestalt  von  der  Kugel,  wie  auch  die  nach  den  Herren 
Ekholm  und  Arrhenius^)  sehr  bedeutende  Eigenladung  des 
Mondes  und  deren  Einfluss  auf  die  Stärke  des  erdelektrischen 
Feldes  ausser  Ansatz  geblieben.  Die  Berücksichtigung  beider 
Umstände  würde  vielleicht  noch  eine  erhebliche  Vergrösserung 
der  berechneten  Kraft  ergeben.  Indessen  ist  die  genaue  Be- 
rechnung schwierig  und  die  Grundlagen  sind  zu  unsicher. 
Ausserdem  können  sehr  wohl  auch  die  dielektrischen  Eigen- 
schaften des  Mondes  eine  weitere  Verstärkung  der  hemmenden 
Kraft  bedingen. 

IX.  ZusammenfasBung. 

Zum  Schlüsse  seien  die  Ergebnisse  der  vorliegenden  Ar- 
beit noch  einmal,  wie  folgt,  zusammengestellt. 

Es  sind  die  aus  der  erweiterten  Hertz 'sehen  Theorie 
(Abschnitt  1)  folgenden  Kräfte  untersucht  worden,  welche  an 
der  Grenze  schlecht  leitender,  im  elektrischen  Felde  bewegter 
Körper  in  einer  Umgebung  von  verschiedenem,  ebenfalls  ge- 
ringem Leitvermögen  entstehen,  Kräfte,  die  auf  die  Bewegung 
entweder  hemmend  oder  beschleunigend  einwirken. 

Es  wurde  eine  Reihe  von  Beobachtungen  beschrieben, 
die  sich  auf  diese  Kräfte  zurückführen  lassen  und  zwar: 

1.  Im  Innern  eines  Glasgefässes  erfährt  Luft  von  760 
bis  zu  einigen  Millimetern  Quecksilberdruck  beim  Erregen  eines 
elektrischen  Feldes  eine  beträchtliche  impulsive  Verstärkung 
minimaler  vorhandener  Bewegungen,  die  durch  periodisches 
Herstellen  und  Vernichten  des  Feldes  bedeutend  gesteigert 
werden  kann,  sodass  eine  in  der  Luft  aufgehängte  Scheibe 
aus  gut  oder  schlecht  leitendem  Material  (Kupfer,  Ebonit)  je 
nach  der  Feldstärke  in  lebhafte  Schwingungen  oder  in  Rotation 
versetzt  wird  (Abschnitt  10  —  12,  Tab.  5  u.  8). 


1)  N.  Ekholm  u.  S.  Arrhenius,  Sveuaka  Vet.  Akad.  Handl.  19. 
(Ij  Nr.  Ö.    1894. 


\ 


574  J.  Heydweiller. 

2.  Bei  geringerer  Dichte  der  Luft  (zwischen  5  und  0,1  mm 
Quecksilberdruck)  wird  die  Luft  auch  im  constanten  ruhenden 
Felde  in  Verstärkung  kleiner  Bewegungen  in  dauernde  Rotation  '|l 
versetzt  und  hierdurch  den  darin  aufgehängten  Scheiben  eine 
constante,  von  der  Richtkraft  der  Aufhängung  abhängige  Ab- 
lenkung aus  der  Gleichgewichtslage  bei  ruhender  Luft  ertheilt 
(Abschnitt  10—12,  Tab.  6  u.  9). 

3.  In  stärker  verdünnter  Luft  (unter  0,1  mm  Quecksilber- 
druck) erfahren  gut  getrocknete  und  von  den  adsorbirten  Gas- 
schichten befreite  Scheiben  aus  schlecht  leitendem  Material 
(Ebonit,  Glimmer,  Paraffin)  bei  kleinen  Bewegungen  im  con- 
stanten ruhenden  Felde  ein  Drehungsmoment,  das  je  nach  der 
Feldstärke  zu  einem  Schwingen  um  die  Gleichgewichtslage,  zu 
einer  nahezu  gleichförmigen  oder  zu  einer  stark  beschleunigten 
Rotation  führt  (Abschnitt  10  u.  11,  Tab.  7). 

4.  Im  rotirenden  elektrischen  Felde  findet  eine  üeber- 
einanderlagerung  verschiedener  Kräfte  statt,  von  denen  die 
einen,  die  vorerwähnten,  auf  den  leitenden,  die  anderen  auf 
den  dielektrischen  Eigenschaften  der  Medien  beruhen ;  während 
die  ersteren  hemmende  oder  beschleunigende  sein  können,  sind 
die  letzteren  stets  hemmende  (Abschnitt  2,  6 — 8  u.  27). 

Die  Theorie  gestattet  aus  den  vorliegenden  Beobachtungen 
einige  Schlüsse  bezüglich  des  Leitvermögens  des  Glases  und 
der  Luft  bei  Zimmertemperatur  zu  ziehen.   Es  sind  die  folgenden : 

1.  Das  Leitvermögen  des  benutzten  Glases  ist  etwa  von 
der  Grössenordnung: 

2. 10-*  C.G.S.-Einh.  elektrostatisch 
oder 

2 .  10-26  C.G.S-Einh.  elektromagnetisch 

(Abschnitt  16,  19  u.  22). 

2.  Die  Leitfähigkeit  der  Luft  ist  in  hohem  Grade  ab- 
hängig von  der  Feldstärke  einerseits  und  ihrer  Dichte  anderer- 
seits, und  zwar  wächst  sie  mit  zunehmender  Feldstärke  und 
mit  abnehmender  Dichte,  mit  letzterer  aber  nur  bis  zu  einem 
Maximum,  von  dem  aus  sie  wieder  abnimmt.  Dieses  Maxi- 
mum liegt  unter  den  vorliegenden  Versuchsbedingungen  etwa 
bei  0,005  mm  Quecksilberdruck,  ist  aber  wahrscheinlich  ab- 
hängig von  den  Dimensionen  des  Vacuumgefässes  (Abschnitt 
S6  M,  -25). 


Bewegte  Körper  im  elektrischen  Felde,  575 

8.  Bei  höheren  Drucken  (über  5  mm  Hg)  und  nicht  zu 
ossen  Feldstärken  (etwa  bis  5  C.G.S.-Einh.  elektrostatisch) 
.  die  Leitfähigkeit  der  Luft  kleiner  als  die  oben  angegebene 
8  Glases  (Abschnitt  10,  12  u.   18). 

4.  Bei  kleineren  Drucken  (zwischen  5  und  0,1  mm  Hg)  er- 
icht  die  Leitfähigkeit  der  Luft  die  des  Glases  schon  bei 
eineren  Feldstärken  (unter  5  C.G.S.-Einh.)  und  zwar  bei  um 

geringeren,  je  niedriger  der  Druck  ist  (Abschnitt  19,  u.  20, 
ib.  11  u.  12). 

5.  Bei  noch  weiterer  Verdünnung  der  Luft  erreicht  ihr 
ritvermögen  bei  massigen  Feldstärken  (unter  5  C.G.S.-EÜnh.) 
B  Grössenorduung 

10-1  C.G.S.-Einh.  elektrostatisch 
er 

10-23  C.G.S.-Einh.  elektromagnetisch 

bschnitt  23,  Tab.  13). 

Die  vorstehenden  Beobachtungen  und  Schlussfolgerungen 
id  in  guter  üebereinstimmung  mit  der  Hypothese  von  der 
jktroly tischen  Leitfähigkeit  der  Luft;  der  elektrolytische 
ssociationsgrad  der  letzteren  ist  unter  den  Versuchsbedin- 
ingen  äusserst  gering  anzunehmen  (Abschnitt  24  u.  25). 

Auch  eine  Anzahl  früher  von  anderen  Forschern  beob- 
hteter  Erscheinungen  dürfte  auf  die  hier  behandelten  Kräfte 
jrückzuflihren  sein  (Abschnitt  26 — 28). 

Es  ist  möglich,  dass  durch  dieselben  die  Bewegungen 
gincher  Himmelskörper,  insbesondere  des  Mondes,  beeinäusst 
)rden  sind  (Abschnitt  29). 

Breslau,  August  1899. 

(Eingegangen  17.  August  1899.) 


2.   Ueber  die  Reststrahlen  des  Flussspathes;     ' 

von  H.  Rubens. 


\ 


Nach  Versuchen,  welche  ich  im  Jahre  1897  in  Gemein- 
schaft mit  Hrn.  E.  Nichols  angestellt  habe^),  besitzt  der 
Flussspath  im  Ultrarothen  ein  Gebiet  metallischer  ReflexioD^ 
welches  leicht  dadurch  nachgewiesen  werden  kann,  dass  man 
die  Strahlung  einer  beliebigen  Wärmequelle  mehrfach  an 
Flussspathflächen  reflectiren  lässt.  Die  dann  noch  vorhandenen 
Strahlen  (Reststrahlen)  gehören  nahezu  ausschliesslich  dem- 
jenigen Spectralgebiet  an,  in  welchem  die  metallische  Reflexion 
stattfindet.  Ihre  Wellenlänge  ist  daher  nur  wenig  abhängig 
von  der  Temperatur  und  Beschaffenheit  der  benutzten  Wärme- 
quelle. Bei  zwei  verschiedenen  Versuchsreihen,  von  denen  die 
eine  bei  Anwendung  eines  mit  Flussspathpulver  überzogenen 
glühenden  Platinbleches,  dreier  Flussspathflächen  und  eines 
Bolometers,  die  andere  mit  Benutzung  von  einem  Zirkonbrenner, 
vier  Flussspathflächen  und  einem  Radiometer  angestellt  war, 
ergab  sich  die  Wellenlänge  des  Energiemaximums  im  Gitter- 
spectrum der  Reststrahlen  bei  24,4  /i  bez.  bei  23,7  ju.  Dabei 
erwies  sich  die  Form  der  Energiecurve  in  beiden  Fällen  als 
unsymmetrisch  und  zwar  derart,  dass  der  Anstieg  zum  Maxi- 
mum von  Seiten  der  kürzeren  Wellen  ein  wesentlich  steilerer 
war  als  von  Seiten  der  längeren.  Auch  zeigte  sich  in  beiden 
Fällen  auf  diesem  letzteren  Theile  der  Curve  eine  schwache 
Ausbuchtung,  welche  schon  damals  zu  der  Vermuthung  Anlass 
gab ,  dass  das  beobachtete  *  Energiemaximum  möglicherweise 
aus  zwei  getrennten  Erhebungen  bestehen  könne.*)  Die  damals 
benutzte  Spectralanordnung  in  Verbindung  mit  den  zur  Strahlungs- 
messung dienenden  Apparaten  schien  jedoch  nicht  ausreichend, 
um  die  vorstehende  Frage  zu  entscheiden. 

Nachdem  nun  im  Laufe  der  Zeit  sowohl  die  Spectral- 
anordnung wesentlich  verbessert  als  auch  die  Empfindlichkeit 


1)  H.  Rubens  u.  E.  F.  Nichols,  Wied.  Anu.  60.  p.  418.  1897. 

2)  Vgl.  1.  c.  p.  439. 


Reststrahlen  des  Flussspathes.  577 

und  Genauigkeit  der  Strahlungsmessung  durch  Anwendung  der 
Thermosäule  ^)  an  Stelle  des  Bolometers  bez.  Radiometers  be- 
trächtlich erhöht  worden  ist,  habe  ich  von  neuem  die  Rest- 
strahlen des  Flussspath  einer  eingehenden  Untersuchung  unter- 
zogen. 

Die  Versuchsanordnung  entsprach  vollkommen  derjenigen, 
welche  früher  zur  Beobachtung  der  Reststrahlen  von  Steinsalz 
und  Sylvin  gedient  hatte*)  und  welche  in  Fig.  1  nochmals 
schematisch  angedeutet  ist.  Die 
Abmessungen  der  einzelnen  Theile 
des  Spiegelspectrometers  s^^e^^e^y  s^ 
waren  mit  Rücksicht  auf  die  Er-  ;j!^^  \   \  "'y 


^j^ 


T, 


Zeugung  eines  möglichst  intensiven      ^,  '  ^^it-  i^^' 

Spectrums  gewählt.  Als  Wärme-  ^^  V^^L^^^JkJ 
quelle  kam  stets  ein  Auerbrenner  A 
ohne  Zugglas  zur  Anwendung.  Die 
Spalten  s^  und  s^  waren  bei  den  im 
Folgenden  beschriebenen  Versuchs- 
reihen 40  mm  hoch  und  3  mm 
breit.  Zur  Erzeugung  des  Spec- 
trums diente  das  oft  benutzte  p.  j 
Beugungsgitter^  aus  Silberdraht ^ 

mit  der  Gitterconstanten  0,37 1 6  mm.  Ein  Theil  der  reflectirenden 
Flussspathflächen  P^  bis  P^,  ein  Concentrationsspiegel  S  und  die 
Thermosäule  T  befanden  sich  im  Inneren  eines  gegen  Luft- 
strömung und  fremde  Strahlung  schützenden  Pappkastens.  Bei 
den  Spectralbeobachtungen  wurde  der  Collimator  «^  e^  nebst 
der  hiermit  starr  verbundenen  Wärmequelle  A  um  gegebene 
Winkel  qr  gedreht  und  der  beim  Aufziehen  des  Elappschirmes  K 
entstehende  Ausschlag  gemessen. 

Mit  Hülfe  dieser  Anordnung  wurden  fünf  verschiedene 
Versuchsreihen  ausgeführt,  um  die  Energievertheilung  der  Rest- 
strahlen in  den  Beugungsspectren  erster  Ordnung  festzustellen 
und  zwar  betrug  die  Zahl  der  Flussspathreflexionen  bei  der  mit  I 
bezeichneten  Versuchsreihe  zwei,  bei  Versuchsreihe  II  drei  etc., 
sodass    bei   der    V.  Versuchsreihe   sechs   Reflexionen   in   An- 


1)  H.  Rubens,  Zeitschr.  f.  Instrumentenk.  18.  p.  65.  189S. 

2)  H.  Rubens  u.  E.  Aschkinass,   Wied.  Ann.  65.  p.  255.   1898. 
8)  Vgl.  1.  c.  p.  425. 

Ann.  d    Phj.  a.  Chem.    N.  F.    69.  87 


578 


H.  Rubella, 


veadnng    kamen.      Im    Übrigen    wurden    sänimtlicbe    Beob- 
achtungen anter  gleichen  Bedingungen  ausgefDhrt. 

Die  Ergebnisse  dieser  fünf  Reihen  sind  in  der 
Fig.  2  graphisch  dargestellt.  AJs  Äbscissen  sind  die  Ab- 
lenkungswinkel, als  Ordinalen  die  beobachteten  Aasschläge  ein- 
getragen. Um  ein  ürtbeil  Über  den  Grad  der  Unreinheit  der 
Spectra  zu  ermöglichen,  ist  t^  die  Reihe  III  auch  das  Central- 
bild  mit  anf  die  Hälft«  Terkleinerten  Ordinaten  eingezeichnet 
worden.     Die  Breite   desselben    beträgt  ca.  1 "  20',    dennocb 


Pig.  a. 


kommt  die  dispergirende  Wirkung  des  Gitters  in  den  Beugungs- 
spectren  genügend  zum  Auedruck,  um  die  oben  gestellte  Frage 
entscheiden  zu  können. 

Man  erkennt  aus  den  Gnrven  der  Fig.  2  ohne  weiteres, 
dass  bei  zwei  und  auch  noch  bei  drei  Flussspathreäezionea 
die  Curven  auf  dem  absteigenden  Ast  lediglich  die  bereits  früher 
beobachtete  Ausbacbtung  zeigen,  während  bei  Anwendung  von 
4,  5  and  6  retlectirenden  Flächen  an  Stelle  dieser  Aasbuchtong 
sich  ein  zweites  Maximam  entwickelt,  dessen  Deutlichkeit  mit 
der  Zahl  der  Reäexionen  rasch  zunimmt.  Dieser  letztere  Um- 
stand deutet  darauf  hiu,  dass  dieses  zweite,  bei  i.=^Bl,6  ft 
gelegene  Energiemazimam  nicht  einer  lligentbtlmlicbkeit  der 
angewandten    Strahlungsquelle     seine    Entstehung    verdankt, 


Reststrahlen  des  Flussspathes. 


579 


sondern  durch  selective  Reflexion  der  Flussspathflächen  her- 
vorgebracht wird.  Bildet  man  in  jeder  der  Curven  I  bis  V 
Adas  Verhältniss  a  der  Ordinaten  p  bei  X^  =  24,0  ii  und  q  bei 
Ä^ssSlyß  jUy  bei  welchen  Wellenlängen  die  beobachteten  Maxima 
bez.  Ausbuchtungen  liegen,  so  gelangt  man  zu  einer  Reihe 
von  Zahlen  (a),  von  denen  jede  folgende,  in  die  vorhergehenden 
dividirt,  nahezu  den  gleichen  Quotienten  [ß)  ergiebt,  wie  dies 
aus  der  nachstehenden  Tabelle  zu  ersehen  ist. 

Tabelle  I. 


Nr.  der 

Versuchsreihe 

n 


I 

II 

III 

IV 

V 


Pn 

?« 

««  = 

25,5 

8,5 



3,00 

17,1 

6,8 

2,52 

12,8 

6,1 

2,02 

9,8 

5,3 

1,68 

4,8 

3,4 

1,42 

/?= 


o. 


a 


n  +  1 


1,19 

i/.>:» 

1.20 
1,18 


Mittel:     1,21 

Es  ist  leicht  einzusehen,  dass  dieser  Quotient  ß  das  Ver- 
hältniss der  Reäexionsvermögen  angiebt,  welche  eine  Fluss- 
spathfläche  bei  den  Wellenlängen  X^  =  31,6  ju  und  X^  =  24,0  ju 
besitzt.  £8  seien  nämlich  u  und  v  zwei  Grössen,  welche  der 
Energie  der  Strahlungsquelle  bei  den  Wellenlängen  Aj  und  A, 
proportional  sind.  Bezeichnen  wir  ferner  die  Reflexionsvermögen 
der  Flussspathiläche  für  die  beiden  Wellenlängen  mit  o^  und 
(>2,  so  sind  die  beobachteten  Galvanometerausschläge  bei  der 
mit  n  bezeichneten  Versuchsreihe,  bei  welcher  nach  dem  vor- 
stehenden die  Zahl  der  reilectirenden  Flussspathflächen  n+1 
beträgt,  für  die  Wellenlängen  X^  und  X^  proportional  mit 
tt.()»  +  ^  bez.  mit  vq^"^^  und  ihr  Verhältniss 

"        V      \fltl 

Die  entsprechende  Grösse  der  Versuchsreihe  n+1  ist 

und  das  Verhältniss  beider  ergiebt  sich,  wie  oben  behauptet, 


/5  = 


ff. 


U 


n  +  1 


^1 


37 


580  H.  Bubens. 

Hiernach  ist  also  das  Reflexionsyermögen  des  Flussspath 
bei  A2==31,6  fjL  etwa  1,21  mal  so  gross,  wie  bei  ^^  =  24,0^ 
Dass  trotzdem  in  sämmtlichen  Gurren  das  kurzwelligere  Masi^ 
mum  bei  weitem  das  stärkere  ist,  liegt  lediglich  an  der  Energie- 
vertheilung  im  Spectrum  der  Lichtquelle,  welche  die  kürzeren 
Wellen  in  sehr  viel  höherem  Maasse  aussendet  Bei  der  hier 
benutzten  Strahlungsquelle  würde  eine  mindestens  achtmalige 
Reflexion  an  Flussspathflächen  erforderlich  sein,  um  ein  Ueber- 
wiegen  des  langwelligen  Maximums  herbeizuführen. 

Wären  die  sämmtlichen  in  Fig.  2  dargestellten  Versnehs- 
reihen  bei  genau  gleicher  Empfindlichkeit  angestellt,  und  vor 
allen  Dingen  darauf  Rücksicht  genommen,  dass  bei  Vermehnmg 
der  reflectirenden  Flächen  von  n  auf  n  +  1  kein  Theil  des 
Strahlenkegels  verloren  geht,  so  könnte  man  die  absoluten 
Werthe  des  Reflexionsvermögens  pj  und  ()^  für  die  Wellen- 
längen Aj  uud  A,  ohne  weiteres  den  Zahlen  der  Tab.  I  ent- 
nehmen, indem  man 

p,  =  -^"-    und    o,=  -^ 


Pn  +  l  ^"^  ^«  +  1 

setzt.  Die  letztere  dieser  beiden  Bedingungen  ist  jedoch  keines- 
wegs erfüllt.  Auch  wachsen  die  Schwierigkeiten  der  Justimng 
wesentlich  mit  der  Zahl  der  angewandten  reflectirenden  Flächen, 
sodass  die  Ausschläge  schon  aus  diesem  Grunde  bei  den  letzten 
Reihen  (insbesondere  bei  Reihe  V)  im  Vergleich  mit  den  ersten 
Reihen  zu  klein  ausfallen. 

Um  dennoch  eine  exacte  Bestimmung  der  Orössen  Oj 
und  (>2  vorzunehmen,  wäre  es  erforderlich,  die  Reflexions- 
messungen in  dem  Gitterspectrum  selbst  anzustellen.  Da  in- 
dessen die  in  den  Beugungsspectren  vorhandene  Energie  zu 
genaueren  Messungen  nicht  ausreicht,  habe  ich  mich  darauf 
beschränkt,  das  Reflexionsvermögen  einer  Flussspathfläche  für 
die  gesammten,  unzerlegten  Reststrahlen  zu  ermitteln.  Das- 
selbe nimmt  begreiflicherweise  mit  der  Zahl  der  zur  Erzeugung 
der  Reststrahlen  angewandten  reflectirenden  Flussspathflächeu 
zu.  Für  einen  Incidenzwinkel  von  angenähert  30®  ergab  sich 
das  Reflexionsvermögen  bei  zweimaliger  Reflexion  zu  69,2  Proc. 
bei   viermaliger   Reflexion    zu    74,9  Proc.^),    bei   sechsmaliger 


1)  In  der  zu  Anfang  citirten  Abhandlung  ist  das  ReflexionsvermSgen 
einer  Fluoritfläche   für  die   durch  viermalige  Reflexion  erzeugten  Best- 


Beststrahlen  des  Flussspathes.  581 

Keflexion  zu  79,5  Proc.  Man  ist  hiernach  zu  der  Annahme 
berechtigt,  dass  das  Reflexions  vermögen  q^  bei  X^  =  24,0  ju 
und  pj  bei  A,  =  31,6  fi  höchst  wahrscheinlich  die  Werthe 
75  Proc.  bez.  90  Proc.  übersteigt. 

Die  Curven  der  Fig.  2  lassen  wegen  der  Unreinheit  der 
Spectren  die  Frage  unbeantwortet,  ob  man  es  hier  mit  zwei 
völlig  getrennten  Streifen  zu  thun  hat,  oder  ob  das  Reflexions- 
vermögen  auch  in  dem  Spectralgebiet  zwischen  den  Wellen- 
längen Aj  =  24,0  fi  und  Aj  =  31,6  fi  hohe  Werthe  besitzt.  Um 
eine  Entscheidung  herbeizuführen,  wurden  die  Versuchsreihen 
III  und  IV  mit  engeren  Spalten  wiederholt  und  zwar  betrugen 
die  Breiten  von  s^  und  ^^  hierbei  nur  1,8  mm.  Die  so  er- 
haltenen Energiecurven  zeigten  indessen  vollkommen  gleichen 
Charakter  wie  die  früher  beobachteten.  Eine  wesentlich  deut- 
lichere Trennung  der  beiden  Maxima  war  auf  diesem  Wege 
nicht  zu  erzielen.  Es  ist  hiernach  anzunehmen,  dass  die 
Aenderung  des  Reflexionsvermögens  in  dem  betrachteten  Spec- 
tralgebiet continuirüch  verläuft  und  zwar  derart,  dass  auch 
zwischen  den  Wellenlängen  A^  und  k^  hohes  Reflexionsvermögen 
vorhanden  ist. 

Es  ist  nach  dem  Vorstehenden  leicht  zu  übersehen,  wes- 
halb bei  den  früheren,  in  Gemeinschaft  mit  Hm.  E.  Nichols 
angestellten  Versuchen  das  zweite  Maximum  in  dem  Gitter- 
spectrum der  Reststrahlen  des  Flussspath  als  solches  nicht 
beobachtet  werden  konnte.  Bei  den  bolometrischen  Messungen 
wurde  nur  Reflexion  an  drei  Fluoritflächen  angewandt  und 
hierbei  tritt,  wie  oben  festgestellt  wurde,  das  zweite  Maximum 
noch  nicht  hervor.  Dagegen  hätte  sich  dasselbe  bei  den  radio- 
metrischen Beobachtungen,  bei  welchen  vier  reflectirende  Fluss- 
spathflächen  zur  Verwendung  gelangten,  bereits  bemerkbar 
machen  können.  Der  Grund,  weshalb  dies  nicht  geschah,  liegt 
in  der  starken  Absorption,  welche  die  Strahlen  von  grösserer 
Wellenlänge   in   der   als  Radiometerfenster   dienenden   Chlor- 


strahlen zu  71,5  Proc.  angegeben.  Es  ist  hierbei  zu  bemerken,  dass 
diese  Messung  mit  Hülfe  des  Radiometers  vorgenommen  wurde,  dessen 
Fenster  aus  einer  Chlorsiiberplatte  bestand  und  gerade  diejenigtn  Strahlen 
vorzugsweise  absorbirte,  welche  von  Fluorit  besonders  stark  reflectirt 
werden. 

I 


582  H.  Rubens. 

silberplatte  erfahren  and  welche  jenseits  30  ju  nahezu  voll- 
ständig ist.  Durch  Einschalten  einer  solchen  Chlorsilberplatte^ 
in  den  Strahlengang  werden  daher  die  Reststrahlen  des  Fluss' 
spath  auf  einen  ziemlich  homogenen  Strahlencomplex  be- 
schränkt, dessen  Maximum  bei  Benutzung  unserer  Chlorsilber- 
platte bei  Ä  =  23,7  ju  liegt.  ^)  Die  Folgerungen  aus  unseren 
fi*üheren  Beobachtungen,  insbesondere  unsere  Untersuchungen 
über  die  Keüexion  der  Reststrahlen  an  Resonatorenplatten, 
bleiben  daher  durch  die  Auffindung  des  zweiten  Maximums 
gänzlich  unberührt. 

Dagegen  ist  es  von  Interesse,  hervorzuheben,  dass  nun- 
mehr die  üebereinstimmung  zwischen  der  beobachteten  und 
der  theoretisch,  aus  der  Eetteler-Helmholtz'schen  Dis- 
persionsformel berechneten  Lage  des  Gebietes  metallischer  Re- 
flexion für  Flussspath  eine  erheblich  bessere  geworden  ist. 
Nach  Hrn.  Paschen 's  Dispersionsmessungen')  berechnet  sich 
die  Constante  der  genannten  Formel,  welche  angenähert  die 
Mitte  des  metallischen  Absorptionsstreifens  angeben  soll,  zu 
ca.  30  fi.  Diese  Grösse  liegt  zwischen  den  Wellenlängen 
X^  und  ^2  der  beiden  in  dem  Beugungsspectrum  der  Rest- 
strahlen beobachteten  Maxima  und  zwar  erheblich  näher  an  A,. 
wo  auch  die  stärkere  metallische  Reflexion  stattfindet. 

Ferner  ist  es  noth wendig,  auf  die  kürzlich  von  Hm. 
H.  Beckmann')  veröffentlichte  Dissertation  etwas  näher  ein- 
zugehen. Dieselbe  beschäftigt  sich  mit  der  Abhängigkeit  der 
Intensität  der  von  einem  „schwarzen  Körper^'  ausgesandten  Rest- 
strahlen von  der  Temperatur.  Ein  Theil  der  Gesammtstrahlung 
€ines  nach  den  Angaben  der  Herren  Lummer  und  Wien*) 
hergestellten  „schwarzen  Körpers"  wurde  einer  vierfachen 
Reflexion  an  Flussspathflächen  unterworfen  und  dann  mit  Hülfe 
€ines  vorderseitig  versilberten  Hohlspiegels  auf  den  temperator- 
«mpfindlichen  Contactstellen  einer  Thermosäule  vereinigt.  Hr, 
Beckmann  beobachtete  auf  diese  Weise  die  Abhängigkeit  der 
Reststrahlung  von  der  Temperatur  in  dem  Intervall  von  193 
bis  873®  der  absoluten  Scala.     An  der  Hand  der  hierbei  er- 


1)  Vgl.  1.  c.  p.  438. 

2)  F.  Paschen,  Wied.  Ann.  53.  p.  301.  1894. 

3)  H.  Beckmann,  Inaug.-Diss.,  Tübingen  1898. 

4)  0.  Lummer  u.  W.  Wien,  Wied.  Ann.  56.  p.  451.  1896. 


Reststrahlen  des  Flussspathes,  583 

haltenen  Resultate  versuchte  derselbe  eiue  Prüfung  des  Wien'- 
sehen  Gesetzes  ^)  unter  der  Annahme,  dass  den  erzeugten  Rest- 
strahlen eine  mittlere  Wellenlänge  von  24,4  /i  zukomme,  indem 
€r  zugldch  nachwies,  dass  eine  selbst  erhebliche  Inhomogenität 
der  Strahlung  auf  das  Resultat  nur  von  geringem  Einfluss 
sein  könne.  Das  Ergebniss  der  Prüfung  lässt  sich  in  die 
beiden  Sätze  zusammenfassen: 

1.  Das  Wien'sche  Gesetz,  bez.  die  hieraus  abgeleitete 
isochromatische  Curve  ist  zur  Darstellung  der  gewonneneu 
Beobachtungsresultate  vollkommen  geeignet. 

2.  Die  Constante  c^  des  Wien'schen  Gesetzes  muss,  wenn 
den  Beobachtungen  genügt  werden  soll,  gleich  24250  gesetzt 
werden,  im  Gegensatz  zu  den  Resultaten  der  Untersuchungen 
des  Hm.  Paschen*)  sowie  der  Herren  Lummer  und  Prings- 
heim^,  welche,  allerdings  für  erheblich  kürzere  Wellen,  die 
Constante  c^=  14500  ergeben. 

Nach  den  in  dem  ersten  Theil  dieser  Arbeit  mitgetheilten 
und  in  Fig.  2  dargestellten  Beobachtungen  erscheint  allerdings 
die  Annahme,  dass  die  nach  viermaliger  Reflexion  an  Fluss- 
spathflächen  noch  vorhandene  Reststrahlung,  insbesondere  bei 
tiefen  Temperaturen  der  Strahlungsquelle,  eine  mittlere  Wellen- 
länge von  24,4  ju  besitzt,  keineswegs  gerechtfertigt  und  es  muss 
eine  neue  Berechnung  vorgenommen  werden,  um  eine  Prüfung 
des  Wien'schen  Gesetzes  mit  Hülfe  der  Beckmann'schen 
Beobachtungen  zu  ermöglichen.  Ich  habe  eine  solche  unter 
der  Annahme  durchgeführt,  dass  der  Flussspath  an  zwei  ge- 
trennten Stellen,  nämlich  bei  den  Wellenlängen  Äj  =  24juund 
Aj  =  32  ju,  metallische  Reflexion  besitzt  und  dass  bei  der  Wellen- 
länge A2  ^^^  Reflexionsvermögen  o^  1,2  mal  so  gross  ist  wie 
dasjenige  bei  A^  {q^),^)  Es  ist  dann  die  Intensität  der  |Rest- 
strahlen  für  den  zweiten  Streifen  gegenüber  derjenigen  des 
ersten  Streifens  bei  viermaliger  Reflexion  im  Verhältniss  1:1,2*, 
das  ist  nahezu  im  Verhältniss  1:2,  bevorzugt. 

1)  W.  Wien,  Wied.  Ann.  58.  p.  662.  1896. 

2)  F.  Paschen,  Wied.  Ann.  58.  p.  450.  1896;  Sitzungsber.  d.  k. 
Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin  22.  p.  405.  1899. 

3)  0.  Lummer  u.  E.  Pringsheim,  Verhandl.  d.  Deutsch.  Pbysikal. 
Gesellsch  1.  1899.  In  dieser  Arbeit  zeigt  sich  bereits  eine  Vermehrung 
der  Grösse  c,  mit  wachsender  Wellenlfinge. 

4)  Vgl.  p.  580. 


584  H.  Bubens. 

t 

Setzt  man  in  der  Wien 'sehen  Gleichung 


0=    ^1- 


worin  <U  den  bei  den  Temperaturen  bj  des  „schwarzen  Körpers** 
und  1^2  der  Thermosäule  für  die  Wellenlänge  A  beobachteten 
Ausschlag  bedeutet,  c^  =  3085.10*,  c,  ==  26000,  so  erhält  man 
für  die  Wellenlängen  X^  und  A^  und  die  in  der  ersten  Vertical- 
reihe  der  nachfolgenden  Tabelle  aufgeführten  Temperaturen  &^ 
des  schwarzen  Körpers  die  in  der  zweiten  und  dritten  Columne 
wiedergegebenen  0j  und  <t^^.  Die  Temperatur  der  Thermo- 
säule (iJ-j)  ist  hierbei  constant  gleich  291^  absolut  angenommen, 
wie  dies  bei  den  Bookman  naschen  Beobachtungen  der  Fall 
war.  In  der  vierten  Columne  ist  die  Summe  der  Grössen 
0^+2  0,  gebildet,  welche  nach  der  obigen  Annahme  mit 
dem  Ausschlag  0^  gleich  sein  soll,  welcher  von  Hrn.  Beck- 
mann für  die  betreffenden  Temperaturen  des  , .schwarzen 
Körpers"  und  der  Thermosäule  beobachtet  wurde.  Die  fünfte 
Columne  enthält  diese  0,^ ,  die  sechste  endlich  giebt  die  Diffe- 
renzen S  zwischen  den  beobachteten  und  berechneten  Grössen. 


Tabe 

ille  IL 

^1 

-      8,ü 

1       -    4,3 

1     0,  +  2  a>. 

1 

ö 

193 

-    16,6 

-    17,0 

-0,4 

291 

— 

0 

373 

+    11,9 

+   4,8 

+    21,5 

+   21,5 

573 

+    49,2 

+  16,7 

+   82,6 

'       +   82,0 

-0,6 

773 

1 

+   86,0 

+  26,5 

+  139,0 

+  139,0 

— 

873 

+ 102,6 

i       +  30,7 

+  164,0 

+  164,0      ; 

— 

Bei  der  Beurtheilung  dieser  Uebereinstimmung  ist  zu 
berücksichtigen,  dass  die  Gleichheit  der  Zahlen  für  die  Tem- 
peraturen &^  =  291  ®  und  b^j  =  773^  eine  erzwungene  ist;  aber 
auch  für  die  übrigen  iV-j  liegen  die  d  innerhalb  der  Grenze 
der  Beobachtungsfehler.  Ferner  sind  die  Abweichungen,  ins- 
besondere für  die  tiefen  Temperaturen,  hier  erheblich  kleiner, 
als  sie  sich  unter  der  von  Hrn.  Beckmann  gemachten  Voraus- 
setzung ergaben,  wie  dies  nach  dem  Vorausgehenden  zu  er- 
warten war.  Dagegen  ist  es  vollkommen  unmöglich,  den  Ver- 
lauf der  Beobachtungen    durch    die   Wien'sche  Formel   auch 


Reststrahlen  des  Flussspathes,  585 

nur  angenähert  darzustellen,  wenn  man  der  Constanten  c^  den 
Werth  14500  beilegt,  welchen  sie  für  kurze  Wellen  besitzt. 
Setzt  man  die  Constante  Cj  =  2230. 10*,  c,  =  14500,  so  werden 
wiedenim  für  die  beiden  Temperaturen  i9-j  =  291  ^  und  &^  =  773® 
die  beobachteten  und  berechneten  Werthe  zur  Uebereinstimmung 
gebracht,  dagegen  liegen  die  DiflFerenzen  d  für  alle  anderen  ß-^ 
weit  ausserhalb  der  Fehlergrenze  und  betragen  in  einem  Falle 
mehr  als  lOOProc,  wie  dies  aus  Tab.  III  ersichtlich  ist.  Die- 
selbe ist  vollständig  nach  dem  Muster  der  Tab.  II  eingerichtet 


Tabelle  IH. 

^1 

i      *■    j.. 

^. 

<Pi  4-  2  0j 

1                    1 

-  17,0 

8 

198 

-  22,9 

-  7,7 

-  38,3   1 

4-21,3 

291 

0 

0 

—    1 

— 

373 

4-  20,4 

4-  5,7 

4-  31,8 

4-  21,5 

-10,3 

573 

'   +  62,5 

4-16,1 

4-  94,7. 

+  82,0 

1   -12,7 

773 

+  93,2 

4-22,9 

4- 139,0 

4-139,0 

— 

873 

1   H- 105,0 

4-25,6 

4-156,2 

+  164,0 

:  +  7,8 

I 


Wie  bereits  oben  festgestellt  wurde,  wird  man  nicht  an- 
nehmen dürfen,  dass  lediglich  in  der  unmittelbaren  Umgebung 
von  Aj  =  24,0  ju  und  A,  =  31,6jii  metallische  Reflexion  statt- 
findet, sondern  es  ist  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dass 
auch  in  dem  dazwischen  liegenden  Spectralgebiet  hohe  Werthe 
des  Reflexionsvermögens  vorkommen.  Es  sind  somit  die  der 
Rechnung  zu  Grunde  liegenden  Voraussetzungen  auch  hier 
nicht  genau  zutrefi'end  und  man  könnte  vermuthen,  dass  diese 
Thatsache  auf  die  berechneten  Werthe,  insbesondere  aber  auf 
die  Grösse  der  Constanten  Cg,  von  erheblichem  Einfluss  wäre. 
Es  ist  dies  jedoch  keineswegs  der  Fall,  wovon  man  sich  durch 
Rechnung  leicht  überzeugen  kann.  Nimmt  man  z.  B.  an,  dass 
das  Reflexionsvermögen  einer  Flussspathfläche  von  Aj  =  24,0  ju 
bis  Ag  =  31,6jU  continuirlich  bis  auf  den  1,2  fachen  Werth  an- 
wächst, und  berechnet  unter  dieser  Voraussetzung  die  Abhängig- 
keit der  von  dem  „schwarzen  Körper**  ausgesandten  Rest- 
strahlen von  der  Temperatur  mit  Hülfe  des  Wien'schen  Ge- 
setzes, so  lässt  sich,  unter  Beibehaltung  der  Constanten  c^ 
=  26000,  den  Beckmann'schen  Beobachtungen  ebenso  voll- 
kommen genügen,  wie  dies  unter  der  Annahme  zweier  ge- 
trennter Streifen  der  Fall  ist.    Wählt  man  dagegen  c^  =  14500, 


586  H.  Eubens. 

80  ist  auch  in  diesem  Falle  eine  Darstellung  der  Beobachtungen 
durch  die  Wien 'sehe  Formel  völlig  ausgeschlossen. 

Die  Erklärung  für  die  Thatsache,  dass  die  Art  der  Energie-  w 
yertheilung  zwischen  den  Wellenlängen  )^  und  A,  so  geringen 
Einäuss  auf  die  Abhängigkeit  der  Emission  dieser  Beststrahlen 
von  der  Temperatur  des  ,,8chwarzen  Körpers"  ausübt,  liegt  in 
dem  bereits  von  Hrn.  Beckmann  betonten  Satz,  dass  die 
isochromatischen  Curven  für  sehr  grosse  Wellenlängen,  welche 
von  der  dem  Maximum  der  Energiecurve  zugehörigen  Wellen- 
länge weit  entfernt  sind,  sich  ihrer  Form  nach  wenig  von- 
einander unterscheiden  und  innerhalb  kleinerer  Spectralgebiete 
mit  genügender  Annäherung  als  ähnliche  Curven  behandelt 
werden  dürfen. 

Aus  der  Thatsache,  dass  die  Beckmann'schen  Beobach- 
tungen für  die  Grösse  c^  der  Wien 'sehen  Isochromatic  einen 
Werth  von  26  000  erfordern,  während  zweifellos  der  Werth 
Cg  =  14500  in  dem  kurzwelligeren  Theil  des  Spectrums  der 
richtige  ist,  könnte  man  versucht  sein,  den  Schluss  zu  ziehen, 
dass  das  Wien' sehe  Vertheilungsgesetz  unter  der  Annahme 
6*3  =  14500  im  äussersten  Ultraroth  zu  vollkommen  falschen 
Ergebnissen  fähren  müsste.  Bei  einer  näherm  Betrachtung 
der  Wien'schen  Formel  ergiebt  sich  indessen,  dass  dieselbe 
auch  dann  noch  Werthe  liefert,  welche  sich  von  den  richtigen 
nicht  sehr  unterscheiden.  Differentiirt  man  nämlich  den  Ausdruck 


1      "T» 

irre 


nach  c^  und  dividirt  gleichzeitig  durch  </,  so  folgt 

dJ 1^  , 

d.  h.  die  relative  Aenderung  von  J  ist  bei  einer  absoluten 
Aenderung  von  c^  um  so  kleiner,  je  grösser  die  Wellenlänge 
und  je  höher  die  Temperatur  ist.  So  würde  z.  B.  bei  einer 
Vergrösserung  der  Constanten  Cg  von  14  500  auf  26  000  für 
&  =  1000^  die  Ordinate  für  1  fjL  auf  ca.  7i2  i^^res  früheren  Be- 
trages reducirt  werden,  während  bei  i  =  32'*  nur  eine  Ver- 
ringerung der  Intensität  um  36  Proc.  eintritt.  Bedenkt  man 
femer,  dass  die  Intensität  mit  wachsender  Wellenlänge  jenseits 
des  Energiemaximums  sehr  rasch  abnimmt,  so  ist  ersichtlich. 


Reststrahlen  des  Flussspathes,  587 

dass  ein  allmähliches  Anwachsen  der  Grösse  c,  mit  A  bei  Be- 
obachtung der  Energievertheilung  eines  schwarzen  Körpers 
Yon  hoher  Temperatur  sich  wenig  bemerkbar  machen  wird. 
Auf  einer  Zeichnung,  welche  /  als  Function  von  X  für  einen 
schwarzen  Körper  von  2000^  darstellt,  und  deren  Maximal- 
ordinate 1  m  hoch  ist,  würde  ein  Anwachsen  der  Grösse  c^ 
von  14  500  auf  26  000,  welches  in  dem  Spectralgebiet  zwischen 
A  =s  6  ju  und  A  =  25  /i  allmählich  erfolgt,  an  keiner  Stelle  eine 
Verschiebung  der  Curve  um  mehr  als  1  mm  zur  Folge  haben. 
Bei  25^  würde  die  durch  Aenderung  der  Grösse  c^  von  14  500 
auf  26  000  herbeigeführte  Verminderung  der  Ordinate  23  Proc. 
betragen.  Dies  würde  aber  in  dem  von  uns  gewählten  Maass- 
stab weniger  als  0,02  mm  bedeuten. 

Ich  möchte  zum  Schluss  noch  eine  eigenthümliche  Be- 
obachtung erwähnen,  welche  allerdings  mit  dem  Inhalt  der 
vorstehenden  Untersuchung  nur  in  sehr  losem  Zusammenhang 
steht  Es  war  schon  früher  beobachtet  worden,  dass  sich  der 
von  dem  Zugglas  befreite  Auer'sche  Brenner  als  Strahlungs- 
quelle für  langwellige  Wärmestrahlen  sehr  gut  eignet.  ^)  Ausser 
der  beträchtlichen  Grösse  seiner  strahlenden  Fläche  und  der 
für  die  meisten  Zwecke  ausreichenden  Constanz  ist  hierbei 
besonders  seine  verhältniss massig  geringe  Gesammtemission, 
bez.  sein  relativ  grosser  Reichthum  an  Strahlen  von  sehr 
grosser  Wellenlänge  von  Vortheil.  Nach  zweimaliger  Re- 
flexion der  von  dem  Auerbrenner  ausgehenden  Gesammt- 
strahlung  an  Fluoritäächen  erhält  man  bereits  nahezu  reine 
Reststrahlen,  welchen  nur  noch  etwa  4  Proc.  kurzwellige  Strah- 
lung beigemischt  ist.  ^)  Nach  dreimaliger  Reflexion  sind  die 
Reststrahlen  vollkommen  rein  und  betragen  ca.  1,7  Proc.  der 
Gesammtstrahlung,  während  nach  dem  Wien' sehen  Gesetz 
für  einen  „schwarzen  Körper"  von  der  Temperatur  des  Auer- 
schen  Glühstrumpfes  (etwa  2000®  abs.)  jenseits  der  Wellen- 
länge 22^,  bei  welcher  die  Energie  in  den  Beugungsbildern 
der  Reststrahlen  noch  sehr  gering  ist,  überhaupt  nur  noch 
0,089  Proc,  für  die  durch  dreifache  Reflexion  erzeugten  Rest- 

1)  H.  Rubens  u.  E.  Aschkinass,  1.  c.  p.  243. 

2)  Diese  Verunreinigung  kann  durch  Benutzung  eines  Klappschirmes 
aus  Flussspath  praktisch  unwirksam  gemacht  werden  (vgl.  Wied.  Ann. 
64.  p.  597.  1898). 


\ 


588  H,  Rubens,    Reststrahlen  des  Flussspathes. 

strahlen  sicher  weniger  als  0,015  Proc.  der  Gesammtstrahlnng 
zu  erwarten  wären.  Es  kommt  noch  hinzu,  dass  von  der^ 
Gesammtstrahlung  des  von  mir  benutzten  Auer'schen  Bren-^ 
ners  nur  32  Proc.  von  dem  Öltihstrumpf  selbst,  dagegen 
68  Proc.  von  der  Flamme  und  der  zur  Stütze  des  Glühkörpers 
dienenden,  heissen  Halterstange  herrührten,  andererseits  aber 
gingen  über  80  Proc.  der  beobachteten  Reststrahlen  von  dem 
ölühstrumpf  selbst  und  weniger  als  20  Proc.  von  den  übrigen 
strahlenden  Massen  aus.  Hiemach  sendet  der  Auer'sche 
Glühstrumpf  im  Verhältniss  zu  seiner  Gesammtemission  von 
den  Reststrahlen  des  Flussspath  über  280  mal  mehr  aus,  als 
dies  von  einem  schwarzen  Körper  von  gleicher  Temperatur 
nach  dem  Wien'schen  Gesetze  zu  erwarten  wäre.  Hierbei 
ist  die  Constante  c,  der  Wien'schen  Formel  =  14500  an- 
genommen. Setzt  man  für  das  jenseits  22  ju  gelegene  Spectral- 
gebiet  r^  =  26000,  so  wird  die  Diskrepanz  noch  um  25  Proc.  grösser. 
Um  mich  davon  zu  überzeugen,  dass  man  es  hier  mit 
einer  Eigenthümlichkeit  der  Strahlungsquelle  und  nicht  mit 
einem  Versagen  der  Wien'schen  Gleichung  zu  thun  hat,  habe 
ich  das  Verhältniss  der  Reststrahlung  zur  Gesammtstrahlung 
auch  für  einen  „schwarzen  Körper"  bestimmt.  Derselbe  wurde 
mir  von  den  Herren  Prof.  Lummer  und  Prof.  Kurlbaum 
freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  und  ich  ergreife  gern  die 
Gelegenheit,  beiden  Herren,  insbesondere  aber  auch  dem 
Hrn.  Präsidenten  Kohlrausch,  für  das  mir  stets  bewiesene 
Entgegenkommen  meinen  besten  Dank  auszusprechen.  —  Das 
beobachtete  Verhältniss  der  Intensitäten  der  Gesammtstrahlung 
und  der  durch  dreimalige  Reflexion  erzeugten  Reststrahlung 
ergab  sich  bei  einer  Temperatur  des  „schwarzen  Körpers** 
von  i9-j  =  1085®  abs.  zu  (t  =  610.  Nach  der  Wien'schen  For- 
mel berechnet  sich  das  Inten sitäts verhältniss  der  Gesammt- 
emission und  des  jenseits  der  Wellenlänge  A  =  22  ju  gelegeneu 
Theiles  derselben  zu  angenähert  240,  was  mit  dem  Resultat  der 
Beobachtung  jedenfalls  der  Grössenordnung  nach  übereinstimmt 
Eine  genauere  Prüfung  des  Wien'schen  Gesetzes  kann  aller- 
dings an  der  Hand  dieser  Zahlen  nicht  vorgenommen  werden. 

Charlottenburg,  Physikal.  Inst.  d.  Techn.  Hochschule, 

August  1899. 

(Eingegangen  1.  September  lb99.) 


3.  lieber  das  Verhältniss  der  elektrischen  Ladv/ng 
zwr  Masse  der  Kath4>denstrahlen^); 

van  8.  Simon. 


Einleitung. 

Bei  den  Untersuchungen  über  Eathodenstrahlen  haben 
sich  bei  den  verschiedenen  Forschern  erheblich  abweichende 
Resultate  für  die  Grösse  des  Verhältnisses  el  fi,  d.  h.  der 
elektrischen  Ladung  pro  Grammmasse,  ergeben.  Diese  Ver- 
schiedenheit kann  ihre  Erklärung  sowohl  in  Ungenauigkeiten 
der  Versuchsmethoden,  als  auch  in  dem  Umstände  finden, 
dass  die  einzelnen  Forscher  von  verschiedenen  theoretischen 
Voraussetzungen  ausgegangen  sind.  Wie  dem  auch  sei,  jeden- 
falls ist  es  angezeigt,  nach  einer  bestimmten  Versuchsmethode 
eine  möglichst  genaue  Bestimmung  der  Grösse  von  e/ju  durch- 
zufahren. Das  ist  der  Zweck  der  vorliegenden  Arbeit,  und 
zwar  geschieht  die  Untersuchung  auf  Grund  der  von  W.  Kauf- 
mann in  seinen  Arbeiten  über  Kathodenstrahlen')  gemachten 
Voraussetzungen. 

§  1.    Theoretisches. 

In  den  citirten  Arbeiten  gelangt  Kaufmann  zu  der 
Formel: 

/IN  ^ 2  *    F 0 


2« 


f  dx  j  H^dx 


0  0 


Fq  ist  in  dieser  Gleichung  die  PotentialdiflFerenz  zwischen 
den  Elektroden,  J  der  Spulenstrom,  H^  die  Feldstärke  für  die 
Einheit  der  Stromintensität.  Hier  ist  die  Annahme  gemacht, 
dass  die  ablenkende  Kraft  in  Richtung  der  z-Axe  wirkt,  wenn 
die  Kraftlinien   mit  der  Richtung  der  y-Axe   zusammenfallen, 


1)  Auszug  aus  der  gleichnamigen  Berliner  Inaug.-Diss. 

2)  W.  Kaufmann,Wied.  Ann.  61.p.544— 552;  62,p.596— 598, 1897 


) 


i^ 


590  &  Simon. 

und  der  usabgelenkte  Strahl  in  der  x-Axe  verläuft  (Fig.  \\ 
Die  Bahn  des  abgelenkten  Strahles  liegt  dann  in  der  x-z- 
Ebene.     z  bedeutet  in  der  Gleichung  die  abgelesene  Ablenkung,  r 

Die  Gleichung  (1)  ist  nur  angenähert  richtig  für  sehr 
kleine  Ablenkungen.     Deshalb  giebt  Kaufmann  für  grössere 

Ablenkungen  eine  Correctionsformel  an^ 
in   welcher  jedoch  das  Correctionsglied 
unter   der   Annahme    eines    homogenen 
Feldes   bez.    einer   kreisförmigen    Bahn 
des  Strahles   berechnet   wird.     Die  auf 
diese   Weise   ermittelte   Correction    ist, 
wie  aus  den  nachfolgenden  Betrachtungen 
leicht  ersichtlich  ist,  zu  klein.     Eis  soll 
^  X  deshalb    im    Folgenden    eine    genauere 
Berechnung    ftir    den     Zusammenhang 
zwischen  fi/^u   und  der  Ablenkung  gegeben  werden  unter  Zu- 
grundelegung des  thatsächlichen  Feld  Verlaufes. 

Die  von  den  magnetischen  Kräften  in  dem  Kathodenstrahl 
hervorgebrachte  Beschleunigung  steht  überall  senkrecht  auf  der 
Bewegungsrichtung  des  Strahles  und  ist  gleich  v^\q^  wenn  v  die  Ge- 
schwindigkeit des  Strahles  und  q  den  £jümmungsradius  der  Bahn 
an  dem  betrachteten  Punkte  bedeutet.   Dieselbe  ist  femer  gleich: 

sodass  man  die  Gleichung  erhält: 

(2)  ^H^-. 

Setzt  man  für  den  Krümmungsradius  seinen  Werth  ein, 
so  ergiebt  sich  die  Gleichung: 

Da  die  Dimensionen  des  weiter  unten  zu  beschreibendeu 
Apparates  so  gewählt  waren,  dass  jedenfalls  {dzfdxf  klein 
gegen  1  ist,  so  genügt  es,  bei  einer  Reihenentwickelung  der 
rechten  Seite  der  Gleichung  nur  das  1.  Glied  zu  berück- 
sichtigen.    Man  kann  daher  schreiben: 

d*  X       e   H 


(3  a) 


dx^        fi    V 


1  + 


'  ß-:)] 


Kathodenstrahlen. 


591 


Für  das  in  der  Klammer  stehende  Correctionsglied  ^dz/dx)* 
erhält  man  einen  angenäherten  Werth,  indem,  man  zunächst 
setzt: 


(4) 
oder 


(P  X         e       TT 


fi.V 


(5)  ä 

Daraus  folgt: 


dx  ^    e      r 
dx  '~  f^-^J 


Uda 


0 


(6) 
und 

(7) 


dx^        fi.v 


'+iMf^''' 


X  XX 

l""  =  J-  fndx  +  l  -f.-  Tä   fsd 

dx       fi.vj  ^    2  fi'f^J        \J 


dx , 


0 


lO 


/ 


Das  Doppelintegral  im  zweiten  Gliede  auf  der  rechten 
Seite  lässt  sich  in  ein  einfaches  Integral  verwandeln.  Es  ist 
nämlich,  wie  leicht  einzusehen  ist: 

(8)  SfH{fHdxYdx  =  {fHdxf. 

Setzt  man  dies  in  (7)  ein,  so  erhält  man  nach  nochmaliger 
Integration  far  die  Ablenkung  des  Bahnendpunktes: 

'    Xü  X  Xo  /    X  \8i 

(9) 


^0  = 


s 


fl.V 

Folglich : 


0  0  0  \o 


(10) 


V.Xt 


Xf,  X  Xo  j     X 

0  0  0  \0 


X 


Aus  dem  Correctionsgliede  im  Nenner  kann  man  die 
Grösse  elfjL.v  entfernen,  indem  man  fUr  dieselbe  ihren  an- 
genäherten Werth  einsetzt: 


592 


S.  Simon. 


(10a) 


Folglich  ist: 


Xo  X 

Cdx  CHdx 

0  0 


l+*»4 


Xo  IX  \  3 

dx\    fsäx 


MP 


Xo  X 


Hdx 


.0  0 

oder  unter  Berücksichtigung,  dass  das  zweite  Glied  im  Nenner 
klein  gegen  1  ist: 


(11) 


e 


V.Xr 


Xo  X 


Hdx 


0 


Xf,  IX 


3  1 


l-^-.o 


}ä.[JEä. 


2 


Xu  X 

ü  0 


Hdx 


Eß   erübrigt  noch,   in  diese  Gleichung   die   direct  beob- 
achteten Grössen  einzuführen:     Es  ist 


«  =  j/2^r„     und     H^J.H,. 
Setzt  man  dieses  ein,  so  erhält  man: 


fi 


(12)      -  = 
(i 


oder 


LO  ü 


Hdx 


1- 


^dx[  Cndx 

*?       0  \0 


112 


L 
r 


(13) 


fi 


Setzt  man: 


Xo        X  na 


0  0 

r 


Hdx 


1-  zj. 


Zo  * 

Lü  0 

at«  IX 

0  \0 


1 1 


Hdx 


n 


£{X 


a:«) 


'     Xo  0 

.0  0 

31 


1  8 


Hdx 


(14) 


fäxlfHdx 


1  - 


0      \o 

Xo  X 

M 

.0  0 


fl^rfa; 


Kaihodenstrahlen, 


sed 


so  wird 

(15) 


2*7.^0 


J«. 


SRO 


Cdx  Cndx 


LO 


Ein  weiterer  Punkt,  der  für  die  Anordnung  der  Ab- 
lenkungsversuche von  Wichtigkeit  ist,  sei  hier  erörtert. 

In  Fig.  2  stellt  K  die  Kathode,  Ä  die  Anode  dar,  £  den 
Endpunkt  der  Bahn.  Die  x-Axe  ist  die  Richtung  der  unab- 
gelenkten  Strahlen.  Bei  den  Ablenkungsversuchen  ist  die  An- 
ordnung so  getro£fen,  dass  das  Potential  zwischen  Ä  und  £ 


z 

(£^X 

jr 

^ 

a 

ff 

% 


constant  ist,   also   auch  v  die  Geschwindigkeit  der  Theilchen. 
Zwischen  K  und  A  ist  das  Potential  variabel. 

Beobachtet  man  die  Ablenkung  an  dem  Schatten  eines 
bei  A  befindlichen  Drahtes,  so  gelten  die  früher  entwickelten 
Gleichungen  nur,  wenn  auch  bei  Erregung  des  Magnetfeldes 
im  Punkte  A  selbst  die  Richtung  des  Strahles  unverändert 
bleibt,  d.  h.  wenn  für 

dx 

ist.  Diese  Bedingung  wäre  erfüllt,  wenn  zwischen  A  und  K 
die  Feldintensität  gleich  Null  wäre.  Wenn  dieses  auch  aus 
praktischen  Gründen  nicht  zu  verwirklichen  ist,  so  kann  man 
diese  Forderung  doch  auf  Grund  folgender  Betrachtungen 
realisiren. 
Es  ist: 

(16)  ^f  =  i''^')' 


1)  Für  die  hier  folgenden  Betrachtungen  genügen  die  angen&herten 
Formeln,  da  es  sich  nur  um  sehr  schwache  Felder  und  sehr  kleine  Ab- 
lenkungen bandelt 
I  Ann.  d.  PbjB.  n.  Ch«m.    N.  F.    60.  88 


594 


S.  Simon. 


(17)  %  =  ^^-JHvdt. 

Da  nun  vdt^dx,  so  ist: 


(18) 


(4f).-;/^'". 


-  K 


(19) 


/  dx\  ld%_ \ 

(dx\  ^    \  di  )o  ^    [dt  )o  ^ 


(4-)  =  0 

V  dx  /o 


Hdx. 


-K 


Man  sieht,  dass 


wird  für  den  Fall,  dass 


fHdx^O 


-K 


ist.     Bringt  man  also  bei  der  Versuchsanordnung  die  Anode 
Ä  an  eine  Stelle  der  x-Axe,  für  welche 

0 

JHdx 


-K 


verschwindet,  so  verläuft  an  dieser  Stalle  die  Bahn  der  Strahlen 
in  Richtung  der  or-Axe,  und  man  darf  den  Vorgang  so  an- 
sehen, als  oh  die  ab- 
lenkende Kraft  erst 
an  diesem  Punkte 
in  Wirkung  treten 
wili'de. 

In  der  neben- 
stehenden Fig.  3  ist 
der  Verlauf  des  Fel- 
des längs  des  Spulen- 
durchmessers sche- 
—  matisch  angegeben: 
T  0  ist  ein  Punkt  der 

Axe  der  Spulen.  Es  ist  klar,  dass  zu  jeder  Stellung  Ä  der 
Anode  eine  conjugirte  Stellung  der  Kathode  K  gehört,  und 
dass  es  unendlich  viele  solcher  Punktpaare  giebt,  für  welche 


^      -*»iiSSp£ 


Kathodenstrahlen,  695 

f  Hdx  verschwindet.  Für  diese  Stellungen  muss  das  von  der 
Feldcurve  und  der  or-Axe  begrenzte  Flächenstück  Fy  welches 
oberhalb  der  or-Axe  liegt,  gleich  sein  demjenigen  F\  welches 
unterhalb  dieser  Axe  liegt. 

§  2.  Apparate. 

Auf  einer  Grundplatte  a  waren  zwei  Gleitschienen  b  be- 
festigt, zwischen  denen  sich  der  Schlitten  c  bewegen  konnte. 
(Dimensionen  vgl.  Fig.  4  und  5  auf  p.  596.)  Dieser  wurde  durch 
starke  Messingfedem  an  eine  der  Gleitflächen  angedrückt,  wo- 
durch ein  gleichmässiges  Verschieben  längs  dieser  Flächen 
ermöglicht  wurde. 

In  der  Mitte  des  eben  beschriebenen  Schlittens  war  recht- 
winklig zu  demselben  auf  dem  beweglichen  Theile  c  ein  zweiter 
ganz  ähnlicher  Schlitten  angebracht,  dessen  gleitender  Theil  c 
jedoch  aus  zwei  Stücken  bestand,  von  denen  jedes  eine  der 
beiden  zur  Erzeugung  des  Magnetfeldes  dienenden  Spulen  trug. 

Auf  dem  Schlitten  c  war  noch  ein  hölzernes  Auflager  g 
für  die  Entladungsröhre  angebracht.  Es  braucht  wohl  kaum 
erwähnt  zu  werden,  dass  an  dem  Apparate  keinerlei  Eisen- 
theile  zur  Verwendung  kamen. 

An  den  vier  Ecken  von  a  befanden  sich  vier  starke  Holz- 
säulen d\  dieselben  trugen  ein  Brett  e,  in  dessen  Mitte  sich 
ein  Schlitz  befand,  durch  welchen  das  weiter  unten  zu  be- 
schreibende Magnetometer  f  in  den  Zwischenraum  der  beiden 
Spulen  eingelassen  wurde.  Der  ganze  Apparat  wurde  auf  dem 
Arbeitstisch  festgeschraubt.  Jede  der  beiden  Spulen  hatte 
folgende  Dimensionen: 

Der  Zinkblechcylinder,  welcher  die  Wickelung  trug,  hatte 
eine  Wandstärke  von  0,25  mm ;  sein  innerer  Durchmesser  be- 
trug 138,5  mm.  Die  Wickelung  bestand  aus  isolirtem  Kupfer- 
draht von  1  mm  Durchmesser;  die  Isolirung  eingerechnet,  be- 
trug der  Durchmesser  2,5  mm.  Die  Spule  hatte  also,  von 
Mitte  zu  Mitte  Draht  gemessen,  einen  Durchmesser  von 
141,5  mm;  ihre  Länge  betrug  398  mm,  ebenfalls  von  Mitte 
zu  Mitte  Draht. 

Die  Ausmessung  der  Spulendimensionen  wurde  mit  mög- 
lichster Sorgfalt  mit  Maassstab  und  Zirkel  oder,  wo  dieses 
unthunlich  war,  mittels  eines  Diopters  vorgenommen. 

88* 


Die  relative  Lage  der  Eutladnngsrdhre  zum  Felde  wnrd« 
ebeDfiülB  dioptrisch  bestimmt. 


I  (/  "T^  Xfl 


cfidA 


Die   oben    beBchriebene    Construction    des  Apparates   ge- 
stattete es,  bei  der  Feldmeesung  VerschiebuDgen   der  Spnleo 


KaihodenttrahUn. 


697 


C'ia  G. 


HJ 


3cht  ZU  ihrer  Axe  vorzanehmen,  während  das  Magneto- 
seine Stellung  unverrückbar  beibehielt.  Ferner  war  es 
möglich,  jede  Stellung  der  Spulen  zu  dem  Magnetometer 
der  Eathodenröhre,  wenn  dieselbe  aus  irgend  welchem 
le  geändert  worden  war,  mit  Hülfe  von  geeignet  an- 
3hten  Marken,  genau  wiederherzustellen. 
^agnetometer:   Zur  Ausmessung   des   Feldes    der  Spulen 

das  folgende  Instrument  verwandt: 
in  einem  dünnen  Platinfaden  a  (vgl.  Fig.  6),  welcher  an 
Eupferdraht  b  angelöthet  war,  hing  ein  schwerer  Messing- 
von  117  mm  Länge  und  A}j^  mm  Durch- 
r.    In  dem  unteren  Ende  von  c  war  in  ^'^ 

mg  des  Durchmessers  eine  kleine  Ver-         '  .jl.   > 

g   angebracht,  in  welcher  der  Magnete  pi_I 

halten  wurde.     Die  Länge  des  kleinen 
3ten  betrug   5  mm,  seine   Höhe  1  mm 
eine  Dicke  0,1  mm.    Das  Magnetometer 
in  ein  Glasrohr  e  eingeschlossen,  dessen 
It  aus  der  Figur  ersichtlich   ist.     Zur 
fung  wurde  die  Röhre  vollständig  mit 
5r  gefüllt;  ihr  unteres  Ende  war  durch 
Corkstopfen  f  verschlossen.     Oben  war 
riasröhre    durch   ein    Brettchen   h    ge- 
3n,   welches   mittels    dreier    Schrauben 
ruhte  (vgl.  Fig.  5).     Mit   diesen   drei 
üben   konnte  das  System  leicht  justirt 
n.     Die  Orientirung  des  Magneten  ge- 
durch    den    mit   b    fest   verbundenen 
g.     Durch  den   in  dem    Querstücke  e 
liehen  Schlitz  (vgl.  Figg.  4  und  5)  wurde 
lasröhre  in  den  Zwischenraum  der  bei- 
pulen eingelassen.     Die  Drehungen  des 
5ten  wurden  mittels  Spiegelablesung  be-  *' 

tet.  Zu  diesem  Zwecke  war  an  dem  oberen  Ende  des 
igstabes  c  ein  Spiegel  i  befestigt.  In  gleicher  Höhe  mit 
*em  befand  sich  ein  durch  eine  ebene  Glasplatte  ver» 
senes  Fenster  k  in  der  GUasröhre. 


/ 


598 


8.  Simon, 


§  3.  Feldmessung. 

Nachdem  die  Nadel  des  Magnetometers  genau  in  die  rich- 
tige Lage  gebracht  war  und  durch  Controhnessungen  die  Pro- 
portionalität zwischen  Ausschlag  und  Feldstärke  nachgewiesen 
war   (ausführliche  Beschreibung   vgl.    die  Dissertation)  wurde 

die  Feldmessung  folgender- 
maassen  ausgeführt  (die  Schal- 
tung ist  in  der  Fig.  7  sche- 
matisch dargestellt): 

Der  Strom  wurde  der 
Accumulatorenbatterie  A  ent- 
nommen und  durch  den  Wi- 
derstand R  regulirt;  durch 
den   Stromwender  S  konnte 


cfiyf. 


Ä 


seine  Richtung  gewechselt 
werden.  Die  Stromstärken  ' 
jy,  wurden  durch  ein  Präcisions- 
>v'  J  ampöremeter  P  von  Siemens 
und  Halske  gemessen, 
welches  Ablesungen  bis  zur 
3.  Decimalen  gestattete.  Bei 
der  Messung  wurde  der  obere  Schlitten,  welcher  die  Spulen  / 
und  //  trug,  längs  einer  Millimetertheilung,  welche  auf  dem 
unteren  Schlitten  angebracht  war,  in  Richtung  der  :r-Axe  ver- 
schoben. Die  Einstellungen  erfolgten  von  5  zu  5  mm.  Bei 
jeder  einzelnen  Messung  wurde  der  Strom  commutirt.  Die 
Entfernung  der  Scala  vom  Spiegel  betrug  2600  mm. 

In  der  folgenden  Tabelle  (vgl.  p.  599)  bedeutet  a  den  Ab- 
stand von  der  Spulenaxe  in  Millimeter,  n  den  Ausschlag  in 
Scalentheilen  (proportional  den  Feldstärken),  i  die  Stromstärke 
in  Ampere.  In  der  letzten  Verticalcolumne  sind  die  Feldstärken 
in  Procenten  der  maximalen,  welche  in  der  Axe  statthat,  aus- 
gedrückt. 

Das  Resultat  dieser  Messung  ist  in  der  Fig.  8  graphisch 
dargestellt.  Die  Abstände  von  der  Axe  sind  als  Abscissen, 
die  Feldstärken  als  Ordinaten  aufgetragen  (Curve  I).  Ein  Blick 
auf  die  Curve  zeigt,  dass  nur  in  der  nächsten  Umgebung  der 
Axe  das  Feld  mit  einiger  Annäherung  als  homogen  angesehen 


Kathodenstrahlen. 


600 


Tabelle. 


^  a 

n 

• 

■«i 

a 

n 

• 

«»H. 

-50 

143,5 

0,08 

90,84 

90 

160,5 

1,146 

7,09 

-45 

147,0 

0,08 

98,04 

95 

181,0 

1,90 

4,8 

-40 

150,0 

0,08 

94,94 

100 

178,5 

2,62 

3,43 

-35 

152,0 

0,08 

96,20 

105 

124,0 

2,61 

2,39 

-30 

154,0 

0.08 

97,47 

110 

88,0 

2,61 

1,695 

-25 

155,0 

0,08 

98,10 

115 

60,0 

2,61 

1,16 

-20 

156,0 

0,08 

98,78 

120 

38,0 

2,605 

0,74 

-15 

156,5 

0,08 

99,04 

125 

21,5 

2,60 

0,47 

-10 

157,0 

0,08 

99,84 

130 

9,5 

2,66 

0,18 

-  5 

157,5 

0,08 

99,69 

135 

-  2,0 

2,65 

-0,088 

±    0 

188,0 

0,0945 

100 

140 

-11,0 

2,665 

-0,275 

5 

187,5 

0,0945 

99,75 

145 

-18,0 

2,66 

-0,34 

10 

187,0 

0,0945 

99,49 

150 

-23,5 

2,66 

-0,445 

15 

186,5 

0,0945 

99,25 

155 

-28,0 

2,65 

-0,531 

20 

185,5 

0,094 

99,19 

160 

-32 

2,65 

-0,607 

25 

185,0 

0,094 

98,89 

165 

-35 

2,64 

-0,667 

80 

184,0 

0,094 

98,44 

170 

-37,5 

2,641 

-0,715 

35 

182,5 

0,094 

97,64 

175 

-40,0 

2,63 

-0,765 

40 

180,0 

0,094 

96,28 

180 

-41,5 

2,63 

-0,793 

45 

176,5 

0,0945 

98,97 

185 

-42,5 

2,62 

-0,81 

50 

171,5 

0,0945 

91,25 

190 

-48,5 

2,62 

-0,835 

55 

164,0 

0,094 

87,7 

195 

-46,0 

2,625 

-0,863 

60 

151,0 

0,0945 

80,3 

200 

-45,5 

2,61 

-  0,875 

65 

156,5 

0,117 

67,3 

210 

-47,5 

2,615 

-0,915 

70 

173,5 

0,181 

48,3 

220 

-47,0 

2,605 

-  0,908 

75 

161,5 

0,281 

28,9 

230 

-47,5 

2,60 

-0,918 

80 

156,5 

0,464 

17,0 

235 

-47,0 

2.60 

-0,91 

85 

177,5 

0,84 

10,63 

werden  darf.  Schon  in  einer  Entfernung  von  6  cm  von  der 
Axe  ist  die  Feldstärke  um  20  Proc,  in  einer  Entfernung  von 
7  cm  sogar  schon  über  50  Proc.  gesunken  und  nimmt  weiter  ab, 
bis  die  Curve  etwa  bei  einem  Axenabstande  von  13,5  cm  die 
j:-Axe  schneidet.  Hier  also  ist  die  Feldstärke  gleich  Null; 
hier,  wo  die  Kraftlinien  sich  ausserhalb  der  Spulen  wieder 
schliessen,  kehrt  sie  ihren  Sinn  um  und  verläuft  dann  in  einer 


Stärke  von  etwa  1  Proc.  der  mazimaleD  Feldatärka  weiter. 
Die  Beobacfatnngen  erstreckea  sieb  bis  zu  einer  Entfernung 
Ton  6  cm  nach  der  einen  und  23,5  cm  nach  der  anderen  Seit«.' 


Der  Messbereicb  konnte  nicht  weiter  ausgedehnt  werden,  da 
hier  durch  die  Dimensionen  des  Apparates  eine  Grenze  ge- 
zogen war. 

Es  durfte  vielleicht  auffallen,  dass  der  Verlauf  dee  Feldes 
zu  beiden  Seiten  der  Mittelstellung  nicht  ganz   symmetrisch 


Kathodenstrahlen,  601 

ist.  Abgesehen  davon,  dass  diese  Unterschiede  sehr  klein  sind, 
sind  sie  auch  für  den  vorliegenden  Zweck  gleichgültig,  da  es 
nur  auf  die  Bestimmung  des  thatsächlichen  Feldverlaufes  an- 
kommt. Die  Ursache  für  diese  Un  Symmetrie  dürfte  wohl  in 
der  nicht  ganz  konaxialen  Stellung  der  Spulen  liegen.  Mit 
Hülfe  der  auf  diese  Weise  ermittelten  Feldcurve  wurden  die 
in  Gleichung  (13  — 15)  vorkommenden  Doppelintegrale  auf 
graphischem  Wege  bestimmt.  (Das  einfache  Integral:  f  Hdx 
ist  in  Fig.  8  durch  die  Curve  11  dargestellt.) 

Aus  den  Dimensionen  der  Spule  lässt  sich  die  absolute 
Feldstärke  für  den  Mittelpunkt  der  Axe  berechnen  nach  der 
Formet): 

H  =  0,4  nni  — • 

n  bedeutet  die  Windungszahl  pro  Centimeter,  t  die  Strom- 
stärke in  Ampere,  /  die  halbe  Spulenlänge  und  a  ihren  Radius. 
Berechnet  man  einmal  H^j  indem  man  eine  fortlaufende  Wicke- 
lung für  beide  Spulen  annimmt,  und  dann  die  Feldstärke  H^ 
fbr  eine  Spule  von  der  Länge,  die  der  Breite  des  Zwischen- 
raumes (18  mm,  d.  i.  der  Abstand  der  beiden  innersten  Win- 
dungen) entspricht,  so  ist  H^  —  H^  diejenige  für  die  Mitte  der 
Axe  innerhalb  des  Spaltes  (^maz)* 

Die  Rechnung  ergab  folgendes  Resultat: 

iri  =  5,11    C.G.S. 
H^  =  0,658  C.G.S. 


\ 


H^joi  =^H^-H^=z  4,452  C.G.S.  für  den  Strom  i  =  1  Amp. 

Da  Unregelmässigkeiten  in  der  Bewickelung  der  Spulen, 
wie  sie  bei  der  Herstellung  trotz  aller  Sorgfalt  nicht  aus- 
geschlossen werden  konnten,  einen  wesentlichen  Einfluss  auf 
die  Grösse  der  Feldstärke  ausüben,  so  wurde  noch  eine  absolute 
Feldmessung  durch  Vergleichung  der  Spulen  mit  einem  ein- 
fachen Kreisstrom  ausgeführt.^ 

Es  ergab  sich: 

^max  =  4,398. 

1)  F.  Kohlrausch,  Leitfaden  der  praktischen  Physik. 

2)  Ausführliche  Beschreibung  vgl.  die  Dissertation. 


602  8.  Simon. 

» 
Dieser  Werth  unterscheidet  sich  von  dem  aus  den  Dimen- 
sionen  der  Spulen   berechneten  um  1,2  Proc.  und   soll  allen  j^ 
weiteren  Berechnungen  zu  Grunde  gelegt  werden. 


§  4.    Ablenkung  der  Kathodenstrahlen. 
a)  Röhre  und  Anordnung. 

Die  bei  den  Versuchen  über  die  magnetische  Ablenkbar- 
keit  benutzte  Röhre  hatte  folgende  Gestalt  und  Dimensionen: 

An  einen  9  cm  langen  Glascylinder  a  von  3  cm  Durch- 
messer schloss  sich  eine  engere  Röhre  b  von  20  cm  Lange 
und  einem  Durchmesser  von  1,2  cm  an.  Femer  war  an  b  ein 
Ansatzstück  c  angebracht,  an  welches  noch  ein  rechtwinklig 
gebogenes  Glasrohr  d  angeblasen  war  (vgl.  Fig.  9).  An  den 
Enden  von  6,  c  und  d  befanden  sich  Glasschliffe.  Die  Röhre  b 
diente  zur  Aufnahme  der  Kathode,  welche  aus  einer  kreis- 
förmigen Kupferscheibe  e  bestand,  deren  Durchmesser  9  mm 
und  Dicke  2,5  mm  betrug.  Sie  war  an  einem  Kupferdraht 
befestigt,  der  als  Zuleitung  diente  und  in  die  Röhre  f  ein- 
gekittet war. 

Die  Anode  bestand  aus  einem  7,5  cm  langen  und  2,8  cm 
weiten  Messingcylinder  ff.  An  seinem  einen  Ende  war  ein 
engeres  5,5  cm  langes  Messingrohr  h  angesetzt,  welches  in  das 
Glasrohr  b  hineinragte.  Vor  der  Endöffnung  von  h  war  ein 
dünner  Draht  i  ausgespannt,  dessen  Schattenbild  beobachtet 
wurde  (vgl.  Fig.  10).  Die  Zuleitung  zur  Anode  geschah  durch 
den  Kupferdraht  A,  welcher  in  das  Glasrohr  c  eingekittet  war. 
Der  Contact  wurde  durch  ein  Büschel  dünner  Drähte  her- 
gestellt, welche  sich  fest  an  das  Messingrohr  h  anpressten. 

Die  Glasröhre  a  war  durch  eine  starke,  mit  einer  MilU- 
metertheilung  versehenen  Platte  verschlossen.  Auf  der  der  Röhre 
zugewandten  Seite  war  die  Platte  mit  einer  dünnen  Kreide- 
schicht bestrichen,  welche  beim  Auftreffen  der  Kathodenstrahlen 
roth  aufleuchtet.  Um  die  Theiluug  sichtbar  zu  machen,  wurde 
die  Kreide  mit  einer  feinen  Nadel  aus  den  Theilstrichen  ent- 
fernt, in  der  Erwartung,  dass  die  so  freigelegten  Theilstriche 
sich  von  den  äuorescirenden  Kreidegrunde  dunkel  abheben 
würden.     Ueberraschenderweise   erschienen  jedoch  die  Theil- 


Katkodemtrcdtlen . 


V_ 


■i 


x: 


^ 


triebe  hellroth  lenchtond  gegen  den  matter  lencbtenden  Kreide- 
iotergrund.     Die  Ersclieinung  berahte  wohl  auf  einem  ganz 


604 


S,  Simon, 


analogen  Vorgang,    wie   die   kürzlich  durch  Hm.   Martens^) 

wieder  in  die  Praxis  eingeführte  Methode  zur  Beleuchtung  yod  . 

Scalenstrichen.  ' 

Wie  schon  eingangs  (p.  589)  erwähnt,  lehnt  sich  die  Ver- 

suchsanordnung  an  diejenige  von  Kaufmann  an:     Von  dem 

negativen  Pole  einer  In- 
fluenzmaschine 7,  welche 
durch  einen  Elektromo- 
tor angetrieben  wurde, 
führte  über  eine  Wippe 
B  eine  Leitung  zu  einem 
Braun 'sehen  Elektro- 
meter S,  von  hier  zur 
Kathode. 

Der  positive  Pol 
der  Maschine  war  durch 
die  Wippe  mit  dem  Ge- 
stell des  Elektrometers 
und  der  Anode  verbun- 
den. Derselbe  war  zur 
Erde  abgeleitet,  sodass 
innerhalb  des  die  Anode 
bildenden  Cylinders  das 
Potential  Null  vorhan- 
den war. 

Durch  das  Ansatz- 
stück d  war  die  Röhre 
mit  einer  automatisch 
wirkenden  Quecksilber- 
—  es  wurde  nur  Luft 


Fig.  11. 


luftpumpe  verbunden.  Der  Oasdruck 
verwandt  —  wurde  nicht  gemessen,  da  dies  für  die  vorliegende 
Aufgabe  ohne  Belang  war.  Das  Elektrometer  wurde  mit  einer 
Hochspannungsbatterie  bis  4300  Volt  und  für  höhere  Span- 
nungen mittels  einer  elektrostatischen  Waage  geaicht.  Für  die 
Ausführung  dieser  Aichung  bin  ich  Hrn.  Dr.  phil.  A.  Orgler*) 
zu  grossem  Danke  verpflichtet.    Die  Lage  der  Röhre  innerhalb 


1)  F.  F.  Martens,  Wied.  Ann.  62.  p.  206—208.  1897. 

2)  A  Orgler,  Inaug.-Dus.  Berlin  1899. 


Kathodenstrahlen.  605 

der  Spulen,  sowie  die  Gesammtanordnung  ist  aus  der  Zeichnung 
(Fig.  11)  zu  ersehen.  Die  Ablenkungen,  welche  die  Kathoden- 
P  strahlen  bei  Erregung  des  Feldes  (auch  bei  commutirtem  Strom) 
erfahren,  werden  diirch  das  Schattenbild  des  Anodendrahtes  an 
der  Theilung  abgelesen ;  gleichzeitig  wird  Potential  und  Strom- 
stärke bestimmt.  Bei  den  Versuchen  wurde  darauf  geachtet,  dass 
die  Ablenkungen  im  allgemeinen  nicht  grösser  waren  als  1  cm, 
da  bei  grösseren  Ablenkungen  die  oben  angeführten  angenäher- 
ten Rechnungen  ihre  Gültigkeit  verlieren. 

b)   Orientirung  der  Kathodenröhre. 

Die  richtige  Lage  der  Röhre  ist  dadurch  charakterisirt 
dass  der  Weg  der  unabgelenkten  Strahlen  mit  der  Richtung 
der  or-Axe  zusammenfällt  und  ausserdem  senkrecht  zur  Rich- 
tung der  Kraftlinien  (y-Axe)  verläuft.  Da  die  Richtung  der 
Eatbodenstrahlen  innerhalb  der  Röhre  nicht  von  vornherein 
genau  bestimmbar  war,  so  wurde  dieselbe  durch  einen  Vor- 
versuch  festgestellt,  und  dann  die  Röhre  in  solcher  Höhe 
zwischen  den  Spulen  befestigt,  dass  die  Verbindungslinie  der 
Mitte  der  Kathode  und  des  Schattenbildes  des  Anodendrahtes 
mit  der  ;r-Axe  zusammenfiel.  Die  zweite  Bedingung  war  durch 
die  Anordnung  der  Spulen  und  des  die  Röhre  tragenden 
hölzernen  Auflagers  ohne  weiteres  erfüllt. 

Die  Orientirung  des  Drahtes  der  Anode  und  der  Kathode 
in  dem  Magnetfelde,  deren  Lage  zu  einander  nach  den  p.  594 
entwickelten  Betrachtungen  gegeben  war,  sowie  die  Bestimmung 
der  Länge  des  von  den  Strahlen  zurückgelegten  Weges  mussten 
mit  der  grössten  Genauigkeit  vorgenommen  werden. 

Kleine  Unregelmässigkeiten  bei  diesen  Bestimmungen,  be- 
sonders bei  derjenigen  der  Länge  der  durchlaufenen  Bahn 
—  die  Ablenkung  ändert  sich  ja  ungefähr  mit  dem  Quadrate 
der  Weglänge  —  beeinflussen  das  Resultat  schon  recht  er- 
heblich. Die  Bestimmungen  geschahen  dioptrisch  und  resul- 
tirten  aus  einer  grossen- Anzahl  von  Einzelmessungen. 

c)    Correctionsbetrachtung. 

Bevor  zur  endgültigen  Berechnung  von  c/jtt  geschritten 
werden  konnte,  war  es  noch  nöthig,  die  folgende  Betrachtung 


606 


o.  Simon. 


anzustellen,   auf  Grund   deren  eine  Correction  des  Resultates 

von  vornherein  nicht  ausgeschlossen  war. 

Stellt  in  der  Fig.  12  die  Strecke  a—b'  den  Verlauf  d«^ 

unabgelenkten,  a — b  denjenigen  des  abgelenkten  Strahles  dar, 

so  ist  ersichtlich,  dass  in 
jedem  Punkte  von  a—b 
eine  andere  Feldstärke 
herrscht  als  in  den  Pro- 
jectionen  dieser  Punkte  auf 
die  ar-Axe,  für  welche  ja 
das  Feld  bestimmt  worden 
ist.    Für  den  abgelenkten 

Strahl   wird   also   der  Feld  verlauf  ein  anderer  sein,   als  der 

nach  der  Feldmessung  ermittelte,  und  es  ist  zu  untersuchen, 

inwieweit  dieser  Umstand  geeignet  ist,   eine  Modificatibn  des 

Resultates  herbeizuführen. 

Die  angenäherte  Bahngleichung  für  den  abgelenkten  Strahl 

lautet: 


Fig.  12. 


av. 


-]/ZkJ'"}" 


dx . 


0 


0 


Für  die  in  Tab.  I  (vgl.  w.  u.)  mitgetheilten  Ablenkimgs- 
versuche   ergiebt   sich   als   Mittelwerth   der    abgelesenen  Ab- 

^^  lenkungen:  rB0,815cm. 

—  Von  diesem  Werthe 
ausgehend,  wurde  Punkt 
für  Punkt  die  ange- 
näherte Bahn  des  ab- 
gelenkten Strahles  con- 
struirt.  Damit  erhält 
man  für  jeden  Punkt 
der  Bahn  die  Grösse 
der  Ablenkung,  und  es 
lässt  sich  dann  die  Feld- 
stärke Air  jede  einzelne 
Stelle  bestimmen.  Aus 
der  Fig.  13  ist  ersicht- 
lich, auf  welche  Weise  dies  zu  geschehen  hat.  Der  Punkt  o 
stellt    den   Mittelpunkt   des   Durchmessers    der   Spulen,    aUo 


Fig.  13. 


Kathodenstrahlen,  607 


max 


einen  Punkt  ihrer  Axe  dar,  wo  die  maximale  Feldstärke  H^ 
herrscht,  a — b  ein  Stück  der  abgelenkten  Bahn.  Beschreibt 
man  um  o  als  Mittelpunkt  mit  oa  als  Radius  einen  Kreis,  so 
trifft  derselbe  die  x-Axe  in  d.  Die  diesem  Punkte  ent- 
sprechende Ordinate  H^  der  Feldcurve  giebt  die  Feldstärke 
an,  welche  im  Punkte  a  der  Bahn  vorhanden  ist.  Für  den 
Punkt  a  ergiebt  sich  also  eine  Feldstärke  H^j, 

Auf  diese  Weise  erhält  man,  punktweise  construirbar, 
den  corrigirten  Feldverlauf.  Führt  man  nun  für  die  so  er- 
haltene Feldcurve  die  Construction  derjenigen  von  f  Hdx  aus, 
80  ergiebt  sich,  dass  dieselbe  von  der  anderen  nur  so  wenig 
abweicht,  dass  dieser  unterschied  vernachlässigt  werden  kann. 
Wählt  man  z.  B.  einen  Punkt  a  der  Bahn,  für  welchen  öc=3  cm, 
so  ist  die  Ablenkung  ca  an  diesem  Punkte  gleich  0,523  cm. 
Das  ergiebt  für  c  d  eine  Länge  von  0,04  cm,  woraus  sich  eine 
Correction  des  Feldwerthes  von  nur  —0,05  Proc.  ergiebt  In 
einer  Entfernung  von  7  cm  von  der  Axe  ist  ca^  0,229  cm; 
dann  erhält  man  für  c  rf  den  Werth  0,004  cm  und  eine  ent- 
sprechende Feldcorrection  von  etwa  —0,3  Proc.  Da  jedoch 
die  Correction  diesen  relativ  hohen  Werth  nur  im  Anfange 
der  Bahn  besitzt,  d.  h.  auf  einer  Strecke,  welche  zu  dem 
nachher  zu  ermittelnden  Integral  Hdx  nur  einen  sehr  kleinen 
Bruchtheil  beiträgt,  so  ergiebt  sich  mit  Leichtigkeit,  dass  die 
Gesammtcorrection  jedenfalls  weniger  als  0,1  Proc.  beträgt. 
Dieses  sehr  günstige  Ergebniss  ist  nicht  etwa  einem  Zufall 
zu  verdanken,  sondern  der  besonderen  Anordnung  der  Röhre. 
An  den  Stellen  nämlich,  wo  das  Feld  sehr  schnell  veränder- 
lich ist,  sind  die  Ablenkungen  des  Strahles  sehr  klein,  während 
gegen  das  Ende  der  Strahlenbahn  hin,  wo  die  Ablenkungen 
grösser  sind,  das  Feld  nahezu  constant  ist. 

d)  Messungen  und  Berechnung  von  6//i. 

In  den  Tabellen  bedeutet  z^  den  abgelesenen,  z^  den 
nach  Gleichung  (14)  reducirten  Werth  der  Ablenkung  in  Centi- 
metern,  J  den  Spulenstrom  in  Ampäre,  V^  das  Potential  in 
Volt.  In  der  vorletzten  Columne  sind  die  Werthe  von  z'l  F^jJ^ 
zusammengestellt,  und  in  der  letzten  die  Abweichungen  der- 
selben von  dem  Mittelwerthe  in  Procenten  (^7o)- 


608 


S,  Simon. 


Tabelle  I. 

Entfernung  des  Drahtes  der  Anode  von  der  Spalenaxe:  104  mm  (Ponkta 
in  Fig.  8)  >),  Entfernung  der  Kathode  von  der  Aze:  182  mm  (Punkt  1)1^ 
Entfernung  der  Verschlussplatte  von  der  Axe:  29  mm.    Folglich  Lftnge  der 
Strahlenbahn  zwischen  Anodendraht  und  Schlussplatte  (o — b)  =133  mm. 


Vo 

J 

*o 

*? 

^•/ol 

5910 

1,088 

0,94 

0,885 

0,853 

4250 

-2,9 

6260 

1,054 

0,90 

0,810 

0,783 

4400 

+  0,5 

6560 

1,087 

0,895 

0,800 

0,774 

4280 

-2,3 

6840 

1,05 

0,86 

0,74 

0,717 

4440 

+M 

6900 

1,087 

0,885 

0,788 

0,758 

4420 

+0,9 

7170 

1,058 

0,84 

0,706 

0,684 

4380 

0 

7300 

1,076 

0,845 

0,714 

0,693 

4360 

-0,4 

7300 

1,076 

0,845 

0,714 

0,693 

4360 

-0,4 

7650 

1,06 

0,815 

0,664 

0,645 

4380 

0 

7710 

1,06 

0,805 

0,648 

0,631 

4325 

-1,2 

7710 

1,059 

0,81 

0,656 

0,638 

4375 

0 

7710 

1,059 

0,815 

0,664 

0,645 

4430 

+  1.2 

7710 

1,058 

0,81 

0,656 

0,638 

4400 

+0,5 

7760 

1,058 

0,805 

0,648 

0,631 

4375 

0 

7830 

1,058 

0,81 

0,656 

0,638 

4460 

+  1,8 

7830 

1,056 

0,805 

0,648 

0,681 

4425 

+  1,0 

7890 

1,057 

0,805 

0,648 

0,631 

4450 

+  1,6 

7950 

1,072 

0,8 

0,64 

0,623 

4310 

-1,6 

8000 

1,07 

0,795 

0,632 

0,615 

4290 

-2,0 

8000 

1,053 

0,79 

0,624 

0,609 

4390 

+0,3 

8240 

1,042 

0,78 

0,608 

0,593 

4470 

+  2 

8300 

1,11 

0,825 

0,68 

0,661 

4440 

+  M 

8300 

1,071 

0,79 

0,624 

0,609 

4400 

+  0,5 

8530 

1,036 

0,75 

0,56 

0,547 

4340 

-0,9 

8750 

1,087 

0,775 

0,60 

0,586 

4830 

-M 

8850 

1,078 

0,765 

0,586 

0,572 

4340 

-0,9 

8860 

0,982 

0,705 

0,497 

0,487 

4460 

+  1,8 

8930 

0,972 

0,685 

0,469 

0,46 

4325 

-1,2 

1)  Diese  Stellung  entspricht  der  p.  594  gegebenen  Bedingung,  ditf 
I 


das  Integral  J  Hdx  =  0  ist  (vgl.  Fig.  8). 


2)  Der  etwas  grössere  Betrag  der  Abweichungen  gegenüber  der  Kauf- 
männischen Messungen  folgt  daraus,  das  obige  Tabelle  »7  ^o/«^  ^''^^^ 
während  bei  Kaufmann  die  Quadratwurzel  dieser  Grösse  ang^^benist 


k 


Kaihodenstrahlen, 


609 


Als  Mittelwerth  für  z'lFJJ^  erhält  man:  4378,75. 
Die  Rechnung  ergiebt  dann: 


B 


-  =  1,868.  lO^C.G.S.-Einheiten. 
Tabelle  IL 

Die  Kathodenröhre  hat  dieselbe  Lage,  wie  bei  dem  ersten  Versuche. 
Die  Anode  wurde  jedoch  um  0,5  cm  verschoben,  sodass  ihre  Entfernung 
?om  Spulenrande  nur  noch  99  mm  betrug  (Punkt  c  in  der  Zeichnung). 
Die  entsprechende  Stellung  der  Kathode  ist  in  der  Zeichnung  durch  die 
Zahl  II  markirt,  und  ihre  Entfernung  von  der  Spulenaze  betrug  200  mm; 
die  Strahlenbahn  r— 6  hat  bei  dieser  Anordnung  eine  Länge  von  128  mm. 


..  1 .  _. 


«,'2  V 


J« 


6560 

1,117 

0,915 

:  0,84 

:  0,811 

4260 

7830 

1,117 

0,85 

0,72 

0,698 

4380 

8580 

1,117 

0,795 

0,68 

0,613 

4220 

8860 

1,117 

0,78 

0,61 

0,594 

4210 

9110 

1,117 

0,785 

0,615 

0,6 

4370 

9180 

1,117 

0,78 

0,61 

;  0,594 

4355 

9640 

1,117 

0,755 

0,57 

0,556 

4290 

10290 

1,119 

0,725 

0,525 

0,514 

4225 

10820 

1,117 

0,715 

0,51 

0,50 

4330 

10820 

1,117 

0,71 

0,505 

0,494 

4280 

11100 

1,118 

0,70 

0.49 

0,48 

4260 

11180 

1,118 

0,705 

0,496 

0,486 

4380 

11180 

1,117 

0,71 

0,505 

;  0,494 

4420 

11320 

1,118 

0,70 

0,49 

'  0,48 

4380 

11400 

1,119 

0,70 

0,49 

0,48 

4370 

11400 

1,118 

0,705 

0,496 

0,486 

4430 

11480 

1,114 

0,695 

0,484 

0,474 

4380 

11480 

1,12 

0,695 

0,484 

0,474 

4340 

11180 

1,118 

0,70 

0,49 

0,48 

4410 

11520 
11520 

1,115 
1,117 

0,70 
0,69 

0,49 
0,475 

0,48 
0,466 

4440 
4300 

11520 

1,12 

0,69 

0,475 

0,466 

4270 

11520 

1,12 

0,70 

0,49 

0,48 

4400 

11520 

1,12 

0,70 

0,49 

0,48 

4400 

11520 

1,119 

0,695 

0,484 

0,474 

4360 

11600 

1,118 

0,69 

0,475 

0,466 

4320 

11600 

1,117 

0,695 

0,484 

0,474 

4400 

11660 

1,117 

0,685 

0,47 

0,46 

4300 

Ann.  d. 

PhTi.  n.  Che 

m.  K.  F.  6! 

). 

39 

ö7o 

-1,8 
+  0,9 
-2,7 
-3,0 
+0,7 

+  0,4 

-1,1 
-2,6 

-0,2 
-M 

r-1,8 

+  0,9 
+  1,9 
+  0,9 
+0,7 

+  2,1 
+0,9 

0 
+  1,6 
+  2,3 

-0,9 
-1,6 
+  1,4 
+  1,4 

+  0,5 
-0,4 
+  1,4 
-0,9 


610 


S,  Simon, 


Aus    dieser   Beobachtungsreihe    ergiebt  sich   als   Mittd- 
werth  von  s^^FJJ^:  4338,6  und  es  wird: 


8 


=  1,866 .  10^  C.G.S.-Einheiten. 


Tabelle  IH. 

Bei  dem  dritten  Verstiche  schliesslich  wurde  sowohl  die  Röhre  als  anch 
die  Anode  verschoben.  Der  Draht  der  Anode  befand  sich  diesmal  in 
einer  Entfernung  von  95,5  mm  von  der  Spulenaze  (Punkt  d  in  der  Figar). 
Dementsprechend  war  die  Kathode  215,5  mm  von  der  Aze  entfernt  (III). 
Die  ElntfemTing  der  Verschlnssplatte  (e)  von  der  Aze  war  in  diesem  Falle 
45  mm.  Folglich  hatte  der  von  den  Strahlen  zwischen  Anodendraht  und 
Verschluesplatte  zurückgelegte  Weg  d—e  eine  Länge  von  140,5  mm. 


Vo 

J 

Xo 

*? 

*'o* 

7560 

^\ 

4860 

0,860 

1,09 

1,190 

1,148 

-2,6 

4980 

0,851 

1,075 

1,156 

1,120 

7730 

-0,4 

5660 

0,855 

1,01 

1,02 

0,99 

7680 

-1,0 

5660 

0,85 

1,015 

1,03 

1,00 

7850 

+  1,1 

6090 

0,85 

0,96 

0,922 

0,897 

7570 

-2,5 

6210 

0,862 

0,96 

0,922 

0,897 

7500 

-3,8 

6560 

0,84 

0,98 

0,865 

0,843 

7850 

+  M 

6560 

0,865 

0,95 

0,903 

0,879 

7700 

-0,8 

6560 

0,861 

0,95 

0,903 

0,879 

7800 

+  0,5 

7110 

0,858 

0,92 

0,846 

0,825 

7990 

+  2,9 

7700 

0,845 

0,855 

0,732 

0,717 

7740 

-0,3 

8000 

1,15 

1,145 

1,311 

1,260 

7630 

-IJ 

8180 

0,888 

0,88 

0,69 

0,676 

7900 

+  1,8 

8850 

0,85 

0,815 

0,664 

0,652 

8000 

+  3,1 

8850 

0,85 

0,81 

0,656 

0,644 

7900 

+  1,8 

8850 

0,85 

0,81 

0,656 

0,644 

7900 

+  1,8 

9240 

1,14 

1,045 

1,092 

1,057 

7520 

-3,1 

10820 

1,149 

0,99 

0,980 

0,952 

7820 

+0,8 

11530 

1,172 

0,99 

0,980 

0,952 

8000 

+  3,1 

11840 

1,149 

0,98 

0,865 

0,843 

7570 

-2,5 

Der  Mittel werth  von  z'«  FJJ*  ist  7760,5.    Es  ergiebt  sich: 


e 


/*   . 


=  1,860. 10^  C.G.S.-Einheiten. 


Kaihodenstrahlen.  611 

Die  erste  und  dritte  Messung  haben  die  grösste  Ab- 
^  weichung  von  0^43  Proc,  die  erste  und  zweite  nur  eine  solche 
'  von  0,1  Proc.    Als  Mittelwerth  der  drei  Resultate  erhält  man: 

'  =  1,866 .  10^  C.e.8.-Einheiten. 

Zum  Schlüsse  spreche  ich  Hm.  Dr.  Kaufmann,  der  mir 
die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  gab  und  mir  bei  der  Aus- 
führung derselben  in  der  ausgiebigsten  Weise  mit  Bath  und 
That  behülflich  war,  meinen  besten  Dank  aus. 

(Eingegangen  25.  August  1899.) 


89' 


4.  Zur  Messung  elektrischer  Grössen  bei  periodisch 
veränderlichen  Strömen;  von  C.  Heinke. 


Neben  dem  stationären  Gleichstrom  und  dem  durch 
Dynamos  erzeugten  symmetrischen  Wechselstrom,  deren  Aus- 
gleicherscheinungen in  allen  wesentlichen  Punkten  nls  geklärt 
gelten  können,  nimmt  gegenwärtig  ein  periodisch  veränder- 
licher Ausgleich  Vorgang  das  Interesse  in  Anspruch,  welcher 
aus  gleichgespannten  Stromquellen  mit  Hülfe  von  sogenannten 
Unterbrechern  irgend  welcher  Art  hervorgerufen  wird.  Diese 
zwar  schon  lange  bei  den  Primärkreisen  der  Inductorien  prak- 
tisch verwendete,  aber  noch  nicht  hinreichend  messtechnisch 
untersuchte  elektrische  Ausgleichform  tritt  jetzt  bei  Gelegen- 
heit der  Untersuchungen  über  den  sogenannten  elektrolytischen 
Unterbrecher  von  Wehnelt  und  den  daraus  abgeleiteten 
Formen^)  mehr  in  den  Vordergrund  und  lässt  eine  Klärung 
der  messtechnischen  Seite  um  so  dringender  ersehenen,  als 
vermuthlich  nicht  nur  bei  den  hier  auftretenden  Gasentladungen, 
sondern  auch  bei  den  meisten  übrigen  mit  Gasentladungen  ver- 
bundenen elektrischen  Ausgleichvorgängen  die  Hauptausgleich- 
grössen,  d.  i.  Stromstärke  und  Spannung,  sowohl  bezügUch 
ihrer  Einzelmessung,  als  auch  hinsichtlich  ihres  Verhältnisses 
zu  der  in  Frage  kommenden  elektrischen  Energie  bez.  Leistung 
(Effect)  analoge  Verhältnisse  aufweisen  werden. 

Als  Beweis  dafür,  dass  messtechnisch  eine  Klärung  er- 
forderlich ist,  mag  nur  auf  die  verschiedenen  Publicationen 
über  den  Wehneltunterbrecher  verwiesen  werden.  Auf  Grund 
des  Verhaltens  der  Messinstrumente  wird  —  allerdings  ohne 
durchgreifende  Begründung  —  von  den  meisten  Autoren  die 
Messung  der  Ausgleichgrössen  (Spannung  und  Strom)  nur  durch 
quadratisch  wirkende^  d.  h.  effective  Mittelwerthe  anzeigende 


1)  H.  Th.  Simon,  Wied.  Ann.  68.  p.  860.  1899. 


Messung  elektrischer  Grossen,  613 

MessinstrumeDte  (dynamometidscho,  elektrometrische  und  Hitz- 
drahtinstrumente)  für  zalässig  erklärt;  demgegenüber  misst 
P  Ruhmer ^)  in  seiner  werthvollen  Arbeit  „Ueber  den  Einäuss 
der  Temperatur  des  Elektrolyten*'  die  Stromstärke  mit  der 
Tangentenboussole,  d.  h.  voltametrisch.  An  anderer  Stelle^) 
erfolgt  die  Stromstärkemessung  mittels  Hitzdrahtinstrumentes 
effectiv,  trotzdem  wird  die  so  gemessene  mittlere  Stromstärke 
zur  Berechnung  des  zu  erwartenden  Gasvolumens  nach  dem 
Faraday'schen  Gesetz  benutzt,  welches  oflfenbar  den  volta- 
metrischen  (galvanometrischen)  Mittelwerth  verlangen  würde  etc. 
Diese  Unsicherheit  ist  jedenfalls  darauf  zurückzuführen, 
dass  im  vorliegenden  Fall  sowohl  Gleichstrominstrumente  als 
Wechselstrominstrumente  Angaben  machen,  welche  einen  ge- 
wissen Sinn  besitzen  und  ausserdem  vielfach  nicht  sehr  erheb- 
lich voneinander  abweichen.  Obwohl  auch  bei  der  Messung 
von  symmetrischem  Wechselstrom,  d.  h.  Maschinenstrom,  bei 
welchem  Spannungscurven  und  Stromcurven  trotz  beliebiger 
Abweichung  von  der  Sinus  welle  doch  symmetrisch  zum  Null- 
niveau  liegen  und  bei  Coordinatendarstellung  die  zwischen 
Gurve  und  der  das  Nullniveau  bezeichnenden  Abscissenaxe 
eingeschlossenen  Flächen  positiv  und  negativ  gleich  gross  sind, 
eine  derartige  Zweideutigkeit  auch  auftrat  bez.  noch  auftritt, 
so  wiesen  doch  hier  die  Messinstrumente  iu  ihrem  Verhalten 
deutlich  auf  die  Lösung  hin,  insofern  nur  die  technischen 
Weicheiseninstrumente,  sowie  bei  Spannungsmessungen  die  strom- 
verbrauchenden und  ausserdem  mit  selbstinductionshaltigen 
Wickelungen  versehenen  Messinstrumente,  noch  keine  ein- 
deutigen, d.  h.  von  der  Wechselzahl  unabhängigen  Angaben 
lieferten,  was  sich  bei  Strommessungen  durch  die  Hysteresis- 
eigenschafben  des  Eisens,  bei  Spannungsmessungen  durch  die 
Selbstinduction  ihrer  Wickelung  eventuell  in  Verbindung  mit 
jenen  magnetischen  Erscheinungen  erklärte.  Alle  übrigen 
Messinstrumente,  d.  h.  die  eisenfreien,  sowie  für  Spannungs- 
messungen  die  praktisch  hinreichend  selbstinductionsfreien, 
waren  aber  entweder  quadratisch  wirkende  Messinstrumente, 
d.  h.    sie  wurden   in  jedem  Moment   von   dem   Quadrat   des 


1)  £.  Ruhmer,  Elektrotechn.  Zeitschr.  20.  p.  457.  1899. 

2)  A.  Voller  u.  B.  Walter,  Wied.  Ann.  68.  p.  582.  1899. 


614  C.  Heinke. 

Momentanwerthes  der  Messgrösse  angetrieben  (Dynamometer. 
Elektrometer  und  Hitzdrahtinstrumente)  und  maassen  infolge 
des  mechanischen  Trägheitsmomentes  ihrer  schwingenden  Zeige^^ 
massen  den  sogenannten  effectiven,  d.  h.  für  die  elektrische 
Leistung  in  Frage  kommenden  oder  wirksamen  Mittelwerth 
der  Spannung 


j&  = 


bez.  der  Stromstärke 


-  i/i/.^.. 


wenn  e  und  i  den  momentanen  Spannungs-  bez.  Stromwerth 
bezeichnet  und  T  die  Zeit  einer  Periode,  oder  es  waren  ein- 
fach wirkende  Messinstrumente  mit  zwei  contrastirenden  Feldern, 
von  denen  der  eine  Feldfactor  in  der  auf  seine  Feldaxe  be- 
zogenen Grösse  constant  blieb  (Galvanometer,  Tangenten- 
boussole,  Weston-  und  D'Arsonvalinstrumente),  sodass  die 
veränderlichen  Momentanwerthe  der  Messgrösse  den  vom  Instru- 
ment zur  Anzeige  gelangenden  Mittelwerth 


(  t 

F 

t 

0  0 


=  —  /  edt    bez.     ./'=  —  /  idt 


lieferten. 

Bei  symmetrischem  Wechselstrom  mit  hinreichend  kleiner 

Periode,  wie  dem  technisch  gebräuchlichen,  führt  dies  auf  den 

algebraischen  Mittelwerth  Null,  d.  h.  ün- 
brauchbarkeit  derartiger  Messinstrumente,  falls 
keine  regelmässige  Gommutirung  der  einen 
Curvenhälfte  erfolgt;  im  letzteren  Falle  wird 
der  voltametrische  (galvanometrische)  Mittel- 

"  ''^  ^     werth  jedes  Wechsels  (Curvenhälfte)  zu  X  an- 

Fig.  1.  gezeigt  (einfaches  Flächenintegral,  vgl.  Fig.  1), 

während     die     qtiadratisch    wirkenden    Messinstrumente    den 

obigen  Mittelwerth  J=f.J'  anzeigen,  wenn /*  den  Formfactor 

f 


Messung  elektrischer  Grossen.  ßl5 

der  Curve  bezeichnet,  der  fiir  Sinuswelle  den  Werih  1,11  an- 
nimmt. ^) 

Sobald  man  es  nun  mit  elektrischen  Ausgleichgrössen  zu 
thun  hat,  bei  denen  einerseits  periodischer  Verlauf,  anderer- 
seits Fehlen  der  Symmetrie  des  Curvenverlaufes  gegenüber 
dem  Nullniveau  vorliegt,  so  werden  beide  Arten  Messinstru- 
mente —  die  technischen  Weicheiseninstrumente,  sowie  die 
übrigen  in  ihren  Angaben  von  der  secundlichen  Periodenzahl  n 
oder  allgemein  von  dem  aus  der  ersten  Ableitung  nach  der 
Zeit  {dildfj  =  J.p  sich  ergebenden  Factor /?  =  c .  n,  wenn 

c  =  44^  =  4/"^- 


praktisch  abhängigen  Messinstrumente  seien  hier  überhaupt  nicht 
weiter  berücksichtigt,  —  Angaben  machen,  welche  einen  be- 
stimmten Sinn  geben  und  ausserdem  in  energetischer  (effectiver) 
Beziehung  eine  wichtige  Zerlegung  gestatten.  Die  bei  gra- 
phischer (Coordinaten-)  Darstellung  den  zeitlichen  Verlauf  der 
momentanen  Spannungs-  und  Stromstärkenwerthe  darstellenden 
Curven  mögen  sowohl  in  Form,  als  auch  in  ihrer  Lage  zur 
Abscissenaxe  (Nullniveau)  beliebig  gestaltet  sein,  jedoch  con- 
tinuirlich  und  periodisch  verlaufen.  Die  Angaben  der  Mess- 
instrumente mit  effectiven  Mittelwerthen  J^  bez.  E^  werden 
alsdann  stets  grösser  —  im  Grenzfall  höchstens  gleich  gross  — 
sein  als  die  Angaben  der  Messinstrumente  mit  galvanometrischem 
Mittelwerth   /    bez.   E^,    doch   werden   die   letzteren   im    all- 

g  g^ 

gemeinen  nicht  Null,  sondern  einen  ganz  bestimmten  Aus- 
schlag 


=  ^/' 


J^  =  -~  I    idt 


0 


zeigen  —  vorausgesetzt,  dass  die  Periodenzahl  in  der  Secunde 
nicht  so  klein  ist,  dass  die  Instrumente  theilweise  folgen,  in 
welchem  Fall  der  Mittelwerth,  oder  richtiger  der  Schwerpunkts- 
werth  zwischen  den  Grenzlagen  des  Zeigers  einzusetzen  wäre.  — 
Jener  Ausschlag   von   /   bez.  E    kann   als   das  Gleichstrom- 

1)  Näheres  vgl.  in  des  Verfassers  bei  S.  Hirzel  in  Leipzig  er- 
schienenen „Wcchselstrommessungen  und  magnetische  Messungen"  §§  6 
und  7,  dem  auch  Fig.  1   entnommen. 


616 


C,  Heinhe, 


bez.  Gleichspannungsniveau  jener  einseitig  periodischen  Ans- 
gleichgrössen  angesehen  werden,  dem  ein  Wechselglied  auf- 
gelagert ist,  das  im  allgemeinen  zwar  nicht  symmetrisdk^ 
gestaltet  sein  wird,  aber  für  die  meisten,  namentlich  alle 
energetisch  (efiPectiv)  in  Frage  kommenden  Zwecke  durch  einen 
äquivalenten  effectiven  Mittelwerth  ausdrückbar  ist.  Dieses 
periodische  Wechselglied  im  elektrischen  Ausgleichvorgang  kann, 
zwar  nicht  hinsichtlich  der  Maximal werthe,  aber  sonst  aller 
übrigen,  letzterwähnten  Zwecke  durch  eine  äquivalente  Wechsel- 
strom- bez.  Wechselspannungscomponente  mit  dem  f&r  ana^ 
lytische  Behandlung  zu  Grunde  gelegten  Sinusverlauf  ersetzt 
gedacht  werden,  wie  die  Messungen  des  Verfassers  gezeigt 
haben. 

Wegen    der   nach   dieser  Richtung   zulässigen   Auflösung 
jedes   unsymmetrisch   periodisch   veränderlichen  Ausgleichvor- 
ganges   in    ein  Gleichstrom  nivean 
•^      mit    aufgelagertem   Wechselstrom 
j^     möchte   ich^)   für  derartige   elek- 
{^4 — u  trische  Ausgleichvorgänge  die  Be- 
J\  ^     Zeichnung     „  Wellenstrom "     vor- 
schlagen, die  auch  hier  der  Eüzre 
halber  beibehalten  sei.  Die  Wellen- 
stromverhältnisse   werden    ähnlich 
wie   hinsichtlich  der   Messgrössen 
auch   in  den  erforderlichen  Mess- 
insti'umenten   gleichsam    den    all- 
gemeinen Fall  darstellen  gegenüber 
Gleichstrom    und    symmetrischem 
Wechselstrom:    während   nämlich 
bei  Gleichstrom  beide  Arten  Mess- 
instrumente,   d.    h.    jederzeit   die 
Fig-  2.*)  mit  eflfectiven  und  die  mit  volta- 

metrischen  (galvanometrischen)  Mittelwerthen,  gleiche  Angaben 
machen,  mithin  nur  eines  der  einen  oder  der  andern  Art  f&r 
jede  Ausgleichgrösse  (Stromstärke  bez.  Spannung)  erforderhch 
ist,  und  bei  Wechselstrom  (d.  h.  technischem  bez.  symmetrischem) 


1)  C.  Heinke,  Elektrotechn.  Zeitschr.  20.  p.  511.  1899. 
2j  Vgl.  C.  Heinke,  1.  c.  Fig.  11. 


Messung  elektrischer  Grossen,  617 

nur  die  effectiven  Messinstrumente  benutzbar  sind,  weil  nur 
sie  Angaben  machen ,  werden  bei  Wellenstrom  beide  Arten  Mess- 
f  Instrumente  voneinander  abweichende  Angaben  machen,  welche 
jedoch  beide  nicht  nur  einen  Sinn  geben,  sondern  zu  einer 
YoUständigeren  Charakterisirung  des  Ausgleichvorganges  sogar 
erforderlich  sind. 

Die  mit  der  in  Fig.  2  angedeuteten  Messanordnung  bei 
Wellenstrom  durchgeführten  Messungen  lieferten  durch  /  das 
vorhandene  Gleichstromniveau,  durch  J^  den  effectiven  Mittel- 
werth  der  Wellenstromstärke,  woraus  der  auf  J  aufgelagerte 
äquivalente  Wechselstrom  J^ ,  gleichfalls  effectiv  gemessen,  sich  zu 

ergab,    denn   da   die  momentane  Wellenstromstärke  i^  durch 

dargestellt  ist,  so  zeigt  das  galvanometrische  Instrument,  wenn 
T=s2  7i  die  Periodenzeit  bezeichnet,  den  Werth 

t/'"  •  ^*  =  inj'<^9  +  V2  /^  sin  a) rf«  =  y^ , 

0  0 

hingegen  das  effectiv  messende  Instrument  mit  quadratischen 
Momentanwirkungen,  wie  z.  B.  hier  das  Hitzdrahtinstrument 


ü  f  0 


2 


n 


y  y*(Ü'  .dt=y  2~  J  (/,  +  y  2  /.  sin  ay  d  a 


In  analoger  Weise  liefern  die  Spannungsmesser  B^  und  IJ 
die  zwischen  zwei  Punkten  des  Stromkreises  bestehende  efi'ec- 
tive  Wellenspannung  £^  und  das  zwischen  denselben  Punkten 
vorhandene  Gleichspannungsniveau  JE ,  woraus  die  aufgelagerte 
äquivalente  effective  Wechselspannung  sich  zu 

ergiebt. 

Für  die  Messung  von  / ,  namentlich  aber  von  E  .  wäre 
noch  zu  bemerken,  dass  für  ein  symmetrisch  zu  dem  wahren 


I 


618  C.  Hemhe. 

galvauometrischen  Mittel  (Gleichstromniveau)  liegendes  Wechsel- 
glied, gleichgültig  ob  die  Curve  dem  Sinusgesetz  folgt  oder 
nicht,  die  etwaige  Selbstindnction  der  benutzten  galyano># 
metrischen  Messinstrumente  ohne  Belang  fiir  ihre  Angaben 
ist.  Sind  jedoch  die  oberhalb  und  unterhalb  des  wahren 
Gleichstromniveaus  liegenden  Curventheile  jeder  Periode  sehr 
stark  unsymmetrisch,  sodass  bei 

j-^^J^.p     bez.     -^^^E^.p' 

der  Werth  p  bez.  p'  für  die  obere  und  untere  Corvenhälfte 
des  Wechselgliedes  sehr  verschiedene  Werthe  aufweist,  so 
würde  eine  merkliche  Selbstindnction  des  galvauometrischen 
Messinstrumentes  veranlassen,  dass  der  von  ihm  angezeigte 
Werth  J^  bez.  E^  nicht  das  wahre  galvanometrische  Mittel 
wäre,  sondern  etwas  nach  der  Seite  der  Gurvenhälfte  mit  dem 
kleineren  Werth  von  p  zu  verschoben.  Da  bei  dem  im  vor- 
liegenden Fall  zur  Messung  von  E  benutzten  Präcisions- 
Westoninstrument  von  dem  gesammten,  über  12  000^2  «betragen- 
den Widerstand  mehr  als  12000  £i  bifilar  gewickelt  sind  und 
nur  das  bewegliche  System  mit  etwa  60  Windungen  und  an- 
nähernd der  gleichen  Anzahl  Ohm  einen  verhältnissmässig 
kleinen  Selbstinductionscoefficienten  besitzt,  so  können  seine 
Angaben  auch  bei  extremer  Unsymmetrie  des  Wechselgliedes 
nicht  merklich  von  dem  wahren  galvanometrischen  Mittelwerth 
abweichen.  Bei  den  mit  Nebenschluss  arbeitenden  Ampere- 
metern ist  eher  eine  kleine  Abweichung  in  extremen  Fällen 
zu  befürchten,  sodass  dieselben  bei  kleiner  secundlicher 
Periodenzahl  beim  Wehneltunterbrecher  Angaben  machen 
können,  die  ein  wenig  oberhalb  des  wahren  Gleichstromniveaus 
liegen.  Eine  Controle  bez.  Berichtigung  dieser  vermuthlich 
auch  nur  geringen  Abweichungen  wäre  durch  gleichzeitige 
Messung  von  J  mit  einem  die  volle  Stromstärke  fährenden 
galvanometrischen  Messinstrument,  z.  B.  Tangentenboussole, 
möglich.  Eine  derartige,  allerdings  an  einer  rotirenden  Dnter- 
brechervorrichtung  vorgenommene  Controlmessung  lieferte  keine 
die  Messfehlergrenzen  überschreitende  Abweichung  zwischen 
den  Angaben  beider. 

Wichtig,   ja   für   die   Zulässigkeit    und   den    praktischen 


Messung  elektrischer  Grossen.  619 

Nutzen  der  so  gewonnenen  Wechselcomponenten  geradezu  ent- 
scheidend, ist  die  Frage,  ob  dieselben  mit  den  energetischen 
Messungen  in  Einklang  stehen,  sowie  damit  in  Zusammenhang, 
ob  ihre  Verwerthung  im  Polardiagramm,  wie  es  zur  Dar- 
stellung der  periodisch  veränderlichen  Grössen  und  ihrer  gegen- 
seitigen Beziehungen  in  der  Wechselstromtechnik  mit  Vortheil 
benutzt  zu  werden  pflegt,  eine  Probe  liefert,  die  befriedigt. 
Dieses  experimentum  crucis  fällt  nun  durchweg  bestätigend 
aus,  soweit  man  es  mit  Rücksicht  auf  die  Messfehlergrenzen 
nur  erwarten  kann.  Die  Art  des  Vorgehens  für  die  Aus- 
werthung,  sowie  die  Vornahme  jener  Probe  möge  in  Verbin- 
dung mit  den  für  Wellenstrom  wichtigen  energetischen  Ver- 
hältnissen, namentlich  der  Messung  von  Wellenstromleistung, 
an  einem  Beispiel  im  einzelnen  erläutert  werden  (bezüglich 
weiteren  Zahlenmateriales  aus  den  durchgeführten  Messungen 
sei  auf  die  Aufsätze  an  anderer  Stelle:^)  „Ueber  Wellenströme'', 
sowie  auf  einen  später  erscheinenden  Aufsatz  „lieber  Wellen- 
stromerreger"  verwiesen). 

Wie  die  Skizze  der  Fig.  2  erkennen  lässt,  ist  in  dem 
Hauptstromkreise  in  Serie  mit  den  Ampöremetern  J  und  J^  die 
feste  Spule  eines  Wattmeters  eingeschaltet,  während  die  be- 
wegliche Spule  nebst  bifilarem  Vorschaltwiderstand  r  mit  den 
Voltmetern  E^  und  E  parallel  geschaltet  ist  und  durch  Umlegen 
zweier  Bügel  eines  Quecksilberschalters  bald  an  die  Punkte  1 
und  3  („Wehneltunterbrecher"  und  inductivem  Widerstand,  hier 
Transformator),  bald  an  1  und  2  (Wehneltunterbrecher  allein), 
bald  an  2  und  3  (Transformator,  secundär  offen  oder  belastet) 
angelegt  wird  und  jedesmal  die  zwischen  diesen  Punkten  zur 
Umsetzung  gelangende  elektrische  Leistung  (effective  Wellen- 
stromleistung PJ  in  Watt  misst.*) 

Die  als  Beispiel  angeführten,  sich  auf  Messung  Nr.  105 
beziehenden  Zahlen  wurden  bei  folgenden  Versuchsbedingungen 
gewonnen:  activer  Querschnitt  im  Wellenstromerreger  (Wehnelt- 
unterbrecher V)   gebildet  durch  den  mit  positivem  Pol  einer 


1)  C.  Heinke,  Elektrotechn.  Zeitschr.  20.  p.  511.  1899. 

2)  Näheres  über  Wattmetermeasungen,  sowie  erforderliche  Correo- 
tionen  vgl.  die  oben  erwähnten  ^^ Wechselstrommessungen"  §  54  n.  ff. 
Leipzig,  S.  Hirzel  1897. 


620  C.  Hemke. 

Accumulatorenbatterie  von  64  Volt  verbandenen  Platinstift  von 
1,2  mm  Durchmesser  und  etwa  38  mm  herausragender  Länge,  also 
etwa  143  qmm  wirksamer  Oberfläche;  inductiver  Widerstand,# 
gebildet  durch  die  Niederspannungswickelung  eines  Igeltrans- 
formators von  Swinburne,  mit  etwa  0,06  J2  Widerstand,  an- 
genähert 0,020  Henry  Selbstinductionscoefficient  ohne  secundäre 
Belastung,  200  Windungen  mit  etwa  17,5  qcm  Eisenquerschnitt, 
Uebersetzungsverhältniss ;  1:10  d.h.  Hochspannungswickelung 
2000  Windungen ;  letztere  war  an  einen  Hochspannungsconden- 
sator  von  Swinburne  angeschlossen,  dessen  5  eingeschaltete 
Abtheilungen  mit  technischem  Wechselstrom  die  wirksame 
Capacität  von  etwa  2,40  Mikrof.  besass;  der  bei  vorliegendem 
Versuch  mit  Hitzdrahtampäremeter  gemessene  Ladestrom  /n 
betrug  0,44  Amp.  bei  etwa  440  Volt  Secundärspannung. 

Von  den  Tabellenwerthen  beziehen  sich  die  in  Tab.  1 
angeführten  Zahlen  auf  die  unmittelbar  mit  Messanordnung 
in  Fig.  2  beobachteten  Grössen,  natürlich  unter  Anbringung 
der  etwaigen  Instrumentencorrectionen,  während  die  in  Tab.  2 
aufgeführten  Zahlen  die  abgeleiteten  Grössen  darstellen.  Die 
Werthe  jeder  horizontalen  Messreihe,  die  sich  der  Reihe  nach 
auf  die  der  Messung  unterworfene  Kreislaufstrecke  zwischen 
den  Punkten  1  und  3  (obere  Reihe),  1  und  2  (mittlere  Reihe), 
2  und  3  (untere  Reihe)  beziehen,  sind  gleichzeitig  beobachtet: 


Tabelle 

1. 

^. 

E^ 

^. 

J. 

P« 

Volt 

Volt 

Amp. 

Amp. 

Watt 

30,0 

39 

10,1 

12,2 

137 

29,5 

58 

10,2 

12,2 

113 

0,5 

43,5 

10,2 

Tabelle 

12,2 
2. 

24 

n 

P^ 

E^ 

P, 

E^.Jg 

Watt 

Amp. 

Volt 

J^E^ 

cos  (p 

9 

304 

-166 

6,84 

25,0 

171 

-0,97 

-14« 

300 

-187 

6,66 

50,0 

333 

-0,562 

-55  5a 

5 

+   19 

6,66 

43,5 

290 

+  0,065 

+  86    20 

Der  Vergleich  der  in  den  einzelnen  Leiterstrecken  wirk- 
lich zur  Umsetzung  gelangenden  Netto watt  unter  P^  (effective 
Wellenstromleistung)   mit   den   scheinbar   zugefUhrten   Gleich- 

t 


Messung  elektrischer  Grössen, 


621 


)mwatt  unter  P  =  JE  .  J  (scheinbar  Gleichstromleistung)  weist 
e  eigenartige  Energieverschiebung  innerhalb  jeder  Periode 
\  die  nur  der  aufgelagerte  Wechselstrom  mit  seinen  Fac- 
3Q  E^  und  J^  bewirken  kann,  die  sich  aber  hierdurch  auch 
[ig  befriedigend  erklären  lässt.  Behält  man  für  die  analytische 
leitung  zunächst  die  Darstellung  des  Wechselgliedes  durch 
e  äquivalente  Sinuswelle  bei,  so  wird  nach  obigem  ein 
iebiger  Momentanwerth  der  Wellenstromstärke 

gestellt,  worin  {y2.J^)  der  bei  der  Sinuswelle  vorhandene 
ximalwerth  und  sin  cc  die  jeweilige  Phase  des  Wechselgliedes 
leichnet,  welche  den  Momentanwerth  t^  desselben  bedingt 


ypw 


y^ 


y        J 


Fig.  8. 


1.  Fig.  3  mit  der  Darstellung  in  rechtwinkeligen  und  Polar- 
»rdinaten).  Analog  ergiebt  sich  für  den  Momentanwerth 
*  Wellenspannung 

^«,  =  ^,  +  (Vä.  J?^)8in(a  +  9)  =  ^^  ±  e^, 

nn  die  Phasenverschiebung,  d.  i.  bei  Sinuswellen  der  auf  die 
riode  bezogene  zeitliche  Abstand  der  Maximalwerthe,  von 
annung  e^  und  Stromstärke  C  im  Polardiagramm  durch 
1  Winkel  qp  ausgedrückt  wird.  Bei  Curven,  welche  von  der 
lusform  abweichen,  wird  hier  in  der  Wechselstromtechnik 
iktisch  schon  stets  eine  äquivalente  Phasenverschiebung 
geführt,  welche  an  Stelle  der  Maximalwerthe  den  Abstand 
r  hinsichtlich  der  Leistung  in  Frage  kommenden  Schwer- 
ien  einerseits  der  Stromcurve,  andererseits  der  Spannungs- 
:ve  setzt  und  durch 

cos  9>  =  -^^ 


622 


C,  Heinke. 


geliefert  wird,  wenn  P^  hier  die  wirkliche,  d.  h.  zur  Umsetzung 
in  andere  Energieform  gelangende  Wechselstromleistung  be- 
zeichnet und  H^  bez.  J^  die  for  sich  gemessenen  effectiven^ 
Mittel^erthe  der  Spannung  bez.  Stromstärke.  Diese  äqui- 
valente Phasenverschiebung  soll  auch  hier  bei  den  unsymme- 
trischen Wechselgliedem  zur  Anwendung  gelangen.  Zunächst 
erhält  man  jedoch  als  Momentan werth  der  Wellenstromleistung 

7^«,  =  ^«,  •  L  =  [^,  +  (Y^^-)  sin  «  +  qp]  [J^  +  {-ßjjj  sin  a] 

und  über  die  ganze  Periode  integrirt  den  durch  das  Watt- 
meter angezeigten  mittleren  (effectiven)  Werth  der  Wellen- 
stromleistung 

P^  =  £g.J^  +  B^.J^.coB(p  =  P^±P^. 
Bildet  man  aus  den  gemessenen  Werthen 

SO  ergeben  sich  die  oben  unter  P^  aufgef&hrten  Werthe,  sowie 
mit  Hülfe  der,  wie  oben  angegeben,  abgeleiteten  äquivalenten 

effectiven  Mittelwerthe  für  e/L  und 
S^  und  der  scheinbaren  Wechsel- 
stromleistung P^==  J^  .  E^  die 
Werthe  von  cos  9,  sowie  daraus 
der  Winkel  9  der  äquivalenten 
Phasenverschiebung  für  die  Da^ 
Stellung  im  Polardiagramm,  wo- 
bei hier  das  Vorzeichen  Minus 
den  Winkelabstand  der  Span- 
nungscomponente  von  der  Ver- 
längerung  des  Stromvectors  J^ 


J^'ijßtAmß. 


Fig.  4. 


über  den  Anfangspunkt  hinaus  ausdrücken  soll,  während 
Plus  (-1-)  sich  auf  den  Stromvector  selbst  bezieht  (vgl  Dar- 
stellung in  Fig.  4). 

Die  wie  oben  durchgeführten  Messungen  enthalten  nun  in 
mehrfacher  Hinsicht  eine  Ueberbestimmung  und  gestatten  die 
Probe  auf  die  Zulässigkeit  bez.  Richtigkeit  der  abgeleiteten 
Werthe  wie  folgt: 

Nach   dem    abgeleiteten   Werth  für   E^*"^  =  60  Volt  und 


Messung  elektrischer  Grössen,  623 

cos  ^j  =  —  0,562  folgt  die  arbeitleistende  (auf  J^  reducirte) 
Componente  zu 

J&J.2 .  cos  y^  =  -^  =  -  28,1  Volt, 

denn  ^ 

50. (- 0,562)  =-i|^  =  -28:i. 

Ebenso  folgt  die  arbeitleistende  Componente  der  Spannung 
E^^  zu 

i?i8.co8  9,=  ^  =  +J|.  =  +  2,85  Volt 

oder  die  aus  beiden  resultirende  Componente 

E]^ .  cos  9  =  E)^  cos  cp^  +  E"^^ .  cos  ?),  =  -  25,2  Volt, 

was  durch  das  resultirende  cos  y  =  —  0,97  dividirt  den  Werth 
E^s  SS  26  Volt  ergäbe,  d.  h,  mit  Rücksicht  auf  die  vielen  be- 
nutzten Beobachtungen  und  als  Kestglied  einer  längeren  Rechnung 
mit  abgerundeten  Werthen  sehr  nahe  in  üebereinstimmung 
mit  dem  abgeleiteten  WertL 

unter  Vermeidung  der  Benutzung  aller  abgeleiteten  Werthe 
der  ersten  Reihe  erhielt  man  rechnerisch  genauer 

£ij  =  y (^1.2)2  +  (^2^)2  +  2.El^K El^ .  cos {(p,  +  (p,) 

=  25,4  Volt. 

Nach   der  obigen  Ableitung  musste  dies  mit  dem  beob- 
achteten E]^^  30  Volt  zusammen  eine  effective  Wellenspannung 


I 


^1.8  _  y (^1.3)2  +  (^1,3)1  ^  39^3  Volt 

geben. 

Da  mit  dem  Hitzdrahtvoltmeter  E];^  =  39  Volt  beobachtet 
wurde,  so  ist  das  so  gut  in  Üebereinstimmung,  d.  h.  die  Probe 
80  befriedigend  als  man  im  vorliegenden  Fall  nur  erwarten  kann. 

Das  vorliegende  Beispiel  lässt  schliesslich  noch  besonders 
deutlich  erkennen,  dass  bei  allen  elektrischen  Ausgleichvor- 
gängen mit  Wellenstromcharakter  trotz  Entnahme  der  elek» 
frischen  Leistung  aus  einer  Gleichstromquelle  die  zur  Umsetzung  ge- 
langende Leistung  P^  auch  nicht  annähernd  durch  die  gemessenen 
Einzelgrössen ,  d.  i.  Spannung  E  und  Stromstärke  J  gegeben 
zu  sein  braucht,  da  weder  das  Product  der  voltametrisch  ge- 
messenen Mittelwerthe  P  =  E  ,  e7  ,  noch  dasjenige  der  effectiven 


624  C.  Hemke. 

Mittelwerthe  E„'J„  die  wirkliche  elektrische  Leistung  liefern. 
Die  letztere  hängt  vielmehr  noch  in  hohem  Grade  von  der 
äquivalenten  Phasenverschiebung  zwischen  der  aufgelagerten^ 
Wechselstromcomponente  /^  und  der  zwischen  den  Enden 
einer  jeweils  ins  Auge  gefassten  Ereislaufstrecke  vorhandenen 
Wechselspannungscomponente  JS^  ab  und  kann  nicht  nur  grösser, 
sondern  vielfach  auch  bedeutend  kleiner  als  P  sein,  wie  z.  B. 
stets  innerhalb  des  Wellenstromerregers.  Für  die  ganze  Strecke 
zwischen  den  Punkten  1  und  8  ist  im  obigen  Beispiel  E^  und 
J^  in  Phase  nahezu  entgegengesetzt  und  deshalb  eine  Minder- 
leistung gegenüber  P  von  fast  dem  vollen  Betrag  li]^,J^ 
vorhanden. 

Dass  ein  Mischproduct,  z.  B.  J  ,  E^y  aus  galvanometrisch 
gemessener  Stromstärke  und  effectiv  gemessener  Spannung,  wie 
es  zur  Bestimmung  der  Leistung  bei  Gasentladungen  zuweilen 
benutzt  worden  ist,  dieselbe  bei  Wellenstromcharakter  der 
Entladungen  nicht  zu  liefern  vermag,  bedarf  wohl  kaum  des 
besonderen  Hinweises. 

Gegenüber  dieser  sich  auf  Messung  gründenden  Auslegung 
der  Wellenstromerscheinungen,  welche  sich  den  Thatsachen 
soweit  anpasst,  dass  ihre  Zulässigkeit  bez.  Richtigkeit  kaum 
zu  widerlegen  sein  dürfte,  kommt  die  Frage  nach  der  Ent- 
stehung der  gemessenen  Grössen  im  Zusammenhang  mit  den 
schon  anderweitig  bekannten  Ausgleichgesetzen  erst  in  zweiter 
Linie.  Hier  kann  man  auf  Grund  der  vielseitigen  Analogien 
mit  den  bei  Wechselstrom  auftretenden  elektrischen  Besonanz- 
erscheinungen  ^)  die  bei  Wellenstrom  auftretenden  Spannungs- 
steigerungen der  effectiv  gemessenen  Werthe  auch  einer  durch 
das  Wechselglied  verursachten  elektrischen  Resonanz  zuschreiben. 
Alsdann  ist  man  genöthigt,  im  Wellenstromerreger,  speciell 
den  mit  Elektrolyten  arbeitenden  Unterbrecher,  eine  Capacitäts- 
Wirkung  anzunehmen,  etwa  entsprechend  derjenigen,  wie  sie 
aus  den  von  H.  von  Helmholtz  über  Doppelschichten  durch- 
geführten Ueberlegungen  folgen  würde;  die  Berechnung  eines 
äquivalenten  Capacitätswerthes  im  Wellenstromerreger  wäre  als- 
dann naheliegend.  Andererseits  kann  man  die  Erklärung  ohne 
Zuhülfenahme    einer    Resonanz    sowie    ohne   Annahme   eines 

1)  Vgl.  Elektrotechn.  Zeitschr.  18.  p.  61.  1897. 


Messung  elektrischer  Grössen,  625 

Capacitätswerthes  versuchen.  In  Physikerkreisen  neigt  man 
gegenwärtig  mehr  der  letzteren  Anschauung  zu^  doch  sprechen 
nach  meiner  Ansicht  verschiedene  Messergebnisse  zu  Gunsten 
der  ersten  Auffassung,  deren  Stützung  auf  Grund  des  ge- 
wonnenen Zahlenmaterials  in  einem  gesonderten  Aufsatz  ver- 
sucht werden  soll. 

Besultat. 

Bei  elektrischen  Ausgleichvorgängen  mit  Wellenstrom- 
charakter  lässt  sich  Spannung  und  Stromstärke  durch  gleich- 
zeitige Messung  mit  galvanometrisch  und  mit  effectiv  an- 
zeigenden Messinstrumenten  in  je  zwei  Componenten  zerlegen, 
ein  constantes  Glied  und  ein  aufgelagertes  Wechselglied,  wobei 
das  letztere  in  energetischer  (effectiver)  Hinsicht  den  E^atz 
durch  eine  äquivalente,  symmetrische  Sinuswelle  gestattet. 

Die  Messung  der  wirklichen  Wellenstromleistung  kann, 
ähnlich  wie  bei  Wechselstrom,  nicht  durch  eine  getrennte 
Strom-  und  Spannungsmessung  erfolgen,  sondern  bedarf  elek- 
trisch einer  besonderen  Messvorrichtung,  am  besten  eines  zu- 
verlässigen Wattmeters,  oder  muss,  wo  dies  nicht  ausführbar, 
indirect  aus  der  während  längerer  Zeit  umgesetzten  Energie- 
menge bestimmt  werden,  indem  man  die  gesammte  elektrische 
Energie  in  Wärme  überführt  und  diese  calorimetrisch  der 
Messung  zugänglich  macht. 

(Eingegangen  1.1.  August  1899.) 


Ann.  (L  Phjt.  u.  Chom.    N.  F.    69.  40 


5.  Veher  die  höchsten  hörbaren 
und  unhörbaren  Töne  van  c^  =  4096  Schwingungen 
(utj  =  8192  V8),  bis  über  P  {fa^,),  zu  90000  Schwin- 
gungen (180000  V8),  nebst  Bemerkungen  über  die 
Stosstöne  ihrer  Intervalle,  und  die  durch  sie 
erzeugten  KundV  sehen  Staubflguren; 
von  Rudolph  Koenig. 


Die  oft  citirte  Reihe  sehr  hoher  Stimmgabeln^  mit  der 
Despretz  im  Jahre  1848  seine  üntei*snchangen  über  die 
Grenze  der  Hörbarkeit  der  höchsten  Töne  angestellt,  war  von 
Marloye  angefertigt  worden,  welcher  erklärt^),  dieselbe  von 
c^  bis  c^  vermittelst  der  Schätzung  ihrer  musikalischen  Inter- 
valle mit  dem  Ohre  gestimmt  zu  haben,  und  dass  er  darauf 
auch  noch  hätte  das  Intervall  der  höheren  Octave  dieses 
letzten  Tones  stimmen  können,  also  r^(u^o  ^  66,536  vi\ 
welcher  Ton  schon  sehr  beträchtlich  über  der  mittleren  Grenze 
der  Hörbarkeit  normal  hörender  Menschen  liegt.  Nun  ist  es 
allerdings  möglich,  dass  es  Menschen  geben  kann,  deren  G^ör 
die  angeborene  oder  durch  üebung  erlangte  Fähigkeit  besitzt, 
auch  noch  Töne  zu  vernehmen  und  ihre  musikalischen  Inter- 
valle zu  erkennen,  die  wegen  ihrer  Höhe  ftlr  gewöhnliche  Ohren 
nicht  mehr  existiren,  aber  leider  ist  es  in  solchen  Fällen  immer 
so  gut  wie  unmöglich,  sich  mit  Sicherheit  davon  zu  über- 
zeugen,  ob  diese  Fähigkeit  bei  den  betreffenden  Personen  deon 
auch  wirklich  existirt  oder  nur  eingebildet  ist  Mein  schon 
aus  diesem  Grunde  nur  sehr  geringer  Glaube  an  die  Richtigkeit 
der  von  Marloye  hergestellten  Töne  schwand  vollst&ndig,  als 
gleich  in  den  ersten  Jahren,  nachdem  ich  1858  angefangen 
hatte,  mich  mit  der  Anfertigung  akustischer  Apparate  zu  be- 
schäftigen,  ich  mehrfach  Gelegenheit  hatte,  an  Musikern  die 
Beobachtung  zu  machen,  dass  bei  ihnen  allen,  trotz  ihres  oft 
sogar  aussergewöhnlich  gut  ausgebildeten  musikalischen  Gehörs, 


1)  Marloye,  Einleitung  zu  seinem  Catalog  von  1851,  p.  7. 


Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  Töne,  627 

die  Beartheilung  der  musikalischen  Intervalle  immer  schon  in 
der  oberen  Hälfte  der  Octave  von  c*  eis  c^  anfing,  erst  un- 
sicher und  dann  vollständig  fehlerhaft  zu  werden.  Unter 
solchen  Umständen  schien  es  mir  nöthig,  dass  Töne,  welche 
über  c\ut,)  hinausliegen;  nothwendig  entweder  durch  eine  ganz 
objective  Methode  hergestellt  werden  müssten,  oder  in  Er- 
mangelung einer  solchen,  wenigstens  durch  eine  Methode,  bei 
der  das  Ohr  nichts  zu  verrichten  hätte,  was  die  Fälligkeiten 
des  gewöhnlichen  guten  Gehörs  überschritte,  und  dass  in  jedem 
Falle  auch  die  Richtigkeit  ihrer  Stimmung  sich  durch  eine 
dieser  Methoden  immer  müsste  mit  Sicherheit  prüfen  lassen, 
wenn  sie  in  der  Wissenschaft  wirklich  verwerthbar  sein  sollten. 
[eh  construirte  also  im  Jahre  1874  eine  Reihe  von  Stimmgabeln, 
welche  ich  so  massiv  als  möglich  wählte,  um  mit  denselben 
recht  starke  DiflFerenztöne  zu  erhalten,  vermittelst  deren  Ver- 
wendung ich  beim  Stimmen  bis  zu  /"^(/flg  =  43690,6  t;*)  ge- 
langte. Die  Zinken  dieser  letzten  Gabel  hatten  nur  noch 
sine  Länge  von  14mm,  welche  gleich  ihrer  grössten  Dicke 
war,  was  denn  natürlich  zur  Folge  hatte,  dass  sie  schon  allein 
nur  noch  schwer  in  Schwingung  versetzt  werden  konnte,  und 
08  noch  schwieriger  war,  ihren  Ton  zugleich  mit  dem  der  nur 
wenig  längeren  ihr  vorhergehenden  Stimmgabel  e''  stark  genug 
EÜr  die  Erzeugung  des  Diflferenztones  hervorzulocken.  Gabeln 
mit  dünneren  Zinken  für  die  gleichen  Töne  mussten  natürlich 
leichter  erregbar  ausfallen,  dafür  wäre  aber  bei  ihnen  auch 
wieder  der  Ton  schwächer  geworden,  und  ich  glaubte  daher 
annehmen  zu  dürfen,  dass  man  auch  mit  solchen  Gabeln 
vermittelst  der  angewendeten  Stimmmethode  nicht  viel  weiter 
würde  gelangen  können.  Jedenfalls  liess  ich  es  damals  bei 
dieser  ersten  Stimmgabelreihe  bewenden,  es  schien  mir  aber 
interessant,  nun  auch  noch  zu  zeigen,  welche  Dimensionen  die 
anderen  Tonwerkzeug  nach  ihren  Schwingungsgesetzen  be- 
rechnet, annehmen  müssen,  um  solch  hohe  Töne  erzeugen  zu 
können,  und  so  stellte  ich,  ausser  einer  Reihe  von  transversal- 
schwingenden Stahlstäben,  wie  ich  eine  solche  schon  1867  auf 
der  Ausstellung  in  Paris  gezeigt  hatte,  auch  noch  Reihen  von 
longitudinalschwingenden  Stäben,  von  Platten  und  von  Orgel- 
pfeifen her,  welche  ich  alle  1876  auf  die  Ausstellung  in  Phila- 
delphia schickte,  in  der  Absicht,  nach  dem  Schlüsse  derselben 

40* 


628  R.  Koeniff. 

eine  Beschreibung  dieser  Arbeit  zu  veröffentlichen.  Da  erfahr 
ich  dort  in  der  Ausstellung  selbst,  dass  Preyer  kürzlich^ 
eine  Arbeit^)  hätte  erscheinen  lassen,  in  welcher  er  über  eimr 
Stimmgabelreihe  spräche^  die  bis  zum  e^  hinaufreichen  sollte, 
und  darauf  las  ich  dann  auch  selbst  in  seiner  Schrift,  dass 
er  über  dieselbe  sagt  (p.  21):  „Innerhalb  der  ganzen  Reihe 
lassen  sich  sehr  deutliche  Differenztöne  erzeugen,  und  dadurch 
wird  die  Richtigkeit  der  Tonhöhe  der  Gabeln  bewiesen/'  und 
weiter  (p.  22):  „Da  es  aber  in  der  grossen  Höhe  auf  einige 
Schwingungen  mehr  oder  weniger  zuerst  nicht  ankam,  so 
wurden  die  Differenztöne  zum  Stimmen  benutzt.''  Hiemach 
musste  man  also  nothwendig  annehmen,  dass  seine  Gabehi 
wirklich  vermittelst  der  Differenztöne  gestimmt  waren  und 
folglich  nur  ganz  kleine  Fehler  haben  konnten.  Da  jedoch 
diese  Resultate  Frey  er' s  in  vollkommenem  Widerspruche  mit 
meinen  eigenen  Beobachtungen  standen,  so  würde  ich  nach 
meiner  Heimkehr  von  Amerika  der  Sache  sofort  auf  den  Orond 
zu  kommen  gesucht  haben,  wenn  es  mir  nicht  unmöglich  ge- 
wesen wäre,  dieses  zu  thun,  ohne  dabei  vor  allen  Dingen 
auch  die  von  Preyer  angewendete  Gabelreihe,  oder  doch 
wenigstens  eine  solche  Reihe  gleichen  Ursprunges  einer  Prüfung 
zu  unterwerfen,  über  welche  aber  den  Bericht  zu  erstatten 
mir  dann  voraussichtlich  sehr  schwer  gewesen  sein  würde, 
ohne  mich  dabei,  in  meiner  Eigenschaft  als  Verfertiger 
akustischer  Apparate,  dem  Yerdachte  auszusetzen,  vielleicht 
nicht  allein  im  rein  wissenschaftlichen  Interesse  in  dieser 
Angelegenheit  das  Wort  genommen  zu  haben.  Ich  beschloes 
also,  mit  allen  Mittheilungen  über  die  höchsten  Töne  zu 
warten,  bis  die  besagten  Stimmgabeln  erst  einmal  von  irgend 
einem  anderen  Gelehrten,  ohne  meine  Betheiligung  dabei, 
geprüft  sein  würden,  und  begleitete  vorläufig  nur  die  Anzeige 
meiner  Stimmgabelreihe  von  c^  bis  f^  in  meinem  Catalog  von 
1882  (Nr.  47)  und  in  dem  von  1889  (Nr.  50)  mit  einer  kleinen 
Notiz,  in  welcher  ich,  nach  der  Beschreibung,  wie  man  die 
Gabeln  zu  zweien  auf  dem  Gestelle  zu  befestigen  hätte,  sagte: 
„Schon  mit  den  drei  letzten  Stimmgabeln  über  c^  wird  die 
Hervorbringung  und  Beobachtung  dieser  Töne  recht  schwer, 


1)  W.  Th.  Preyer,  Die  GreDzen^der  Ton  Wahrnehmungen. 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne,  629 

ich  habe  daher  vorgezogen,  die  Reihe  mit  f  abzuschliessen, 
damit  man  mir  nicht  den  Vorwarf  machen  könne,  in  das 
P  Reich  der  Einbildung  zu  gerathen.  Für  fast  alle  Ohren  ist 
übrigens  die  Grenze  der  Hörbarkeit  mit  diesen  letzten  Tönen 
nicht  nur  erreicht,  sondern  sogar  überschritten,  und  für  be- 
jahrte Leute  sinkt  diese  Grenze  gewöhnlich  bis  unter  c'  = 
16384  Schwingungen.' < 

Seitdem  hat  nun  aber,  wie  bekannt,  zuerst  Melde  1894 
nachgewiesen,  dass  in  Stimmgabelreihen  gleicher  Art  und 
gleichen  Ursprunges,  als  der  von  Frey  er  angewendeten, 
schon  c®  um  eine  kleine  Terz  falsch  war,  bei  einem  c'  aber 
der  Fehler  sogar  eine  volle  Octave  betrug,  worauf  dann 
1897  Stumpf  und  Meyer  in  der  von  Preyer  selbst  be- 
nutzten Serie  nicht  nur  Fehler  gleicher  Grösse  vorfanden, 
sondern  auch  noch  constatirten,  dass  die  Gabeln  in  derselben 
nicht  einmal  ,^ununterbrochen  in  die  Höhe  gehen'',  obgleich 
Preyer  (S.  21)  noch  ganz  besonders  betont  hatte,  dass 
wenn  sie  von  c^  an  der  Reihe  nach  erklingen,  er  stets  „voll- 
kommen deutlich  erkennt,  dass  sie  bis  zum  e^  immer  höher 
werden''.  Damit  scheint  mir  der  Grund  also  wohl  nun  fort- 
gefallen zu  sein,  aus  welchem  ich  früher  Anstand  nahm,  meine 
persönlichen  Bemerkungen,  die  ich  bei  der  Beschäftigung  mit 
den  höchsten  Tönen  gemacht,  zu  veröffentlichen,  und  so  will 
ich  sie  nun,  aber  auch  jetzt  noch  mit  Ausschluss  jeder  Be- 
urtheilung  oder  Kritik  fremder  Arbeiten,  in  Folgendem  zu- 
gleich mit  meinen  neuesten  Untersuchungen  über  diesen  Gegen- 
stand zusammenstellen,  was  mir  dann  auch  noch  Gelegenheit 
geben  wird,  meine  früheren  Untersuchungen  über  Stösse  und 
Stosstöno  durch  die  Beobachtung  der  Stosstöne  an  Intervallen 
der  höchsten  Töne  vervollständigen  zu  können. 

I.  Ueber  die  höchsten  Töne,  welche  man  durch  direotes  Stimmen 

herstellen  kann. 

1.  Stimmgabeln  voo  c'  bis  fis'',  vermittelst  der  Stosstöne 

gestimmt 

Ehe  ich  nach  der  Herstellung  der  oben  erwähnten  Reihe 
sehr  massiver  Stimmgabeln  zur  Anfertigung  neuer  vermittelst 
der  Stosstöne  gestimmter  Reihen  schritt,  machte  ich  zahlreiche 
Versuche  mit  Stimmgabeln  von  sehr  verschiedener  Masse  und 


630  R.  Koeniff. 

auch  von  sehr  verschiedener  Form^  bei  denen  sich  heraus- 
stellte, dass  die  Gabeln  für  die  höchsten  Töne,  welche  am^ 
leichtesten  in  Schwingung  versetzt  werden  konnten  and  mtr 
denen  sich  auch  am  besten  die  Stosstöne  mit  genügender 
Deutlichkeit  erzeugen  Hessen,  bedeutend  geringere  Masse  haben 
mussten,  als  die  Gabeln  der  alten  Reihe,  so  dass  also  z.  B. 
die  Gabel  für  /*^  jetzt  nur  noch  Zinken  hat,  deren  grösste 
Dicke  unten  etwa  6  mm  und  oben  4  mm,  bei  einer  Länge  von 
12  mm,  beträgt.  Alle  diese  neuen  Stimmgabelreihen  umfassen 
aber  auch  wie  die  alte  die  Töne  der  diatonischen  Tonleiter 
von  c«(tt^  =  8192  t;*)  bis  f^(fa^  =  43690,6  vs).  Mit  den 
tiefsten  Stimmgabeln  derselben  bis  etwa  zum  p^  oder  a^  er- 
hält man  noch  ohne  jede  Schwierigkeit  ganz  leicht  zu  beob- 
achtende Stosstöne,  indem  man  die  betreffenden  zwei  Gabeln 
schnell  hintereinander  anschlägt;  über  a^  hinaus  klingen  die 
Gabeln  aber  nicht  mehr,  nachdem  man  sie  angeschlagen  hat> 
lange  genug  nach,  man  ist  daher  gezwungen,  sie  durch  einen 
Bogenstrich  zu  erregen  und  ihre  Töne  während  desselben  zu 
beobachten.  Stosstöne  können  unter  solchen  umständen  dann 
natürlich  nur  entstehen,  wenn  zwei  Gabeln  zu  gleicher  Zeit 
angestrichen  werden.  Für  ein  solch  gleichzeitiges  Anstreichen 
zweier  Gabeln  bedient  man  sich  am  besten  eines  besonders  zu 
diesem  Zwecke  hergerichteten  schweren  Ständers  aus  Gass- 
eisen, welcher  eine  Art  von  doppelter  Schraubenpresse  trägt, 
wie  Fig.  96  in  meinem  illustrirten  Catalog  von  1889  zeigt 
Auf  diesem  Gestelle  befestigt  man  die  beiden  Stimmgabeb 
mit  ihren  Flächen  dicht  nebeneinander  und  mit  ihren  Zinken- 
enden in  gleicher  Höhe,  man  fasst  dann  den  Gontrabassbogen 
mit  beiden  Händen  am  Frosch  und  am  Eopfo  und  stellt  da- 
durch aus  ihm  einen  Doppelbogen  her,  dass  man  die  beiden 
Zeigefinger  durch  die  Mitte  seines  Bezuges  steckt,  wo  man 
dann  mit  demselben  Bogenstriche  über  die  Enden  der  Gabeln 
beide  zugleich  zum  Schwingen  bringt.  Soll  der  Bogen  nur  für 
diese  Experimente  dienen,  so  ist  es  zweckmässig,  etwa  ein 
Fünftel  der  Haare  des  Bezuges  aus  seiner  Mitte  für  das  be- 
quemere Durchstecken  der  Finger  herauszuschneiden.  Ohne 
diese  Vorsicht,  den  Bezug  des  Bogens  in  der  angegebenen 
Weise  in  zwei  Theile  zu  theilen,  führt  beim  Anstreichen  der 
Oberfläche  der  Zinken  immer  ein  Theil  der  Haare  zwischen 

• 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne.  631 

die  beiden  Gabeln  und  verhindert  dabei  die  Entstehung  ihrer 
Schwingungen. 

Diese  Experimente  lassen  sich  ganz  leicht  bis  etwa  zum 
ff*  ausführen,  über  diese  Grenze  hinaus  gelingen  sie  aber 
immer  schwerer,  und  hat  man  erst  c^  von  16384  Schwingungen 
überschritten,  so  gehört  schon  eine  sehr  grosse  üebung  und 
Sicherheit  im  Anstreichen  dazu,  noch  Stosstöne  mit  den  Gabeln 
bis  f^  hervorzubringen.  Alle  meine  Versuche  aber,  auch  noch 
das  ff^  auf  diese  Weise  zu  erreichen,  brachten  mich  trotz 
meiner  gi'ossen  Uebung  und  auch  Geduld  nur  noch  bis  in  die 
Mitte  zwischen  f^  und  ^^,  wo  die  Mühe  und  Anstrengung,  den 
Stosston  noch  hervorzubringen,  schliesslich  so  gross  wurde, 
dass  ich  es  aufgab,  weiter  zu  gehen  und  es  auch  für  f^^  bei 
der  einen  Gabel,  mit  der  ich  es  erreicht,  bewenden  Hess,  und 
in  der  Folge  die  Reihe  der  Gabeln  immer  schon  bei  f^  abbrach. 

2.  BemerkuDgen  über  die  Stosstöne  beim  Zusammenklange 

zweier  Tone  von  c*  bis  fW, 

Ich  lasse  nun  hier  die  Tabelle  folgen,  welche  sämmtliche 
Stosstöne  enthält,  die  sich  mit  allen  zwischen  diesen  Gabeln 
möglichen  Intervallen  hervorbringen  und  beobachten  lassen, 
sodass  sie]  füglich  als  eine  Fortsetzung  der  von  mir  früher 
in  meiner  Abhandlung  „üeber  den  Zusammenklang  zweier 
Töne''^)  gegebenen  angesehen  werden  kann,  in  welcher  ich 
sämmtliche  Stösse  und  Stosstöne  zusammengestellt  habe,  die 
sich  an  Intervallen  mit  den  Grundtönen  von  Contra  F{fa_^y 
Gr.  C  (ti^).  Kl.  c,  c*,  c*,  c',  c*  beobachten  lassen.  In  folgender 
Tabelle  (vgl.  p.  632  u.  633)  für  die  Intervalle  mit  den  Grund- 
tönen von  c^  bis  f  habe  ich  nur  eine  etwas  andere  Anordnung 
gewählt,  die  mir  hier  angemessener  schien.  In  dieser  enthält 
die  Verticalcolumne  links  die  Grundtöne  mit  ihren  Verhältniss- 
zahlen und  Schwingungen,  die  Horizontalreihe  oben  die  höheren 
Töne  mit  ihren  Verhältnisszahlen  sämmtlicher  Intervalle.  Die 
oberen  Stosstöne  der  Intervalle  der  ersten  Periode  von  1 : 1 
bis  1:2  habe  ich  einfach,  die  unteren  Stosstöne  der  Intervalle 
der  zweiten  Periode  von  1:2  bis  1:3  doppelt  in  derselben 
unterstrichen. 


1)  R.  Roenig,  Pogg.  Ann.  157«  p.  203—215.  1875;  Quelques  £zp. 

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632 


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634  Ä.  Koenig. 

Ein  Blick  auf  diese  Tabelle  lässt  sofort  erkennen,  dass 
die  Intervallweite,  bis  zu  welcher  sich  Stosstöne  beobachten 
lassen,  mit  der  Höhe  des  Grundtones  immer  kleiner  wird,# 
sodass  sie,  die  für  den  Grund  ton  c*  noch  bis  über  eine  Nene 
reicht,  für  c®  nur  noch  eine  Quarte,  für  c'  gar  nur  noch  etwas 
über  einen  ganzen  Ton,  und  für  e'  und  f^  bloss  noch  einen 
halben  beträgt.  Es  ist  hiernach  sehr  möglich,  dass  die  grosse, 
ja  sogar  unüberwindliche  Schwierigkeit,  auf  welche  ich  bei 
meinen  Versuchen  noch  über  das  oben  erwähnte  fW  hinaus 
weiterzustimmen,  gestossen  war,  zum  Theil  auch  darin  mboi 
Grund  gehabt  haben  wird,  dass  das  Intervall  16 :  16  fllr  den 
Grundton  f  schon  die  grösste  Weite  besass,  bei  weldiortidi 
hier  überhaupt  noch  ein  Stosston  bilden  konnte,  nnd  dMi  es 
also  vielleicht  möglich  wäre,  wenn  man  mit  dem  erhalfcOlMl/b' 
als  Grundton,  eine  andere  Stimmgabel  noch  höher  zu  stimm 
versuchte,  um  mit  dieser  zuerst  zwischen  fW  nnd  y'  sn  ge- 
langen, und  darauf  die  auf  solche  Weise  gewonnene  Qibel 
dann  wieder  als  Grundton  benutzte,  dann  mit  einer  dlitten 
Gabel  schliesslich  das  g''  noch  zu  erreichen.  ESne  MMifi 
Arbeit  würde  aber  immerhin  so  schwierig  auszuiUuen  ittiy 
dass  sie  wohl  kaum  die  Mühe  lohnen  dürfte,  besondere  dawh 
ein  gleiches  Resultat,  wie  man  weiterhin  sehen  wird,  jetrt  auf 
weit  einfachere  Weise  erreichen  und  sogar  weit  übertreffen  Itot 

Dass  die  Intervallweite,  in  deren  Grenzen  StosstOne  dle^ 
haupt  hörbar  sind,  mit  der  Höhe  der  Grundtöne  so  betriebt- 
lieh  abnimmt,  ist  jedenfalls  höchst  bemerkenswerth.  Man  be- 
greift in  der  That  nicht,  warum  z.  B.  g^  mit  d^  (3 : 4),  ganz 
vortrefflich  den  Ton  1  =^*  giebt,  aber  mit  c®  (2:3),  keine 
Spur  von  einem  Stosston  hören  lässt.  Es  lässt  sich  dieses 
weder  dadurch  erklären,  dass  etwa  das  Intervall  3:4  als  ein 
kleineres  besser  hörbar  sein  sollte  als  die  Quinte,  da  ja  in 
allen  tieferen  Lagen  gerade  der  Stosston  der  Quinte,  als  aus 
dem  oberen  und  unteren  Stosston  zugleich  bestehend,  ganz 
besonders  stark  zu  sein  pflegt,  noch  lässt  sich  der  Grund  da- 
von in  dem  Umstände  finden,  dass  die  Intensität  der  sehr 
hohen  Stimmgabeltöne  mit  ihrer  Höhe  schnell  bis  zu  Null 
abnimmt,  denn  die  Intensität  von  g^  bleibt  in  den  beiden  an- 
gegebenen Fällen  dieselbe,  während  von  den  Gruudtönen  aber 
gerade  c®  stärker  ist  als  d^. 


HÖchiU  hörbare  und  unhÖrbare  Tone. 


685 


Eine  ganz  genaue  Grenze  der  Intervallweite  för  einen 
gegebenen  Grundton  wird  sich  natürlich  darum  nie  mit  Be- 
Btimmtheit  angeben  lassen,  weil  dieselbe  zwar  hauptsächlich, 
aber  doch  nicht  nur  allein  von  der  Tonhöhe  des  Grundtones 
abhängt,  und  auch  die  Intensität  der  primären  Töne  und  das 
mehr  oder  weniger  empfindliche  Gehör  des  Beobachters  nicht 
ohne  li^näuas    auf  sie   sind,    aber   die  von    mir   mit  den  von 


Fig.  1. 

mir  angewendeten  Tönen  erlialtenen  Resultate  lassen  sich  Itlr 
die  Grundtöne  der  neun  Octaven  Gr.  C  bis  e'  sehr  annähernd 
genau  durch  die  Fig.  1  gegebene  Curve  darstellen,  wovon 
man  sich  durch  eine  Vergleichnng  mit  den  in  den  beiden  Ta- 
bellen zusammengestellten  Experimenten  überzeugen  kann. 
In  dieser  Figur  sind  auf  der  Abscissenlinie  in  gleichen  Ab- 
ständen voneinander  die  Grundtöne  in  Octaven  aufgetragen, 
und  ist  die  Weite  der  Intervalle  seitlich  neben  der  Ordinate 
der  Intervallweite  des  Grundtones  Gr.  C  (ud,),  verzeichnet. 
Eine   zu   grosse  Enge  des  Intervalles  ist  der  Hörbarkeit 


636  R.  König. 

der  Stosstöne  ebenfalls  nicht  besonders  günstig.  So  hört  man 
bei  Ä'^c®(15:16)  zwar  den  Ton  1  =  c*  noch  recht  gut,  doch 
bringt  man  ihn  nur  noch  mit  sehr  starkem  Anstreichen  der^ 
Gabeln  heraus,  und  bei  ä®  :  c^{15 :  16)  ist  der  Ton  1  =  c*  schon 
so  schwach,  dass  man  ihn  kaum  mehr  vernehmen  kann.  Eine 
ganz  besonders  merkwürdige  Thatsache  ist  aber  jeden&Us 
die,  dass  Stosstöne,  welche  in  eine  Gegend  der  Scala  fallen, 
in  der  das  Ohr  meistens  Töne  zu  hören  gut  gewöhnt  ist^  auch 
dann  noch  von  solchen  Personen  vernommen  werden  können, 
für  welche  die  sie  hervorbringenden  primären  Töne  selbst 
schon  über  der  Greaze  der  Hörbarkeit  liegen. 

Als  ich  im  Jahre  1874  die  erste  Reihe  Stimmgabeln  von 
c*  bis  f  stimmte,  welche  ich  1876  in  Philadelphia  ausstellte, 
und  dann  gegen  1880  eine  neue,  über  welche  ich  in  meinem 
Katalog  von  1882  unter  Nr.  47  eine  kurze  Notiz  gab,  hörte 
ich  noch  alle  Töne,  mit  welchen  ich  arbeitete.  Im  Jahre  1890, 
als  ich  neue  Gabelreihen  herzustellen  hatte,  bemerkte  ich, 
dass  f  mir  ganz  unhörbar  geworden  war  und  ich  auch  e^ 
nur  noch  mitunter,  etwa  bei  aussergewöhnlich  gut  gelungenem 
Bogenstriche,  oder  auch,  wenn  meine  Ohren  in  einem  be- 
sonders guten  Zustande  sein  mochten,  wirklich  gut  hörte. 
Jetzt  endlich  in  meinem  67.  Jahre,  geht  es  mir  mit  dem  d' 
schon  ebenso  wie  vor  zehn  Jahren  mit  dem  e^,  welches  ich 
nun  gar  nicht  mehr  vernehmen  kann,  dieses  hat  mich  jedoch 
nie  gehindert,  und  hindert  mich  auch  jetzt  noch  nichts  mit 
Sicherheit  bis  zum  f  meine  Gabeln  vermittels  der  Stosstöne 
genau  stimmen  zu  können.  Auch  ist  es  den  verschiedenen 
Gelehrten,  vor  welchen  ich  im  Laufe  der  letzten  Jahre  Ge- 
legenheit hatte,  diese  Experimente  zu  wiederholen,  ausnahmslos 
ohne  grosse  Mühe  immer  gelungen,  die  Stosstöne  zu  hören, 
welche  vermittelst  der  Gabeln  von  c'  bis  f^  erzeugt  wurden, 
obgleich  üicht  einer  von  ihnen  die  Töne  selbst  alle  bis  zum  f 
hinauf  hören  konnte  und  die  Grenze  ihrer  Hörfahigkeit  mit- 
unter kaum  viel  über  c'  zu  liegen  schien.  Auch  konnte  in 
allen  diesen  Fällen  von  einer  etwaigen  Illusion  keine  Bede 
sein,  da  die  betrefifenden  Hörer  die  von  ihnen  vernommenen 
Töne  unter  den  Hülfsgabeln  immer  selbst  herausfanden.  Das 
auffallendste  Hören  von  Stosstönen,  deren  primäre  Töne  nicht 
vernommen    wurden,    hatte    ich    aber   Gelegenheit    an   einem 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne.  637 

Musiker  zu  beobachten.  Er  stand  noch  in  den  besten  Mannes- 
jahren und  hatte  ein  sonst  so  gut  ausgebildetes  musikalisches 
Gehör,  dass  er  alle  Stosstöne,  welche  ich  ihn  bei  Intervallen, 
die  sowohl  mit  den  tiefsten  wie  mit  den  allerhöchsten  Stimm- 
gabeln der  ganzen  Reihe  gebildet  waren,  hören  Hess,  immer 
ohne  die  geringste  Unsicherheit  und  ohne  jedes  Zögern  sofort 
richtig  erkannte  und  auch  mit  den  entsprechenden  Hülfsgabeln 
angeben  konnte,  die  Töne  der  Gabeln  selbst  hörte  er  aber 
nur  bis  a®,  und  schon  h^  existirte  für  ihn  nicht  mehr,  sodass 
die  Grenze  seiner  Hörfähigkeit  also  zwischen  a^  und  A®,  und 
somit  eine  ganze  Quinte  tiefer  lag  als  die  höchsten  Töne  des 
Intervalles  e^:/^,  dessen  Stosston  er  noch  ohne  jede  Schwierig- 
keit hören  und  erkennen  konnte.  Ich  erfuhr  später,  dass  er 
einige  Zeit  vorher,  ehe  ich  ihn  kennen  lernte,  eine  lange, 
schwere  Krankheit  durchzumachen  gehabt  hätte,  und  vielleicht 
mag  diese  bei  ihm  ein  Sinken  der  Hörgrenze  für  die  höchsten 
Töne  zur  Folge  gehabt  haben. 

Unter  allen  Stosstönen  in  obiger  Tabelle  befinden  sich 
nur  drei,  welche  der  Gattung  der  unteren  Stosstöne  der  zweiten 
Periode  angehören  und  bei  den  Intervallen  0*^:^(4:9),  d*:«® 
(9:20)  und  d*:/^(27:64)  vernommen  werden,  dass  man  zwei 
dieser  Töne  bei  Intervallen  mit  dem  Grundton  d^  erhält  und 
nur  einen  mit  dem  von  c^,  hat  seinen  Grund  offenbar  darin, 
dass  von  c^ :  d^  bis  zu  c^ :  e^  die  Intervallweite  gleich  um  eine 
ganze  Tonstufe  zunimmt,  dagegen  aber  von  (f^ :  e®  biszuif'^:/^ 
nur  um  einen  halben  Ton,  sodass  die  äusserste  Grenze  der 
Intervallweite,  bis  zu  welcher  sich  noch  ein  Resultat  aus  Zu- 
sammenklängen mit  den  Grundtönen  c'^  und  d^  erhalten  lässt, 
zwischen  4 : 9  und  2  :  5  fällt. 

Obere  Stosstöne  der  Intervalle  der  ersten  Periode  von 
1:1  bis  1:2  findet  man  in  der  Tabelle  sechs  bei  den  Zu- 
sammenklängen c^\a^,  d^ih'^,  d^:c^,  e'^ic^,  e^:d^  und  f^id^. 
Auch  bei  den  drei  ersten  dieser  Stosstöne  bemerkt  man  wieder, 
dass  aus  dem  gleichen  Grunde  wie  bei  den  vorher  erwähnten, 
man  mit  dem  Grundtone  c'^  nur  einen  einzigen  oberen  Stosston 
bei  c^ :  a^  (3 : 5)  erhält,  dass  ein  solcher  sich  aber  nicht  mehr 
bei  der  Elrweiterung  dieses  Intervalles  um  einen  ganzen  Ton, 
von  c^:a^  bis  zu  c*:  ä'^(8  :  15),  hören  lässt,  während  man  mit 
dem  Grundtone  d^  das  Intervall  c?'^:  A^(3  :5),  um  einen  halben 


638  R.  Koenig, 

Ton  bis  zu  </^:c®(9 :  16)  erweitern  kann,  ohne  dass  sein  Stoss- 
ton  verschwindet.  Die  Hörbarkeit  der  oberen  Stosstöne  der  . 
ersten  Periode  zeigt  sich  also  ebenso  wie  die  der  unteren^ 
Stosstöne  der  zweiten  Periode  durchaus  abhängig  von  dem 
directen  Abstände  des  höheren  Tones  Tom  Gmndtone,  wo« 
gegen  seine  Stellung  zum  ersten  harmonischen  Tone  des 
Grundtones  ganz  gleichgültig  zu  sein  scheint,  denn  der  untere 
Stosston  der  zweiten  Periode  verschwindet,  wenn  sich  der 
höhere  Ton  des  Intervalles  c^:d^  um  einen  ganzen  Ton,  statt 
nur  um  einen  halben  von  der  Octave  des  Grundtones  entfernt, 
während  der  obere  Stosston  der  ersten  Periode  des  Intervalles 
c^ :  a'^  aufhört,  hörbar  zu  sein,  wenn  sich  der  höhere  Ton  dieser 
Octave  des  Grundtones  gerade  um  einen  ganzen  Ton  nähert, 
statt  nur  um  einen  halben. 

Eine  besondere  Aufmerksamkeit  verdient  bei  den  oberen 
Stosstönen  der  ersten  Periode  auch  noch  das  sehr  starke  und 
alleinige  Auftreten  derselben  bei  den  Intervallen  3:5,  c^\a^ 
und  d^:h^.  In  der  That,  bei  dem  gleichen  Intervalle  3:5, 
mit  den  Grundtönen  c\  c*,  c'  gebildet,  ist  bei  c^ :  a}  der  untere 
Stosston,  2  =  /*,  weit  stärker  als  der  obere,  1  =  i^,  der  sich 
direct  noch  kaum  vernehmen  lässt.  Bei  c^ia},  c^',a}  gleicht 
sich  die  Intensität  der  beiden  Töne  dann  aber  mehr  und  mehr 
aus,  bis  diese  bei  c^ :  a^  schliesslich  gleich  stark  geworden  sind, 
bei  c^ :  a^  endlich  ist  dann  aber  der  untere  Stosston  2  =  /^ 
nicht  nur  schwächer  gegen  den  oberen  geworden,  sondern  sogar 
schon  so  vollständig  verschwAinden,  dass  man  keine  Spur  mehr 
von  ihm  hört,  und  allein  nur  noch  den  oberen  Stosston  1  =s/^, 
und  zwar  dieses  f^  ganz  ebenso  stark  als  bei  der  Quarte 
c*^ :  Z**^  (3  :  4),  wo  es  ebenfalls  allein,  aber  als  unterer  Stosston 
auftritt. 

Alle  anderen  beobachteten  Stosstöne  in  der  Tabelle  ge- 
hören der  Klasse  der  unteren  Stosstöne  der  ersten  Periode  an, 
welche  ihrer  Schwingungszahl  nach  also  mit  den  Differenztönen 
zusammenfallen,  und  sie  sind  es  auch,  welche  man  nur  allein 
als  Hülfsmittel  beim  Stimmen  der  höchsten  Töne  zu  verwenden 
hat,  wobei  man  dann  immer  hauptsächlich  solche  Intervalle 
wird  zu  wählen  haben,  deren  höherer  Ton  so  viel  als  möglich 
in  die  Mitte  der  Intervallweite  fällt,  in  welcher  f&r  den  ge- 
gebenen Grundton  sich  Stosstöne  überhaupt  beobachten  lassen, 


Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  Töne,  639 

weil  man  diese  unter  solchen  Umständen  dann  am  stärksten 

^  und  deutlichsten  hörbar  erhält. 

"  Nach   der  Erfüllung   der   Bedingung,   die  Stosstöne  nur 

überhaupt  erst  deutlich  hervorzubringen,  ist  dann  das  Wich- 
tigste, ihre  Tonhöhe  genau  bestimmen  zu  können,  da  hiervon 
auch  die  Genauigkeit  abhängt,  welche  sich  beim  Stimmen  mit 
ihrer  Hülfe  erreichen  lässt.  Werden  Stosstöne  durch  tiefere, 
lange  anhaltende  Töne  erzeugt,  und  haben  dann  auch  selbst 
eine  längere  Dauer,  so  existirt  keine  Schwierigkeit,  ihre  Ton- 
höhe vermittelst  der  Stösse  mit  Hülfsgabeln,  deren  Schwingungs- 
zahlen bekannt  sind,  ganz  ebenso  genau  zu  bestimmen,  als 
die  eines  primären  Tones  von  gleicher  Schwingungsdauer;  aber 
wenn  schon  die  primären  Töne,  durch  welche  sie  hervorgebracht 
werden,  wie  die  der  sehr  hohen  Stimmgabeln,  nur  noch  während 
der  ganz  kurzen  Zeit  eines  Doppelbogenstriches  existiren,  so 
hat  auch  das  Erklingen  der  Stosstöne  dann  eine  so  kurze 
Dauer,  dass  es  so  zu  sagen  nur  dem  momentanen  Aufleuchten 
eines  Lichtblitzes  gleicht,  und  es  somit  unmöglich  sein  würde, 
die  Methode  der  Stösse  bei  ihrer  Vergleichung  mit  Hülfstönen 
zur  Verwendung  zu  bringen,  es  bleibt  also  unter  solchen  Um- 
ständen dann  kein  anderes  Mittel  übrig,  als  die  Ueberein- 
stinunung  der  Stosstöne  mit  den  Hülfstönen  vermittelst  des 
musikalischen  Gehörs  abzuschätzen.  Ich  habe  gefunden,  dass 
eine  solche  Schätzung  dadurch  sehr  erleichtert  vrird,  dass  man 
mit  passenden  kleinen  Stimmgabeln  die  Hülfstöne  ebenso  kurz 
und  schnell  abgebrochen  mehrmals  hintereinander  hervorbringt, 
wie  die  Stosstöne  unter  einer  Reihe  aufeinanderfolgender  Doppel- 
bogenstriche sich  hören  lassen.  Auch  kann  man  dem  Ohre 
noch  dadurch  zu  Hülfe  kommen,  dass  man  den  betreffenden 
Stosston  abwechselnd  mit  einem  etwas  zu  hohen  und  einem 
etwas  zu  tiefen  Hülfston  vergleicht,  und  femer  ist  es  zweck- 
mässig, für  einen  zu  stimmenden  Ton  sich  nie  nur  mit  der 
Bestimmung  des  Stosstones  von  einem  einzigen  Intervall  zu 
begnügen,  sondern  vielmehr  immer,  so  weit  dieses  angeht,  mit 
dem  gleichen  Tone  die  Stosstöne  mehrerer  Intervalle  zu  er- 
zeugen und  dann  zu  bestimmen,  wodurch  man  besonders  ver- 
hütet, dass  die  etwa  begangenen  Fehler  bei  den  aufeinander 
folgenden  Gabeln  der  Reihe  sich  summiren  könnten.  Aber 
trotz  aller  angewendeten  Sorgfalt  bleibt  die  Anwendung   des 

I 


640  R.  Koenig. 

musikalischen  Gehörs  natürlich  doch  immer  eine  Quelle  von 
Fehlern,  die  schon  störend  werden  könnten,   wenn  nicht  eip 
bei   der  Schätzung  der  Tonhöhe   des   Stosstones    begangen^^ 
Fehler  immer  nur  einer  weit  geringeren  üngenauigkeit  dei 
Intervalles  der  ihn  hervorbringenden  Töne  entspräche,  wie  mia 
aus   folgendem  Beispiel   erkennen  kann.    Bei  dem  Intervalle 
der  Secunde  8:9  ist  der  Stosston  =»  1,   erweitert  man  diese 
Secunde  aber  allmählich,   indem  man  ihren  höheren  Ton  bis 
zur  Terz  8:10  erhöht,  so  wird  der  Stosston  schliesslich  =»2, 
sodass  also  während  der  Erweiterung  des  Intervalles  um  nur 
einen  Ton  er  selbst  eine  ganze  Octave  durchlaufen  hat,  wonuis 
hervorgeht,   dass,    wenn   man   beim  Stimmen   der  Intervalle 
zwischen  8 : 9  und  8:10  in  der  Schätzung  des  Stosstones  einen 
kleinen  Irrthum  beginge,  dieses  nur  einen  sechs  Mal  kleineren 
Fehler  bei   den   Intervallen  zur  Folge  haben  möchte.    Wie 
gering  darum   auch   in   Wirklichkeit  diese  Fehler   aus&llen, 
davon   kann  man  sich  durch  folgende   einfache  Elzperimente 
mit  einigen  Stimmgabeln  aus  der  Reihe  selbst  Bechenschaft 
geben. 

Das  Intervall  a'^ :  (P  ist,  bloss  nach  den  Noten  gerechnet, 
eine  Quarte,  und  wenn  diese  rein  wäre,  so  müsste  sie  bei 
8:4  den  Stosston  d^  hören  lassen,  wie  eP  wirklich  genaa  mit 
c®  (8 : 9)  den  Stosston  1  =  c\  und  mit  h^  (5 : 6)  den  Stosston 
1  =  ^  giebt,  da  es  sich  hier  aber  um  Töne  der  auf  den  Onmd- 
ton  c  etablirten  diatonischen  Tonleiter  handelt,  so  ist  das 
Verhältniss  von  a^icP  in  Wirklichkeit  20:27,  und  also  xm 
ein  Komma,  80 :  81,  weiter,  als  das  reine  Quartenintervall  8:4; 
diese  kleine  Abweichung  lässt  aber  schon  einen  so  beträcht- 
lichen Unterschied  zwischen  dem  Stosstone  dieses  gestörten 
Intervalles  und  dem  Hülfstöne  d*"  hören ,  dass  man  offenbar 
noch  weit  geringere  Abweichungen  von  der  Reinheit  des 
Intervalles  3:4  vrürde  sofort  bemerken  können,  als  die  um 
ein  Komma.  —  Man  kann  das  gleiche  Experiment  auch  mit 
den  Tönen  a^,  h^,  c^  und  d^  machen,  aber  in  diesem  Falle 
befindet  sich  der  Stosston  von  a^icP  schon  an  der  G^tenie 
seiner  Hörbarkeit  und  ist  nur  noch  schwer  zu  erhalten. 

Aus  den  vorstehenden  Erörterungen  geht  also  hervor,  dasi 
man  vermittelst  der  Stosstone  Stimmgabeln,  welche  gut  ge- 
arbeitet sind,  um  ihr  Maximum  von  Intensität  zu  geben,  sehr 

f 


I 


Höchste  hörbare  und  nnhÖrbare  Töne,  641 

woU  mit  grosser  Genauigkeit  bis  zum  f  und  selbst  bis  zum 
fW  stimmen  kann,  und  dass  sich  auch  die  Richtigkeit  ihrer 
'  Stimmung  immer  mit  einigen  Doppelbogenstrichen  sofort  nach- 
weisen l&sst,  aber  diese  Stimmmethode  hat  darum  doch  den 
Nachtheü,  dass  sie  nicht  gestattet,  einen  einzelnen  bestimmten 
Ton  direct,  ohne  eine  mehr  oder  weniger  grosse  Anzahl  von 
Zwischengabeln  herzustellen,  welche  so  zu  sagen  die  Brücke 
bilden  müssen,  über  welche  man  erst  zu  ihm  gelangen  kann, 
indem  man  von  c^  ausgeht,  einem  Tone,  für  den  sich  noch 
Stimmgabeln  herstellen  lassen,  welche  eine  genügend  lange 
Schwingungsdauer  und  auch  genügend  grosse  Schwingungs- 
amplituden haben,  um  vermittelst  der  optischen  und  akustischen 
Pi^isionsmethoden  noch  direct  mit  den  Schwingungen  der 
Normalstimmgabel  von  c^=^b\2v8  bei  20^  Geis,  in  genaue 
Uebereinstimmung  gebracht  werden  zu  können.  *  Es  soll  daher 
im  nächsten  Abschnitt  nun  eine  Methode  besprochen  werden, 
welche,  ohne  jede  Mitwirkung  des  Ohres,  die  directe  Her- 
stellung jedes  beliebigen  Tones  bis  weit  über  die  Grenze  der 
Hörbarkeit  hinaus  gestattet. 

8.   Stimmgabeln  von   c^  bis  über  f^  zu   90000  Schwingungen, 
vermittelst  der  Kundt'schen  Staubfiguren  gestimmt 

Bekanntlich  hat  Lord  Rayleigh^)  gezeigt,  wie  man  die 
Wellenlänge  eines  hohen  Tones  erhalten  könne,  indem  man  in 
einiger  Entfernung  von  der  Tonquelle  den  Ton  von  einer  Glas- 
platte reflectiren  lässt,  und  in  den  auf  diese  Weise  zwischen 
der  Tonquelle  und  der  reflectirenden  Fläche  erzeugten  stehen- 
den Wellen  die  Stellen  der  aufeinanderfolgenden  Knoten  und 
Bäuche  vermittelst  einer  sensitiven  freien  Flamme  unter  starkem 
Drucke  bestimmt,  welche  in  ersteren  ihre  grösste  Ruhe,  in  den 
letzteren  aber  die  grösste  Bewegung  zeigt.  Diese  Methode 
scheint  mir  jedoch  für  die  Töne  der  elastischen  festen  Körper, 
wie  die  der  Stimmgabeln,  Stäbe  etc.,  sehr  schwer  anwendbar, 
besonders  weil  diese  alle  immer  nur  von  einer  sehr  kurzen 
Dauer  sind,  und  ich  glaube  daher  vielmehr,  in  der  Methode 
der  Staubfiguren  von  Kundt  das  eigentlich  beste,  einfachste 
und   bequemste  Mittel   sehen   zu   müssen,   vermittelst  dessen 

1)  Lord  Rajleigh,  Phil.  Mag.  7.  p.  153.  1879;  Rajleigh  Sound, 
second  edition  2.  p.  408.  1896. 
W  Ann.  d.  Vhjt,  u.  Cbem.    N.  F.    69.  41 


642  R.  Koenig. 

sich  die  Wellenlänge  sehr  hoher  Töne,  und  somit  also  auch 
ihre  Schwingungszahl,  mit  grösster  Genauigkeit  ermitteln  lässt 

Während  einiger  Versuche,  welche  ich  im  vorigen  Sommer^ 
anstellte,  um  die  mechanische  Wirkung  zweier  gleich  hoher 
und  für  das  Ohr  ungefähr  gleich  starker  Töne  zu  prüfen,  von 
denen  einer  durch  longitudinale,  der  andere  durch  transversale 
Schwingungen  erzeugt  wurde,  war  es  mir  aufgefallen,  wie  sehr 
leicht  und  mit  welcher  Schärfe  die  Staubfiguren  von  Kundt 
unter  gewissen  Bedingungen  durch  starke,  sehr  hohe  Stimm- 
gabeln, wie  ich  sie  für  die  Beobachtung  der  Stosstöne  cod- 
struire^),  in  Röhren  hervorgerufen  wurden;  und  so  fing  ich  an 
zu  untersuchen,  bis  zu  welcher  Höhe  auch  die  Stimmgabeln 
einer  Reihe  für  die  höchsten  Töne,  wie  ich  sie  im  Vorher- 
gehenden beschrieben,  der  gleichen  Wirkung  fähig  sein  möchten, 
weil  dann  die  Staubfiguren  in  Röhren,  welche  die  halben 
Wellenlängen  der  Töne  sichtbar  darstellen,  bis  zu  dieser  Höhe 
hin  als  höchst  bequemes,  von  den  Leistungen  des  Ohres  voll- 
ständig unabhängiges  Mittel  zum  Stimmen  der  Stimmgabeln 
mussten  verwendet  werden  können.  Gleich  bei  meinen  ersten 
Versuchen  hatte  ich  fast  ohne  jede  Mühe  die  Staubwellen  mit 
allen  Stimmgabeln  für  die  Töne  von  c*  bis  c^  erhalten,  und 
als  ich  darauf  nach  einer  Unterbrechung  diese  Experimente 
wieder  aufnahm,  konnte  ich  auch  mit  den  Tönen  von  c^  bis  p 
noch  ebenso  gute  Staubfiguren  erzeugen,  wie  auch  femer  noch 
mit  der  kleinen  oben  erwähnten  Stimmgabel  für  den  höchsten 
Ton,  welchen  ich  überhaupt,  und  nur  einmal,  vermittelst  der 
Stosstöne  gestimmt,  und  mit  der  ich  etwa  die  Mitte  zwischen 
f  und  g^  erreicht  zu  haben  meinte.  Diese  bildete  in  einer  Röhre 
von  6  mm  Durchmesser,  Halbwellen  von  ungefähr  7,45  mm  Länge. 

Nimmt  man  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Schalles 
in  der  Luft  bei  der  Temperatur  von  0^  zu  330,60  m  an 
und  die  Zunahme  dieser  Geschwindigkeit  für  1^  Gels,  zn 
0,60  m,  so  erhält  man  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Schalles  in  der  Luft  bei  20  <^  Gels.  =  342,60  m,  welchen  Wertfa 
ich  bei  allen  folgenden  Tonhöhebestimmungen  durch  die 
Länge  der  Halbwellen  immer  zu  Grunde  gelegt  habe.  Die 
Schwingungszahl  der  kleinen  Gabel  war  hiemaeh  also  gleich 


1)  Catal.  Nr.  201.  1889. 


Höchste  hörbare  und  urüiÖrbare  Töne.  643 

342600/7,45  =  45986,5  vsj  und  fiel  somit  auch  wirklich  gerade 
zwischen  fW  (43690,4  vs)  und  ges''  (47185,6  vs). 

Bis  hierher  hatte  es  sich  immer  nur  noch  um  Schwin- 
gungen und  Tonhöhen  gehandelt,  die  auch  schon  auf  anderem 
Wege  nachgewiesen  worden  waren,  jetzt  aber  versuchte  ich 
denn  auch  zwei  winzige  kleine  Stimmgabeln,  welche  sich  unter 
den  zahlreichen  anderen  befanden,  die  ich  für  die  Versuche, 
um  die  beste  Stimmgabelform  für  sehr  hohe  Töne  zu  ermitteln, 
früher  angefertigt  hatte.  Diese  kleinen  Stimmgabeln,  deren 
nach  oben  zu  verjüngte  Zinken  bei  einer  Länge  von  9  und 
8,5  mm,  unten  nur  eine  Dicke  von  etwa  3  mm  und  oben  von 
1,76  mm  hatten,  waren  noch  nie  weder  direct  vernommen 
worden,  noch  hatten  sie  jemals  einen  Stosston  miteinander 
oder  mit  anderen  Tönen  zusammen  hören  lassen,  aber  ein 
Bogenstrich  reichte  bei  jeder  von  ihnen  hin,  sofort  die  Staub- 
wellen in  der  ganzen  Länge  der  Bohre  von  6  mm  Durchmesser 
hervorzubringen,  welche  für  die  eine  8,65  mm,  für  die  andere 
8,2  mm  lang  waren,  sodass  ihre  Töne  demnach  entsprechend 
zwischen  cP  und  e''  und  zwischen  e''  und  f  fielen,  und  ich 
also  aus  ihnen  sofort  ein  genau  gestimmtes  e''^  und  ein  f  her- 
stellen konnte.  Diese  Gabeln  entsprechen  also,  wegen  der 
geringen  Dicke  ihrer  Zinken,  Tönen,  welche  ich  an  starken, 
für  die  Erzeugung  der  Stosstöne  gefertigten  Gabeln  früher 
noch  direct  gehört,  und  deren  Stosstöne  ich  auch  jetzt  noch 
vollständig  gut  vernehme,  und  wenn  sie  mir,  wie  auch  anderen 
Beobachtern  immer  vollständig  stumm  geblieben  waren,  so 
zeigt  dieses,  welche  grosse  Rolle  die  Intensität  bei  sehr  hohen 
Tönen  in  Bezug  auf  ihre  Hörbarkeit  spielt,  und  dass  Stimm- 
gabeln, welche  für  die  Hervorbringung  der  Stosstöne  genügend 
stark  gefertigt  sind,  zwar  auch  immer  vortrefflich  für  die  Er- 
zeugung der  Staubwellen  dienen  können,  dass  aber  weniger  mas- 
sive Stimmgabeln  für  dieselben  Töne,  selbst  wenn  sie  vollkommen 
gute  Staubwellen  erzeugen,  darum  noch  keineswegs  immer 
auch  hörbare  Stosstöne  hervorzubringen  im  Stande  sein  werden. 

Es  galt  nun  zu  ermitteln,  bis  zu  welcher  Höhe  vermittelst 
dieser  Methode  der  Staubfiguren  sich  noch  würden  Stimm- 
gabeln mit  genau  bestimmten  Schwingungszahlen  herstellen 
lassen.  Ein  vorläufiger  Versuch  mit  einer  alten  etwas  rohen 
Stimmgabel,  deren  parallele  Zinken  von  unten  bis  oben  eine 


j « * 


644  R,  Koenig, 

gleiche  Dicke  von  etwa  3  mm  hatten,  aber  im  Verhältniss  zu 
ihrer  Länge  offenbar  zu  weit  voneinander  abstanden ,  brachte 
mich  bei  der  Verkürzung  ihrer  Länge  nur  bis  in  die  Nähc^ 
.von  A^  mit  Stimmgabeln  aber,  die  ich  darauf  in  passender 
Form  für  diese  Experimente  gefertigt  hatte,  gelang  es  mir 
schliesslich,  sämmtliche  Töne  der  diatonischen  Tonleiter  von 
9^  («o/g)  bis  p  (/'ojj  =s  174762,6  v  s)  herzustellen,  aUerdings 
nicht  ohne  grosse  Mühe,  denn  von  c^  ab  wurde  mir  schon  jeder 
nächst  höhere  Ton  immer  schwerer  und  schwerer  zu  erreichen. 
Es  ist  wahr,  dass,  wenn  ich  ihn  erst  erlangt  und  darauf  mit 
ihm  mehrfach  Staubfiguren  erzeugt  hatte,  es  mir  dann  immer 
bald  viel  leichter  wurde,  solche  von  Neuem  mit  ihm  zu  er- 
halten. Mit  den  Tönen  e^  und  p  ist  es  mir  auch  jetzt  noch 
mitunter  schwer,  ihre  Staubwellen  hervorzubringen,  wenn  sie 
jedoch  plötzlich  hervorspringen,  sind  sie  stets  noch  so  be- 
stimmt gezeichnet,  dass  mit  diesen  Tönen  die  möglichst  höchste 
Grenze  noch  nicht  erreicht  zu  sein  scheint,  und  dass  ich  daher 
hoffte,  vielleicht  noch  die  runde  Zahl  von  100000  Schwingungen, 
welche  nur  noch  um  weniger  als  eine  kleine  Terz  höher  als 
p  ist,  erreichen  zu  können.  Dieses  gelang  mir  jedoch  nicht 
Nachdem  ich  eine  Schwingungszahl  mit  einer  nur  sehr  wenig 
kürzeren  Halbwellenlänge  als  1,9033  mm  erreicht,  welche 
letztere  genau  90000  Schwingungen  entspricht,  war  es  mir 
nicht  mehr  möglich,  noch  weitere  Staubwellen  hervorzurufen. 
Da  die  Länge  der  Zinken  der  höchsten  Gabeln,  im  Verhältniss 
zur  Breite  der  Spalte  zwischen  ihnen,  schliesslich  sehr  gering 
geworden  war,  so  glaubte  ich,  dass  Gabeln  für  die  gleichen 
Töne  mit  schmaleren  Spalten  vielleicht  noch  eine  etwas  grössere 
Schwingungsfähigkeit  besitzen  würden,  und  construirte  also  fftr 
diese  noch  eine  neue  Reihe  von  Gabeln,  bei  welchen  die 
Spalten  für  c®  und  rf®  1,5  mm,  für  e^  und  /'®  1,0  mm,  und  bei 
zwei  Gabeln  für  die  etwa  über  p  hinaus  zu  erreichenden 
Töne  nur  0,5  mm  Breite  hatten,  aber  auch  mit  diesen  konnte 
ich  nicht  weiter  vordringen  und  sah  mich  also  gezwungen, 
schliesslich  bei  den  erreichten  90000  Schwingungen  die  ganze 
Stimmgabelreihe  bis  auf  weiteres  abzubrechen. 

Die  Töne  über  c^  hinaus,  welche  man  hiemach  mit  sehr 
genauer  Stimmung  jetzt  herstellen  kann,  erstrecken  sich  also 
über  vier  und  eine  halbe  Octave,  und  man  könnte  sie  iÜgUch 

i 


Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  TÖne. 


645 


in  drei  Gruppen  eintbeilen,  nämlich  in  die  der  durchaus  hör- 
baren Töne  von  c^  bis  c\  in  die  der  Töne  von  c^  bis  c®, 
zwischen  welchen  die  Grenze  ihrer  Hörbarkeit  bei  verschiedenen 
Personen  und  bei  Personen  verschiedenen  Alters  schwankt, 
und  endlich  in  die  der  durchaus  unhörbaren  Töne  von  c^  bis 
/^  + 2618,6:=  90000  Schwingungen,  und  was  sich  über  diesen 
letzten  Ton  hinaus  noch  etwa  sollte  erreichen  lassen. 

Ich  gebe  hier  folgend  die  Tabelle  sämmtlicher  von  mir 
hergestellter  Töne  der  letzten  beiden  Gruppen  von  c^  bis  zu 
90000  Schwingungen,  mit  den  Längen  ihrer  Halbwellen  in  der 
Luft  bei  der  Temperatur  von  20®  cent.  (i/2),  der  Schall- 
geschwindigkeit von  342,60  m  und  ihren  Schwingungszahlen 
in  einfachen  Schwingungen  {v  s)  und  in  Doppelschwingungen  {v  d), 

Tabelle  der  Stimmgabeln  für  die  Töne  von  c'  bis  su 
90000  Schwingungen   mit  den  Lftngen   ihrer  Halbwellen  nnd 

ihren  Schwingungszahlen. 


c''  (ut^)  L/2  ^  10,4558  mm 

d:'  (r^)  L/2  "  9,2986 

«'  <mt,)  L/2  =  8,8642 

r  (M  L/2  =  7,8418 

g^  {8oi^)  L/2  =  6,9702 

n^  (/a,)  L/2  =  6,2732 

Ä»  («!,)  L/2  -  5,5761 

c»  (u^o)  L/2  =  5,2276 

rf*  (r«,o)  L/2  =  4,6468 

c»  (miio)  L/2  =  4,1821 

r  (/«lo)  L/2  =  3,9207 

g*  («o/,o)  L/2  =  8,4851 

a»  (/Oio)  L/2  =  3,1366 

Ä«  («iift)  L/2  =  2,7880 

c*  (w^i)  L/2  =  2,6138 

rf»  (rcji)  L/2  =  2,3234 

«•  (Wi„)  L/2  =  2,0911 

/^  (/a,i)  L/2  =  1,9604 

1,9038 


82768  V  s 

86864  V  s 

40960  r  8 

43690,6  V  8 

49152  V  8 

54618  V  8 

61440  V  8 

65536  V  8 
73728  r  s 
81920  r  s 
87381,8  r  8 
98804  V  8 
109226,6  r  s 
122880  r  s 

181072  V  8 
147456  r  s 
163840  r  j» 
174762,6  r  .s 

180000  r  « 


16884  vd 
18482  9  d 
20480  V d 
21845,3  rc/ 
24576  V d 
27806,6  rc^ 
80720  V d 

82768  f  d 
86864  ^  £{ 
40960  V d 
43690,6  9«; 
49152  V  d 
54618,3  9(^ 
61440  V d 

65536  f7  c^ 

73728  V d 

81920  9<i 

87381,3  rd 

90000  f  (^ 


Fig.  2  zeigt  die  Staubfiguren  der  Töne  c^,  c®,  e®,  ^®,  c^, 
Figg.  3,  4,  5  die  der  Töne  von  c'  bis  c®,  von  c®  bis  c®  und 
von  c®  bis  /^,  nebst  drei  mit  der  Stimmgabel  von  QOOGOSchwin- 
gungen  erhaltenen  Figuren,  in  fast  genau  natürlicher  Grösse. 


\ 


Die  Giaaröbren  waren  mit  einem  ihrer  Enden  m  Rinnen,  nnter 
fedeniclen  StahlliimelleTi,    auf   einem   Breite  befestigt,    das  sie . 


w^"i«'ir"s5'i'^'^ft  *?^, 


*t/'  \iif-' 


%/'  W 


i(.  "!^|^h(;''^"?i^}(>^ "''';!' 


aeitlich  über  einer  BcbwarzenSammetHäche  überragten,  zwischen 
zTiei   in   lliliimelern    gelheilten   Maassstäben ,    welche   jedoch 


Höcbtte  horhare  und  ttnkörbare  T^me. 


aatürlicb     zn    ganz    genauen   Messungen    der   photographirten 
Jt&ubwellen   nicht  werden  dienen  kQnnen,   da  die  Staubwellen 


und  die  Theilungen  beim  Photograpbiren  sich  nicht  genau  in 
der  gleichen  Kbene   befanden.     Da  schon  die  geringste  Er- 


648  R.  Koemg.  I 

sehütterung   hinreicht,  diese  Staubfiguren,    besondere  die  dw      ■ 
höchsten  Tfiiie,  theilweise  oder  gar  ganz  m  zerstören,  so  ist     r  ' 


\ 


nicht  leicht,  eine  gröaseie  Anzahl  solcher  Uiasröhren      h 
UDeinandcr  zu  befestigen  und  dabei  jeden,  auch  selbstsn  ' 


650  7?.  Koenig. 

selbst  aber  verdanke  ich  Hrn.  Prof.  Marey,  welcher  so  freund- 
lich war,  dieselben  bei  mir  und  unter  seiner  eigenen  Leitung 
aufnehmen  zu  lassen,  wofür  ich  ihm,  wie  auch  den  Herrei^ 
Lucien  Bull  und  Eossonis  in  seinem  Laboratorium,  die 
mich  dabei  unterstützten,  hiermit  meinen  aufrichtigen  und  herz- 
lichsten Dank  sage.  Die  Figg.  2 — G  sind  heliographisch  von 
P.  Duj  ardin  ausgeführt  worden. 

4.  Bemerkungen  über  die  Staubfiguren  der  Töne  von  €^  bis/*. 

Der  Grad  der  Genauigkeit  der  Bestimmung  vonSchwingungs- 
zahlen,  welcher  sich  vermittels  der  Methode  der  Staabfigoren 
erreichen  lässt,  hängt  von  der  Messung  der  Länge  der  Staub- 
wellen  in  den  Röhren  ab,  und  von  der  Uebereinstimmung  der 
Länge  dieser  Wellen  mit  der  Länge  der  Wellen  derselben 
Töne  in  der  freien  Luft 

Um  die  directe  Messung  der  Länge  der  Staubwellen  in 
den  Röhren  mit  absoluter  Genauigkeit  ausführen  zu  können, 
müsste  man  in  zwei  Wellen  zwei  sich  ganz  genau  entsprechende 
Punkte  auffinden  können,  und  man  weiss,  dass  dieses  bei  den 
verhältnissmässig  noch  langen  Halbwellen  von  c^  bis  c*  aller- 
dings nicht  gut  angeht,  doch  lässt  sich  die  hieraus  entspringende 
Fehlerquelle  erstens  schon  dadurch  verringern,  dass  man  statt 
die  Mittelpunkte  zweier  Knoten  oder  zweier  Bäuche  in  zwei 
Wellen  aufzusuchen,  vielmehr  zwei  Punkte  wählt,  welche  von 
der  Mitte  der  Knoten  oder  Bäuche  gerade  so  weit  in  derselben 
Richtung  entfernt  sind,  dass  ein  Abstand  von  dieser  überhaupt 
nicht  mehr  zweifelhaft  sein  kann,  wodurch  in  jedem  Falle  schon 
die  Möglichkeit,  dass  sich  die  Ungenauigkeiten  in  den  Be- 
stimmungen der  beiden  Punkte  summiren  könnten,  verhindert 
wird,  dann  aber  ist  es  möglich,  den  Mittelwerth  der  Halb- 
wellenlänge aus  Messungen  sehr  beträchtlich  viel  zahlreicherer 
Wellenreihen  abzuleiten,  als  man  es  bis  jetzt  immer  getban 
hat.  Ich  fand  in  der  That,  dass  eine  Stimmgabel  c*  mit 
Zinken  von  20  mm  Breite  ^)  nicht  nur  in  einer  Röhre  von 
23  mm  Durchmesser  eine  Reihe  von  38  bis  40  gut  aasge- 
bildeter Halbwellen,  wie  sie  Fig.  2  zeigt,  hervorrief,  sondern 
dass  in  zwei  aneinander  gesetzten  und  luftdicht  miteinander 
verbundenen   gleichen   Röhren    die  Bildung   der    75 — 80   auf- 

J)  Aus  Cat.  Nr.  201.  1889. 


Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  Töne,  651 

einanderfolgenden  Halbwellen  auch  noch  durchaus  nichts  zu 
wünschen  übrig  liess.  Erst  nach  dem  Ansatz  noch  einer 
dritten  solchen  Röhre  wurden  die  Rippen  der  Halbwellen 
weniger  scharf ,  ohne  jedoch  dass  die  Wellen  selbst ,  welche 
jetzt  eine  Reihe  von  115 — 120  bildeten,  darum  ihre  Messbar- 
keit  verloren  hätten.  Mit  einer  Stimmgabel  c®^)  erhielt  ich  in 
zwei  aneinander  gesetzten  Röhren  von  20  mm  ebenfalls  90 
bis  100  aufeinanderfolgende  gut  messbare  Halb  wellen,  und 
mit  der  Stimmgabel  c^,  aus  demselben  Satze,  in  einer  Röhre 
von  11  mm  Durchmesser,  auch  noch  gegen  100  gut  ausgebildeter 
Halbwellen,  welche  sich  jedoch  nach  Ansatz  einer  zweiten 
gleichen  Röhre  nicht  mehr  hervorrufen  Hessen. 

Es  ist  offenbar,  dass  man  sich  bei  der  Bestimmung  der 
beiden  sich  entsprechenden  Punkte  in  zwei  Wellen  weder  um 
die  Hälfte,  noch  um  ein  Viertel  einer  Halbwelle  wird  irren 
können,  selbst  die  Annahme,  dass  der  Irrthum  ein  Achtel  oder 
ein  Zehntel  ihrer  Länge  sollte  betragen  können,  durfte  durchaus 
übertrieben  erscheinen,  ein  Fehler  dieser  letzten  Art,  welcher 
bei  der  directen  Messung  nur  einer  einzigen  Halbwelle  die 
Bestimmung  der  Schwingungszahl  dann  allerdings  um  einen 
ganzen  Ton  fälschen  würde,  müsste  aber  auf  hundert  Wellen 
▼ertheilt,  welche  man  mit  den  Tönen  von  c^  bis  c®  ganz  be- 
quem erhalten  kann,  nur  noch  einen  Fehler  von  weniger  als 
einem  Komma  bedingen.  Bei  den  Tönen  über  c^  hinaus  muss 
aber  die  Länge  der  Röhren  dann  einer  immer  geringeren  An- 
zahl von  Halb  wellen  gleich  werden,  wenn  man  in  ihnen  gute 
Staubwellen  erhalten  will.  So  fand  ich,  dass  in  der  Mitte 
der  Octave  von  c®  bis  c®,  in  Röhren,  deren  Länge  etwa  die 
von  50  Halbwellen  der  betreffenden  Töne  war,  sie  sich  schon 
schlecht  oder  gar  nicht  mehr  bildeten,  während  sie  nach  der 
Verkürzung  der  gleichen  Röhren  um  10  bis  15  Halb  wellen 
dieser  Töne  sofort  wieder  erhalten  werden  konnten.  Wenn 
bei  sehr  hohen  Tönen  die  höchst  mögliche  Genauigkeit  in 
ihrer  Tonbestimmung  hiernach  also  allerdings  etwas  geringer 
vrird,  so  gewinnt  sie  andererseits  auch  wieder  durch  den 
umstand,  dass  die  vermittelst  dieser  höchsten  Töne  hervor- 
gerufenen  Staubfiguren  schliesslich   nur  noch  in   einer  Reihe 

Ij  Aus  Cat.   Nr.  50.  1889. 


I 


652  B.  Koeniff, 

ganz  kleiner  gleicher  Anhäufungen  in  den  Wellenbänchen  be> 
stehen  y   welche   wie   eine  Reihe   einzelner  Perlen    in  gleichen 
Abständen   aneinander  aufgereiht  liegen,    deren  Mittelpunktt# 
sich  mit  grosser  Genauigkeit  bestimmen  lassen. 

Für  die  Herstellung  der  Töne  über  c^  schien  mir  übrigens 
die  möglichst  genaue  Messung  der  Länge  einer  Reihe  von 
20  Halbwellen  durchaus  hinreichend,  und  so  habe  ich  bei  der- 
selben immer  nur  Röhren  angewendet,  welche  nicht  mehr  als 
SO  Halbwellen  der  betreffenden  Töne  enthalten  konnten,  wo 
ich  dann  immer  mit  Fortlassung  einiger  Wellen  an  den  Enden 
der  Röhre  die  gewünschte  Reihe  von  20  gleichmässigen  Halb- 
wellen erhalten,  und  gewöhnlich  sogar  von  mehreren  yer- 
schiedenen  Ausgangspunkten  messen  konnte. 

Die  Weite  der  Röhren  ist  bei  diesen  Experimenten  Ton 
noch  viel  grösserer  Wichtigkeit  als  ihre  Länge,  denn  wie  man 
weiss,  ist  erstens  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Schalles 
in  der  Luft  in  zu  engen  Röhren  geringer  als  in  der  freien  Luft, 
sodass  also  auch  die  Staubwellen  in  solchen  eine  Verkürzung 
erleiden  müssen,  dann  aber  bewirkt  eine  nicht  genügende 
Weite  der  Röhren  auch,  dass  in  ihnen  die  Länge  der  Staub- 
wellen  in  merklicher  Weise  von  der  Intensität  der  sie  er- 
zeugenden Töne  abhängig  wird.  Es  war  hiemach  also  aus 
doppeltem  Grunde  wichtig,  zu  untersuchen,  welchen  Durch- 
messer eine  Röhre  mindestens  haben  müsse,  damit  sich  ein 
gegebener  Ton  in  ihr  ungestört  und  mit  gleicher  Geschwindig- 
keit wie  in  der  freien  Luft  fortpflanzen  könne.  Nach  Kundt  soll 
dieser  Durchmesser  immer  zum  wenigsten  gleich  der  Viertel- 
welle des  Tones  sein,  doch  da  er  seine  Untersuchungen  nicht 
auf  die  sehr  hohen  Töne  ausgedehnt  hat,  so  dürfte  man 
nicht  berechtigt  sein,  ungeprüft  anzunehmen,  dass  seine  Regel 
auch  auf  diese  anwendbar  sein  müsse. 

Unter  dem  Einflüsse  der  Stimmgabel  c^  mit  der  Zinken- 
breite von  20  mm,  entstanden  bei  der  gerade  im  Zimmer 
herrschenden  Temperatur  Staub  wellen,  deren  Länge  in  Röhren 
von  27,  23  und  20  mm  Durchmesser  immer  41,6  mm  betrug, 
die  Intensität  des  Tones  mochte  sein,  welche  sie  wollte.  Die 
Veränderung  in  derselben  wurde  nicht  durch  rerschieden 
starkes  Anstreichen  der  Gabel  bewirkt,  sondern  dadurch,  dass 
man  die  vor   dem  offenen  Ende   der  Röhre  wirkende  Zinken- 

i 


p 


Höchste  hörbare  uiid  unhÖrbare  Kne.  653 

fläche  der  Gabel,  welche  immer  gleich  in  möglichst  starke 
Schwingungen  versetzt  wurde,  von  diesem  offenen  Ende  all- 
mählich entfernte,  bis  die  Staubfiguren  anfingen,  undeutlich 
und  nicht  mehr  gut  messbar  zu  werden,  was  bei  den  Röhren 
von  27  und  23  mm  Durchmesser  geschah,  wenn  die  Entfer- 
nung der  Zinkenfläche  von  ihrem  offenen  Ende  etwa  50  mm, 
bei  der  von  20  mm  Durchmesser  etwa  20  mm  betrug.  In 
Bohren  mit  Durchmessern  von  15  und  20  mm  war  die  durch- 
schnittliche Länge  der  Halbwellen  dann  aber  bei  stärkstem 
Tone  41,4  mm  geworden,  und  fand  sich  bei  geschwächtem 
Tone,  wenn  die  Entfernung  der  Stimmgabelzinke  von  dem 
offenen  Ende  der  Röhre  von  15  mm  Durchmesser  15  mm, 
von  dem  der  Röhre  von  10  mm  Durchmesser  etwa  7  mm  be- 
trug, =  41,4  bis  41,5  mm,  sodass  in  diesen  beiden  Fällen 
sich  also  schon  der  Einfluss  der  zu  geringen  Weite  der  Röhre 
sowohl  auf  die  Länge  der  Staubwellen  erkennen  lässt,  wie  auch 
dass  diese  Länge  hier  nicht  mehr  von  der  Intensität  des  Tones 
ganz  unabhängig  ist.  In  einer  Röhre  von  8  mm  Durchmesser 
bilden  sich  die  Staubwellen  in  der  Nähe  des  offenen  Endes 
schon  sehr  schlecht  aus,  sie  bestehen  hauptsächlich  nur  noch  aus 
einer  Folge  von  Rippen,  in  denen  die  Gliederung  nur  sehr 
wenig  ausgeprägt  ist  und  die  im  übrigen  Theil  der  Röhre  gut 
ausgeprägten  Halbwellen  sind  nicht  gleichförmig,  so  betrug 
ihre  Länge  bei  starkem  Tone  in  der  dem  geschlossenen  Ende 
der  Röhre  zunächst  liegenden  Hälfte  41,3  mm  und  in  der 
anderen  Hälfte  nur  40,4  mm.  Auch  änderte  sich  diese  Länge 
mit  der  Intensität  des  Tones,  doch  waren  alle  diese  Erschei- 
nungen so  schwankend  und  gestatteten  so  wenig  wirklich  genaue 
Messungen,  dass  ich  sie  nicht  weiter  untersucht. 

An  den  mit  der  Stimmgabel  c^  erzsugten  Staubwellen, 
welche  nur  noch  die  halbe  Länge  als  die  von  c^  haben,  lassen 
sich  die  Messungen  schon  mit  sehr  viel  grösserer  Genauigkeit 
ausführen.  In  einer  Röhre  von  20  mm  Durchmesser,  und 
welche  die  Länge  von  etwa  50  Halbwellen  des  Tones  hatte, 
erhielt  ich  alle  diese  Halbwellen  von  einem  ihrer  Enden  bis 
zum  anderen  so  scharf  ausgebildet,  dass  verschiedene  Messungen 
von  40  Halbwellen  enthaltenden  Reihen  immer  fast  ganz  genau 
denselben  Mittelwerth  von  20,85  mm  für  eine  Halbwelle  er- 
gaben,   welcher   auch   bei   den   verschiedenen  Abständen   der 


654  B.  Koeniff. 

Gabelzinke  vom  offenen  Ende  der  Röhre  bis  zu  50  mm  durch- 
aus unverändert  blieb.  In  einer  Röhre  Ton  15  mm  Durch-  . 
messer  erhielt  ich  auch  noch  gute  Staubfiguren  in  ihrer  ganzen^ 
Länge,  und  fand  bei  der  stärksten  Intensität  des  Tones  die 
Länge  der  Halbwellen  =r  20,78  mm,  und  bei  einem  Abstände 
der  Gabelzinke  von  40  mm  =  20,85.  In  einer  Bohre  tod 
10  mm  Durchmesser  entstanden  weit  weniger  gute  Staab- 
figuren,  welche  sogar  in  der  Nähe  ihres  offenen  Endes  schon 
ganz  schlecht  waren,  und  die  Länge  der  Halbwelien  in  ihr 
bei  stärkstem  Tone  war  ==  20,71  mm,  beim  schwächsten 
=  20,85  mm.  In  einer  Röhre  von  8  mm  endlich  bildeten 
sich  gute  Staubwellen  nur  noch  in  den  ihrem  geschlossenen 
Ende  zunächst  liegenden  zwei  Dritteln  ihrer  Länge,  welche 
bei  stärkstem  Tone  20,60  mm,  beim  schwächsten  20,70  mm 
lang  waren. 

Die  Stimmgabel  c^  erzeugte  in  einer  etwa  95  Halbwellen 
des  Tones  langen  Röhre  mit  dem  Durchmesser  von  15  mm, 
von  einem  bis  zum  anderen  Ende  scharf  ausgeprägte,  aber  un- 
regelmässig geformte  Wellen,  in  deren  Folge  sich  jedoch  eine 
gewisse  Periodicität  erkennen  Hess  und  in  denen  die  Rippen 
nicht  senkrecht  zur  Axe  der  Röhre  standen,  sondern  sich  ab- 
wechselnd bald  nach  einer,  bald  nach  der  anderen  Seite  hin- 
neigten. Diese  Art  der  Staubfiguren  zeigt  immer  eine  in 
grosse  Weite  der  Röhre  an.  In  einer  Röhre  von  1 4  mm  Durch- 
messer waren  die  Wellen  schon  etwas  regelmässiger,  sie  wurdoi 
es  aber  ganz  und  gar  erst,  wenn  der  Durchmesser  der  Röhre 
nur  noch  1 1  mm  betrug,  wo  dann  auch  die  Länge  der  Halb- 
wellen bei  verschiedener  Intensität  des  Tones  immer  dieselbe 
von  10,45  mm  blieb.  In  Röhren  von  10  oder  gar  9  mm 
Durchmesser  lässt  sich  aber  dann  schon  wieder  der  Eünfluss 
der  zu  geringen  Weite  der  Röhre  beobachten,  und  in  einer 
Röhre  von  5  mm  Durchmesser  betrug  die  Länge  der  Halb- 
wellen bei  stärkstem  Tone  nur  noch  10,0  mm,  bei  schwäch* 
stem  10,3  mm. 

Aus  diesen  Beobachtungen  geht  also  hervor,  dass  ftLr  den 
höchsten  musikalischen  Ton  c^  die  Regel  von  Eundt  noch 
vollständig  gültig  ist  und  man  sie  also  für  ihn  Röhren,  deren 
Durchmesser  gleich  der  Viertelwelle  des  Tones  ist,  anwenden 
kann,   für  c®  ist  aber   die    passendste   Röhrenweite    ungefthr 


Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  Töne,  655 

eich  'der  Halbwelle  des  Tones,  denn  wenn  diese  noch  drei 
;htel  der  Wellenlänge  beträgt,  zeigt  sich  in  den  Staubwellen 
bon  der  schädliche  Einfluss  eines  zu  geringen  Durchmessers, 
id  bei  der  Weite  von  einer  Viertelwelle  wird  die  Röhre  für 

* 

ie  genaueren  Experimente  sogar  schon  geradezu  unbrauchbar. 
e  TOD  mir  experimentell  gefundene  passendste  Weite  für 
[e  Töne  über  c*  bis  zu  den  höchsten  hin,  wuchs  dann  aber 
ir  noch  von  der  Hälfte  bis  etwa  zu  zwei  Drittel  der  Wellen- 
ige, und  betrug  also  für  c^  11  mm,  ftir  c®  5,5  mm,  für  c^ 
liim,  und  ähnlich  so  dann  auch  für  alle  Zwischentöne. 

Die  Fig.  6  yeranschaulicht  den  Einfluss  der  Röhrenweite 
f  die  Staubfiguren  durch  zwei  Gruppen  von  drei  Staub- 
nren,  welche  mit  den  Stimmgabeln  c'  und  c^  in  einer  zu 
liten,  in  einer  passenden  und  in  einer  zu  engen  Röhre  er- 
agt  wurden,  und  ausserdem  zeigt  die  einzelne  Röhre  über 
3sen   beiden  Gruppen   auch  noch  die  Figur  von  c^  in  einer 

weiten  Röhre  allein. 
Die  Grenzen  der  geringsten  und  grössten  Weite  der  Glas- 
hren,  bei  welcher  ein  gegebener  Ton  gute  Staubwellen  in 
Den  erzeugen  kann,  rücken  mit  der  Höhe  dieses  Tones  immer 
her  aneinander,  sodass  es  bei  den  höchsten  Tönen  zwischen 
und  90  000  Schwingungen  schon  schwer  ist,  Glasröhren  von 
oau  richtigem  Durchmesser  anzutreffen,  was  mir  der  haupt- 
ßhlichste  Grund  dafür  zu  sein  scheint,  dass  die  Staubfiguren 
»er  Töne,  wie  man  aus  Fig.  5  ersehen  kann,  alle  immer 
r  in  einem  Theile  der  Röhrenlänge,  statt  von  einem  Ende 
I  zum  anderen  derselben  gut  ausgebildet  sind. 

Die  Wanddicke  der  Glasröhren  hat  natürlich  auf  die  Bil- 
ng  der  Staubfiguren  in  ihnen  an  und  für  sich  gar  keinen 
nfluss,  da  jedoch  bei  diesen  Experimenten  der  Rand  der 
^hre  nie  die  Oberfläche  der  Gabelzinken  überragen  darf, 
1  nicht  die  Bewegung  des   anstreichenden  Bogens  zu  stören, 

wird  der  Mittelpunkt  der  Röhrenö£hung  um  so  weiter  ?on 
m  Ende,  und  also  gerade  von  dem  am  stärksten  schwingen- 
n  Theile  der  Gabelzinke  entfernt,  als  die  Wanddicke  der 
^hre  zunimmt,  was  dann  bei  den  höchsten  Tönen  das  Ge- 
gen der  Experimente  oft  schon  ganz  und  gar  verhindern  kann, 

bei  diesen  der  blosse  Durchmesser  der  Röhrenöffnung  schon 
mer  nur  noch  sehr  wenig  kleiner  ist  als  die  ganze  Zinkenlänge 


HÖckste  körhare  und  unhÖTbare  Time. 


657 


schliffen   sein,    um   parallel    und    dicht   vor    die   schwingende 

Zinkenfläche   der  Stimmgabel   eingestellt   werden   za   können. 

P  Da  die  Rähre  auf  ihrem  Gestelle  natürlich  immer  eine  durch- 

■lu  horizontale  Lage  haben  mnss,    weil   sonst  der  Staub   sich 

I:  ihrem  tiefer  liegenden  Theile  anhäufen  würde,  ist  es  nöthig, 

die  Ziokenfläcbe   immer  genau   senkrecht  vor  ihr  ein- 

tUt  werden  könne  und  zu  diesem  Zwecke  ist  die  Scbrauben- 

in  welcher   der  Stiel   der   Stimmgabel  befestigt  wird, 

F  ihrem  eisernen  Ständer  drehbar,  was  gestattet,  dieser  jede 


Fig.  1- 

Iflliebige  Neigung  zu  geben.  Fig.  7  zeigt  die  ganze  Zu- 
meDstellung  während  eines  Versuches. 
Das  gute  Gelingen  der  Stauhfiguren  ist  auch  von  dem 
iggswendeten  Staube  nicht  ganz  unabhängig,  und  ich  fand, 
sich  Korkfeilicht  am  besten  für  diese  Experimente  eig- 
,  besonders  wenn  man  ihn  für  die  verschieden  hohen  Töne 
"  mit  verschiedener  Körnergrösse  wählte.  Ich  wendete  fünf 
Sorten  an,  welche  vermittelst  einer  Reibe  von  fünf  Sieben  her- 
gestellt waren,  deren  Löcher  von  einem  zum  andern  immer 
kleiner  wurden,  sodass  sie  auf  einem  Quadratcentimeter  an- 
nähernd   277,  670,  1660,  3080    und  4444  Löcher   enthielten, 

Ik  Ado.  d.  Fhr*.  u-  Cbm.     N.  F.    69.  48 


658  R.  Koeniff. 

oder  genau  nach  den  Angaben  der  Fabrik  der  Drahtnetze 
45,  70,  110,  150  und  180  Maschen  auf  einem  Zoll  zu  27  mm. 
Ich  verwendete  die  erste  und  zweite  Sorte  hauptsächlich  für  ^ 
die  Töne  von  c^  bis  c^  und  die  beiden  nächsten  dann  für  die 
höheren  Töne.  Das  letzte  feinste  Sieb  mit  4444  Löchern  hatte 
aber  einen  so  feinen  Staub  ergeben,  dass  er  ganz  so  wie 
Lycopodiumpulver  wirkte,  sich  wie  dieses  mehlartig  zusammen- 
backte  und  auch  an  den  Wänden  der  Köhre  zu  fest  anklebte, 
wenn  man  auch  auf  die  Reinigung  dieser  vor  der  EinftlhruDg 
des  Staubes  in  sie  alle  nöthige  Sorgfalt  verwendet  hatte. 

Wenn  der  Staub  in  der  Röhre  gleichmässig  vertheilt  ist 
und  auf  dem  Boden  derselben  eine  Linie  bildet,  so  muss  man 
die  Röhre  um  ihre  Axe  drehen,  um  dieser  Linie  eine  höhere 
Lage  auf  der  Seitenwand  zu  geben,  unter  dem  Einflüsse  des 
Tones  bilden  sich  dann  sehr  oft  noch  die  Wellenfiguren  ganz 
vortrefflich,  selbst  in  Fällen,  in  denen  sich  die  am  Boden  be- 
findliche Staublinie  gar  nicht  mehr  rühren  will,  und  zeigt  dann 
die  bogenförmigen  Zacken,  in  denen  die  Staubrippen  wie 
Fransen  herabzuhängen  scheinen,  eine  Form,  welche  auch  für 
die  Bestimmung  der  Knotenstellen  bei  den  tieferen  Tönen  vor- 
theilhaft  ist,  bei  denen  sie  oft  recht  scharfe  Spitzen  bildet, 
wie  man  besonders  gut  auf  Fig.  2  sehen  kann.  Bei  den  ganz 
hohen  Tönen  habe  ich  häufig  auch  noch  einen  anderen  kleinen, 
aber  oft  sehr  erfolgreichen  Kunstgriff  angewendet.  Wenn 
nämlich  auch  die  hochgelegte  Staublinie  sich  durchaus  nicht 
mehr  rühren  wollte,  gab  ich  einen  kleinen  Schlag  gegen  das 
Gestell,  auf  welchem  die  Röhre  befestigt  war,  sodass  der 
Staub  der  hochgelegten  Linie  niederfiel  und  auf  dem  Boden 
der  Röhre  eine  neue  Staublinie  bildete,  welche  ich  so  schnell 
als  möglich  durch  Drehung  der  Röhre  wieder  in  eine  hohe 
Lage  brachte,  um  dann  den  Bogenstrich  über  die  Gabel  so- 
gleich folgen  zu  lassen.  In  sehr  vielen  Fällen  habe  ich  bei 
diesem  Verfahren  dann  die  Figur  erhalten,  wahrscheinlich 
wohl,  weil  der  während  des  ersten  Niederfallens  gelockerte 
Staub  noch  nicht  Zeit  gehabt  hatte,  in  der  neu  gebildeten 
Linie  sich  wieder  zu  fest  zusammenzubacken,  ehe  die  Wirkung 
des  Tones  erfolgte. 


\ 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  TÖne,  659 

5.  Prüfung  einer  mit  Hülfe  der  Stosstöne  gestimmten 
^  Stimmgabelreihe   von    c^   bis   f^   vermittelst   der  Kundt'schen 

Staubfiguren. 

Es  ist  nach  den  vorstehenden  Erörterungen  selbstverständ- 
lich, dass  man  vermittelst  der  Staubfiguren  nun  auch  mit 
Leichtigkeit  wird  prüfen  können,  bis  zu  welcher  Genauigkeit 
in  der  Stimmung  der  hohen  Stimmgabeln  ich  es  vermittelst 
der  Anwendung  der  Stosstöne  hatte  bringen  können,  ich  finde 
aber  dass  die  Prüfung  einer  von  mir  gelieferten  Stimmgabel- 
reihe durch  irgend  einen  anderen  Gelehrten  und  ohne  mein 
Zuthun,  zweckentsprechender  sein  dürfte,  als  wenn  ich  meine 
eigenen  Messungen  an  einer  von  mir  selbst  früher  gestimmten 
Stimmgabelreihe  nun  mit  dieser  in  ihrer  Anwendung  neuen 
Methode  von  Kundt  geben  möchte.  Eine  solche  Arbeit  ist  aber, 
jetzt  auch  schon  wirklich,  und  zwar  von  Hrn.  Dr.  Seh  wen  dt 
in  Basel  ausgeführt  worden,  der  eine  der  einzigen  sechs  von 
mir  mit  Stosstönen  gestimmten  vollständigen  Stimmgabelreihen 
von  c*  bis  f^  besitzt,  welche  ich  überhaupt  jemals  geliefert 
habe.^)  Nach  einigen  Mittheilungen  darüber,  wie  ich  meine 
Versuche  mit  den  Kundt'schen  Staubfiguren  in  Verbindung 
mit  den  hohen  Stimmgabeln  angestellt,  war  es  auch  ihm  sehr 
bald  gelungen,  gute  Staubfiguren  mit  den  Tönen  von  c*  bis  /*^, 
seiner  ganzen  im  Jahre  1897  von  mir  bezogenen  Stimmgabel- 
reihe zu  erhalten  und  dann  die  nöthigen  Messungen  an  den- 
selben zu  vollziehen.  Da  Hr.  Dr.  Schwendt  die  Resultate  dieser 
Messungen  nun  schon  selbst  veröflFentlicht  hat^,  so  kann  ich 
natürlich  einfach  auf  seinen  Aufsatz  verweisen,  aus  welchen 
man  ersehen  wird,  wie  gering  überall  der  Unterschied  zwischen 
den  erforderten  und  den  von  ihm  gefundenen  Werthen  ist 
Als  ein  Beispiel  mag  seine  Bestimmung  der  Schwingungs- 
zahl seines  höchsten  Tones  f^  dienen,  für  welche  er  statt 
43690,6  vs,  31  vs  mehr  gefunden.  Nun  sind  seine  Messungen 
aber    bei    15^    ausgeführt,    während    die    Gabel    in    üeber- 


1)  Von  den  anderen  fünf  Stimmgabelreihen  sind  zwei  in  Amerika, 
eine  ist  in  England,  eine  in  Frankreich  und  eine  in  Russland. 

2)  A.  Schwendt,    Archiv  für  die  ges.  Physiol.  75.   p.  346.    1899. 

Experimentelle  Bestimmung  der  Wellenlänge  und  Schwingungszahl  höchster 

hörbarer  Töne,    mit  Benutzung  von  Hrn.  Rudolph    Koenig   brieflich 

mitgetheilter  praktischer  Anleitungen,  ausgeiührt  von  A.  Schwendt. 

42* 


660        R.  Koeniff,    Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  Töne, 

eiustimmung  mit  der  Normalgabel  c'=512üä  bei  20®  con- 
struirt  war.  Da  der  Einfluss  der  Wärme  auf  Stimmgabeln 
aus  Stahl  für  1®=  ±  0,0001117  ü*  ist^),  so  muss  also  eine  4 
Gabel  f^  von  43690,6  vs  bei  20  ^  bei  der  Temperatur  von 
15®  43690,6.0,0001117.  15  =  24,4  vs  mehr  machen,  wodurch 
der  schon  an  und  für  sich  so  kleine  Unterschied  von  31  r*  zu 
einem  von  6,6  vs  verringert  wird,  und  dann  die  durch  beide 
verschiedene  Methoden  erhaltenen  Werthe  so  gut  wie  voll- 
ständig übereinstimmen. 

Paris,  Juni    1899.  (Schluss  im  nächsten  Heft.) 

1)  R.  Koenig,  Wied.  Ann.  9.  p.  408.  1880;  Quelques  Exp.  p.  185. 

(Eingegangen  7.  Juli  1899.) 


6.   Eoiyperinientalunterstichv/ngen 
über   den    Ursprung  der  Berührung selektricitüt; 

von  C.  Christiansen. 

(Vierte  Mittheilung.) 
Ueber  den  EinflasB  des  Wasserdampfes. 


§  29.    Theorie  der  Tropfenelektrode. 

Denken  wir  uns  einen  Quecksilberbehälter,  aus  welchem 
Quecksilber  als  dünner  Strahl  ausfliesst,  und  sich  in  Tropfen 
auflöst.  Das  Quecksilber  sei  mit  dem  einen  Quadrantenpaare 
eines  Thomson'schen  Elektrometers  verbunden,  das  andere 
Quadrantenpaar  sei  zur  Erde  —  Wasserleitung  —  abgeleitet. 
Fällt  der  Strahl  im  Inneren  eines  hohlen  Metallcylinders,  dem 
z.  B.  mittels  einer  galvanischen  Batterie  das  Potential  F  ge- 
geben ist,  dann  wird  das  Elektrometer  dasselbe  Potential  V 
anzeigen.  Wir  haben  hier  eine  reine  Erfahrungsthatsache. 
Die  Theorie  folgert  hieraus,  dass  im  Baume  zwischen  dem 
Cylinder  und  dem  Strahle  die  elektrische  Kraft  Null  ist.  Wenn 
dieses  Gleichgewicht  erreicht  ist,  muss  sowohl  die  innere  Ober- 
fläche des  Cjlinders  als  die  Oberfläche  des  Strahles  unelek- 
trisch sein. 

Streng  genommen  gilt  dies  jedoch  nur,  wenn  der  Cylinder 
und  der  Strahl  von  demselben  Metalle  gebildet  ist.  Ist  der 
Cylinder  von  Zink,  und  ist  er  zur  Erde  abgeleitet,  so  giebt  das 
Elektrometer  einen  positiven  Ausschlag,  entsprechend  der  be- 
kannten Potentialdifi'erenz  zwischen  Zink  und  Quecksilber. 
Auch  in  diesem  Falle  muss  die  elektrische  Kraft  im  Innern 
des  Cylinders  Null  sein,  beide,  Quecksilber  und  Zink,  sind  also 
ungeladen.  Das  constante  Potential  im  Innern  des  Gliedes 
nennen  wir  C,  Bezeichnen  wir  das  Quecksilber  mit  Hg,  die 
Elektrometerquadranten  mit  El,  dann  wird  das  Potential  P^ 
des  isolirten  Quadrantenpaares 

P,  =  C7+ AVj  Hg. 
\ 


662  G,  Christiansen, 

Bezeichnen  wir  allgemein  das  Metall,  von  welchem  das 
Rohr  gebildet  ist,  mit  X,  so  haben  wir  für  das  Potential  P«  des 
abgeleiteten  Quadrantenpaares  ^ 

Pg  =  C  +  A7  I  X. 

Der  Ausschlag  des  Elektrometers  entspricht  folglich  einer 
PotentialdiflFerenz  7>  =  Pj  —  P^, 

i>  =  ^/l  Hg  -  ^/|  Z=  X!  Hg. 

Wir  bestimmen  folglich  mittels  der  Tropfenelektrode  die  Po- 
tentialdififerenz  der  Metalle.  Dass  die  Resultate  im  Grossen 
und  Ganzen  mit  dieser  Auffassung  in  üebereinstimmung  sind, 
haben  F.  Exner  und  J.  Tuma  nachgewiesen.^) 

In  der  ersten  Mittheilung*)  habe  ich  eine  Reihe  von  Ver- 
suchen beschrieben,  in  welchen  das  Quecksilber  durch  stark 
verdünnte  Amalgamen  von  Zink,  Cadmium,  Zinn  oder  Blei 
ersetzt  war.  Wird  ein  solches  Amalgam  mit  Am  bezeichnet, 
so  müssten  wir  haben 

i>  =  Pi-.P2  =  JT-Am. 

Es  zeigte  sich  aber,  dass  die  Potentialdifferenz  D  von  der 
Natur  des  Gases  abhängig  war.  Hieraus  folgt,  dass  an  dei 
Berührungsfläche  zwischen  Gas  und  Amalgam  ein  Potential- 
sprung stattfinden  muss.  Dasselbe  muss  natürlich  auch  von 
der  Berührungsfläche  zwischen  dem  Metallrohre  und  dem  Gase 
gelten.     Bezeichnen  wir  das  Gas  mit  Z,  so  haben  wir  jetzt 

Pj  =  C+  Am|Z  +  El\km, 

P^  =  C+     X\LJt  El\X 
und 

L^P^-P^  =  Am,Z-AVi-fX  Am. 

Hier  ist  nun,  wie  gesagt,  die  Natur  der  Atmosphäre  von  Be- 
deutung.   Mit  Wasserstoff  H  erhalten  wir  die  Potentialdifferenz 

i>j  =  Am|H-X|H  +  JjAm; 

ersetzen  wir  das  Amalgam  durch  Quecksilber  Hg,  so  erhalten  wir 

i>2  =  Hg|H-Z!H  +  X|Hg. 


1)  F.  Exner  u.  J.  Tuma,  Sitzungsber.  d.  k.  Gesellsch.  d.  Wissensch. 
EU  Wien  (2)  97.  p.  917.  1888. 

2)  C.  Christiansen,  Wied.  Ann.  56.  p.  644.  1895. 


Ursprung  der  Berührungselektricität  668 

Nun  zeigen  die  Tab.  IX,  X,  XI  und  XII  in  meiner  ersten  Ab- 
handlung ^)  unzweideutig,  dass  für  die  Metalle  Zn,  Cd,  Pb,  Sn 
w    I)^  =  D^  ist;  wir  erhalten  somit 

AmH  +  X  Am  =  Hg  H  + JT  Hg, 
oder 

Am  Hg  =  Am  H-Hg|H. 

Weiter  folgt  aus  der  Tabelle  meiner  zweiten  Abhandlung*), 
dass  Stickstoff,  Kohlensäure  und  Stickstoffoxydul  sich  ebenso 
wie  Wasserstoff  verhalten.  Dass  alle  diese  Gase  wirklich  dem 
bekannten  Spannungsgesetz  gehorchen,  scheint  mir  sehr  un- 
wahrscheinlich. Ich  meine  deshalb,  dass  wir  annehmen  müssen, 
dass  Am  Hg  =  0  ist ,  oder  allgemein ,  dass  zwei  sich  be- 
rührende Metalle  dasselbe  Potential  haben. 

In   derselben  Weise   finden   wir  in  einer  Sauerstoffatmo- 
sphäre die  Potentialdifferenzen 

i>3  =  Am  0  -    X  0  +  X  Am, 

2>,=  HgO-    X  0  +  J  Hg, 

i>3  -  i>4  =  Am !  0  -  Hg  0  -  Am  Hg. 

Hier  ist  D^—D^  immer  negativ  und  wird  ungefähr  gleich  der 
allgemein  angenommenen  Potentialdifferenz  zwischen  dem  im 
Amalgame  enthaltenen  Metall  und  dem  Quecksilber  gefunden. 
Setzen  wir  aber,  in  Uebereinstimmung  mit  dem  Vorhergehen- 
den, Am  J  Hg  =  0,  dann  entspricht  die  Differenz  D^  —  J)^  der 
Polarisation  an  der  Oberfläche  des  Amalgames.  Wie  ich  in 
der  ersten  Abhandlung  gezeigt  habe,  ist  D^  von  der  Länge 
und  der  Ausflussgeschwindigkeit  des  Strahles  abhängig.  Ist 
der  Strahl  sehr  kurz  und  ist  die  Geschwindigkeit  gross,  dann 
wird  i>g  =  i>^ ;  wir  hätten  in  diesem  Falle  die  merkwürdige 
Relation 

Am  0-Hg,0  =  Am|Hg, 

der  Sauerstoff  sollte  sich  dann  ebenso  wie  Wasserstoff  und 
die  übrigen  inactiven  Gase  verhalten.  Allen  diesen  Schwierig- 
keiten entgehen  wir,  wenn  wir  Am'Hg  =  0  setzen  und  an- 
nehmen, dass  Polarisationen  zu  ihrem  Entstehen  Zeit  brauchen. 

1)  C.  Christiansen,    Wied.    Ann.    56.   p.  655 ff.    1895.     In   der 
Tabelle  XII  ist  Sauerstoff  durch  Wasserstoff  und  umgekehrt  zu  ersetzen. 

2)  C.  Christiansen,  1.  c.  57.  p.  690.  1896. 


664  C.  Christiansen. 

Für  Sauerstoff  ist  diese  Zeit  jedoch  sehr  kurz,  fQr  die  neutralen 
Gase  dagegen  so  gross,  dass  die  daher  rührenden  Potential- , 
differenzen  bei  Versuchen  mit  Tropfelektroden  gar  nicht  zum^ 
Torschein  kommen.  Was  ich  hier  entwickelt  habe,  stimmt 
völlig  mit  den  von  Hm.  K.  Wesendonck^)  gemachten  Be- 
merkungen überein,  welche  ich  somit  zu  meinen  eigenen  machen 
kann.  Man  kann,  wie  schon  von  Hrn.  Wesendonck  hervor- 
gehoben wurde,  die  Annahme  von  einer  merkbaren  Potential- 
differenz der  Metalle  bei  der  Berührung  nur  dann  aufrecht  halten, 
wenn  man  die  inactiven  Gase,  und  bei  kurz  dauernden  Amalgam- 
strahlen auch  Sauerstoff  in  die  Spannungsreihe  aufnehmen  will. 

i^  30.   Eine  neue  Versuchsmethode. 

In  meiner  dritten  Abhandlung  habe  ich  gezeigt,  dass  die 
Einwirkung   des  Sauerstoffs   auf  Amalgame  selbst  durch  sehr 
kleine   Feuchtigkeitsmengen   wesentlich   beeinflusst    wird.     In 
möglichst  trockenem  Sauerstoffe  wird  ein  Amalgamstrahl  sehr 
schnell   mit   einer   dünnen  Oxydschicht   bedeckt,    welche   ihn 
gegen   weitere  Oxydation   schützt.     Diese  Schicht   bildet   eine 
Art  von  fester  Hülle  und  macht  den  Strahl  „lang^^;  sie  schützt 
ihn   gegen   weitergehende  Oxydation.     In  feuchtem  Sauerstoff 
findet   dagegen   eine   Hydratbildung   statt,    die   immer  weiter 
geht,    und  der  Strahl  bleibt  kurz.     Es  schien  mir  wenigstens 
sehr  wahrscheinlich   zu   sein,   dass  das  elektrische   Verhalten 
des  Strahles  auch  von  der  Feuchtigkeit  abhängen  müsste.    So 
etwas  hatte  ich  zwar  nicht  bemerkt,  aber  die  Luft  wurde  aucb 
nur  auf  dem  Wege  zum  Tropfenapparat  getrocknet.     Aber  in 
meinem  Apparate  konnte  sehr  wohl  auch  etwas  Feuchtigkeit  von 
den  Glaswänden,   Eohlenplatten   und    den   Eautschukpfropfen 
sich  abgelöst  haben.     Ausserdem  hatte  ich  bei  den  früheren 
Versuchen  mit  Tropfenelektroden  mit  den  kleinen  Tropfen  zu 
kämpfen  gehabt,  die  nach  allen  Seiten  fahren,  wenn  der  Strahl 
sich  in  Tropfen  auflöst.    Diese  kleinen  Tropfen  setzen  sich  auf 
den  Plattenelektroden   fest  und  ändern  dadurch  ihre  Stellung 
in  der  Spannungsreihe.    Endlich  ist  es  unmöglich,  die  Tropfen- 
elektroden in  trockenem  Sauerstoff  zu  benutzen,  weil  der  Strahl 
dann    „lang"   wird,    und    sich    gar  nicht  in  Tropfen   auflöst. 

1)  K.  Wesendonck,  Wied.  Ann.  68.  p.  411.  1896. 


UripruTig  der  ßerührungtelehlrtcüät. 


665 


Alle  diese  Schwierigkeiten  lassen  sich  glücklicherweise 
in  folgender  Weise  überwinden.  Es  wäre  wohl  nicht  unmög- 
lich gewesen,  einen  Hohlcylinder  von  z.  B.  Zinkamalgain  zu 
bilden  und  in  desaem  Inneren  eine  Tropfenelektrode  von  Queck- 
silber anzubringen.  Es  ist  indess  viel 
leichter,  eine  Reihe  von  „langen"  Amal-  - 
gamstrahlen  als  Generatoren  des  Cjlin- 
ders  zu  verwenden ;  wenn  diese  Strahlen 
in  hinlänglich  grosser  Zahl  genommen 
werden,  können  sie  den  Cylinder  ersetzen. 

Um  diese  Ifethode  zu  prüfen,  liess 
ich  einen  Apparat  verfertigen,  welchen 
Fig.  1  im  Längen  schnitt,  Fig.  2  im  Quer- 
schnitt darstellt.  Zwischen  zwei  von- 
einander isolirten  Ringen  A  und  B  wur- 
den 12  Platindrähte,  deren  Durchmesser 
0,3  mm  betrug,  gestreckt.  Sie  bildeten 
einen  Cylinder,  dessen  Länge  8  cm,  und 
die  des  Diameters  8  mm  betrug.  Das  eine 
Ende  war  an  A  mittels  Schrauben  be- 
festigt, das  andere  war  mit  den  Federn  b  b 
verbunden.  A  und  B  waren  durch  Ebonit- 
scheiben, CundiJ  von  dem  aufgeschlitzten 
Hessingrohre  EE  isolirt.  GG  ist  ein 
ähnliches  Messingrohr,  das  um  EE  ge- 
dreht werden  kann;  dadurch  kann  man, 
wie  Fig.  2  zeigt,  die  Platindrähte  gegen 
äussere  elektrische  Kräfte  schützen. 

Inmitten  des  durch  die  Platindrähte 
gebildeten  röhrenförmigen  Raumes  wurde 
die  Tropfenelektrode  angebracht,  sie  war 
mit  dem  Elektrometer  verbunden.  Zwei  galvanische  Elemente 
direct  mit  dem  Elektrometer  verbunden,  hatten  eine  elektro- 
motorische Kraft  von  2,883  Volt,  Mit  dieser  Batterie  wurden 
nun  drei  Versuchsreihen  gemacht.  In  der  ersten  waren 
sowohl  die  Flatindrähte,  als  die  Röhren  E  und  G  mit  der 
Batterie  verbunden ;  das  Elektrometer  zeigte  nun  die  Spannung  /', 
an.  In  der  zweiten  waren  die  Platindrähte  zur  Erde  abgeleitet, 
E  und  G  mit  der  Batterie  verbunden,  das  Elektrometer  zeigte 


Fig.  2. 


666 


C.  Christiansen, 


Bun  die  Spannung  f\.  In  der  dritten  waren  die  Drähte  mit 
der  Batterie  verbunden,  die  Hülle  EG  zur  Erde  abgeleitet; 
die  gefundene  Spannung  war  Fy  In  der  folgenden  Tabelle^ 
ist  ausserdem  unter  L  die  Länge  des  Strahles,  unter  P  das 
Volumen  des  in  der  Minute  ausströmenden  Quecksilbers  an- 
gegeben. 


L 

P 

V, 

V, 

r. 

8  mm 

2,7  cm» 

2,851 

0,060 

2,800 

18 

3,9 

2,871 

0,058 

2,820 

80 

5,6 

2,866 

0,066 

2,790 

Die  Werthe  von  V^  zeigen,  dass  die  Drähte  nicht  völlig 
im  Stande  sind,  äussere  Einflüsse  abzuhalten,  doch  beträgt 
der  Fehler  nur  etwa  2  Proc.  der  ganzen  Spannung. 

Dasselbe  Resultat  konnte  mittels  Amalgamstrahlen  durch 
den  jetzt  zu  beschreibenden  Apparat   erhalten  werden.     AA 

(Fig.  3)  ist  ein  rohrformiger 
Behälter  von  Eisen,  gebildet 
von  einem  oberen  und  einem 
unteren  Theile,  die  ineinander 
geschraubt  werden,  und  mit- 
tels des  ledernen  Ringes  CC 
gedichtet  werden  können.  Im 
unteren  Theile  sind  in  einem 
Kreise  von  6  mm  Durch- 
messer 12  Löcher  gebohrt. 
0,2  bis  0,3  mm  im  Durch- 
messer. Der  obere  TheilJ55 
trägt  zwei  Röhren  FF^  durch  die  eine  wird  das  Amalgam 
hineingeführt,  die  andere  ist  verschlossen.  Mittels  dieser 
Röhren  wird,  wie  die  Figur  zeigt,  der  Behälter  ^  ^  an  einem 
Kautschukpfropfen  (?  G  befestigt,  welcher  in  einem  weiten  Glas- 
rohre befestigt  ist.  In  diesem  Rohre  stecken  ausserdem  zwei 
aufgeschlitzte  Röhren  von  Eisen,  die,  ganz  wie  die  in  Fig.  2 
abgebildeten,  dazu  dienen,  die  Quecksilberelektrode  gegen  In- 
fluenz von  Seiten  des  Glasrohres  zu  schützen. 

Die  Figg.  4  a  und  4  b  sollen  dazu  dienen,  eine  Vorstellung 
von  dem  Apparate  zu  geben.  Ä  A,  FF  ist  der  in  Fig.  3  in 
natürlicher  Grösse  gezeichnete  Behälter.  B  B  ist  das  weite 
Glasrohr,  C  C  das  an  dem  Glase  gekittete,  aufgeschlitzte  eiserne 


Fig.  3. 


Uriprunff  der  BerührungteUktrieität.  667 

Rohr.  Sit  ist  ein  abgedrehter  Holzklotz;  der  in  Fig.  4a  ge- 
zeichnete Apparat  wird  in  der  Rinne  hb  eingesetzt.  EE  ist  der 
P  innere  Eisenachirm,  welcher  von  der  Stange  c  getragen  wird. 
Dieser  letztere  ist  von  dem  Glas- 
röhre d  umgeben.  H  ist  ein 
eisernes  Rohr,  welches  in  einem 
Stativ  drehbar  befestigt  ist;  es 
endigt  unten  in  dem  umgebo- 
genen Glasrohre  K. 

Die  Versuche  werden  in  fol- 
gender Weise  ausgeführt  Man 
bringt  etwas  Quecksilber  in  die 
Rinne  b  h  und  das  Rohr  K,  setzt 
BB  in  BD  herunter.  Von  L 
strömt  das  Quecksilber  durch 
das  enge  Bohr  e  in  einem  feinen 
Strahl  aus;  Amalgam  strömt 
aus  den  12  kleinen  Oeffnungen 
in  .^.^  in  langen  Strahlen.  Wenn 
alles  in  Ordnung  ist,  wird  J)  B 
soweit  umgedreht  —  etwa  180" 
—  bis  das  Strahlensjstem  ganz 
von  den  Röhren  CC  und  EE  eingeschlossen  ist.  Die  Röhre  NN 
dient  zur  Füllung  des  Behälters  A  A  mit  verschiedenen  Gasen. 

%  ai.    Versuche  mit  Zinkamalgamen. 

Das  Amalgam  enthielt  4promilleZink;  wenn  die  Luft  nicht 
zu  feucht  ist,  giebt  es  immer  lange  Strahlen.  Sauerstoff,  welcher 
zuerst  durch  Miscbungeu  von  concentrirter  Schwefelsäure  und 
Wasser  getrocknet  war,  strömte  durch  deu  Apparat.  Die 
durch  die  zwei  eisernen  Röhren  gebildete  Hülle  war  zur  Erde 
abgeleitet,  der  Behälter  mit  Amalgam  stand  nicht  direct  mit 
der  E^rde  in  Verbindung;  zwischen  ibnen  wurde  eine  elektro- 
motorische Kraft  e  von   ±0,143  Volt  eingeschoben. 

Die  zwölf  Amalgamstrahlen  bildeten  sich  sehr  gut  aus, 
wie  man  bei  geöffneter  Hülle  sehen  konnte;  in  ihrer  Mitte 
sab  man  den  Quecksilberstrahl  sich  in  Tropfen  auflösen.  Die 
Temperatur  betrug  20*^  C.  Wir  nennen  die  Potentiatdifferenz 
zwischen  Zinkamalgam  and  Quecksilber  V.    Folgende  Tab.  I 


668  C  Christiansen, 

enthält  die  am  Elektrometer  gemessenen  Potentialdifferenzen, 
nämlich  V-\-e^    wenn  das  Amalgam  durch   die  angeschaltete^ 
elektromotorische  Kraft  positiv  geladen  wurde,  und  F^e  inr 
entgegengesetzten  Falle. 

Tabelle  I. 

Potentialdifferenz  V  in  Volt  zwischen  Zinkamalgam  und  Quecksilber 


in  Sa 

uerstoff. 

%  Schwefelsäure 

V  +  e 

F-c 

V 

€ 

40 

1,02 

0,76 

0,89 

0,13 

40 

1,01 

0,78 

0,89 

0,11 

50 

1,02 

0,75 

0,88 

0,13 

50 

1,01 

0,74 

0,87 

0,13 

60 

0,92 

0,65 

0,78 

0,13 

60 

0,92 

0,64 

0,78 

0,14 

70 

0,65 

0,39 

0,52 

0,13 

70 

0,56 

0,30 

0,43 

0,13 

70 

0,56 

0,29 

0,42 

0,13 

80 

0,56 

0,28 

0,42 

0,14 

80 

— 

-0,49 

80 

— 

-0,58 

In  den  zwei  letzten  Versuchen  waren  die  Amalgamstrahlen 
unmittelbar  mit  der  Erde  leitend  verbunden.  Die  Länge  des 
Quecksilberstrahles  war  18  mm,  die  Ausflussgeschwindigkeit 
der  Amalgamstrahlen  etwa  2  m  pro  Secunde.  Gegenüber  der 
Stelle,  wo  der  Strahl  sich  in  Tropfen  auflöste,  war  also  das 
Amalgam  etwa  0,01  sec  in  Berührung  mit  dem  Sauerstoff  gewesen. 

Solche  Versuche  sind  recht  schwer  anzustellen.  Die 
kleinen  Oeffnungen,  aus  denen  das  Amalgam  ausströmt,  ver- 
stopfen sich  leicht;  oft  sind  einige  der  Strahlen  nicht  vertical, 
sondern  fahren  nach  allen  Seiten  .aus.  Eben  darum  war  die 
kleine  elektromotorische  Kraft  tf  =  0,143  zwischen  der  &de 
und  den  Amalgamstrahlen  eingeführt;  dass  die  Versuche  für« 
Werthe  ergaben,  die  nur  wenig  von  0,14  abweichen,  ist  der 
beste  Beweis  dafür,  dass  die  Amalgamstrahlen  den  Quecksilber- 
strahl regelmässig  umgaben. 

Das  Resultat  ist  aber  merkwürdig  genug.  So  lange  der 
Sauerstoff  feucht  ist,  geht  alles  normal,  das  Zinkamalgam  zeigt 
dem  Quecksilber  gegenüber  eine  Spannung  von  +  0,88.  Wird 
der  Sauerstoff  aber  mehr  und  mehr  trocken,  dann  sinkt  die 
Potentialdifferenz  und  wird  negativ,  wenn  der  Sauerstoff  mittels 


i 


Ursprung  der  BerühTungselektricität  669 

einer  Mischung  von  80  Proc.  concentrirter  Schwefelsäure  und 
20  Proc.  Wasser  getrocknet  ist,  was  einer  Dampfspannung  von 
w  etwa  0,5  mm  entspricht. 

Es  ist  dies  jedoch  nicht  so  merkwürdig,  als  es  auf  den 
ersten  Blick  erscheint.  Wir  wissen,  dass  die  Metalloxyde  dem 
reinen  Metall  gegenüber  negativ  sind,  und  hier  haben  wir  ja 
mit  Oxyden  zu  thun;  dass  wir  in  Hydroketten  immer  positive 
Spannung  wahrnehmen,  ist  somit  selbstverständlich. 

Mit  demselben  Amalgam ,  verdünnt  mit  dem  aus  dem 
mittleren  Bohre  ausgeströmten  Quecksilber,  wurden  die  folgenden 
Versuche  angestellt,  bei  welchen  die  Amalgamstrahlen  leitend 
mit  der  Erde  verbunden  waren. 

Tabelle  IL 

Potentialdifferenz  V  in  Volt  zwischen  Zinkamalgam  und  Quecksilber 

in  Sauerstoff. 

o/p  Schwefelsäure  V 

50  +0,81 

100  -ü,30 

100  -0,42 

100  und  PjOs  -0,60 

100  und  PjOs  -0,64 

50  +0,80 

50  +0,78 

In  dem  mit  100  und  PgOg  bezeichneten  Versuche  wurde 
die  Luft  getrocknet  mit  concentrirter  Schwefelsäure  und  Phos- 
phorpentoxyd. 

Mit  einem  schwächeren  Amalgam   wurden  die  folgenden 

Versuche  angestellt. 

Tabelle  III. 
Potentialdifferenz  V  in-  Volt  zwischen  Zinkamalgam,   \/iooo}  ^"^  Queck- 
silber in  Sauerstoff.     Temp.  19*^  C. 


•/o  Schwefelsäure 

V 

60 

+  0,77 

60 

+  0,89              Das  Elektrometer  etwas  unruhig 

60 

+  0,83 

•  80 

+  0,02 

+  0,53  Das  Elektrometer  sehr  unruhig. 

bO 

-0,06 

80 

—  0,16              Das  Elektrometer  unruhig. 

90 

-0,66 

90 

—  0,71              Das  Elektrometer  unruhig. 

100  und  PjOj 

-0,76 

-0,66  Das  Elektrometer  unruhig. 

60 

+  0,73 

670  C,  Christiansen. 

Tabelle  IV. 

Potentialdifferenz  V  in  Volt  zwischen  Zinkamalgain,  V4  Tausendstel,  und 

Quecksilber  in  Sauerstoff.    Temp.  16®  C. 

*/o  Schwefelsäure  V 

70  Die  Amalgamstrahlen  wurden  nicht  lang 

80  -0,17 

90  -  0.47 

100  -0,54 

100  und  PjOj  -0,54 

In  den  folgenden  Versuchen  war  das  Amalgam  von  der- 
selben Stärke,  7«  Tausendstel,  der  Sauerstoff  wurde  mittels 
concentrirter  Schwefelsäure  und  Phosphorpentoxyd  getrocknet 


Ijftnge  der  Strahlen 

V 

20  mm 

-0,58 

80 

-0,58 

19 

-0,58 

18 

-0,58 

Sauerstoff   mit    80  Proc.    Schwefelsäure    getrocknet   gab 
F=  -  0,54,  mit  70  Proc.   r=  - 0,02  Volt. 


§  32.    Versuche  mit  Amalgamen  von  Cadmium,  Blei  und 

Magnesium. 

In  den  folgenden  Versuchen  waren  die  Amalgamstrahlen 
zur  Erde  abgeleitet,  der  Quecksilberstrahl  wie  immer  mit  dem 
Elektrometer  verbunden. 

Tabelle  V. 

Cadmiumamalgam,  Vioooi  ^^^  Quecksilber  in  Sauerstoff.     Temp.  16^  C 

%  Schwefelsäure  V  %  Schwefelsäure  V 

80  -0,11  Volt  60  +  0,46  Volt 

80  -0,20  60  +0,46 

90  -0,40  50  +0,87 

100  und  P^Oj  -0,41  50  +0,88 

80  -0,40  100  und  PjOj  -0,33 

70  -0,12  100  und  PjOj  -0,37 

60  +0,32  100  und  ?fi^  -0,38 


i 


Ursprung  der  Berührunffselektricüät  671 

Tabelle  VI. 

^       Bleiamalgam,  ^/iqoo»  und  Quecksilber  in  Sauerstoff.    Temp.  14®  C. 

^/o  SchwefelsÄure  V 

60  0,62 

70  0,62 

80  0,62 

100  und  PjOj  0,60 

Nun  wurde  Phosphorpentoxyd  in  den  Strahlapparat  selbst 
hineingebracht,  es  bedeckte  den  Boden  desselben.  Die  Potential- 
differenz ward  nun  wirklich  bedeutend  kleiner,  +  0,27  bi& 
+  0,31  Volt.  Mit  noch  mehr  Phosphorpentoxyd  habe  ich  in 
einem  Falle  selbst  —0,07  Volt  gemessen,  doch  ging  sie  bald 
wieder  in  positive  Werthe  über. 

Das  Arbeiten  mit  Magnesiumamalgam  ist  sehr  schwierig; 
das  Amalgam  enthielt  ^/^  pro  Mille  Magnesium.  Die  Löcher, 
aus  welchen  die  12  Amalgamstrahlen  ausströmten,  wurden 
gleich  verstopft,  wenn  die  Luft  nicht  sehr  trocken  war.  Atmo- 
sphärische Luft  mit  PgOg  getrocknet,  ergab  eine  Potential- 
differenz von  1,12  Volt;  Sauerstoff,  in  derselben  Weise  ge- 
trocknet gab  zuerst  0,99,  später  0,97  Volt.  Nun  wurde  das 
Phosphorpentoxyd  in  den  Strahlapparat  selbst  hineingebracht^ 
und  darauf  sank  die  Potentialdifferenz  merklich,  anfangs  zu 
+  0,13,  später  zu  —0,18  Volt,  sie  war  jedoch  recht  variabel. 
Der  Versuch  wurde  mit  einem  neuen  Amalgam  von  derselben 
Starke  wiederholt  und  gab  noch  kleinere  Werthe;  der  kleinste 
Werth,  den  ich  wahrgenommen  habe,  ist  —0,98  Volt.  In 
Sauerstoff,  welcher  eben  Spuren  von  Feuchtigkeit  enthielt,  war 
die  Potentialdifferenz  zwischen  Magnesiumamalgam  und  Queck- 
silber +  1,17  bis  1,18  Volt 

§  33.   Resultate. 

Diese  Versuche  zeigen  also,  wenigstens  für  die  vier  unter- 
suchten Metalle,  dass  die  Potentialdifferenz  zwischen  einem 
Amalgam  und  Quecksilber  in  Sauerstoff  wesentlich  durch  den 
Gehalt  an  Feuchtigkeit  bestimmt  ist.  Ist  der  Druck  der  Wasser- 
dämpfe nicht  zu  klein,  so  haben  wir  die  gewöhnliche  Potential- 
differenz. In  sehr  trockenem  Sauerstoff  wird  die  Potentialdifferenz 
kleiner  und  zuletzt  negativ.  Für  die  vier  untersuchten  Metalle 
haben  wir  gefunden: 

I 


672       C,  Christiansen,     Ursprung  der  Berührungselektricität 


Im  feuchten  Sauerstoff 

Im  trockenen  Sauerstoff 

Mg   Hg 

+  1,18 

-0,98 

Zn    Hg 

+  0,88 

-0,76                     4 

Cd    Hg 

+  0,88 

-0,41 

Pb   Hg 

+  0,62 

-0,07 

Sowohl  in  trockener  als  in  feuchter  Luft  spielen  sich 
chemische  Processe  an  der  Oberfläche  der  Amalgamstrahlen  ab; 
in  feuchter  Luft  bildet  sich  gewiss  ein  Hydrat,  in  trockener  Luft 
wahrscheinlich  nur  Oxyd,  doch  ist  daran  zu  erinnern,  dass  wir 
kein  Mittel  besitzen,    um    absolut  trockene  Gase  zu  erhalten. 

Die  für  trockenen  Sauerstoff  angegebenen  Poteotial- 
differenzen  sind  nicht  definitiv,  sie  entsprechen  einem  gewissen 
Grad  von  Trockenheit;  über  die  Werthe,  die  absolut  trockener 
Sauerstoff  geben  würde,  kann  man  noch  keine  Vermuthmig 
aussprechen. 

Kopenhagen,  11.  September  1899. 

(Eingegangen  18.  September  1899.) 


i 


7.  Ueber  die  Einwirkung  von  Becguerel- 

strahlen  auf  elektrische  Funken  und  Bilschel; 

von  J.  Mister  und  H.  Geitel. 


In  einer  früheren  Abhandlung^),  betitelt  ,yüeber  den  Ein- 
flu88 '  des  Lichtes  auf  die  Form  der  Entladung  einer  Influenz- 
maschine'S  haben  wir  mitgetheilt,  dass  die  zwischen  einer 
Eathodenscheibe  aus  amalgamirtem  Zink  und  einer  Anoden- 
kogel  aus  beliebigem  Metalle  übergehenden  Büschel  und  Funken 
einer  Holtz' sehen  Maschine  durch  die  Glimmentladung  ver- 
drängt werden,  solange  die  Kathode  mit  kurzwelligem  Lichte 
bestrahlt  wird. 

Bei  diesem  Versuche  wird  der  Raum  zwischen  den  Elek- 
troden durch  •  Einwirkung  des  Lichtes  auf  die  amalgamirte 
Zinkkathode  mit  negativ  ionisirter  Luft  erfüllt.  Es  lag  die 
Frage  nahe,  wie  unter  analogen  Versuchsbedingungen  eine  Luft- 
masse wirken  wird,  die  positive  und  negative  Ionen  in  gleicher 
Menge  enthält.  Luft,  die  von  Becquerelstrahlen  durchsetzt 
wird,  zeigt  sich  bekanntlich  in  dieser  Art  ionisirt.  Hr.  Giesel 
war  so  freundlich,  uns  einige  seiner  besten  radioactiven  Prä- 
parate zur  Ausfahrung  der  Versuche  zur  Verfügung  zu  stellen. 

Die  Versuchsanordnung  war  folgende  (vgl.  Figur): 

Wir  verbanden  eine  isolirt  aufgestellte  Scheibe  8  von 
ca.  10  cm  Durchmesser  aus  beliebigem  Metall  mit  dem  nega- 
tiven Pole  einer  Influenz-  j 
maschine  /  und  stellten  die- 
ser eine  Anodenkugel  A  von 
ca.  1  cm  Durchmesser  gegen- 
über, alsdann  verschwan-  "^ 
den  die  zwischen  Ä  und  8 
übergehenden  Funken  oder  *-» 
Büschel  sofort,  sobald  wir  ein  Radiumpräparat  R  so  näherten, 
dass  die  von  ihm  ausgehenden  Becquerelstrahlen  den  Raum 


m Jt 


1)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  57.  p.  401.  1S96. 

ADD.  (L  Phjs.  u.  Chem.    N.  F.    69.  43 


674  /.  EUter  u.  H.  GeiteL 

zwischen  Kugel  und  Platte  durchsetzten.  Dabei  sieht  man  im 
Dunkeln,  dass  durch  die  Einwirkung  der  Strahlen  die  Funken- 
oder Büschelentladung  in  eine  Glimmentladung  übergeht;  dii^ 
Kugel  Ä  überzieht  sich  mit  einer  Kappe  violetten  Glimm- 
lichtes, die  bei  Abbiendung  der  Becquerelstrahlen  mittels  des 
einige  Millimeter  starken  Bleischirmes  mn  verschwindet,  um 
wieder  der  Funken-  oder  Büschelentladung  Platz  zu  machen. 
Durch  abwechselndes  Hinwegziehen  und  Einfügen  des  Schirmes 
lässt  sich  nach  Belieben  die  eine  oder  die  andere  Elntladungs- 
form  erzeugen. 

Vergrössert  man  die  Oberfläche  der  Kathode  dadurch, 
dass  man  die  Metallscheibe  durch  eine  grosse  halbleitende 
Cartonscheibe  von  25 — 80  cm  Durchmesser  ersetzt,  so  wird 
die  Büschelentladung  gegen  die  Einwirkung  der  Becquerel- 
strahlen 80  empfindlich,  dass  die  Entfernung  zwischen  B  und  S 
einen  Meter  und  darüber  betragen  kann.  Bei  dieser  Anordnung 
kann  das  Präparat  mit  gleichem  EHolge  auch  hinter  der 
Gartonscheibe  8^  etwa  bei  i^,  angebracht  werden,  da  das 
Material  der  Scheibe  für  die  Becquerelstrahlen  fast  vollständig 
durchlässig  ist. 

Legt  man  die  radioactiven  Präparate  in  ein  Bleikistctien 
von  6  mm  Wandstärke,  so  erlischt  die  Erscheinung  erst,  wenn 
die  Entfernung  zwischen  R  und  8  20 — 25  cm  überschreitet 

Im  Gegensatze  zu  den  Versuchen  mit  kurzwelligem  Lichte, 
bei  welchen  die  Kathodenscheibe  8  aus  frisch  amaigamirtem 
Zink  bestehen  muss,  ist  bei  Verwendung  von  Becquerelstrahlen 
das  Material  der  negativen  Elektrode,  sofern  es  nur  nicht 
isolirend  ist,  ganz  beliebig  wählbar.  Dagegen  stimmen  beide 
Erscheinungsformen  darin  überein,  dass  negative  Büschel  nicht 
zum  Verschwinden  gebracht  werden  können.  Der  Versuch, 
die  eine  Entladungsform  in  die  andere  überzuführen,  gelingt 
in  beiden  Fällen  nur,  wenn  S  Kathode  ist.  Dieser  Umstand 
hängt  wohl  mit  der  verschiedenen  Wanderungsgeschwindigkeit 
positiver  und  negativer  Ionen  in  dem  elektrischen  Kraftfelde 
der  Elektroden  zusammen. 

Als  wir  die  Becquerelstrahlen  durch  Röntgenstrahlen  da- 
durch ersetzten,  dass  wir  bei  R  eine  durch  einen  Inductor 
betriebene  Röntgenröhre  anbrachten,  blieb  jede  Wirkung  aus. 
Der  Grund  hierfür  dürfte  in  der  Intermittenz  der  Strahlungs- 

f 


Becquerehtrahlen,  675 

quelle  zu  suchen  sein.  Auch  bei  dem  analogen  lichtelektrischen 
Versuche  ist,  wie  wir  schon  früher^)  hervorhoben,  eine  inter- 
mittirende  Quelle  ultravioletten  Lichtes,  wie  etwa  die  zwischen 
Zinkspitzen  unter  Einschaltung  eines  Condensators  erregten 
Funken  eines  grossen  Inductoriums,  unwirksam. 

Auf  die  Schlagweite  von  Inductionsfunken  wirken  die 
Becquerelstrahlen  ebenfalls  in  unzweideutiger  Weise  ein.  In 
der  bekannten  Hertz' sehen  Anordnung')  zum  Nachweis  des 
Einflusses  ultravioletten  Lichtes  auf  die  elektrische  Entladung 
kann  man  den  activen  Funken  durch  eine  radioactive  Substanz 
ersetzen.  Schaltet  man  zunächst  zwischen  der  passiven  Funken- 
strecke und  dem  radioactiven  Stoffe  einen  Schirm  aus  dickem 
Bleiblech  ein,  so  beginnt  bei  empfindlicher  Einstellung  das 
B\inkenspiel  sofort,  sobald  man  den  Bleischirm  entfernt. 

Auch  hier  ist  es  gleichgültig,  aus  welchem  Metalle  die 
Elektrodenkugeln  bestehen,  ob  sie  blank  oder  oxydirt  sind,  ob 
die  Kathode  oder  Anode  von  den  Strahlen  getroffen  wird.  Die 
einzige  Bedingung  für  das  Gelingen  des  Versuches  ist  die, 
dass  die  zwischen  den  Elektrodenkugeln  befindliche  Luftschicht 
von  den  Becquerelstrahlen  durchsetzt  wird.  Die  gleiche  Wirkung 
lässt  sich  auch  dadurch  erreichen,  dass  man  der  Funkenstrecke 
ein  kleines  Gasflämmchen  oberhalb  oder  seitlich  so  nahe  bringt, 
dass  die  von  dieser  ausgehenden  Gase  in  den  Raum  zwischen 
den  beiden  Elektroden  eindringen.  Das  Radiumpräparat  unter- 
scheidet sich  hinsichtlich  seiner  Einwirkung  auf  die  Funken- 
strecke von  der  der  Flamme  nur  dadurch,  dass  es  in  weiterem 
Abstände  (bis  zu  20  cm)  das  Funkenspiel  einleitet. 

Wolfenbüttel,  im  October  1899. 


1)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  89.  p.  382.  1890. 

2)  H.  Hertz,  Wicd.  Ann.  81.  p.  983.  1887. 

(Eingegangen  2.  October  1899.) 


43* 


8.  Brechv/itgaeocpanenten 
re4/nen  Wassers  v/nd  normaler  Salzlösungen;    ^ 

von  C.  Bender. 

(II.  Abhandlung:   Brechungsexponenten  fär  Ha^  Hß,  Hy  bei  reinem 
Wasser,  innerhalb  der  Temperaturgrenzen  40 — 70®.) 


Im  Anschluss  an  meine  früheren  Untersuchungen  ^),  zwischen 
den  Temperaturen  10 — 40^  C,  sollen  nunmehr  die  Beobachtungen 
für  Temperaturen  zwischen  40  und  75^  mitgetheilt  werden. 
Zur  Herstellung  solcher  constanter  Temperaturen  schaltet  m&n 
eine  flache  Heizspirale  von  Dr.  Fletcher  derjenigen  vor, 
welche  von  der  Firma  Zeiss  zu  gedachtem  Zweck  geliefert 
wird  und  lässt  das  erwärmte  Wasser  eine  grosse  Flasche  von 
15 — 20  /  Inhalt  passiren  und  zwar  zweckmässig  unter  An- 
wendung eines  Bührers.  Die  feinere  Regulirung  geschieht  an 
der  Flamme  unter  der  Zeiss 'sehen  Heizspirale.  Es  gelingt 
bei  einiger  üebung  leicht,  jede  Temperatur  verhältnissmässig 
rasch  zu  erreichen,  und  auch  beliebig  lange  festzuhalten. 

Wenn  die  Versuche  ein  richtiges  Resultat  geben  sollen, 
muss  der  Glaswürfel,  auf  welchen  die  Strahlen  streifend  ein- 
fallen, die  gleiche  Temperatur  besitzen,  wie  die  Flüssigkeit 
In  dieser  darf  weder  Schichtenbildung  noch  Zirkulation  statt- 
finden. Endlich  soll  die  Temperatur  der  den  Glaswürfel  um- 
gebenden Luft  20^  C.  nicht  wesentlich  übersteigen,  denn  für 
diese  Temperatur  sind  die  dem  Apparat  beigegebenen  Con- 
stanten berechnet. 

Die  erste  und  die  dritte  der  angegebenen  Bedingungen 
collidiren  miteinander.  Es  gelingt  nur  schwer,  den  Glaswürfel 
gleichmässig  zu  erwärmen,  ohne  Anwendung  einer  Schutzkappe. 
Diese  bedingt  nun  ihrerseits  eine  Steigerung  der  Lufttemperatur 
in  der  Umgebung  des  Würfels,  hat  aber  den  Vorzug,  dass 
die  Dichte  der  Luft  an  der  Austrittsstelle  der  Strahlen  eine 
ziemlich  gleichmässige  ist. 

Die  Untersuchungen  von  V.  v.  Lang  über  den  Brechungs- 
exponenten der  trockenen  Luft  gegen  den  luftleeren  Kaum 
geben  einigen  Aufschluss,  wie  weit  die  Dichte  der  Luft  den 


X)  a  Bender,  Wied.  Ann.  68.  p.  348.  1899. 


Brechungsexponenten. 


677 


Austrittswinkel   beeinflusst.     Für   den   genannten   Brechungs- 
exponenten gilt  die  FormeP): 

n^^n^--  0,000  000  905  /  +  0,000  000  002  2 1^. 
Hieraus : 

^70  -  ^0  =  -  0,000  036, 
eine  Grösse,  welche  die  fünfte  Decimale  beeinflusst. 

Von  etwa  65®  an  erscheinen  die  Grenzlinien,  auf  welche 
eingestellt  wird^  nicht  mehr  ganz  scharf.  Diese  Erscheinung 
lässt  sich  nicht  auf  die  Gegenwart  von  Luftbläschen  zurück- 
fuhren, welche  sich  zwischen  Wandung  und  Flüssigkeit  bilden; 
denn  es  wurden  nur  luftfreie  Flüssigkeiten  untersucht,  welche 
vorher  für  sich  auf  die  gewünschte  Temperatur  erhitzt  worden 
waren.  Diese  wurden  erst  eingefüllt,  nachdem  der  Apparat  eben 
diese  Temperatur  angenommen  hatte.  Es  scheinen  also  Schichten- 
bildung und  Strömungen  im  Innern  der  Flüssigkeiten  die  Ur- 
sache der  Unscharfe  der  Grenzlinien  zu  sein.  Lufthaltige 
ilüssigkeiten  können  überhaupt  bei  höheren  Temperaturen 
nicht  untersucht  werden. 

Nach  dem  Gesagten  kann  man  eine  grössere  Genauigkeit 

als  ± ,  eine  Einheit  der  vierten  Decimale  von  den  Resultaten, 

nicht  beanspruchen. 

Luftfreies  Wasser. 


t^C, 

Ha 

Hß 

Hy 

40,0 

1,328820 

1,334670 

1,337880 

41,0 

1,328694 

1,334568 

1,337749 

41,4 

1,328617 

1,334476 

1,337691 

44,4 

1,328250 

1,334075 

1,337250 

45,0 

1,328028 

1,333858 

— 

50,0 

1,327364 

1,333196 

1,336402 

55,2 

1,326532 

1,332307 

1,335525 

58,9 

1,325923 

1,331770 

1,834956  (ä8,6«») 

59,0 

1,325898 

1,331740 

1,334922  (58,8'^) 

59,4 

1,325821 

1,331590 

1,334765 

64,9 

1,324704 

1,330454 

(64,8») 

— 

65,3 

1,324666 

1,330421 

(65,4*0 

1,333650  (65,4«) 

70,1 

1,323812 

1,329326 

1,332384 

70,5 

1,328585 

1,329274 

1,332427 

73,6 

1,322988 

1,328830 

(73,5«) 

1,832000 

76,0 

1,322545 

1,328293 

1,331407 

1)  Landolt's  Tabellen  85. 


678 


C.  Bender. 


2 


Bildet  man  die  Mittelwerthe  flir  die  Temperaturen  40®, 
45^  .  .  .  etc.,    so    lassen    sich   diese   aasdrücken   durch   die^ 
Formeln: 

Ha  =  1,332 189  4  -  0,000 179  0  (y)  -  0,000  030  24  (-^J 
Hß  =  1,337  877  2  -  0,000  128  4  (j\  -  0,000  034  02  i^J 

Hy  =  1,340680  4  -  0,0000485  (y]  -0,000037  93  ijj 

Diese  Formeln  gelten  ftir  das  Temperaturintervall  von 
40 — 70  ^  Ihre  Brauchbarkeit  erhellt  aus  nachfolgender  Ueber- 
sicht,  in  welcher  die  durch  Interpolation  abgeleiteten  Mittel- 
werthe als  gefunden  bezeichnet  sind,  während  die  Columne  A 
den  unterschied  der  gefundenen  und  der  aus  den  Formeln  ab- 
geleiteten Werthe  in  Einheiten  der  fünften  Decimale  darstellt 

Eß 
gefunden 

1,33467 
1,33897 
1,33320 
1,33234 
1,33147 
1,33044 
1,32937 
1,32851 

Die  Specialformeln  für  //«,  Hß  und  Hy  lassen  sich  in 
eine  einzige  zusammenfassen,  welche  nur  in  den  AnfaDgs- 
constanten  voneinander  abweichen: 


foC. 

Ha 

gefunden 

J 

40 

1,32882 

+0 

45 

1,82814 

-1 

50 

1,32736 

+  1 

55 

1,32656 

0 

60 

1,32570 

-1 

65 

1,32473 

+  3 

70 

1,32374 

+  2 

(75 

1,32273 

+  3 

J 

Hy 

gefunden 

J 

+   3 

1,83788 

-  2 

0 

1,33716 

+  2 

-    1 

1,33640 

0 

+   1 

1,33556 

0 

-   3 

1,33464 

0 

+   1 

1,33364 

0 

+   5 

1,33255 

+  2 

+  21 

1,33162 

-20) 

(HA 


von  40—70« 


H 


ß 


H 


y ) 


1,331997  7) 


;i 


-  0,000 1 1 8  6  (-^  )  -  0,000  034  06  f  j  )■• 


=  1,337  7690 
1,3409663] 

Auch  diese  Formeln  sind  noch  recht  brauchbar,  wie  aas 
nachfolgender  üebersicht  der  Differenzen  zwischen  den  gefan- 
denen  und  berechneten  Werthen  hervorgeht: 


/«C. 

AHa 

AEß 

AHy 

t'^C. 

AHa 

AHß 

JHy 

40 

+  5 

-3 

-4 

60 

-   3 

-  2 

-   1 

45 

+3 

-2 

-2 

65 

-   3 

+  3 

+  3 

50 

+  4 

-2 

-3 

70 

-   9 

-   4 

+  8 

55 

+  1 

+  2 

-2 

(75 

-17 

-18 

+  10) 

Brechungsexponenten, 


679 


Die  eingeklammerten  Zahlen  zeigen  die  geringere  Brauch- 

barkeit   der  Formeln   für  Temperaturen   über  70®.     Begnügt 

'  man  sich  mit  einer  Genauigkeit  von  ±   1  Einheit  der  vierten 

Decimale,  so  können  obige  Formeln  sogar  innerhalb  der  weiten 

Temperaturgrenzen  von  10 — 75®  Verwendung  finden. 

Die  durch  Hy — Ha  gemessene  Dispersion  zeigt,  wie  schon 
früher  vermuthet,  eine  geringe  Abnahme  bei  der  Temperatur- 
erhöhung: 

40  906  60 

45  902  65 

50  904  70 

55  900  75 


Hy — Ha 

894 
891 
881 
889 


Fassen   wir   nun  das  Gesammtresultat  in   eine   für   den 
praktischen  Gebrauch  passende  Form: 


iH„ 


ir^=  10—40®^ 


ffß 


1,3323004 
=  1,338211 81-0,00002258 /®-0,000  001 676/®' 


;i 


[Ä 


1,3414389 

1,331997  7 

ir*=40—70«{i/^^=  1,3377690 

1,3409663 

(Eingegangen  29.  September  1899.) 


\f} 


-0,00002372  ^'»-OjOOOOOl  362 1"' 


9.  Verhalten  des  Büschellichtbogens  im  Maffnetfelde; 

von  Max  Toepler. 


Jeder  Entladungsvorgang  der  Mektxicität  durch  Luft  von 
Atmosphärendruck  y  mag  er  uns  in  der  Form  des  Glimmens, 
Büschels,  Büschellichtbogens  oder  Flammenbogens  entgegen- 
treten, ist  nicht  unabhängig  davon,  ob  er  in  einem  starken 
magnetischen  Felde  erfolgt  oder  nicht.  ^)  Speciell  für  den 
Büschellichtbogen,  eine  von  mir  zuerst  eingehend  untersuchte 
eigenthümliche  Art  von  nahe  continuirlicher  Elektricitäts- 
entladung^,  habe  ich  schon  früher  die  Ablenkung  der  Strom- 
bahn im  Magnetfelde  nachgewiesen.^)  Auf  einige  anderweitige 
Veränderungen,  welche  eine  magnetische  Erregung  des  Schlag- 
raumes am  Büschellichtbogen  bewirkt,  will  ich  im  Vorliegenden 
kurz  aufmerksam  machen. 

Zur  Erzielung  eines  (negativen)  Büschellichtbogens  an  einem 
Magnetfelde  wurde  die  in  Fig.  1  skizzirte  Versuchsanordnong 
benutzt.  Als  Kathode  diente  eine  stumpfe  Messingspitze  (ür); 
in  die  Zuleitung  zu  ihr  war  ein  grosser  Wasserwiderstand  w 
(ca.  5  Millionen  Ohm)  geschaltet.  Der  Kathode  stand  eine 
23  cm  hohe,  16  cm  breite  Schieferplatte  [T)  als  Anode  gegli? 
über;  auf  ihr  war  der  Stanniolstreifen  s  aufgeklebt, 
Stromeintritt  zu  erleichtem;  die  Schieferplatte  war  gut 
aufgestellt,  ihre  Ränder  waren  mit  Paraffin  überzogen, 
der  Schieferplatte  stand  ein  mit  parallelepipedischen  Pdf 
armirter  Elektromagnet  (E),  Ueber  die  Endflächen  der  Anna- 
turen  [N  Nordpol,  S  Südpol)  hin  konnte  man  so  eben  noch  die 


1)  Vgl.  J.  Precht,  Wied.  Ann.  66.  p.  676.  1898.  Für  den  Flammen- 
bogen  ist  der  Einfluss  eines  Magnetfeldes  eine  allbekannte  ErscheinuDg. 

2)  Ueber  die  ^^Büschellichtbogen"  genannte  Entladongsfonn  Tgl. 
M.  Toepler,  Wied.  Ann.  63«  p.  109.  1897;  Abhandl.  d.  naturw.  GesellscL 
Isis  in  Dresden  1898.  p.  3,  sowie  Beibl.  22.  p.  596.  1898;  Wied.  Ann.  66. 
p.  660.  1898. 

8)  M.  Toepler,  Wied.  Ann.  63.  p.  113.  1897. 


Ferfuiltm  det  ßüschelUclUbogetu  im  Mafftuifelde.        681 

Kathode  k  und  den  Scblagratim,  bez.  den  BUschetlichtbogen  b 
in  ihm  von  P  aus  überblicken  oder  photographiren.  Der  Strom 
in  letzterem  (ca.  1,5  Tausendstel  Ampere)  wurde  von  einer 
60  plattigen  Toepler'scben  InflnenzmaschiDe  geliefert. 


c 


Um  den  Einflnss  der  magnetischen  Feldstärke  im  Schlag- 
rauroe  ant  die  Ausbildung  des  Büschellichtbogens  zu  zeigen, 
wurden  auf  der  gleichen  photograpbischen  Platte  nacheinander 


vier  Kinzelaufiiahmen  (in  natürlicher  Grösse)  gemacht  (vgl.  die 
Beproduction  derselben  Fig.  2).  Die  erste  Aufnahme  (in  Fig.  2 
von  oben  gezählt]  erfolgte  bei  kleiner  Schlagweite  und  nicht 
erregtem  Elektromagneten  (hierauf  wurde  die  Belichtung  der 
Platte  unterbrochen);  die  zweite  bei  gleichem  Schlagraume 
Ttaek    Erregung    des   Magnetismus   (Belichtung    unterbrochen, 


682  M.  Toepler. 

photographische  Platte  verschoben);  die  dritte  bei  vergrösserter 
Schlagweite  ohne  Felderregung  (Belichtung  unterbrochen);  die^ 
vierte  schliesslich  wieder  nach  Erregung  des  Magnetfeldes. 
Die  Expositionszeit  betrug  je  ca.  1  sec,  die  Stärke  des  erregten, 
im  Bereiche  des  Büschellichtbogens  noch  als  nahezu  homogen 
anzunehmenden  Magnetfeldes  angenähert  350  absolute  mag- 
netische (C.6.S.)-Einheiten. 

In  Fig.  2  ist  die  spitze  Kathode  links,  die  Anode  (Schiefer- 
platte) rechts  zu  denken.  Das  matte  positive  Glimmen  auf 
letzterer  (ftlr  die  vier  Einzelaufnahmen  theilweise  übereinander- 
fallend)  ist  deutlich  zu  erkennen.  Hieran  grenzt  nach  links 
hin  in  allen  vier  Fällen  der  ausgedehnte  Anodendunkelraom 
(d.  h.  die  ausgezeichnete  Stelle  der  rein  negativen  Entladung).^) 
Dann  folgen  weiter  nach  links  hin  die  (carminrothen)  Schichten 
des  negativen  Entladungsantheiles.  Die  einzelnen  Lichttheile 
an  der  Kathode  (ziegelrothes  Licht  und  helles  Kathodenlicbt) 
stehen  einander  so  nahe,  dass  sie  sich  auf  dem  Photogramm 
nicht  unterscheiden  lassen. 

Die  Bahn  des  Büschellichtbogens  erscheint  in  Fig.  2  (so- 
wohl bei  kleinerer  wie  bei  grösserer  Schlagweite)  vor  Erregung 
des  Magnetfeldes  nach  oben  gekrümmt  (vgl.  Aufnahme  1  und  3). 
Dies  ist  eine  Folge  der  elektrostatischen  Abstossung  durch 
die  auf  den  Magnetpolen  sich  ansammelnde  Elektricität.  ^  Im 
Magnetfelde  (Aufnahme  2  und  4)  erscheint  der  BüschelUchtbogen 
aus  seiner  ursprünglichen  Bahn  abgelenkt  und  zwar  im  vor- 
liegenden Falle  (wo  der  Nordpol  vom  über  der  Bildebene  der 
Fig.  2,  der  Südpol  als  hinter  derselben  liegend  zu  denken  ist) 
nach  unten  y  entsprechend  den  bekannten  Gesetzen  der  fFtrkung 
eines  Magnetfeldes  auf  ein  bewegliches  Strombahnelement  in  ihm. 
Wurde  der  Strom  im  Elektromagneten  umgekehrt,  so  erfolgte 
natürlich  eine  Ablenkung  nach  oben  (von  den  Polen  fort). 


1)  M.  Toepler,  Abhandl.  d.  naturw.  Gesellfich.  Isis  in  Dresden 
1898.  p.  13. 

2)  Natürlich  würden  auch  schon  unelektrische  Leiter  (Magnetpole) 
das  elektrische  Feld  und  somit  die  Bahn  des  BüschellichtbogeDs  beein- 
flussen; meist  nehmen  jedoch  die  Pole  (durch  Ausstrahlung  von  Kathode 
oder  Anode,  Leitung)  eine  Ladung  an;  je  nach  deren  Vorzeichen  be- 
obachtet man  Abstossung  oder  auch  Anziehung  der  Bahn  des  Bftschel- 
lichtbogens. 


Verhalten  des  BüschelUchtbogens  im  Magnetfelde.        683 

Die  Einwirkung  des  Magnetfeldes  beschränkt  sich  jedoch, 
e  Fig.  2  deutlich  zeigt,  nicht  nur  auf  eine  Bahnverschiebung 
8  Büschellichtbogens.  Die  einzelnen  (carminrothen)  Schichten 
cken  im  Magnetfelde  dichter  nach  der  Kathode  zusammen,  ähn- 
h  wie  dies  bei  Erhöhung  der  Stromstärke  oder  des  Luft- 
ackes  der  Fall  sein  würde.  Beobachtet  man  den  Vorgang 
38es  Zusammenrückens  bei  allmählicher  Ek*regung  des  Magnet- 
des  genauer,  so  sieht  man  hierbei  die  neuen  Schichten, 
r  welche  durch  Zusammenrücken  der  schon  vorhandenen 
atz  wird,  allmählich  aus  der  ausgezeichneten  Stelle,  d.  h. 
m  dunklen  Anodenraum  heraustreten. 

Ist  das  Magnetfeld  sehr  stark,  so  erscheinen  die  einzelnen 
ihichten  deformirt;  schon  in  Fig.  2  findet  sich  (Aufnahme  2 
id  4)  diese  Erscheinung  soeben  angedeutet.  Die  einzelnen 
ihichten  erscheinen  schräg  zur  Bahn  der  Entladung  gestellt, 
äe  folgende  Schicht  steht  nicht  in  der  Richtung  der  Ver- 
ngerung  der  vorhergehenden,  sondern  etwas  seitlich.  Der 
äschellichtbogen  erscheint  daher  an  den  dunklen  Stellen 
dschen  den  Lichtschichten  schräg  durchschnitten.  Hierbei 
rd  jedoch  der  ganze  Entladungsvorgang  ein  höchst  unruhiger, 
kckemder,  sodass  er  sich  zu  photographischer  Aufnahme 
3nig  eignet.  Bemerkt  sei  auch  noch,  dass  schon  in  schwachen 
agnetischen  Feldern  eine  klare  Schichtung,  wie  sie  Fig.  2 
igt,  selten  ist;  das  magnetische  Feld  erschwert  eine  scharfe 
hichtenbildung  auf  der  Bahn  des  Büschellichtbogens. 

Die  magnetische  Feldstärke  im  Schlagraume  beeinflusst 
-  bei  ungeänderter  Intensität  der  Stromzuführung  durch  die 
ifluenzmaschine  —  auch  die  Spannungsdifferenz  der  Elek- 
oden.  Mit  Hülfe  eines  Quarzelektrometers  von  Pockels^) 
3SS  sich  nachweisen ;  dass  die  Spannungsdifferenz  der  Elek- 
oden  sich  nicht  merklich  änderte,  wenn  ein  elektrostatisch 
^gelenkter  Büschellichtbogen  durch  das  magnetische  Feld  in 
e  kürzeste  Verbindung  von  k  und  T  eingelenkt  wurde,  dass 
e  sich  jedoch  sehr  merklich  vergrösserte,  wenn  der  Büschel- 
^htbogen  aus  einer  ursprünglich  kürzeren  in  eine  längere  Bahn 
}gelenkt  wurde.     Hiernach  ist  zu  schliessen,  dass  die  Span- 


1)  Vgl.  F.  Pockels,  Verhandl.  dentscb.  Naturf.  u.  Aerzte  in  Braun- 
hweig  p.  56.  1897. 


684     M.  Toepler.    Verhalten  des  BüechelUchtbogens  im  Magnetfelde. 

nangsdifferenz  der  Elektroden  unter  sonst  gleichen  Verhält- 
nissen mit  der  magnetischen  Feldstärke  im  Schlagraume  etwas 
zunimmt. 

Schliesslich  sei  noch  auf  folgende  aufifallende  Erscheinung 
hingewiesen.  Wählt  man  die  von  der  Influenzmaschine  ge- 
lieferte Stromstärke  derart,  dass  dieselbe  soeben  hinreicht,  um 
den  Büschellichtbogen  im  unmagnetischen  Felde  dauernd  zu 
erhalten^),  so  verwandelt  sich  dieser  sofort  wieder  in  einen 
Funkenstrom,  sobald  das  Magnetfeld  im  Schlagraume  erregt 
wird. 

Dresden,  27.  September  1899. 


1)  Bei  StromverstärkuDg  folgen  sich  im  Schlagraume:  negatiye 
BQschelentladang,  Funkenstrom,  Büschellichtbogen;  vgl.  M.  Toepler, 
Wied.  Ann.  66.  p.  663.  1898. 

(Eingegangen  29.  September  1899.) 


i 


10.    Ueber  den  kritischen  Zustand; 
von  C.  Dieterici.^) 


Aus  den  experimentellen  Arbeiten ,  welche  im  Laufe 
ten  Jahrzehntes  von  Cailletet  und  Mathias,  Amagat 
umfassendster  Weise  von  ßamsaj  und  S.  Young  über 
[tischen  Zustand  der  verschiedensten  Stoffe  ausgeführt 
heint  mit  Sicherheit  hervorzugehen,  dass  für  alle  Stoffe 
tsächlich  beobachtete  kritische  Dichte  nahezu  dasselbe 
le  der  idealen  Dichte  ist,  d.  h.  derjenigen  Dichte,  welche 
s  dem  idealen  Gasgesetze 

m  Druck-  und  Temperaturbeobachtungen  im  kritischen 
le  berechnet. 

ßser  Satz  ist  zuerst  von  S.  Young^  aus  seinen  ge- 
laftlich  mit  Ramsay  ausgeführten  Beobachtungen  ab- 
.  Man  kann  ihn  auch  so  aussprechen :  Die  Abweichung 
bischen  Zustandes  von  dem  durch  das  ideale  Gasgesetz 
rten  ist  für  alle  Stoffe  nahezu  dieselbe.  Es  war  erst 
i,  diesen  Satz  aus  den  Versuchen  abzuleiten,  nachdem 
bet  und  Mathias^)  die  Methode  kennen  gelehrt  hatten^ 
a  überhaupt  zu  einer  sicheren  Ermittelung  des  kritischen 
ms  oder  der  kritischen  Dichte  gelangen  kann,  die 
e  des  Mittelwerthes  aus  Flüssigkeits-  und  Dampfdichte 
Ittigten  Zustande  bei  Temperaturen,  die  nahe  unterhalb 
tischen  Temperatur  liegen.     Erst  als  S.  Young  diese 


Ueber  einen  Theil  der  nachfolgenden  Darlegungen  wurde  auf 
Katurforscherversammlung  in  München  berichtet 
S.  Young,  Phil.  Mag.  (5)  84.  p.  603—507.  1892;  87.  p.  1—8. 1894. 
L.  Cailletet  u.  £.  Mathias,  Joum.  de  phys.  (2)  5.  p.  549 — 564. 
p.  414— 426.  1887. 


686 


C,  Dieterici. 


Methode  anwendete,  gelang  es  ihm^  den  angeführten  Satz  zn 
erkennen. 

Da  es  nothwendig  ist,  sich  eine  Anschaaung  darüber  zh^ 
verschaffen,  innerhalb  welcher  Grenzen  der  ausgesprochene 
Satz  als  sicher  angesehen  werden  kann ,  stelle  ich  in  der  unten- 
stehenden Tab.  1  sämmtliche  Beobachtungen  von  Ranisaj 
und  Young  zusammen.  In  der  ersten  Columne  ist  die  unter- 
suchte Substanz  angegeben,  unter  M  das  Moleculargewicbt, 
dann  folgen  unter  7?^,  i?-^,  v^  der  beobachtete  kritische  Druck, 
absolute  Temperatur  und  das  nach  der  Methode  von  Cailletet 
und  Mathias  unmittelbar  aus  den  Beobachtungen  ermittelte 
kritische  Volumen  für  die  Grammmolekel  oder  die  Mole  als 

Tabelle  1. 


Substanz 

M 

Ph 

&^C.^ 

v^  cm* 

Po  cm* 

^9 

mm  Hg 

M 

X 

1 

u 

K 

Fluorbenzol  CeH^F 

95,8 

33910 

559,55 

270,5 

1026,0 

3,79 

Chlorbenzol  CeH^Cl 

112,2 

33910 

633,0 

305,7 

1160,5 

3,80 

Brombenzol  C^U^Br 

156,6 

33910 

670,0 

321,4 

1228,0     3,82 

Jodbenzol  CeHgJ 

203,4 

33910 

721,0 

347,9 

1322,0 

3,80 

Benzol  CeHe 

77,84 

36395 

561,5 

256,3 

959,4 

3,74 

Chlorkoblenstoff  CCI4 

153,45 

34180 

556,15 

275,6 

1012,0 

8,67 

Zinncblorid  SnCl« 

259,3 

28080 

591,7 

350,4 

1310,0 

3,74 

Aether  (C,H5),0 

73,84 

27060 

467,4 

281,4 

1074 

3,815 

Normalbexan  CeHj« 

85,82 

22510 

507,8 

366,8 

1403 

3,88 

Isopentan  C5H,,                  ! 

71,85 

25100 

470,2 

309,2 

1164 

3,765 

Methylformiat  C,H40, 

59,86 

45030 

487,0 

171,3 

672,8 

8,93 

Aethjlformiat  CjH^O, 

73,83 

35590 

508,3 

228,4 

888,2 

3,89 

Methylacetat  CgHeO, 

73,83 

35180 

506,7 

226,8 

895,5 

3,95 

Propylformiat  C^Tlfif 

87,80 

30440 

537,85 

283,7 

1099,0 

3,87 

Aethylacetat  C^HgO, 

87,80 

28880 

523,1 

285,0 

1126,0 

3,95 

Metbylpropionat  C4H8O, 

87,80 

30030 

530,4 

281,1 

1098,0 

3,91 

Propylformiat  CgHioO, 

101,77 

25210 

549,2 

343,4 

1355,0     8,945 

Aethylpropionat  CftHjoO, 

101,77 

25210 

545,9 

342,8 

1347,0     3,93 

Metbylbutirat  CftHioO, 

101,77 

26000 

554,25 

338,9 

1325,0 

3,91 

Methylisobutirat  C5H10O, 

101,77 

25750 

540,55 

387,3 

1306,0 

3,87 

^Methylalkohol  CHgOH 

31,93 

59760 

513,0 

118,0 

533,6 

4,52 

Aethylalkohol  CjHjOH 

45,90 

47850 

516,1 

166,9 

670,5 

4,02 

Propylalkobol  CjM^OH 

59,87 

38120 

536,7 

217,6 

875,6 

4,02 

Essigsäure  CHgCOOH 

59,86 

43400 

594,6 

170,5 

852,0 

5,00 

Kritischer  Zustand,  687 

Masseneinheit.     Unter  v^  ist  das  „ideale"  kritische  Volumen 
angegeben,  also  nach 

^0  = 


berechnet;  die  für  alle  Körper  gleiche  Gasconstante  ist 

i2  =  84534  ^/^"^ 


gesetzt,  unter  v^jv^  ist  dann  das  Verhältniss  des  idealen  zum 
thatsächlichen  kritischen  Volumen  berechnet,  oder  das  Ver- 
hältniss  der  thatsächlichen  kritischen  Dichte  zur  idealen.^) 

Die  ersten  zehn  Stoflfe  Benzol  und  seine  Halogenderivate, 
die  Kohlenwasserstoffe  Hexan  und  Isopentan,  endlich  Chlor- 
kohlenstoff, Zinnchlorid  und  Aethyläther  ergeben  nahezu  con- 
stante  Zahlen  für  »o/r«,  im  Mittel  etwa  3,75.  Bei  der  Be- 
urtheilung  dieser  Zahlen  muss  man  bedenken,  dass  sowohl 
das  berechnete  v^  den  Fehler  tragen  muss,  der  durch  die 
Beobachtungsunsicherheit  des  kritischen  Druckes  und  der  Tem- 
peratur bedingt  ist,  und  dass  ebenso  das  beobachtete  kritische 
Volumen  mit  einem  Fehler  behaftet  ist,  sodass  es  nicht  Wunder 
nehmen  kann,  wenn  die  Verhältnisse  v^jv^  in  den  Grenzen 
von  ±  2  Proc.  um  den  Mittelwerth  herum  liegen. 

Einen  um  etwa  4  Proc.  höheren  Mittelwerth,  etwa  3,9, 
zeigen  die  folgenden  zehn  höher  constituirten  Ester;  Aethyl- 
und  Propylalkohol  mit  {v^jv^)  =  4,02  geben  einen  um  etwa 
7  Proc.  höheren  Werth,  Methylalkohol  uad  Essigsäure  zeigen 
ein  ganz  abweichendes  Verhalten.  Von  letzterer  wissen  wir, 
dass  sie  im  Dampfzustande  ein  anderes  Moleculargewicht  hat, 
als  ixk  flüssigen,  ein  ähnliches  Verhalten  ist  wohl  auch  bei 
Methylalkohol  nicht  ausgeschlossen.  Auch  bei  den  Estern  sind 
wohl  Polymerisationen  oder  Dissociationsvorgänge  möglich, 
während  solche  bei  den  Kohlenwasserstoffen  kaum  anzunehmen 
sind;  daher  verdienen  wohl  die  bei  diesen  Stoffen  beobachteten 
kritischen  Dichten  das  meiste  Zutrauen.    Den  bei  diesen  Stoffen 


1)  Die  OriginalbeobachtuDgen  sind  enthalten  in  Phil.  Trans.  176. 
p.  128.  1886,  178.  p.  57.  1887,  180.  p.  137.  1889;  ferner  in  Journ.  ehem. 
Boc.  55.  p.  486.  1889,  59.  p.  125.  1891,  63.  p.  1191.  1893,  67.  p.  1071.  1895, 
71.  p.  446.  1897;  Auszüge  und  Zusammenstellungen  der  Resultate  in 
Phil  Mag.  L  c.,  auch  Phys.  Rev.  1.  p.  385—423.  1892. 


688 


C.  Dieterici, 


beobachteten  Werthen  des  Verhältnisses  v^  :  v,,  liegen  nahe  die- 
jenigen, welche  vonAmagat^)  und  Cailletet  and  Mathias^ 
an  chemisch  einfacheren  Verbindungen  beobachtet  und  welche  ^ 
in  der  folgenden  Tabelle  zusammengestellt  sind. 

Tabelle  2. 


Sabstanz 

M 

K 

in  Atm. 

v^  cm' 

Vq  cm* 

Kohlensäure  CO, 
Schweflige  Säure  SO, 
Aethjlen  CsH« 
Stickoxjdul  N,0 

48,89 
68,90 
27,94 
48,98 

804,85 
429,0 
2834 
308,9 

72,9 
78,9 
51,0 
74,0 

94,58 
122,9 
133 
107,2 

341,5 
445,0 
454,2 
346,1 

3,61 
8,62 
3,42 
8,19 

Die  beiden  Substanzen  CO,  und  SO,  geben  ein  Verhält- 
niss  (3,62)  des  idealen  zum  thatsächlichen  kritischen  Volumen, 
welches  den  von  Ramsaj  und  Young  an  den  Kohlen  Wasser- 
stoffen beobachteten  sehr  nahe  liegt.  Die  unbeständigeren 
Verbindungen  CgH^  und  N^O  weichen  beträchtlich  ab. 

Es  wäre  von  höchstem  Interesse,  in  dieser  Beziehung  die 
kritischen  Daten  möglichst  einfacher  Stoffe  festzustellen.  Die 
YonRamsay  neu  entdeckten,  vermuthlich  einatomigen  Elemente 
würden  sich  am  besten  hierzu  eignen.^  Da  indessen  diese 
wohl  schwerlich  in  absehbarer  Zeit  bei  und  unterhalb  ihrer 
kritischen  Temperatur  untersucht  werden  können,  würden  wohl 
zunächst  die  Elemente  Sauerstoff  und  Stickstoff  ins  Auge  zn 
fassen  und  für  diese  die  Isothermen  in  und  unterhalb  ihrer 
kritischen  Temperatur  zu  beobachten  sein,  damit  man  aus 
ihnen  die  kritischen  Daten  nach  der  Methode  von  Cailletet 
und  Mathias  mit  grösserer  Sicherheit  ermitteln  kann,  als  es 
durch  directe  Ablesung  möglich  ist.  Die  bisher  für  diese  ein- 
fachsten Stoffe  vorliegenden  Daten  sind  folgende*): 


1)  £.  H.  Amagat,  Compt.  read.  115.  p.  1098  u.  1322.  1892;  vgl 
auch  Phys.  Rev.  2.  p.  33—43.  1892. 

2)  L.  Cailletet  u.  K  Mathias,  1.  c. 

3)  Hr.  Ramsaj  hob  dies  besonders  hervor  in  seinem  Vortrag  auf 
der  71.  Natnrforscherversammlung  in  München. 

4)  Beobachtungen   von   Wroblewski,    Dewar,    Hautefeaille 
und  Cailletet  nach  Landolt-Börnstein's  Tabellen. 


Kritischer  Zustand. 


689 


Tabelle  3. 


Substanz 


M 


&. 


w    cm' 
in  Atm. 


ToCm' 


Stickstoff  N, 


28,02 


.127,0         35,0 


Sauerstoff  O,       !    31,92    '    154,6 


50,4 


75,73 
63,70 
62,30 

52,8 
50,0 


296,9 


251,0 


3,92 
4,66 

4,77 

4,85 
5,00 


Man  kann  aus  diesen  Zahlen  gewiss  nicht  die  Behauptung 
ableiten,  dass  auch  bei  Sauerstoff  und  Stickstoff  das  Verhält- 
niss  der  thatsächlichen  kritischen  Dichte  zur  idealen  dasselbe 
sei,  wie  das  von  Ramsaj  und  Young  an  den  Kohlenwasser- 
stoffen gefundene,  etwa  3,7 ;  aber  gewiss  kann  man  auch  nicht 
die  gegentheilige  Behauptung  aufstellen.  Denn  es  ist  eine 
Erfahrung,  dass  stets  die  directe  Beobachtung  des  kritischen 
Volumens  wesentlich  niedrigere  Werthe  ergiebt,  als  die  Methode 
Ton  Cailletet  und  Mathias.  Eine  jede  Beobachtungsreihe 
der  reichhaltigen  Arbeiten  von  Ramsay  und  Young  zeigt 
dies.  Bei  Sauerstoff  und  Stickstoff  liegen  nur  directe  Beob- 
achtungen vor,  sie  sind  vermuthlich  alle  zu  klein,  das  Ver- 
Verhältniss  Vq  :  v^  daher  zu  gross.  Gelingt  es ,  die  Volumina 
dieser  Stoffe  im  Sättigungszustande  in  flüssiger  und  dampf- 
förmiger Phase  unterhalb  ihrer  kritischen  Temperatur  zu  be- 
obachten, so  ist  wohl  zu  vermuthen,  dass  man  auch  bei  diesen 
Stoffen  zu  v^iv^  ;=  ca.  3,7  geführt  wird. 

Fasst  man  das  in  den  angeführten  Arbeiten  zusammen- 
getragene Material  zusammen,  so  glaube  ich,  liegt  alle  Ver- 
anlassung vor,  den  von  S.  Young  zuerst  ausgesprochenen  Satz 
dahin  zu  erweitem:  dass  bei  allen  Stoffen,  welche  ohne  che- 
mische Veränderungen  in  den  kritischen  Zustand  übergeführt 
werden  können,  das  Verhältniss  der  thatsächlichen  zur  idealen 
kritischen  Dichte  nahezu  dasselbe  ist,  etwa  3,7. 

II.  Ein  jeder  Versuch,  den  Zustand  der  Körper  durch 
eine  Gleichung  zwischen  den  drei  Grössen  Volumen  (»),  Tem- 
peratur {&)  und  Druck  (p)  wiederzugeben,  muss  davon  aus- 
gehen, die  im  kritischen  Zustande  thatsächlich  stattfindenden 
Beziehungen  qualitativ  und  quantitativ  richtig  wiederzugeben. 


Ann.  d.  PbjB.  u.  Chem.    N.  F.    69. 


44 


690  C.  Dieterici. 

denn  der  kritische  Zustand  bestimmt  die  Constanten,  welche 
in  die  Zustandsgieichung  eingehen. 

Bekannt  ist  die  Zustandsgleichung  von  van  der  Waals* 
und  im  Hinblick  auf  die  vielen  qualitativ  sehr  nahe  zutreffenden 
Folgerungen,  welche  diese  Gleichung  zulässt  und  weiter  im 
Hinblick  auf  die  eingehende  Discussion  dieser  Gleichung  von 
Hrn.  Boltzmann^),  welche  ihre  Fruchtbarkeit  erkennen  lässt, 
werden  wir  mit  Recht  zunächst  di^se  Zustandsgleichung  bei- 
zubehalten suchen. 

Ich  werde  nun  erstens  nachweisen,  dass  die  Zustands- 
gleichung von  van  der  Waals  nicht  im  Stande  ist,  die 
Grössenbeziehungen  im  kritischen  Zustand  quantitativ  richtig 
wiederzugeben,  auch  dann  nicht,  wenn  man  die  Erweiterungen 
heranzieht,  welche  sowohl  van  der  Waals^),  wie  insbesondere 
Boltzmanu,  aus  theoretischen  Anschauungen  entwickelt  haben; 
dann  will  ich  zweitens  nachweisen,  dass  eine  Aenderung  des 
Gesetzes  des  van  der  Waals^schen  Cohäsionsdruckes  genügt, 
um  die  durch  die  Beobachtung  gegebenen  Thatsachen  richtig 
wiederzugeben.  Die  theoretische  Begründung  dieses  veränderten 
Cohäsionsgesetzes  gelingt  nicht,  vielmehr  fuhren  theoretische 
Ueberlegungen  auf  eine  neue  Darstellungsweise,  welche  auch 
die  Grössenbeziehungen  im  kritischen  Zustande  richtig  wieder- 
giebt,  und  welche  ich  im  dritten  Abschnitt  darlege. 

Ich  beschränke  mich  in  dieser  Arbeit  auf  den  kritischen 
Zustand  allein.  Die  Ausdehnung  der  Betrachtungen  auf  die 
anderen  Zustände  muss  weiteren  Arbeiten  vorbehalten  bleiben. 

1.  Die  Zustandsgleichung  von  van  der  Waals  lautet 
allgemein : 

(1)  (p  +  n){v^b)^Rx% 

worin  die  Bedeutung  der  Zeichen  p,  v,  &,  JR  schon  angegeben 
ist,  TT  bedeutet  den  von  van  der  Waals  eingeführten 
Cohäsionsdruck,  der  von  der  wechselseitigen  Anziehung  der 
Molekeln  herrührt,  b  die  Volumencorrection.  Nach  van  der 
Waals  ist  b  das  Vierfache  des  Kemvolumens  der  Molekeln, 
die  Differenz  (v— ä)  stellt  das  für  die  Bewegung  der  Molekeln 


1)  L.  Boltzmann,  Gafitheorie,  1897  u.  1898. 

2)  J.  D.  van  der  Waals,  Die  Continuit&t  etc.  IL  Aufl.  1899. 

I 


f 


Kritischer  Zustand,  691 

verfugbare  Volumen  dar,  das  Covolumen  nach  Amagat  und 
J.  Traube. 

Für   den  Cohäsionsdruck  n   macht  van  der  Waals  die 
Annahme 

(2)  ^  =  -^. 

worin  a  eine  Constante  ist.  Durch  diese  Annahme  wird  die 
Gleichung  (1)  vom  dritten  Grade  in  Bezug  auf  v,  giebt  im 
allgemeinen  zu  jedem  Werthepaar  von  p  und  &  drei  Werthe 
von  V,  welche  im  kritischen  Zustande  in  einen  zusammenfallen. 
Damit  dies  geschehe,  müssen  bestimmte  Beziehungen  zwischen 
den  Grössen  a,  ä,  /?«,  v^,  tA^  obwalten,  welche  aber  ver- 
schieden sind,  wenn  wir  b  als  constant  (unabhängig  von  v) 
ansehen,  oder  b  als  Function  von  v  betrachten. 

Der  erste  Fall,  b  =  const,  führt  auf  die  drei  historischen 
Gleichungen 

(3a)  v^=^3b,         p^  =  -^  y        ,9-^  =       ^ 


I 


21  b^  "       121  Rb 

Die  Bedeutung  der  ersten  dieser  drei  Gleichungen  ist  von 
selbst  ersichtlich,  die  der  zweiten  erkennt  man  am  besten, 
indem  man  in  ihr  b  durch  ^v^  ersetzt,  also 

Px   —    3     p2 

schreibt.     Bedenkt  man,  dass  nach  (2) 

a 

der  van  der  Waals'sche  Cohäsionsdruck  im  kritischen  Zu- 
stand ist,  so  sagt  die  Gleichung 

aus,  dass  im  kritischen  Zustande  der  Cohäsionsdruck  gerade 
dreimal  so  gross  ist,  als  der  kritische  Druck,  den  wir  wahr- 
nehmen. 

Die  dritte  der  Gleichungen  (3  a)  liefert  die  Constante  a, 
ausgedrückt  durch  die  dem  Experiment  zugänglichen  Grössen 

a  =  R  rh^  v^  .  ^ , 

44* 


692  C.  Dieterici. 

Dividirt  man  die  dritte  der  Gleichungen  (3  a)  durch  die 
zweite,  so  föllt  die  Constante  a  heraus  und  ersetzt  man  wieder 
b  durch  \v^^,  so  erhält  man: 

(4  a)  ^-  =  I  =  2,67. 

Nun  ist  aber 


das  ;, ideale^'  kritische  Volumen  oder  dasjenige,  welches  bei 
Gültigkeit  der  idealen  Gasgesetze  eintreten  müsste.  Die 
van  der  Wa  als 'sehe  Zustandsgieichung  liefert  also  unter 
Annahme  n  ^{afv^  und  b  =  const.  nothwendig: 


^ 
^ 


=  2,67. 


In  der  Zusammenstellung  der  thatsächlichen  BeobachtuDgen 
sahen  wir,  dass  dieses  Verhältniss  zu  3,7  oder  meist  höher 
beobachtet  ist;  keine  einzige  der  vorliegenden  Beobachtungen 
liefert  die  Zahl,  auf  welche  die  Theorie  f&hrt.  Hier  liegt  also 
ein  Widerspruch  zwischen  Theorie  und  Beobachtung  vor,  der 
beseitigt  werden  muss. 

Wir  lassen  nunmehr  die  Voraussetzung  b  =  const.  fallen 
und  seilen  b  als  Function  von  v  an. 

Von  H.  A.  Lorentz,  von  van  der  Waals,  von.  G.  Jäger 
und  Boltzmann  sind  Erweiterungen  der  Theorie  in  dieser 
Hinsicht  entwickelt,  welche  sich  darauf  gründen,  dass  bei  dem 
stark  verdichteten  Zustand  der  Gase  nicht  nur  Zusammen- 
stösse  zwischen  zwei  Molekeln  erfolgen,  sondern  auch  solche, 
bei  denen  drei  oder  mehr  Molekeln  zugleich  collidiren.  Aus 
diesen  Betrachtungen  entspringt,  dass  wir  die  Zustands- 
gieichung (1)  in  der  Form 

,  =  Ä.^.l(i  +  l  +  «,.(l)%  .,(!)«...)-. 

ZU  schreiben  haben,  worin  b  constant  ist.  Nur  für  den  ersten 
der  Coefficienten  a^,  u^  ,  ,  .  lässt  sich  der  Zahlenwerth  mit 
einiger  Sicherheit  ermitteln.    Van  der  Waals  findet  a^^  ^, 


1 


Kriäsc/ier  Zustand.  693 

G.  Jäger^)  und  unabhängig  Boltzmann  a^^^,  also  sehr 
nahe  dem  von  van  der  Waals  gleich.  Die  weiteren  Coeffi- 
►  cienten  a,  .  .  .  lassen  sich  durch  theoretische  Ueberlegungen 
nicht  ermitteln;  nur  Eines  wissen  wir:  dass  diese  Coefficienten 
ebenso,  wie  das  Verhältniss  b/v,  nur  positiv  sein  können. 

Ich  breche  zunächst  die  Reihe  mit  dem  Gliede  (3/^)^  ab, 
schreibe  also 

(Ib)  p^2i&.}(l+^+a,[^f)-n, 

worin 

(2)  n=^^ 

ist,  und  weise  nach,  dass,  gleichgültig  welchen  Werth  a^  haben 
mag,  das  Verhältniss  v^/v^  =  3,0  erhalten  wird,  und  dass, 
wenn  man  noch  mehr  Glieder  der  Beihe  hinzuzieht,  das  Ver- 
hältniss nur  kleiner  wird. 

Die  Bedingungen  für  den  kritischen  Punkt  sind: 


( 


it.)        -0    und     ff£)        -0, 


Bedingungen,  welche  ja  nur  aussprechen,  dass  die  kritische 
Isotherme  beim  kritischen  Volumen  einen  Wendepunkt  hat 
Bildet  man  diese  Gleichungen  unter  Berücksichtigung  von  (1  a) 
und  (2),  so  kommt: 


H 


v}. 


^K 


K 


}-'[^-Hm 


2  +  6(*.Ul2«,(^*)' 


v„ 


»l 


6a 


Durch  Elimination  von  a  erhält  man 
(3b.)  l  =  3«:(.7f     oder    A  =.  ^^^ 

und  setzt  man  diesen  Werth  in  eine  der  Gleichungen  ein,  so 
kommt 

1)  6.  Jäger,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien  105. 
p.  15—21.  1896. 


I 


694 


C,  Dieterici, 


Setzt  man  die  gefundenen  Werthe  von  bjv^  und  a  in  die 
Gleichung  (la)  ein,  welche  für  den  kritischen  Zustand 

lautet,  so  erhält  man: 


n    V 


H      H 


R^. 


=  (i  +  yi«i  +  i)-a+yi«i)  =  i, 


oder 
(4b) 


—  -  =  —  =  3 


unabhängig  von  a^  Gleichgültig,  ob  wir  also  mit  Boltzmann 
€Zj  =  1^  setzen,  oder  mit  van  der  IVaals  gleich  ^,  da^  Jer- 
hältniss  des  idealen  zum  thatsächlichen  kritischen  Volumen  wird 
drei,  sofern  nur  «j  >  0  ist. 

Dieser  Werth  ist  der  grosseste,  welcher  unter  den  ge- 
machten Annahmen  erreicht  werden  kann;  denn  nimmt  man 
noch  ein  Glied  der  Reihe  hinzu,  setzt  also  allgemein 


(Ic) 


,-^*i[>+l+„.(t)%«.(t)' 


a 


80  liefern  die  beiden  Bedingungsgleichungen 


m        =0     und     (.j'4)        =0 


die  Gleichungen: 


R&. 


1+2-^+3«,    -^ 


+  4 


/  b    \3 


2  a 


Rt^. 


,.;i 


'^0*'''ÄXJ^'H-k'' 


6  (Jt 


Durch  Elimination  von  a  erhält  man 


b   \2 


h    \3 


h    \3 


/   b 


.  o 


(3b,)  l  =  3«i(^J  +8«,(-;j     «der«,(^J  =|_3«^^^^| 
und  damit  aus  einer  der  beiden  Gleichungen: 


I 


Kritischer  Zustand. 


696 


•:ib,) 


a  =  Ji  iV*^ .  t^x  •  4" 


oder 


o* 


.  +  2;_+s.,(.';)%.(i-,..(j>.)-)J 


=  Ri9^.v 


H  *  '^X 


.3. 


+  „     + 


r 


i'-'i^r 


Setzt  man  die  gefundenen  Werthe  für  a^  (^/v«)^  und  a 
in  die  Druckgleichung  (Ic)  ein,  welche  f&r  den  kritischen 
Zustand 


^x  L 


'^'.-<r^<r 


a 
vi 


lautet;  so  kommt 

D        V 


(4  c) 


Ä*. 


s+.>K(.^r 


*+;-+ 


nm 


=  |-i^i 


.t  \2 


Jetzt  ist  der  Quotient  p^v^lßif-^  nicht  mehr  unabhängig 
von  u^.     Aus  (3bj)  folgt  aber 


b  \2 


b  \3 


und  da  (Ä/üx)  nur  positiv  sein  kann,  ebenso  «,,  so  ist  ersicht- 
lich, dass 

seinen  maximalen  Werth  ^^  fllr  a^  =  0  hat. 
Damit  wird  aber 


Pu  •  «^ 


K  H 


Ri*. 


i. 


oder 


^  *".  =  -^  =  3 

P     V  V  ' 


wie  schon  vorher  bei  Beschränkung  der  Reihe  auf  drei  Glieder 
sich  ergeben  hatte.  Hat  a^  einen  Werth  >0,  so  wird  unter 
allen  Umständen 


V 


<3. 


y. 


Denkt   man   sich   in   der  Reihe  für  p  unendlich  viele  Glieder 
mit  gleichen  Factoren  «^  =  cfg  =  «3 . . .  =  1 ,    so   geht   die   er- 


696  C.  DietericL 

weiterte  Form   der  Zustandsgieichung   in  die  erste  nrsprüDg- 
liehe  Form  über 


für  welche  sich 


V  —  b        V* 
=  2,67 


^Q 


^H 


ergeben  hatte. 

Damit  ist  erwiesen,  dass,  wenn  man  die  Zustandsglei- 
chung  von  van  der  Waals  in  der  Weise  erweitert,  wie  es 
die  theoretischen  Ueberlegnngen  als  möglich  erkennen  lassen, 
für  das  Verhältniss  des  idealen  zum  thatsächlichen  kritischen 
Volumen  nur  Werthe  erzielt  werden  können,  welche  im  Maxi- 
mum drei  ergeben.  Sämmtliche  Beobachtungen  liegen  aber 
wesentlich  über  drei  und  daher  ist  es  ersichtlich,  dass  man  durch 
die  theoretisch  begründeten  Erweiterungen  die  van  der  Waals'- 
sehe  Zustandsgieichung  nicht  mit  der  Erfahrung  in  Einklang 
bringen  kann. 

Anders  liegt  es  natürlich,  wenn  man  willkürliche  Glieder 
der  Gleichung  hinzufügt. 

2.  Gelegentlich  einer  rein  empirischen  Berechnung  machte 
ich  die  Bemerkung,  dass  man  die  Abweichungen  des  gesättig- 
ten Wasserdampfes  von  den  idealen  Gasgesetzen  zwischen 
0  und  200^0.  sehr  viel  besser  darstellen  kann,  wenn  man 
die  Zusatzdrucke,  die  zum  beobachteten  Dampfdruck  hinzu- 
treten müssen,  um  das  Gasgesetz  zu  erfüllen,  in  der  Form 
n  =  {a/v^l*)  wiedergiebt.  Diese  rein  empirische  Berechnung 
war  für  mich  die  Veranlassung,  der  Frage  nachzugehen:  zu 
welchen  Folgerungen  gelangt  man,  wenn  man  in  die  Gleichung 
von  van  der  Waals  diese  Annahme  für  den  Cohäsionsdruck 
einführt. 

Diese  Folgerungen  seien  zunächst  entwickelt  und  um  die 
Parallele  besser  hervortreten  zu  lassen,  will  ich  dasselbe  Ver- 
fahren, wie  van  der  Waals,  einschlagen. 

Wir  behalten  also  die  Form  der  Zustandsgieichung 

(1)  {p  +  n){v-b)  =  B& 

bei,  sehen  in  ihr  zunächst  b  als  constant  an  und  machen  die 
Hypothese; 

(5)  n  =  A-  . 


Kritischer  Zustand,  697 

Ordnet  man  dann  die  Gleichung  (1)  nach  Potenzen  von  v, 
60  kommt 

\  91        bp  +  R  &    ti    .    a  ab        f. 

P  P  P 

oder,  indem  man  durch  x  =  »V»  eine  neue  Variable  einfuhrt 
und  die  Zeichen  a,  ß,  y  in  leicht  verständlicher  Weise  für  die 
noth wendig  positiven  Factoren  als  Abkürzungen  benutzt: 

f{x)  =  2r8  -  a  jr«  +  /Sar»  -  y  =  0  . 

Diese  Gleichung  achten  Grades  für  x  kann  nach  der 
Regel  von  Descartes  höchstens  drei  positive  reelle  Wurzeln 
haben,  da  sie  drei  Zeichen  Wechsel  hat;  sie  hat  femer  eine 
negative  reelle  Wurzel,  wie  man  nach  derselben  Regel  er- 
kennt, wenn  man  x  mit  —x  vertauscht,  und  vier  imaginäre 
Wurzeln.  Die  Gleichung  giebt  also  ebenso  wie  die  Normal- 
form von  van  der  Waals  im  allgemeinen  drei  Werthe  für  x 
und  damit  für  v.  Im  kritischen  Punkt  fallen  die  drei  Wurzeln 
in  eine  zusammen;  die  Bedingungen  hierfür  sind: 

r{x)=    Sx7^    oax*+Sßx^  =0, 

f'(x)  =  56x«-  20aa-3  +  ßßx  =  0, 

woraus  man  ohne  Schwierigkeit 

erhält,  oder,  indem  man  wieder  auf  die  ursprüngliche  Variable  t; 
und  die  ursprünglichen  Factoren  zurückgeht: 

(6)  r^  ==  4 3,     ;?^  =  — -^^  ,       ^^  = 


4.(4by*  "  4.(4  6)*/«.^ 

Diese  Gleichungen  sind  völlig  analog  den  klassischen 
von  van  der  Waals  und  nur  durch. die  Zahlenfactoren  von 
jenen  verschieden.  Das  kritische  Volumen  ist  hier  viermal 
so  gross  als  b;  ersetzt  man  in  der  zweiten  Gleichung  b  durch 
v^  und  bedenkt,  dass  a/v^*!*  nach  (5)  der  Cohäsionsdruck  im 
kritischen  Zustand  ist,  so  sagt  die  zweite  Gleichung:  der 
Cohäsionsdruck  im  kritischen  Zustand  ist  viermal  so  gross,  als 


698  C.  Dieterici. 

der  wahrnehmbare  kritische  Druck.     Bildet   man  endlich  aus 
der  dritten  Gleichung  den  Quotienten  Ji&^lpnV^f  so  wird: 

(7)  :^.=J^  =  i5  ^3  75. 


X  «X       X 


Das  ist  die  Zahl  für  das  Verhältniss  des  idealen  zum 
thatsächlichen  kritischen  Volumen,  welches  die  Beobachtungen 
von  Ramsay  und  Young  für  alle  diejenigen  Substanzen  er- 
gaben, bei  denen  eine  molecuiare  Veränderung  bei  der  üeber- 
führung  in  den  kritischen  Zustand  unwahrscheinlich  ist.  Und 
damit  ist  erwiesen,  dass  die  van  der  Waals'sche  Zustands- 
gieichung unter  Einführung  des  Gohäsionsgesetzes 

a 


n  =  — 

V 


V. 


und  unter  der  Annahpie  b  =  const.  eine  Darstellung  der  that- 
sächlich  im  kritischen  Punkt  stattfindenden  Verhältnisse  giebt, 
welche  für  diese  Stoffe  qualitativ  und  quantitativ  mit  der  Er- 
fahrung im  Einklang  ist. 

Für  diejenigen  Stoffe,  bei  denen  das  Verhältniss  v^ :v^  grösser 
oder  kleiner  gefunden  wird  als  3,75,  könnte  man  molecuiare 
Veränderungen,  wie  sie  bei  der  Essigsäure  wohl  zweifellos  sind, 
zur  Erklärung  heranziehen.  Man  könnte  also  annehmen,  dass 
die  Molekelzahlen  in  dem  Maasse  durch  Dissociation  oder 
Association  vergrössert  oder  verringert  ist,  als  die  procentische 
Abweichung  des  Verhältnisses  VqIv^  vom  theoretischen  Werthe 
3,75  beträgt;  thatsächlich  betragen  ja  diese  Abweichungen  — 
abgesehen  von  Essigsäure  und  Methylalkohol  —  nur  wenige 
Procente. 

Indessen  bietet  die  Theorie  noch  die  Möglichkeit,  andere 
Verhältnisse  VqIv^  zu  berechnen,  wenn  man  die  Annahme 
b  =  const.  fallen  lässt,  vielmehr  b  als  Function  von  v  betrachtet. 

Man  könnte  ebenso  verfahren,  wie  vorn,  dass  man  die 
erweiterte  Zustandsgieichung 

,-«,»!-(,+» +«,(^r+«.(4r+---)-7r 

in  der  angegebenen  Weise  behandelt  und  würde  dann  Zahlen 
für  Vf^/v^  erhalten,  welche  bei  positiven  Werthen  von  cfjOfj... 
stets  grösser  sind  als  3,75,  um  einen  Betrag,  der  von  der  Zahl 

f 


Kritischer  Zustand. 


099 


der  benutzten  Eeihenglieder  und  von  dem  Werthe  der  Coeffi- 
cienteu  a^a^, , .  abhängt. 
w  Es   ist  aber  allgemeiner  und  übersichtlicher,    wenn  man 

keine  bestimmte  Form  der  Abhängigkeit  des  b  vom  Volumen 
annimmt,  sondern  die  Form 


P=  v-b 


a 


7» 


beibehält  und  in  ihr  b  als  Function  von  v  ansieht. 
Dann  liefern  die  beiden  Bedingungen 

m         =0     und     (54)         =0 
für  den  kritischen  Zustand  die  Gleichungen: 


Ri^. 


o 


1 


-m 


=  1 


a 


"'i: ' 


B». 


._(äb\     '  ^.         td'b\    ^ 


"/.o 


)■ 


Vk 


"/. 


Setzt  man  zur  Abkürzung 
so  erhält  man  durch  Elimination  von  a 


db 

dv  f  H 


2(1-6T 


and  damit  aus  einer  der  beiden  Gleichungen 

1(1  -  6')  -  *" ".  r 


(682) 


a  =  Ä.'/.tV'..  1(1-6') 


2(1-  b') 


'\9 


Setzt  man  diese  Werthe  dann  ein  in 


P>^  = 


iv-b)^ 


a 


V 


'/.  » 


60  erhält  man 


r.         U^-b')-b''r^    \ 


|(1.6'j-6"i;,| 


^  —  '1  3M  h!\ 


oder 


\ 


700  C.  Dieterici. 

Diese  Gleichung  giebt  natürlich  für  den  Fall  ö  =  const.,  also 
&'=0  und  y=0,  den  früher  berechneten  Werth  (ro/*^K)  =  3j5 
wieder,  sie  zeigt  aber,  dass  die  Theorie  auch  die  Möglichkeit 
offen  lässt,  auch  Abweichungen  von  diesem  Verhältniss  durch 
passende  Annahmen  über  die  Aenderung  des  b  mit  v  dar- 
zustellen. 

Zunächst  dürfen  wir  wohl  von  diesen  Abweichungen  ab- 
sehen   und    das    rein    empirisch    gefundene    Gesetz    für  den 

Cohäsionsdruck 

a 
7t  =  -, 


p  • 


als  eine  Annahme  betrachten,  welche  im  Stande  ist,  die  Zu- 
standsgleichung  von  van  der  Waals  in  üebereinstimmung  zu 
bringen  mit  den  thatsächlichen  Beobachtungen  des  kritischen 
Zustandes. 

3.  Es  ist  mir  nun  nicht  gelungen,  das  empirisch  gefundene 
Cohäsionsgesetz  auf  dem  Boden  der  Waals 'sehen  Anschauungen 
theoretisch  einwandfrei  zu  deuten.  Vielmehr  haben  mich  alle 
Betrachtungen  dazu  geführt,  den  Cohäsionsdruck  in  anderer 
Weise,  als  es  van  der  Waals  thut,  in  die  Zustandsgieichung 
einzuführen.  Da  diese  Ueberlegungen,  wie  mir  scheint,  theo- 
retisch richtig  begründet  sind  und  die  thatsächlichen  Beob- 
achtungen im  kritischen  Zustand  ebenfalls  qualitativ  und 
quantitativ  richtig  wiedergeben,  so  entwickele  ich  sie  hier. 

Es  sei  ein  Gas  gegeben,  zwischen  dessen  Molekeln  Cohä- 
sionskräfte  wirken.    Das  Gas  sei  bei  constauter  Temperatur  in 

ein  Gefäss  eingeschlossen  und  wir 

setzen  zunächst  voraus,  dass  es  bis 

an  die  Gefässwandung  heran  con- 

;    staute    Dichte   habe.      Betrachten 

~1    wir  dann  eine  Molekel  m,  welche 

sich  zur  Wand  ^'(Fig.  1)  des  Ge- 

fässes    hin    bewegt,    so    wird   die 

""       "   ^         Molekel,  solange  sie  sich  noch  im 

Inneren  der  Gasmasse  (Lage  1)  befindet,  in  seiner  Bewegung 

keinerlei  einseitiger  Kraftwirkung  unterliegen,  da  sie  von  allen 


1. 


\ 


Kritischer  Zustand.  701 

Seiten  gleichmässig  von  der  Gasmasse  umgeben  ist.  Nähert  sie 
sich  aber  der  Wand  auf  eine  Distanz,  welche  kleiner  ist,  als 
ihre  Wirkungsweite  q,  so  muss  sie  einem  Zug  nach  Innen  unter- 
liegen, wenn  wir  voraussetzen,  dass  die  Gohäsionskraft  nur. 
zwischen  den  Gasmolekeln  wirkt,  die  Wand  selbst  also  keine 
Kraft  auf  die  Molekel  ausübt.^)  Der  Cohäsionszug  nach  Innen 
erreicht  ein  Maximum,  wenn  die  Molekel  die  Wand  berührt. 

Denken  wir  uns  im  Abstände  q  vor  der  Wand  eine 
mathematische  Fläche,  so  wird  dieselbe  vom  Innern  des  Gases 
aus  getroffen  von  Molekeln,  deren  Geschwindigkeitscomponente 
senkrecht  zur  Wand  nach  dem  MaxwelTschen  Gesetze  alle 
möglichen  Werthe  haben.  Diejenigen  der  auftreffenden  Mole- 
keln, welche  mit  kleiner  Geschwindigkeit  die  gedachte  Fläche 
durchschreiten,  gelangen  gar  nicht  an  die  Wand,  denn  sie 
führen  nicht  genug  kinetische  Energie  mit,  um  die  Arbeit 
gegen  die  Cohäsiouskräfie  zu  leisten;  diese  Molekeln  sind  nach 
Hrn.  W.  Voigt  die  „unbefähigten",  sie  tragen  auch  nichts  zu 
dem  Druck  auf  die  Wand  kV  bei.  Zu  dieser  gelangen  nur 
die  „befähigten"  Molekeln,  also  diejenigen,  welche  genug 
kinetische  Energie  mitführen,  um  die  Arbeit  gegen  die  Cohäsions- 
kräfte  zu  leisten,  aber  auch  diese  gelangen  zur  Wand  nur 
unter  einem  Verlust  von  kinetischer  Energie,  welcher  gleich 
ist  der  aufgewendeten  Arbeit. 

Die  Annahme,  dass  zwischen  den  Molekeln  nach  van 
der  Waals  anziehende  Kräfte  thätigsind,  bedingt  also  zweierlei : 

Erstens  wird  die  Zahl  der  auf  die  Wand  auftreffenden 
Molekeln  kleiner  und  aus  diesem  einen  Grunde  wird  der  Druck 
vermindert;  damit  ist  zugleich  gegeben,  dass  die  Dichte  des 
Gases  zur  Wand  hin  abnehmen  muss,  vor  derselben  also  eine 
inhomogene  Schicht  entsteht. 

Zweitens  wird  auch  die  lebendige  Kraft,  also  auch  die 
Bewegungsgrösse  der  befähigten  Molekeln  kleiner  und  dies  ist 
ein  zweiter  Grund,  aus  dem  der  Druck  auf  die  Wand  ver- 
ringert wird. 

Die  mathematische  Behandlung  dieser  schon  von  Clausius 
ausgesprochenen    Grundanschauungen,    welche    von    Hrn.    G. 


1)  Zu  dieser  AnDahme  sind  wir  gezwungen,    da  erfahr ungsmässig 
der  Gasdruck  unabhängig   ist  von  dem  Material  der  Gefässwandungen. 


702  C.  DietericL 

Jäger ^)  begonnen,  von  Hrn.  W.  Voigt^  und  mir')  selbst 
weitergeführt  bezüglich  ergänzt  worden  ist,  hat  das  zuerst  auf- 
fallende  Resultat  ergeben^  dass  die  befähigten  Molekeln,  welche^ 
in  die  inhomogene  Schicht  mit  grossen  Geschwindigkeiten  ein- 
getreten sind,  an  der  Wand  doch  wieder  dieselbe  mittlere 
lebendige  Kraft  haben,  wie  die  mittlere  lebendige  Kraft  aller 
Molekeln  im  Innern  und  dass  dieses  Verhalten  eintritt,  gleich- 
gültig wie  gross  die  aufgewendete  Cohäsionsarbeit  ist.  Damit 
ist  zugleich  gegeben,  dass  in  jeder  Scheibe  der  inhomogenen 
Schicht  die  mittlere  lebendige  Kraft  der  in  ihr  enthaltenen 
Molekeln  die  gleiche  ist  oder  constante  Temperatur  besteht 
Dadurch  erklärt  sich  das  zuerst  auffallend  erscheinende  Re- 
sultat der  theoretischen  Untersuchung. 
Der  Druck  p  auf  die  Wand  wird: 

worin  ^j^ms^  diejenige  lebendige  Kraft  bedeutet,  welche  eine 
Molekel  gegen  die  Cohäsionskräfte  aufwenden  muss,  um  zur 
Wand  zu  gelangen  und  Ya  »w  c^  die  mittlere  lebendige  Kraft  ist, 
oder 

'^        V  —  h 

Wenn  wir  in  dieser  Gleichung  eine  passende  Annahme 
darüber  machen  können,  wie  die  Cohäsionsarbeit  ^4  vom  Volumen 
abhängt,  so  stellt  sie  eine  Zustandsgieichung  dar. 

Von  allen  Annahmen,  deren  Folgerungen  ich  untersucht 
habe,  ergab  sich  die  einfachste  als  die  beste  und  diese  ist: 
die  Cohäsionsarbeit  A  proportional  der  Dichte  oder  umgekehrt 
proportional  dem  Volumen  zu  setzen,  also 


V 


anzunehmen. 


1)  G.  Jäger,  SitzuDgsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  za  Wien  99. 
p.  681—685  und  p.  861—869.  1890. 

2)  W.  Voigt,  Göttinger  Nachr.  p.  341—364.  1896;   p.  19—47  und 
p.  261—272.  1897. 

3)  C.  Dieterici,  Wied.  Ann.  66.  p.  826—858.  1898. 

I 


Kritischer  Zustand. 


703 


Dann  folgen  aus 


1(8) 


'^  V  —  O 


die  Bedingungen  für  den  kritischen  Zustand,  wennman3  =  const. 
annimmt,  durch 


dp\        ^ R 


/dp 
\dv  1^ 


_c 


und 

cPp 

dv 
oder 

und 


woraus  sich  sofort 


(V  -  hf 


,       Ä^  R^v 

=  0 


R^r^ 


2(7 l 


=  0. 


0 


2C 


l 


r^-ft 


1 


(9i) 
und 

ergiebt  und  damit 

R& 


RK^l       K-b)' 


2  1  ,1 


c 


R^   V 


=  2 


;>x  = 


".-* 


X  R&^  V 

e 


-  '-    = 2e 


_  o 


Ä^ 


P     V 


=  ^  =  ^  e»  =  3,695 


oder 

(10) 

folgt. 

Das  Verhältniss  des  idealen  kritischen  Volumens  zum 
thatsächlichen  ergiebt  sich  auch  hier  so  nahe  gleich  dem  beob- 
achteten, dass  wir  auch  diese  Darstellung  als  eine  quantitativ 
richtige  Wiedergabe  der  Beobachtung  ansehen  dürfen.  Auch 
hier  ist  die  MögUchkeit  gegeben,  Abweichungen  dadurch  Rech- 
nung zu  tragen,  dass  man  b  als  Function  des  Volumens  an- 
sieht.    Setzt  man  zur  Abkürzung  "^ 

dh        ,,  d^b        i„ 

dv  d  p^  ' 


704  C.  Bietend. 

so  erhält  man  aus  den  beiden  Bedingungen  für  den  kritischen 
Punkt  die  Gleichungen: 


2(7        _  (\  -J/  \2        /    b"    \ 


woraus 


Wx  —  0^  = y, ^H 


und 


folgt,  und  damit 


2  —  -    —  V 


_C __o b^_ 


X       X 


fr" 
—  e 


X 

r 

X  •      X 


:/' 


2>   .  r  V  b 

rti  •  "x  "^x  j   M 


1-6' 


X 


-( 


»x 


^         X  X 


Diese  Gleichung  giebt  für  Ä  =  con8t.  3'  =  0  und  6"  =  0 
natürlich  den  Werth  v^ :  t;^  =  3,695  zurück,  gestattet  aber  durch 
passende  Wahl  von  b'  und  b"  auch  andere  Werthe  zu  be- 
rechnen. 

Ich  glaube  in  dieser  Arbeit  nachgewiesen  zu  haben,  dass 
mit  den  thatsächlichen  Beobachtungen  über  die  Grösse  des 
kritischen  Volumens  die  Zustandsgieichung  von  van  der 
Waals  in  ihrer  ursprünglichen  Form  nicht  vereinbar  ist,  auch 
dann  nicht,  wenn  man  diejenigen  Erweiterungen  heranzieht, 
welche  sowohl  von  van  der  Waals,  wie  von  G.  Jäger  und 
Boltzmann  durch  theoretische  Ueberlegungen  entwickelt  sind, 
dass  aber  die  Gleichung  von  van  der  Waals  in  Einklang 
mit  den  Beobachtungen  gebracht  werden  kann,  wenn  man  ein 
anderes  Gesetz  für  den  Waals 'sehen  Cohäsionsdruck  einfuhrt 
Diesem  rein  empirisch  gefundenen  Gesetze  mangelt  die  theo- 
retische  Begründung.  E^ührt  man  aber  die  Grundgedanken 
von  van  der  Waals  in  anderer  Weise  in  die  Ausdrücke  der 
kinetischen  Gastheorie  ein,  so  gelangt  man  zu  einer  anderen 


I 


Kritischer  Zustand.  705 

Form  der  Zustandsgleichung,  aus  der  sich  Folgerungen  für 
den  kritischen  Zustand  ziehen  lassen,  welche  ebenfalls  voll- 
kommen mit  den  Beobachtungen  in  Uebereinstimmung  sind. 
Ich  habe  beide  Darstellungen  objectiv  nebeneinander  gestellt; 
Aufgabe  weiterer  Berechnungen  wird  es  sein,  diejenige  Dar- 
stellung herauszufinden,  welche  sich  am  besten  den  Beob- 
achtungen in  anderen  Zuständen  anschmiegt. 

Hannover,  im  October  1899. 

(Eingegangen  12.  October  1899.) 


Ann.  d.  Pbyi.  n.  Chem.    N.  F.    69.  45 


11,  Uebet  Hrfi.  Liebenow^s  th^rmO' 
dynamische  Theorie  der  Thermoelektricität; 

von  W.  Voigt. 


Hr.  Liebenow^)  hat  in  diesen  Annalen  kürzlich  eine 
thermodyuamische  Theorie  der  Thermoelektricität  entwickelt, 
die  Beachtung  gefunden  hat  Diese  Theorie  scheint  mir  so- 
wohl hinsichtlich  ihrer  Begründung,  als  auch  hinsichtlich  der- 
jenigen ihrer  Resultate,  die  sich  als  neu  darstellen,  zu  schweren 
Bedenken  Veranlassung  zu  geben;  ihre  Entwickelung  ist  die 
Aufgabe  dieser  Mittheilung.  Ich  bemerke  dazu  im  voraus, 
dass  ich  Hm.  Liebenow's  eigentliche  Meinung  mitunter  zu 
erraihen  suchen  musste,  da  seine  Darstellung  gewisse  für  die 
Theorie  wesentliche  Fragen  überhaupt  nicht  berührt.  Miss- 
verständnisse  sind  somit  nicht  ganz  ausgeschlossen.  Immerhin 
hielt  ich  es  für  geboten,  meine  Kritik  zu  veröffentlichen,  da 
das  Problem  ein  überaus  wichtiges  ist,  und  die  von  Hrn. 
Liebenow  abgeleiteten  Resultate  in  mehrfacher  Hinsicht  über- 
raschen. Da  ich  auf  meine  eigenen  Untersuchungen  über  die 
Wechselbeziehungen  zwischen  Galvanismus  und  Wärme*)  ge- 
legentlich zurückgreife,  so  habe  ich  die  Bezeichnung  mit  jenen 
in  üebereinstimmung  gebracht. 

1.  Hr.  Liebenow  behandelt  die  beiden  Probleme:  Er- 
regung eines  elektrischen  Stromes  durch  ein  TemperaturgeMe 
und  Wärmebewegung  durch  einen  elektrischen  Strom  gesondert^ 
obgleich  die  Vorgänge  in  Wirklichkeit  coexistiren;  in  der  That 
schliesst  er  ja  bei  der  Behandlung  des  ersten  Problems  die 
Convection  von  Wärme  durch  den  elektrischen  Strom  aus- 
drücklich aus.  Dies  ist  offenbar  so  zu  verstehen,  dass  er  den 
wirklichen  Vorgang  aus  Theüen  aufbauen  will.  Ein  primärer 
Wärmestrom  Q^^^,  bestimmt  durch  ein  gewisses  Temperatur- 
gefälle, erregt  einen  primären  elektrischen  Strom  J^^^\  J^^^  giebt 
dagegen  Veranlassung  zu  einem  secundären  Wärmestrom  Q^\ 


1)  C.  Liebenow,  Wied.  Ann.  6S.  p.  316.  1899. 

2)  W.  Voigt,    Wied.  Ann.  67.  p.  717.    1899;   zuvor  (Jött  Nachr. 
1895.  Heft  2. 

I 


Liebenoufs  thermodynamische  Theorie  der  Tkermoelektricüät    707 

^  bewirkt  ein  J^^  etc.,  sodass  also  der  factische  Vorgang 
steht  ^]  aus  einem  elektrischen  Strom 

d  einem  Wärmestrom 

Es  ist  für  das  Folgende  wichtig,  dies  Verhältniss  fest- 
stellen. 

Zur  Lösung  des  ersten  Problems  betrachtet  Hr.  Liebenow 
len,  Yon  einem  elektrischen  Strom  durchäossenen  cylindrischen 
3tallstab,  dem  an  dem  einen  Ende  [a)  eine  Wärmemenge  Q^ 
3  Zeiteinheit  zugeführt,  an  dem  anderen  Ende  {b)  gleichzeitig 
entzogen  wird,  und  aus  dessen  Mantelflächen  (ohne  dass 
ruber  freilich  etwas  gesagt  wäre)  offenbar  in  jedem  Zeit- 
^ment  soviel  Wärme  entnommen  wird,  als  die  in  jedem 
ement  entwickelte  Joule  wärme  ausmacht;  es  ist  nämlich 
itgesetzt,  das^  in  dem  Cylinder  derselbe  stationäre  Tem- 
raturzustand  stattfinde,  als  wenn  kein  elektrischer  Strom  in 
n  flösse,  und  die  Mantelfläche  gegen  Wärmeabgabe  isolirt  wäre. 

Dann  setzt  Hr.  Liebenow 

ibei  Ä  die  auf  die  Zeiteinheit  bezogene  Arbeit  einer  hypo- 
3ti8chen,  allein  durch  den  Wärmestrom  hervorgerufenen, 
mit  thermoelektrischen  Kraft  im  Cylinder  bedeutet;  er  drückt 
mit  also  aus,  dass  die  Differenz  der  zugeführten  und  der  ent- 
mmenen  Wärme  in  diese  Arbeit  umgewandelt  wird. 

Indem  er  nun  für  Ä  den  Werth  JE  einführt,  unter  /  die 
pomstärke,  unter  E  die  elektromotorische  Kraft  im  Cylinder 
rstanden,  erhält  er 

bei  ist  JE  auch  nach  Hm.  Liebenow's  Vorstellung  zugleich 
)  der  Arbeit  von  E  äquivalente  Joulewärme. 

.  Schon  diese  Formel  muss  im  Grunde  einige  Bedenken 
regen.  Denn  denkt  man  sich  etwa  den  Cylinder  als  Ver- 
idungsstück  zwischen  zwei  grossen  Conductoren  von  den 
mperaturen  T^   und   T^,   so   bringt   der   Strom   J  in  jeder 


1)  Vgl.  z.  B.  £.  Riecke,  Wied.  Ann.  66.  p.  383.  1898. 


708  /f.  Voigt. 

Secunde  ein  Elektricitätsquantnm  aus  dem  einen  nach  dem 
anderen,  ohne  dass  eine  Compensation  für  diese  Leistung  er- 
sichtlich ist  Es  wird  eben  keine  Wärme  umgesetztj  sondern 
die  Differenz  von  Q^  und  Q^  als  Wärme  entzogen.  Doch  mag 
dies  nur  als  beiläufige  Bemerkung  gelten. 

Weiter  betrachtet  Hr.  Liebenow  die  durch  Leitung  be- 
wegten Wärmemengen  als  dem  Gylinder  auf  umkehrbarem  Wege 
zugeführt,  was  jedenfalls  an  sich  nicht  erlaubt  ist,  wendet  in 
der  bekannten  W.  Thomson 'sehen  Weise  den  zweiten  Haupt- 
satz auf  sie  an^)  und  erhält  so 

(5)  «.(^^)  =  '^^' 

oder  bei  Beschränkung  auf  ein  Element  des  Cylinders  von  der 
Länge  ds 

wobei  nun  S  auf  die  Länge  Eins  bezogen  ist     Sds  entspricht 
dabei  dem  von  Hrn.  Liebenow  benutzten  --  d£. 
Nach  den  gemachten  Annahmen  gilt  femer 

(7)  q^-gA^l-,    J=^qX{S+S,), 

falls  q  den  Querschnitt  des  Cylinders  A  und  X  die  Constanten 
der  thermischen  und  der  elektrischen  Leitfähigkeit,  Sq  aber 
die  neben  S  wirksame  elektromotorische  Kraft  nicht  thermo- 
elektrischen  Ursprunges  bezeichnet.     Für  S^  gilt  bekanntlich 

(«)  «.— ^. 

worin  0  die  Potentialfunction  der  elektrischen  Vertheilung 
bezeichnet,  die  man,  weil  Sq  additiv  mit  S  verbunden  ist,  ohne 
Beschränkung  der  Allgemeinheit  auch  in  den  Grenzen  zwischen  ver» 
schiedenen  Körpern  stetig  annehmen  darf. 


1)  Es  scheint  mir  nicht  überall  beachtet  zu  werden,  dass  diese  An- 
wendung etwas  Hypothetisches  enthält  und  demgemäss  nicht  ganz  un- 
bedenklich ist  Der  zweite  Hauptsatz  bezieht  sich  zunächst  nur  auf  die 
Wärmemengen,  die  ein  und  derselbe  R5rper  bei  zwei  homogenen  Tem- 
peraturzuständen in  umkehrbarer  Weise  aufnimmt  und  abgiebt;  er  wird 
durch  W.  Thomson  aber  übertragen  auf  die  Wärmeaustausche,  die  an 
zwei  verschieden  temperirten  Stellen  desselben  ungleichförmig  erwärmten 
Körpers  stattfinden. 


Liebenow^s  thermodynamische  Theorie  der  Thermoelektricität    709 
Man  erhält  so 

Hr.  Liebenow  nimmt  nun  weiter  an,  man  konnte  durch 
eine  geeignete  Anordnung  J^gkS,  d.  h.  5^  =  0  machen,  und 
gelangt  dadurch  zu  seinem  merkwürdigen  Satz 


I 


Aber  die  blosse  Gestalt  dieser  Formeln  lässt  schon  allein 
als  nahezu  sicher  erscheinen,  dass  jener  Satz  nicht  richtig 
sein  kann;  denn  eine  haltbare  Theorie  der  Thermoelektricität, 
die  die  Grösse  der  elektromotorischen  Kraft  liefert,  aber  ihre 
Richtung  unbestimmt  lässt,  ist  doch  kaum  denkbar. 

Indessen  ist  auch  die  Methode  der  Ableitung  der  End- 
gleichung, selbst  wenn  man  die  Bedenken  gegen  die  Ausgangs- 
formel (6)  unterdrückt,  nach  meiner  Ansicht  nicht  zulässig. 

Nach  der  (mit  der  allgemeinen  Vorstellung  übereinstimmen- 
den) Annahme  des  Hrn.  Liebenow  istiS  eine  der  Substanz 
indhnduelle  Function  allein  der  Temperaturverhältnisse  des  Cgiinders. 

Die  Formel  (9)  ist  aber  hiermit  im  directen  Widerspruch, 
denn  8  erscheint  nach  ihr  auch  von  S^  abhängig,  und  8^  be- 
stimmt sich  durch  die  Eigenschaften  des  ganzen  mit  dem  Cylinder 
in  leitender  Verbindung  befindlichen  Systemes.  Die  Grösse  S 
weiter,  wie  Hr.  Liebenow  thut,  dadurch  zu  bestimmen,  dass 
man  8^  =^  0  macht,  führt,  ganz  abgesehen  von  der  Frage, 
ob  diese  Annahme  realisirbar  ist,  zu  einem  weiteren  Wider- 
spruch; denn  die  Gleichung  (9)  wird  dann  in  allen  Fällen,  wo 
8q  nicht  gleich  Null  ist,  nicht  erfüllt,  obgleich  sie  nach  der 
Ableitung  eine  allgemeine  Geltung  haben  soll. 

Um  dies  näher  zu  erläutern  und  dabei  die  Bedeutung  der 
Function  8^  hervortreten  zu  lassen,  sei  der  einfachste  Fall  be- 
trachtet, dass  zwei  lineare  Leiter  Q  und  {")  zu  einem  £reis 
geschlossen  sind.     Es  muss  dann  die  Stromstärke 

(11)  /  =  q'  V  [8'  +  8\)  =  q"  X"  (5"  +  5';) 

längs  des  ganzen  Systems  constant  sein.  Auf  jedem  homogenen 
Theil  variirt  aber  8'  bez.  8"  mit  den  Temperaturverhältnissen, 
von  einem  zum  anderen  mit  der  Substanz,  demgemäss  wechselt 


710  r.  Voigt. 

auch  S\  und  S"^\  die  letzteren  Grössen  sind  gewissermaassen 
die  Regulatoren j  welche  die  Constanz  des  Stromes  bewirken.^) 
Da  für  /  die  aus  (11)  folgende  Formel  gilt 

f  ^  ds'  +  f  S'da'' 


J  = 


^  8" 

+ 


so  sind  B\  und  S"^  vollkommen  bestimmt. 

Es  dürfte  aus  dem  Vorstehenden  erhellen,  dass  der  funda- 
mentale Satz  (10)  des  Btn.  Liebenow  nicht  begründet  ist.  — 

Ich  wende  mich  nun  zu  den  Ueberlegungen,  durch  welche 
Hr.  Liebenow  eine  Theorie  der  Peltier-  und  Thomson- 
erscheinungen zu  geben  versucht.  Er  beginnt  mit  der  An- 
nahme, dass  ,,mit  jedem  elektrischen  Strom  ein  Wärmestrom 
verknüpft  sei"  und  behauptet  über  denselben:  „Der  Betrag 
dieses  Wärmestromes  ergiebt  sich  unmittelbar  aus  der  Gleichung 
für  den  maximalen  elektrischen  Strom 

wenn  man  statt  J  den  beliebigen  Strom  i  setzt." 

Ich  bemerke,  dass  die  bezügliche  Gleichung  fiir  den 
,,maximalen"  Strom  bei  Hrn.  Liebenow  nicht  wie  vorstehend 
lautet,  sondern 

(a)  JdE^^^dT, 

das  doppelte  Vorzeichen  wird  von  ihm  ohne  Begründung  ein- 
geführt.   . 

Ein  wenig  weiter  schliesst  er  „aus  der  Erfahrung",  dass 
„für  Metalle  das  negative  Vorzeichen  gilt",  schreibt  also  bei 
Vertauschung  von  J  und  Q  mit  i  und  q  gar  nur 

1)  Beiläufig  möchte  ich  zu  Obigem  noch  bemerken,  dass  es  doch 
einigermaassen  bedenklich  ist,  wenn  Hr.  Liebenow  von  nkoacimaUr 
elektromotorischer  Kraft  und  maximaler  Stromstärke  spricht,  die  bei  einem 
gewissen  Temperaturgefölle  eintreten,  und  darunter  die  Werthe  von  J  und 
S  versteht,  die  für  4%  =«  0  resultiren.  Einmal  ist  8  unabhängig  von  5o, 
und  sodann  kann  8^  ebensowohl  das  gleiche,  als  das  entgegengesetzte 
Vorzeichen  haben,  wie  5,  J  also  alle  möglichen  positiven  und  negativen 
Werthe  annehmen. 


Liebenotxfs  thermodynamische  Tkeorie  der  Thei-moelektricität    711 
was  in  unserer  Bezeichnung  lauten  würde 

>(12)  'f^^+V-Ts- 

Diese  Schlussreihe  ist  mir  nicht  verständlich;  ich  will 
aber  meine  Bedenken  gegen  die  Ableitung  unterdrücken  und 
nur  die  beiden  Formeln  (a)  und  (/?),  bez.  die  äquivalenten  (6)  und 
(12)  für  die  elektromotorische  Wirkung  einer  Wärmeströmung 
und  für  die  thermomotorische  Wirkung  einer  elektrischen  Strö- 
mung combiniren.  Sie  scheinen  mir  miteinander  nicht  ver- 
träglich zu  sein. 

Greifen  wir  nämlich  auf  das  im  Eingang  Gesagte  zurück 
und  bauen  gemäss  (1)  und  (2)  den  wirklichen  complicirten 
Vorgang  aus  seinen  Elementen  auf,   so  wird  nach  Formel  (6) 

^  dTIds  ' 

nach  Formel  (12) 

somit  wird  J^^'  +  Z^^)  =  o,  ebenso  J"^^  +  «/<*»  =  0  etc.  Es  kommt 
nach  Hrn.  Liebenow's  Theorie  in  Wirklichkeit  also  über- 
haupt kein  elektrischer  Strom  zu  stände.  Aehnliche  üeber- 
legungen  gelten  in  Bezug  auf  die  resultirende  Wärmeströmung. 
2.  Wenn  nun  auch  im  Vorstehenden  der  Nachweis  dafür 
erbracht  sein  dürfte,  dass  die  theoretischen  Entwickelungen 
des  Hrn.  Li  ebene  w  nicht  zu  halten  sind,  so  bleibt  doch  noch 
die  immerhin  überraschende  üebereinstimmung  seiner  End- 
formeln mit  der  Erfahrung  zu  erklären.  Freilich  bezüglich 
des  auffallendsten  Gesetzes  (10)  beschränkt  sich  nach  der  von 
den  Herren  Jaeger  und  Diesselhorst^)  vorgenommenen 
Prüfung  die  Üebereinstimmung  auf  die  Grössenordnung\  die 
Vorzeichen  der  beobachteten  und  der  berechneten  Werthe 
differiren  häufig,  und  die  Unterschiede  der  absoluten  Zahlen 
sind  sehr  beträchtlich.  Aber  immerhin  wird  man  nach  einer 
Erklärung  dafür  suchen,  dass  die  bestrittenen  Liebenow'- 
schen  Resultate  anscheinend  doch  der  Grössenordnung  nach 
von  der  Erfahrung  bestätigt  weiden. 


1)  W.  Jaeger  u.  H.  Diesselhorst,    SitzuDgsber.  d.  k.  Akad.  d. 
Wissensch.  zu  Berlin  38.  p.  719.  1899. 


) 


712  r.  Voigt. 

Ich  werde  zur  AufdeckuDg  dieser  Beziehung  auf  die  von 
mir  entwickelte  rein  thermodynamische  Theorie  der  Be- 
ziehungen zwischen  Galvanismus  und  Wärme  zurückgreifen,  ' 
die  Hm.  Liebenow  entgangen  sein  dürfte.  Dieselbe  liefert 
als  Folgerungen^  was  Hr.  Liebenow  als  Annahmen  einfuhrt: 
die  Existenz  räumlicher  elektromotorischer  Eräfte,  die  von 
den  Temperaturverhältnissen  abhängen,  und  die  scheinbare 
Mitfiihrung  von  Wärme  durch  den  elektrischen  Strom. 

Die  Componenten  X,  T,  Z  dieser  elektromotorischen  Kräfte 

sind  innerhalb  homogener  isotroper  Leiter  gegeben  durch  die 

Formeln  ^) 

nox  yöö        dB  bT 

wobei  0  eine  der  Substanz  individuelle  Function  der  Tempe- 
ratur bezeichnet.  Da  X  hier  an  der  Stelle  des  früher  be- 
nutzten &  steht,  so  zeigt  die  Vergleichung  dieser  Formel  mit 
(10),  dass  nach  Hm.  Liebenow's  Theorie 


(14)  ~-  =  ±  \[^ 

^     '  dT        ^y  11 


sein  müsste. 

Die  Componenten  u,  v,  w  der  elektrischen  Strömung  haben 
die  Werthe 

(15)  ti  =  Ä(X+X,),  .  .  . 

wobei  Xj,,  .  .  .  die  Componenten  der  elektromotorischen  Kraft 
nicht  thermoelektrischen  Ursprunges  bezeichnen;  die  Compo- 
nenten Uy  Ff  W  der  gewöhnlichen  Wärmeströmung  sind 

(16)  U=-A^,... 
die  U,  SS,  SB  der  elektrisch  fortgeführten 

(17)  u=-«2'4|-.... 

Wir  betrachten  nun  einen  linearen  Leiter,  dessen  Axe 
zur  X-Axe  gewählt  werden  möge,  im  stationären  Wärmezustand. 
Dann  muss  gelten 

(18)  -/-(Z7+U)-«JE;,  +  0=0, 

wobei  tiX^jden  von  der  elektromotorischen  Kraft  nicht-thermischen 
Ursprunges  herrührenden  Antheil  der  Joulewärme   bezeichnet, 

1)  W.  Voigt,  1.  c  p.  729. 


Liebenow^s  thermodynamische  Theorie  der  Thermoelektridtät    713 

den  der  Längeneinheit  durch  äussere  Leitung  entführten 
ärmebetrag.  Die  durch  X  bewirkte  Joulewärme  steckt  be- 
its  in  U.  ^) 

Den  linearen  Leiter  denken  wir  von  einem  Punkte  (1) 
t  der  Temperatur  7^  bis  zu  einem  Punkte  (2)  mit  der 
smperatur  T^  erstreckt  und  integriren  die  vorstehende  Formel 
n  dem  Ende  (1)  bis  zu  einem  beliebigen  Punkte.  Das  Re- 
Itat  ist 

))  J7+U=  U^  +  VL^+JuX^dx^fQ,dx, 

)fiir  wir  kürzer  schreiben 

3)  J7+U=-(ü. 

Setzen  wir  die  Werthe  von  ü  und  U  aus  (16)  und  (17) 
er  ein,  so  erhalten  wir 

iese  Formel  wollen  wir  auf  die  beiden  homogenen  Theile  (') 
id  C)  eines  wie  p.  709  gedachten  einfachsten  linearen  Leiter- 
eises  anwenden,  und  indem  wir  hierfür  x  mit  «,  u  mit  j^ 
T/dx  mit  dTjds  vertauschen,  schreiben 

Aldi  .         mf    fftt     d   KJ  I 

Alt  dT         ,f,  fn,  d  ^  ff 

Verläuft  s'  im  positiven  Sinne  von  (1)  nach  (2),  «"  im 
igativen  Sinne,  so  entspricht  +  (o'  und  —  o"  flir  die  beiden 
3itertheile  genau  dem  oben  definirten  o). 

Femer  ist  nach  (15)  und  (13) 

>bei  ^>  das  elektrische  Potential  bezeichnet,  also 
^    rrdS'ldT  ds'    ^^  ^^ 

^  ^       u''+Ä"d  md  s"_  _  _A_  r  ö"  _  cöv 


1)  W.  Voigt,  1.  c.  p.  730. 


714  W.  Voigt. 

bei  Integration  dieser  Formeln  über  s'  bez.  s"  und  Summatioii 
fällt  </>  heraus,  und  es  resultirt 

^  ^  J  vT'dß'id'T      J  r  r'de''idT"   ~  I ^  I  ■+■  I ^  I» 

wobei  die  Ausdrücke  rechts  z?dschen  den  Grenzen  zu  nehmen 
sind,  die  den  Temperaturen  7\  und  T^  der  Löthstellen  ent- 
sprechen. 

Nach  dem  oben  für  s  und  s"  festgesetzten  Eichtungs- 
sinn  gilt: 

^  '     1  =(0;-0;')-(0;-0r)- 

Dabei  ist  beiläufig 

(27)  0;  -  &;  =  J?, 

die  elektromotorische  Kraft  der  betrachteten  Combination  an 
der  Löthstelle  n,  positiv  gerechnet  von  Q  zu  (");  l©*!  +  0" 
stallt  also  die  aus  den  Messungen  von  Stromstärke  und  Wider- 
stand, zu  schliessende  elektromotorische  Gesammtkraft  des 
Kreises  dar. 

Die  Formel  (25)  ist  noch  streng.  Da  es  sich  nur  nm 
die  Frage  der  Grössenordnung  handelt,  so  mag  nunmehr  eine 
Annäherung  eingeführt  werden,  indem 

(28)  0,'_0;  =  ^r,      0;'-0';  =  ^r 

gesetzt  wird,  und  für  T,  dQjdT  xmA  cd  unter  den  Integralen 
constante  Mittelwerthe  eingeführt  werden.     Dann  resultirt 

^  ^  k'  Txde'ldT        r  Tt  d  e"ld  T  "   dT         dT  ' 

Diese  Formel  enthält  die  Antwort  auf  die  gestellte  Frage. 

Sind  nämlich  w  und  a>"  bez.  gleich  2ät  js'  und  2 Ä' r/*", 
so  wird  die  Gleichung  befriedigt  durch  die  Beziehungen 


irfTJ  ""  r  T*        [df)  ~  r  T' 


welche  dem  Liebenow'schen  Satze  entsprechen.    Sind  (o'  und  w", 
von  gleicher  Grössenordnung,  wie  2  A'  r/«'  und  2  A"  r/s",  so  wird 

I 


Liehenaufs  thermodynamische  Theorie  der  Thermoelektricität    715 

auch  der  betreffende  Satz  der  Grössenordnung  nach  erfüllt  sein. 
Beachtet  man,  dass  Arjs  den  Werth  des  mittleren  thermi-r 
sehen  Leitungsstromes  angiebt,  und  dass  w  das  insgesammt 
der  tieferen ;  Löthstelle  zufliessende  Wärmequantum  plua  ddm 
mittleren  Werthe  der  Joule  wärme  f  uX^dx,  minus  dem  mitt- 
leren Werth  des  Wärmeverlustes  fO>dx  darstellt,  so  kann 
man  xecht  wohl  verstehen,  dass  2  A  t/s  und  co  die  gleiche  Grössen- 
ordnung haben. 

Hiermit  ist  nach  meiner  Meinung  die  Erklärung  dafür 
gegeben,  dass  die  bestrittene  Liebenow'sche  Formel  doch  der 
Grössenordnung  nach  durch  die  Erfahrung  bestätigt  yfitd.  — 

Weit  vollständiger,  als  der  neue  von  Hm.  Liebenow 
gegebene  Satz  (10),  ja  sehr  zufriedenstellend,  werden  die  von 
ihm  aus  seiner  Formel  {ß)  abgeleiteten  Folgerungen  bezüglich 
des  Peltier-  und  des  Thomsoneffectes  durch  die  Beobachtung 
bestätigt.  Hier  ist  die  Erklärung  des  Sachverhaltes  überaus 
einfach. 

Die  Liebenow  *sche  Gleichung  (/?),  bez.  die  damit  äqui- 
valente (12),  ist  nämlich,  abgesehen  vom  Vorzeichen,  identisch 
mit  der  ersten  Formel  des  Systemes  (17),  das  ich  aufthermo- 
dynamischem  Wege  abgeleitet  habe,  und  das,  wie  ich  zeigte, 
die  W.  Thomson 'sehen  Gesetze  der  umkehrbaren  elektrischen 
Wärmeentwickelung  nur  in  anderer  Form  enthält.^) 

In  der  That:  wird  s  mit  «a:,  S  mit  X,  J  mit  uq,  QmitUq 
vertauscht,  so  folgt  aus  (12)  zunächst 

X.       n  dT 

uX  =  -m^—y 
T  ax 

also  bei  Benutzung  des  Werthes  (13)  von  X 

dS 


Vi=-uT 


dT 


was   nur   im  Vorzeichen   von   der   ersten  Formel  (17)  unter- 
schieden ist. 

Da  aber  dies  Vorzeichen  bei  Hm.  Liebenow  immer  nach 
ßiner  bestimmten  Deutung  der  Erfahrungsthatsachen  festgesetzt 


1)  Wie  leicht  zu  erkennen,  sind  die  von  Hrn.  Liebenow  an- 
gestellten Ueberlegnngen,  auf  dies  Problem  übertragen^  den  Thomson '- 
sehen  sehr  nahe  verwandt. 


716  r.  Voigt. 

wird,   so   macht  der  hier  auftretende  Gegensatz  f&r  die  Be- 
nutzung der  Formeln  keinen  unterschied  aus.  g 

In  der  That  sind  die  bezüglichen  Liebenow'schen  Resul- 
tate —  abgesehen  natürlich  von  dem  durch  den  Satz  (10)  ge- 
gebenen Werth  von  8  —  mit  den  von  W.  Thomson  her- 
rührenden dnrchtos  identisch,  und  da  Hr.  Liebenow  bei  der 
Yergleichung  der  Theorie  mit  der  Beobachtung  auf  jenen  be- 
denklichen Satz  nicht  zurückgreift,  so  enthält  seine  Yerglei- 
chung überhaupt  kein  neues  Moment;  sie  bestätigt  hier  nur  in 
alter  Weise  alte  Resultate^) 

S.  Abschliessend  wendet  Hr.  Liebenow  seinen  Satz  auf 
leitende  Erystalle  und  auf  beliebige  schlechte  Leiter  an.  Es 
braucht  auf  diese  Ueberlegungen  nach  dem  Vorstehenden  ge- 
nauer nicht  eingegangen  zu  werden,  doch  mögen  einige  be- 
sondere Bemerkungen  Platz  finden. 

Die  Anwendung  des  Satzes  (10) 


5«  =  A  (ilX 

XT\d8J 


auf  leitende  Erystalle  zeigt  dessen  ünhaltbarkeit  von  einer 
neuen  Seite.  Denn  bei  Erystallen  sind  Gesetze  für  die  Ab- 
hängigkeit der  Grössen  5,  A,  X  von  der  Richtung  aufgestellt, 
die  mit  der  Beobachtung  vortrefflich  stimmen.  Aber  diese 
Gesetze  sind  nicht  von  einer  Form^  welche  das  Bestehen  der 
obigen  Gleichung  zuliesse. 

Der  Gedanke,  dass  in  Dielektricis  durch  ein  Temperatar- 
gefäUe  eine  elektromotorische  Kraft  hervorgerufen  werde,  ent- 
spricht ganz  auch  meinen  Vorstellungen.  Es  ist  aber  unmögUch, 
durch  eine  solche  Annahme,  wie  das  Hr.  Liebenow  versucht 
die  Pyroelektricität  der  Krystalle  zu  erklären.  Beim  TurmaliD, 
den  Hr.  Liebenow  als  Beispiel  nennt,  ist  die  elektrische 
Polarisation  nicht  die  Wirkung  eines  Temperatur^«/a//««  längs 
dessen  Axe  und  kehrt  sich  nicht  mit  dessen  Vorzeichen  um, 
sondern  wird  durch  eine  gleichförmige  Erwärmung  hervorgerufen, 
wobei  die  Unsymmetrie  des  Erystalles  die  Richtung  des  elek- 
trischen Momentes  bestimmt. 


1)  Die  Tabelle  auf  p.  821  der  Liebenow*Bchen  Arbeit  stimmt 
z.  B.  mit  der  von  Hrn.  Jahn  (Wied.  Ann.  84.  p.  755.  1888)  gegebenen 
im  Wesentlichen  vollständig  überein. 


Liebenoufs  tkermodynamitche  Theorie  der  ThermoeUktricität.    717 

Ob  die  BeibuDgselektricität  sich  durch  die  Erwärmung 
r  BeibuDgsfläche  und  die  infolge  davon  auftretenden  Tem- 
raturgefälle  in  der  Nachbarschaft  erklären  lässt,  scheint  mir 
[ir  zweifelhaft.  Jedenfalls  ist  das  Resultat  dieser  Auffassung^ 
ilches  Hr.  Liebenow  zu  ihrer  Bestätigung  anfuhrt,  im  Wider- 
ruch  mit  der  Erfahrung:  bei  Beibung  eines  Metalles  gegen 
I  Dielektricum  wird  nicht  stets  das  Metall  positiv. 

Göttingen,  im  August  1899. 

(Eingegangen  3.  September  1899.) 


12.  Bemerhu/ng  zur  Abhandlung 
des  Hm.  JET«  Th.  Simon:  „lieber  einen  neuen  # 
JPlUssigkeitsu/nterbrecher^^f  von  W.  Ziegler. 


lu  Bd.  6Ö  p.  860  dieser  Annalen  beginnt  Hr.  H.  Th.  Simon 
seine  Abhandlung  ^,tJeber  einen  neuen  Flüssigkeitsunterbrecher*' 
folgendermaassen : 

„Vor  kurzem  ^)  habe  ich  eine  Theorie  des  Wehneltunter- 
brechers  entwickelt,  welche  die  Wirkungsweise  dieses  inter- 
essanten Apparates  durch  eine  Localisation  von  Stromwärme 
erklärte,  die  eintreten  muss,  wenn  man  in  einer  elektrolytischen 
Zelle  eine  kleine  Elektrode  einer  grossen  gegenüberstellt  In 
diesem  Falle  ist  der  im  übrigen  grosse  Querschnitt  der  leiten- 
den Flüssigkeitssäule  an  der  Oberfläche  der  kleineren  Elek- 
trode schroff  auf  einen  relativ  kleinen  Betrag  verengt,  sodass 
die  Stromdichte  und  damit  die  Entwickelung  der  Stromwärme 
dort  ein  scharf  ausgeprägtes  Maximum  besitzf 

Der  hierinliegende  historische  Anspruch  scheint  mir  nicht 
ganz  berechtigt,  hat  doch  Hr.  H.  Th.  Simon  selbst  in  einer 
früheren  Abhandlung  über  „das  Wirkungsgesetz  des  Wehnelt- 
unterbrechers"  erwähnt*): 

„Wie  ich  nachträglich  fand,  wird  meine  Auffassung  in 
erfreulicher  Weise  durch  die  Versuche  und  Ansichten  gestützt, 
die  Hr.  Richarz^  über  die  Natur  der  an  kleinen  Platin- 
elektroden auftretenden  Uebergangswiderstände  mitgetheilt  hat.^' 
Auch  Hr.  Wehnelt  selbst  hatte  in  seiner  ersten  Mittheilung^ 
diese  Arbeiten  von  Richarz  und  mir  selbst  nicht  erwähnt, 
er  hat  aber  dieses  Versehen  nachträglich  berichtigt.*) 

Allerdings  scheint  Hr.  Wehnelt  anfänglich  die  Erhitzung 
der  Elektrode  selbst  als  den  ersten  Vorgang  der  Elrscheinong 
aufgefasst   zu   haben,   hat   aber    später  jedenfalls,    wie  andi 

1)  H.  Th.  Simon,  Wied.  Ann.  68.  p.  273.  1899. 

2)  1.  c.  p.  275. 

3)  F.  Richarz,  Wied.  Ann.  89.  p.  67  u.  201.  1890;  47.  p.  56T. 
1892;  F.  Richarz  u.  W.  Ziegler,  Wied.  Ann.  63.  p.  261.  1897. 

4)  A.  Wehnelt,  Elektrotechn.  Zeitschr.  p.  76.  Januar  1899. 

5)  1.  c.  p.  187.  Februar  1899;  Wied.  Ann.  68.  p.  233.  1899;  P.  Spics« 
u.  A.  Wehnelt,  Verhandl.  d.  Deutsch.  Physik.  Gesellsch.  1.  p.  53.  1899. 


Bemerkung  über  einen  neuen  Fliissigkeitsunterbrecher,     719 

.  H.  Th.  Simon,  in  Uebereinstimmung  mit  den  Versuchen 
I  Bicharz  und  mir  erkannt,  dass  die  Erhitzung  der  Flüssig- 
t  das  Wesentliche  ist.  ^)  Richarz  nahm  auf  Grund  Yon 
obachtungen  bei  seinen  Versuchen  zur  Bestimmung  der 
manischen  Polarisation  bei  grosser  Stromdichtigkeit  an,  dass 
olge  dieser  grossen  Stromdichtigkeit  die  Ek'wärmung  des 
3ktrolyten  an  der  kleinen  Drahtelektrode  so  gross  werde, 
38  die  Flüssigkeit  in  ihrer  Nähe  verdampfe  und  infolge  der 
h  bildenden  Dampfhülle  die  Intensität  auf  ein  Minimum 
rabsinke.  Diese  von  F.  Bicharz  ausgesprochene  Ver- 
ithung  wurde  auf  seinen  Vorschlag  hin  von  mir  experimep- 
l  bestätigt,  indem  ich  durch  ein  in  die  Nähe  der  kleinen 
ahtelektrode  gebrachtes  Thermoelement  die  Temperatur  an 
rselben  bestimmte  und  als  Resultat  erhielt,  dass  erstens  in 
r  That  die  Temperatur  des  Elektrolyten  mit  wachsender 
-omstärke  bis  zum  Siedepunkt  steigt,  und  zweitens  die 
ige  Erscheinung  jedesmal  erst  dann  eintritt,  wenn  der  Siede- 
nkt  des  Elektrolyten  erreicht  ist.  ^ 

Hiemach  war  auch  weiter  vorauszusehen,  dass  eine  Ver- 
mpfung  des  Elektrolyten  eintreten  muss,  wenn  derselbe  in- 
ge  einer  schroffen  Querschnittsverehgung  an  einer  anderen 
3lle  als  an  der  Elektrode  von  einem  Strom  grosser  Dichte 
rchflossen  wird,  wie  Hr.  Wehnelt^  und  Hr.  H.Th.  Simon*) 
chgewiesen  haben. 

Unberührt  bleibt  natürlich  das  Verdienst  von  Hm.  Weh- 
It,  gefunden  zu  haben,  dass  bei  der  ursprünglichen  Form 
nes  Unterbrechers  durch  Einschaltung  einer  Selbstinduction 
den  Stromkreis  die  Unterbrechungen  einen  regelmässigen 
nodischen  Charakter  erhalten,  und  dass  dies  in  der  modifi- 
ten Form  auch  schon  ohne  Selbstinduction  im  Stromkreise 
r  Fall  ist.«) 

Greifswald,  den  25.  August  1899. 


1)  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  68.  p.  262.  1899. 

2)  W.  Zieg  1er,  Inauguraldissertation.  6rei£swald  1897;  F.  Bicharz 
W.  Ziegler,  Wied.  Ann.  63.  p.  261.  1897. 

8)  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  68.  p.  262.  1899. 

4)  H.  Th.  Simon,  Wied.  Ann.  68.  p.  861.  1899. 

5)  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  68.  p.  263.  1899. 

(Eingegangen  27.  August  1899;7 


18.  JSrwiderung^);  von  O.  Jäger. 


Gegenüber  den  von  Hm.  Voigf)  gemachten  Bemerkungen 
möchte  ich  betonen,  dass  ich  seine  Ausführungen  nicht  an- 
erkennen kann,  indem  ich  darauf  hinweisen  könnte,  dass  man 
eine  Zustandsgieichung,  in  der  das  bewusste  a  fehlt,  doch  nicht 
als  die  Gleichung  von  van  der  Waals  ansehen  darf.  Ich 
könnte  daran  erinnern,  dass  Hr.  Voigt  eine  Beibungsformel 
benutzt  hat,  die  in  dieser  Form  nur  aus  der  Annahme,  die 
Molecüle  seien  starre  Kugeln,  für  verdünnte  Gase  folgt  etc. 
Indess  unterlasse  ich  jede  weitere  Erörterung,  da  ich  meine 
Anschauung  in  den  früheren  Abhandlungen  voUständig  dar- 
gelegt habe. 


1)  Da  in  der  vorliegenden  Discussion  die  verschiedenen  AnsichteD 
nur  Gteltong  gekommen  sind,  glaubt  die  JEledaction,  die  DiacuBsion  schliesMD 
zu  dürfen. 

2)  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  69.  p.  824.  1899. 

(Eingegangen  12.  October  1899.) 


Drook  Ton  Metsger  A  WUtlg  in  Loipcfg. 


1899.  ANNALEN  ^'  12. 


DBB 


PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.    BAND  69. 


1.  lieber  die  höchsten  hörbaren 
un  d  nnhörbaren  Töne  vmi  c^  =  4096  Schtoi/ngungen 
{uU  =  8192  vs),  bis  über  p  ifa^,),  »u  90000  Schivin" 
gtifigen  (180000  vs),  nebst  Bemerkungen  über  die 
Stosstöne  ihrer  Intervalle,  und  die  durch  sie 
erzeugtem  KundV sehen  Staubfiguren; 
von  Rudolph  Koenig. 

(8ch]u88  von  p.  660.) 


II.  Ueber  die  höchsten  Töne,  welche  man  ohne  directes  Stimmen 
mit  den  verschiedenen  tönenden  Körpern  nach  der  Berechnung^ 
ihrer  Dimensionen  und  auch  durch  mechanisch  erzeugte  Impulse 

herstellen  kann. 

Für  die  Herstellung  von  Tönen  mit  bestimmten  Schwin- 
gungszahlen vermittelst  des  directen  Stimmens  sind  die  Stimm- 
gabeln unbedingt  die  zweckmässigsten  und  bequemsten  von 
allen  Ton  Werkzeugen,  da  man  ihre  Töne  mit  gleicher  Leichtig- 
keit erhöhen,  wie  auch  vertiefen  kann,  will  man  jedoch  mit 
geringerer  Mühe  und  Arbeit  ohne  directes  Stimmen  für  prak- 
tische Zwecke  noch  hinreichend  genaue  Tonreihen  herstellen, 
indem  man  nur  den  Ton  eines  einzigen  Körpers  direct  stimmt 
und  darauf  nach  seinen  Dimensionen  die  Dimensionen  gleich- 
artiger Körper  für  alle  andere  Töne  berechnet  und  in  einem 
akustisch  durchaus  gleichen  Material  ausführt,  so  sind  Stimm- 
gabeln in  diesem  Falle  wegen  ihrer  zu  complicirten  Form 
natürlich  nicht  anwendbar  und  man  muss  vielmehr  Körper 
von  möglichst  einfacher  Form  benutzen,  wie  transversal  und 
longitudinal  schwingende  Stäbe,  Platten,  Luftsäulen  etc.  Im 
Folgenden  sollen  nun  die  Eigenschaften  jeder  dieser  Körper- 
klassen untersucht  werden,  welche  sie  mehr  oder  weniger  ge- 
eignet macht,  die  erforderten  Bedingungen  erfüllen  zu  können. 

Aan.  1.  Phys.  u.  Cbem.     N.  F.    69.  46 


722  jB.  Koenig. 

1.  Transversal  schwingende  Stftbe. 

Transversal  schwingende. Stäbe  haben  vor  allen  anderen 
Körpern  den  Vorzug  voraus,  dass  sich  bei  ihnen  der  schäd- 
liche Einfluss  der  Befestigung  so  gut  wie  ganz  vermeiden  lässt, 
denn  da  sie  bei  der  Erzeugung  ihres  tiefsten  Tones  mit  zwei 
Knoten  schwingen,  so  kann  man  sie  an  diesen  beiden  Stellen 
vollständiger  Ruhe  an  Fäden  oder  dünnen  Drähten  aufhängen, 
ohne  dadurch  die  Freiheit  ihrer  Schwingungen  zu  beeinträch- 
tigen, weshalb  ich  auch  ganz  natürlich  sie  gewählt  hatte,  als 
ich  im  Jahre  1866  eine  Reihe  sehr  hoher  Töne  ohne  directus 
Stimmen  herzustellen  unternommen.  Diese  befand  sich  denn 
1867  unter  meinen  Apparaten  auf  der  Weltausstellung  in 
Paris  und  ist  seitdem  allgemein  bekannt  geworden.^)  Solche 
cylindrische  Stäbe  lassen  beim  Anschlagen  immer  Stösse  hören, 
und  ich  habe  in  meiner  Abhandlung  „üeber  die  Stösse  und 
Stosstöne  zweier  in  demselben  Körper  erregter  Schwingungs- 
bewegungen'^ ')  beschrieben,  wie  sich  mit  Stäben  von  quadra- 
tischem oder  rechtwinkeligem  Querschnitt  zwischen  zwei  recht- 
winkelig zu  einander  erzeugten  Schwingungsbewegungen  ein 
unisono  ohne  Stösse  ebenfalls  nicht  erreichen  lässt,  was  auch 
der  Theorie  vollständig  entspricht,  welche  Lord  Rayleigb 
und  besonders  seitdem  Max  Wien^)  von  diesen  und  ähnlichen 
Erscheinungen  gegeben  haben.  Ausserdem  entstehen  aber  ge- 
wöhnlich auch  noch  in  cylindrischen  Stäben  direct  zwei  etwas 
voneinander  verschiedene  Töne  zugleich,  wegen  der  Ungleich- 
heit ihrer  beiden  Elasticitätsaxen  und  der  nicht  absolut  gleichen 
Länge  der  Diameter  ihres  Querschnittes  in  den  verschiedenen 
Richtungen.  Es  sind  also  meistens  mehrfache  Ursachen,  welche 
die  Stösse  beim  Anschlagen  der  Stahlcylinder  hervorrufeD. 
weshalb  es  kaum  möglich  sein  dürfte,  experimentell  ein 
allgemeines  Verhältniss  zwischen  ihrer  Frequenz  und  den 
absoluten  Schwingungszahlen  der  Gylinder  aufzufinden.  Bei 
drei  Cy lindem  beispielsweise,  welche  aus  der  gleichen  Stahl- 
stange geschnitten,  die  Längen  von  771,5  mm,  von  298,5  mm 
und  von  146,5  mm  hatten,  waren  die  beobachteten  Stösse  der 
Grundtöne  entsprechend  0,60;  0,67  und  3,00  in  der  Secunde, 

1)  R.  Koenig,  Cat.  Nr.  51.  1889. 

2)  R.  Koenig,  Wied.  Ann.  34.  p.  400.  1889. 

3)  M.  Wien,  1.  c.  61.  p.  151.  1897. 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne.  723 

worin  sich  offenbar  keine  Gesetzmässigkeit  erkennen  lässt.  In 
jedem  Falle  können  diese  Stösse  aber  immer  nur  einen  ganz 
geringen  Einäuss  auf  die  Bestimmung  der  Tonhöhe  des  Stabes 
ausüben,  denn  selbst  wenn  ihre  Anzahl  für  den  Grundton 
c*  =  4096  Schwingungen  bis  zu  8  oder  10  in  der  Secunde  steigen 
sollte,  so  möchte  man  doch  noch  immer  den  einen  wie  den  andern 
der  beiden  sie  hervorrufenden  Töne  fiir  den  Ton  des  Cylinders 
annehmen  können,  ohne  dabei  einen  grossen  Fehler  zu  begehen. 
Die  Längen  der  aus  ein  und  derselben  Stahlstange  fQr  be« 
stimmte  Töne  geschnittenen  Gylinder  müssen  zu  einander  im  um- 
gekehrten Verhältnisse  der  Quadratwurzeln  aus  den  Schwingungs- 
zahlen dieser  Töne  stehen ,  um  die  Genauigkeit,  welche  man  von 
der  Anwendung  dieses  Gesetzes  im  allgemeinen  zu  erwarten  be- 
rechtigt ist,  zu  prüfen,  bestimmte  ich  die  Schwingungszahlen 
einiger  solcher  nach  demselben  hergestellter  Cylinder  direct,  und 
fand,dass  bei  ihnen  nach  der  Höhe  zu  die  Schwingungszahlen,  wenn 
auch  nur  in  sehr  geringem  Maasse,  so  doch  immer  mehr  und  mehr 
hinter  den  geforderten  Werthen  zurückblieben.  So  hätte  nach 
einem  Stahlcylinder  von  771,5  mm  Länge  mit  dem  mittleren 
Grundton  von  3 1 0  r  *  berechnet,  ein  Stahlcylinder  für  c'  =  2048 1;  * 
die  Länge  von  300,16  mm  haben  sollen,  er  musste  jedoch  bis 
zu  298,5  mm  verkürzt  werden,  um  c*  wirklich  zu  erreichen, 
und  ebenso  war  es  nöthig,  die  berechnete  Länge  eines  Cylinders 
von  150,08  mm  für  c^  =  8192  üä  um  3,6  mm  zu  verkürzen, 
um  mit  ihm  genau  c^  zu  erhalten.  Man  kann  die  gleiche 
Beobachtung  auch  noch  an  den  Tönen  der  Stahlstäbe  von 
c^  bis  a^  weiter  verfolgen,  da  bei  schnell  aufeinander  folgendem 
Anschlagen  ihre  Intervalle  noch  sehr  gut  die  Stosstöne  hören 
lassen  und  also  vermittelst  dieser  auch  nooh  direct  gestimmt 
werden  können.  Die  nach  der  Länge  des  für  den  Grundton 
c^  direct  gestimmten  Cylinders  berechneten  Länvfen  einer  Reihe 
solchar  Cylinder,  und  ihre  beim  directen  Stimmen  erhaltenen 
Längen,  wie  auch  die  allmählich  nach  der  Höhe  hin  wachsen- 
den unterschiede  zwischen  beiden,  lasse  ich  hier  folgen: 


Berechnete  Längen 

Gefundene  Längen 
Nöthige  Verkürzungen 
der  berechn.  Längen 


c»                 d» 

«* 

P 

9' 

a» 

188,1 

131,0 

126,9 

119,6 

118,5  mm 

$,5  mm 

137,7 

130,3 

125,8 

118,3 

112,1 

0,4 

0,7 

1,1 

1,3 

1,4  mm 

46 


724  R,  Koeniff. 

Der  höchste  Cylinder  a^,  dessen  beim  directen  StimmeD 
gefundene  Länge  um  1,4  mm  kürzer  ist,  als  seine  berechnete, 
würde  folglich  bei  seiner  berechneten  Länge  13318  vs  statt 
der  erforderten  13653  t?  5  gemacht  haben  und  somit  um  un- 
gefähr einen  Viertelton  zu  tief  gewesen  sein.  Würde  die  Ver- 
tiefung der  Cyiindertöne  nach  der  Höhe  zu  immer  in  gleicher 
Weise  fortschreiten,  so  möchte  sie  dabei  für  die  Töne  zwischen 
c^  und  g^  dann  ungefähr  drei  Viertel  eines  Tones  betragen, 
und  dieses  scheint  wirklich  der  Fall  zu  sein,  da  bei  einer  directen 
Bestimmung  der  Schwingungszahl  des  Gylinders  e^  aus  einer 
meiner  Eeihen,  vermittelst  der  Staubfiguren,  Seh  wen  dt  den 
Ton  desselben  näher  (P  als  e^  gefunden  hat,  was  er  glaubte 
der  Verstimmung  dieses  Gylinders  zuschreiben  zu  dürfen,  in 
der  That  aber  offenbar  in  der  beschriebenen  experimentell 
festgestellten  Abweichung  der  wirklichen  Schwingungszahlen 
von  den  durch  Berechnung  nach  der  Formel  L\L  =  y^' : ^ 
gefundenen,  seinen  Grund  haben  muss,  denn  ich  wüsste  wirk- 
lich nicht,  wodurch  eine  derartige  Verstimmung  bei  einem 
solchen  Stahlcylinder  hätte  bewirkt  werden  können.  Da  ich 
bei  den  bis  jetzt  von  mir  construirten  Cylinderreihen  die  tiefsten 
Töne  bis  in  die  Mitte  der  Octave  von  c*  bis  c®  immer  ver- 
mittelst der  Stosstöne  corrigirt  und  dann  erst  über  diese 
Grenze  hinaus  das  Längengesetz  ohne  Correctur  angewendet, 
so  dürfte  die  regelmässig  fortschreitende  Vertiefung  bei  aUen 
bis  zu  den  Tönen  zwischen  c^  und  g'^  gewöhnlich  nur  einen 
halben  Ton  erreichen,  und  auch  dieser  Fehler  wird  sich  nun 
in  der  Folge  noch  zum  grössten  Theile  durch  eine  kleine 
Correctur  der  berechneten  Längen  der  Cylinder,  nach  den 
experimentell  gefundenen  Forderungen,  vermindern  lassen. 

Was  die  Hörbarkeit  der  Töne  dieser  Stahlcylinder  an- 
langt, deren  ganze  Reihe  von  c^  bis  c®  reicht,  so  ist  sie  fast 
eben  so  gut  wie  die  der  Stimmgabeln,  sodass  man  mit  ihnen 
bei  Untersuchungen  über  die  Hörgrenze  bei  verschiedenen 
Personen  auch  gewöhnlich  die  gleichen  Resultate  wie  mit  den 
letzteren  erhält.  Die  Cylinder  von  c^  bis  c^  können  dabei  auf 
ihrem  Untersatze  aufgehängt  bleiben  und  da  angeschlagen 
werden,  wie  Fig.  8  zeigt;  die  von  d^  bis  e^  müssen  jedoch,  an 
ihren  beiden  Fäden  hängend,  dicht  vor  dem  Ohre  gehalten 
werden,    während    man    sie    mit  dem  Hammer  in  ihrer  Mitte 


Höchste  hörbare  und  unhorbare  'Hme,  725 

anschlägt.  —  Der  Einwurf  aber,  welchen  man  gegen  die 
Brauchbarkeit  dieser  Stahlcylinder  für  die  Bestimmung  der 
Hörgrenze  mitunter  hat  machen  wollen,  dass  man  bei  den 
nicht  gehörten  Tönen  der  kleinsten  Cylinder  gar  nicht  mehr 


Pig-  8. 
wiBsea  könne,  ob  diese  überhaupt  noch  vibriren,  ist  bekanntlich 
schon  lange  dadurch  beseitigt  worden,  dass  Ed.  Hagenbach- 
Bischoff  gezeigt  bat,  dass  sich  die  Existenz  ihrer  unhörbaren 
Töne  vermittelst  der  sensitiven  Flammen  sichtbar  nachweisen 
lässt.i) 

2.  Longitndinal  schwingende  StSbe. 
Die  longitudinal  schwingenden  Stäbe  werden  schon  in  der 
Octave  von  c*  bis  c*  zu  kurz,  um  noch  durch  Anstreichen  in 
ihrer  Längenrichtuug,  sei  es  an  einem  Ende  für  den  Grund- 
ton,  sei  es  in  ihrer  Mitte  fUr  die  Octave,  bequem  zum  Tönen 
gebracht  werden  zu  können,  wo  dann  also  nur  übrig  bleibt, 
sie  durch  Anschlagen  einer  ihrer  Endflächen  in  der  Richtung 
der  Axe  zu  erregen.  Hier  ist  es  dann  schon  sehr  schwer,  die 
Stäbe  in  ihrer  Mitte  stark  genug  zu  befestigen,  um  sie  kräftig 
mit  einem  Stahlhammer  anschlagen  zu  können,  und  ohne  dabcü 
ihre  Tonhöbe  beträchtlich  zu  verändern  und  auch  ihre  Scbwin- 
gungsdauer  in  sehr  hohem  Grade  zu  beeinträchtigen,  nur  wenn 
man  sie  in  ihrer  Mitte  blos  zwischen  zwei  Fingerspitzen  hält, 
vibriren  sie  noch  gut.  Immer  stellt  sich  bei  ihnen  aber 
der  Uebelstand  ein,  dass  beim  Anschlagen  zugleich  mit  dem 
Longitadinaltone  auch  ihr  zweiter  Transversalton  mit  drei 
Knoten  entsteht,  und  zwar  gewöhnlich  mit  einer  solch  grossen 
Intensität,  dass  er  die  Beobachtung  des  ersteron  bei  den  tieferen 
Tönen  schon  sehr  stark  beeinträchtigt,  bei  den  höheren  aber 
in    vielen  Fällen    sogar  gerade?.u   unmöglich   macht,    weil  er 

1)  J.  Violle,  Cours  de  Fhyaique  2.  p.  2«. 


726  R.  Koenig. 

nämlich  dann  schon  selbst  so  hoch  geworden  ist,  dass  man 
nicht  mehr  wissen  kann,  mit  welchem  der  beiden  Töne  man 
es  eigentlich  zu  thun  hat,  wie  sich  aus  folgendem  Beispiele 
ersehen  lässt.  Ein  Stab  von  316  mm  Länge  und  20  mm  Durch- 
messer giebt  den  Longitudinalton  c®,  und  den  zweiten  Trans- 
versalton zwischen  d^  und  «^  um  die  Hälfte  verkürzt  sollte 
er  also  den  Longitudinalton  c'  und  den  Transversalton  mit 
drei  Knoten  zwischen  d^  und  e^  hören  lassen,  schlägt  man 
aber  diesen  Stab  von  158  mm  Länge  und  20  mm  Durchmesser 
an  einer  seiner  Endflächen  in  seiner  Längenrichtung  an,  so 
hört  man  zwar  einen  tieferen,  schnell  verschwindenden  Ton, 
und  auch  einen  hohen  starken,  der  für  seine  Höhe  recht  lange 
fortklingt,  und  hat  auch  durchaus  den  Eindruck,  nun  einen 
Transversalton  des  Stabes  und  seinen  hoben  Longitudinalton 
zu  vernehmen;  untersucht  man  jedoch  die  Sache  näher,  so 
findet  man,  dass  der  tiefere  Ton,  der  tiefste  Transversaltoa 
mit  zwei  Knoten  des  Stabes  ist,  der  so  schnell  verschwindet, 
weil  der  Stab  in  der  Mitte,  also  gerade  in  seinem  Schwingungs- 
bauche, mit  den  Fingern  gehalten  wird,  der  hohe  vermeintliche 
Longitudinalton  aber  dem  Transver^alton  mit  drei  Knoten  ent- 
spricht, wovon  man  sich  sofort  dadurch  überzeugen  kann,  dass 
man  mit  dem  Stahlhammer  den  Stab  transversal  an  einer 
Eeihe  dicht  aufeinander  folgender  Punkte  in  seiner  ganzen 
Länge  anschlägt,  wo  man  dann  diesen  Ton  an  seinen  drei 
Knotenstellen  vollständig  verschwinden  hört,  während  er  an 
allen  anderen  immer  stark,  und  an  seinen  beiden  Enden  und 
in  der  Mitte  zwischen  zweien  seiner  Knoten  mit  grösster  In- 
tensität hervorgerufen  wird.  Statt  der  beiden  erwarteten  Töne  c" 
und  dem  Tone  zwischen  d^  und  e^  hört  man  also  den  Trans- 
versalgrundton, welcher  etwas  höher  als  a*  ist,  und  den  Ton 
zwischen  d^  und  e®,  aber  Nichts  von  dem  Longitudinalton  t", 
da  dieser  wahrscheinlich  von  dem  starken  Transversaltone  mit 
drei  Knoten  vollständig  übertönt  wird.  Es  ist  also  schon  in 
dieser  Gegend  der  Tonhöhen  nichts  Brauchbares  mehr  von  den 
Longitudinaltönen  zu  erwarten,  obgleich  hier  der  Abstand  des 
Transversaltones  von  dem  Longitudinaltone  doch  noch  immer 
etwa  eine  Septime  beträgt,  wollte  man  aber  gar  den  Cylinder 
noch  weiter  verkürzen,  um  schliesslich  seinen  Longitudinal- 
ton c®  zu  erreichen,  so  würde  der  Transversalton  sich  nicht  nur 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne.  727 

bald  seinem  Longitudinaltone  bis  zum  Unisono  genähert  haben, 
sondern  sogar  auch,  wenn  der  Longitudinalton  c®  geworden  wäre, 
über  ihn  schon  um  eine  kleine  Terz  hinausgegangen  sein.  — 
Soweit  sich  aber  der  Longitudinalton  mit  Sicherheit  ohne 
Verwechselung  beobachten  lässt,  also  etwa  bis  in  die  Mitte 
der  Octave  von  c®  bis  c^,  zeichnet  er  sich  vor  den  Tönen 
gleicher  Höhe  der  transversal  schwingenden  Stäbe  und  auch 
der  Stimmgabeln  durch  eine  beträchtlich  längere  Dauer  aus, 
und  man  erhält  auch  bei  der  Anwendung  des  Gesetzes,  nach 
welchem  die  Längen  der  longitudinal  schwingenden  Stäbe  im 
umgekehrten  Verhältnisse  ihrer  Schwingungszahlen  zu  einander 
stehen,  was  die  Richtigkeit  der  Tonhöhe  anlangt,  mit  den 
berechneten  Längen  der  Stäbe  sehr  gute  Resultate,  denn  bei- 
spielsweise Hessen  drei  Stäbe,  deren  Längen  nach  der  Länge 
eines  für  c*  gestimmten  Stabes  von  1250  mm  Länge,  für  die 
Töne  e^j  y*,  c^  berechnet  waren,  tf*  +  2,  ^*  +  4  und  c*  +  8  vd 
hören,  sodass  sie  also  nur  in  sehr  geringem  Grade  nach  der 
Höhe  zu  höher  als  die  absolut  richtigen  Schwingungszahlen 
wurden.  Beiläufig  sei  denn  auch  noch  bemerkt,  dass  bei  den 
ersten  vier  harmonischen  Longitudinaltönen  einer  Stahlstange 
von  3,086  m  Länge,  welche  836  Schwingungen  machte,  sich 
gar  keine  Abweichung  von  den  erforderten  Schwingungszahlen 
nachweisen  Hess.  — 

3.    Platten. 

Um  die  Leistungsfähigkeit  der  Platten  prüfen  zu  können, 
hatte  ich  eine  Reihe  von  Quadratscheiben  construirt,  und  die 
alle  aus  demselben  etwa  1  mm  dicken  Messingbleche  geschnitten 
waren,  und  deren  tiefste  bei  der  Figur  des  Diagonalenkreuzes 
direct  auf  c^  gestimmt,  etwa  112  mm  Seitenlange  hatte  und  die 
dann  für  die  Berechnung  der  Seitenlängen  aller  anderen  als 
Grundlage  gedient  hatte. 

Es  ist  sehr  schwer,  bei  solch  kleinen  dünnen  Platten  die 
Tonhöhe  mit  grosser  Genauigkeit  zu  bestimmen,  denn  erstens 
verändert  sich  dieselbe  schon  unter  sonst  gleichen  Umständen 
beträchtlich  mit  der  AmpHtude  der  Schwingungen,  sodass  z.  B. 
bei  der  Platte  c^  der  Ton  von  ihrer  grössten  Schwingungs- 
weite bis  zur  geringsten  beim  vollständigen  Verklingen  sich 
etwa  um  8  bis   10  Schwingungen,  bei  der  Platte  c*  um  4 — 5 


728  R.  Koenig. 

vertiefte,  und  ferner  treten  bei  ihnen  auch  noch  ganz  ebenso 
wie  bei  den  transversal  schwingenden  Stäben,  und  aus  den- 
selben Gründen  oft  Stösse  auf.  Der  grösste  üebelstand  aber, 
auf  welchen  man  stösst,  wenn  man  mit  Platten  feste  Töne 
herzustellen  versucht,  ist  die  bei  ihnen  sehr  grosse  Abhängig- 
keit ihrer  Tonhöhe  von  der  Art  ihrer  Befestigung.  Um  diese 
klar  darzustellen,  benutzte  ich  eine  Platte  c',  welche  bequem 
in  einer  Zwinge  zwischen  drei  Paaren  kleiner  runder  Scheiben 
von  6,  von  8  und  von  10  mm  Durchmesser  festgeschraubt 
werden  konnte.  Diese  Scheiben  hatten  alle  eine  durchaus 
gleiche  Dicke,  sodass  bei  gkicher  Einstellung  der  pressenden 
Schraube  die  Platte  zwischen  ihnen  sich  immer  unter  dem- 
selben Drucke  befand.  Die  Scheiben,  wie  die  Platten  waren 
in  ihrer  Mitte  mit  einem  Löchelchen  durchbohrt,  durch  welches 
ein  auf  der  Unterlage  befestigtes  Stahlstäbchen  von  der  Dicke 
einer  etwas  starken  Nähnadel  gerade  hindurchgesteckt  werden 
konnte,  wodurch  die  richtige  Lage  der  Scheiben  und  der  Platte 
zu  einander  und  zu  der  Mitte  der  pressenden  Schraube  immer 
gesichert  war.  Absolut  genaue  Tonbestimmungen  konnten 
natflrlich  aus  den  schon  angegebenen  Gründen  nicht  erhalten 
werden,  dann  aber  auch,  weil  in  den  meisten  untersuchten 
Fällen  der  Ton  der  Platten  nur  während  der  Wirkung  des 
Bogens  dauerte  und  nicht  frei  nachtönte,  und  es  immer 
äusserst  schwer  ist,  während  der  Wirkung  des  Bogens  einen 
Ton  mit  so  durchaus  isochronen  Schwingungen  ohne  plötz- 
liche Phasensprünge  zu  erhalten,  dass  er  mit  einer  frei 
schwingenden  Stimmgabel  regelmässige  Stösse  bilden  kann, 
doch  waren  die  Mittelwerthe,  welche  ich  erhielt,  folgende.  Die 
Platte  auf  die  Spitze  des  Mittelfingers  gelegt,  mit  der  Spitze 
des  Daumens  gehalten,  und  nach  dem  Anstreichen  durch  Auf- 
heben des  Daumens  in  ihren  grösstmöglich  freien  Schwingungs- 
zustand versetzt,  machte  1028  Schwingungen;  wurde  sie  dann 
der  Reihe  nach  zwischen  den  Platten  von  6,  von  8  und  10  nun 
Durchmesser  mit  möglichst  schwachem,  aber  immer  gleichem 
Drucke  eingeschoben ,  so  waren  ihre  Schwingungszahlen  ent- 
sprechend 1030,  1060  und  1096,  und  bei  einem  mittleren  und 
dann  stärksten  Drucke  wuchsen  sie  von  1030  bis  zu  1040, 
von  1060  bis  zu  1080  und  von  1096  bis  zu  1144,  oder  vom 
schwächsten    bis    zum   stärksten  Drucke  um  10,   um  20  und 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne.  729 

um  48  Schwingungen,  sodass  demnach  der  Unterschied  zwischen 
den  Tönen  der  möglichst  frei  schwingenden,  und  der  unter 
stärkstem  Drucke  zwischen  zwei  Scheiben  von  etwa  einem 
Sechstel  ihrer  Seitenlänge  im  Durchmesser  vibrirenden  Platte 
fast  einen  ganzen  Ton  betrug. 

Bei  möglichst  freischwingenden  und  auch  nachklingenden 
Platten  bestätigt  sich  aber  allerdings  das  Gesetz,  nach  welchem 
ihre  Schwingungszahlen  im  umgekehrten  Verhältnisse  ihrer 
Oberflächen,  oder  der  Quadrate  ihrer  Seitenlängen  zu  einander 
stehen,  sehr  wohl,  denn  von  zwei  Platten  nach  demselben  für 
c^  und  c*  construirt,  schwankte  der  Ton  der  ersteren  zwischen 
ungefähr  512  und  504,  und  der  letzteren  zwischen  2045  und 
2040  Schwingungen  bei  den  verschiedenen  Amplituden,  es  ist 
aber  eben  nicht  möglich,  sehr  kleine  Platten  mit  sehr  hohen 
Tönen  gut  in  Schwingungen  zu  versetzen,  ohne  sie  stark  zu 
befestigen,  und  auch  wenn  dieses  möglich  wäre,  würden  sich 
Platten  doch  noch  immer  nicht  zur  Herstellung  von  Reihen 
fester  Töne  eignen,  welche  zur  Bestimmung  der  Hörgrenze 
dienen  sollen,  wegen  der  Schwäche  ihrer  Töne,  die  für  Ohren, 
welche  sonst  noch  c^  und  d7  gut  hören  können,  schon  in  dem 
untersten  Tbeile  der  Octave  von  c®  bis  c'  unvernehmbar  werden. 

Sehr  gut  eignen  sich  dagegen  kleine  Platten  dazu,  um 
überhaupt  die  Existenz  vollständig  unhörbarer  Töne  bequem 
zur  Darstellung  zu  bringen,  denn  man  erhält  ohne  Schwierig- 
keit beim  einfachen  Anstreichen  mit  dem  Bogen  das  Kreuz 
der  Diagonalen  noch  auf  Quadratscheiben,  deren  Seitenlänge 
nicht  mehr  als  9,9  mm  beträgt,  und  deren  Ton  c®  wohl  für 
alle  Ohren  schon  vollständig  unhörbar  sein  dürfte.  Ich  habe 
dieses  Diagonalkreuz  sogar  noch  auf  einer  Quadratscheibe  von 
8,85  mm  Seitenlänge  erhalten,  deren  Ton  also  e^  sein  musste, 
was  aber  schon  etwas  schwieriger  war.  Man  hat  übrigens  für 
dieses  Experiment  gar  keine  besondere  Platte  nöthig,  sondern 
kann  dazu  irgend  ein  kleines  Geldstück  trotz  seiner  geprägten 
Oberfläche  verwenden,  denn  Silbermünzen  von  10  und  4  Sous, 
4  Pfennigen  und  3  Pence  gaben  mir  ganz  gleich  gute  Resultate. 
Die  kleine  Münze  wurde  dabei  zwischen  den  zwei  sich  gegen- 
überstehenden abgeplatteten  Spitzen  zweier  Schrauben  in  einer 
kleinen  Zwinge  eingeklemmt,  welche  selbst  in  einem  Schraub- 
stock befestigt  war^  und  ausserdem  auch  noch,  um  ihre  Drehung 


730 


R,  Koefdg, 


nm  ihren  Befestigungspunkt  während  des  Anstreichens  zn  ver- 
hindem,  ein  Punkt  auf  ihrer  Oberfläche  nahe  am  Bande  mit 
einer  Stahlspitze  festgelegt.  — 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  eine  Öeobachtang, 
welche  ich  an  kleinen  Platten  gemacht,  obgleich  sie  eigentheh 
nichts  mit  den  höchsten  Tönen  zu  thun  hat,  hier  mittheilen, 
da  sie,  wie  ich  glaube,  noch  nie  beschrieben  worden  ist.  Man 
kann  nämlich  auf  kleinen  Platten  ausser  den  bei  grösseren 
für  ihre  tiefsten  Töne  bekannten  Chladni'schen  Figuren,  die 
bei  Kreisscheiben  aus  zwei  sich  rechtwinklig  schneidenden 
Diametern,  und  auf  Quadratscheiben  in  einem  Kreuze  zweier 
durch  ihren  Mittelpunkt  parallel  zu  ihren  beiden  Seiten  laufen- 
den Linien  bestehen,  auch  noch  Schwingungsformen  mit  nur 
einer  einzigen  geraden  Linie  erhalten,  welche  auf  der  Kreis- 


Fig.  9. 

Scheibe  die  Lage  irgend  eines  ihrer  Durchmesser  haben  kann, 
auf  der  Quadratscheibe  eine  Diagonale,  oder  eine  ebenfalls 
durch  ihren  Mittelpunkt  gehende  Parallellinie  zu  einer  Seite 
bildet.  So  erhält  man  auf  einer  Quadratscheibe  von  19,8  nun 
Seitenlänge,  welche  für  das  Diagonalenkreuz  auf  den  Ton  c^{ut^ 
zugeschnitten  war,  wenn  sie  mit  dem  Kreuz  der  zu  ihren  Seiten 
parallelen  Linien  schwingt,  natürlich  f^{fay),  dann  aber  auch 
noch  bei  der  Bildung  nur  einer  Diagonale  /"*  (fa^)  und  bei  nnr 
einer  Parallellinie  zu  einer  Seite  /?**{/« jJe)  (Fig.  9).  La  diesen 
beiden  letzten  Fällen  schwingen  die  beiden  gleichen  Hälften 
der  Platte ,  in  welche  sie  durch  die  gerade  Linie  getheilt  wird, 
mit  gleichen  Zeichen,  wie  die  beiden  Zinken  einer  schwingen- 
den Stimmgabel  sich  gleichzeitig  einander  nähern  und  von 
einander  entfernen,  und  wie  es  auch  ein  kleiner  schmaler  Stab 
von  der  Dicke  der  Platte  und  der  Länge  ihrer  Seite  thut,  der 
in  seiner  Mitte  in  gleicher  Weise  wie  die  Platte  festgeschraubt 
ist  und  an  einem  seiner  Enden  angestrichen  wird,  der  dann 
auch  nur  eine  durch  seinen  Mittelpunkt  gehende  Querlinie 
zeigt  und  auch  den  gleichen  Ton  wie  die  Platte  mit  nur  einer 


Höchste  hörbare  und  unhÖröare  Töne,  731 

Querlinie  giebt.  Die  Platte  bildet  also  bei  der  Theilung  durch 
nur  eine  gerade  Linie  gleichsam  eine  Stimmgabel  mit  Zinken, 
deren  innere  Flächen  in  derselben  Ebene  liegen,  und  deren 
Stiel  durch  die  Klemmschrauben  gebildet  wird. 

Mit  zunehmender  Grösse  der  Platte  wird  es  immer  schwerer, 
die  Figuren  mit  einer  einzigen  Linie  zu  erhalten,  und  nimmt 
auch  die  Schärfe  derselben  mehr  und  mehr  ab,  sodass  schon 
auf  einer  Quadratscheibe  von  80  mm  Seitenlänge  sie  sich  nur 
noch  sehr  unvollkommen  bilden. 

4.   Orgelpfeifen. 

Nach  Cavaill^  Coli  soll  die  Länge  der  oifenen  recht- 
eckigen Orgelpfeifen  gleich  der  Laiben  theoretischen  Wellen- 
länge ihres  Tones  weniger  ihrer  doppelten  Tiefe  sein,  und  die 
der  gedeckten  Pfeifen  gleich  der  theoretischen  Viertel  welle, 
ebenfalls  weniger  ihrer  doppelten  Tiefe.  Dieses,  obgleich  nur 
durch  die  Erfahrung  gefundene  und  vollständig  empirische  Ge- 
setz bestätigt  sich  in  der  Praxis  dennoch  ganz  vortrefflich, 
wie  man  sich  davon  z.  B.  durch  eine  Reihe  von  neun  Orgel- 
pfeifen überzeugen  kann,  welche  nach  diesem  Gesetze  con- 
struirt  sind,  und  von  denen  fünf  bei  gleicher  Tiefe  verschiedene 
Längen  haben  und  die  Töne  c,  d\  e\  /",  ^'  geben,  vier  aber 
gleich  lang  und  verschieden  tief,  cT,  e,  /',  p,  hören  lassen.^) 
Die  gute  üebereinstimmung  dieses  Gesetzes  mit  den  Beob- 
achtungen lässt  sich  ebenso  auch  noch  bis  zu  c^  direct 
ohne  jede  Schwierigkeit  nachweisen,  und  es  ist  daher  kein 
Grund  vorhanden,  weshalb  es  nicht  auch  noch  für  höhere 
Töne  sollte  gelten  können.  Ich  construirte  also  im  Jahre  187G 
für  die  Ausstellung  in  Philadelphia  nach  diesem  Gesetze  und 
unter  der  Annahme  einer  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des 
Schalles  von  340  m,  eine  Reihe  von  19  offenen  Orgelpfeifen 
für  die  Töne  der  diatonischen  Tonleiter  von  c^  bis  //^,  deren 
tiefste  eine  Länge  von  33,5  bei  4  mm  Tiefe  hatte,  deren 
höchste  ^^,  aber  5  mm  lang  und  0,9  mm  tief  war.  Diese 
Pfeifen,  welche  ich  noch  besitze,  tönen  am  besten,  wenn  sie 
von  c*  bis  e^  unter  einem  Wasserdrucke- von  80  mm  ange- 
blasen  werden,    von   e^  bis  a®  unter  einem   von  100  mm  und 


1)  Cat.  Nr.  97.  1880. 


732  R,  Koenig, 

von  a®  bis  g^  unter  einem  von  120  mm.  Ihre  Töne  sind  in 
sehr  hohem  Grade  von  der  Stärke  des  Anblasens  abhängig, 
sodass  z.  B.  der  Ton  der  Pfeife  c^  beim  Anblasen  unter  fort- 
schreitendem Wasserdrucke  von  35  bis  zu  120  mm  um  unge- 
fähr 150  Schwingungen,  also  etwa  um  einen  halben  Ton  stieg. 
Infolge  dessen  reichen  schon  sehr  geringe  Druckveränderuugen 
während  des  Anblasens  hin,  die  Töne  dieser  Pfeifen  beständig 
höher  und  tiefer  werden  zu  lassen,  wie  das  in  auffälliger 
Weise  sich  durch  die  grossen  Schwankungen  der  Tonhöhe  der 
Stosstöne  zu  erkennen  giebt,  welche  sich  bei  den  Intervallen 
der  Pfeifen  von  c^  bis  a^  gut  beobachten  lassen. 

Wollte  man  nun  die  Richtigkeit  des  betreffenden  Gesetzes 
auch  noch  für  die  höchsten  Töne  prüfen,  so  könnte  man  dieses 
natürlich  thun,  indem  man  die  Tonhöhe  aller  dieser  Pfeifen 
vermittelst  der  schon  einmal  erwähnten  Methode  von  Lord 
Rayleigh  mit  der  sensitiven  Flamme  oder  vermittelst  der 
Staubfiguren  bestimmte,  eine  solche  specielle  Untersuchung 
lag  jedoch  nicht  im  Plane  dieser  Arbeit,  und  so  begnügte  ich 
mich  damit,  nur  die  Töne  der  Pfeiien  von  c*  bis  a^  noch  ver- 
mittelst der  Stosstöne  zu  bestimmen,  welche  jede  dieser  Pfeifen, 
unter  möglichst  gut  regulirtem  constanten  Drucke  angeblasen, 
mit  Stimmgabeln  von  genau  bekannter  Tonhöhe  hören  liess, 
und  ich  fand  dabei,  dass  nach  den  erhaltenen  Mittel wertben 
sämmtliche  Pfeifen  von  c^  bis  a^  etwas  zu  hoch  waren,  un- 
gefähr im  Verhältniss  von  25 :  26,  und  dass  diese  Erhöhung 
constant  zu  sein  schien  und  kein  regelmässiges  Steigen  oder 
Abnehmen  nach  der  Höhe  zu  erkennen  liess. 

Man  kann,  denke  ich,  hiernach  wohl  annehmen,  dass  in 
keinem  B^alle  die  noch  höheren  Pfeifen  plötzlich  eine  grosse 
Vertiefung  erfahren  sollten,  besonders  da  ihre  Dimensionen 
noch  alle  für  Orgelpfeifen  gut  passende  Verhältnisse  haben, 
indem  selbst  bei  ^^  sich  die  Tiefe  zur  Länge  noch  wie  1  : 5.5 
verhält,  und  dass  folglich  auch  noch  die  für  c^  bis  g''  con- 
struirten  Pfeifen  wirklich  noch  ziemlich  genau  diese  Töne 
geben  dürften,  dann  aber  würden  sie  die  wichtige  Thatsache 
sehr  klar  beweisen,  dass  die  Hörbarkeit  der  höchsten  Töne 
nicht  allein  von  ihrer  Schwingungszahl  und  Intensität,  sondern 
auch  noch  beträchtlich  von  ihrer  Dauer  abhängt,  denn  Per- 
sonen,  die   sonst  nur  c'^  und  d'^  noch  gut  hören,  vernehmen 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne,  733 

die  Pfeifentöne  noch  bis  g'',  wenn  auch  nicht  immer  gleich 
im  Augenblicke,  in  welchem  die  Pfeife  anspricht,  aber  nach- 
dem ihr  Ton  schon  einige  Zeit  auf  das  Ohr  gewirkt  hat. 

5.  Saiten   und  Membranen. 

Die  durch  Spannung  elastischen  Körper,  die  Saiten  und 
Membranen,  sind  für  die  Erzeugung  der  höchsten  Töne  durch- 
aus unbrauchbar.  £ine  Ciaviersaite,  welche  auf  einem  Mono- 
cord  bei  einer  Länge  von  1  m  c  [ut^  giebt,  müsste  fQr  die 
Töne  c^,  c®,  c^  entsprechend  schon  bis  zu  31,2,  15,6  und  7,8  mm 
verkürzt  werden,  also  bis  zu  Längen,  bei  denen  die  Stahlsaite 
schon  durchaus  nicht  mehr  die  nöthige  Geschmeidigkeit  be- 
sitzt, um  auf  sie  noch  die  allgemeinen  Schwingungsgesetze  der 
Saiten  anwenden  zu  können,  da  selbst  ein  200  bis  250  mm 
langes  Stück  derselben,  an  einem  seiner  Enden  in  horizontaler 
Lage  befestigt,  in  dieser  noch  durch  eigene  Steifheit  bis  zu 
seinem  anderen  Ende  verbleiben  kann.  Die  Membranen  sind 
aber  ganz  unfähig,  sehr  hohe  Töne  hervorzubringen,  wenn  sie 
auch  durch  solche  noch  in  Mitschwingungen  versetzt  werden 
können,  wie  der  auf  runde  Membranen  von  Goldschlägerhaut 
aufgestreute  Sand  zeigt,  indem  er  in  Bewegung  geräth  und 
sich  in  Linien  zu  lagern  sucht,  wenn  die  Membranen  in  einiger 
Entfernung  über  hohen  Pfeifen  gehalten  werden.  Eine  Mem- 
brane von  20  mm  Durchmesser  zeigte  in  dieser  Weise  ihr 
Mitschwingen  bis  e'^  {mig)  an,  und  eine  von  15  mm  bis  g^  {*ö/g). 
Dass  es  in  diesem  Falle  aber  wirklich  die  Töne  waren,  welche 
die  Bewegung  des  Sandes  verursachten,  und  nicht  etwa  der 
aus  dem  offenen  Ende  der  Pfeife  austretende  Luftstrom,  davon 
konnte  man  sich  dadurch  zweifellos  überzeugen,  dass  beim 
directen  Anblasen  mit  continuirlichem  Luftstrome  die  Mem- 
branen in  vollständiger  Ruhe  blieben. 

6.  Mechanisch  erzeugte  Impulse. 

Um  Töne  vermittelst  mechanisch  erzeugter  Impulse  her- 
vorzubringen, hat  man  Zahnräder  und  Sirenen  angewendet, 
von  welchen  letztere  mir  durchaus  den  Vorzug  zu  verdienen 
scheinen.  Die  Sirenenscheibe,  welche  ich  für  die  höchsten 
Töne  construire^)  hat  einen  Durchmesser  von   1  m  bei  einer 

1)  Cat.  Nr.  52.  1889. 


734  JR.  Koenig, 

Dicke  von  1,5  mm  und  trägt  zehn  Kreise  von  8,  16,  32,  64, 
128,  256,  512,  640,  768  und  1024  Löchern,  sodass  die  Töne, 
welche  sich  mit  ihr  bei  gleicher  Rotationsgeschwindigkeit  er- 
zeugen lassen,  einen  Umfang  von  sieben  Octaven  haben,  wo- 
durch es  leicht  wird,  selbst  bei  Anwendung  eines  Rotations- 
apparates ohne  directes  Zählerwerk,  in  allen  Fällen  die  Schwin- 
gnngszahlen  ihrer  höchsten  Töne  durch  die  immer  leicht  zu 
schätzende  Tonhöhe  ihrer  tieferen  zu  bestimmen.  Die  abso- 
lute Höhe  der  Töne  dieser  Scheibe  kann  natürlich  soweit  ge- 
trieben werden,  als  die  Leistungen  des  Rotationsapparates, 
über  den  man  verfügen  kann,  gestatten,  die  Intensität  und 
Hörbarkeit  derselben  hängt  aber  in  hohem  Grade  von  der 
Stärke  des  anblasenden  Windes  ab,  und  ich  glaube,  dass  man 
dieses  oft  beim  Experimentiren  ausser  Acht  gelassen  hat,  in- 
dem man  annahm,  dass  beim  Anblasen  mit  jeder  Windstärke 
immer  nothwendig  ein  der  angeblasenen  Löcherzahl  ent- 
sprechender Ton  entstehen  müsse.  Die  Tonbildung  beruht 
aber  bei  der  Sirene  darauf,  dass  der  anblasende  W^ind  durdi 
die  an  der  Windröhre  vorbeigehenden  Löcher  durchfahren 
und  somit  auf  der  freien  Seite  der  Scheibe  Explosionen  be- 
wirken könne.  Wenn  man  nun  aber  z.  B.,  um  c®  zu  er- 
halten, eine  Reihe  von  32768  Löchern  mit  Zwischenräumen, 
welche  ihrem  Diameter  gleich  sind,  in  einer  Secunde  anblasen 
will,  so  würde  der  Wind  an  der  Stelle,  wo  er  in  die  OeflFnuDgen 
eindringt,  schon  die  Schnelligkeit  von  32768.1,5  mm  =  49m, 
1520  in  der  Secunde,  haben  müssen,  um  nur  überhaupt  in  sie 
bis  zur  anderen  freien  Seite  der  Sirenenscheibe  einzudringen, 
und  folglich  eine  noch  viel  grössere,  um  auf  dieser  Seite  noch 
heraustreten  zu  können,  um  Tonimpulse  zu  erzeugen. 

Es  ist  sehr  schwer,  Scheiben  von  dem  angegebenen 
grossen  Durchmesser  und  verhältnissmässig  geringer  Dicke  so 
eben  herzustellen,  dass  ihre  Ränder  bei  der  Drehung  ohne 
jede  oscillirende  Bewegung  bleiben  sollten,  doch  verschwindet 
diese  bei  einer  grossen  Rotationsgeschwindigkeit  fast  ganz,  in- 
dem bei  ihr  die  Scheibe  durch  die  Centrifugalkraft  zu  einer 
wirklich  ganz  ebenen  Fläche  gemacht  wird.  Wenn  der  Rota- 
tionsapparat  es  gestattet,  kann  man  die  Sirenenscheibe  auch 
auf  demselben  zwischen  zwei  starken,  ganz  ebenen  Holz- 
scheiben von  0,50  m  Durchmesser  einspannen,  über  die  dann 


Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  Töne,  785 

nur  der  250  mm  breite  Rand  mit  den  zehn  Löcherreihen  her- 
vorragt, wodurch  dann .  auch  schon  bei  langsamer  Rotations- 
bewegung die  Oscillationen  der  Ränder  fast  ganz  beseitigt 
werden. 


Die  Resultate  der  im  Vorhergehenden  mitgetheilten  Unter- 
suchungen sind  also  der  Hauptsache  nach  die  folgenden: 

I. 

1.  Man  kann  vermittelst  der  Stosstöne  Stimmgabeln  mit 
grosser  Genauigkeit  für  Töne  von  c^  bis  fW  stimmen,  wenn 
diese  Stimmgabeln  stark  genug  sind  und  eine  gute  Schwingungs- 
fähigkeit haben. 

Die  Stosstöne  kann  man  mit  Stimmgabeln  von  c^  bis  a^ 
noch  gut  durch  Anschlagen  erzeugen,  über  a^  hinaus  muss 
man  aber  die  beiden  Gabeln  immer  zugleich  mit  demselben 
Bogenstriche  zum  Vibriren  bringen. 

2.  Die  Intervallweite,  in  deren  Grenzen  Stosstöne  flir  einen 
gegebenen  Grundton  möglich  sind,  nimmt  mit  der  Höhe  des- 
selben immer  mehr  ab  und  beträgt  schliesslich  für  den  Grund- 
ton f^  nur  noch  einen  halben  Ton. 

Die  Intervallweiten  der  Grundtöne  vom  gr.  C  bis  f^  lassen 
sich  in  einer  ununterbrochenen  Curve  darstellen  (Fig.  1). 

Stosstöne  können  auch  noch  gehört  werden,  wenn  die  sie 
erzeugenden  primären  Töne  schon  über  der  Grenze  der  Hör- 
barkeit liegen. 

Die  Hörbarkeit  der  oberen  Stosstöne  der  ersten  Periode, 
wie  die  der  unteren  Stosstöne  der  zweiten  hängt  wie  bei  den 
anderen  von  dem  absoluten  Abstände  des  primären  höheren 
Tones  vom  Grundtone  ab,  während  seine  Stellung  zur  Octave 
dieses  Grundtones  gleichgültig  ist. 

Bei  den  Sechstenintervallen  3 : 5,  mit  den  hohen  Grund- 
tönen c^  und  d^  gebildet,  wird  der  obere  Stosston  nur  noch 
allein,  und  zwar  sehr  stark,  gehört. 

Als  Hülfsmittel  beim  praktischen  Stimmen  hat  man  nur 
die  unteren  Stosstöne  der  ersten  Periode,  deren  Schwingungs- 
zahl gleich  der  Differenz  der  Schwingungszahlen  ihrer  prir 
mären  Töne  ist,  anzuwenden,  und  welche  am  deutlichsten  bei 


736  R,  Koeniff, 

denjenigen  Intervallen  entstehen,  deren  oberer  primärer  Ton 
etwa  in  die  Mitte  der  ganzen  Intervallweite  für  Stosstöne  des 
Gnindtones  fällt. 

Die  Tonhöhe  der  Stosstöne  kann  man  in  diesen  hohen 
Lagen  wegen  ihrer  kurzen  Dauer  nur  durch  ihre  Vergleichung 
mit  Hülfsstimmgabeln  vermittelst  des  musikalischen  Gehörs 
bestimmen,  ein  hierbei  begangener  Irrthum  entspricht  aber 
immer  nur  einem  sehr  viel  kleineren  Fehler  in  der  Stimmung 
der  primären  Töne. 

3.  Vermittelst  der  Eundt 'sehen  Staubfiguren  lassen  sich 
auch  die  Tonhöhen  von  Stimmgabeln  bestimmen,  welche  viel 
zu  schwach  sind,  um  Stosstöne  erzeugen  zu  können. 

Man  kann  mit  Hülfe  der  Staubfiguren  Stimmgabeln  för 
alle  Töne  von  c*  bis  über  f^  hinaus  zu  90000  Schwingungen 
(180000  vs)  mit  grosser  Genauigkeit  stimmen  (Fig.  2,  3,  4,  5]. 

4.  Die  angewendeten  Röhren  können  für  die  Töne  von 
c^  bis  c''  noch  eine  Länge  von  100  Halb  wellen  haben,  müssen 
aber  über  c^  hinaus  einer  immer  kleineren  Anzahl  von  Halb- 
wellen entsprechen,  welche  schon  in  der  Mitte  der  Octave  von 
c®  bis  c®  nicht  mehr  40  überschreiten  darf. 

# 

Der  Durchmesser  der  Röhren  kann  für  den  Ton  c*  gleich 
der  Länge  seiner  Viertelwelle  sein,  muss  dann  aber  von  c*  bis 
zu  c®  bis  zur  Länge  einer  Halbwelle  heranwachsen  und  über 
diesen  Ton  hinaus  bis  zu  den  höchsten  Tönen  hinauf,  dann 
aber  nur  noch  bis  zu  ungefähr  zwei  Drittel  der  ganzen  WeUen- 
länge  zunehmen. 

In  einer  zu  weiten  Röhre  bilden  sich  die  Rippen  der 
Staub  wellen  nicht  mehr  senkrecht  zu  ihrer  Axe,  sondern  neiges 
sich  periodisch  den  beiden  entgegengesetzten  Richtungen  zu. 

Bei  einem  zu  kleinen  Durchmesser  der  Röhre  bilden  sich 
die  Staubwellen  nur  noch  gut  in  dem  ihrem  geschlossenen  Ende 
zunächst  liegenden  Theile  derselben,  sind  unregelmässiger  und 
haben  eine  durchschnittlich  geringere  Länge,  welche  auch  noch 
von  der  Intensität  des  Tones  sehr  abhängig  ist  (Fig.  b). 

5.  Die  Prüfung  einer  vermittelst  der  Stosstöne  gestimmten 
Stimmgabelreihe  von  c^  bis  /'^  mit  der  Methode  der  Staub- 
figuren zeigt,  dass  beide  Methoden  für  diese  Töne  fast  gleiche 
Resultate  geben. 


Höchste  hörbare  und  unhörbare  Töne.  787 

IL 

1.  Transversal  schwingende  Stäbe  werden  weniger  als  alle 
anderen  Körper  durch  die  Art  ihrer  Befestigung  in  der  Frei- 
heit ihrer  Schwingungen  beeinträchtigt. 

Uie  Stösse,  welche  sie  immer  beim  Anschlagen  hören 
lassen,  kann  man  bei  der  Bestimmung  ihrer  Tonhöhe  ausser 
Acht  lassen. 

Die  nach  den  berechneten  Längen  hergestellten  Stäbe 
lassen  nach  der  Höhe  zu  eine  Vertiefung  erkennen,  welche  für 
ein  Sechstenintervall  etwa  einen  Viertelton  zu  betragen  scheint. 

Die  Hörbarkeit  der  Töne  dieser  Cylinder  ist  fast  ebenso 
gut,  wie  die  der  Stimmgabeln  und  auch  die  höchsten,  unhör- 
baren der  Reihe,  welche  bis  c"  reicht,  schwingen  noch  wirklich 
beim  Anschlagen. 

2.  Longitudinal  schwingende  Stäbe  können  schon  von  etwa 
g^  oder  a^  ab  nur  noch  durch  Anschlagen  erregt  werden,  wo- 
bei immer  starke  Transversaltöne  störend  mit  auftreten. 

Schon  zwischen  c®  und  c'  hört  die  Möglichkeit  auf,  die 
Longitudinaltöne  noch  mit  Sicherheit  beobachten  zu  können, 
so  weit  sie  aber  erkennbar  sind,  haben  sie  eine  grössere  Stärke 
und  eine  längere  Dauer  als  die  Töne  gleicher  Höhe  aller 
anderen  festen  Körper. 

Die  nach  dem  Längengesetze  zugeschnittenen  Stäbe  lassen 
nach  der  Höhe  zu  nur  eine  ganz  geringe  Erhöhung  wahr- 
nehmen und  die  longitudinalen  Theiltöne  einer  langen  Stahl- 
stange scheinen  sogar  in  den  absolut  rein  harmonischen  Ver- 
hältnissen zu  ihrem  Grundtone  zu  stehen. 

3.  Die  Töne  der  Platten  hängen  sehr  von  der  Amplitude 
ihrer  Schwingungen  ab  und  sind  in  sehr  hohem  Grade  durch 
die  Befestigungsart  in  der  Freiheit  ihrer  Schwingungen  beein- 
trächtigt, auch  sind  ihre  Töne  zu  schwach,  um  zur  Bestimmung 
der  Hörgrenze  dienen  zu  können. 

An  kleinen  Platten  lässt  sich  die  Existenz  unhörbarer 
Töne  hübsch  demonstriren,  auch  kann  man  an  ihnen  eine  be- 
sondere Schwingungsart  beobachten,  welche  grössere  Platten 
nicht  zeigen  (Fig.  9). 

4.  Die  Töne  der  hohen  Orgelpfeifen  von  c*  bis  g^  sind 
sehr  von  der  Windstärke  beim  Anblasen  abhängig,  doch  scheint 

Aqd.  d.  Ptays.  u.  Chem.    N.  F.    09.  47 


738       R»  Koeniff.    Höchste  hörbare  und  unhÖrbare  Töne. 

sich  auch  bei  ihnen  das  empirische  Gesetz  von  Cavaill^  Coli 
gut  zu  bewähren. 

Man  kann  an  ihnen  wahrnehmen,  wie  sehr  die  Hörbarkeit 
eines  Tones  auch  von  seiner  Dauer  abhängt. 

5.  Saiten  und  Membranen  sind  für  die  Erzeugung  höchster 
Töne  unbrauchbar. 

6.  Bei  grossen  Sirenenscheiben  wird  die  Grenze  ihrer 
höchsten  Töne  nicht  nur  durch  den  Rotationsapparat  bedingt, 
sondern  auch  noch  durch  die  Stärke  und  somit  auch  Geschwindig- 
keit des  Windes,  welche  immer  gross  genug  sein  muss,  dass 
derselbe  auch  wirklich  durch  die  Löcher  der  Scheibe  hindurch- 
dringen kann. 

Paris,  Juni  1899. 

(Eingegangen  7.  Juli  1899.) 


2.  JExperi/mentelle  Untersuchn/ngen 

über  die  Geschtvi/ndigkeit  und  die  magnetische 

Ablenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen; 

von  JE.  WiecherU 

(AuB  den   Nachrichten  der  Kgl.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  zu  Göttingen, 
Math.-phjs.  Klasse,  Heft  3.  p.  260.  189B,  in  etwas  veränderter  Form  mit- 

getheilt  vom  Verfasser.) 


§  1.   Vorwort, 

Den  Anlass  für  die  weiterhin  beschriebenen  Versuche  gab 
Röntgen' s  Entdeckung  der  nach  ihm  benannten  Strahlen. 
Aus  der  Art  ihrer  Entstehung  und  aus  ihrem  Verhalten  glaubte 
ich  schliessen  zu  dürfen,  dass  sie  elektromagnetische  Wellen 
von  sehr  kurzer  Schwingungsdauer  oder  —  noch  wahrschein- 
licher —  von  stossartigem  Charakter  sind,  die  durch  Zu- 
sammenprallen der  von  der  Kathode  fortgeschleuderten  Theil- 
chen  der  Kathodenstrahlen  mit  entgegenstehenden  materiellen 
Theilchen  verursacht  werden.  Diese  Ansicht,  die  ich  in  einer 
im  Frühjahr  1896  veröffentlichten  Abhandlung^)  näher  aus- 
führte, verlangt  die  Richtigkeit  der  Emissionshypothese  der 
Kathodenstrahlen  und  setzt  in  diesen  weit  grössere  Geschwindig- 
keiten voraus,  als  in  den  Wärmebewegungen  selbst  bei  den 
höchsten  unseren  Beobachtungen  zugänglichen  Temperaturen 
im  Mittel  vorkommen.  Ich  musste  daher  versuchen,  die 
damals  noch  vielfach  und  von  hervorragenden  Physikern  an- 
gegriffene Emissionshypothese  zu  stützen  und  ein  Urtheil  über 
die  Geschwindigkeit  der  Strahlen  zu  gewinnen.  Indem  ich 
für  diesen  Zweck  Beobachtungen  über  das  Potentialgefälle  im 
Entladungsrohr  und  über  die  magnetische  Ablenkbarkeit  der 
Kathodenstrahlen  combinirte^),  ergaben  sich  ausserordentlich 
hohe  Werthe  für  die  Geschwindigkeit,  Werthe,  die  hinter  der 
Lichtgeschwindigkeit  nicht  gar  weit  zurückblieben.  Dies  ist 
freilich  in  vortrefflicher  Uebereinstimmung  mit  der  Ausgangs- 


1)  £.  Wiechert,  Abh.  d.  Physikal.-Ökonom.  Gesellsch.  in  Königs- 
berg i.   Pr.  37.  p.  1.  1896. 

2)  Vgl.  den  weiter  unten  citirten  Vortrag  vom  7.  Januar  1897. 

47* 


740  E.  Wiechert 

hypothese  über  die  Röntgenstrahlen;  es  ergab  sich  nun  aber 
weiter,  dass  die  Ablenkbarkeit  der  Eathodenstrahlen  weit 
grösser  ist,  als  möglich  wäre,  wenn  sie  aus  Strömen  der  ge- 
wöhnlichen chemischen  Atomen  oder  Atomgruppen  beständen. 
Sollte  die  Emissionshypothese  überhaupt  beibehalten  werden, 
so  blieb  nur  übrig,  zu  schlicssen,  dass  die  von  der  Kathode 
fortgeschleuderten  Theilchen  vielmals  geringere  Masse  als  die 
Wasserstoffatome  besitzen.  Hierdurch  gewann  die  Frage  nach 
der  Natur  der  Kathodenstrahlen  für  die  von  mir  in  naher 
Uebereinstimmung  mit  H.  A.  Lorentz  vertretene  Theorie  der 
Elektrodynamik  eine  fundamentale  Bedeutung,  denn  es  drängte 
sich  die  Vermuthung  auf,  dass  in  den  Strahlen  eben  jene  elek- 
trischen speciellen  materiellen  Atome  sich  frei  bewegen,  deren 
die  Theorie  bedarf,  um  die  metallische  Leitung  und  die 
Aenderung  der  molecularen  Ladung  in  ihr  System  befriedigend 
einzureiben. 

Unter  solchen  Umständen  stellte  ich  mir  die  Aufgabe,  die 
Geschwindigkeit  der  Kathodenstrahlen  dir e et,  ohne  Benutzung 
der  Emissionshypothese j  zu  messen,  um  so  die  neu  gewonnene 
Anschauung  einer  entscheidenden  Prüfung  zu  unterziehen. 

Meine  Arbeiten  im  mathematisch-physikalischen  Institut 
der  Königsberger  Universität,  die  Anfang  1897  abgebrochen 
werden  mussten,  führten  zunächst  noch  nicht  zum  Ziel.  Es 
gelang  nur  sicherzustellen,  dass  die  Geschwindigkeit  jeden- 
falls so  gross  ist,  dass  die  Annahme  gewöhnlicher  chemischer 
Ionen  völlig  ausgeschlossen  wird,  üeber  die  vorläufigen  Re- 
sultate und  die  sich  anschliessenden  Folgerungen  berichtete 
der  Vortragt):  L  Ueber  das  Wesen  der  Elektricitätj  II.  Experi- 
mentelles über  die  Kathodenstrahlen,  am  7,  Januar  1897.  Hier 
folgerte  ich,  dass  die  Masse  der  Theilchen  in  den  Kathoden- 
strahlen 2000 — 4000  mal  kleiner  sei,  als  die  der  Wasserstoff- 
atome.  — 

Dank  dem  Entgegenkommen  von  Hrn.  Geheimrath  Prof. 
Dr.  Voigt  und  der  Unterstützung  der  Königl.  Gesellschaft  der 


1)  Vollständig  abgedruckt  in  den  Sitzungsber.  d.  Physik al.- Ökonom. 
Gesellsch.  zu  Königsberg  i.  Pr.  38.  p.  1 — 16.  1897;  im  ersten  Theile  ab- 
gedruckt in  der  Naturwissenschaft!.  Rundschau,  Mai  1897.  —  £m  Keferat 
geben  die  Beibl.  21.  p.  443.  1897.  (Am  Schlüsse  steht  hier  zweimtl 
irrthümlich  200  an  Stelle  von  2000.) 


Geschwmdigheit  u,  magn.  Ablenkbarheit  der  Kathodenstrahlen,     741 

Wissenschaften  in  Göttingen  konnte  ich  die  Experimente  im 
Sommer  1897  wieder  aufnehmen  und  hatte  dieses  Mal  den 
gewünschten  Erfolg:  Us  wurde  möglich,  die  Geschwindigkeit  zu 
messen  j  und  die  erhaltenen  IVerthe  lagen  wirklich  in  dem  von 
den  theoretischen  Erwägungen  vorgesehenen  Intervalle, 

Auf  der  Naturforscherversammlung  in  Braunschweig^  Sep- 
tember 1897,  gab  ich  einen  vorläufigen  Bericht^);  eine  aus- 
führlichere Mittheilung,  die  auch  spätere  Beobachtungen  be- 
rücksichtigt, folgt  weiterhin.  Insbesondere  wurden  genauere 
Messungen  über  die  magnetische  Ablenkbarkeit  hinzugefügt, 
um  ein  schärferes  Urtheil  über  die  Masse  der  bewegten  Theil- 
chen  zu  gewinnen  als  in  der  ersten  Veröffentlichung  vom 
7.  Januar  1897. 

Durch  das  positive  Resultat  der  Untersuchung  (in  Ver- 
bindung mit  den  neueren  hierher  gehörigen  Entdeckungen  und 
Messungen  von  anderer  Seite)  wird  eine  sichere  experimentelle 
Stütze  für  die  folgenden  Ansichten  gewonnen,  welche  ich  in 
früheren  Arbeiten  ^  nur  mit  grösster  Zurückhaltung  aus- 
sprechen durfte: 

Die  j, elektrische  Ladung''^  eines  jeden  materiellen  Theilchens 
bedeutet  eine  elektrodynamische  Verkettung  mit  dem  Aether,  welche 
in  der  Eigenart  des  Theilchens  fest  begründet  ist  und  sich  niemals 
ändert  Jede  Aenderung  der  Ladung  eines  materiellen  Körpers 
ist  zugleich  eine  Aenderung  seines  materiellen  Bestandes 
und  jeder  elektrische  Strom  eine  Convection  der  Elektricität 
durch  materielle  Theile.  Bei  der  metallischen  Leitung  be- 
wegen sich  gewisse  elektrische  Atome,  welche  neben  den 
Atomen  der  Chemie  vorhanden  sind,  und  diese  besonderen 
Atome  werden  ausgetauscht,  wenn  bei  elektrolytischen  Vor- 
gängen die  molecularen  Ladungen  sich  ändern.  —  Die  „Elek- 


1)  E.  Wiechert,  Verhandl.  d.  Gesellsch.  Deutscher  Naturforscher 
u.  Aerzte,  Vers,  zu  Braunschweig,  2.  Theil,  I.  Hälfte  p.  50—52.  1897. 

2)  £.  Wiechert,  Sitzungsber.  d.  Physikal.-Ökonom.  Gesellsch.  zu 
Königsberg  i.  Pr.  35.  p.  [4].  1894;  Abh.  ders.  Gesellsch.  37.  p.  1.  1896; 
Naturwissenschaftl.  Rundschau  IJ.  Nr.  47.  1896.  —  Vgl.  auch  die  neueren 
Arbeiten:  Nachrichten  d.  Kgl.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  zu  Göttingen, 
Math.-phjs.  Klasse,  p.  1.  1898,  und  Festschrift  zur  Feier  der  Enthüllung 
des  Gau  SS -Web  er- Denkmales  in  Göttingen.  II.  Theil.  Leipzig  bei 
Teubner.    1899. 


742  E.  Wiechert 

tricität^^  wird  so  gewisser maassen  zur  Materie  selbst,  bez.  zu  einer 
Erscheinungsform  der  Materie,  — 

Durch  die  Kathodenstrahlen  wird  nur  die  Existenz  be- 
sonderer negativer  Atome  angezeigt.  Wir  besitzen,  so  weit 
ich  sehe,  kein  bestimmtes  Anzeichen  dafUr,  dass  es  auch  eine 
entsprechende  Art  positiver  Atome  giebt.  Selbst  das  Hall- 
phänomen  in  Metallen  verlangt  diese  Annahme  nichts  denn  zu 
seiner  Erklärung  ist  es  nicht  nothwendig,  eine  fortschreitende^ 
sondern  es  genügt  eine  hin-  und  hergehende  Bewegung  von  posi- 
tiven Theilchen  anzunehmen.  —  Natürlich  ist  trotzdem  selbst 
die  weitest  gehende  Hypothese  denkbar,  dass  die  Materie  sich 
ganz  in  zwei  Arten  von  elektrischen  Atomen,  eine  negative 
und  eine  positive,  auflösen  lässt.  — 

Es  gereicht  mir  zu  hoher  Freude,  den  Directoren  der 
physikalischen  Institute  in  Königsberg  und  Göttingen,  den 
Herren  Professoren  Volkmann,  Voigt  und  Riecke,  sowie 
der  KÖnigl,  Gesellschaft  der  ^Wissenschaften  zu  GÖttingen  für  die 
gütige  Unterstützung  meiner  Arbeit  an  dieser  Stelle  meinen 
tiefgefühlten  Dank  aussprechen  zu  können. 


§  2.   Methode  der  GeschwindigkeitsmeBsung. 

Frühere  Schätzungen  und  Messungen  der  Geschwindigkeit 
der  Kathodenstrahlen  ohne  Benutzung  der  Emissionshypotbese 
liegen  vor  von  Goldstein^),  Spottiswoode  und  Fletcher 
Moulton*),  J.  J.  Thomson^)  und  Th.  Des  Coudres.*)  Die 
Methoden  von  Goldstein  und  von  Spottiswoode  nnd 
Fletcher  Moulton,  welche  die  Deflexion  der  Kathoden- 
strahlen an  einer  zweiten  Kathode  benutzen,  können  nach 
unseren  heutigen  Kenntnissen  nicht  als  einwandfrei  anerkannt 


1)  E.  Golds teiD,  Monatsber.  d.  k.  Akad.  d.  WisseDsch.  zu  Berlin 
Jahrg.  1880.  p.  122;   Wied.  Ann.  12.  p.  101.  1880. 

2)  W.  Spottiswoode  u.  Fletcher  Moulton,  Phil.  Trans.  Ro/. 
Soc.  171.  p.  627.  1880. 

8)  J.  J.  Thomson,  Phil.  Mag.  38.  p.  358.  1894. 

4)  Th.  Des  Ooudres,  Verhandl.  d.  phjsikal.  Gesellsch.  zu  Berlin 
14.  p.  86.  1895;  16.  p.  157.  1897;  Verhandl.  d.  Gesellsch.  Deutscher 
Naturforscher  u.  Aerzte,  Vers,  zu  Frankfurt  a.  M.,  2.  Theil,  I.  Hälfte 
p.  69.  1896. 


Oeschwindiffheit  u.  magru  Ablenhbarkeit  der  KcUhodenstrahlen.     743 

werden^),  so  gilt  denn  das  Gleiche  auch  von  ihren  Resul- 
taten. Nach  Ooldsteiu  wäre  die  Geschwindigkeit  grösser  als 
800000  m/sec,  nach  Spottiswoode  und  Fletcher  Moulton 
erheblich  kleiner  als  die  Lichtgeschwindigkeit.  -^  J.  J.  Thom- 
son benutzte  den  rotii-enden  Spiegel,  um  die  Zeitdifferenz  des 
Aufleuchtens  zweier  in  verschiedener  Entfernung  von  der 
Kathode  befindlichen  phosphorescirender  Flächen  zu  beob- 
achten. Er  fand  eine  Geschwindigkeit  von  200  000  m/sec,  hat 
dieses  Resultat  aber  neuerdings  selbst  als  viel  zu  klein  auf- 
gegeben. Th.  Des  Coudres  wendete  zur  Zeitmessung  elek- 
trische Schwingungen  an  und  stellte  fest,  dass  die  Geschwindig- 
keit jedenfalls  grösser  als  2000000  m/sec  ist;  über  die  Methode 
werden  weiterhin  noch  nähere  Angaben  gemacht  werden. 

Für  meine  eigenen  Messungen  schien  mir  der  rotirende 
Spiegel  im  Hinblick  auf  die  zu  erwartenden  ausserordentlich 
hohen  Geschwindigkeiten  zu  wenig  Aussicht  auf  Erfolg  zu 
bieten,  und  ich  entschloss  mich  daher,  nach  dem  Vorgang  von 
Des  Coudres,  die  elektrischen  Schwingungen  zu  verwerthen. 

Die  Geschwindigkeitsmessung  verlangt,  das  Zeitintervall 
festzustellen,  in  dem  eine  gewisse  Strecke  von  den  Strahlen 
durchlaufen  wird.  In  unserem  Falle  muss  hierzu  Beginn  und 
Ende  des  Laufes  auf  die  Schwingungsphasen  des  messenden 
elektrischen  Systemes  bezogen  werden.  In  Bezug  auf  den  Beginn 
ist  das  Nächstliegende  jedenfalls,  ebenso  wie  Des  Coudres 
bei  seinen  wirklichen  Messungen,  die  Beobachtungsmethode  da- 
durch zu  vereinfachen,  dass  man  die  Aussendung  der  Eathoden- 
strahlen  dem  messenden  System  selbst  überträgt.  Dann  kann 
der  Anfang  der  Messstrecke  an  die  Elektrode  selbst  gelegt 
werden,  und  der  Beginn  des  Laufes  der  Strahlen  ist  dadurch 
bestimmt,  dass  er  vor  sich  geht,  während  das  System  negative 
Elektricität  zur  Elektrode  schickt.  Zur  zeitlichen  Festlegung 
der  Ankunft  d  er  Strahlen  kann  man  entweder,  wie  DesCoudres, 
das  Verhalten  der  Strahlen  gegen  die  magnetische  Einwirkung 
eines  stromführenden  Theiles  des  messenden  Systemes,  oder 
das  Verhalten  gegen  die  elektrische  Einwirkung  einer  zweiten 
EJlektrode  benutzen. 


1)  Vgl.  die  eingehendere  Besprechung  in  der  Originalabhandlung, 
Gott.  Nachrichten,  Math.-phys.  Klasse,  Heft  1.   1898. 


744  E.  ^Viechert 

Experimente  dieser  Art  im  Herbst  1896  zeigten  mir,  dass 
wenig  Aussicht  vorhanden  ist,  so  zum  Ziele  zu  kommen,  denn 
es  war  nicht  möglich,  auch  nur  annähernd  genügend  lange 
Eathodenstrahlen  zu  erhalten.  Im  Interesse  des  Folgenden 
ist  nöthig,  dieses  etwas  näher  auseinanderzusetzen. 

T  sei  die  Dauer  einer  vollständigen  Schwingung  des  mes- 
senden Systemes,  L  die  Wellenlänge  der  zugehörigen  elektro- 
dynamischen Wellen,  sodass 

ist,  wenn  V  die  Lichtgeschwindigkeit  bedeutet.  Es  sei  femer  / 
die  Länge  der  von  den  Eathodenstrahlen  durchlaufenen  und 
zur  Messung  der  Geschwindigkeit  verwertheten  Bahnsirecke. 
t  das  zugehörige  Zeitintervall,  dann  ist 

wenn  v  die  Geschwindigkeit  der  Eathodenstrahlen  bedeutet, 
und  wir  erhalten: 

V  "  L  '  t  ' 

l  und  L  sind  leicht  festzustellen,  um  also  den  gesuchten 
Quotienten  vjV  zu  bestimmen,  ist  erforderlich  tjT  zu  messen, 
d.  h.  den  Werth  der  Wegzeit  t  in  Einheiten  der  Periode  1 
aufzusuchen. 

t  darf  gegenüber  T  nicht  zu  klein  sein,  denn  die  Beob- 
achtung kann  nur  dann  zu  einem  positiven  Resultat  führen, 
wenn  die  Einwirkung  des  messenden  System  am  Ende  der 
Bahn  merklich  anders  ist- als  am  Anfang,  wenn  also  nach 
Verlauf  der  Zeit  t  die  Phase  der  Schwingungen  sich  merklich 
geändert  hat.  Man  kann  hoflfen,  mit  einer  Viertelperiode 
auszukommen;  verlangen  wir  demgemäss  t^\T,  so  ergiebt 
sich  als  Bedingung  für  die  Brauchbarkeit  der  experimentellen 
Anordnung: 

l  ^  — - .  ---  . 
—  4      v 

Erzeugt  man  die  Kathodenstrahlen  mittels  der  Entladungen 
von  Leydener  Flaschen  unter  Benutzung  des  Teslatransformators, 
so  kann  mit  der  Wellenlänge  L  des  elektrischen  Systemes  auf 
60  m  bequem  herabgegangen  werden.  Setzen  wir  ferner,  ent- 
sprechend meinen  Vorversuchen,  v'^^^  }\  so  müsste  für  die 


Oeschwindigheit  u,  magn,  Äblenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen.     745 

Bahn  der  Kathodenstrahlen  mindestens  die  Länge  /=sl,5m 
verlangt  werden.  Für  v  =  ^F  wäre  schon  /  =  3  m  noth- 
wendig. 

Bei  der  gewöhnlichen  Ek*zeugung8wei8e  der  Kathoden- 
strahlen mittels  eines  Funkeninductors  ist  es  nun  freilich  nicht 
schwierig,  die  Kathodenstrahlen  meterweit  zu  verfolgen,  wenn 
man  nur  die  Vorsicht  gebraucht,  durch  passend  aufgestellte 
Magnete  die  ablenkende  Wirkung  des  Erdmagnetismus  auf- 
zuheben; ganz  anders  aber  gestaltet  sich  die  Sache  bei  den 
schnellen  Schwingungen  des  Teslatransformators.  Einmal  werden 
weit  grössere  Gasdichten  im  Entladungsrohr  nothwendig,  was 
stärkere  Absorption  zur  Folge  hat,  dann  aber,  und  das  ist 
die  Hauptsache,  wird  bei  schnellen  Schwingungen  der  Gang 
der  Kathodenstrahlen  schon  in  verhältnissmässig  geringen  Ent- 
fernungen von  der  Kathode  unregelmässig,  sodass  sie  für  die 
Beobachtung  verloren  gehen.  Wie  es  scheint,  stellt  sich  die 
regelmässige  Vertheilung  der  elektrischen  Kräfte,  welche  für 
einen  geradlinigen  oder  nur  schwach  gekrümmten  Verlauf  der 
Kathodenstrahlen  nöthig  ist,  im  Innern  der  Entladungsröhre 
von  den  Elektroden  aus  erst  allmählich  her,  sodass  mit 
schneller  werdenden  Schwingungen  der  Bereich  der  regel- 
mässigen Fortpflanzung  sich  nach  der  Kathode  hin  mehr  und 
mehr  verkleinert. 

Bei  meinen  Versuchen  im  Herbst  1896  gelang  es  mir  nicht, 
die  Kathodenstrahlen  mittlerer  Steifigkeit  i)  {11  r  =  200—400) 
weiter  als  80  oder  40  cm  mit  hinreichender  Intensität  zu  er- 
halten, sodass  die  noth wendige  Bahnlänge  nicht  entfernt  er- 
reicht wurde. 

Unter  solchen  Umständen  schien  es  erforderlich,  zur  all- 
gemeineren Methode  zurückzukehren  und  darauf  zu  verzichten, 
dem  messenden  System  auch  die  Aussendung  der  Kathoden- 
strahlen zu  übertragen.  Es  entsteht  dann  eine  Complication 
insofern,  als  noch  besonders  dafür  gesorgt  werden  muss,  den 
Eintritt    der   Kathodenstrahlen    in    die   Messstrecke    auf  die 


1)  Unter  jj  Steifigkeit^^  ist  das  bekaontlicb  für  eine  jede  Art  von 
Kathodenstrahlen  charakteristische  Product  Hr  zu  verstehen,  wobei  r 
den  Krümmungsradius  der  Bahn,  H  die  ablenkende  magnetische  Kraft 
bedeutet;   IjHr  ist  entsprechend  als  j, Äblenkbarkett*^  zu  bezeichnen. 


746  E.  fViechert. 

Schwingungen  des  messenden  Systemes  zu  beziehen.  Für 
diesen  Zweck  ist  es  nöthig,  die  Anfangsstelle  mittels  des  mes- 
senden Systemes  durch  eine  Hülfselektrode  oder  einen  strom- 
führenden Draht  elektrischen  oder  magnetischen  Kräften  aus- 
zusetzen, um  so  künstlich  die  zur  Geschwindigkeitsmessung 
nothwendige  Periodicität  des  weiteren  Verlaufes  der  Strahlen 
herzustellen  y  die  sich  von  selbst  einstellt,  wenn  im  vorhin  be- 
trachteten einfacheren  Falle  das  messende  System  selbst  die 
Strahlen  erregt. 

Die  eigentliche  Schwierigkeit  der  Anordnung  liegt  in  dem 
schnellen  Abklingen  der  Schwingungen  von  so  kurzweUigen 
elektrischen  Systemen,  wie  sie  zur  Geschwindigkeitsmessung 
gebraucht  werden.  Es  hat  dieses  zur  Folge,  dass  nur  Eathoden- 
strahlen  für  die  Messung  in  Betracht  kommen,  die  während  eines 
ausserordentlich  kleinen  Zeitintervalles  ausgeschickt  werden. 
Bei  einer  Wellenlänge  von  10  m  z.  B.,  der  eine  Periode  von 
^30  Mikrosecunde  entspricht,  bieten  die  ersten  zehn  vollständigen 
Schwingungen,  die  bei  guter  Anordnung  wohl  noch  verwendet 
werden  können,  für  die  Messung  nur  ein  Intervall  von  ^s  Miki*o- 
secunde.  —  Um  trotzdem  an  das  Ziel  zu  gelangen,  kann  man 
entweder  daran  denken,  das  messende  System  ausserordentlich 
oft  in  der  Secunde  auszulösen,  oder  man  muss  versuchen,  die 
Hauptmenge  der  Eathodenstrahlen  in  das  kleine  Intervall 
hineinzudrängen,  in  dem  die  Schwingungen  des  messenden 
Systemes  stark  genug  sind.  Da  der  erste  Weg  zu  grosse 
experimentelle  Schwierigkeiten  zu  bieten  schien,  habe  ich  nur 
den  zweiten  verfolgt.  Als  brauchbar  fand  ich  dabei  die  directen 
Entladungen  einer  Leydener  Batterie  bei  kurzem  Schliessungs- 
kreis und  die  durch  Batterieentladungen  bewirkten  Teslaströme. 
Die  zunächst  vielleicht  gefährlich  scheinende  Bedingung,  dass 
die  zur  Messung  der  Geschwindigkeit  und  zur  Aussendung  der 
Kathodenstrahlen  dienenden  beiden  Systeme  genau  zusammen- 
stimmend ausgelöst  werden  müssen,  liess  sich  erfüllen,  ijulem 
ich  den  Kunstgriff'  anwandte ,  beiden  Systemen  die  gleiche  aus- 
lösende Funkenstrecke  zu  geben;  im  übrigen  müssen  und  können 
sie  dabei  völlig  unabhängig  voneinander  sein. 

Man  wird  bemerken,  dass  es  wiederum,  gerade  ebenso 
wie  bei  der  zuerst  besprochenen  vereinfachten  Methode,  darauf 
ankommt,    für    die   Erzeugung   der  Kathodenstrahlen   schnell 


Geschwindigkeit  u,  magn.  Ablenkbar keit  der  KathodenstraJden,     747 

arbeitende  Systeme  zu  benutzen.  So  findet  man  sich  denn 
auch  jetzt  bei  gegebenem  messenden  System  in  der  erreich- 
baren Länge  der  Eathodenstrahlen  beschränkt,  und  wiederum 
wird  die  Länge  um  so  kleiner,  je  schneller  das  messende 
System  schwingt.  Immerhin  aber  ist  man  gegen  früher  weit 
im  Vortheil,  weil  das  aussendende  System  laugsamer  sein  darf 
als  das  messende,  —  und  in  der  That  wird  es  bei  sorgfältiger 
Anordnung  des  Versuches  ohne  grosse  Schwierigkeiten  möglich, 
die  Geschwindigkeitsmessung  auszuführen. 

§  3.    Versuchsanordnung  für  die  Oeschwindigkeitsmessung. 

Dem  messenden  System  gab  ich  Wellenlängen  zwischen 
ca.  6  und  20  m.  Bei  der  Construction  musste  zunächst  darauf 
Bedacht  genommen  werden,  die  Schwingungen  einheitlich  zu 
machen,  also  Oberschwingungen  zu  vermeiden.  —  Ich  wählte 
darum  die  Lecher'sche  Anordnung,  bei  der 
zwei  Condensatoren  C,  C,  Fig.  1,  einerseits 
durch  die  auslösende  Funkenstrecke  F,  anderer-  ZZI 
seits  metallisch  miteinander  verbunden  werden. 

Ferner  mussten  recht  grosse  Stromstärken 
erstrebt  werden,  um  die  Wirkung  auf  die  Ka- 
thodenstrahlen gross  zu  machen.  —  Zu  diesem  *^' 
Zweck  wurde  den  Condensatoren    möglichst  grosse  Capacität 
und  dafür  den  Verbindungen  zwischen  ihnen  möglichst  kleine 
Selbstinduction  gegeben. 

Endlich  war  es  nöthig,  die  Dämpfung  der  Schwingungen 
möglichst  herabzusetzen,  um  so  den  zeitlichen  Messbereich 
möglichst  gross  zu  machen.  —  Dieses  Gesichtspunktes  wegen 
benutzte  ich  für  die  Messung  nicht  die  elektrische  Einwirkung 
auf  die  Eathodenstrahlen,  wodurch  stark  dämpfende,  zum  mes- 
sendem System  gehörige  Elektroden  im  Entladungsrohr  noth- 
wendig  geworden  wären,  sondern  die  magnetische  Einwirkung, 
für  welche  es  genügt,  stromführende  Drähte  des  messenden 
Systemes  an  das  Entladungsrohr  heranzubringen. 

Das  Entladungsrohr  erhielt  eine  Hohlspiegelkathode  {K, 
Fig.  2);  die  Entladungen  wurden  so  regulirt,  dass  die  Kathoden- 
strahlen einen  schlanken  Kegel  mit  ziemlich  feiner  Spitze 
bildeten,  wie  dies  in  der  schematischen  Fig.  2  angedeutet  ist. 
Da   der  Weg   der  Strahlen   sich  im  Innern  des  Rohres  durch 


748  E,  fViechert 

Aufleuchten  des  Gasinhaltes  kennzeichnete,  war  er  wenigstens 
bis  zur  Spitze  und  eine  Strecke  darüber  direct  sichtbar. 

Bei  der  Spitze  des  Strahlenkegels  erhielt  die  Röhre  eine 
Metallblende  B^  mit  einer  kleinen,  der  Spitze  entsprechenden 
Oefifnung.  In  einer  wechselnden  Entfernung  hinter  B^  wurde 
eine  zweite  Blende  B^  mit  einem  Schlitz  und  ein  paar  Cen- 
timeter  hinter  dieser  ein  Glasstreifen  G  quer  zum  Schlitz  auf- 
gestellt. Die  durch  B^  und  B^  hindurchtretenden  Kathoden- 
strahlen erzeugten  auf  G  einen  grünen  Fluorescenzfleck. 

Um  mit  Hülfe  des  messenden  Systemes  magnetisch  auf 
die  Kathodenstrahlen  einzuwirken  und  so  zunächst  den  Anfang 
der  Messstreckq  festzulegen,  wurde  ein  Verbindungsdraht  der 
Condensatoren  C  (Fig.  1)  an  das  Rohr  so  herangebracht,  wie 
es  Fig.  3  in  abcde  des  näheren  zeigt.     Der  Theil  ab  cd  ist 


eben  und  liegt  in  einem  Schnitt  durch  die  Axe  des  Rohres, 
um  die  Darstellung  bequemer  zu  machen,  wollen  wir  an- 
nehmen, dass  dieser  Schnitt  horizontal  verläuft.  Die  Wechsel- 
ströme, welche  das  messende  System  durch  ab  cd  hindurch- 
schickt, bewirken  dann  ein  wechselndes  magnetisches  Feld, 
dessen  Kraftlinien  die  horizontale  Mittelebene  des  Rohres 
vertical  durchsetzen;  die  Ablenkungen  des  Strahlenbündels  er- 
folgen daher  in  der  Horizontalebene.  Indem  man  ab  cd  immer 
näher  an  das  Rohr  heranbiegt  und  so  die  Wirkung  allmählich 
verstärkt,  bemerkt  man  zunächst,  dass  die  Spitze  sich  in  der 
horizontalen  Ebene  verbreitert.  Bei  stärkerer  Wirkung  und 
passender  Regulirung  der  ganzen  Einrichtung  scheint  das 
Bündel  sich  in  zwei  zu  zerspalten,  wie  in  Fig  3  angedeutet 
ist.  Die  Zertheilung  ist  eine  Täuschung,  die  sich  leicht  er- 
klärt, wenn  man  bedenkt,  dass  das  pendelnde  Bündel  die 
Mittcllage  mit  grösster  Geschwindigkeit  passirt  und  bei  den 
Endlagen  während  verhältnissmässig  langer  Zeiten  nur  geringe 
Verschiebungen  erleidet.  Offenbar  zeigt  die  Theilung  an,  dass 
im    wesentlichen    nur   Kathodenstrahlen    ausgesandt    werden. 


Geschwindigkeit  u,  magn.  Ablenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen,     749 


während  das  messende  System  kräftig  schwingt,  und  dass 
während  dieser  Zeit  die  Amplitude  der  Schwingungen  nicht 
erheblich  abnimmt.  Findet  die  Aussendung  der  Strahlen 
während  einer  längeren  Periode  statt,  so  erscheint  auch  der 
Raum  zwischen  den  Grenzlagen  der  Spitze  mit  kräftigem  Licht 
erfüllt;  wird  endlich  ein  grosser  Theil  der  Strahlen  noch  aus- 
geschickt, während  das  messende  System  schon  unwirksam  ist, 
so  sieht  man  in  der  Mitte  ein  stark  leuchtendes  unabgelenktes 
Strahlenbündel  und  seitlich  schwächer  leuchtend  die  abgelenkten 
Theile.  Die  letzteren  verschwinden,  sobald  das  messende  System 
ausser  Thätigkeit  gesetzt  wird.  Da  die  nicht  abgelenkten 
Kathodenstrahlen  für  die  Messung  unbrauchbar  und  störend 
sind,  muss  man  sie  durch  zweckmässige  Anordnung  des  die 
Strahlen   liefernden  Systemes  möglichst  zu  vermeiden  suchen. 


M 


Fig.  4. 


M 


Fig.  5. 


Denken  wir  uns  um  das  Rohr  in  Fig.  2  den  Draht  ab  cd 
gelegt.  Zum  Glasstreifen  G  gelangen  dann  nur  die  nicht  ab- 
gelenkten Strahlen.  Wegen  der  vorhin  beschriebenen  Eigen- 
art der  Bewegung  des  pendelnden  Strahlenbündels  sind  das 
nur  wenige  Strahlen,  solange  das  messende  System  kräftig 
einwirkt.  In  dem  besonders  günstigen  Falle,  wenn  keine  un- 
nöthigen  Kathodenstrahlen  vorhanden  sind  und  das  Bündel  ge- 
theilt  erscheint,  zeigt  sich  dieses  augenfällig  darin,  dass  der 
Glasstreifen  G  dunkel  wird.  Da  die  Einwirkung  des  mes- 
senden Systemes  nicht  nur  am  Anfang,  sondern  auch  am  Ende 
der  Bahn  der  Kathodenstrahlen  beobachtet  werden  muss,  ist 
unsere  Anordnung  hiernach  unzweckmässig. 

Um  sie  zweckmässiger  zu  machen,  bringen  wir  an  das 
Rohr  zwischen  K  und  B^  einen  kleinen  Hufeisenmagneten  if, 
Fig.  4  und  5,  heran.  Wirkt,  wie  in  Fig.  4  angenommen,  das 
messende  System  nicht  ein,  so  triflFt  die  Spitze  des  Strahlen- 
bündels nun  nicht  mehr  die  Oeffnung  von  B,  der  Luminescenz- 
fleck  auf  G  erlischt.  Wird  dann  das  messende  System  ein- 
geschaltet (Fig.  5),   so  gehen   bei  passender  Stellung  von  M 


750  E.  meckert 

die  durch  a  b  c  d  entgegengesetzt  wie  durch  M  abgelenkten 
Strahlen  durch  B^  und  B^  und  erhellen  G,  Damit  ist  dann 
eine  Anordnung  hergestellt,  die  auf  das  bequemste  für  unsere 
Geschwindigkeitsmessung  brauchbar  ist. 

Um  noch  die  Zeit  der  Ankunft  der  Strahlen  bei  jB,,  G 
festzustellen,  wird  an  das  Bohr  bei  B^  und  G  ein  weiterer 
zum  messenden  System  gehöriger  Draht  a'  b'  c'  d'  e  in  ähnlicher 
Weise  herangebracht  wie  abcde,  und  seine  Einwirkung  auf 
die  Lage  des  Luminescenzfleckes  auf  G  beobachtet,  —  etwa 
indem  man  ihn  bald  an  das  Rohr  heranbiegt,  bald  abbiegt 

Wir  wollen  eine  solche  Anordnung  annehmen ,  dass  die 
Wechselströme  in  a  V  c'  d'  stets  ebenso  verlaufen,  wie  in  ab  cd. 
Dann  müsste,  wenn  die  Geschwindigkeit  für  unsere  Versuebs- 
anordnung  unmessbar  gross  sein  sollte,  offenbar  die  Einwirkung 
von  OL  V c  d'  die  gleiche  sein,  wie  die  von  ab  cd.  In  dem  in 
Fig.  5  dargestellten  Falle  also  müsste  der  Fleck  auf  G  unter 
der  Einwirkung  von  a  b'  c  d'  nach  der  Seite  von  d  U  hin 
wandern.  Eine  Abweichung  hiervon  würde  anzeigen  ^  dass  die 
Geschwindigkeit  im  Messbereich  der  experimentellen  Anordnung  Uegt 

Bei  meinen  Beobachtungen,  bei  denen -83,  G^  und  d  b' c  d' 
verschiebbar  waren,  ergab  sich  folgendes: 

Lagen  a' V c  d'  und  B^^  G  sehr  nahe  bei  abc d,  so  ver- 
urs0.chte  a' V c  d'  die  gleiche  Ablenkung  wie  ab  cd.  Wurde 
der  Magnet  M  umgekehrt,  so  kehrte  sich  dementsprechend  auch 
die  Verschiebung  des  Phosphorescenzfleckes  auf  G  um. 

In  einer  gewissen  grösseren  Entfernung  des  Systemes 
(-8,,  G,  ab'  c  d')  wurde  der  Fleck  nach  beiden  Seiten  gleich- 
massig  in  die  Breite  gezogen  oder  in  zwei  Theile  getheilt; 
dies  Phänomen  änderte  sich  nicht,  wenn  M  umgekehrt  wurde. 
Es  konnte  geschlossen  werden  j  dass  die  Kathodenstrahlen  dann 
die  Strecke  von  ab  cd  bis  d U c'  d'  in  der  Zeit  durchliefen^  in 
der  das  messende  System  ein  Viertel  der  vollständigen  Schwingung 
vollführte,  sodass  die  Eathodenstrahlen,  welche  an  ab  cd  während 
der  Zeit  der  grössten  Stromstärke  vorübergingen,  in  d  V  d  d' 
die  Zeit  des  Stromumkehres  antrafen.  Dass  eine  Verbreiterung 
des  Luminescenzfleckes  oder  gar  eine  Zweitheilung  eintrat, 
hängt  mit  der  schon  besprochenen  Eigenart  der  Pendel- 
schwingungen des  Strahienbündels  zusammen.  Ihretwegen 
gehen  ja  während  einer  verhältnissmässig  langen  Zeit  Strahlen 


Geschwindigkeit  u,  moffn,  Ablenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen,     751 

durch  -Bj  hindurch,  —  während  einer  Zeit,  die  hei  meinen 
Versuchen  meist  auf  etwa  ^4  Periode  des  messenden  Systemes 
zu  schätzen  war. 

Je  nachdem  das  System  von  der  neutralen  Stelle  nach 
der  einen  oder  der  anderen  Seite  verschoben  wurde,  überwog 
die  Ablenkung  nach  der  einen  oder  anderen  Seite.  Bei  Ver- 
grÖsserung  der  Entfernung  kam  es  schliesslich  dahin  ^  dass  die 
Ablenkung  wiederum  ganz  nach  einer  Seite  erfolgte  und  zwar  im 
entgegengesetzten  Sinne  wie  bei  ab  c  d.  Dann  ergab  die  Um- 
kehrung des  Magneten  M  wiederum  eine  ümkehrung  der  Ab- 
lenkung. Die  Kathodenstrahlen  fanden  nun  in  ol  b'  c  d'  die  ent- 
gegengesetzte  Phase  vor  wie  bei  ab  cd. 

Das  Experiment  bei  der  beschriebenen  einfachsten  An- 
ordnung so  weit  zu  verfolgen,  verlangte  viel  Vorsicht  und 
sorgfältigste  Abstimmung  aller  Versuchsbedingungen ,  weil 
andernfalls  die  Intensität  der  nach  G  gelangenden  f)ir  die  Be- 
obachtungen tauglichen  Eathodenstrahien  zu  schwach  wurde, 
um  sie  bei  dem  nicht  zu  vermeidenden  Nebenlicht  noch  deut- 
lich bemerkbar  zu  machen.  Bei  weitem  intensiver  und  in  der 
That  sehr  leicht  beobachtbar  werden  die  Erscheinungen,  wenn 
man  magnetische  Kräfte  zur  Hülfe  nimmt,  um  die  Zerstreuung 
der  Strahlen  zwischen  B^  und  B^  möglichst  herabzuzetzen. 
Zu  diesem  Zwecke  umgab  ich  die  Glasröhre  zwischen  B^  und 
jB,  mit  einer  Drahtspirale,  durch  die  ein  kräftiger  elektrischer 
Strom  geschickt  wurde.  Das  im  Innern  des  Entladungsrohres 
entstehende  magnetische  Feld  mit  seinen  parallel  der  Axe  des 
Rohres  verlaufenden  Kraftlinien  nöthigt  dann  die  nur  wenig 
gegen  die  Axe  geneigten  Strahlen  in  langgezogenen  Spiralen 
durch  das  Rohr  zu  gehen,  sodass  ein  grosser  Theil  nach  B^ 
gelangt,  der  sonst  die  Glaswand  getroffen  hätte.  Die  gering- 
fügige Vergrösserung  des  Weges  kommt  wegen  der  immerhin 
ziemlich  groben  Natur  der  Versuche  nicht  in  Betracht. 

Unter  Benutzung  der  magnetischen  Spirale  und  wiederum 
bei  sorgfältigster  Abstimmung  der  Fersuchsbedingungen  gelang  es 
—  in  etwa  1  m  Entfernung  von  K  —  auch  den  zweiten  von  der 
Theorie  vorgesehenen  neutralen  Punkt  xu  erreichen  und  deutlich 
zu  Überschreiten,  — 

Ehe  im  folgenden  Paragraphen  die  detaillirte  Beschreibung 
der  verwendeten  Apparate  begonnen  wird,  sollen  nun  noch  ein 


752 


E.  Wiechert 


paar  Woi*te  über  die  allgemeine  Anordnung  der  beiden  elek- 
trischen Systeme  und  ihre  Verbindung  gesagt  werden. 

Da  eine  möglichst  geringe  Selbstinduction  des  messenden 
Systemes  erstrebt  werden  muss,  wäre  es  unpraktisch,  die 
Drähte  abcde  und  d b' c  d' e'  in  einer  und  derselben  Leitung 
zwischen  den  Condensatoren  C  hintereinander  zu  schalten. 
Besser  ist  es,  zwei  getrennte,  parallel  geschaltete  Leitungen 
zu  benutzen.  In  meinem  Falle  waren  diese  nahe  gleich  be- 
schafiPen  und  lagen  symmetrisch  zur  Funkenstrecke. 

Für  das  zweite  elektrische  System  benutzte  ich  in  beiden 
Fällen  —  bei  Anwendung  von  Teslaströmen  sowie  bei  der 
Anwendung  directer  Batterieentladungen  —  eine  Fig.  1  ent- 
sprechende Anordnung. 

Für  den  Fall  der  Teslaströme  wird  das  vollständige  Scluma 
des  Experimentes  dann  durch  Fig.  6  dargestellt.    Es  sind  dabei 

Z,  L  zwei  isolirt  aufgestellte  Ley- 
dener  Flaschen,  deren  äussere 
Belegungen  durch  die  Funken- 
strecke F,  und  deren  innere 
Belegungen  durch  die  primäre 
Spule  PP  des  Teslati'ansforma- 
tors  verbunden  sind.  Von  der 
secundären  Spule  SS  des  Trans- 
formators fuhren  Drähte  zu  den 
Elektroden  des  Entladungsroh- 
res. —  Sollen  die  directen  Ent- 
ladungen benutzt  werden,  so  wird 
SS  fortgelassen  und  den  Elek- 
troden des  Entladungsrohres  die 
Elektricität  durch  Drähte  zugeführt,  die  von  der  Verbindungs- 
leitung  der  inneren  Belegungen  zu  beiden  Seiten  der  ein- 
gefügten Spirale  PP  ausgehen.  Diese  Spirale  auszuschalten, 
und  die  inneren  Belegungen  der  Leydener  Flaschen  nur  durch 
das  Entladungsrohr  zu  verbinden,  ist  unpraktisch,  weil  dann 
bei  der  Ladung  der  Batterie  vor  der  Auslösung  und  bei  der 
Entladung  nach  der  Auslösung  zu  viel  nicht  für  die  Messung 
verwerthbare  Elektricität  durch  das  Rohr  hindurchgeht,  und 
so  das  Phänomen,  auf  welches  es  ankommt,  zu  sehr  ver- 
deckt wird. 


vs^ 


Fig.  6. 


Geschwindigkeit  u.  magn,  Ablenkbarkeit  der  KatJiodenstrahlen,     753 

Bei  der  gewählten  Anordnung  finden  in  dem  die  Kathoden- 
strahlen liefernden  System  Schwingungen  statt  Bemerkens- 
wertherweise habe  ich  meist  nur  dann  die  für  die  Versuche 
nothwendigen  in  einem  Kegel  geordneten  Kathodenstrahlen 
erhalten,  wenn  nicht  die  erste  durch  den  Funken  F  eingeleitete, 
sondern  erst  die  zweite  Schwingung  negative  Elektricität  zu 
der  Hohlspiegelelektrode  K  führte;  die  Wirkung  des  Drahtes 
ab  cd  zeigte  dann,  dass  diese  zweite  Schwingung  auch  die 
einzige  blieb,  bei  der  das  kegelförmige  Bündel  ausging.  l£s 
scheint  hiernach,  als  ob  das  Rohr  einer  gewissen  Vorbereitung 
bedarf,  bevor  die  Kathodenstrahlen  sich  in  der  hier  gebrauchten 
regelmässigen  Weise  entwickeln,  und  dass  die  nothwendigen 
Bedingungen  bald  wieder  verloren  gehen. 

§  4.   Apparate  zur  GeBchwindigkeitsmesBung. 

Das  Entladungsrohr  für  die  definitiven  Beobachtungen  er- 
hielt folgende  Einrichtung: 


Fig.  7. 

Ein  Glasrohr  von  ca.  40  mm  lichter  Weite  trägt  an  einem 
Ehide,  dem  „Kopf^S  zunächst  die  Hohlspiegelelektrode  K  von 
ca.  20  mm  Durchmesser,  2  mm  Dicke  und  ca.  10  cm  Krüm- 
mungsradius. Durch  Abschleifen  auf  einem  Brillenglas  war  es 
leicht,  die  richtige  Form  mit  der  hier  erforderlichen  Genauig- 
keit zu  erhalten. 

Die  4  mm  weite  Oeffnung  0  der  Blende  B^  ist  8  cm 
von  K  entfernt  und  steht  an  der  Stelle,  wo  das  Kathoden- 
strahlenbündel  seine  grösste  Einschnürung  zeigt.  Dass  diese 
nicht  erst  im  Convergenzpunkt  der  geometrischen  Normalen, 
also  10  cm  vor  iT,  zu  stände  kommt,  erklärt  sich  der  Rech- 
nung nach  vollständig  durch  die  magnetische  Einwirkung  des 
sehr  bedeutenden  Stromes,  welcher  während  der  Erzeugung 
der  Kathoden  strahlen  das  Rohr  durchsetzt.  Man  kann  über 
seine  Intensität  leicht  ein  Urtheil  gewinnen,  wenn  man  die 
magnetische  Einwirkung  des  zu  K  führenden  Drahtes  auf  das 

Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.    N.  F.     69.  48 


754  E.  meckert. 

Kathodenstrahlenbündel  untersucht  und  mit  der  Einwirkung 
bekannter  magnetischer  Kräfte  vergleicht.  Bei  meinen  Ver- 
suchen  fand  ich  Werthe  von  20 — 40  Ampere. 

Da  die  Anode  einen  störenden  Einfluss  auf  Entwickelung 
und  Fortpflanzung  der  Kathodenstrahlen  zeigte,  gab  ich  ihr 
die  Form  eines  Ringes  A  Ä  und  setzte  sie  in  die  Ebene  von  0. 
Um  dieses  möglich  zu  machen,  musste  die  Blende  B^  die 
Form  eines  Kegels  erhalten.  —  Der  mit  B^  vereinigte  Ring  B[ 
hat  nur  den  Zweck,  B^  eine  gesicherte  Lage  zu  geben. 

Sobald  die  Elektroden  der  Glaswand  zu  nahe  kommen^ 
bilden  sich  während  des  Durchganges  der  Elektricität  in  dem 
Zwischenraum  leuchtende  Punkte,  von  denen  sehr  störende 
Sonderentladungen  ausgehen;  es  wurde  darum  Sorge  getragen, 
dass  um  die  Elektroden  überall  ein  freier  Raum  von  einigen 
Millimetern  blieb. 

Als  Material  für  die  Elektroden  nahm  ich  Aluminium, 
als  Material  für  die  Blenden  Messing.  Es  ist  nicht  zweck- 
mässig, neue  Elektroden  sogleich  den  heftigen  für  die  Ekpen- 
mente  gebrauchten  Entladungen  auszusetzen,  weil  dann  in  der 
Regel  einzelne  Punkte  sich  hervorthun,  von  denen  die  Ent- 
ladung vornehmlich  und  in  einer  unbrauchbaren  Form  aus- 
geht; es  empfiehlt  sich  vielmehr ,  zunächst  eine  Zeit  lang  die 
directen  Entladungen  eines  Funkeninductors  durch  das  Bohr 
hindurchzuschicken . 

Jenseits  B^  liegt  im  Rohr  leicht  verschiebbar  ein  System 
von  drei  Messingscheiben  tf^,  B[y  B^.  JS,  enthält  in  der  Mitte 
ein  rechteckiges  Loch  von  4  mm  X  7  mm;  JS,  trägt  quer  zur 
Längsrichtung  der  Oeffnung  in  B^  einen  Streifen  G  von 
Thüringer  Glas,  hergestellt  durch  Zusammendrücken  eines 
Röhrchens  oder  Stäbchens;  J?,  trägt  ein  flaches  Eisenstäbchen  £. 
B[  und  B^  sind  durch  einen  Messingdraht  fest  verbunden; 
von  jSj  aus  geht  ein  Draht  frei  durch  ein  an  B^  gelöthetes 
Röhrchen,  das  als  Führung  dient,  und  klammert  sich  lose  um 
den  Verbindungsdraht  von  B^  und  B^,  sodass  B^  gegen  das 
System  JSJ,  B^  ohne  wesentliche  Drehung  verschiebbar  ist 
Mittels  eines  kleinen  Elektromagneten  kann  man  durch  Ver- 
mittelung  des  Eisens  tückchens  auf  B^  das  System  von  aussen 
bewegen,  und  es  gelingt  dabei  leicht,  B^  an  eine  beliebige 
Stelle  und  G  in  einem  gewünschten  Abstand  dahinter  zu  bringen. 


Geschwindigkeit  u,  magn,  Ablenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen»     755 


Das  Entladungsrohr  blieb  bei  meinen  Versuchen  stets  durch 
eine  Glasfeder  mit  der  (Quecksilber-)Luftpumpe  in  Verbindung. 
Es  ruhte  dabei  auf  einem  Hartgummilager  bei  B[,  wo  es  zur 
grösseren  Sicherheit  noch  festgebunden  war,  und  wurde  im 
übrigen  nur  durch  die  ihrerseits  von  einem  Stativ  gehaltene 
Glasfeder  und  eine  BindfadenscLlinge  getragen.  Die  letztere 
hing  von  einem  primitiven  Waagebalken  herab  und  trug  die 
Last  des  Rohres  auf  der  Seite  der  Feder. 

Zur  Verbindung  des  Rohres  mit  der  Glasfeder  benutzte 
ich  anfänglich  Siegellack,  später,  als  ich  im  Winter  durch 
immer  wiederkehrende  Undichtigkeiten  bei  zu  starken  Ab- 
kühlungen des  Zimmers  schlechte  Erfahrungen  gemacht  hatte, 
nur  noch  directe  Verschmelzung  von  Glasröhren,  die  mit  einer 
guten  Bunsenflamme  sehr  leicht  herzustellen  ist 

Zur  Füllung  des  Rohres  wurde  stets  WasserstoflF  benutzt, 
weil  dieser  wegen  der  geringeren  Absorption  der  Kathoden- 
strahlen sich  bei  weitem  günstiger  als  andere  Gase  erwies. 
Der  Druck  variirte  etwa  von  ^j^^  bis  Y2  ^^' 

Die  Magnetspirale  zum  Zusammenhalten  der  Eathoden- 
strahlen  jenseits  B^  war  aus  einzelnen  getrennten  Theilen  zu- 
sammengesetzt. Für  das  vorhin  beschriebene  Entladungsrohr 
bestand  jeder  der  Theile  aus  einem  10  cm  langen  Stück  eines 
Messingrohres  von  ca.  55  mm  lichter  Weite  mit  umgekanteten 
Rändern,  auf  das  ein  baumwoUumsponnener  Kupferdraht  von 
0,8  mm  Dicke  in  drei  Lagen 
aufgewickelt  war.  Die  Theile 
umgaben  das  Entladungsrohr, 
ohne  es  zu  berühren,  und  er- 
hielten ihren  Halt  durch  eine 
Holzlatte  unter  dem  Entladungs- 
rohr, auf  der  sie  beliebig  ver- 
schoben werden  konnten. 

Ich  benutzte  für  die  Spirale 
Ströme  von  2 — 4  Ampere,  wo-  Fig.  8. 

durch  im  Innern  Magnetfelder  von  60— 120  Einheiten  entstanden. 

Das  schon  in  Figg.  1  und  6  schematisch  skizzirte  messende 
System  wurde  aus  zwei  Lufbcondensatoren  zusammengesetzt. 
Bei  dem  für  die  definitiven  Experimente  benutzten  System, 
das  in  Fig.  8  dargestellt  ist,  bestand  jeder  der  Condensatoreu 

4S* 


756  E.  ^iechert. 

aus  drei  ebenen,  parallel  und  vertical  gestellten  Messingplatten 
von  8  mm  Dicke,  15  cm  Höhe  und  50  cm  Breite  mit  ab- 
gerundeten Kanten  und  Ecken.  Die  beiden  äusseren  Platten, 
unter  sich  durch  die  Messingbügel  a  und  /*  verbunden,  bilden 
dabei  zusammen  die  eine  Condensatorfläche,  die  in  der  Mitte 
dazwischenstehende  dritte  Platte  die  andere.  Ihren  Halt  finden 
die  Blechplatten  auf  der  hölzernen  Grundplatte  des  ganzen 
Systemes  und  an  dem  aus  Glasröhren  und  paraffinirtem  Holz 
gebildeten  Rahmen  B  durch  Vermittelung  der  Bügel  a,  von 
denen  zwei  sich  auf  zwei  Hartgummistäbchen  h  stützen,  während 
die  übrigen  einfach  um  die  Glasröhren  des  Rahmens  gelegt 
sind.  Die  inneren  Platten  werden  durch  Blechhaken  ß  und 
Hartgummistäbchen  h  gehalten. 

Die  Verbindungsbügel  f  haben  unter  den  Befestigungs- 
schrauben Schlitze  und  können  darum  ein  wenig  auf  und  ab 
verschoben  werden;  auf  diese  Weise  wird  die  auslösende 
Funkenstrecke,  die  sich  zwischen  zwei  in  die  Bügel  /'  ein- 
gefügten abgerundeten  Zinkstücken  befindet,  um  einige  Milli- 
meter regulirbar.  Ich  gab  ihr  in  der  Regel  eine  Länge  von 
ca.  7  mm.  Auf  der  Seite,  welche  in  der  Figur  vom  Beschauer 
abgewandt  ist,  der  „ Rückseite <S  tragen  die  Bügel  f  Klemm- 
schrauben für  die  Verbindungsdrähte  mit  dem  elektrischen 
System  zur  Erzeugung  der  Eathodenstrahlen. 

Der  Abstand  der  Platten  voneinander  betrug  in  der  Regel 
1  cm;  für  die  Versuche  mit  besonders  kurzen  Wellenlängen 
(6^/2  m),  bei  denen  es  gelang,  auch  den  zweiten  neutralen 
Punkt  zu  überschreiten,  wurde  er  durch  Biegen  der  Klammerna 
auf  2  cm  vergrössert. 

Von  den  beiden  inneren  Blechplatten  gehen  je  zwei 
ca.  20  mm  breite  Blechstreifen  y,   /  nach   innen   und  vorne. 

Die   gegenüberstehenden  Strei- 
fen ;',  y  und  y\  y    werden  ein- 
.  ander   schliesslich  parallel  und 
*^'  enthalten  hier  Löcher  für  Schrau- 

ben, durch  welche  die  zu  den  Drähten  abcde  und  ol  V c  d t 
führenden  beweglichen  Leiter  befestigt  werden.  Diese  bestehen 
aus  je  einem  oder  zwei  Glieder  der  in  Fig.  9  dargestellten 
Art:  Zwei  20  mm  breite  Kupferblechstreifen,  die  an  dem  einen 
Ende   etwas  auseinander  gebogen  sind  und  an  dem  anderen 


Geschwindigkeit  u.  magn,  Ahlenkbarkeü  der  Kathodenstrahlen,     757 

Ende  aufgelöthete  Messingscheiben  mit  Schraubenlöchern  tragen, 
werden  durch  festaufgesteckte  Hartgummiklammem  in  ca.  7  mm 
Abstand  gehalten.  An  y,  y  oder  y'  y  wird  das  erweiterte 
Ende  des  ersten  und  eventuell  einzigen  Gliedes  geschraubt; 
das  andere  Ende  trägt  dann  entweder  das  nächste  Glied  oder 
den  Draht  a  b  c  d  e,  bez.  a  h'  c'  d!  e.  —  Man  wird  erkennen, 
dass  diese  Construction  Beweglichkeit  neben  nahezu  constanter 
und  sehr  geringer  Selbstinduction  gewährleistet. 

Für  das  System  zur  Aussendung  der  Kathodenstrahlen  be- 
nutzte ich  zwei  auf  Paraffin  oder  Glas  isolirt  aufgestellte 
Leydener  Flaschen  aus  Flintglas  mit  40  cm  hohen,  13  cm 
weiten,  etwa  2  mm  dicken  Gläsern  und  etwa  18  qdm  grossen 
Stanniolbelegungen.  Um  überall  zuverlässige  Contacte  zu  er- 
reichen, erhielten  die  Belegungen  je  einen  2  cm  breiten  federnden, 
mit  Stanniol  umwickelten  Messingring.  Bei  den  äusseren  Be- 
legungen bestehen  die  Ringe  aus  einem  Stück  und  üben  selbst 
die  nöthige  Federkraft  aus;  bei  den  inneren  Belegungen  ist 
jeder  Ring  aus  vier  getrennten  Stücken  zusammengesetzt,  die 
durch  vier  von  einer  Klemme  ausserhalb  der  Flasche  ausgehen- 
den federnden  Drähten  fest  an  die  Flasche  gedrückt  werden. 

Von  den  äusseren  Ringen  gehen  2  mm  dicke,  und  60  cm 
lange  Kupferdrähte  zu  der  Funkenstrecke  h\  Fig.  6,  bez.  zu 
den  Bügeln  f  des  Systemes  CC  in  Fig.  8.  Für  die  Versuche 
mit  sehr  kurzen  Wellenlängen  wurde  jede  der  Verbindungen 
durch  mehrere  —  bis  sechs  —  parallele  Drähte  hergestellt, 
um  so  die  Selbstinduction  möglichst  herabzusetzen.  Die  Zu- 
leitungsdrähte  vom  Funkeninductor  (Fig.  6)  können  irgendwo 
an  die  äusseren  Ringe  der  Leydener  Flaschen  angelegt,  oder 
in  die  angeschlossenen  Drähte  eingehakt  werden. 

Die  Spirale  PP  (Fig.  6)  wurde  aus  2  mm  dickem  Kupfer- 
draht gewunden  und  mit  den  gerade  gelassenen  Enden  in  den 
Klemmen  der  inneren  Armaturen  von  Z,  L  befestigt.  Die 
Länge  des  ganzen  verwendeten  Drahtstückes  betrug  in  der 
Regel  1  m,  der  Durchmesser  der  Windungen  8  cm,  ihre  An- 
zahl 10,  die  Länge  der  eigentlichen  Spirale  5  cm;  doch  waren 
bedeutende  Variationen  erlaubt.  Für  die  Versuche  mit  sehr 
kurzen  Wellenlängen  wurden  nur  fünf  Windungen  in  einer 
Spiralenlänge  von  3  cm  genommen.  Sollten  Teslaströme  ver- 
wendet werden,  so  wurde  über  die  Spirale  ein  enge  anUegendes 


758  E.  Wiechert 

reichlich  2^ mm  dickes  Glasrohr  geschoben,  welches  die  secundäre 
Spirale  SS  des  Transformators  trug.  Diese  hatte  etwa  gleiche 
Länge  wie  die  primäre  Spirale,  bestand  aus  enge  aneinander 
liegenden  Windungen  eines  gewöhnlich  0,8  mm  dicken,  mit 
Baumwolle  übersponnenen  Kupferdrahtes  und  zwar  zur  Er- 
höhung der  Isolation  mit  Paraffin  getränkt.  Es  kam  zuweilen 
vor,  dass  das  Glasrohr  der  secundären  Spirale  durchschlagen 
wurde;  in  solchen  Fällen  genügt  es  meist,  die  Löcher  mit 
Klebwachs  zu  verschliessen. 

T>er Funketiinductorj  von  der  Firma  Max  Kohl  in  Chemnitz 
bezogen,  hat  eine  nominelle  Schlagweite  von  30  cm.  Ich  be- 
nutzte einen  „rotirenden  Quecksilberunterbrecher*'  der  gleichen 
Firma  und  regulirte  die  Geschwindigkeit  auf  15 — 20  Unter- 
brechungen in  der  Secunde.  Der  Stromverbrauch  des  Inductors 
war  dann  etwa  6  Ampöre.  — 

Zum  Schluss  mögen  nun  noch  einige  Worte  über  die 
gesammte  Anordnung  der  Apparate  gesagt  werden. 

Das  Entladungsrohr  war  in  der  Nähe  und  parallel  der 
vorderen  Kante  des  Experimentirtisches  horizontal  in  30  cm 
Höhe  über  der  Tischplatte  befestigt.  Darunter  befanden  sich, 
dem  Experimentirenden  bequem  zur  Hand,  der  Regulirungs- 
widerstand  des  Funkeninductors  und  der  Schalter  für  die 
Magnetisirungsspirale.  Dahinter,  in  etwa  20  cm  Abstand, 
waren  die  beiden  elektrischen  Systeme  aufgestellt  und  zwar 
am  Kopfende  des  Entladungsrohres  zunächst  das  die  Kathoden- 
strahlen aussendende  System,  daneben  dann  das  in  Fig.  8 
skizzirte  messende  System.  Die  Stellung  des  letzteren  musste 
so  abgepasst  werden,  dass  seine  durch  F  gehende  Mittellinie 
mit  der  Mittellinie  des  Entladungsrohres  in  gleiche  Höhe  kam, 
weil  die  sich  an  y^  y  und  /,  /  ansetzenden  Arme  im  Wesent- 
lichen nur  in  einer  horizontalen  Ebene  beweglich  sind.  Der 
Inductionsapparat  mit  seinem  Unterbrecher  stand  zur  Ver- 
hütung von  magnetischen  Störungen  mehrere  Meter  weit  von 
dem  Entladungsrohr  entfernt  auf  einem  besonderen  Tisch. 

§  5.  Messung  der  magneÜBOhen  Ablenkbarkeit. 

Wie  im  nächsten  Paragraphen  dargelegt  werden  wird,  er- 
geben sich  mit  den  vorstehend  beschriebenen  Apparaten  f&r 
die  Geschwindigkeit  v  der  Kathodenstrahlen  Werthe,  die  unter- 


Geschwindigkeit  u,  magn,  AbUnkbarkeit  der  Kathodenittrahlen.     759 

halb  der  Lichtgeschwindigkeit  V  liegen,  sodass  wir  auf  die 
Emissionshypothese  verwiesen  werden.  Um  die  Messungen  für 
diese  zu  verwerthen,  muss  cc,  d.  i.  das  auf  1  Elektron  der 
Ladung  kommende  Moleculargewicht  für  die  sich  bewegenden 
Theilchen,  festgestellt  werden.  Die  Theorie  ergiebt  bei  mag- 
netischer Ablenkung: 

a  J,  =3.1,073.10-7(r^);     «t?  =  0,965. 10* (rÄ^) 

und  bei  elektrischer  Ablenkung: 

a  l.yj=  1,073. 10-9  (ri?);     «ü«  =  0,965  .  10^«(rB), 

r  bedeutet  den  Krümmungsradius,  H  die  ablenkende  magne- 
tische, B  die  elektrische  Kraft  in  Volt/Centimeter.  Die  Masse 
eines  Sauerstoffatomes  ist  dabei  gleich  16  gesetzt,  und  es  ist 
angenommen,  dass  durch  1  Coulomb  also  -^^  V  elektrostatische 
Elektricitätseinheiten  0,8288 .  10-*  g  SauerstoflF  elektrolytisch 
abgeschieden  werden,  woraus  folgt: 

«=  "^.0,9653. 10*  r, 

wenn  m  die  Masse  und  e  die  elektrostatisch  gemessene  La- 
dung der  Theilchen  bedeutet. 

Nach  den  Formeln  lässt  sich  u  berechnen,  wenn  ausser 
der  Geschwindigkeit  t?  noch  die  magnetische  oder  die  elektrische 
Steifigkeit  r  II  oder  r  li  bekannt  ist.  Ich  wählte  die  weit  be- 
quemere Messung  der  magnetischen  Steifigkeit. 


--» — w---" 


<-, 


Fig.  10. 

Da  es  nicht  unmöglich  schien,  dass  die  Geschwindigkeit 
und  damit  die  Ablenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen  von  der 
Kathode  ab  bis  zur  Blende  B^  variirt,  hielt  ich  es  für  rathsam, 
die  Ablenkbarkeit  erst  hinter  B^  festzustellen,  und  verwendete 
dabei  folgende  Methode,  welche  bei  verhältnissmässig  einfachen 
Rechnungen  vollständig  übersehbare  Verhältnisse  bietet 

In  der  Weise,  wie  es  Fig.  10  deutlich  machen  wird,  wurde 
ein   elektrischer  Strom    in   geraden,    parallelen  Leitungen  zu 


760 


E.  Wuchert 


beiden  Seiten  des  Entladungsrohres  entlang  geführt  und  zwar 
in  solcher  Anordnung,  dass  nur  diese  Leitungen  für  die  mag- 
netische Ablenkung  in  Betracht  kamen.  Die  Strahlen  krümmten 
sich  so,  wie  es  die  Figur  in  übertriebener  Weise  zeigt;  mittels 
einer  Theilung  in  Form  eines  sägeartig  gefeilten  Messing- 
bleches, das  den  Glasstreifen  zum  Theil  bedeckte,  wurde  die 
Verschiebung  des  Schattens  eines  über  die  Oe£Fhung  der  Blende  5, 
gespannten  Drahtes  auf  dem  Glasstreifen  G  beobachtet.  —  Zar 
Feststellung  der  Stromstärke  dienten  dabei  sorgfältig  geaichte 
Ampferemeter. 

Bei  der  Beobachtung  wurden  stets  nur  solche  Stromstärken 
angewandt,  dass  die  zu  G  gelangenden  Strahlen  sehr  wenig  ge- 
bogen waren;  es  darf  daher  für  die  Bahn  geschrieben  werden: 

dx*  "^  S  ' 

wobei  S  die  magnetische  Steifigkeit  der  Strahlen  und  H  die 
Intensität  des  Feldes  auf  der  Geraden  durch  JS^  und  B^  bedeutet 

In  H  zeigt  sich  die 

vereinigte  Wirkung  beider 

Drähte.     Wir  können  fär 

die  Rechnung  entsprechend 

Fig.  11   nur  einen  Draht 

annehmen,   wenn  wir  ihn 

von   der  Linie  y  =  0  in 

den  mittleren  Abstand  der 

wirklich  verwendeten  Drähte  stellen  und  ihm  die  Summe  ihrer 

Stromintensitäten  geben.     Ist  t  diese  Summe,   so  folgt  nach 

dem  Biot-Savart'schen  Gesetz: 


X 


JO»0 


^'-:((>  + :)-(>+>■ 


wobei  die  Abstände  r,  /  (im  Gegensatz  zu  x)  stets  positiv  zu 
rechnen  sind.     Hiemach  ist: 


d^y  _ 
dx* 

wenn  gesetzt  wird: 


'+i)-(-+f)) 


*^       h 


ü 


(»  = 


Geschwindigkeit  u.  magn.  Äblenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen,     761 


Durch  Integration  ergiebt  sich: 


und  weiter: 


wenn: 


ih 


y  =  -^(7-r)  +  cA|+C, 


2S 


^'  =  ((>'  +  r)l'  +  lognat((>'  +  |'). 

Von  den  beiden  Integrationsconstanten  c  und  C  bedeutet  c 
den  ideellen  Werth  von  dyfdx  f[ir|=--oo,  ^=— oo  und. 
wird  bestimmt  durch  die  Bedingung,  dass  y^  =y,  sein  soll; 
hieraus  folgt  nämlich: 

C  lässt  sich  mittels  der  Bedingung  yj  =  ^  eliminiren.    Es  er- 
giebt sich  dann  für  die  gesuchte  magnetische  Steifigkeit: 

«=^.{((J'3-j;)-(^.'-^,'))-|;:|;-((i;-^i)-u;'-:»';)))- 

Sind  die  Drähte  einigermaassen  lang,  sodass  noch  x^ 
mehrere  Mal  grösser  ist  als  h^  so  genügt  es  völlig,  in  An- 
näherung zu  setzen: 


y ' y  Q  ^a  —  ^s 


r;  _  r;  =  2  *■'  ~  "*» 


JJj      T"    S/g 


J 


Bei  meinen  Versuchen  wurden  zur  Stütze  der  Leitungen 
für  i  zwei  mittels  Zapfen  zusammensteckbare  Holzrahmen  be- 
nutzt (vgl.  Fig.  12),  auf  deren  Innen-  ^ 
flächen  dicht  beieinander  je  zwei  Drähte 
liefen.  Auf  diese  Weise  wurde  der  Strom 
an  jeder  Seite  des  Rohres  im  Ganzen 
4  mal  entlang  geführt.  Ist  J  der  Strom 
des  einzelnen  Drahtes  in  Ampere,  so 
ergiebt  sich  demgemäss  für  die  in 
C.G.S.-Einheiten  zu  rechnende  Strom- 
stärke I  der  Werth 


8    j 
^=10^- 


Fig.  12. 


762  M.  Wiechert 

h  war  =8,00  cm,  /,  die  Länge  der  Stromstücke,  =  40  cm. 
Der  Fehler,  den  die  hier  nicht  berücksichtigten  Leitungen  yer- 
orsachten,  betrug  der  Rechnung  nach  noch  nicht  1  Proc  und 
konnte  darum  vernachlässigt  werden. 


§  6.   Die  Beobachtungen. 

Bei  allmählicher  Verdünnung  des  Wasserstoffgases  im  Ent- 
ladungsrohr trat  das  conische  Kathodenstrahlenbündel  schon 
auf,  wenn  der  Druck  auf  etwa  4  mm  gesunken  war,  doch 
hatten  die  Strahlen  dann  noch  nicht  die  Kraft,  das  Oks 
merklich  zum  luminesciren  anzuregen,  waren  also  für  die  Be- 
obachtung noch  unbrauchbar;  brauchbar  wurden  sie  erst  etwa 
bei  Y2  ^^  Druck;  bei  etwa  ^lo  ™^  Druck  begann  das  Bündel 
seine  scharfe  Spitze  zu  verlieren,  sodass  die  Beobachtung  bald 
unmöglich  wurde.  Die  magnetische  Steifigkeit  [S  =  Hr)  variirie 
in  dem  brauchbaren  Bereich  etwa  von  200  bis  450.  Wenn 
diese  Grenzen  inne  gehalten  wurden,  war  es  leicht,  mit  dem 
zweiten  Draht  {a  V  c'  d)  Entfernungen  zu  erreichen,  in  welchen 
seine  Einwirkung  der  des  ersten  Drahtes  {ab cd)  entgegen- 
gesetzt war,  d.  h.  es  konnte  der  erste  Umkehrpunkt  leicht  er- 
reicht und  weit  überschritten  werden.  In  genauer  Ueber- 
einstimmung  mit  der  Emissionstbeorie  wurde  beobachtet,  dass 
der  Umkehrpunkt  um  so  weiter  rückte,  je  höher  die  magne- 
tische Steifigkeit  anwuchs.  Auch  die  Lage  des  zweiten  Um- 
kehrpunktes, so  weit  sie  festgestellt  werden  konnte,  entsprach 
vollständig  der  Theorie,  denn  der  Abstand  vom  Anfang  der 
Messstrecke  war  dreimal  grösser  als  beim  ersten  Umkehr- 
punkt. 

Für  die  Berechnungen  wurde  nur  der  bei  weitem  sicherer 
zu  bestimmende  erste  Umkehrpunkt  verwerthet.  Bedeutet  l 
seinen  Abstand  vom  Beginn  der  Messstrecke,  L  wiederum  die 
Wellenlänge  des  messenden  Systenies,  so  ergiebt  die  Formel 

V  ""   L~ 

die  Geschwindigkeit  v  in  Theilen  der  Lichtgeschwindigkeit  F.  — 
L  wurde  in  der  gebräuchlichen  Weise  mittels  Resonanz  von 
Drähten  bestimmt. 


Oesehwindiffkeit  ti.  maffn.  Ablenkbarkeit  der  Kathodensiraklen,     768 

Das  Verhältniss  der  elektrischen  Ladung  e  der  Theilchen 
zu  ihrer  Masse  m  ergiebt  sich  mittels 

je  nachdem  e  elektrostatisch  oder  elektromagnetisch  gemessen 
wird,     a  folgt  dann  mittels 

cz=  —-0,9653. 10*  r, 

oder  kann  auch  direct  mittels 

a  =  3,22. 10-7  A 

~V 
berechnet  werden.    (Vgl.  §  5). 

Bei  der  Beurtheilung  von  X  macht  sich  störend  bemerk- 
bar, dass  wegen  der  langsamen  Bewegung  des  pendelnden 
Strahlenbündels  bei  den  äussersten  Ausschlägen  während  einer 
Terhältnissmässig  langen  Zeit  Eathodenstrahlen  durch  die 
Blende  By^  hindurchgehen.  Infolge  dessen  beobachtet  man  mit 
dem  System  a  b'  c'  d^  B^,  G  schon  erheblich  vor  dem  ersten 
Umkehrpunkt  neben  den  noch  in  gleichem  Sinne  wie  durch 
ab  cd  abgelenkten  Strahlen  auch  solche,  die  gar  nicht,  oder 
schon  entgegengesetzt  abgelenkt  sind;  und  ähnlich  ist  es  hinter 
dem  Umkehrpunkt.  So  fällt  es  denn  schwer,  ein  Urtheil  über 
die  Lage  des  Umkehrpunktes  zu  gewinnen,  und  man  kommt 
leicht  in  die  Gefahr,  sich  einem  systematischen  Irrthum  hin- 
zugeben, der  bei  allen  Beobachtungsreihen  A  in  gleicher  Weise 
zu  gross  oder  zu  klein  erscheinen  lässt.  —  Hiergegen  ist  die 
nothwendiger  Weise  recht  beträchtliche  Ausdehnung  der  Sy- 
steme Ky  jBj ,  ab  c  d  und  B^ ,  G^  a!  V  c'  d,  um  deretwegen 
die  Beurtheilung  von  X  ebenfalls  unsicher  wird,  verhältniss- 
mässig  unschädlich.  Indem  ich  als  Anfang  der  Messstrecke 
einen  Punkt  nahm,  der  in  ^s  ^®^  Entfernung  K — -B^  vor  K 
lag,  und  als  Ende  die  inmitten  des  Drahtes  d  b'  c  d  stehende 
Blende  B^,  werde  ich  den  Verhältnissen  in  dieser  Hinsicht 
wohl  genügend  Rechnung  getragen  haben. 

Wegen  der  zu  fürchtenden  systematischen  Fehler  will  ich 
das    Beobachtungsmaterial   hier   nicht   häufen,   sondern   mich 


764  E.  Wiechert 

darauf  beschränken,  zwei  Beobachtungsreihen  anzuführen,  die 
mir  besonders  zuverlässig  erscheinen. 

Der  Abstand  der  Condensatorplatten  war  ca.  1  cm;  iur 
jede  der  Leitungen  wurde  nur  je  ein  Zwischenglied  der  in 
Fig.  9  dargestellten  Art  benutzt.  Bei  der  Reihe  I  entsprachen 
die  ablenkenden  Drähte  genau  der  Fig.  6,  bei  der  Reihe  11 
wurden  sie  zweimal  in  der  gezeichneten  Weise  um  das  Rohr 
herumgeführt,  sodass  die  Einwirkung  auf  die  Kathodenstrahlen 
verdoppelt  wurde.  Die  grössere  Selbstinduction  der  Leitungen 
bei  II  bewirkte  eine  grössere  Wellenlänge  des  messenden 
Systemes,  nämlich  j&  =  1140  cm  gegen  L  =  940  cm  bei  I. 

Nach  Regulirung  des  Gasdruckes  mit  Hülfe  der  Luftpumpe 
wurde  bei  jeder  Messung  die  magnetische  Steifigkeit  5,  dann 
die  Geschwindigkeit  v  und  dann  wieder  die  magnetische  Steifig- 
keit 8  beobachtet.  Ueber  die  Bestimmung  von  S  ist  im  vorigen 
Paragraphen  das  Nöthige  gesagt.  Bei  der  Bestimmung  von  t, 
bezüglich  von  7.  erhielt  die  Messstrecke  /  nacheinander  ver- 
schiedene Werthe,  und  es  wurde  in  jedem  Falle  aus  der  Ein- 
wirkung des  Drahtes  a  V  c  d  geschlossen,  ob  und  wie  viel 
das  Ende  der  Messstrecke  vor  oder  hinter  dem  ersten  Um- 
kehrpunkt lag,  d.  h.  ob  und  wie  viel  /  kleiner  oder  grösser 
war  als  A. 

Von  den  beigefügten  Tabellen  enthält  die  Tab.  I  die  directen 
Beobachtungsdaten;  in  der  Tab.  II  sind  die  Ergebnisse  zn- 
sammengestellt,  wobei  fbr  die  magnetische  Steifigkeit  das 
arithmetische  Mittel  der  jedesmaligen  beiden  Werthe  genommen 
wurde. 

Der  Gasdruck  war  bei  den  ersten  Versuchen  der  beiden 
Reihen  ^4  bis  Ya  ^^  ^^^  ^^i  den  letzten  ungefähr  ^/j^,  mm. 

Nach  den  Beobachtungen  erscheinen  etwa 

1 

1300  ' 

i±-]  =3,77. 10^      U]  =1,26.10' 

V  W  /elektroBt.  '         \  W  /elektromagn. 

als  die  wahrscheinlichsten  Werthe  für  das  auf  0  =  16  be- 
zogene und  auf  ein  Elektron  kommende  Atomgewicht  a  und 
für  das  Verhältniss  ejm  von  Ladung  in  elektrostatischen  oder 
elektromagnetischen  Einheiten  und  Masse  in  Grammen.     Im 


QeachwituGffkeit  u.  magn.  Ablenkbarkeit  der  KaAodautrahUit.     T65 


-ü    «tj         -t>    «ü    «ü" 


^   |l 


t    ^-g     :2|     ^1 

«  1^   |i   |i 

«     H  CD      U  CQ      UM 


II 

Cd  n 


—  6 


+  +      +  +      +  + 


33 


ii   11 


766       ^.  Wiechert    Geschwindigkeit  u.  magn.  Äblenkbarkeit  etc. 


Tabelle  IL 


s 


a 


m 


elektrostatiBch     elektromagn. 


I.    L  =  940  cm 


279 
362 
420 


0,132 
0,153 
0,166 


1470 

1 
1810 

1 


326 
364 
403 


0,137 
0,151 
0,168 


1230 
[.    L 

1 
1300 

1 
1290 

1 
T29Ö 


4,25. 

.10" 

1,42. 

.10^ 

8,80. 

10" 

1,27, 

10^ 

3,56  . 

.10" 

1,19. 

10^ 

[140  cm 

3,78. 

10"      , 

1,26, 

10- 

3,73. 

10" 

1,24. 

10' 

3,75. 

10"      ' 

1,25. 

10' 

Hinblick  auf  die  zu  fürchteuden  systematischen  Beobachtungs- 
fehler müssen  für  a  die  Werthe 

und     

1600  1050 

noch  als  recht  wohl  möglich  bezeichnet  werden;   die  Werthe 

-— — -     und     -— - 

1900  900 

dagegen  sind  schon  sehr  unwahrscheinlich.  Entsprechend  er- 
geben sich  für  ejm  bei  elektrostatischem  oder  elektromagne- 
tischem Maass  die  Werthe 

4,64.10^7     und     3,04.  lOl^ 

1,55. 10^  und  1,01.10' 
als  gut  möglich,  die  Werthe 

5,51.10^7     ^ind     2,61. 10^^ 

1,84.10^  und  0,87.10^ 
dagegen  als  sehr  unwahrscheinlich. 

(Eingegangen  6.  September  1899.) 


3.  Ueber  die  Abhängigkeit 
des  elektrischen  Leitvermögens  vom  Druck; 

von  G.  Tammann. 


Wie  früher  gezeigt  wurde,  kann  man  den  Druckeinfluss 
auf  das  Leitvermögen  verdünnter  Lösungen  bis  zu  Drucken  von 
500  Atm.  in  guter  Uebereinstimmung  mit  der  Erfahrung 
unter  gewissen  Voraussetzungen,  die  sich  zum  Theil  aus  den 
allgemeinen  Anschauungen  über  die  Elektrolyse  ergeben,  be- 
rechnen.^) Sowohl  über  die  Abhängigkeit  des  Druckeinflusses 
vom  Dissociationsgrad  der  Elektrolyte,  als  auch  über  die  Ab- 
hängigkeit desselben  von  der  Concentration,  der  Temperatur 
und  der  Natur  des  Lösungsmittels  sind  wir  einigermaassen 
entweder  durch  die  directe  Erfahrung  oder  durch  Folgerungen 
aus  den  allgemeinen  Anschaunngen  über  Elektrolyse,  die 
bisher  durch  die  directe  Erfahrung  bestätigt  wurden,  unter- 
richtet. 

Ganz  unbekannt  war  bisher  der  Einfluss  höherer  Drucke, 
über  1000  Atm.,  auf  das  Leitvermögen.  Diese  Lücke  ist  durch 
die  im  Folgenden  mitgetheilten  Versuche  über  den  Einfluss 
des  Druckes  auf  die  Lösungen  eines  fast  vollständig  und  eines 
wenig  dissociirten  Elektrolyten,  auf  je  eine  verdünnte  Lösung 
von  Chlornatrium  und  Essigsäure,  bis  zu  Drucken  von  3600  Atm. 
gefüllt  worden. 

Mit  der  Frage  nach  dem  Druckeinfluss  auf  das  Leitver- 
mögen von  Lösungen  hängt  eng  zusammen  die  Frage  nach 
dem  Druckeinfluss  auf  die  Zähigkeit  des  Wassers  und  seiner 
Lösungen,  und  die  nach  der  Abhängigkeit  der  Zähigkeit  einer 
Lösung  von  ihrer  Concentration.  Auch  auf  diese  Fragen  soll 
im  Folgenden  etwas  näher  eingegangen  werden. 


1)  Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  17.  p.  726.   1895;    27.  p.  457.  1898. 


768  G.  lammann. 


Versuohsresultate. 

Das  Widerstandsgeßlss,  das  am  besten  die  Wirkung  hoher 
Drucke  ohne  erhebliche  Capacitätsänderung  vertrug,  hatte  die 
früher  beschriebene  Form.*)  Der  Abstand  der  Elektroden 
voneinander  betrug  nur  0,4  cm.  Durch  Drucksteigerung  auf 
3500  Atm.  wurden  dieselben  um  2  Proc.  ihres  ursprünglichen 
Abstandes  einander  genähert,  wenn  die  Spannweite  des  Glas- 
bogens,  in  dem  die  Platindrähte  eingeschmolzen  sind,  1  cm 
beträgt.  Die  durch  diesen  Umstand  bedingten  Correctionen 
sind  nicht  angebracht  worden,  weil  ihre  Beträge  wahrscheinlich 
durch  Streckung  der  Platindrähte,  an  denen  die  Elektroden 
befestigt  waren,  nicht  unerheblich  herabgedrückt  werden.  Diese 
den  Resultaten  noch  anhaftende  Unsicherheit  kann  ihrer  Grösse 
nach  die  weiteren  Folgerungen  kaum  beeinflussen.  Wider- 
standsgefässe  anderer  Form  und  grösserer  Capacität  mit  ins 
Gefäss  führenden,  eingeschmolzenen  oder  eingekitteten  Elek- 
trodendrähten konnten  nicht  verwandt  werden,  weil  hier  ent- 
weder die  Eintrittsstellen  zerdrückt  oder  die  Elektroden  ver- 
schoben wurden.  Die  Zuleitungsdrähte  wurden,  wie  früher'), 
isolirt  aus  dem  Druckcylinder  geführt.  Ueber  den  Druck- 
apparat selbst  und  die  Manometercorrectionen  ist  in  diesen 
Annalen  ^  nachzusehen.  Die  Widerstandsbestimmungen  wurden 
nach  der  bekannten  Methode  von  F.  Kohlrausch  ausgeführt. 
Der  Widerstand  der  Zuleitung  betrug  0,015  Ohm,  der  Wider- 
stand der  Lösung  50 — 100  Ohm.  Anfänglich,  beim  Druck 
einer  Atmosphäre,  wurde  gegen  den  Widerstand  der  Lösung 
ein  gleicher  Widerstand  geschaltet  und  derselbe  während  einer 
Versuchsreihe  nicht  geändert.  Die  Einstellung  aufe  Telephon- 
minimum konnte  immer  bis  auf  0,2  Theilstriche  der  Brücken- 
walze, also  auf  0,001  des  Widerstandes,  genau  ausgeführt 
werden.  Zum  Schluss.  nach  Erreichung  des  höchsten  Druckes, 
wurde  nochmals  der  Widerstand  bei  gewöhnlichem  Druck  be- 
stimmt.    Die  Difi'erenz   beider  Bestimmungen  betrug  -bei  den 


1)  Vgl.  A.  Bogojawlensky  u.  6.  Tammann,  Fig.  1,   Zeitschr. 
f.  physik.  Chem.  27.  p.  467.   1898. 

2)  Vgl.  Fig.  2,  1.  c. 

8)  Wied.  Ann.  68.  p.  557.   1899. 


Abhängigkeit  des  elektrischen  Leitvermögens  vom  Druck,     769 

r  mitgetheilten  Bestimmungen  höchstens  0,002  des  Wider- 

ndes.     Die  Temperaturabgaben  beziehen  sich  auf  die  Scala 

Physikalischen  Reichsanstalt.     Die  Badtemperatur  wurde 

auf  0,02^  während  Festlegung    einer  Isotherme   constant 

alten.    Nach  einer  Druckänderung  von  500  kg  wurde  20  Min. 

zur  Vornahme  der  endgültigen  Einstellungen  des  Telephon- 

limums  gewartet. 

In  folgender  Tabelle  sind    die  Resultate  der  Messungen, 

corrigirten  Drucke,   gemessen   in  Kilogramm   pro   1  qcm 

\  die  zu  diesen  gehörigen  Verhältnisse  der  Widerstände  beim 

ick  i?=lkg   und   ;?  kg,    R^jJR^^i,   nach  Anbringung   der 

ibercorrectionen  des  Drahtes  der  Brückenwalze  aufgeführt. 

m    folgen    beistehend    die  für  Drucke  von  500  zu  500  kg 

phisch  interpolirten  Werthe  von  B^jB^^i, 

Chlomatriural5sung  \/,o-normal. 


t  = 

0,06  <> 

/  =  20,05  0 

Rp 

R, 

R. 

R, 

r 
> 

^.=1 

Pkg 

^.=1 

P  kg 

~^P^l 

P  kg 

4>=i 

L 

1,000 

1 

1,000 

1 

1,000 

1 

1,000 

\ 

0,904 

500 

0,925 

774 

0,941 

500 

0,956 

\ 

0,875 

1000 

0,889 

1250 

0,924 

1000 

0,932 

\ 

0,862 

1500 

0,869 

1725 

0,914 

1500 

0,918 

1 

0,856 

2000 

0,858 

2216 

0,911 

2000 

0,912 

» 

0,854 

2500 

0,854 

2713 

0,911 

2500 

0,910 

\ 

0,856 

3000 

0,855 

3222 

0,911 

3000 

0,910 

1 

0,856 

3500 

0,857 

3720 

0,913 

3500 

0,912 

4000 

0,858 
Rp 

40,07  *> 

Rp 

4000 

0,915 

P  kg 

Ä.=r 

pkg 

Ä,.t 

1 

1,000 

1 

1,000 

776 

0,962 

500 

0,973 

1237 

0,958 

1000 

0,958 

1723 

0,945 

1500 

0,949 

2214 

0,944 

2000 

0,943 

2693 

0,944 

2500 

0,944 

3192 

0,949 

3000 

0,947 

kan. 

.  d.  PhTS.  \ 

3710 
1.  Chein.  N. 

0,953 
F.  69. 

3500 
4000 

0,952 
0,956 

49 

770 

G,  Tammann. 

EesigsäurelösuDg  ^j^^-norm^X, 

pkg 

.0,110 

Ä,.i 

Pkg 

t^  20,14« 

Rp 

1 

1,000 

1 

1,000 

1 

1,000 

1 

1,000 

777 

0,787 

500 

0,855 

787 

0,784 

500 

0,855 

1259 

0,687 

1000 

0,734 

1252 

0,692 

1000 

0,738 

1729 

0,615 

1500 

0,644 

1725 

0,619 

1500 

0,650 

2218 

0,554 

2000 

0,582 

2211 

0,550 

2000 

0,582 

2720 

0,497 

2500 

0,526 

2709 

0,510 

2500 

0,526 

8214 

0,478 

3000 

0,487 

3210 

0,468 

3000 

0,487 

8714 

0,447 

3500 

0,460 

3714 

0,482 

3500 

0,447 

4000 

0,430 

4000 

0,410 

P^^ 

Rp 

40,07  * 

Rp 
Äp=l 

1 

1,000 

1 

1,000 

776 

0,793 

500 

0,862 

1250 

0,698 

1000 

0,742 

1713 

0,627 

1500 

0,653 

2219 

0,562 

2000 

0,588 

2671 

0,518 

2500 

0,532 

3214 

0,472 

3000 

0,490 

3712 

0,439 

3500 
4000 

0,454 
0,420 

Wie  vorauszusehen,  beeinilusst  der  Druck  den  Widerstand 
der  verdünnten  Chlomatrinm-  und  Essigsäurelösungen  in  ganz 
verschiedener  Weise  (vgl.  Fig.  1).  Der  Widerstand  der  Essig- 
säurelösung nimmt  mit  steigendem  Druck  langsamer  als  pro- 
portional dem  Druck  ab  und  übertrifft  diese  Abnahme  bei 
gleichen  Drucken  die  der  Widerstände  der  Chlornatriumlösung 
recht  erheblich.  Die  Widerstandscurven  der  Essigsäure  für  0  ^, 
20^  und  40"  liegen  nahe  zusammen,  die  für  0^  und  20^' 
schneiden  sich  mehrmals,  die  für  40®  überlagert  bis  3000  kg 
die  beiden  anderen,  über  3000  kg  schneidet  sie  die  Curve 
für  0®.  Ganz  anders  ist  das  Verhalten  des  Widerstandes  der  Chlor- 
natriumlösuug,  hier  nimmt  mit  steigendem  Druck  der  Wider- 
stand zuerst  ab,  erreicht  ein  Minimum  und  nimmt  schliesslich  viel 
langsamer,  als  anfangs  ab,  wieder  zu.  Das  Minimum  des  Wider- 
standes verschiebt  sich  mit  der  Temperatur.  Für  0®  liegt  das  Mini- 
mum bei  ca.  2600,  für  20®  bei  ca.  2700  kg  und  für  40®  bei  2000  kg. 
Gleichzeitig  nimmt  mit  steigender  Temperatur  der  Einfluss  des 


fiffkeit  des  elektrischen  Leitvermögens  vom  Druck,     771 


0-90- 


bei  gleichen  Drucken  ab,  und  die  Curven  werden  in 
af  eine  durch  das  Minimum  gehende  Symmetrieaxe 
Bcher. 

keit  der  lonenreibung  und  der  Zähigkeit  vom  Druck. 

Dissociation  in  einer  Lösung  ist  bekanntlich  im  Gegen- 
Dissociation  in  Gasen,  soweit  die  Erfahrung  reicht, 
3n  einer  Contraction  be- 
3mentsprechend  muss  die- 
Lösungen  mit  steigendem 
mehmen,  in  Gasen  aber 
1  oder,  falls  keine  Volumen- 
die  Gasreaction  begleitet, 
\\g  vom  Druck  sein. 

den     Dissociationsgrad 
t  vollständig  dissociirten 
ten,  wie  Chlornatrium  in 
aler  Lösung  («=0,9),  kann 
^ksteigerung    von    1    auf 
eine   Vergrösserung    des  ^^ 
ionsgrades  um  höchstens 
.   hervorrufen,    wenn   die 
Inderung    bfei    der  Disso- 
dnes   g-Moleciiles   Chlor- 
10    ccm    beträgt.      Nun 
letztere  Grösse  sicher  be- 
kleiner   und    beträgt    in 
keit  vielleicht  nicht  mehr 
ner.  Dass  diese  Volumen- 
sehr  gering  ist,  folgt  aus 
den  eines  Einflusses   der 


070^ 


060 


Fig.  1. 


ion  auf  den  Binnendruck 
natriumlösungen.  Infolge  dessen  kann  man  den  Druck- 
uf  den  Dissociationsgrad  der  Chlornatriumlösungen  ver- 
gen,  und  erhält  nahezu  den  Druckeinfluss  auf  die 
►ung  17,  wenn  man  von  der  Druckänderung  des  Wider- 
(*,  die  der  Volumenänderung  J  ü,  der  Lösung  subtrahirt: 
1       Ari   _      ^_   AJ^  _      1      Av 

%^\      ^P      "     ^p=:l      ^P  ^p^l       ^P     ' 

49  ♦ 


I 


772  G.  Tammann. 

Man  findet  die  zur  Ausführung  dieser  Rechnung  noth- 
wendigen  Daten  in  folgender  Tabelle.  Zuerst  für  die  Drucke  p 
die  Werthe  ARIRp^i^  dann  die  Werthe  Jv/vp^i,  interpolirt  aus 
der  Tabelle  Amagat's  und  schliesslich  die  Differenzen  beider 
Werthe,  die  Druckänderungen  der  lonenreibung  Afijfip^\. 


t 

=  0,0« 

t  =  20,0  ** 

pkg 

AR 

Av 

Afj 

AB 
^P=i 

Av 

Vi 

500 

0,075 

0,023 

-  0,052 

0,044 

0,021 

0,023 

1000 

0,111 

0,043 

-  0,068 

0,068 

0,039 

—  0,029 

1500 

0,131 

0,059 

-0,071 

0,082 

0,055 

-  0,027 

2000 

0,142 

0,074 

-  0,068 

0,088 

0,069 

-  0.019 

2500 

0,146 

0,088 

-  0,058 

0,090 

0,082 

—  O.OOd 

3000 

0,145 

0,095 

-  0,050 

0,090 

0,094 

+  0004 

3500 

0,143 

0,110 

-  0,033 

0,088 

0,104 

-r  0,016 

4000 

0,142 

0,120 

-  0,022 
t  =  40,0 

0,085 

0 

0,113 

-r  0.026 

/'kg 

AR 

. 

Av 

Vi 

Afj 
Vi 

500 

0,027 

0,020 

-  0,007 

1000 

0,042 

0,038 

-  0,004 

1500 

0,051 

0,053 

+  0,002 

2000 

0,057 

0,068 

+  0,011 

2500 

0,056 

0,080 

+  0,024 

3000 

0,053 

0,092 

4-  0,039 

3500 

0,048 

0,102 

+  0,054 

4000 

0,044 

0,111 

+  0,067 

Die  Druckänderungen  der  inneren  Reibung  sind  Fig.  2 
graphisch  dargestellt.  Die  Minima  der  lonenreibungsisotberme 
sind  viel  deutlicher  ausgesprochen  als  die  der  Widerstantls- 
isothermen  und  liegen  natürlich  bei  kleineren  Drucken  als 
diese.  Auch  die  Verschiebung  der  Minima  der  lonenreibuogs- 
isothermen  mit  steigender  Temperatur  zu  niederen  Drucken 
tritt  deutlicher  auf.  Bei  ca.  50 — 60®  würde  das  Minimum 
bei  gewöhnlichem  Druck  liegen,  von  dieser  Temperatur  an 
würde  sich  das  Wasser  auch  in  dieser  Beziehung  wie  die 
übrigen  Flüssigkeiten  verhalten. 

Um  den  Vergleich  zwischen  den  Druckänderungen  der 
lonenreibung  einer  verdünnten  Lösung  und  der  Zähigkeit  des 


Abhängigkeit  des  elektrischen  Leitvermögens  vom  Druck.     773 

reinen  Wassers    durcbzuflihreu ,   tragen  wir  in  das  Diagramm 
jener  auch  diese  ein. 

Ueber  den  Einfluss  des  Druckes  auf  die  Zähigkeit  des 
Wassers  sind  von  Röntgen'),  Warburg  und  Sachs*]  und 
schliesslich  von  ß.  Cohen^  Versuche  angestellt  worden.    Voa 


m 

' 

H  V 

i 

/ 

".. 

4% 

/ 

/ 

/ 

^  1 

„ 

/ 

^ 

y 

y 

/ 

k: 

/ 

/ 

^ 

"  i '"' 

- 

- 

/ 

\.^ 

- 

i-^ 

^ 

03 

ly 

»      •/ 

/ 

■^ 

^ 

^ 

»d 

J 

Fig.  2. 

den  ersten  Beobachtern  wurde  constatirt,  dass  die  Zähigkeit 
des  Wassers  mit  steigendem  Druck  abnimmt,  dass  dagegen 
die  Zähigkeit  anderer  Flüssigkeiten  mit  steigendem  Druck  zu- 
nimmt. Von  K.  Cohen  wurden  die  Untersuchungen  Über  den 
Einfluss  des  Druckes  auf  die  Ausilasszeit  von  Wasser  aus 
einem  Qlasrohr  auf  grössere  Druck*   und  Temperatnrgebiete 

1)  W.  C.  RöDtgeD,  Wied.  Ann.  -i2.  p.  510.  1884. 

2)  E.  Wftrburg  u.  J.  Sachs,  1.  c.  p.  518. 

3)  R.  Cohen,  Wied.  Ann.  4&.  p.  66«.  1892. 


774  G.  Tammann. 

ausgedehnt.  Man  findet  in  der  Arbeit  B.  Cohen 's  die  relaÜTen 
Aenderungen  der  Ausflusszeiten  T—  (r^^i- jP^/T;,^!  _  fftr  + 15<> 
bis  zu  900  Atm.  und  für  +  1  ^  bis  zu  600  Atm.  Wie  man  aus 
den  einzelnen  Bestimmungen  der  Ausflusszeit  ersieht,  kann  der 
Fehler  der  relativen  Aenderung  derselben  bis  0,01  steigen.  Da 
bei  der  Temperatur  23^  nur  wenige  Beobachtungen  vorliegen 
und  hier  der  mögliche  Fehler  grösser  ist  als  die  gemessene  Aende- 
rung, so  sind  die  bei  23^  angestellten  Beobachtungen  ihrer 
grossen  relativen  Fehler  wegen  nicht  weiter  berücksichtigt 
worden.  Die  Mittel  der  bei  +1®  und  +15^  ca.  5  mal  wieder- 
holten Bestimmungen  mögen  schliesslich  mit  einem  Fehler  von 
±0,002  behaftet  sein. 

Druckänderungen  der  Ausflusszeiten  des  Wassers  nach  R.  Cofaeo. 


^--f-l« 

^=  +  15'' 

p 

^P^l-'^P 

P         T^^x-T^ 

Atm. 

^.  =  1 

Atm.     T^  ^  1 

100 

0,021 

100     0,007 

800 

0,0S8 

200      0,018 

600 

0,068 

300      0,015 
400      0,021 
500      0,025 

Da  die  Zähigkeit  proportional  der  Ausflusszeit  ist,  so 
kann  man,  um  den  Vergleich  zwischen  der  Abhängigkeit  der 
Zähigkeit  und  der  lonenreibung  vom  Druck  durchzuflihren, 
die  Daten  obiger  Tabelle  in  das  Diagramm,  Fig.  2,  eintragen. 
Die  von  Kreisen  umzogenen  Kreuze  beziehen  sich  auf  die 
letzteren.  Man  übersieht  nun  sofort,  dass  die  lonenreibnng 
einer  verdünnten  Lösung  und  die  Zähigkeit  des  Lösungsmittels 
sich,  soweit  die  Erfahrung  reicht,  in  gleicher  Weise  mit  dem 
äusseren  Druck  ändern.  Man  kann  also  die  Isothermen  der 
lonenreibung  auch  als  die  der  Zähigkeit  des  iVassers  betrachten. 
Man  ersieht,  dass  das  Wasser  betreffs  Abhängigkeit  seiner 
Zähigkeit  vom  Druck  sich  abweichend  von  anderen  Flüssig- 
keiten nur  in  einem  Zustandsgebiet,  das  sich  von  ca.  50^  über 
0^  hinaus  und  den  entsprechenden  Drucken  von  1  und  1450 Atm. 
erstreckt,  verhält. 


Abhängigheit  des  elektrischen  Zeitvermögens  vom  Druck.     775 

Berechnung  des  Druckeinflusses  auf  die  Zähigkeit  von 

Chlomatrinmlösungen. 

Macht  man  Gebrauch  von  dem  Satze,  dass  die  Druck- 
iderungen  der  Eigenschaft  einer  Lösung  gleich  sind  denen 
3S  Lösungsmittels  unter  einem  äusseren  Druck ,  der  gleich 
t  der  Binnendrucksdifferenz  J  K  zwischen  der  Lösung  und 
3m  Lösungsmittel  unter  gleichem  äusseren  Druck,  so  kann 
an  den  Druckeinfluss  auf  die  Zähigkeit  verdünnterer  Lö- 
mgen  in  ganz  befriedigender  Uebereinstimmung  der  Zähig- 
)itsisotherme  des  Lösungsmittels  entnehmen.  R.  Cohen  hat 
ich  den  Druckeinfluss  auf  die  Zähigkeit  einiger  Chlomatrium- 
sungen  bestimmt  und  gefunden,  dass  derselbe  mit  steigender 
3ncentration  von  negativen  in  positive  Werthe  übergeht.  Ver- 
dten  sich  nun  Chlomatriumlösungen  verschiedener  Concen- 
ation  wie  Wasser  unter  verschiedenen  äusseren  Diiicken,  so 
Igt  das  Resultat  R.  Cohen's  direct  aus  der  Gestalt  der 
Ihigkeitsisotherme  des  Wassers. 

In  folgender  Tabelle  sind  erstens  die  Concentrationen  der 
m  R.  Cohen  untersuchten  Chlomatriumlösungen  aufgeführt, 
um  folgen  unter  A  K  die  Unterschiede  zwischen  den  Binnen- 
*ucken  des  Wassers  und  der  Chlomatriumlösungen^),  ferner 
iter  a  die  Differenzen  der  Werthe  1/ 17^=^1,  ArjjAp  für  die 
rucke  AK  +  1  und  ^^"4-  310kg  und  unter  b  die  von 
.  Cohen  gefundenen  Aenderungen  der  Zähigkeit  bei  Druck- 
eigerung  von  1  auf  310  kg,  schliesslich  wiederholen  sich  die- 
Iben  Daten  für  den  Zuwachs  des  äusseren  Druckes  von 
K+1  auf  J  A:  +  620  kg  und  von  1  auf  620  kg. 

Druckeinfluss  auf  die  Zähigkeit  von  Chlornatriumlösungen. 
Proc- Gehalt  40/0  8^  13,8  7o  25,7% 

J  i^  in  kg  444  887  1264  2845 


bei      Qo   a 

-  0,012 

-  0,005 

+  0,007 

bei  +2     b 

-  0,015 

-  0,008 

+  0,021 

bei     20     a 

— 

+  0,000 

+  0,002 

+  0,007 

bei     14,5  b 

+  0,002 

+  0,008 

+  0,022 

bei      0     a 

-  0,021 

-  0,006 

+  0,016 

bei  +2     b 

-  0,028 

-  0,007 

— 

+  0,041 

bei     20     a 

+  0,001 

+  0,007 

+  0,014 

bei  14,5«  6 

+  0,003 

+  0,017 

— 

+  0,044 

1)  Zeitschr.  f.  physik.  Chem.  13.  p.  174.  1894. 


776  G,  Tammann, 

Bis  zur  Concentration  1 5  Proc.  ist  die  Uebereinstimmang 
eine  befriedigende.  Bei  25  Proc.  ist  der  berechnete  Zuwachs 
der  Zähigkeit  kleiner  als  der  gefundene,  was  durch  eine  schnellere 
Zunahme  des  Druckeinflusses  auf  die  Zähigkeit  des  gelösten 
Stoffs  bedingt  ist. 

Die  Druckänderung  der  Zähigkeit  von  Lösungen  wechselt 
bei  derjenigen  Concentration  ihr  Vorzeichen,  deren  Binnen- 
druckdifferenz gleich  ist  dem  äusseren  Druck,  bei  dem  die 
Zähigkeitsisotherme  des  Wassers  ein  Minimum  hat. 

Abhängigkeit  der  Zähigkeit  wässeriger  IiÖBungen  von  der 

Concentration. 

Man  ersieht  sofort,  dass,  wenn  die  Zähigkeit  des  gelösten 
Stoffs  sich  von  der  Zähigkeit  des  Lösungsmittels  nicht  unter- 
scheidet, die  Zähigkeit  einer  solchen  Lösung  sich  mit  der 
Concentrsition,  entsprechend  der  Aenderung  des  Binnendnickes, 
ändern  wird.  Ist  diese  Aenderung  des  Binnendruckes  in  ihr 
Abhängigkeit  von  der  Concentration  im  speciellen  Falle  bekannt 
so  hat  man  für  die  entsprechenden  JÜT-Werthe  die  Zähig- 
keiten der  Lösungen  unter  dem  Drucke  1  Atm.  der  Zähig- 
keitsisotherme des  Lösungsmittels  zu  entnehmen.  Dieser  ideale 
Fall  wird  wohl  aber  kaum  vorkommen.  In  vielen  Fällen  wird 
die  Abhängigkeit  der  Zähigkeit  des  Lösungsmittels  vom  Binnen- 
druck ganz  von  der  Zähigkeitsänderung  durch  den  gelösten 
Stoff  verdeckt,  und  nur  bei  starken  Verdünnungen  kann  dann 
die  Verminderung  der  Reibung  des  Wassers  zum  Vorschein 
kommen.  Diese  Verminderung  der  Zähigkeit  des  Wassers 
durch  geringe  Salzzusätze  muss  bei  Abnahme  der  Temperatur 
(von  50 — 0®)  bei  gleichen  Zusätzen  wachsen. 

üeberblickt  man  die  von  A.  Sprung^)  gegebenen  Tafeln, 
auf  denen  die  Abhängigkeit  der  Zähigkeit  für  mehrere  Salz- 
lösungen in  Wasser  von  der  Concentration  dargestellt  ist,  so 
findet  man  unter  den  Curven  mehrere,  die  für  Ammonium- 
chlorid, -bromid,  -nitrat  und  die  für  Ealiumchlorid ,  -bromid, 
-Jodid,  -nitrat,  welche  der  Zähigkeitsisotherme  des  Wassers 
sehr  ähnlich  sind  und  mit  steigender  Temperatur  ihre  Gestalt 
in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  die  Zähigkeitsisotherme  des  Wassers 
ändern.     Stellt  man  für  Chlorammonium  die  Zähigkeiten  gra- 

1)  A.  Sprung,  Pogg.  Ann.  159.  p.  1.  1876.    Taf.  I. 


Abhängigkeit  des  elektrischen  Leitvermögens  vom  Druck.     111 

phisch  in  Abhängigkeit  von  der  Binnendrucksdifferenz  A  K  dar, 
so  fällt  die  Zähigkeitscurve  der  Chlorammoniumlösangen  für 
20^  mit  der  Zähigkeitsisotherme  des  Wassers  für  20**  bis  zur 
Concentration  16  Proc,  entsprechend  dem  JiT-Werth  930  kg, 
zusammen.  Die  Zähigkeitscurve  der  Chlorammoniumlösungen 
für  0^  liegt  dann  unterhalb  und  die  für  40®  oberhalb  der  ent- 
sprechenden Zähigkeitsisotherme  des  Wassers.  Die  Abhängig- 
keit der  Zähigkeit  des  gelösten  Chlorammoniums  von  der  Tem- 
peratur ist  also  von  der  des  Wassers  merklich  verschieden. 
Aehnliches  findet  man  bei  den  Lösungen  des  Kaliumjodids. 

Die  Abhängigkeit   des  Dissociatioiisgrades   der  Essigsäure   vom 

Druck. 

Unter  zwei  Voraussetzungen  kann  man  aus  den  Messungen 
des  Druckeinflusses  auf  den  Widerstand  der  Essigsäurelösung 
den  Druckeinfluss  auf  den  Dissociationsgrad  der  gelösten  Essig- 
säure ableiten.  Die  erste  dieser  Voraussetzungen  ist  die,  dass 
sich  die  Volumina  der  Yio'^^^"^^!®^  Essigsäure  und  der  ^lo" 
normalen  Chlornatriumlösung  mit  dem  Druck  so  ändern,  wie 
das  Volumen  des  Wassers.  Der  höchstmögliche  Fehler  dieser 
Annahme  übersteigt  nicht  1  Proc.  der  Volumenänderungen. 
Das  Zutreffen  der  zweiten  Voraussetzung,  dass  die  lonen- 
reibungen  in  beiden  Lösungen  in  gleicher  Weise  vom  Druck 
abhängen,  ist  fraglich.  Eine  Entscheidung  über  diese  Frage 
könnten  Untersuchungen  über  die  Abhängigkeit  der  lonen- 
reibung  des  Natriumacetats  vom  Druck  bringen. 

Unter  diesen  Voraussetzungen  kann  man  den  Eiufluss  des 
Druckes  auf  den  Dissociationsgrad  a  der  Essigsäure  erfahren, 
wenn  man  von  den  relativen  Widerständen  der  Chlornatrium- 
lösungen die  der  Essigsäurelösungen  unter  gleichen  Drucken 

subtrahirt: 

1  1 


^ 


(»)  ^;:x 


NaCl 


^p                      _     P  =  l          J> 

P         P  = 

^p  =  l/ Essigsäure                      ^ 

«1» 

«P=l 

Diesen  Quotienten  kann  man  auch  noch  auf  anderem  Wege 
berechnen.     Bekanntlich  gilt  nach  M.  Planck  die  Beziehung: 


(2) 


<^lo^nat^  ^^ 


dp  1000  AT 


778  G.  Tammann. 

wo  K  die  Dissociationsconstante  und  J  v  die  Volumenände- 
ruDg  bei  der  Dissociation  der  Essigsäure  in  ^/j^- normaler 
Lösung  bedeutet.  Um  diese  Gleichung  integriren  zu  können, 
machen  wir  die  Annahme,  dass  Jv  vom  Druck,  wie  das  Vo- 
lumen des  Wassers  und  von  der  Temperatur,  wie  die  Volumen- 
änderung  bei  der  Neutralisation^)  abhängt  Als  Werth  von  Av 
bei  20^  nehmen  wir  10,3  ccm  an.*)  Berechnet  man  dann  für 
von  1000  zu  1000kg  steigende  Drucke  die  Werthe  Jv/ 1000 RT, 
so  erhält  man  folgende  Interpolationsgleichungen: 

Qo  d\^K  ^  0,0002073  -  7,15  X  lO-»/?  +  4,5  X  10"  V 

(3)  ]  20«  -^^^  =  0,0001809  -  7,20  x  10'^ p  +  5,5  X  10- V 

400  ä}^  ^  0,0001622  -  7,00  x  10'^ p  +  6,5  x  10-^^pK 

Integrirt  man  diese  Gleichungen,  so  erhält  man  die  Glei- 
chungen für  die  Werthe  log  [KpjKp^ijy  mit  deren  Hülfe  die 
Wertiie  log(Äp/jKp«i)  von  1000  zu  1000  kg  berechnet  wurden. 
Schliesslich  ergeben  sich  mit  Hülfe  der  Gleichung 

H)  «-^(l/W-') 

die  Werthe  a^. 

In  folgender  Tabelle  sind  die  so  erhaltenen  Quotienten 
(op— «^«i)/aj,  unter  her.  verzeichnet,  unter  gef.  findet  man 
die  aus  den  Messungen  des  elektrischen  Widerstandes  mit  Hülfe 
der  Beziehung  (1)  abgeleiteten  Werthe  (c^— ap  =  i)/aj,.  Diese 
Werthe  sollten  übereinstimmen.  Doch  findet  man  eine  ziem- 
lich befriedigende  Coincidenz  nur  bei  einer  Temperatur  bei  20», 
bei  0^  sind  die  gefundenen  Werthe  kleiner  als  die  berech- 
neten und  bei  40^  findet  man  das  umgekehrte  Verhältniss. 
Man  ersieht  aus  Formel  (2),  dass  der  Druckeinfluss  auf  die 
Dissociationsconstante  für  die  Dissociation  im  Wasser  und  wohl 
auch  in  anderen  Lösungsmitteln  mit  steigender  Temperatur 
abnehmen  muss,  weil  T  im  Nenner  zunimmt  und  J  o  im  Zähler 
für  das  Lösungsmittel  Wasser  von  0 — 50^  ebenfalls  abnimmt 
Die  nach  (1)  abgeleiteten  Aenderungen  des  Dissociationsgrades 


1)  Zeitschr.  f.  physik.  Chem.  16.  p.  142.  1895. 

2)  I.  c.  27.  p.  461.  1898. 


Abhängigkeit  des  elektrischen  Leitvermögens  vom  Druck,     779 

ben  aber  ein  Anwachsen  desselben  mit  steigender  Temperatur. 
T  Grund  hierfür  ist  wahrscheinlich  der,  dass  die  Reibung 
r  Ionen  der  Essigsäure  nicht  so  wie  die  der  Chlornatrium- 
len  von  der  Temperatur  und  dem  Drucke  abhängt  Man 
Lsste,  um  ein  besseres  Resultat  zu  erhalten,  in  Gleichung  (1) 
:ht  die  Druckabhängigkeit  der  Widerstände  der  Chlomatrium- 
ung,  sondern  die  der  äquivalenten  Natriumacetatlösung  ein- 
iren. 


«P 

P  kg 

^-0* 

20*> 

AO^ 

500 

— 

0,100 
0,103 

0,076  ber. 
0,111   gef. 

1000 

0,190 
0,155 

0,169 
0,194 

0,153  ber. 
0,216  gef. 

2000 

0,341 
0,276 

0,304 
0,330 

0,277  ber. 
0,355  gef. 

3000 

1  0,464 
1  0,368 

0,417 
0,423 

0,383  ber. 
0,457  gef. 

4000 

1  0,562 
l  0,428 

0,504 
0,505 

0,472  ber. 
0,536  gef. 

Beim  Drucke  von  8600  kg  enthält  die  Essigsäurelösung 
derselben  Gewichtsmenge  doppelt  so  viel  Ionen  als  unter 
wohnlichem  Druck.  In  demselben  Yerhältniss  ändert  sich 
ch  ihre  Avidität  der  Salzsäure  gegenüber  (J.  Thomsen- 
Arrhenius).  Bei  anderen  Stoffen,  wie  beim  Ammoniak  und 
r  Kohlensäure,  deren  A  v  ca.  2,5  mal  grösser  ist  als  das  der 
sigsäure,  würde  die  Verdoppelung  der  lonenzahl  schon  bei 
vas  über  1000  kg  erreicht  werden.  Dem  grossen  Druck- 
ifluss  auf  die  wenig  dissociirten  Elektrolyte  steht  die  Un- 
hängigkeit  des  Dissociationsgrades  stark  dissociirter  Elek- 
>lyte  gegenüber. 

Bei  Aenderung  des  Druckes  in  Flüssigkeiten  um  wenige 
mosphären  darf  man  Aenderungen  der  Gleichgewichte  zwischen 
n  gelösten  Stoffen  und  durch  diese  bedingte  Aenderungen 
r  Reactionsgeschwindigkeiten ,  die  durch  die  gewöhnlichen 
ithoden  der  Concentrationsbestimmung  wahrnehmbar  sind, 
;ht  erwarten.  Dagegen  könnte  in  tiefen  Meeren  der  Einfluss 
3  Druckes   auf  Reactionen   im  Meerwasser   schon   merklich 


780  G.  Tammann,     Abhängigkeit  etc, 

werden.  In  der  Tiefe  von  5000  m  (550  kg)  wäre  der  Disso- 
ciationsgrad  der  gelösten  Kohlensäure  ungefähr  1,4  mal  und 
in  der  Tiefe  von  10000  m  1,7  mal  so  gross  als  an  der  Ober- 
fläche. Dementprechend  würde  auch  die  Lösungsgeschwindig- 
keit des  neutralen  kohlensauren  Kalkes  mit  der  Tiefe  zu- 
nehmen. In  der  That  finden  sich  Calciumcarbonatablagerungen 
nur  bis  ca.  5000  m  Meerestiefe. 

lieber  den  Einfluss  des  Druckes  auf  das  chemische  Gleich- 
gewicht in  Flüssigkeiten  und  die  hiermit  zusammenhängenden 
Aenderungen  der  Reactionsgeschwindigkeit  sind  unrichtige  An- 
sichten, die  sich  zum  Theil  auf  eine  unrichtige  Interpretation 
von  Versuchsresultaten  stützen,  sehr  verbreitet.  Soll  unter- 
sucht werden,  ob  zwei  Stoffe  aufeinander  einwirken,  so  werden 
sie  gewöhnlich  in  einem  geeigneten  Lösungsmittel  gelöst  und, 
nachdem  dfe  Mischung  einige  Zeit  bei  Zimmertemperatur  ver- 
blieb, auf  eventuelle  Veränderungen  der  ursprünglichen  Stoffe 
gefahndet.  Bleibt  eine  solche  aus,  so  wird  die  Mischung  auf 
der  Temperatur  des  Siedepunktes  der  Lösung  unter  Luftdruck 
erhalten,  bleibt  auch  hier  die  gewünschte  Beaction  aus,  so 
wird  schliesslich  das  Gemisch  im  geschlossenen  Glasrohr  auf 
ca.  130^  erwärmt.  Häufig  wird  die  erwartete  Reaction  unter 
diesen  Bedingungen  deutlich  merkbar.  Ist  nun  das  erste 
Temperaturintervall  grösser  als  das  zweite,  so  glaubt  man  sich 
besonders  berechtigt,  der  geringen  Drucksteigerung  von  10 
bis  20  Atm.  im  Schiessrohre  einen  ganz  erheblichen  Einfiuss 
auf  die  Reactionsgeschwindigkeit  zuschreiben  zu  dürfen.  Das 
Anwachsen  der  Reactionsgeschwindigkeit  ist  hier  aber  einzig 
und  allein  der  Temperatursteigerung  und  nicht  der  Druck- 
steigerung zuzuschreiben. 

(Eingegangen  25.  September  1899.) 


4.    lieber  einen  eooperi/mentellen  und  theoretischen 

Trugschltiss  i/n  der  Elehtricitütslehre; 

von  Ernst  Lecher. 

(Nach  den  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien   Bd.  CVllI, 
Abtb.  IIa,  13.  Juli  1899,  bearbeitet  vom  Hm.  Verfasser.) 


\9 


0< 


W.  König ^)  hat  ein  Verfahren  beschrieben,  welches  eine 
fortdauernde  Drehung  eines  Magnetpole«  um  einen  strom- 
durchflossenen  Leiter  hervorbringt.  Er  bezieht  sich  dabei  auf 
p.  160  des  bekannten  Werkes  von  Bbert  ,, Magnetische  Kraft- 
felder". —  Ich  hingegen  leugnete  seinerzeit^  die  Thatsache, 
dass  ein  stromdurchflossener  Leiter  einen 
Magnetpol  constant  längst  den  Stromkraft- 
linien herumrotiren  lasse.  — 

Der  entsprechende  alte  Pohl' sehe  (?) 
Versuch  ist  in  fast  allen  Lehrbüchern  der 
Elektricitätslehre  beschrieben  und  wird  ge- 
wöhnlich als  äusserst  bequemer  Ausgangs- 
punkt für  weitere  Schlüsse  benutzt,  trotz- 
dem er  theoretisch  und  experimentell  falsch 
ist,  wie  sich  durch  folgende  einfache  Ab- 
änderung dieses  Versuches  leicht  zeigen 
lässt. 

Die  beiden  Magneten  s  n  und  s  n 
hängen  mittels  des  zweimal  rechtwinklig 
gebogenen  Drahtes  s  r  r  s  an  dem  Faden  eg, 

—  In  der  Mitte  von  r  r  sind  zwei  Zacken 
angelöthet,  welche  in  die  kleine  Queck- 
silberrinne w  w  eintauchen.  B  B'  ist  die 
Batterie.  Der  eine  Pol  B  bleibt  dauernd 
mit  dem  möglichst  langen  verticalen  Drahte  a  verbunden. 
Am  oberen  Ende  dieses  Drahtes  ist  das  Quecksilbernäpfchen  b, 

—  Von  da  kann   der  Strom  in  zweierlei  Weise  weitergehen. 


Fig.  1. 


1)  W.  König,  Wied.  Ann.  60.  p.  519.  1897. 

2)  E.  Lecher,  Wied.  Ann.  54.  p.  282.  1895. 


782  E.  Lecher. 

Er  fliesst  entweder  über  den  horizontalen  Draht  p  in  die 
Quecksilberrinne  f  und  über  den  Draht  z  zur  Batterie  B 
zurück.  Es  ist  das  die  alte  Schaltung  und  der  allbekanDte, 
nach  meiner  Ansicht  falsche  Verauch.  Oder  aber  man  ver- 
bindet B  nicht  mit  Zy  sondern  in  weitem  Bogen  mit  der  oberen, 
kleinen  Quecksilberrinne  w\  dann  fliesst  der  Strom  wieder 
durch  den  geraden  Draht  a,  das  Quecksilbemäpfchen  b,  geht 
jedoch  nun  in  die  oberen  Hälften  der  beiden  Magnete  und 
über  srw  und  s  r  w  zm  B  zurück.  Bei  der  ersten  Schaltang 
genügt  eine  Stromstärke  von  1,5  Amp.,  um  die  bekannte 
Drehung  hervorzubringen.  —  Bei  der  zweiten  Schaltung  aber 
ist  bei  dem  Maximum  der  Stromstärke,  die  ich  ohne  Ge- 
fährdung des  Apparates  anwenden  konnte,  bei  ca.  30  Amp. 
keine  Spur  einer  Bewegung  zu  bemerken.  Wenn  nun  die  Be- 
wegungsursache bei  der  ersten  Schaltung  durch  die  Wirkung 
des  Drahtes  a  auf  die  Pole  n  und  n  gegeben  ist,  so  müsste 
diese  Wirkung  auch  bei  der  zweiten  Schaltungsweise  vorhanden 
sein  und  das  ist,  wie  der  Versuch  zeigt,  nicht  der  Fall. 

Somit  ist  die  Ursache  der  Rotation  auch  bei  der  ersten  Schal- 
tung sweise  nicht  im  Drahte  a,  sondern  im  Drahte  z  zu  suchen. 
Die    behauptete  Drehung   ist   aber  auch  theoretisch  un- 
möglich.    Vom  Standpunkte  der  Fernwirkungstheorie  aus  be- 
wies dies  schon  Margules.^)  Aber  auch  die  neue 
Kraftlinientheorie  erbringt  gar  keinen  Grund  für 
eine  derartige  Rotation. 

Ueberblicken  wir  etwas  eingehender  den 
Verlauf  der  Kraftlinien  in  Fig.  2.  Es  sei  n  der 
zu  betrachtende  Pol,  dem  irgendwo  ein  ent- 
sprechender 5-Pol  zugeordnet  sein  muss.  Der 
"  Leiter,  der  die  Rotation  hervorbringen  soll,  sei 
aa\  Derselbe  wird  nun  von  den  Kraftlinien 
des  Magneten  (punktirt  gezeichnet)  einmal  ge- 
"'^'  ^  schnitten.     Für  den  Zweck  der  Betrachtung  ist 

CS  gleichgültig,  ob  wir  die  Kraftlinien  fest  mit  dem  Magnete 
verbunden  denken  oder  ob  wir  die  ursprüngliche  Anschauung 
Faraday's  einführen,  welche  ich  in  der  früher  citirten  Arbeit 
vertreten  habe,  wonach  die  Kraftlinien  im  Räume,  aber  nicht 


1)  M.  Margules,  Wied.  Ann.  6.  p.  59.  1879. 


Trugschhiss  in  der  EUktricitäUlehre, 


783 


am  Magneten  haften.  Nie  kann  bei  einer  Rotation  von  n  s  um 
aa  ein  Schneiden  von  Kraftlinien  stattfinden,  es  ist  daher 
eine  Rotation  infolge  des  Stromes  in  aa'  unmöglich. 

Wenn  man  sich  nicht  mit  einem  so  qualitativen  Experi- 
ment, wie  es  in  Fig.  1  geschildert  ist,  begnügen  wUI,  so  zeigt 
es  sich,  dass  die  Durchführung  eines  quantitativ  genaueren 
Versuches  auf  einige  Schwierigkeiten  stösst. 

Ich  versuchte  experimentell  die  ablenkende  Wirkung 
eines  Stromes  auf  einen  Magnetpol  nach  dem  Oerstedt'schen 


f 


p 


D^ 


Z 


Or 


u. 

O 


n 


a 


Fig.  3  a.  Fig.  3  b. 

und  dem  in  Frage  stehenden  Principe  zu  vergleichen.  Der 
Magnet  ns  (Fig..  3a)  ist  fest  verbunden  mit  dem  Drahte  cc, 
der  in  seiner  weiteren  Verlängerung  das  Gegengewicht  ff  trägt. 
Der  Strom  geht  durch  aa  über  das  Quecksilbernäpfchen  b, 
dann  durch  die  eine  Magnethälfte  über  s  nach  dem  Punkte  u 
in  die  kleine  Quecksilberrinne  w.  Das  ganze  System  hängt 
an  einem  Coconfaden  und  besitzt  eine  Spiegelablesung.  Indem 
man  zwei  Schrauben  bei  s  und  u  löst,  kann  man  dann  den 
Magneten  an  dieselbe  Aufhänge-  und  Ablesevorrichtung  in 
horizontaler  Lage  hängen  (Fig.  3  b)  und  unten  horizontal  einen 
Stromleiter  r  r  vorbeiführen.  Wenn  die  Entfernung  des  Poles  n 
vom  Stromleiter  die  gleiche  ist,  so  ist  in  beiden  Versuchen 
alles  gleich  bis  auf  die  Hebelarme  und  den  umstand,  dass  im 


784  E.  Lecher. 

zweiten  Falle  zwei  Pole  wirken.  Bei  einer  so  feinen  An- 
ordnung zeigt  sich  nun  das  merkwürdige  Resultat,  dass  auch 
in  der  ersten  Stellung  (Fig.  3a)  immer  eine  Ablenkung  ein- 
tritt, die  aber  in  ihrer  Grösse  mit  der  zweiten  Ablenkung 
(Fig.  3  b)  absolut  nicht  stimmen  will.  Sie  ist  meist  kleiner 
und  auch  im  Zeichen  oft  entgegengesetzt.  Die  Fehlerquelle 
ist  leicht  zu  finden.  Wenn  aa  nicht  genau  centrirt  ist  oder 
wenn  dieser  Draht  irgendwo  kleine  Verbiegungen  besitzt,  dann 
werden  bei  der  Rotation  Kraftlinien  geschnitten  und  das  ist 
die  Ursache  der  Ablenkung.  Wenn  aber  der  Draht  a  a  während 
der  Beobachtung  mechanisch  um  die  eigene  Axe  rotirt  wird, 
so  verschwindet  jede  Ablenkung.  Dasselbe  tritt  ein,  wenn  der 
Magnet  n«  in  zwei  Lagen  beobachtet  ist,  welche  um  180^  ver- 
schieden sind,  also  einmal  rechts  und  einmal  links  vom  Drahte 
und  wenn  in  mehreren  Azimuthen  die  entsprechenden  Beob- 
achtungen zu  einem  Mittelwerthe  combinirt  werden.  Ebenso 
verschwindet  jede  Drehung  fast  ganz,  wenn  man  —  der  ge- 
bräuchlichen Anordnung  entsprechend  —  zwei  gegenüber- 
stehende Magnete  verwendet.  Die  reducirte  Ablenkung  bei 
Fig.  3  a  ist  dann  etwa  1000  mal  kleiner,  als  die  nach  Fig.  3  b. 
Diese  restlichen  Impulse  rühren  wohl  von  dem  gegenseitigen 
elektrodynamischen  Einflüsse  der  Leitertheilchen  her,  welche 
sich  kaum  ganz  vermeiden  lassen. 

Es  liegt,  wie  ich  glaube,  in  der  historischen  Entwickelang 
unserer  Anschauungen  über  Kraftlinien,  dass  die  Idee  der 
Rotation  eines  Poles  um  den  Strom  sich  so  lange  erhalten 
konnte.  Farad ay  nämlich  beschäftigte  sich  mit  dieser  Rotation 
lange  Zeit  vor  Conception  seines  Kraftlinienbegriffes.  Damals 
—  1821  —  spricht  Faraday  von  den  Polen  als  selbst- 
ständigen Existenzen,  er  betrachtet  damals  den  Pol  als  blossen 
Wirkungsmittelpunkt.  ^)  Damals  sagte  er  z.  B.^),  dass  Eisen- 
feilicht, über  die  Stromspirale  gestreut,  „sich  sehr  bald  über 
dem  Magnet  in  krummen,  von  dem  einen  Ende  zum  andern 
gehenden  Linien  anordnen  und  den  Ifeg  angeben,  den  der  Pol 
nehmen  würde^'.  Seine  bekannten  Rotationsversuche  unter- 
nimmt er  von  dieser  Voraussetzung  aus,  die  sehr  einfach  und 

1)  Vgl.  Uebereetzung  von  Kalischer  2.  p.  116  u.  137.  1891. 

2)  1.  c.  p.  127. 


Trugschluss  in  der  Elektricitätslehre. 


785 


verlockend  erscheint.  Die  Entdeckung  von  Oersted  und  die 
Arbeiten  von  Biot  und  Savart  schienen  alle  mit  dieser 
Voraussetzung  in  bester  üebereinstimmung.  Dass  Farad ay 
erst  später  —  1831  —  zu  einem  genaueren  Begriffe  der 
Kraftlinien  kam,  sagt  er  selbst  gelegentlich  in  einem  Briefe 
an  TyndalP):  ,,Es  sind  nun  heutzutage  24  Jahre  her,  dass 
ich  zum  ersten  Male  die  Aufmerksamkeit  auf  diese  Linien 
lenkte.^'  In  späteren  Jahren  giebt  Faraday  zu  wiederholten 
Malen  Definitionen  von  Kraftlinien,  z.  B.  1851^)  und  fast 
identisch  1852.^)  —  In  diesen  Definitionen  fehlt  die  bis  heute 
oft  ausgesprochene  Vorstellung,  dass  die  Kraftlinien  Linien 
seien,  längst  welchen  sich  ein  Pol  bewegen  müsse.  Faraday 
war  eben  inzwischen  zu  einer  bestimmteren  Vorstellung  ge- 
kommen^]: „Absoluter  oder  beziehungsloser  Nord-  und  Süd- 
magnelismus  ist  unmöglich.^'  In  dieser  späteren  Zeit  kam  aber 
Faraday  nicht  mehr  auf  den  in  Bede  stehenden  Rotations- 
versuch zurück.  Und  da  dieser  Versuch  zur  Anschauung  der 
Femwirkungstheorie  scheinbar  stimmte,  wurde  es  ermöglicht, 
dass  er  auch  im  experimentellen  Studium  sich  mit  solcher 
Hartnäckigkeit  erhalten  konnte. 

Bei  dem  Faraday 'sehen  Botationsversuch  gleitet  der 
bewegliche  Magnet  durch  die  im  Quecksilber  feststehenden 
Kraftlinien,  welch'  letztere  die  Ursache  der 
Rotation  sind. 

Auch  die  eingangs  erwähnte  neue  An- 
ordnung von  W.  König  halte  ich  in  vor- 
liegender Frage  nicht  für  beweisend.  Der- 
selbe verwendet  eine  stromdurchflossene 
Röhre  rr  und  bringt  die  gleichnamigen 
Pole  hackenförmig  umgebogener  Magnet- 
stäbe in  das  Innere  derselben.  Das  wesent- 
liche der  Anordnung  ist  in  Fig.  4  (mit  nur 
einem  Magneten)  schematisch  skizzirt.  So- 
wohl Magnet  als  auch  Röhre  sind,  jedes 
für  sich,  um  die  gemeinsame  Axe  a  a  dreh-  p|g  4^ 


1)  Vgl.  Uebersetzung  von  Kalischer  8.  p.637.  1891. 

2)  1.  c.  p.  298.  §  3071. 
8)  1.  c  p.  867. 

4)  1.  c  p.  388.  §  8277. 
Ann.  d.  Phjt.  u.  Chem.    N.  F.    69.  50 


786  S.  Lecker. 

bär.  —  Der  Strom  tritt  in  die  Röhre  mittels  eines  Qaeck- 
silbercontactes  in  rr  ein  und  vermittelst  eines  zweiteo  in  r'r' 
aus.  Fliesst  durch  die  Röhre  ein  starker  Strom,  so  roürt 
Röhre  und  Magnet  nach  entgegengesetzter  Richtung.  Mir 
erscheint  dieser  Versuch  nur  als  nene  Form  des  alten  Barlow'- 
achen  Rädchens.  Die  Kraftlinien  zwischen  n  und  t  werdeD 
durch  den  Leiter  r  r'  fortwährend  geschnitten.  Diese  Bewegung 
hat  aber  mit  der  angeblichen  Rotation  eines  Poles  um  einen 
axialen  stromdurchäossenen  Leiter  nichts  zu  thun. 

Was  schliesslich  die  Darstellung  dieser  Angelegenheit  bei 
Ebert  anlangt,  so  seien  mir  folgende  Bemerkungen  gestatteL 


Ebert  spricht  sich  zwar  zu  wiederholten  Malen  gegen  die 
Existenz  „eines"  Poles  aus  and  scheint  auch')  meinen  Blia- 
wand  gegen  den  in  Rede  stehenden  Versuch  für  begründet 
zu  halten.  Gleichwohl  ist  aber  an  einer  anderen  Stelle*)  eine 
diesbezügliche  Fictiou  ziemlich  weit  ausgeführt  Als  üeber- 
Schrift  des  in  Rede  stehenden  Paragraphen  setzt  Ebeit 
„Dia^amm  des  elektromagnetischen  Grundversnches".  Nach 
dem  vorhergehenden  ist  aber  das  Resultat  des  Versuches  durch 
secundäre  Umstände  bedingt  und  kann  er  daher  nicht  ala 
örundversuch  bezeichnet  werden.    Gleichwohl  könnte  aber  auch. 

1)  H.  Ebert,  Hagoetische  Kraftfelder  p.  ISO.  §  1&8.  Leipzig  189«. 

2)  L  c.  p.  179.  §  174. 


Truffschluss  in  der  Elektricitätslehre,  787 

rie  ich  glaube,  die  weitere  Darstellung  des  Gegenstandes  viel- 
eicht zu  Irrthümern  Anlass  geben.  Durch  die  bekannte  Super- 
)08ition  der  Kraftfelder  des  Stromes  und  des  Magneten  erhält 
5bert  vorstehende  Zeichnung  (Fig.  5),  welche  der  üebersichtlich- 
Leit  wegen  etwas  vereinfacht  ist.  Der  Punkt  links  ist  der  Durch- 
schnitt des  Stromes,  der  Punkt  rechts  ein  Südpol.  Die  spiral- 
Örmigen  Linien  stellen  die  Kraftlinien  dar.  Der  Siidmagnetpol 
st  eine  Sinkstelle.  Ebert  erwähnt  hier  auch,  dass,  da  die  Linien 
Lur  scheinbar  endigen,  sie  in  den  Magnet  hineingehen  und  so 
Lus  dem  Felde  verschwinden.  Doch  sollte  dann  meiner  Meinung 
tach  auch  ganz  besonders  betont  werden,  dass  diese  Linien 
rgendwo  aus  dem  Nordpol  herausquellen  und  ins  Feld  zurück- 
:ehren  müssen.  Ebert  sagt  in  Bezug  auf  den  Eindruck  vor- 
tehender  Fig.  5:  „Die  sonst  in  sich  zurückkehrenden  Strom- 
Lraftlinien  sind  dadurch  zu  einer  unendlichen  Spirale  geöffnet." 
Meses  Beispiel  könnte  unter  der  Fiction  nur  eines  Poles  als 
;eometrisch  richtig  gelten,  hätte  aber,  und  das  scheint  mir  in 
Sbert's  Darstellung  leicht  übersehen  werden  zu  können,  keine 
physikalische  Bedeutung.  Es  darf  daher-  auch  der  Anblick 
lieses  Kraftfeldes  nicht  zu  weiteren  physikalischen  Schlüssen 
erwendet  werden.  Die  vom  Pole  ausgehenden  Kraftlinien 
liegen  sich  ja  immer  einmal  nach  oben  oder  unten  zum 
»nderen  Pole  um  und  treten  so  aus  der  Zeichnungsebene 
leraus.  Denken  wir  uns  einen  Leiter  und  parallel  zu  dem- 
elben  einen  Magneten,  so  werden  die  Kraftlinien  des  Mag- 
leten  schraubenförmig  um  den  Leiter  sich  herumwickeln,  immer 
,ber  in  sich  geschlossene  Curven  bilden. 

Aus  den  angeführten  Gründen  glaube  ich  den  hier  erörterten 
ogenannten  Fundamentalversuch  als  einen  theoretischen  und  ex- 
perimentellen Trugschlvss  erklären  zu  müssen:  nach  den  theore- 
ischen  üeberlegungen  kann  eine  Rotation  nie  eintreten  und 
ie  experimentell  gezeigte  Rotation  hat  ganz  andere  Ursachen 
Is  die  bisher  angenommenen. 

Prag,  Physikal.  Institut  der  k,  k.  deutschen  Universität. 

(Eingegangen  5.  August  1899.) 


50* 


5.  lieber  die  Vertheilung  von  freier  Ulektrityität 
an   der  Oberfläche  einer   Crookes^schen  Bohre; 

von  Eduard  Riecke. 


Die  Entladungserscheinungen  der  Elektricität  in  verdünnten 
Gasen  bergen  trotz  der  vielen  auf  ihre  Untersuchung  gerichteten 
Arbeit  noch  so  viele  Räthsel,  dass  man  immer  hoffen  kann, 
durch  die  Anwendung  eines  neuen  Untersuchungsmittels  zu 
neuen  Aufschlüssen  zu  gelangen.  Dieser  Gedanke  veranlasste 
mich,  bei  einigen  mit  verdünnten  Gasen  gefüllten  Röhren  Be- 
stäubungsversuche  mit  dem  Lichten berg'schen  Gemisch  Ton 
Mennige-  und  Schwefelpulver  zu  machen.  Ich  hatte  ursprüng- 
lich die  Versuche  auf  eine  grössere  Zahl  von  Röhren  aus- 
gedehnt, die  sich  im  Besitze  des  hiesigen  physikalischen  In- 
stitutes befinden;  zuletzt  habe  ich  mich  auf  die  etwas  aus- 
führlichere Untersuchung  von  vier  Röhren  beschränkt,  welche 
besonders  charakteristische  Resultate  zu  geben  schienen.  Ich 
schicke  im  Folgenden  zunächst  einige  Bemerkungen  über  den 
Zusammenhang  der  Bestäubung  mit  der  elektrischen  Ladung 
der  Glasoberfiäche  voraus  und  gehe  dann  über  zu  einem  Be- 
richte über  die  Versuche  selbst  und  über  ihre  Ergebnisse. 

1.  Die  Vertheilung  der  freien  Elektricität  im  Inneren 
einer  Geis  sl  er 'sehen  oder  Crook  es 'sehen  Röhre  lässt  sich 
berechnen,  sobald  der  Verlauf  des  Potentiales  in  dem  Inneren 
der  Röhre  bekannt  ist.  Die  Vertheilung  der  freien  Elektricität 
an  der  inneren  und  an  der  äusseren  Oberfläche  der  Röhre 
würde  zu  bestimmen  sein,  wenn  auch  die  Potentialvertheilung 
in  dem  Glase  und  in  dem  umgebenden  äusseren  Räume  bekannt 
wäre.  Bei  einer  verhältnissmässig  geringen  Dicke  des  Glases 
dürfte  man  annehmen,  dass  der  Differentialquotient  des  Poten- 
tiales nach  einer  zu  der  Oberfläche  senkrechten  Richtung  an 
der  inneren  und  an  der  äusseren  Oberfläche  des  Glases  in 
diesem  denselben  Werth  besitze.  Die  Summe  der  an  der 
inneren  und  an  der  äusseren  Oberfläche  des  Glases  befindlichen 


« 

Fertheilnng  von  freier  Elektricität  789 

freien  Elektricität  könnte  dann  berechnet  werden,  sobald  der 
Potentialverlauf  im  Inneren  der  Röhre  und  in  dem  umgeben- 
den äusseren  Räume  bekannt  wäre. 

Man  kann  nun  an  Stelle  von  Potentialmessungen  die 
Methode  der  Bestä.ubung  benutzen,  um  über  die  Vertheilung 
der  Elektricität  an  der  Oberfläche  einer  Geissler'schen  Röhre 
wenigstens  einen  qualitativen  Ueberblick  zu  gewinnen. 

Für  die  Beurtheilung  der  Resultate  ist  die  folgende  Be- 
merkung von  Wichtigkeit.  Während  man  sich  vorstellen  darf, 
dass  die  Potentialflächen  an  der  inneren  Oberfläche  des  Glases 
zu  dieser  senkrecht  stehen,  ist  das  an  der  äusseren  Oberfläche 
keineswegs  der  Fall;  die  elektrischen  Kräfte  werden  hier  im 
allgemeinen  gegen  die  Oberfläche  mehr  oder  weniger  geneigt 
sein.  Wenn  nun  zwischen  der  Oberfläche  des  Glases  und  den 
angezogenen  Staubtheilchen  keine  Reibung  vorhanden  wäre, 
so  könnten  diese  nur  an  solchen  Stellen  der  Oberfläche  im 
Gleichgewicht  sein,  an  denen  die  elektrische  Kraft  zu  der 
Oberfläche  senkrecht  steht.  Wenn  zwischen  der  Glasoberfläche 
und  den  angezogenen  Theilchen  Reibung  vorhanden  ist,  so 
kann  Gleichgewicht  auch  noch  bei  schiefer  Richtung  der  Kraft 
bestehen.  Es  sei  K  die  ganze  Intensität  der  elektrischen 
Kraft,  (f  der  Winkel,  den  sie  mit  der  Normale  bildet,  rj  der 
Reibungscoefficient;  Gleichgewicht  wird  dann  vorhanden  sein, 
solange  tg  rp  <  rj  ist.  Wenn  also  auf  der  Glasoberfläche  ein 
Punkt  vorhanden  ist,  in  welchem  die  Kraft  K  gegen  die  Ober- 
fläche senkrecht  steht,  so  wird  dieser  umgeben  sein  von  einem 
Hofe,  innerhalb  dessen  der  Staub  haftet.  Dieser  Hof  wird 
sich  um  so  weiter  ausbreiten,  je  langsamer  die  Neigung  der 
Kraft  K  gegen  die  Normale  sich  ändert.  Wenn  auf  der  Glas- 
oberfläche eine  Linie  vorhanden  ist,  in  der  die  Kraft  K  gegen 
die  Oberfläche  senkrecht  steht,  so  bildet  der  angezogene  Staub 
ein  Band  von  einiger  Breite,  dessen  Axe  durch  jene  Linie  ge- 
bildet wird. 

Betrachten  wir  solche  Stellen,  in  denen  die  Kraft  K  zu 
der  Oberfläche  senkrecht  steht,  so  werden  wir  annehmen 
dürfen,  dass  die  Menge  des  angezogenen  oder  haftenden  Staubes 
der  Kraft  K  proportional  ist.  Bezeichnen  wir  durch  n^  die 
in  den  äusseren  Raum  hineingehende  Normale  der  Oberfläche, 
das   Potential  durch  F,    so  ist  die  gegen  die  Oberfläche  ge- 


\ 


790  E.  Rieche. 

richtete,  auf  die  Einheit  der  positiven  Elektricität  ausgeübte 
Ktslü  K  =  {dFIdn^y  Die  Bestäubung  liefert  hiernach  einen 
gewissen  Maassstab  für  die  verschiedenen  Werthe,  welche 
dieser  Differentialquotient  an  der  äusseren  Oberfläche  des 
Glases  besitzt.  Die  Summe  tr  der  elektrischen  Dichtigkeiten 
an  der  äusseren  und  an  der  inneren  Oberfläche  des  Glases 
wird,  wenigstens  bei  sehr  dünner  Glaswand,  gegeben  sein  durch: 

dV    ,     dV  . 

Hier  bezeichnet  n^  die  innere  Normale  der  Oberfläche.  Nnr 
da,  wo  dVjdn^  Null  ist,  giebt  die  Bestäubung  ein  Bild  f&r 
die  Summe  der  inneren  und  der  äusseren  Oberflächendichte. 

Wir  nehmen  zwei  Stellen  der  Glasoberfläche  Ä  und  B  von 
der  Art,  dass  in  beiden  die  Kraft  K  zu  der  Oberfläche  senk- 
recht steht,  dass  sie  aber  in  A  nach  der  Glasfläche  hin,  in  B 
von  ihr  weg  gerichtet  ist.  Es  wird  dann  an  der  Stelle  A 
positives  Mennigepulver,  in  B  negatives  Schwefelpulver  an- 
gezogen werden.  Ziehen  wir  auf  der  Glasoberfläche  irgend 
eine  Linie,  welche  die  Punkte  A  und  B  verbindet.  Die  Stetig- 
keit des  Ueberganges  erfordert  dann,  dass  auf  dieser  Linie 
zwischen  A  und  B  ein  Punkt  C  sich  finde,  in  welchem  die 
Kraft  K  der  Oberfläche  parallel  wird.  Der  Punkt  C  liegt  auf 
alle  Fälle  in  dem  von  Staub  freien  Gebiet.  In  C  ist  dF/dn^=^0\ 
wenn  also  ausserdem  dF/dn^  =  0  ist,  so  wird  auch  a  gleich 
Null,  d.  h.  es  verschwindet  in  diesem  Punkte  die  Summe  der 
äusseren  und  der  inneren  Oberflächendichtigkeit. 

Die  Bestäubungsversuche,  über  welche  im  Folgenden  be- 
richtet werden  soll,  beziehen  sich  auf  Röhren,  welche  so  weit 
evacuirt  waren,  dass  der  Kathode  gegenüber  auf  der  Glaswand 
ein  heller  Fluorescenzfleck  entstand.  Die  Versuche  wurden  so 
ausgeführt,  dass  der  Strom  einer  Toep  1er 'sehen  Influenz- 
maschine mit  40  Plattenpaaren  in  einem  bestimmten  Moment 
durch  die  zu  untersuchende  Röhre  geschlossen  wurde.  Nach 
einer  bestimmten  Zahl  von  Secunden  wurde  mit  der  Bestäubung 
begonnen;  während  der  Strom  weiter  durch  die  Röhre  ging, 
wurde  so  lange  bestäubt,  bis  eine  deutliche  Figur  auf  der 
Glasoberfläche  hergestellt  war.  Da  es  nicht  gelang,  den  Staub 
hinreichend  regelmässig  aus  dem  Bestäuber  fallen  zu  lassen, 


Vertheilung  von  freier  Mektricität  791 

80  war  die  Bestäubungsdauer  bei  verschiedenen  Versuchen 
nicht  dieselbe.  Die  Versuche  waren  lästig,  weil  zu  der  Be- 
stäubung der  ausgedehnten  Objecte  eine  ziemliche  Menge  von 
Staub  noth wendig  war.  Bei  den  Versuchen  war  entweder  die 
Kathode  oder  die  Anode  zu  der  Erde  abgeleitet.  Nach  dem 
Versuche  wurde  der  nur  mechanisch  haftende  Staub  durch 
Abklopfen  entfernt.  Die  Bestäubungsfigur  wurde  mit  Hülfe 
einer  Projectionslampe  nachgezeichnet  und  meist  auch  photo- 
graphirt.  Für  die  Anfertigung  der  Photographien  bin  ich 
Hrn.  Dr.  H.  Th.  Simon  zu  Dank  verpflichtet. 

Da  die  Bestäubung  immer  einige  Zeit  in  Anspruch  nahm, 
und  da  die  verschiedenen  Theile  einer  Röhre  nicht  gleichzeitig 
und  gleichmässig  von  dem  Staube  getroffen  wurden,  so  ist  es 
möglich,  dass  durch  die  Bestäubung  selbst  eine  gewisse  Ver- 
änderung in  der  elektrischen  Ladung  erzeugt  wird;  die  durch 
die  Bestäubung  angezeigte  Vertheilung  der  Elektricität  darf 
also  nicht  ohne  weiteres  als  identisch  mit  derjenigen  betrachtet 
werden,  welche  auf  der  unbestäubten  Röhre  vorhanden  war. 
Zum  Theil  mögen  die  Verschiedenheiten,  welche  bei  wieder- 
holten Bestäubungsversuchen  mit  derselben  Röhre  und  unter 
sonst  gleichen  Umständen  sich  einstellten,  hiermit  zusammen- 
hängen. 

2.  Am  ausführlichsten  habe  ich  eine  kugelförmige  Röhre 
untersucht,  welche  zur  Demonstration  der  durch  die  Kathoden- 
strahlen erzeugten  Fluorescenz  diente.  Das  Entladungspotential 
betrug  4250  Volt.  Der  Durchmesser  des  kugelförmigen  Theiles 
der  Röhre  betrug  10,5  cm;  der  Durchmesser  der  ebenen  Kathode, 
welche  in  einem  seitlichen  Ansätze  eingeschmolzen  war,  betrug 
2,4  cm;  die  Länge  der  drahtförmigen  Anode,  welche  gleich- 
falls in  einem  seitlichen  Ansatzrohre  sich  befand,  2,5  cm.  Die 
Anode  bildete  mit  ihrer  Verlängerung  einen  Durchmesser  des 
kugelförmigen  Röhrentheiles;  in  der  zu  diesem  Durchmesser 
senkrechten  Aequatorialebene  lag  der  Mittelpunkt  der  Kathode; 
ihre  Fläche  stand  zu  dem  nach  dem  Mittelpunkt  gehenden 
Radiusvector  senkrecht. 

Von  dem  Erfolg  der  Bestäubung  geben  die  Figg.  1 — 4 
ein  Bild;  sie  sind  dadurch  entstanden,  dass  zuerst  die  Con- 
turen  der  Photographien  so  gut  wie  möglich  durchgezeichnet 
wurden.    In  diesen  Pausen  wurden  dann  die  fehlenden  Einzel- 


792 


E.  Jtiecke. 


Leiten  nachgetragen  mit  Hülfe  der  Zeichnungen,  welche  darch 
Projection  erhalten  worden  waren.  Die  Figuren  sind  nicht  genas 
vergleichbar,  weil  die  Stellung  der  Röhre  gegen  den  photo- 
graphiBchen  Apparat  bei  den  verBcbiedenen  Aufnahmen  nicht 
ganz  dieselbe  war 

Bei  den  Versuchen  deuen  die  Figg.  1  und  2  entsprachen, 
war  die  Anode  der  Röhre  zur  Erde  abgeleitet,  bei  den  zu  den 
Figg  3  und  4  gehörenden  Versuchen  die  Kathode.    Bei  Fig.  1 


Pig  8    (U) 


Fig.  4.  (IV. 


begann  die  Bestäubung  30  sec  nach  Stromschiusa  und  dauerte 
120  sec  Bei  Fig  2  begann  die  Bestäubung  50  sec  nach  Strom- 
schlusB  und  dauerte  60  sec.  Bei  Fig.  3  sind  die  entsprechenilen 
Zeiten  10  sec  und  30  sec,  bei  Fig.  4  50  sec  und  70  sec 

Die  mit  Mennige  roth  bestäubten  Stellen  sind  horizontal 
schraffirt,  die  Stärke  der  Bestäubung  ist  durch  den  Abstand 
der  Striche  angedeutet,  die  mit  Schwefel  gelb  bestäubten  Stellen 
sind  vertical  gestrichelt. 

Gemeinsam  iitt  den  vier  Staubfiguren  die  folgende  Eigen- 
schaft. Der  Eatbode  gegenüber  entsteht  auf  der  Glasober- 
fläche ein  Ring,  der  den  ausserhalb  sich  ausbreitenden  gelben 
Staub  sehr  scharf  begrenzt;  auf  die  gegen  den  Ring  hin  zu- 


Vertheilung  von  freier   Elektricität  793 

nehmende  gelbe  Bestäubung  folgt  im  Inneren  des  Ringes  zu- 
nächst eine  von  Staub  frei  Zone.  Zieht  man  von  dem  Mittel- 
punkt der  Kugel  Radien  nach  dem  Ringe,  so  erhält  man  einen 
Kegel,  dessen  Oeffnungswinkel  im  Mittel  etwa  90®  beträgt.  Im 
übrigen  ist,  wie  von  vornherein  zu  erwarten  war,  die  Dauer 
des  Strom durchganges  auf  den  Erfolg  des  Versuches  von  Ein- 
fluss  und  ausserdem  der  Umstand,  ob  die  Anode  oder  die 
Kathode  zur  Erde  abgeleitet  ist  Im  ersteren  Falle,  bei  ab- 
geleiteter Anode,  ist  das  Innere  des  Ringes  in  unregelmässiger 
Weise  mit  rothem  Pulver  erfüllt,  zwischen  das  nur  wenige 
schmale  Streifen  von  gelbem  Pulver  eingelagert  sind.  Besonders 
eigenthümlich  sind  die  strahlen-  oder  keulenartigen  rothen 
Massen  an  der  rechten  Seite  der  Figur.  Sie  gewinnen  an 
Ausdehnung  und  Intensität,  wenn  der  Strom  länger  durch  die 
Röhre  geht.  Bei  Ableitung  der  Kathode  finden  sich  im  Inneren 
des  Ringes  ausgedehnte  Massen  gelben  Pulvers,  welche  zum 
Theil  durch  schmale  Brücken  mit  dem  ausserhalb  des  Ringes 
befindlichen  gelben  Staube  zusammenhängen.  Die  Ausbreitung 
des  rothen  Pulvers  ist  namentlich  bei  Fig.  3  eine  kleine;  die 
eigenthümlichen  rothen  Strahlen,  die  bei  den  Figg.  1  und  2 
vom  rechten  Rande  auftreten,  fehlen. 

Der  bei  allen  Figuren  erscheinende  Ring  entspricht  ziem- 
lich genau  der  Grenze  des  Bereiches,  über  den  sich  die  grüne 
Fluorescenz  des  Glases  ausbreitet. 

Die  auffallende  Unregelmässigkeit,  mit  der  sich  der  Staub 
im  Inneren  des  Ringes  vertheilt,  hat  vielleicht  in  einer  ungleich- 
förmigen Beschafl'enheit  der  KathodeniJäche  ihren  Grund.  Diese 
Vermuthung  wird  besonders  durch  die  Thatsache  nahegelegt, 
dass  das  Ansehen  der  Figuren  während  der  Dauer  der  Be- 
obachtungen eine  Verändeiung  erlitt.  Leider  habe  ich  von 
den  zuerst  hergestellten  Staubfiguren  keine  Photographien  an- 
gefertigt und  keine  Projectionen  gezeichnet,  sondern  mich 
darauf  beschränkt,  die  erhaltenen  Figuren  aus  freier  Hand 
nachzuzeichnen.  Immerhin  genügen  die  Zeichnungen,  um  eine 
Veränderung  der  Figuren  zu  erkennen.  Bei  abgeleiteter  Anode 
war  zu  Anfang  die  rothc  Bestäubung  im  Inneren  des  Ringes 
durch  eine  mit  vielen  Lappen  und  Einbuchtungen  versehene 
Curve  nach  aussen  abgegrenzt.  Die  Bestäubung  war  im  Inneren 
schwach  und  nahm  nach  aussen  zu,  sodass  die  äusseren  Enden 


N 


794  E.  Blecke. 

der  Lappen  intensiv  roth  erschienen,  ähnlich  wie  die  keulen- 
förmigen Strahlen  auf  den  rechten  Seiten  der  Figg.  1  und  2. 
Die  besonders  in  den  Figg.  8  und  4  bei  abgeleiteter  Kathode 
hervortretenden  sichelförmigen  Gebilde  fehlten  zu  Anfang  ganz: 
sie  sind  vielleicht  als  die  vergrösserten  Bilder  einer  ähnUchen 
geschwärzten  Stelle  aufzufassen,  die  sich  auf  der  Kathode  ge- 
bildet hatte. 

Die  zeitliche  Aufeinanderfolge  der  Versuche,  welche  den 
Figg.  1  bis  4  entsprechen,  ist  durch  die  beigesetzten  römischen 
Zahlen  gegeben.  Zwischen  den  Figuren,  welche  bei  abgeleiteter 
Anode  und  bei  abgeleiteter  Kathode  auftreten,  scheint  ein 
gewisser  Gegensatz  zu  bestehen.  Es  war  namentlich  bei  den 
Vorversuchen  zu  bemerken,  dass  Stellen,  welche  sich  bei  ab- 
geleiteter Anode  mit  rothem  Staub  bedeckten,  bei  abgeleiteter 
Kathode  frei  blieben  und  umgekehrt.  Bei  späteren  Beob- 
achtungen trat  dieser  Gegensatz  mehr  zurück,  bei  den  Figg.  1 
bis  4  ist  er  kaum  noch  zu  bemerken. 

Die  Kathode  lag  etwas  im  Inneren  des  kugelförmigen 
Röhren theiles;  etwas  hinter  ihrer  Fläche  erschien  auf  der  Ober- 
fläche des  Glases  ein  feiner  intensiv  rother  Ring;  die  den  Zu- 
leitungsdraht  zur  Kathode  enthaltende  Ansatzröhre  bedeckte 
sich  mit  rotbem  Staube. 

Bei  einem  Theile  der  Versuche  erschien  auf  dem  die 
Anode  umschliessenden  Röhrenansatz  ein  feiner,  gelber  Streifen 
parallel  dem  Anodendraht;  der  Streifen  lief,  sich  allmählich 
verbreiternd,  nach  dem  Ringe  hin,  welcher  die  der  Kathode 
gegenüberliegende  Staubflgur  umgiebt.  Ich  vermuthe,  dass 
dieser  Streifen  im  Zusammenhang  steht  mit  einem  weissen 
Lichtbande,  das  von  der  Anode  nach  dem  von  den  Kathoden- 
strahlen getroffenen  Flecke  hingeht.  Die  von  den  Kathoden- 
strablen  negativ  geladenen  Theile  der  Glaswand  wirken  wie 
eine  secundäre  Kathode;  zwischen  ihnen  und  zwischen  der 
Anode  findet  ein  Ausgleich  der  Elektricitäten  statt,  dessen 
Bahn  durch  jenen  Lichtstreif  angezeigt  wird. 

3.  Birnförmige  Böntgenröhre,  Die  Röhre  war  als  solche 
wenig  wirksam;  ihre  Länge  betrug  24  cm,  der  Durchmesser 
der  Kathode  2,4  cm.  Bei  abgeleiteter  Kathode  treten  keine 
besonderen  Erscheinungen  auf;  die  Röhre  bedeckte  sich  ziem- 
lich gleichmässig  mit  Schwefelpulver,  nur  gegenüber  der  Kathode 


Fertheilunff  von  freier  Elektricität, 


795 


Fig.  5. 


auf  dem  abgeplatteten  Theile  der  Glaswand  erschien  ein  rother, 
negativ  elektrischer  Fleck,  von  nahezu  kreisförmiger  Gestalt. 
Zu  beiden  Seiten  der  Kathode  blieb  auf  der  Oberfläche  des 
Glases  ein  ziemlich  breiter  Eing  von  Staub  frei.  Hinter  der 
Fläche  der  Kathode  bedeckte  sich  das  spitze  Ende  der  Röhre 
mit  Mennigepulver.  Diese  rothe  Zone  erstreckte  sich  an- 
scheinend eben  so  weit,  als  die  Fluorescenz,  welche  durch  die 
von  dem  Träger  der  Kathode  seitlich  ausgesandten  Strahlen 
erregt  wurde.  (Vgl.  in 
Fig.  5  die  horizontal  ge- 
strichelte Partie  hinter 
der  Kathode.) 

Wurde  die  Anode 
abgeleitet,  so  trat  in  der 
Vertheilung  des  gelben 
Staubes  eine  sehr  eigen- 
thümliche  Veränderung 
ein,  welche  durch  die 
Figg.  5  und  6  anschau- 
lich gemacht  wird.  Die 
Figuren  sind  in  der- 
selben Weise  entstan- 
den, wie  die  zuvor  er- 
wähnten. Auf  dem  vor 
der  Kathode  liegenden 

Theile  der  Röhre  bildet  der  Schwefelstaub  einen  geschlossenen 
Ring.  Seine  Mittellinie  erhält  man,  wenn  man  die  Röhre  durch 
eine  gegen  ihre  Axe  geneigte  Ebene  schneidet.  Von  dem  Punkte 
des  Ringes,  welcher  der  als  Halter  dienenden  Ansatzröhre  am 
nächsten  liegt,  zieht  sich  ein  gelbes  Band  nach  dieser  und 
nach  der  Anode.  Ausserdem  aber  ziehen  sich  Bänder  gelben 
Staubes  nach  dem  auf  der  Endfläche  der  Röhre  sich  bildenden 
negativen  Fleck.  Bei  Fig.  5  ist  nur  ein  einziges  solches  Band 
vorhanden,  sein  Ursprung  liegt  in  der  Ansatzröhre;  bei  Fig.  6 
sind  mehrere  Bänder  zu  sehen,  welche  von  der  Anode  aus- 
gehen. In  Fig.  5  erscheint  das  Band  in  unsymmetrischer  Weise 
auf  die  Seite  geschoben,  in  Fig.  6  ist  der  Verlauf  ein  ziemlich 
symmetrischer.  Auch  hier  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass 
die  nach  dem  FluorescenzÜeck  hingehenden  Bänder  Strömungen 


Fig.  6. 


796 


E.  Rücke. 


entsprechen,  in  welchen  sich  die  neg&tive  Ladung  des  Flnore»- 
cenzfleckes  mit  der  positiven  Ladung  der  Anode  ansgleicbt 

4.  Schattenkreuzröhre.  Die  Länge  der  Bohre  betrug  22  cm, 
der  Darchmesser  der  Kathode  1  cm.  Beinabe  alle  Versuche 
wurden  mit  niedergelegtem  Kreuze  ansgeiUhrt.  Die  ResdI&te 
werden  durch  die  Figg.  7 — 9  erläutert.  Bei  den  Versuchen, 
welche  die  Figg.  7  und  8  lieferten,  war  die  Anode  zur  Erde 


Flg.  8. 


Fig.  10. 

abgeleitet,  bei  dem  der  Fig.  9  entsprechenden  Versuche  die 
Kathode.  Bei  dem  Versuche  von  Fig.  7  begann  die  Bestäu- 
bung 30  sec  nach  Stromscbluss  und  dauerte  60  sec;  bei  den 
Versuchen  der  Figg.  8  und  9  sind  die  entsprechenden  Zeiten 
40  sec  und  80  sec. 

Am  einfachsten  sind  die  Verhältnisse  von  Fig.  7.  Dem 
Rande  der  Kathode  entspricht  ein  durch  eine  stärkere  An- 
häufung rothen  Pulvers  gebildeter  King.  Innerhalb  dieses 
Ringes  tindet  sich  kein  Schwefelpulver.  Der  Ring  selbst  ist 
in  seiner  unteren  H&lfte  unterbrochen  durch  den  Schatten  des 


Vertheilung  von  freier  JBlektricität  797 

Kreuzes.  In  der  Ebene  des  Kreuzes  zieht  sich  durch  den 
Ring  ein  intensiv  rother  Streifen;  dieser  scheint  durch  Strahlen 
erzeugt,  die  an  dem  Kreuze  eine  Art  von  streifender  Reflexion 
erlitten  haben.  In  den  Ring  ragt  hinein  der  ungemein  scharf 
begrenzte  Schatten  des  Drahtes,  von  welchem  das  Kreuz  ge- 
tragen wird.  Das  Innere  des  Schattens  ist  von  Staub  ganz 
frei,  der  Saum  des  Schattens  wird  von  einer  scharf  begrenzten 
rothen  Linie  gebildet.  In  der  Mitte  des  Ringes  befindet  sich 
eine  eigen thümliche  rothe  Figur,  aus  einer  Sichel  und  einem 
kleinen  Kreise  zusammengesetzt. 

Die  Bestäubungsfigur  8  unterscheidet  sich  von  Fig.  7 
wesentlich  dadurch,  dass  Theile  der  Figur,  die  in  Fig.  7  von 
Staub  ganz  frei  geblieben  waren,  in  Fig.  8  mit  Schwefelpulver 
bedeckt  sind.  So  ist  insbesondere  der  Schatten  des  Drahtes, 
von  dem  das  Kreuz  getragen  wird,  nicht  von  Staub  frei,  sondern 
durch  seine  Mitte  zieht  sich  ein  scharfer  gelber  Strich;  das 
rothe  Band,  welches  von  den  an  dem  Kreuze  streifend  reflec- 
tirten  Strahlen  gebildet  wird,  ist  schwächer;  in  dem  darunter 
liegenden  Schatten  des  Kreuzes  befindet  sich  ein  Streifen  von 
Schwefelpulver,  welcher  auf  beiden  Seiten  mit  der  ausserhalb 
des  Ringes  liegenden,  gelb  bestäubten  Glasfläche  zusammen- 
hängt; der  unter  der  Fläche  des  Kreuzes  liegende  Theil  des 
rothen  Ringes  ist  nur  angedeutet  durch  kleine  rothe  Stellen. 
Diese  liegen  in  der  Mitte  staubfreier  Flächen,  die  dadurch 
entstanden  sind,  dass  der  zuvor  erwähnte  gelbe  Streifen  mit 
der  äusseren  Bestäubung  durch  schmale  Brücken  zusammen- 
hängt. Fig.  9  unterscheidet  sich  von  Fig.  8  höchstens  da- 
durch, dass  die  rothe  Bestäubung  noch  mehr  zurückgedrängt  ist. 

Bei  aufgerichtetem  Kreuze  habe  ich  nur  eine  einzige  Beob- 
achtung gemacht  mit  abgeleiteter  Kathode.  Die  ganze  Be- 
stäubungsfigur reducirte  sich  auf  vier  scharfbegrenzte,  pfeil- 
artige Mennigeflecken  in  den  einspringenden  Winkeln  des 
Kreuzschattens. 

5.  Kugelförmige  Röntgenröhre  mit  PlatinspiegeL  Der  Durch- 
messer der  Kugel  betrug  9,5  cm,  die  Kathode  hatte  die  Form 
eines  Hohlspiegels,  dessen  Randkreis  einen  Durchmesser  von 
3,2  cm  besass.  Der  Kathode  gegenüber  lag  der  Platinspiegel ; 
der  ihn  tragende  Draht  war  in  einen  kleinen  Ansatz  der 
Kugel   eingeschmolzen   und   fiel   zusammen   mit  der  Axe  der 


798  E.  Riech£. 

Hohlspiegelkathode.  Die  Anode  war  durch  eine  ebene  Alu- 
miniumscheibe dargestellt,  und  lag  seitlich  in  der  durch  die 
Axe  des  Hohlspiegels  und  die  Normale  des  Platinspiegels  gehen- 
den Ebene. 

Die  Anode  war  abgeleitet,  der  Spiegel  isolirt.  Die  Be- 
stäubung begann  30  sec  nach  Stromschluss  und  dauerte 
90  sec.  In  der  Bestäubungsfigur  fällt  vor  allem  eine  von 
Schwefelpulver  erfüllte  Fläche  auf,  deren  Form  dem  Quer- 
schnitt eines  auf  einem  Uhrglase  ruhenden  Quecksilbertropfens 
ähnelt.  Diese  Fläche  grenzt  nach  aussen  scharf  an  einen  zu- 
nächst staubfreien  Baum ;  in  einigem  Abstand  folgt  eine  zweite 
Grenzlinie,  jenseits  welcher  die  Glasfläche  wieder  mit  Schwefel- 
pulver bedeckt  ist.  Der  von  gelbem  Staube  freie  Bing  hat 
auf  der  Seite  des  Spiegels  eine  grössere  Breite  als  auf  der 
Seite  der  Kathode.  Durch  die  Mitte  dieses  breiteren  Theiles 
zieht  sich  ein  scharfer  rother  Strich.  Die  Lage  des  von  gelbem 
Staube  freien  Ringes  kann  durch  die  Annahme  erklärt  werden, 
dass  er  von  Randstrahlen  der  hohlspiegelformigen  Kathode 
erzeugt  wird,  welche  an  dem  Platinspiegel  in  regelmässiger 
Weise  reflectirt  worden  sind.  Weiter  unten  auf  der  Ober- 
fläche der  Röhre  findet  sich  ein  intensiv  rother  Streifen;  er 
liegt  in  der  Ebene  des  Platinspiegels  auf  seiner  von  der  Ka- 
thode abgewandten  Seite.  Der  Streifen  liegt  so,  wie  wenn  er 
von  Kathodenstrahlen  hervorgebracht  wäre,  die  von  dem  Spiegel 
streifend  reflectirt  wären.  Der  von  dem  Mennigepulver  ge- 
bildete Streifen  ist  umgeben  von  einer  von  Staub  freien  Zone; 
in  dieser  wird  durch  die  Glaswand  hindurch  die  von  hinten 
in  die  Röhre  eingeführte  Anode  sichtbar.  Die  staubfreie  Zone 
hängt  auf  der  linken  Seite  mit  dem  früher  besprochenen  staub- 
freien Ring  zusammen.  Im  übrigen  schiebt  sich  zwischen  den 
Ring  und  die  Zone  eine  mit  Schwefelstaub  bedeckte  Fläche; 
hinter  ihr  liegt  der  Piatinspiegel,  dessen  Fläche  gegen  den 
Zuleitungsdraht  unter  einem  Winkel  von  etwa  45**  geneigt  ist 

6.  Die  Resultate  der  mit  den  vier  besprochenen  Röhren  er- 
haltenen Versuche  lassen  sich  in  folgender  Weise  zusammenfassen. 

a)  Der  Kathode  gegenüber  bildet  sich  auf  der  Wand  des 
Glases  ein  Ring,  welcher  den  nach  aussen  hin  sich  verbrei- 
tenden gelben  Staub  scharf  begrenzt.  Der  Ring  fällt  etwa 
an  die  Grenze  des  hell  üuorescirenden  Theiles  der  Glaswand. 


Vertheilung  von  freier  Elektricität  799 

b)  Nur  innerhalb  dieses  Ringes  finden  sich  —  von  der 
Eintrittsstelle  der  Kathode  und  dem  Schnitte  ihrer  Fläche  mit 
der  Glaswand  abgesehen  —  rothe  Stellen,  d.  h.  solche,  welche 
das  positiv  elektrische  Mennigepulver  anziehen. 

c)  Die  Vertheilung  des  rothen  Pulvers  im  Inneren  des 
Ringes  ist  ungleichmässig,  wahrscheinlich  infolge  der  ungleich- 
massigen  Beschaffenheit  der  Eathodenfläche.  Gegen  den  gelben 
Ring  hin  ist  der  rothe  Staub  stets  scharf  begrenzt;  die 
zwischen  dem  rothen  Staub  und  dem  Ringe  liegende  Glas- 
fläche ist  von  Staub  ganz  frei. 

d)  Zwischen  die  roth  bestäubten  Stellen  im  Inneren  des 
Ringes  schieben  sich,  nach  aussen  hin,  häufig  gelb  bestäubte 
Stellen  ein.  Diese  Stellen  können  sich  der  durch  den  Ring 
begrenzten  äusseren  Bestäubung  bis  auf  einen  sehr  kleinen 
Abstand  nähern,  in  der  Regel  tritt  aber  in  dem  schmalen  Bande, 
welches  die  äussere  Bestäubung  von  inneren  gelben  Staubmassen 
trennt,  ein  scharfer  Streifen  rothen  Staubes  auf. 

e)  Im  Inneren  des  gelben  Ringes  überwiegt  der  rothe 
Staub  bei  abgeleiteter  Anode;  aber  auch  bei  abgeleiteter  Ka- 
thode nimmt  die  Menge  des  rothen  Staubes  mit  der  Strom- 
dauer zu. 

f)  Verlängert  man  die  Kathodenebene  bis  zum  Schnitt 
mit  der  Glasfläche,  so  bildet  die  Schnittlinie  die  Axe  eines 
etwa  1  cm  breiten  Ringes,  der  von  Staub  beinahe  ganz  frei 
ist.  Von  der  Eintrittsstelle  des  die  Kathode  tragenden  Drahtes 
bis  zu  diesem  Ringe  bedeckt  sich  das  Glas  mit  rothem  Staube. 
In  dem  Ringe  selbst  tritt  meist  noch  eine  feine,  in  sich  ge- 
schlossene rothe  Linie  auf,  welche  von  Randstrahlen  der  Ka- 
thode erzeugt  wird. 

g)  Bei  abgeleiteter  Anode  bildet  der  Schwefelstaub  an 
der  Oberfläche  des  Glases  scharf  begrenzte  Bänder,  welche 
von  der  Anode  einerseits  nach  der  Kathode,  andererseits  nach 
dem  ihr  gegenüber  auf  der  Glaswand  entstehenden  negativen 
Fleck  hingehen.  Es  liegt  nahe,  diese  Bänder  mit  Strömungen 
in  Verbindung  zu  bringen,  durch  welche  die  Elektricität  der 
Anode  mit  den  entgegengesetzten  Elektricitäten  der  Kathode 
und  des  Fluorescenzfleckes  sich  ausgleicht,  der  letztere  würde 
dabei  die  Rolle  einer  zweiten  Kathode  spielen. 


800  E,  Rieche.     Fertheilung  von  freier  Elehtricüät 

h)  Metalldrähte  und  Bleche,  welche  in  den  Weg  der  Ka- 
thodeustrahlen  gestellt  werden,  geben  auf  der  von  den  Strahlen 
getroffenen  Glaswand  elektrische  Schatten,  welche  von  scharf 
begrenzten  Streifen  rothen  Staubes  umgeben  sind;  der  Schatten 
bleibt  entweder  ganz  frei  von  Staub,  oder  er  bedeckt  sich  in 
der  Mitte  mit  Schwefelstaub. 

i)  Wenn  ein  Metallblech  von  Kathodenstrahlen  getroffen 
wird,  80  entsteht  auf  der  Glaswand  und  zwar  auf  der  von  der 
Kathode  abgewandten  Seite  eine  intensiv  rothe  Linie  von  etwa 
1  mm  Breite;  ihre  Länge  entspricht  dem  Durchmesser  des 
Bleches.  Die  Sache  verhält  sich  so,  wie  wenn  von  der  Ka- 
thode ausgehende  Strahlen  von  dem  Bleche  streifend  reflectirt 
worden  wären. 

k)  Ein  von  Kathodenstrahlen  getroffenes  isolirtes  Metall- 
blech erzeugt  aber  ausserdem  auf  der  gegenüberliegenden  Glas- 
wand einen  Ring  von  derselben  Art,  wie  er  bei  einer  gewöhn- 
lichen Röhre  der  Kathode  gegenüber  auftritt.  Die  Lage  des 
Ringes  macht  es  wahrscheinlich,  dass  er  durch  eine  regel- 
mässige Reflexion  der  Kathodenstrahlen  an  der  Oberfläche  des 
Spiegels  erzeugt  wird. 

(Eingegangen  13.  October  1899.) 


6.  Nachweis  der  in  den  Olasthränen 

vorhandenen  i/nneren  Spannungen  mit  Hülfe  des 

polarisirten  Lichtes,   ei/n  Vorlesungsversuch; 

von  K.  Mack. 

Dass  rasch  gekühlte  Glasplatten  infolge  innerer  Span- 
nungen die  Eigenschaft  der  Doppelbrechung  besitzen,  und 
dementsprechend  Farbenerscheinungen  im  polarisirten  Licht 
zeigen,  pflegt  in  den  Vorlesungen  über  Optik  mittels  Pro- 
jection  nachgewiesen  zu  werden.  Der  Planparallelismus  dieser 
Glaspräparate  gestattet,  dass  die  Projection  in  derselben  Weise 
ausgeführt  werden  kann,  wie  bei  Krystallplättchen ,  die  von 
parallelen,  senkrecht  auffallenden  Strahlen  durchsetzt  werden. 
Es  liegt  nahe,  bei  denjenigen  Glaspräparaten,  die  durch  die 
Stärke  ihrer  inneren  Spannungen  besonders  berühmt  sind, 
nämlich  den  Glasthränen  oder  Bologneser  Tropfen,  ebenfalls 
auf  optischem  Wege  das  Vorhandensein  dieser  Spannungen 
zu  veranschaulichen.  Bei  der  Ausführung  dieses  Gedankens 
stösst  man  indessen  zunächst  auf  die  Schwierigkeit,  dass  in- 
folge des  mangelnden  Planparallelismus  der  Begrenzungsflächen 
der  Glasthräne  die  die  letztere  treflfenden  Lichtstrahlen  sämmt- 
lich  zur  Seite  gelenkt  werden,  sodass  das  Projectionsbild  der 
Thräne  als  schwarzer  Schattenriss  sich  darstellt.  Diesem 
üebelstande  kann  jedoch  leicht  dadurch  abgeholfen  werden, 
dass  die  Glasthräne  in  ein  kleines,  mit  planparallelen  Wan- 
dungen versehenes  Glasgefäss  gebracht  wird,  das  eine  Flüssig- 
keit von  demselben  Brechungsexponenten  enthält,  wie  ihn  die 
Glasthräne  im  Mittel  besitzt.^)  Unter  diesen  Umständen  stellt 
sich  die  Thräne  in  der  Projection,  wenn  zunächst  die  Nicols 
aus  dem  Gang  der  Strahlen  ausgeschaltet  werden,  nicht  mehr 
als  schwarze  Silhouette,  sondern  als  vollkommen  durchsichtiger, 
nahezu  unsichtbarer,  farbloser  Körper  dar,  dessen  Umrisse  nur 
ganz  zart  angedeutet  sind,  während  die  meistens  in  den  Glas- 
thränen   eingeschlossenen    kleinen   Hohlräume    als    schwarze, 

1)  Die  hierbei  zu  Grunde  liegende  Methode  der  Verbringung  eines 
zu  untersuchenden  durchsichtigen  Körpers  in  ein  flüssiges  Medium  von 
gleicher  Brechbarkeit  stammt  von  Biot  (Memoire  sur  la  Polarisation 
lamellaire  p.  586  u.  688.  1841).  Vgl.  auch  C.  Klein,  Sitzungsber.  d.  k. 
Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin,  Math.-phjs.  Klasse,  p.  847.  1890,  p.  91.  1895. 
Ann.  d.  Phys.  u.  Chem.    N.  F.    69.  51 


802  K.  Mach. 

scharfbegrenzte  Flecken  hervortreten.  Werden  jetzt  die  beiden 
Nicola  eingeschaltet,  so  ist  das  Bild  der  Glasthräne,  am 
schönsten  bei  gekreuzten  Nicols,  mit  leuchtenden  Farben  be- 
deckt, die,  wie  bei  doppelbrechenden  Erystallen  oder  rasch 
gekühlten  Glasplatten,  an  die  Farben  exotischer  Schmetterlinge 
oder  von  Pfauenfedern  erinnern.  In  dieser  Form  eignet  sich 
der  Versuch  in  hohem  Maasse  als  Vorlesungsversuch. 

Als  diejenige  Flüssigkeit,  welche  angenähert  denselben 
Brechungsexponenten  wie  die  Glasthränen  besitzt,  empfiehlt 
sich  am  meisten  das  Cedemholzöl.  Ich  habe  diese  Flüssigkeit 
von  der  Firma  E.  Merck  in  Darmstadt  in  solcher  Beschaffen- 
heit erhalten,  dass  ich  sie  unmittelbar  für  die  Versuche  ver- 
wenden konnte;  alle  Glastiiränen,  die  ich  untersuchte,  ver- 
schwanden beim  Eintauchen  in  die  Flüssigkeit  fast  vollständig, 
und  nur  jene  kleinen  in  den  Thränen  enthaltenen  Hohlräume 
wiesen  auf  das  Vorhandensein  der  Glaskörper  hin.  Statt  Cedem- 
holzöl kann  man  übrigens  auch  eine  sehr  leicht  durch  Pro- 
biren herzustellende  Mischung  von  Schwefelkohlenstoff  und 
Aethyläther  benützen.  Auch  einer  sehr  concentrirten  Lösung 
von  Chloralhydrat  in  Glycerin  kann  man  denselben  Brechungs- 
exponenten geben,  den  die  Glasthränen  besitzen;  bloss  treten 
in  dieser  sehr  dicken  Flüssigkeit  bei  der  Projection  leicht 
Schlierenbildungen  in  der  Umgebung  der  Glasthränen  auf. 

Die  Projection  lässt  sich  leicht  sowohl  in  parallelem,  als 
auch  in  schwach  convergentem  polarisirtem  Lichte  ausführen. 
Die  entweder  vom  Heliostaten  oder  von  einer  Bogenlampe  ge- 
lieferten parallelen  Lichtstrahlen  treffen,  wenn  es  sich  um  den 
ersten  der  vorhin  genannten  Fälle  handelt,  zunächst  eine 
Sammellinse  von  grossem  Durchmesser  und  20 — 30  cm  Brenn- 
weite; in  der  Nähe  des  Brennpunktes  befindet  sich  das  polari- 
sirende  Nicol.  Eine  zweite  ähnliche  Linse  macht  die  Strahlen 
wieder  parallel,  die  jetzt  durch  das  die  Flüssigkeit  mit  der 
Glasthräne  enthaltende  Gefäss  hindurchgehen.  Die  Glasthräne 
wird  mittels  eines  an  ihrem  dünnen  Ende  befestigten  Fadens  so 
aufgehängt,  dass  sie  ganz  in  die  Flüssigkeit  untertaucht  Es  folgt 
eine  dritte  Convexlinse,  die  das  Bild  auf  dem  Projectionsschirm 
entwirft;  nahe  ihrem  Brennpunkt  ist  das  analysirende  Nicol  an- 
gebracht. Soll  das  Verhalten  im  schwach  convergenten  Licht 
gezeigt  werden,  so  geht  man  mit  der  Glasthräne  zwischen  den 


Glastkränen,  803 

Polarisator  und  die  zweite  Linse;  statt  der  zweiten  und  dritten 
Linse  genügt  dann  bei  entsprechender  Verschiebung  eine  einzige. 

Es  empfiehlt  sich,  namentlich  bei  Benützung  von  Cedem- 
holzöly  die  Dicke  der  die  Glasthräne  enthaltenden  Flüssigkeits- 
schicht möglichst  gering  zu  wählen ,  um  die  Absorption  des 
Lichtes  im  Oel  möglichst  zu  verkleinem.  Ein  Gefäss,  in 
welchem  der  Abstand  der  zwei  planparallelen  Glaswände 
1 — 2  cm  beträgt,  genügt  vollkommen. 

Die  Farbenerscheinuugen,  die  man  im  parallelen  und  im 
schwach  convergenten  polarisirten  Licht  erhält,  sind  nicht  er- 
heblich verschieden.  Der  Rand  der  Glasthräne  ist  im  all- 
gemeinen nach  innen  von  farbigen  Streifen  begleitet,  welche 
da,  wo  im  Inneren  Hohlräume  sich  befinden,  Störungen  er- 
fahren. Diese  Streifen  drängen  sich  nach  dem  Schwanz  der 
Glasthräne  immer  mehr  zusammen.  Das  dicke  Ende  der 
letzteren  erinnert  an  den  Anblick,  den  eine  senkrecht  zur 
optischen  Axe  geschnittene  Platte  eines  einaxigen  Krystalles 
im  convergenten  Licht  darbietet.  Insbesondere  nimmt  man 
meistens  bei  gekreuzten  Nicols  ein  schwarzes,  bei  parallelen 
ein  weisses  Kreuz  wahr.  Bei  vereinzelten  Exemplaren  habe 
ich  auch  bei  entsprechender  Stellung  der  Nicols  schwarze 
Hyperbeln  erhalten.  Diejenigen  Glasthränen,  in  welchen  die 
Anordnung  der  Hohlräume  eine  einigermaassen  regelmässige 
ist,  zeigen  auch  die  farbigen  Streifen  am  regelmässigsten. 

Selbstverständlich  können  die  Farbenerscheinungen  auch 
subjectiv  in  einem  gewöhnlichen  Polarisationsapparat  beobachtet 
werden.  Ist  die  Axe  des  letzteren  vertical,  so  legt  man  die 
Glasthräne  in  ein  Glasgefäss  mit  ebenem  Boden  und  übergiesst 
sie  mit  einer  Schicht  von  Cedernholzöl. 

Es  erscheint  nicht  ausgeschlossen,  dass  eine  genauere  Unter- 
suchung dieser  Farbenerscheinungen  Schlüsse  auf  die  molecu- 
laren  Verhältnisse  und  den  Charakter  der  Spannungeu  im  Inneren 
der  Glasthränen  ziehen,  und  sich  zur  Prüfung  bez.  Verification 
der  in  dieser  Hinsicht  aufgestellten  Theorien^)  verwenden  Hesse. 

Hohenheim,  im  October  1899. 


1)  Vgl.  L.  Dufour,  Compt.  Rend.  68.  p.  398.  1869  und  Pogg.  Ann. 
137.  p.  640.  1889;  De  Luynes,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  30.  p.  229.1873. 

(Eingegangen  17.  October  1899.) 

51* 


7.  Ueber  longitudi/nale  Töne  van  Kautschukfäden; 

von   Viktor  v.  Lang. 

(Aus  den  Sitznngsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissenscfa.  zu  Wien.  Mathem.-natarw. 

Klasse;  Bd.  GVIII.    Abth.  IIa.  Juli  1899.) 


Ich  habe  vor  nicht  langer  Zeit  Bestimmungen  der  Trans- 
versaltöne von  Kautschukfäden  mitgetheilt.  ^)  Es  waren  da- 
mals an  diesen  Fäden  auch  schon  einzelne  Bestimmungen  ihrer 
longitudinalen  Töne  vorgenommen  worden,  dieselben  erwiesen 
sich  aber  als  zu  unvollständig,  um  veröffentlicht  zu  werden. 
Ich  habe  daher  diese  Versuche  später  noch  fortgesetzt  und 
bin,  obwohl  anfangs  die  Sache  Schwierigkeiten  hatte,  doch  zu 
ziemlich  übereinstimmenden  Resultaten  gelangt. 

Als  Material  für  diese  Versuche  dienten  hauptsächlich 
Stücke  von  einem  ähnlichen  Faden  mit  quadratischem  Quer- 
schnitte (1,5  mm  Seitenlänge),  wie  er  schon  zur  Bestimmung 
der  Transversaltöne  verwendet  worden  war.  Auch  war  die 
Versuchsanordnung  dieselbe  wie  früher,  nur  dass  der  Faden 
durch  Streichen  mit  dem  nassen  Finger  ins  Tönen  gebracht 
wurde.  Während  einer  Versuchsreihe  wurde  wieder  der  Faden 
niemals  entlastet  und  dann  immer  zu  grösseren  Belastungen 
fortgeschritten.  Uebereinstimmende  Resultate  wurden  aber 
nur  erhalten,  wenn  dem  Faden  nach  jeder  Erhöhung  der  Be- 
lastung viele  Stunden  Zeit  zur  Ausfädelung  gelassen  wurde. 
Je  nach  der  Grösse  der  Belastung  waren  so  6 — 24  Stunden 
nöthig,  damit  die  Beobachtungen  keine  wesentlichen  Aende- 
rungen  mehr  zeigten. 

Es  wurde  nun  jedesmal  der  transversale  Ton  {n)  und  der 
longitudinale  (wj)  am  Monochord  bestimmt.  Die  Bestimmung 
des  letzteren  war  freilich  bei  niederer  Spannung  sehr  schwierig, 
da  dann  kaum  ein  ordentlicher  Ton  zu  hören  ist.  Auch  sonst 
kann  man  leicht  Täuschungen  ausgesetzt  sein  über  die  richtige 
Octave  und  ob  man  es  nicht  mit  einem  Obertone  zu  thun  hat. 

1)  V.  V.  Lang,  Sitznngsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien, 
Abth.  IIa,  107.  p.  1041.  1898;   Wied.  Ann.  68.  p.  335.  1899. 


LongitudiTuile  Kne  von  Kautschukfäden.  805 

Das  Verhältniss  n^/n  der  beiden  Töne  ist  natürlich  durch  das 
Verhältniss  der  am  Monochord  bestimmten  Längen  gegeben 
und  wenigstens  von  Fehlern,  welche  die  Tonbestimmung  der 
Monochordsaite  betreffen,  frei.  Ich  gebe  nun  die  beobachteten 
Werthe  dieses  Verhältnisses  für  sechs  Stücke  des  quadratischen 
Fadens,  wie  sie  für  verschiedene  Belastungen  S  ermittelt 
wurden. 

Fadenlänge  in  Millimeter 


o 

nJn 
Mittel 

s 

50 

56 

62 

64 

68 

76 

70  g 

1,51 

— 

1,51 

1,47 

— 

1,50 

100 

1,26 

1,36 

1,48 

— 

— 

1,37 

140 

1,50 

1,46 

1,44 

1,46 

1,62 

1,50 

190 

— 

2,06 

1,75 

1.98 

— 

— 

1,98 

240 

2,87 

— 

2,84 

2,89 

2,93 

2,83 

2,87 

340 

8,36 

— 

— 

— 

3,26 

3,31 

440 

3,72 

— 

— 

— 

3,70 

3,71 

540 

3,69 

— 

— 

3,89 

3,79 

640 

3,80 

— 

— 

— 

— 

3,80 

740 

3,91 

— 

— 

— 

— 

3,91 

Aus  dieser  Tabelle  geht  wohl  unzweifelhaft  hervor,  dass 
das  Verhältniss  n^/n  unabhängig  von  der  Länge  des  Fadens 
ist,  wenigstens  innerhalb  der  Grenzen  dieser  Untersuchung. 
Bemerkens werth  ist  das  Minimum  bei  100  g  Belastung;  es  ist 
dies  die  Stelle,  wo  der  Transversalton  ein  relatives  Maximum 
hat,  wie  aus  der  folgenden  Tabelle  hervorgeht,  welche  die 
beobachteten  Längen  (/)  und  Transversaltöne  (n)  gleich  in 
Mittelwerthen  fiir  eine  anfängliche  Länge  von  100  mm  giebt. 


s 

/ 

n 

n' 

n—n' 

og 

100  mm 

— 

— 

70 

177 

75,5 

76,6 

-1,1 

100 

232 

78,2 

77,9 

+  0,3 

140 

327 

76,5 

76,7 

-0,2 

190 

461 

75,4 

74,7 

+  0,7 

240 

563 

75,2 

75,1 

+  0,1 

840 

651 

82,6 

82,2 

+  0,4 

440 

697 

89,3 

89,5 

-0,2 

540 

735 

96,1 

96,0 

+  0,1 

640 

764 

102,5 

102,1 

+  0,4 

740 

787 

107,8 

107,8 

+  0,0 

806  V.  V.  Lang. 

Die  vierte  Columne  der  vorhergehenden  Tabelle  giebt  die 
nach  der  empirischen  Formel 


„'=  ll/^^,*^  =  112,43l/f +- " 

2   (^  ö    /+62  '       (^   /+62 


41 
62 

berechneten  Werthe  der  Transversaltöne.  Das  Gewicht  des 
Fadens  (0,194  g  für  100  mm  Länge)  war  zwar  dasselbe  wie 
das  des  ähnlichen  Fadens,  der  zu  den  in  der  früheren  Ab- 
handlung angegebenen  Beobachtungen  gedient  hatte  ^  für  die 
Constanten  der  empirischen  Formel  mussten  aber  doch  andere 
Werthe  gewählt  werden,  um  die  Differenzen  n—n  nicht  zu 
sehr  anwachsen  zu  lassen.  Der  Grund  hiervon  mag  darin 
liegen,  dass  die  beiden  Fäden  zwar  von  derselben  Quelle,  aber 
zu  verschiedenen  Zeiten  bezogen  wurden.  Auch  war  die  Tem- 
peratur bei  beiden  Beobachtungsreihen  nicht  dieselbe. 

Was  nun  den  theoretischen  Werth  des  Verhältnisses  n^/n 
betrifft,  so  hat  man  nach  der  Taylor 'sehen  Formel  für  n  und 
mit  demselben  Grade  der  Annäherung  für  n^ 


1  .fE  i   ,  Aä" 


99 

WO  B  der  Elasticitätscoefficient,  p  die  Dichte  und  q  der  Quer- 
schnitt des  Fadens  ist.     Hieraus  würde 


n         Y    S 


S 

folgen.  Versucht  man  nun,  von  der  anfänglichen  Länge  (100 mm) 
ausgehend  mit  den  Zahlen  der  letzten  Tabelle  die  Grösse  g  E 
zu  ermitteln  und  hiermit  aus  der  letzten  Formel  das  Verhält- 
niss  n^jn  zu.  rechnen,  so  erhält  man  eine  ganz  ungenügende 
Darstellung  der  Beobachtungen. 

Die  üebereinstimmung  wird  dagegen  recht  gut,  wenn  man 
durch  besondere  Versuche  die  Grösse  q£  aus  der  Verlänge- 
rung (A)  ermittelt,  die  bei  der  gerade  stattfindenden  Belastung{5\ 
ohne  Rücksicht  auf  diese,  durch  ein  kleines  Zulagegewicht  a 
hervorgebracht  wird.     Setzt  man  also 

so  wird 


Longitudinale  Time  von  Kautschukfaden.  807 

Zugleich  mit  den  Beobachtungen  von  /,  n,  n  wurden 
daher  immer  auch  solche  ausgeführt,  welche  die  Ermittelung 
von  a  und  X  betrafen.  Hierzu  wurde  die  Belastung  G  um 
1 — 5  g  vermehrt  und  die^  bewirkte  Verlängerung  des  Fadens 
mit  dem  Katbetometer  gemessen.  Das  Zulagegewicht  wurde 
so  klein  gewählt,  dass  nach  dessen  Entfernung  der  Faden 
genau  auf  die  ursprüngliche  Länge  zurückging.  Die  so  er- 
mittelten Werthe  von  Eq  nehmen  nach  Vermehrung  der  Ge- 
sammtbelastung  anfangs  nicht  unbeträchtlich  zu,  nähern  sich 
aber  einer  bestimmten  Grösse,  die  in  der  früher  angegebenen 
Zeit  wohl  meist  erreicht  worden  sein  dürfte. 

Da  die  an  den  verschiedenen  Fäden  beobachteten  Werthe 
von  X  hinreichend  übereinstimmen,  gebe  ich  in  der  folgenden 
Tabelle  gleich  die  Mittel  der  auf  die  Länge  von  100  mm  und 
rr  =  1  g  reducirten  Werthe  von  h  Die  letzte  Columne  giebt 
dann  die  mit  diesen  Zahlen  nach  der  letzten  Formel  berech- 
neten Werthe  von  n^jn, 

l  njn 

1,30 
1,12 
1,14 
1,94 
2,85 

3,45 
8,81 
8,85 
8,96 
4,00 

Die  Vergleichung  der  letzten  Zahlenreihe  mit  den  filiher 
angegebenen,  durch  directe  Beobachtung  ermittelten  Werthen 
des  Verhältnisses  n^/n  lehrt,  dass,  von  der  Belastung  190  g 
angefangen,  die  Uebereinstimmung  eine  vollständige  ist.  Für 
kleinere  Belastungen  bleiben  die  gerechneten  Werthe  allerdings 
etwas  hinter  den  beobachteten  zurück,  obwohl  sie  denselben 
Gang  zeigen.  Die  Uebereinstimmung  ist  am  schlechtesten  in 
der  Gegend,  wo  der  Transversalton  sein  relatives  Maximum  hat. 

Die  vollkommene  Uebereinstimmung  bei  höheren  Be- 
lastungen ist  jedenfalls  nicht  uninteressant,  besonders  da  dies 
auch  für  andere  Kautschukfäden  zu  gelten  scheint,  wie  einige 


70  g 

1,492  mm 

100 

1,835 

140 

1,790 

190 

0,647 

240 

0,289 

340 

0,161 

440 

0,109 

540 

0,092 

640 

0,076 

740 

0,066 

808     V,  V,  Lang.    Longiiudinale  Töne  von  Kautschukfaden, 

Versuche  an  einem  Stücke  des  runden  B'adens  lehren,  welchen 
ich  auch  schon  in  der  früheren  Mittheilung  erwähnte.  Ich  fand 
nämlich  an  dem  Stücke,  dessen  anfängliche  Länge  104  mm 
betrug,  bei  440  g  Belastung  nach  24  Stunden 

/=  311  mm,       «i/w=  1,67. 

Die  Vermehrung  der  Belastung  um  5  g  brachte  eine  Ver- 
längerung von  1,35  mm  hervor,  woraus  ftir  das  letzte  Ver- 
hältniss  1,62  folgt. 

Nachdem  die  Belastung  auf  640  g  erhöht  worden  war, 
wurde  nach  24  Stunden 

/=  397  mm,     nj/n  =  2,03. 

Jetzt  bewirkten  5  g  Zulagegewicht  eine  Verlängerung  von 
0,77  mm,  was  den  Werth  2,06  giebt. 

Die  Uebereinstimmung  ist  also  auch  hier  eine  vollständige. 

(Eingegangen  am  27.  October  1899.) 


8.  Zur  Thermodynamik;  von  K.  Wesendonck. 

Claus ius  hat  im  Jahre  1867  in  einem  gemeinverständ- 
lichen Vortrage  ^)  über  den  zweiten  Hauptsatz  der  mechanischen 
Wärmetheorie  die  Hoffnung  ausgesprochen,  man  werde  diesen 
bald  ebenso  einfach  und  natürlich  finden  wie  den  Satz 
von  der  Erhaltung  der  Energie.  Dieser  Wunsch  hat  sich 
nicht  ganz  erfiillt.  Wenn  auch  die  Mehrzahl  der  Forscher 
den  zweiten  Hauptsatz  der  Thermodynamik  vollständig  an- 
erkennt, so  hat  es  doch  auch  nicht  an  energischer  Kritik  der 
ganzen  Lehre  wie  einzelnen  Theilen  derselben  gegenüber  ge- 
fehlt. Verfasser  erlaubt  sich  in  dem  Folgenden,  ohne  auf  Voll- 
ständigkeit Anspruch  erheben  zu  wollen ,  eine  Reihe  der  hierbei 
zu  Tage  getretenen  Bifferenzpunkte  zu  besprechen  und  speciell 
hinzuweisen  auf  die  noch  heute  bestehende  Berechtigung  und 
Geltung  der  Anschauungen  von  Clausius,  wobei  jedoch  Beweise 
aus  der  sogenannten  kinetischen  Wärmetheorie  nicht  berück- 
sichtigt werden  sollen. 

Clausius  ist  sich  des  hypothetischen  Charakters  mancher 
seiner  Ausführungen  bekanntlich  stets  bewusst  gewesen,  und 
hat  strenge  zu  scheiden  gesucht  zwischen  dem,  was  er  als  ge- 
sicherten Besitz  der  Wissenschaft  ansah,  und  dem,  was  er  nur 
für  wahrscheinlich  hielt*),  wie  z.  B.  die  kinetische  Natur  der 
Wärme.  Den  zweiten  Hauptsatz  in  seiner  Anwendung  auf 
Kreisprocesse  sah  er  allerdings  als  streng  mathematisch  be- 
wiesen an'),  soweit  man  seinen  Grundsatz  gelten  lasse.  Wir 
wollen  in  Zukunft  den  berühmten  Ausdruck 


/ 


rfO-0 


T    " 

einfach   als   die  Claus  ius 'sehe  Ungleichung   bezeichnen,   sie 
wurde  von  Clausius  stets  in  den  Fordergrund  gestellt.    Bertrand 


1)  Im  Druck  erschienen  bei  Vieweg&Sobn.  Braunschweig  1868. 

2)  Vgl.  E.  Clausius,  Ges.  Abhandl.  1.  p.  242—244,  p.  309,  p.  310, 
Anm.  1.  Vorrede  p.  VI.  1864;  Mech.  Wärmeth.  8.  p.  1.  1889;  Pogg.  Ann. 
142.  p.  460.  1871. 

3)  1.  c.  p.  243. 


810  K,  Wesendonck, 

hingegen  sah  1887  in  seiner  Thermodynamik  eben  dieses 
Theorem  weder  als  sicher  noch  als  wahrscheinlich  an,  und 
Hr.  Karl  Neumann^)  findet  1891,  dasselbe  sei  weder  tod 
Clausius  noch  von  einem  anderen  Autor  in  deutlicher  Weise 
ausgesprochen  worden.  Doch  folge  aus  den  Clausius* sehen 
Untersuchungen  ein  ganz  bestimmter  wichtiger  Satz,  den  Hr. 
Neumann  aber  mehr  in  Anlehnung  an  W.  Thomson' sehe 
Betrachtungen  zu  beweisen  sucht.  Poincar^*)  hat  bekanntlich 
gegenüber  Bertrand  die  von  Clausius  erhaltenen  Ergebnisse 
vertheidigt,  durch  Betrachtungen,  die  dessen  Ausführungen 
erheblich  näher  stehen,  als  die  Neu  man  naschen,  und  während 
dieser  das  Princip  der  Vermehrung  der  Entropie  als  sehr  be- 
denklich bezeichnet'),  gelangt  der  französische  Mathematiker 
zu  eben  diesem  durch  Betrachtung  eines  Kreisprocesses,  welche 
Schlussweise  tibereinstimmend  auch  von  mehreren  anderen 
Forschern  angewendet  wird.*)  Clausius  selbst  hat  leider  die 
Lehre  von  der  Entropie  nicht  eingehend  erörtert,  sondern  mehr 
nur  angedeutet,  es  ist  wohl  dadurch  hauptsächlich  bedingt 
worden,  dass  bis  in  die  neueste  Zeit  in  den  Lehrbüchern, 
selbst  eingehenden  Special  werken ,  wie  Bühlmann's  Hand- 
buch der  mechanischen  Wärmetheorie,  nur  so  wenig  ge- 
nügende Auskunft  über  die  Entropie  zu  finden  war.^  Den 
BegriflF  der  Entropie  hat  Clausius,  nachdem  er  bereits  zuvor 
deren   wesentliche    Eigenschaften   erkannt^,    erst    1865  ein- 


l)Karl  Neumann,  Leipziger  Berichte,  Math.-phjs.  Klasse  1. 
p.  76.  1891. 

2)  H.  Poincar^,  ThermodTnamik.  Deutsch  von  Jäger  u.  Garn- 
lieh  1893. 

8)  Karl  Neumann,  1.  c  p.  135. 

4)  Vgl.  z.  B.  G.  Kirchhoff,  Vorlesungen  über  Theorie  d.  Wärme. 
Herausgegeben  von  M.  Planck  p.  69.  1894;  A.  Winkehnann,  Htnd- 
buch  der  Physik  (11)  2.  p.  436.  1896;  P.  Duhem,  M^canique  chimiqae 
1.  p.  83.  1897. 

5)  Vgl.  P.  Duhem,  Mecanique  chimique  1.  p.  4.  1897,  ferner 
E.  Buckingham,  Phys.  Rev.  4.  p.  39.  1896. 

6)  R.  Clausius,  1.  c.  1«  p.  150.  1854  wird  nachgewiesen,  d  ^/Tmüflse 
ein  vollständiger  Differential  sein  für  umkehrbare  Processe,  1.  c.  2.  p.  31 
wird  id  QjT)  =  d  S  gesetzt  und  der  Ausdruck 

dQ 


S 


=  *^%+J      2' 


Thermodynamik .  811 

geführt^),  und  zwar  definirt  er  sie  als  Summe  der  Verwandlungs- 
werthe  des  Wärmeinhaltes  und  der  augenblicklich  stattfindenden 
Anordnung  der  Bestandtheile.  Entsprechend  erscheint  die 
Energie  als  Summe  der  Wärme  und  Werkinhaltes.^)  Weiterhin  ^) 
wird  dann  die  Lehre  von  der  Vermehrung  der  Entropie  eben  nur 
angedeutet;  da  eine  vollständige  Behandlung  dieses  Gegenstandes 
nicht  am  Orte  sein  würde.  ,,Der  zweite  Hauptsatz  in  der  Gestalt, 
welche  ich  ihm  gegeben  habe^^^  heisst  es  wörtlich,  ^^sagt  aus,  dass 
alle  in  der  Natur  vorkommenden  Verwandlungen  in  einem  gewissen 
Sinne,  welchen  ich  als  den  positiven  angenommen  habe,  von  selbst, 
d,  /i.  ohne  Compensation  geschehen  können,  dass  sie  aber  in  entgegen- 
gesetztem, also  negativem  Sinne  nur  in  der  IVeise  stattfinden  können, 
dass  sie  durch  gleichzeitige  positive  Verwandlungen  compensirt 
werden,^^  Daraus  folge  dann,  das  Weltall  nähere  sich  ohne 
ünterlass  einem  Grenzzustande,  der  sich  durch  die  oben  erwähnte 
Entropie  genannte  Grösse  einfach  und  bestimmt  charakteri- 
siren  lasse.  Die  Betrachtung  müsse  aber  noch  auf  strahlende 
Wärme  und  auf  solche  Bewegungen,  die  nicht  unter  dem 
Namen  Wärme  zu  begreifen  sind,  ausgedehnt  werden.  Bei 
Bewegung  einer  ponderablen  Masse,  wenn  sie  nur  so  gross  ist, 
dass  ein  Atom  dagegen  als  verschwindend  klein  betrachtet 
werden  kann,  sei  der  Verwandlungswerth  alsdann  verschwin- 
dend klein  gegen  deren  lebendige  Kraft*),  woraus  folge,  dass 


abgeleitet;  weiter  dann  (1.  c.  p.  40  u.  41  j  wird  gegeben  (im  wesentlichen 
aber  schon  1.  c.  1.  p.  163.  1856) 

irr. 

WO  iV^O  und  irr.   bedeutet,  das  Integral  beziehe  sich  auf  einen  irre- 
versibeln  Vorgang. 

1)  1.  c.  p,  34.  Energie  und  Entropie  werden  maUiematisch  behandelt 
1.  c.  p.  35  ff.  und  Zusatz  dazu. 

2)  Die  Bedeutung  von  Werk  erläutert  Clausius,  Ges.  Abband! . 
].  p.  283  und  obengenannter  Vortrag  p.  15. 

3)  1.  c.  p.  42  ff. 

4)  Der  Sinn  dieser  Angaben  von  Clausius  ist  wohl  der  folgende: 
Unter  der  absoluten  Temperatur  ist  zu  verstehen  die  mittlere  lebendige 
Kraft  der  kleinsten,  sieb  selbstständig  bewegenden  Körpertbeilchen. 
Wenn  ein  solches  und  eine  bewegte  endliche  Masse  gleiche  Temperatur 
haben  sollen,  so  müssen  beide  gleiche  kinetische  Energie  besitzen  und  das 
ergebe  einen  enorm  hohen  Wärmegrad,  der  alsdann  ja  in  den  Nenner 
des  Verwandlungswerthes  der  Massenbewegung  käme. 


812  K,  Wesendonck. 

bei  Umsatz  der  Bewegung  in  Wärme  durch  passive  Wider- 
stände der  Aequivalenzwerth  der  dabei  eintretenden  uncom- 
pensirten  Verwandlung  einfach  durch  den  Verwandlungswerth 
der  erzeugten  Wärme  dargestellt  werde.  Die  lebendige  Kraft 
trägt  also  direct  so  gut  wie  nichts  zur  Entropie  bei,  und  auch 
die  Ungleichung  gilt  noch,  wenn  auch  das  betreffende  System 
nicht  immer  in  Buhe  befindlich  ist,  während  der  Kreisprocess 
ausgeführt  wird.  Hierüber  war  sich  Clausius  jedenfalls  klar^ 
was  Hrn.  Duhem^)  gegenüber  bemerkt  sein  möge.  Der  Ver- 
wandlungswerth der  Massenbewegung  ist  hiernach  nicht  völlig 
gleich  NuU^,  es  lässt  sich  ja  nach  Verfassers  Ansicht  auch 
nicht  von  vornherein  behaupten,  dass  mechanische  Vorgänge 
vollständig  reversibel  sind,  auch  abgesehen  von  passiven  Wider- 
ständen. Alle  mechanischen  Systeme  sind  ja  doch  nur  Theile 
grössei'er  solcher,  mit  denen  sie  schon  durch  sogenannte  Fem- 
wirkungen in  Wechselwirkung  stehen.  Praktisch  sind  diese 
Einflüsse  aber  wohl  fast  immer  als  verschwindend  anzusehen.^) 
Die  strahlende  Wärme  hat  Clausius  nicht  näher  mehr  be- 
trachtet^), nur  vorläufig  wolle  er  angeben,  dass  bei  richtiger 
Berechnung  der  von  ihm  Entropie  genannten  Grösse  für  das 
ganze  Weltall,  man  zu  dem  Satze  gelange,  die  Entropie  des 
Weltalls  strebt  einem  Maximum  zu. 

Das  hierin  ausgesprochene  Princip  der  Vermehrung  der 
Entropie  gelangte  zur  weiteren  Verbreitung  in  der  Wissen- 
schaft zunächst  durch  die  geistreichen  Anwendungen  von 
Horstmann ^),  dann  besonders  die  grossen  so  hervorragenden 
Arbeiten  vonGibbs^),  der  sich  anscheinend  direct  an  Clausius 
anlehnt^),  ferner  seit  1879  durch  Hrn.  Planck,  welcher  in- 
dessen bei  der  Herleitung  anders  als  Clausius®)  verfahren  zu 


1)  P.  Duhem,  Leonville's  Journal  10.  p.  229.  1894. 

2)  Vgl. femer R.  Clausius,  Mech. Wärmetheorie  2.  p.812— 314. 1879. 

3)  Vgl.  M.  Planck,  Thermodynamik  p.  77.  §  113.   1897. 

4)  Abgesehen  natürlich  1.  c.  1.  p.  322  und  Pogg.  Ann.  121.  p.  1.  1864. 

5)  Vgl.  insbesondere  Liebig's  Ann.  170.  p.  192.  1873. 

6)  J.  W.  Gib bs,Thennodyn.  Studien.  Deutsch  von  Ostwald  1892. 

7)  Vgl.  1.  c.  p.  66  die  beiden  Sätze  an  der  Spitze  seiner  grossen 
Abhandlung. 

8)  M.  Planck,  Ueber  den  zweiten  Hauptsatz,  München  1879,  ferner 
Thermodynamik  1897.  Der  daselbst  gegebene  Beweis,  die  Entropie  könne 
nicht  verkleinert  werden,  ohne  entsprechende  Veränderungen  in  anderen 


Thermodynamik,  813 

sollen  glaubte,  ohne  dass  indessen  der  nach  Clausius  sich 
fast  von  selbst  ergebende  Begriff  der  Entropie  als  einer  den 
Zustand  des  betrachteten  Systemes  charakterisirenden  Grösse 
dadurch  plausibler  geworden  sein  dürfte.^)  Bei  Planck  wird 
derselbe  mit  einem  Male  für  vollkommene  Gase  aufgestellt 
und  dann  auf  einigen  Umwegen  allgemein  auf  beliebige  Körper 
übertragen,  die  Entropie  erscheint  dabei  wie  eine  von  aussen 
künstlich  in  die  Betrachtungen  hineingetragene  Grösse.  In 
hohem  Maasse  fördernd  und  aufklärend  für  die  Erkenntniss 
der  Bedeutung  des  zweiten  Hauptsatzes  in  seinen  Consequenzen 
wirkten  die  klassischen  Arbeiten  von  v.  Helmholtz*),  femer 
kommen  hier  in  Betracht  die  ausgedehnten  Untersuchungen 
von  Hrn.  Duhem  seit  dem  Jahre  1886.  Dieser  Forscher 
anerkennt  zwar  den  zweiten  Hauptsatz  und  seine  Folgerungen, 
auch  das  Princip  der  Vermehrung  der  Entropie,  aber  er  sieht 
die  Betrachtungen^  von  Clausius  nicht  als  einen  Beweis  an, 
meint  vielmehr,  die  Grundlagen  des  ganzen  Gebäudes  bedürften 
einer  Revision.*)  Von  grossem  Interesse  erscheinen  die  ein- 
gehenden Untersuchungen  über  umkehrbare  Vorgänge,  die  als 
continuirliche  Folgen    von  Gleichgewichtszuständen  aufgefasst 


Körpern  zaräckzulassen,  erscheint  nicht  unbedingt  plausibel,  indem  die 
dabei  nöthige  isentropische  Veränderung  bedeutenden  Arbeitsaufwand  ver- 
anlassen kann,  sodass  unter  Umständen  die  betreffende  periodisch  func- 
tionirende  Maschine  gar  nicht  Arbeit  leistet,  woraus  ja  der  Widerspruch 
mit  Thomson's  Grundsatz  gefolgert  wird.  Femer  muss  eine  isentropische 
Aenderung  immer  als  möglich  vorausgesetzt  werden,  was  doch  nicht  ohne 
weiteres  angenommen  werden  kann.  (Thermodynamik  p.  86  u.  93.)  Fast 
einfacher  und  einleuchtender  dürfte  es  sein,  grundsätzlich  zu  erklären,  ein 
von  selbst  verlaufender  Process  könne  nicht  ohne  Compensation  rückgängig 
gemacht  werden.  Der  Ausdruck  d  ü-\-pdv  nach  Planck  für  das  Dif- 
ferential der  Entropie  ist  auch  wohl  zu  eng,  da  doch  überhaupt  rever- 
sibles Werk  zu  rechnen  ist  nicht  nur  p ,dv.  Vgl.  die  Arbeiten  von 
V.  Helmholtz,  Duhem,  Voigt,  Buckingham. 

1)  Vgl.  G.  Helm,  Energetik  p.  193.   1898. 

2)  H.  V.  Helmholtz,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu 
Berlin  vom  2.  Februar  und  27  Juli  1882,  femer  Verhandl.  d.  Phjsikal. 
Gesellsch.  zu  Berlin  6.  p.  98—101  u.  p.  112—114.  1887,  wo  v.  Helm- 
holtz den  zweiten  Wärmesatz  gegen  Pictet  vertheidigt 

3)  P.  Duhem,  M6c.  chim.  1.  p.  73.  1897. 

4)  P.  Duhem,  Journ.  de  math^m.  pure  et  appl.  (4)  8.  p.  268. 
18^2;  (4)  9.  p.  334.  1898;  (4)  10.  p.  203.  1894. 


814  K,  fFesendonck. 

werden^)  und  über  die  Bedingungen,  unter  welchen  man  eine 
beliebige  Veränderung  in  eine  reversible  verwandeln  kann,  was 
nicht  immer  zu  erreichen  sei.^  Kann  man  aber  von  einem 
Zustande  Ä  zu  einem  zweiten  B  ein  System  durch  umkehrbare 
Veränderungen  bringen,  so  zeigt  Duhem  durch  ziemlich  lang- 
wierige Betrachtungen,  dass  dann  mit  grosser  Allgemeinheit 
gilt  (nicht  völlig  allgemein),  jedes  Integral  fdQjT  hat  den 
selben  Werth  für  jede  solche  reversible  Transformation  von 
Ä  nach  B.  Zum  Beweise  werden  zwei  Grundsätze  verwendet, 
die  denen  von  Clausius  und  Thomson  entsprechen.  Die 
sogenannten  uncompensirten  Verwandlungen  erscheinen  ledig- 
lich als  Folgen  der  Arbeit  passiver  Kräfte,  ist  sie  Null,  ist 
das  System  ohne  Fiscosität,  so  gilt  auch  für  nicht  umkehrbare 
Ereisprocesse  noch 


/ 


-f  ?-  =  0 


Zum  Beweise  der  Clausius'schen  Ungleichung  muss  aber 
noch  eine  Annahme  über  die  sogenannte  wirksame  Arbeit  ein- 
geführt werden.  Diese  kommt  also  zu  den  Grundsätzen  hinzu, 
was  für  die  absolute  Strenge  von  Duhem 's  Beweis  nicht 
gerade  spricht.  Wie  Verfasser  scheinen  will,  wird  mit  Recht 
die  Clausius'sche  Ungleichung  als  der  allgemeinste  Ausdruck 
des  zweiten  Hauptsatzes  der  Thermodynamik  angesehen.^)  Das 
Princip  der  Vermehrung  der  Entropie*)  und  seine  Consequenzen, 
ebenso  wie  die  sogenannten  thermodynamischen  Functionen*) 
ergeben  sich  ja  aus  jener  Ungleichung,  die  für  endliche,  wie 
unendliche  kleine  Processe  besteht.  Hr.  Duhem  glaubt  femer, 
für  Erscheinungen,  wie  die  der  Reibung  der  sogenannten 
falschen  chemischen  Gleichgewichte  etc.,  die  bisherige  klassische 
Thermodynamik  erweitern  zu  sollen  durch  Einführung  gewisser 
Ungleichungen,  wie  sie  in  der  Mechanik  für  die  Probleme  der 
Reibung  bereits  bestehen.^)     Ein  System^  welches  unter  solchen 


1)  Die   Umkehrung    ist    indessen    nicht   immer   zulässige    wie  die 
Hysteresis  zeigt 

2)  Z.  B.  nicht  bei  unstationären  Strömen  und  bei  Elektrolyten,  die 
durch  einen  Strom  zersetzt  werden. 

3)  P.  Duhem,  M6c.  chim.  1.  p.  79.  1897. 

4)  Dazu  müssen  aber  reversible  Veränderungen  möglich  sein. 

5)  1.  c.  p.  88  u.  83. 

6)  P.  Duhem,  M^c.  chim.  1.  p.  204,  p.  209 f.  1897. 


Thermodynamik,  815 

Bedingungen  einen  Kreisprocess  beschreibt j  genügt  aber  immer 
noch  der  Clausius'schen   Ungleichung. 

Wie  bei  V.  Helm  holt  z  die  freie  Energie,  so  tritt  bei  Hm. 
Duhem^)  das  thermodynamische  Potential  in  den  Vordergrund, 
bei  Bürn.  Planck  dagegen  das  Princip  der  Vermehrung  der 
Entropie,  als  allgemeinster  Ausdruck  des  zweiten  Hauptsatzes, 
die  einzige  Form,  welche  sich  ohne  jede  Beschränkung  für 
jeden  beliebigen  endlichen  Process  aussprechen  lasse.  ^  Hr. 
Nernst^  dagegen  sieht  die  Zehre  von  der  freien  Energie  bez. 
der  maximalen  Arbeit  für  ebenso  allgemein  an,  sie  gelte  für 
constante  Temperatur j  die  Vermehrung  der  Entropie  für  unver^ 
änderlichen  Energieinhalt.  Die  gleiche  Anschauung  findet  sich 
auch  bei  einigen  anderen  Forschern*),  während  eine  Anzahl 
solcher  annimmt,  das  Princip  der  Entropievermehrung  bestehe, 
sobald  ein  System  lediglich  gegen  Wärmeaustausch  nach  aussen 
hin  abgeschlossen  sei,  sonstige  Energie  aber  noch  aufnehmen 
könne.  ^)  Den  hier  zur  Geltung  kommenden  Gegensatz  ver- 
schiedener Gelehrter  hat  Hx.  Voigt  etwas  näher  betrachtet. 
Er  nimmt  lediglich  als  Resultat  der  Erfahrung  an®),  alle  nicht 
umkehrbaren  Kreisprocesse  könnten  nur  Arbeit  in  Wärme  ver- 
wandeln^, die  daraus  folgenden  Schlüsse,  wie  z.  B.  der  in  Bezug 
auf  Vermehrung  der  Entropie,  litten  daher  an  einer  gewissen 
Unsicherheit.®)  Eine  hypothetische  Erweiterung  der  Gleich- 
gewichtsbedingungen der  Mechanik  führt  zu  der  von  N  ernst 
vertretenen  Auffassung.  ®) 

Diese  eine  sichere  Orientirung  in  der  Thermodynamik 
recht    erschwerenden    Meinungsverschiedenheiten    bei    hervor- 


1)  Leider  ist  hier  eine  eingehendere  Darlegung  von  Duhcm's  An- 
sichten nicht  angängig. 

2)  M.  Planck,  Thermodynamik  p.  193.  1897. 

3)  W.  Nernst,  Theoretische  Chemie  p.  25  u.  29.  1898. 

4)  Vgl.  z.  B.  P.  Duhem,  M6c.  chim.  1.  p.  83.  1897;  A.  Winkel- 
mann, Handbuch  der  Physik  (II)  2.  p.  435.   1896. 

5)  Vgl.  z.  B.  G.  Kirchhoff,  Vorlesungen  über  Wärme  p.  70.  1894; 
M.  Planck,  Thermodynamik  p.  102.  1897. 

6)  W.  Voigt,  Compendium  der  theoretischen  Physik  1.  p.  508.  1896. 

7)  Dies  scheint  Verfasser  nicht  ohne  weiteres  identisch  zu  sein  mit 
/{d  Q/T)  <  0,  sondern  vielmehr  mit  fdQ<0, 

8)  1.  c.  p.  547. 

9)  1.  c.  p.  564  Q.  565,  ein  strenger  Beweis  ist  das  natürlich  nicht. 


816  K,  Wesendonck, 

ragenden  Forschei*n,  lassen  es  wenig  wunderbar  erscheinen, 
wenn  endlich  die  Frage  gestellt  wird,  ob  die  Wärmelehre  in  ihrer 
Entwickelung  nicht  besser  einen  anderen  Verlauf  genommeD, 
als  geschehen,  wie  das  Hr.  Wiedeburg^)  andeutet.  Der  En- 
tropiebegriff deckt  sich  nach  diesem  Forscher  mit  dem  alten 
Begriffe  des  Wärmeinhaltes,  das  Princip  der  Vermehrung*) 
wird  nicht  anerkannt,  vielmehr  soll  auch  bei  nicht  umkehr- 
baren adiabatischen  Vorgängen  die  Entropie  constant  bleiben. 
Hr.  Helm^)  meint  denn  auch,  es  könnte  in  der  Clausius'schen 
Formel 


(II)  N^S^8,^j 


±9. 

T 
Ixr. 


N  zugleich  mit  den  dQ  verschwinden,  S  also  constant  bleibe», 
während  man  bekanntlich  sonst  schliesst  S  —  S^  =  iV  >  0  in 
diesem  Falle.  Andererseits  hat  sich  der  zweite  Wärmesatz 
und  die  Lehre  von  der  Vermehrung  der  Entropie  bewährt 
bei  den  scharfsinnigen  Untersuchungen  der  Herren  Boltzmann^) 
und  Wien^)  über  strahlende  Entropie,  die  Geltung  hört  nur 
auf  nach  Hrn.  Wien®),  sobald  man  auf  die  einzelnen  von  der 
Wärme  erregten  Schwingungen  zu  wirken  vermag.  Etwas 
Aehnliches  zeigt  sich  ja  auch  bei  molecular-kinetischen  Be- 
trachtungen. 

Hat  sich  denn  nun  Glausius  wirklich  so  sehr  geirrt, 
wenn  er  seine  berühmte  Ungleichung  als  mathematisch  be- 
wiesen ansah,  sind  die  Betrachtungen  von  Poincar6,  Neu- 
mann, Planck  etc.  wirklich  so  wenig  beweiskräftig,  oder  sind 
sie  nur  zum  Theil  zwingend,  zum  Theil  aber  der  Ergänzung 
bedürftig?  Verfasser^)  hat  vor  einiger  Zeit  geglaubt,  darauf  hin- 

1)  0.  Wiedeburg,  Zekschr.  f.  phjeik.  Chem.  (1)  29.  p.  27ff. 
1899;  Wied  Ann.  61.  p.  705—736.  1897;  62.  p.  652—679.  1897;  64. 
p.  519—548.   1898. 

2)  1.  c.  p.  45. 

3)  G.  Helm,  Energetik  p.  126  u.  p.  318.  1898. 

4)  L.  Boltzmann,  Wied.  Ann.  22.  p.  291—294.  1884. 

5)  W.  Wien,  Wied.  Ann.  49.  p.  633—641.  1893;  Sitzungsber.  d.  k. 
Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin  p.  25—32. 1893;  Wied.  Ann.  62.  p.  132—165. 

1894. 

6)  W.  Wien,  Wied.  Ann.  52.  p.  151.  1894. 

7)  K.  Wesendonck,  Wied.  Ann.  67.  p.  444—451.  1899. 


Tiiermodynamik,  817 

weisen  zu  sollen,  d'ass  die  Gl  au  sin  s 'sehen  Erörterungen  noch 
zu  Becht  bestehen  und  seine  Auffassung  der  Verwandlungs- 
werthe  nicht  aufzugeben  sei.  Die  Art  und  Weise,  wie  in  der 
Abhandlung  über  eine  veränderte  Form  des  zweiten  Haupt- 
satzes, besonders  wenn  man  die  in  verschiedenen  Theilen 
seiner  verschiedenen  Arbeiten  verstreuten  Bemerkungen  von 
Clausius  beachtet,  der  Beweis  geführt  wird,  erscheint  sehr 
allgemeiner  Natur  und  ist  z.  B.  von  dem  Verhalten  des  Druckes, 
der  Anzahl  der  Variablen  ^),  die  zur  Definition  eines  Zustandes 
nöthig  sind  und  dergleichen  mehr,  vollständig  unabhängig. 
Auch  bedarf  es  der  langwierigen  Betrachtungen  über  die  Mög- 
lichkeit, mit  den  betreffenden  Systemen  umkehrbare  Processe 
vorzunehmen,  ganz  und  garnicht.  Die  arbeitende  Substanz 
braucht  ja  keine  selbst  durchzumachen.  Carnot'sche  Pro- 
cesse, und  zwar  solche  einfacher  Art,  deren  theoretische  Mög- 
lichkeit ja  feststeht*),  werden  dazu  herangezogen,  um  darzuthun, 
wie  man  die  betreffenden  vorkommenden  Verwandlungen  wieder 
rückgängig  machen,  bez.  entgegengesetzte  an  ihre  Stelle  treten 
lassen  kann.  So  vermag  man  jede  Wärmemenge  Q  bez.  dQ 
von  einer  bestimmten  Temperatur  T,  die  in  mechanische  Arbeit 
verwandelt  worden  ist,  aus  mechanischer  Arbeit  auf  diese  Weise 
wieder  zu  erzeugen  und  dafür  eine  gewisse  Wärmemenge  von 
niederer  Temperatur  in  solche  von  höherer  zu  verwandeln*),  und 
mutatis  mutandis  gilt  Entsprechendes  für  den  umgekehrten 
Fall.  Es  ist  nicht  einmal  direct  nöthig  für  die  Beweisführung, 
dass  die  W^ärmereservoire ,  welche  beim  Kreisprocess  benutzt 
worden  sind,  selbst  hierbei  wieder  zur  Anwendung  kommen,  es 
fragt  sich  nur,  ob  alle  eingetretenen  Wärmeübergänge  compen- 
sirt  worden  sind  oder  nicht  und  welches  der  Sinn  der  etwa 
übrigbleibenden  uncompensirten  Verwandlungen  ist.  Es  dürfte 
vielleicht  rathsam  sein,  hier  einiges  zu  wiederholen,  was  sein 

1)  Diese  Fragen  spieleo  bei  Bertrand  und  Poincare  eine  Rolle. 

2)  Gegenüber  den  Ausführungen  des  Hrn.  F.  Wald  (Zeitscbr.  f. 
phyß.  Chem.  1.  p.  408—415.  1887  und  2.  p.  523—530.  1888)  sei  bervor- 
geboben,  dass  Clausius  genau  wusste,  dass  die  umkehrbaren  Vorgänge 
nur  einen  tbeoretiscb  möglicben  Grenzfall  bilden;  vgl.  z.  B.  Abhdndl.  1. 
p.  252.  1864. 

3)  leb  gebe  bier  etwas  näher  auf  diese  Verhältnisse  ein,  da  meine 
Angaben  1.  c.  p.  448—449  vielleicht  etwas  zu  knapp  gebalten  sind  und 
missverstanden  werden  könnten. 

Ann.  d.  Phjt.  u.  Chem.    N.  F.    68.  52 


818  K,  H^'esendanck. 

Begründer  über  den  bekannten  Grundsatz:  ,\ Wärme  kann  nicht 
von  selbst  yon  einem  kälteren  zu  einem  wärmeren  Körper 
übergehen/^  ausgesagt  hat,  da  eine  mangelhafte  Orientirung 
über  dessen  Tragweite  wohl  mehrfach  der  Grund  zu  Hiss- 
verständnissen des  zweiten  Wärmesatzes  gewesen  ist.  Es 
heisst  da  an  einer  Stelle^):  Der  Grundsatz  solle  nicht  nur 
für  directe  Wärmeübergänge  gelten,  sondern  auch  für  alle 
anderen  Vorgänge,  durch  welche  ein  Wärmeübergang  zwischen 
Körpern  verschiedener  Temperatur  veranlasst  werden  kann, 
wobei  hervorzuheben  seien  die  Fälle,  bei  denen  der  Wärme- 
austausch durch  einen  oder  mehrere  veränderliche  Körper 
vermittelt  wird,  welche  bei  ihren  Zustandsänderungen  bald 
Wärme  aus  einem  Körper  aufnehmen,  bald  Wärme  an  eioen 
anderen  Körper  abgeben.  Dabei  können  entgegengesetzte 
Wärmeübergänge,  die  bei  demselben  Processe  vorkommeii, 
sich  gegenseitig  compensiren.  Ferner  kann  ein  aufsteigender 
Wärmeübergang  (d.  h.  von  kälteren  zu  wärmeren  Körpern)  von 
einer  bleibenden  Veränderung  begleitet  sein,  welche  nicht 
rückgängig  gemacht  werden  kann,  ohne  entweder  eine  bleibende 
Veränderung  ähnlicher  Art  zu  ergeben  oder  einen  absteigenden 
Wärmestrom  zu  veranlassen.  Hierbei  ist  also  der  aufsteigende 
Wärmestrom  mittelbar  mit  einem  absteigenden  verbunden  und 
jene  bleibende  Veränderung  kann  als  Gompensation  angesehen 
werden.  Demnach  würde  aber  alsdann  sich  ergeben,  dass. 
wenn  bei  einem  Kreisprocesse  einer  der  Ausdrücke 

2 1  ^- 1'-?  "^  m ■'  ^- ISF?- ■ 

welche  hier  in  Betracht  kommen,  einen  positiven  Werth  er- 
hielte, dies  gleichbedeutend  wäre  mit  aufsteigenden,  uncom- 
pensirten  Wärmeströmen,  die  also  wenigstens  theoretisch  durch 
den  Kreisprocess  des  arbeitenden  Systems  veranlasst  werden 
könnten. 

Hiernach    ist    aber    die    Clausius^ sehe    Ungleichung    durch 
ihres    Urhebers   Begründung   so  sicher  bewiesen,   als  der  Grund' 


1)  R.  Cläusius,  1.  c.  1.  p.  134.  Anm. 

2)  Die  Summe,  das  einfache,  das  doppelte  oder  das  dreifache  Ii>te- 
gral,  kommen  hier  in  Betracht,  je  nachdem  durchweg  gleiche  Temperatur 
herrscht  oder  Oberflächenelemente  oder  Körperelemente  mit  verschiedenen 
Temperaturen  in  Rechnung  zu  ziehen  sind. 


Thermodynamik.  819 

satz    selbst    es    ist   und    bedarf  keiner    Hülfshypothese,    wie    bei 
Buhem,     Da  bei  den  Betrachtungen  nur  die  von  aussen  zu- 
geführte Wärme  zu  rechnen  ist,  so  spielt  die  lebendige  Kraft, 
welche  das  System  etwa  zu  Zeiten  besitzt,  weiter  gar  keine 
Rolle  und  gilt  die  Ungleichung,  ob   diese  stets  Null  ist  oder 
nicht.     Nur  erscheint  eine  Beschränkung  vorhanden,   die  aber 
auch  von  Planck^)  und  Neumann  ^  bei  ihren  Betrachtungen 
über  Ereisprocesse  ausdrücklich  angenommen  werden.     Es  ist 
nämlich  immer  nur  von  Wärmeübergängen  und  Verwandlungen 
zwischen  Wärme  und  mechanischer  Arbeit  die  Rede  und  nicht 
von  solchen  in  andere  Energieformen.     Nun  ist  zuerst  zu  be- 
denken,  dass  man  alle  Systeme,  die  andere  als  mechanische 
Veränderungen  erleiden,  in  den  Kreisprocess  mit  einbeziehen 
kann,  dann  wird  nach  aussen  nur  noch  eventuell  mechanische 
Arbeit   geleistet   und   der  Satz   ist   dann  in  solcher  Fassung 
schon  von  sehr  grosser  Allgemeinheit.     Aehnlichen  Beschrän- 
kungen   unterliegt  ja  auch  der  Beweis   von   Poincarö^),    die 
Reservoire  zusammen  mit  den  veränderlichen  Körpern  müssen 
dort  ein  isolirtes  System  bilden   und   erstere  hängen  in  ihren 
Zuständen  nur  von  zwei  Variablen  ab.    Man  kann  aber  gewiss 
auch  mit  Recht  fragen,  ob  die  Ungleichung  noch    gilt,    wenn 
anderes  Werk  gethan  wird,  als  nur  mechanisches.    Nur  muss 
man    alsdann    streng    darauf   achten,    dass    das    veränderliche 
System,  nachdem  es  einen  Kreis  durchlaufen,  genau  wieder  im 
Anfangszustande  sich  befinde.    Denn  es  ist  zu  bedenken,  dass 
sein  Zustand  von  dem  der  Umgebung  vielfach   abhängt,   also 
Aenderuugen  dieser  genau  zu  beachten  sind.    Man  denke  nur 
an  die  Oberflächenenergie,  au  Deformationen  durch  sogenannte 
Fernwirkungen,  elektrische  Verschiebungen  etc.,  Einflüsse,  die 
unter   Umständen    wohl    nicht   vernachlässigt   werden   dürfen. 
Anstatt  in   mechanische  Arbeit,   wird  dann  die  überschüssige 
Wärme  in  das  entsprechende  Werk  verwandelt  und  es  dürfte 
vielleicht  fraglich  erscheinen,  ob  man  noch  immer  einen  Car- 
not'sohen  Process  direct  oder  indirect  finden   kann,    der  die 
betrefi'enden  Wärmemengen  aus  der  gewonnenen  Energie  wieder 
erzeugt,  zugleich  mit  einem  aufsteigenden  äquivalenten  Wärme- 

1)  M.  Planck,  Thermodynamik  p.  88.  1897. 

2)  Karl  Neumann,  1.  c.  p.  77. 

3)  H.  Poincar^,  Thermodynamik  p.  156.  189S. 

52* 


820  K.  IVesendonck. 

ström  wie  das  der  Beweis  erfordert.  Kann  man  die  gewonnene 
Energie  vollständig  (wenn  auch  nur  theoretisch)  oder  fast  toII- 
ständig  in  mechanische  Arbeit  umwandeln,  wie  das  z.  B.  bei 
elektrischer  Energie  unter  Verwendung  yerschwindender  Strom- 
stärke möglich  ist,  so  gelingt  es  natürlich,  besagte  Rückver- 
wandlung zu  erreichen.  ISa  genügt  ja  stets  in  allen  solchen 
Fällen,  wenn  diese  nur  soweit  gelingt^  dass  irgendwie  uncom- 
pensirte  aufsteigende  Wärmeströme  schliesslich  übrig  bleiben. 
Durch  derartige  Betrachtungen  lässt  sich  also  schon  zeigen, 
dass  die  Ungleichung  für  eine  fast  unbegrenzt  grosse  Zahl 
von  Forgängen  gilt  und  es  ist  hiemach  jedenfalls  ein  sehr 
berechtigter  H^ahrscheinlichkeitsschluss ,  anzunehmen,  gleich  der 
Ferwandlung  von  ß^ärme  in  mechanische  Arbeit  sei  eine  solche 
in  eine  äquivalente  andere  Energie  ebenfalls  eine  negative  Ver- 
wandlung, die  eine  Compensation  erfordert.  Es  dürfen  alsdann 
bei  einem  Kreisprocesse  nicht  schliesslich  lauter  solche  mit  netfa* 
tiven  Äequivalenzwerthen  versehene  Vorgänge  als  //  irkung  der 
arbeitenden  Substanz  übrig  bleiben.  Wie  weiterbin  die  ent- 
standene Energie  sich  in  Wirklichkeit  umwandelt,  kommt  hier- 
bei nicht  in  Betracht.  Entstünde  etwa  auf  diese  Weise  Wärme 
von  solcher  Temperatur,  dass  man  einen  compensirendeu  ab- 
steigenden Wärmestrom  erhalten  könnte,  so  käme  dies  durch- 
aus nicht  in  Rechnung,  denn  dies  geschähe  erst,  nachdem  der 
Qesammtprocess  ein  Stadium  durchgemacht,  zu  dem  negative 
Verwandlungen  gehören,  und  ein  solcher  Zustand  kann  nach 
dem  Grundsatz  überhaupt  nicht  erreicht  werden.  Erinnert 
man  sich  des  Ausspruches  von  Glausius,  dessen  wir  oben 
Erwähnung  gethan  haben,  dem  entsprechend  die  Summe  aller 
Verwandlungswerthe  nie  negativ  sein  kann,  wenn  keine  Com- 
pensation damit  verbunden  ist  und  bedenkt,  dass  bei  einem 
Kreisprocesse  die  vermittelnde  Substanz  nur  Verwandlungen 
von  Wärme  bewirkt^),  da  ja  ihr  Zustand  am  Ende  des  Processes 
derselbe  wie  am  Anfang  ist,  so  kommt  man  zu  dem  gleichen 
Resultate.  Nur  muss  man  die  Wahl  der  Vorzeichen  für  die 
Wärmemengen  beachten.  Qeht  die  Wärmemenge  q  von  einem 
Körper  A'j  von  der  Temperatur  T^  zu  einem  solchen  K^  von  der 
tieferen  Temperatur  T^    über,    so    ist  der  Verwandlungswerth 


> 


1)  Man  sehe  die  Auaführungen  weiter  unten. 


Thermodynamik*  821 

eines  derartigen  Vorganges  bekanntlich  ein  positiver,  nämlich 
g  I  T^^q  I T^,  wenn  man  die  dem  K^  entzogene  Wärmemenge  q 
von  der  Temperatur  T^  negativ  ansetzt  und  die  von  £^  auf- 
genommene Wärmemenge  von  der  Temperatur  T^  dagegen 
positiv  rechnet.  Man  kann  diesen  Vorgang  nach  Clausius 
auch  als  die  Summe  zweier  Processe  ansehen,  eines  positiven 
q  I T^  und  eines  negativen  —  q  /  Ty  Wird  nun  aber  ein  solcher 
Wärmeübergang  von  einem  Wärmebehälter  zu  einem  anderen 
von  niederer  Temperatur  durch  eine  arbeitende  Substanz  wie 
bei  einem  Carnot'schen  Process  vermittelt,  so  gilt  der  posi- 
tive Werth  für  einen  solchen  Process  natürlich  nur  dann, 
wenn  man  die  von  den  Reservoiren  aufgenommenen  bez.  ab- 
gegebenen Wärmequantitäten  positiv,  bez.  negativ  rechnet. 
Nimmt  man  aber  eine  von  dem  arbeitenden  System  auf- 
genommene Wärmemenge  positiv  bez.  eine  abgegebene  negativ, 
so  trifft  obige  Bestimmung  des  Vorzeichens  des  ganzen  Pro- 
cesses  nicht  mehr  zu.  Ist  bei  den  isothermen  Veränderungen, 
die  ja  zu  einem  Carnot'schen  Processe  gehören,  die  Tempe- 
ratur der  Behälter  und  des  Körpers  die  gleiche,  so  muss  die 
von  dem  höher  temperirten  Reservoire  abgegebene  Wärme- 
menge jetzt  als  positiv  verrechnet  werden,  dagegen  die  bei 
einem  anderen  isothermen  Vorgange  an  einen  kälteren  Wärme- 
speicher überführte  Wärmemenge  das  negative  Zeichen  er- 
halten. Geht  also,  wie  oben,  auf  diese  Weise  Wärme  von  £^ 
auf  Ä'g  über,  so  hat  dieser  Vorgang  dfen  Verwandlungswerth 
q  I T^  —  q  r^o  ^°^  ^^  ^2  Weiner  als  T^  ist,  so  hat  dieser 
Ausdruck  einen  negativen  Werth.  Sagt  man  also  bei  ersterer 
Annahme  der  Vorzeichen,  dass  die  Summe  aller  in  Betracht 
kommenden  Verwandlungswerthe  eines  Processes  nicht  negativ 
sein  könne,  so  müssen  wir  bei  der  anderen  Bezeichnungsweise 
nunmehr  aussprechen,  sie  könne  nicht  positiv  sein,  und  dies 
führt  dann  also  direct  zu  der  Claus  ins 'sehen  Ungleichung. 
Was  nun  die  Grösse  N,  welche  die  uncompensirte  Ver- 
wandlung darstellt,  anbetrifft,  so  hat  Clausius  allerdings  nur 
gezeigt^  sie  könne  nicht  negativ  sein,  Sie  ist  nicht  nothwendig 
positiv,  wenigstens  nach  den  thermodynamischen  Betrachtungen 
allgemeiner  Natur.  Da  auch  nach  manchen  Stellen  bei  Clausius 
es  anders  erscheinen  könnte,  sei  ausser  auf  die  Beweisführung 
selbst   noch  auf  eine  Stelle  hingewiesen,  wo  es  ausdrücklich 


822  K.  Wesendonck. 

heisst:^)  Ist  der  Kreisprocess  nicht  umkehrbar,  so  brauchen 
die  Aequivalenzwerthe  der  positiven  und  negativen  Verwand- 
lungen nicht  gleich  zu  sein,  aber  der  Unterschied  kann  nur 
in  dem  Sinne  stattfinden,  dass  die  positiven  überwiegen.  Nach 
Duhem  ist  ja,  wie  bereits  erwähnt,  N=Q  fär  alle  Kreis- 
processe,  die  ohne  Viscosität  verlaufen,  ob  aber  solche  wirk- 
lich vorkommen,  ist  nicht  dargethan.  In  keiner  Weise  aber 
ist  nachgewiesen  und  nach  Verfassers  Ermessen  auch  nar 
wahrscheinlich,  dass  für 

^  dQ 


I 


=  0 


T 

irr. 

bez.  wenn  alle  dQ  =  0  sind,  auch  N  verschwindet.  Bei  den 
vollkommenen  Gasen  ist  es  vielmehr  längst  bekannt,  dass,  wenn 
bei  ihnen  adiabatische  Vorgänge  umkehrbar  verlaufen,  die 
Entropie  allerdings  constant  bleibt,  dagegen  stets  wächst,  wenn 
irreversible  adiabatische  Processe  vor  sich  gehen,  sei  es  nun, 
dass  das  Gas  dabei  Arbeit  leistet,  sei  es,  dass  es  welche  er- 
leidet, also  die  Energie  keineswegs  constant  bleibt.  ^  Zu  einem 
viel  allgemeineren  Resultate  in  dem  gleichen  Sinne  gelangt 
man  durch  Betrachtungen,  ähnlich  wie  sie  Clausius^)  in  seiner 
Abhandlung  über  Erweiterung  des  zweiten  Hauptsatzes  an- 
stellt, wobei  wir  zunächst  von  Complicationen  des  Processes, 
wie  chemische  Umwandlungen  infolge  des  veränderten  Druckes 
und  Temperatur,  absehen  wollen.  Sind  Druck  und  Gegendruck 
einer  ihr  Volumen  adiabatisch  ändernden  Substanz  einander 
gleich  und  daher  der  Process  umkehrbar,  so  ist  er  auch  isen- 
tropisch,  wenn  aber  Ueber-  oder  Unterdruck  zur  Wirksam- 
keit kommen  und  endliche  Geschwindigkeiten  auftreten,  dann 
wird,  nachdem  wieder  Ruhe  eingetreten,  schon  infolge  der 
dabei  entstandenen  Wärme  die  Temperatur  des  Körpers  im 
Endzustande  eine  höhere  sein,  als  wenn  er  zu  diesem  isen- 
tropisch  gelangt  ist,  und  sein  Entropiewerth  hat  daher  zu- 
genommen.    Ebenso  in  Fällen,  wo  durch  elektrische  Ströme, 

1)R.  Clausius,  Abhandl.  1.  p.  245.  AusseFdem  sind  zu  beachten 
die  weniger  bestimmten  Stellen,  Abhandl.  1.  p.  151  u.  p.  163;  Abhandl 
2.  p.  3. 

2)  R.  Ritter,  Ingenieur- Mechanik  p.  512.  1885. 

3)  R.  Clausius,  1.  c.  p.  273  u.  274. 


Thermodynamik,  823 

Beibung,  Stoss  und  sonstige  mechanische  Vorgänge  Wärme 
erzeugt  wird,  wo  durch  Leitung  oder  Strahlung  Wärmeaus- 
tausch eintritt,  überall  da  wird  man  mit  Poincarö')  bei  einem 
isolirten  Systeme  Zunahme  der  Entropie  wohl  in  der  bei  weitem 
überwiegenden  Zahl  der  Fälle  nachweisen  können,  denn  nur 
ganz  ausnahmsweise  wird  etwa  eine  Volumen-  oder  sonstige 
Aenderung  die  entropievermehrende  Wirkung  obengenannter 
Vorgänge  aufheben.  Man  kann  also  ruhiy,  wie  dies  ja  auch 
Claus  ins  andeutet,  N  im  allgemeinen  als  positiv  ansehen  und 
zwar  auch  für  adiabatische  Processe  und  damit  wird  man  auch 
das  Princip  der  Vermehrung  der  Entropie  anerkennen  müssen 
und  entsprechend  natürlich  die  daraus  folgenden  Gleichgewichts- 
bedingungen.  Das  Maximum  der  Entropie  unter  gegebenen 
Umständen  bestimmt  immer  eine  Grenze  für  adiabatische  Ver- 
änderungen eines  Systems,  üebrigens  giebt  die  bekannte  oben 
mit  n  bezeichnete  Gleichung  noch  zu  einigen  weiteren  Be- 
merkungen Veranlassung,  die  Verfasser  merkwürdigerweise 
nirgends  erwähnt  gefunden  hat.  Sicher  muss  nämlich  S  ^  S^ 
grösser  als  0  sein,  sobald 

^  dQ 


I 


f 


irr. 

positiv,  selbst  dann,  wenn  N  verschwinden  würde.  Insbesondere 
also  gilt  dies,  wenn  die  Werthe  aller  dQ  positiv  sind,  d.  h. 
wenn  Wärme  von  dem  System  während  der  Veränderung  nur 
aufgenommen  wird.  Die  Entropie  kann  constant  bleiben  oder 
sogar  abnehmen,  wenn 

T 

irr. 

negativ  ist.  Es  lässt  sich  aber  darüber  nichts  bestimmen,  da 
man  von  vornherein  nicht  weiss,  wie  grosse  positive  Werthe  N 
annehmen  kann.  Wenigstens  ist  keine  nähere  Angabe  darüber 
zu  Verfassers  Kenntniss  gelangt.  Auch  bei  ausschliesslichem 
Wärmeverlust  kann  daher  unter  Umständen  die  Entropie  eines 
Systems  noch  wachsen.  Die  Unbestimmtheit  des  Werthes  von  A^ 
dürfte  mit  Becht  als  ein  Hauptmangel  der  Thermodynamik  an- 
gesehen werden.    Bei  näherer  Kenntniss  derFactoren,  welche  zu 

l)  H.  Poincare,  1.  c.  p.  103. 


824  A*^  fFesendonck. 

den  uncompeBsirten  Verwandlungen  führen,  ist  es  aber  vielleicht 
möglich,  zu  präciserer  Einsicht  zu  gelangen.^) 

Claus  ins  selbst  hat  bekanntlich  seine  Gleichungen  nicht 
direct  dazu  benutzt,  um  die  Vermehrung  der  Entropie  zu  be- 
weisen, wenn  er  auch  durch  seine  Ausführungen  nahelegt, 
dies  zu  versuchen.  Wer  zuerst  so  verfahren,  dass  er  schloss, 
wenn 


f 


y      =0, 


Irr. 

also  insbesondere,  wenn  alle  ^/Q  =  0,  d.  h.  wenn  ein  adiaba- 
tischer Vorgang  vorliegt,  so  ist  S  —  8^  =  N,  also  grösser  als 
Null,  also  muss  auch  8  grösser  als  8^  sein,  vermag  Verfasser, 
nicht  anzugeben.  Die  Schlussweise  ist,  wie  bereits  früher  ge- 
sagt, von  mehreren  Autoren  adoptirt  worden.  Eirchhoff 
wie  andere  heben  als  Beschränkung  für  diesen  Satz  hervor, 
dass  er  voraussetze,  man  könne  jeden  Zustand  eines  Systems 
in  umkehrbarer  Weise  erreichen,  was  allerdings  a  priori  nicht 
zu  beweisen  ist.  Indessen  ist  auch  hier  zu  bedenken,  dass 
nicht  der  wirkliche  Vorgang,  durch  den  ein  gewisses  System 
in  einen  gewissen  Zustand  gebracht  wird,  in  einen  umkehr- 
baren verwandelt  zu  werden  braucht,  was  ja  nach  Duhem  nicht 
allgemein  möglich  ist.  Es  genügt  mitHrn.Planck*)  anzunehmen, 
dass  es  nur  gelingt,  jedes  Element  des  zu  betrachtenden  Kör- 
pers in  den  Zustand,  in  dem  es  sich  in  dem  Augenblicke, 
für  welchen  die  Entropie  bestimmt  werden  soll,  gerade  be- 
findet, auf  irgend  einem  reversiblen  Wege  überzufuhren.  Dies 
gilt  auch  für  einen,  in  seinen  einzelnen  Theilen  uugleichmässig 
bewegten  wie  temperirten  Körper,  was  Hr.  Planck  mit  Becht 

1)  Vielleicht  ist  es  einer  oben  erwähnten  Andeutung  Duhem's 
folgend  möglich,  in  manchen  Fällen  A'  aus  der  durch  Viscofität  ve^ 
brauchten  Energie  zu  berechnen,  wie  man  ja  ähnlich  auch  die  Jonle'- 
sche  Wärme  ansehen  kann.  Aus  dem  so  bestimmten  N  und  dem  etvi 
aus  Beobachtungen  sich  ergebenden 

dQ 
T 

irr. 

Hesse  sich  dann  die  Entropieänderung  berechnen.    Ob  das  allgemein  mög- 
lich, dürfte  jedoch  noch  nicht  zu  bestimmen  sein. 

2)  M.  Planck,  Thermodynamik  p.  92.    1897. 


/ 


Thermodynamik.  825 

bemerkt.  Clausius  sprach  es  aus,  in  allen  Fällen  würde  man 
unter  Gewinn  oder  Verbrauch  von  Arbeit  die  Verbindung  oder 
Trennung  der  StoflFe  nach  Willkür  leiten  können,  wenn  wir 
die  Mittel  besässen,  auf  die  einzelnen  Atome  beliebig  einzu- 
wirken und  sie  in  jede  beliebige  Lage  zu  einander  zu  bringen. 
Hierdurch  wird  allerdings  nur  auf  die  theoretische  Möglich- 
keit, umkehrbare  Wege  zu  finden,  hingewiesen,  aberPoincar^^) 
bemerkt,  dass  in  Fällen,  wo  kein  directer  umkehrbarer  Weg 
aus  dem  Anfangs-  in  den  Endzustand  vorhanden  sei,  man  in 
den  meisten,  wenn  nicht  allen  Fällen  die  Aenderung  der  En- 
tropie mittels  eines  Hülfssatzes  bestimmen  könne  und  giebt 
ein  Beispiel  für  solches  Verfahren.  Sollte  das  nicht  gelingen 
für  gewisse  Processe,  so  könne  man  immer  noch  aus  den 
Integralen 

irr. 

eine  untere  Grenze  für  die  Entropieänderung  zu  finden  suchen, 
da  ja  die  bewussten  Integrale  alle  kleiner  sind  als  S  —  Sq, 
Indessen,  soweit  reichend  auch  die  Möglichkeit  reversibler  Pro- 
cesse ist,  die  Clausius 'sehe  Ungleichung  bleibt  insofern  all- 
gemeiner als  das  Princip  der  Entropie,  als  sie  die  Annahme  der 
unbeschränkten  Möglichkeit  umkehrbarer  Wege  gar  nicht  enthält. 
Eine  von  Hrn.  Planck  eingeführte  Erweiterung  des 
Begriflfes  der  Reversibilität  scheint  mir  im  Widerspruche  zu 
Hm.  Helm^)  einen  Fortschritt  zu  bilden  gegenüber  den  sonst 
herrschenden  Ansichten.  Damach  genügt  es  für  einen  Process, 
um  reversibel  zu  sein,  dass  es  irgend  ein  Mittel  giebt,  den 
Anfangszustand  wieder  vollständig  herzustellen,  ohne  dass 
sonstige  Veränderungen  eintreten.  Eine  directe  Umkehr  des 
Processes  ist  nicht  nöthig.  Hätte  man  z.  B.  einen  Ereisprocess, 
der  einen  negativen  Werth  des  fdQjT  ergiebt,  und  liessen 
sich  die  dabei  eingetretenen  Veränderungen  (Wärmeübergänge, 
Arbeitsverbrauch  etc.)  wieder  vollständig  rückgängig  machen, 
so  hätte  man  nun  einen  zweiten  Ereisprocess  mit  positivem 
Aequivalenz werth,  was  ja  ausgeschlossen  ist.  Es  muss  also 
auch  in  diesem  Falle  der  Kreisprocess  den  Werth  0  für  das 

Ij  H.  Poincar^,  1.  c  p.  163—165. 
2)  G.  Helm,  Energetik  p.  194.  1898. 


826  K,  JFesendonck, 

Integral  f  d^lT  me  bei  der  alten  Definition  der  ümkehrbarkeit 
ergeben,  und  ist  der  bezügliche  Clausius'sche  Beweis  in 
diesem  Sinne  zu  ergänzen.  Geht  ein  System  aus  einem  Zu- 
stande Ä  in  einen  zweiten  B  über  und  lässt  sich  diese  Ver- 
änderung durch  eine  zweite  vollständig  rückgängig  machen, 
so  bilden  beide  zusammen  einen  Kreisprocess^  dessen  Aequi- 
valenzwerth  gleich  Null,  weil  ja  schliesslich  gar  keine  Ver- 
änderung mehr  existirt.  Es  müssen  dann  alle  Wege,  die  tou 
Ä  nach  ß  führen,  denselben  Verwandlungswerth  ergeben,  d.  h. 
der  Werth  für  £  ist  eindeutig  bestimmt  wie  bei  der  Entropie. 
Clausius  hat  sich  bekanntlich  in  seinen  Betrachtungen 
nicht  auf  die  Kreisprocesse  beschränkt,  sondern  eine  Er- 
weiterung des  zweiten  Hauptsatzes  versucht,  die  auch  die 
innere  Arbeit  berücksichtigt  und  ferner  dazu  dienen  sollte, 
das  Theorem  plausibler  zu  machen.  Diese  Betrachtungen 
haben  wohl  nicht  den  Erfolg  gehabt,  den  der  Autor  sich  von 
ihnen  versprochen  hat,  aber  sie  verdienen  dennoch  auch  nicht, 
ganz  in  Vergessenheit  zu  gerathen,  oder  etwa  gar  lediglich 
als  ein  Abweg  angesehen  zu  werden.^)  Die  einem  Körper 
zugeführte  Wärme  dQ  ist  bekanntlich  gleich  dU+dH^,  wo  U 
die  innere  Energie  und  ff^  das  äussere  Werk  bezeichnet.  Für 
einen  umkehrbaren  Vorgang  giebt  dann 

d  U-^dW 


r  dQ^_  rdj[±i 
J      T    ^J  T 


die  Entropieänderung,  d.  h.  {d  U-\-d  ^)IT  ist  ein  vollständiges 
Differential.  Dieses  formt  nun  Clausius  um,  indem  er  inneres 
und  äusseres  Werk  zusammenzieht,  zu  welchem  Zwecke  er  dU 
zerlegt  in  dH+dJ,  wo  /  das  gethane  innere  Werk  bedeutet. 
H  die  lediglich  als  Wärme  in  dem  Körper  vorhandene  Energie 
bezeichnet.  Durch  eine  gewisse  Annahme  über  die  Fähigkeit 
der  Wärme  Arbeit  zu  leisten,  gelangt  dann  Clausius  dazu, 
die  Grösse 

dJ+dW  jry 

f-    ~  =  äZ 

zu  setzen  und  als  ein  vollständiges  Differential  anzusehen. 
Z  wird  Disgregation  genannt  und  ist  als  der  Ausdruck  der 
Anordnungsänderung  der  Elemente  des  variablen  Systems  au- 

1)  G.  Helm,  1.  c.  p.  120. 


Thermodynamik,  827 

zasehen^   welcher  nur   abhängig  erscheint  von  dem  Zustande, 

in  dem  sich  das  System  gerade  befindet,  nicht  von  dem  Wege, 

auf  dem   es    dahin   gelangt   ist.     Da  flir  einen   umkehrbaren 

Ereisprocess 

dQ 


f 


y      =0, 


also  nach  obigen 

und  da  fdZ=0  für  einen  Kreisprocess,  so  muss  auch 

sein,  d.h.  dB/T  stellt  ein  vollständiges  Diflferential  dar.  Daraus 
folgert  dann  Clausius,  dass  der  Wärmeinhalt  H  eines  Körpers 
nur  von  der  Temperatur,  nicht  aber  von  der  Anordnung  der 
Körperelemente  abhängig  sei.  Der  weiter  sich  ergebende  Satz 
von  der  Constanz  der  wahren  Wärmecapacität  ist  meines 
Wissens  nicht  direct  widerlegt  worden^),  aber  er  hat  in  der 
Erfahrung  auch  keine  Bestätigung  gefunden.^)  Das  liegt  wohl 
an  der  Unbestimmtheit  der  Begrifi'e  Wärmeinhalt  und  innere 
Arbeit,  was  Clausius  indessen  keineswegs  entgangen  ist,  wie 
er  denn  ja  auch  die  obigen  Folgerungen  durchaus  nicht  als 
streng  bewiesen  ansah.  Das  IVesentliche  an  der  Sache  scheint 
dem  Verfasser  zu  sein,  dass  die  Betrachtungen  von  Clausius 
auf  eine  Zerlegung  des  vollständigen  Differentiale s  der  Entropie 
dQjT  in  die  Summe  zweier  anderer  ebensolcher  Grösseri  heraus- 
kommen,  eine  Aufgabe,  die  an  sich  ja  ziemlich  unbestimmt  er- 
scheint und  eventuell  auf  verschiedene  fFeise  auszuführen  ist. 
Möglicherweise  wird  sich  in  Zukunft  noch  zeigen,  dass  eine 
solche  Zerlegung  für  die  Darstellung  mancher  Torgänge  zweck-- 
massig  ist,  und  sind  daher  die  Clausius'schen  Betrachtungen 
nicht  ganz  aus  dem  Auge  zu  verlieren.  Clausius^)  zeigt 
dann  weiter,  dass,  wenn  man  mit 

dS^  ""^  +dZ 

1)  Vgl.  A.  Winkelmann,  Handb.  d.  Physik  2.  p.  848.  1896. 

2)  Vgl.   A.  Wüllner,   Experi  mental -Physik  3.    p.  605.    1885.     In 
der  neuesten  Auflage  des  Werkes  sind  dieselben  Ansichten  dargelegt. 

3)  R.  Clausius,  p.  275,  Gleichung  (5a). 


828  A^  fFesendanck, 

das  vollständige  Entropiedifferential  dQjT  bezeichnet,  welches 
also  reversiblen  Vorgängen  entspricht,  und  unter  dq  das  Ele- 
ment der  bei  einem  entsprechenden  beliebigen  Processe  auf- 
genommenen Wärmemenge  versteht,  dann  stets  gilt 

wobei  zu  beachten  ist,  dass  alle  vorkommenden  Grössen  in  dieser 
Gleichung  sich  nur  auf  das  arbeitende  System  beziehen,  Reser- 
voire, Umgebung  etc.  spielen  gar  keine  Rolle  dabei.  ^)  Handelt 
es  sich  um  adiabatische  Vorgänge,  wo  dq  =^  0,  so  gilt  wie 
früher  dS^O,  oder  die  Entropie  nimmt  zu.  Diese  letzteren 
Betrachtungen  bedürfen,  wie  es  dem  Verfasser  scheint,  rächt 
der  speciellen  Clausius^ sehen  Erörterung,  welche  zu  der  Auf- 
stellung der  Disgregation  genannten  Grösse  führen^  sondern  gelten 
ganz  unabhängig  davon,  soweit  als  man  im  Stande  ist,  die  Existenz 
der  Entropie  S  nachzuweisen,  bez.  anzunehmen, 

Clausius  weist  ferner  darauf  hin,  wie  seine  Ausführungen 
sich  auf  elektrische  Vorgänge  ausdehnen  lassen,  was  aus 
folgenden  beiden  Stellen  erhellt.  Es  heisst  da^):  Ein  anderer 
Fall  (nämlich  Vorgänge,  durch  welche  Wärme  Arbeit  leisten 
kann),  der  von  dem  vorherigen  (Volumenausdehnung,  Aende- 
rung  des  Aggregatzustandes)  sehr  verschieden  ist  und  zeigt, 
wie  mannichfaltig  die  hierher  gehörigen  Wirkungen  sind, 
ist  der,  dass  bei  der  Berührung  zweier  verschiedenartiger 
Stoffe  durch  die  Wärme  Elektricität  von  dem  einen  Stoffe 
zum  anderen  getrieben  wird,  worauf  die  Entstehung  der  thermo- 
elektrischen  Ströme   beruht.     Etwas  weiter  *)   heisst  es  dann: 

1)  Verallgemeinert  und  in  Worten  ausgedrückt  bedeutet  diese  Glei- 
chung nach  Clausius:  die  Summe  aller  vorkommenden  Verwandlungen 
kann  nicht  negativ  sein.  Auf  einen  Kreisprocess  angewendet,  ei^ebt 
die  betreffende  Gleichung 

—  dq  _ 


f 


T      '"' 


d.  h.  also  die  bekannte  Ungleichung.  In  dem  Beweise,  den  Clausins 
für  seine  Gleichung  (5  a)  giebt,  ist  implicite  das  Princip  der  maximaleD 
Arbeit  enthalten,  dessen  sich  Hr.  N ernst  bei  seinen  thermodjmamischen 
Ableitungen  bedient. 

2)  R.  Clausius,  1.  c.  1.  p.  247. 

3)  1.  c.  p.  248. 


Thermodynamik.  829 

Was  den  zuletzt  erwähnten  Fall  betrifft,  so  wird  in  diesem 
die  Anordnung  der  Elektricität  geändert,  eine  Aenderung, 
welche  sich  in  entsprechender  Weise  darstellen  und  in  Rech- 
nung bringen  lässt,  wie  die  Aenderung  der  Lage  der  Molecttle 
und  welche  wir  uns,  wo  sie  vorkommt,  immer  in  dem  all- 
gemeineren Ausdruck,  Anordnungsänderungen  oder  Aende- 
rungen  der  Disgregation  miteinbegriffen  denken  wollen  und 
femer  *)  wird  gesagt,  so  viel  Elektricität  wird  geschieden,  bis 
die  aus  elektrischer  Spannung  entstehende  Gegenkraft  der 
hinübertreibenden  Kraft  das  Gleichgewicht  hält.  Die  der 
Wärme  entgegenwirkende  Kraft  ist  eine  einfache  und  leicht 
bestimmbare  Grösse.  Das  sind  tcesentiich  dieselben  Gedanken, 
die  später  Hr,  Planck  ausgeführt  hat^,  nur  die  Uebergänge 
der  Elektricität  von  einer  Art  Stoff  zu  einem  anderen  kommen 
bei  EntropieäJiderungen  in  Betracht^  während  elektrostatisches 
Potential  und  p ander omotorische  Kräfte  elektrischen  oder  mag^ 
netischen  Ursprunges  ohne  Einfluss  sind.  Femer  spricht  Clau- 
sius  mit  Bestimmtheit  aus,  dass  sich  seine  Erörterungen 
auch  auf  chemische  Vorgänge  anwenden  lassen^,  Trennung 
chemischer  Verbindungen  sei  auch  eine  Vermehrung  der  Dis- 
gregation und  ähnlich  zu  behandeln,  wie  Dampfbildung  und 
Dampfniederschlag.  Wo  Wärme  Verbindungen  bewirkt,  soll 
sie  nur  die  Atome  in  die  Lage  bringen,  dass  die  Verbindungs- 
kräfte in  Wirksamkeit  treten  können.  Allerdings  seien  che- 
mische Vorgänge  meist  nicht  umkehrbar,  doch  kämen  solche 
Fälle  vor,  besonders  bei  elektrochemischen  Erscheinungen. 
Die  Zelle,  in  welcher  chemische  Vorgänge  eintreten,  bilde 
selbst  ein  Element,  dessen  elektromotorische  Kraft  entweder 
im  Sinne  des  Stromes  wirkt,  oder  ihm  entgegen,  sodass  Ge- 
winn bez.  Verbrauch  von  Arbeit  stattfindet.  Eingehender 
werden  solche  Fälle  allerdings  nicht  untersucht,  nur  die  An- 
wendung des  Satzes  über  den  wahren  Wärmeinhalt  wird  an 
dem  über  Gase  vorhandenen  Beobachtungsmaterial  zu  prüfen 
versucht.  *) 

Diese  Art   der  Betrachtung  setzt  nun  allerdings  voraus. 


1)  R.  Clausius,  1.  c.  p.  249. 

2)  M.  Planck,  Wied.  Ann.  44.  p.  387.  1897. 
8)  R.  Clausius,  1.  c.  1.  p.  269. 

4)  1.  c.  1.  p.  268  u.  270. 


830  K.  H^esendoncL 

dass  man  jede  unendlich  kleine  Veränderung  in  umkehrbarer 
Weise  vorzunehmen  vermöge ,  was  ja  wohl  eine  gewisse  Ein- 
schränkung bedeutet.  Claus  ins  ist,  wie  gesagt,  die  ün  Voll- 
ständigkeit seiner  Erörterungen  keineswegs  fremd,  es  mus.% 
wie  schon  erwähnt,  die  Zukunft  zeigen,  ob  ein  Weitergehen 
auf  dem  von  ihm  angegebenen  Wege  nicht  doch  noch  von 
Bedeutung  für  die  Aufklärung  des  zweiten  Wärmesatzes  ist 
Was  nun  Duhems  interessante  Theorie  der  sogenannten 
falschen  Gleichgewichte  betrifft,  so  kann  es  wohl  sein,  dass 
die  Untersuchungen  des  französischen  Physikers  von  Werth 
sind  für  die  Darstellung  mancher  Zustände,  die  man  zur  Zeit 
nicht  näher  zu  durchschauen  vermag..  Bei  den  unter  zu- 
nehmender Eraftein Wirkung  aushaltenden  Reibungs -Gleich- 
gewichten dürfte  es  sich  indessen  wohl  nur  um  eine  unmerk- 
liche Deformation  handeln,  die  solange  vor  sich  geht,  bis  dass 
eine  Art  Zerreissen,  Zerquetschen  oder  Ueberspringen  der 
Hindernisse  eintritt.  Damit  ändert  sich  dann  natürlich  die 
Geschwindigkeit  der  Bewegung  plötzlich  in  sehr  erheblichem 
Maasse,  ohne  dass  sie  aber  vorher  völlig  Null  war.  Es  sind 
deshalb  doch  nur  Kräfte ,  wie  sie  die  gewöhnliche  Mechamk 
behandelt  j  die  man  schliesslich  als  in  Wirksamkeit  tretend  anzu- 
nehmen hat  So  sehen  denn  auch  manche  Autoren,  wie  z.  B. 
Hr.  N ernst,  in  den  falschen  chemischen  Gleichgewichten 
nur  äusserst  langsam  verlaufende  chemische  Processe,  oder  es 
kommen,  nach  van't  Hoff^),  neben  MolecularverschiebuDgen 
und  Orientirungen  bei  chemischen  Umwandlungen  noch  Ver- 
schiebungen bez.  Austausch  von  Atomen  in  Betracht,  welche 
eventuell  durch  hemmende  Einflüsse  zurückgehalten  werden. 
Schon  Clausius  weist  ja  darauf  hin,  die  Wärme,  die  im  all- 
gemeinen zersetzend  wirke,  könne  dadurch  Verbindungen  her- 
vorrufen, dass  sie  die  Atome  in  Lagen  bringe,  bei  denen  die 
Verbindungskräfte  erst  zu  wirken  vermöchten.  Dann  ist  aber 
Hoffnung  vorhanden,  auch  die  sogenannten  falschen  Gleich- 
gewichte   bei  Berücksichtigung    aller   mitwirkenden    Einflüsse 

1)  J.  H.  van't  Hoff,  Vorlesungen  über  chemische  DTnamik  p.  206. 
1898,  ferner  p.  208—209;  ferner  p.  176  n.  177,  wo  auf  die  thermodjna- 
mische  Erklärung  des  fraglichen  Verhaltens  hingewiesen  wird.  Neuester 
Zeit  ist  Bodenstein  gegen  die  Lehre  von  den  sogenannten  falschen 
Gleichgewichten  aufgetreten,  vgl.  Zeitschr.  f.  phys.  Cham.  29.  p.  321.  1899. 


Thermodynamik .  831 

aus  der  klassischen  Thermodynamik  zu  erklären.  Man  wird 
daher  auch  keines  eigenen  Beweises  für  die  Ungleichung  be^ 
dürfen j  falls  solche  Hemmungen  vorhanden  sind,  die  zu  so- 
genannten falschen  Gleichgewichten  führen,  sondern  imOegen- 
theil  erwarten  müssen,  dass  ein  Ausdruck ^  der  die  besagten 
Erscheinungen  darstellen  soll,  der   Ungleichung  entspricht. 

Der  Hinweis  auf  anscheinende  Ausnahmen  von  dem  be- 
kannten Clausius'chen  Grundsatze  hat  des  öfteren  zur  Auf- 
klärung der  fraglichen  Verhältnisse  nicht  wenig  beigetragen. 
Man  denke  nur  an  die  erfolgreich  widerlegten  Einwände  von 
Hirn,  Tolver-Preston,  Bauschinger,  Rankine,  Tait, 
Bartoli  u.  a.  So  können  wir  denn  auch  Hrn.  E.  Wiede- 
mann^)  nur  dankbar  sein  dafür,  dass  er  auf  gewisse  weitere 
Schwierigkeiten  hingewiesen  hat,  welche  bei  Strahlungsvorgängen, 
die  als  Luminescenzerscheinuilgen  bezeichnet  werden,  auftreten. 
Da  soll  Wärme  von  einem  Körper  niederer  Temperatur  zu 
einem  solchen  hölierer  übergehen  können,  ohne  gleichzeitige 
Arbeitsleistung,  wobei  der  phosphorescirende  Körper  nur  ein 
Zwischenglied  sein  soll  zwischen  der  luminescenzerregenden, 
primären  Energiequelle  (etwa  der  Sonne)  und  dem  schliesslich 
erwärmten  Körper  (Platinhülle),  dessen  Temperatur  höher  sein 
dürfte,  als  die  der  leuchtenden  Substanz.  Der  Clausius'sche 
Grundsatz  soll  dann  gelten  für  den  Uebergang  der  Wärme 
von  der  primären  Quelle  zum  betreffenden  erwärmten  Körper. 
Verfasser  glaubte  dieser  Auffassung  entgegentreten  zu  sollen^), 
da,  wie  ihm  schien,  ein  Vorgang  seine  thermodynamische  Mög- 
lichkeit in  sich  selbst  aufweisen  müsse.  Ausserdem  wird  aber 
auch  noch  auf  das  Verhalten  gew^isser  Flammen  hingewiesen, 
die  doch  wohl  kaum  nur  als  Zwischenglied  anzusehen  sind. 
Trotz  der  freundlichen  Erwiderung,  welche  Hr.  E.  Wiede- 
mann^)  seiner  damaligen  Notiz  hat  zukommen  lassen,  glaubt 
Verfasser  auf  seinem  früheren  Standpunkte  beharren  zu  sollen. 
Die  Wärmeaufnahme  seitens  eines  Körpers  (hier  also  der  Platin- 
hülle)  ist  eine  positive  Verwandlung  und  nur  dann  tritt  ein  H  ider- 
Spruch  mit  dem  Grundsatze  hervor,  wenn  eine  grössere  Negative 


1)  £.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  38.  p.  485.  1889. 

2)  K.  Wesendonck,  Wied.  Ann.  62.  p.  706—708.  1897. 

3)  £.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  66.  p.  1180.  189S. 


832  K,  H'esendoncL 

damit  verbunden  ist     Eohlrausch  gegenüber  hat  Clausius  ^) 
ausgeführt,  wie  man  Wärme  von  beliebig   hoher  Temperatur 
erhalten  kann   durch  Verbrauch  von  Arbeit ,  ohne  dass  dabei, 
wenn   man  den  Process   im  Ganzen  betrachtet,    eine  negative 
Verwandlung    vorzuliegen    braucht.      Nun    ist    aber   gar   rächt 
gesagt j    dass    bei   dem    Abklingen    der    Fhosphorescenz    eine   ne- 
gative   Verwandlung    eintritt^    welche    die   positive    an    dem    er- 
wärmten Körper  übertrifft.     Solange    dies    nicht  nachgewiesen, 
ist   auch  kein  Conflict   mit   dem    Gl  aus  ins 'sehen  Grundsatze 
bez.  dem  zweiten  Haupttheorem  vorhanden.    Strahlungsenergie 
ist  eben  nicht  Wärme  und  nur  in  übertragener  Bedeutung  ist 
hier  von  Temperatur  zu  sprechen.     Verfasser  hat  hierauf  be- 
reits *)    hingewiesen    und    aus   neueren    Untersuchungen    von 
Hrn.  Voigt   geht   dies   ebenfalls   hervor.  ^)     „Ofifenbar  sind/' 
so   heisst   es   da,    „die   hier  stattfindenden  Schwingungen  ge- 
ordnete  in    dem  Sinne,    dass  dabei  der  zweite  Hauptsatz  der 
mechanischen    Wärmetheorie,    auf  dem   Kirchhofes    Beweis 
seines  Satzes    beruht,    die  Gültigkeit  verliert."     Das  ist  nach 
Verfassers  Ansicht  so  zu  verstehen,    dass   man  es  eben  nicht 
mit  Wärme,  sondern  mit  Strahlungs-  bez.  Luminescenzenergie 
zu   thun    hat.     Nur   wenn    Strahlung   ganz    in    derselben   Art 
wirkt,  wie  directe  Wärmeleitung,  ist  ein  von  selbst  verlaufender, 
aufsteigender    calorischer    Strom    ausgeschlossen.     Durch   In- 
ductionswirkungen    (Wirbelströme),   durch   chemische,   mecha- 
nische   Processe,    oder    elektrische    Entladungsvorgänge    kann 
man  ja   bekanntlich   leicht   höhere  Wärmegrade  erzielen,    als 
in  der  Umgebung  vorhanden  sind,  natürlich  durch  geeigneten 
Energieaufwand.     Aehnlich    kann    der    Verbrauch    derjenigen 
Energie,    durch  welche    die  Körper  luminesciren,  andere  Sub- 
stanzen   zu    höheren  Temperaturen    bringen.     Man  denke  nur 
an  ein   mechanisches  System,    das  z.  B.  gespannte  Uhrfedern 
enthielte,    deren  abnehmende    potentielle  Energie  durch  einen 
geeigneten  Mechanismus  im  umgebenden  Medium  Schwingungen 
erregt.     Werden  diese  an  einer  umgebenden  Hülle  vernichtet, 
was  der  Absorption  entspräche,  so  kann  sich  diese  Hülle  wohl 
über    die   Temperatur    des    die    Schwingungen    aussendenden 

1)  R.  Clausius,  Mech.  Wärmetheorie.  2.  p.  309—312.  1879. 

2)  K.  Wesendonck,  1.  c. 

3)  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  67.  p.  873.  1899. 


Thermodynamik,  883 

^rpers  erwärmen.  Freilich  passt  dieser  Vergleich  nicht  voll- 
Indig^  solange  die  Schwingungen  im  Verhältniss  zu  denen 
8  Lichtes  nur  sehr  langsame  sind,  und  die  Federn  nicht 
)leculare  Dimensionen  haben.  Weiter  oben  wurde  der  Ver- 
indlungswerth  von  Massenbewegungen  besprochen,  der  sich 
\  verschwindend  klein  herausstellte.  Im  Falle  luminescirender 
bstanzen  kann  man  zwar  nicht  mehr  sagen,  man  habe  es 
t  schwingenden  Massen  zu  thun,  welche  gegen  die  eines 
omes  als  unendlich  gross  anzusehen  sind,  aber  es  lässt  sich 
ch  keineswegs  von  vornherein  behaupten,  es  träten  nega- 
e  Verwandlungen  von  solcher  Grösse  auf,  um  den  ganzen 
wussten  Vorgang  zu  einem  negativen  zu  machen.  Gewisse 
iklarheiten,  welche  in  dem  Begriffe  des  Wärmeinhaltes  ^) 
d  der  inneren  Arbeit  ja  immer  noch  liegen,  erschweren 
erdings  die  Aufklärung  solcher  Vorgänge,  aber  in  Fällen, 
B  neuerdings  wieder  bei  Strahlen,  die  von  Körpern,  wie  dem 
an  oder  Radium,  ausgehen,  wird  man  nicht  sofort  eine  Ver- 
zung  desCarnot'schen  Satzes  annehmen  dürfen,  wenn  auch 
scheinend  eine  solche  stattfindet,  sondern  wird  vorerst  nach 
m  wahren  Wesen  der  vorliegenden  Verwandlungen  zu  forschen 
ben. 

1)  Vgl.  E.  Riecke,  Experimeutalphysik  2.  p.  466—467.  1896. 

(Elingegangen  b.  Augast  1899.) 


Ann.  d.  Phyi.  n.  Cb«m.    N.  F.    69.  53 


9.   Veher  die  AblenkbarkeU 
der  Becquerelstrahlen  im  magnetischen  Felde; 

von  F.  Giesel. 


Vor  kurzem  ist  von  Elster  und  Geitel  gezeigt,  dass  die 
durch  Becquerelstrahlen  ertheilte  Leitfähigkeit  stark  ver- 
dünnter Luft  durch  magnetische  Kräfte  vermindert  wird.  Da 
die  Wirkung  vielleicht  einer  unmittelbaren  Ablenkung  der 
Strahlen  durch  das  Magnetfeld  zuzuschreiben  war,  so  wurde 
untersucht,  ob  die  auf  einem  Phosphorescenzschirm  durch  die 
aus  dem  Vacuum  heraustretenden  Strahlen  erregte  Licht- 
erscheinung eine  Lageänderung  erfahrt,  sobald  das  Hagnetfeld 
hergestellt  wurde.  Es  ergab  sich,  dass  „die  BecquerelstrahleD 
keine  Ablenkung  durch  magnetische  Kräfte  erfahren,  die  mit 
der  der  Kathodenstrahlen  vergleichbar  wäre**.*) 

Im  lufterfiillten  Räume  habe  ich  nun  eine  deutliche  Ein- 
wirkung eines  Magnetfeldes  auf  die  Becquerelstrahlen  erhalten. 
Als  Quelle  der  Strahlen  dienten  0,1  g  eines  frisch  bereiteten 
und  daher  äusserst  wirksamen  Poloniumpräparates.  ^  Die 
Versuchsanordnung  war  höchst  einfach.  Auf  die  Pole  eines 
vertical  stehenden  Hufeisenelektromagnetes  5,  A 
^  f  ®  wurde  der  Leuchtschirm  gelegt,  etwa  1  cm  darunter 
I  zwischen    die  Pole  das  Poloniumpräparat  P,    Bei 

Erregung  des  Magneten  in  dem  bezeichneten  Sinne 
wich  der  Lichtschein  in  der  Pfeilrichtung  aus,  indem  er  auf 
dem  Schirme  eine  kometenschweifartige  Figur  zeichnete.  Bei 
Polwechsel  des  Magneten  sprang  er  auf  die  andere  Seite  über. 
Bringt  man  das  Präparat  in  gleiche  Lage  über  den  Schirm,  so 
erfolgt  die  Verschiebung  des  Lichtscheines  in  entgegengesetztem 
Sinne. 


1)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Verhandl.  d.  Deutsch.  Phya.  Geselbch. 
1.  5.  Mai  1899;  Wied.  Add.  69.  p.  88.  1899. 

2)  F.  Giesel,  Wied.  Ann.  69.  p.  91.  1899.  Es  hat  sich  bestltigt. 
dass  die  PoloDiumpräparate  und  zwar  nicht  nur  das  Sulfid,  sondern  an<di 
das  elektrolytisch  abgeschiedene  Metall  und  Präparate  in  Form  Ton  BiOCI 
und  BiO  •  OH  allmählich  aber  beständig  in  der  Wirksamkeit  zurückgehen. 


BecyuerehtraltUn.  835 

Die  Strahlen  von  Radiumpräparaten  verhalten  sich  genau 
so,  wenn  auch  die  Deutlichkeit  der  Erscheinung  eine  etwas 
geringere  ist.  Ebenso  zeigte  das  Radinmpräparat,  dessen  sich 
Elster  nnd  Qeitel  für  oben  genannten  Zweck  bedienten,  den 
EiaäuBS  des  Magneten  anzweifelhaft. 

Die  geschilderten  Erscheinungen  lassen  sich  auch  mit 
ÜUlfe  der  photographischen  Platte  fiziren.  Es  wurde  hierbei 
der  Deutlichkeit  der  Bilder  halber  vorgezogen,  die  Substanz  F 


Fig.  1. 


Fig.  2. 


(Polonium)  nicht  in  1  cm  Entfernung,  sondern  der  in  schwarzes 
Papier  gehüllten  und  mit  der  Schichtseite  den  Polen  zuge- 
wendeten Platte  unmittelbar  anliegend  anzubringen.  Die  Ex- 
positionszeit  betrug  3 — 10  Minuten.  Von  den  verschieden- 
artigen, durch  Veränderung  der  Form  und  Lage  der  Pole,  wie 
Anordnung  der  Substanz  zu  den  Polen  erhaltenen  Radio- 
grammen habe  ich  zwei  Aufnahmen  nach  dem  Negativ  in 
Zeichnung  wiedergegeben.  Bei  Fig.  1  befindet  sich  P  ausser- 
halb der  Flacbpole  S  und  N,  bei  Fig.  2  innerhalb  der  Rund- 


836  F,  Giesel,     BecquerehtrcJden. 

pole  des  Magneten,  die  sich  durch  die  StraMen  von  selbst 
markiren. 

Neben  der  einseitigen  Ablenkung  treten  auf  den  Platten 
die  durch  den  Magneten  hervorgerufenen  Anhäufungsstellen  der 
Strahlen  (^,  Figg.  1  u.  2)  deutlich  hervor,  ausserdem  aber  zeigt 
sich  noch  eine  neue  mit  dem  Phosphorescenzscbirm  nicht  zu 
verfolgende  Eigenthümlichkeit.  Die  Ausbreitung  der  Strahlen 
erscheint  in  der  Nähe  der  Substanz  in  der  Ablenkungsrichtung 
nicht  gleichmässig  abgetönt,  wie  um  dieselbe  nach  der  ent- 
gegengesetzten Richtung  (a,  Figg.  1  u.  2)  und  bei  den  übrigen 
Theilen  im  Magnetfelde  [b  und  c,  Figg.  1  u,  2),  sondern  wellig 
in  S-förmig  gewundenen  Linien  {s,  Figg.  1  u.  2). 

Die  S-Form  erinnert  an  die  Beeinflussung  der  Aureole  des 
Inductionsfunkens  zwischen  den  Magnetpolen. 

Braunschweig,  31.  October  1899. 

(Eingegangen  2.  November  1899.) 


10.  Nachtrag;  von  It.  von  Hirsch. 

In  meiner  Abhandlung*)  habe  ich  geglaubt,  aus  dem  Ver- 
halten der  Substanzen  bei  der  kritischen  Temperatur,  den 
Schluss  ziehen  zu  müssen,  die  kritischen  Dichten  von  Flüssig- 
keit und  Dampf  seien  nicht  gleich,  da  die  mir  bekannten 
anderweitigen  Erklärungen  für  das  Verschwinden  des  Meniscus 
an  bestimmten  Stellen  im  Rohr  den  Erscheinungen  nicht  zu 
genügen  schienen.  Dem  dort  gegebenen  Gedankengang  liegt 
die  stillschweigende  Voraussetzung  zu  Grunde,  der  Zustand 
sei  bei  vollkommen  constanter  Temperatur  in  der  ganzen  Aus- 
dehnung der  Flüssigkeit,  bez.  des  Dampfes  derselbe.  Durch 
eine  Arbeit  von  Hrn.  Gouy^).  in  der  derselbe  den  Einfluss 
der  Schwere  auf  die  kritischen  Erscheinungen  hervorhebt,  bin 
ich  darauf  aufmerksam  geworden,  dass  diese  selbstverständ- 
lich scheinende  Annahme  in  der  Nähe  der  kritischen  Tem- 
peratur nicht  berechtigt  ist:  Da  nämlich  hier  dvjdp  sehr 
gross  wird,  so  vermag  selbst  der  geringe  hydrostatische  Druck 
im  Rohr  eine  stetig  mit  der  Höhe  fortschreitende  Dichte- 
änderung hervorzubringen,  sodass  nur  an  der  Trennungsfläche 
Dampf — Flüssigkeit  der  kritische  Zustand  herrscht,  während 
oberhalb  die  Dichte  abnimmt,  unterhalb  wächst. 

Bei  Versuchen  werden  stets  die  mittleren  Dichten  der 
ganzen  Flüssigkeits-  bez.  Dampfmenge  bestimmt,  es  müssen 
sich  also  hier  einseitige  Abweichungen  ergeben,  die  um  so 
stärker  ausfallen  werden,  je  grösser  der  vorhandene  hydro- 
statische Druck,  d.  h.  je  länger  die  Röhre  ist.  Für  diese  ge- 
messenen mittleren  Werthe  gilt  also  die  an  früherer  Stelle 
gegebene  Entwickelung,  die  auf  die  Ungleichheit  der  kritischen 
Flüssigkeits-  und  Dampfdichte  führt,  nicht  für  die  wahren  dem 
Sättigungszustand  entsprechenden  Grössen,  die  allein  Bedeutung 
für  die  Theorie  haben. 

1)  R.  von  Hirsch,  Wiod.  Ann.  69.  p.  456.  1899. 

2)  Gouy,  Compt.  rend.  115.  p.  720.  1892. 

(Eingegangen  20.  October  1899.) 


11.  m/ne  Methode  zur  Demonstration  und  Photo- 
graph4e  von  Stromcurven^);  von  J.  Zenneck. 

1. 

Den  Ausgangspunkt  bildet  die  von  F.  Braun 2)  beschriebene 
Methode,  um  die  Curven  variabler  Ströme  sichtbar  zu  machen. 
Sie  besteht  bekanntlich  darin,  dass  durch  ein  in  einer  Eathoden- 
strahlenröhre  befindliches  Diaphragma  ein  dünnes,  kreisförmiges 
Eathodenstrahlenbündel  ausgeschnitten  wird,  das  auf  einem 
ebenfalls  in  der  Eöhre  angebrachten  und  mit  einer  lumines- 
cirenden  Substanz  bestrichenen  Schirm  einen  hellen  Luminesceoz- 
fleck  erzeugt.  Der  in  Frage  stehende  variable  Strom  wird 
durch  eine  Spule  geschickt,  deren  Axe  senkrecht  zur  Röhrenaxe 
steht.  Das  Eathodenstrahlenbündel  und  damit  der  Luminescenz- 
fleck  bekommt  durch  das  magnetische  Feld  der  Spule  eine 
Ablenkung,  die  der  Intensität  des  Stromes  jedenfalls  annähernd 
proportional  ist  und  bei  horizontaler  Stellung  der  Köhren-  und 
Spulenaxe  verticale  Richtung  hat.  Betrachtet  man  die  Be- 
wegung des  Fleckes  durch  einen  gleichmässig  rotirenden  Spiegel 
mit  verticaler  Drehungsaxe,  d.  h.  ertheilt  man  dem  Spiegelbild 
des  Fleckes  eine  der  Zeit  proportionale  horizontale  Bewegungs- 
componente,  so  erscheint  im  Spiegel  die  Stromcurve. 

Will  man  in  ähnlicher  Weise  die  Curve  der  Spannungs- 
dififerenz  zwischen  zwei  Polen  etwa  einer  Wechselstrom dynamo- 
maschine  oder  eines  Inductoriums  bekommen,  so  braucht  man 
nur  die  horizontale  Spule  durch  zwei  horizontale  (Dondensator- 
platten  zu  ersetzen;  durch  das  elektrische  Feld  zwischen  den 
Platten  wird  der  Luminescenzfleck  ebenso  in  der  Richtung 
des  elektrischen  Feldes  abgelenkt  wie  durch  das  magnetische 
Feld  der  Spule  senkrecht  zur  Richtung  dieses  Feldes.*) 


1)  Vgl.  meine  Notiz  Elektrotechn.  Zeitschr.  20.  p.  228    1899. 

2)  F.  Braun,  Wied.  Ann.  60.  p.  552  f.  1897;  vgl.  auch  Elektrotechn. 
Zeitachr.  19.  p.  204.  1898. 

3)  Vgl.  H.  Ebert,  Wied.  Ann.  04.  p.  240ff.  1898. 


Demonstration  und  Photographie  von  Stromcurven.       839 

Es  war  meine  Absicht  die  Methode  so  umzuändern,  dass 
man  die  Stromcurve  direct  photographisch  aufnehmen  kann. 
Will  man,  womit  man  sich  seither  begnügte,  nach  dem  Bild 
im  rotirenden  Spiegel  zeichnen,  so  hängt  die  erreichte  Ge- 
nauigkeit von  der  Geschicklichkeit  des  Zeichnenden  ab  und 
das  ist  gerade  hier  sehr  bedenklich,  da  ein  genaues  Zeichnen 
nach  dem  unruhigen  Bild  des  rotirenden  Spiegels  durchaus 
nicht  leicht  ist.  Um  diesem  Mangel  abzuhelfen,  suchte  ich  die 
Anordnung  so  zu  treffen ,  dass  die  Stromcurve  auf  dem 
Luminescenzschirm  selbst  zur  Darstellung  kommt. 

A.    Frincip  der  Methode. 
2. 

Zu  diesem  Zwecke  muss  die  horizontale  und  der  Zeit 
proportionale  Bewegungscomponente,  welche  in  der  Braun'- 
schen  Anordnung  das  Spiegelbild  des  Luminescenzfleckes  er- 
hält, dem  Flecke  selbst  ertheilt  werden. 

Man  erreicht  dies,  indem  man  ausser  der  horizontalen 
Spule,  durch  welche  der  variable  Strom  hindurchgeht,  eine 
zweite  verticale  Spule  anbringt  und  diese  mit  einem  Strom 
beschickt,  dessen  Intensität  der  Zeit  proportional  ist. 

Die  erste  Aufgabe  ist  also  einen  Strom  zu  beschaffen, 
dessen  Intensität  der  Zeit  proportional  ist.^) 

3. 

Das  genügt  indess  für  die  meisten  Zwecke  noch  nicht. 
Würde  man  nämlich  einen  solchen  Strom  nur  ein  einziges 
Mal  durch  die  verticale  Spule  hindurchschicken,  so  würde  der 
Luminescenzfleck  die  Stromcurve  auch  nur  ein  einziges  Mal 
beschreiben.  Würde  man  ihn  mehrmals  hindurchschicken,  so 
würde  zwar  der  Fleck  die  Curve  mehrmals  durchlaufen,  aber 
entsprechende  Theile  der  Curve  würden  im  allgemeinen  nicht 
jedesmal  auf  dieselben  Stellen  des  Schirmes  fallen.  £ine 
photographische  Aufnahme,  bei  der  eine  längere  Exposition 
nothwendig  ist,  wäre  nicht  möglich  und  für  die  Demonstration 
wäre  gegenüber  der  Braun'schen  Anordnung  nicht  viel  ge- 
wonnen. 

1)  Er  soll  im  Folgenden  einfach  als  linearer  Strom  bezeichnet 
werden. 


840 


/.  Zenneck. 


Die  zweite  Aufgabe  ist  also  die,  den  linearen  Strom  mehr- 
mals durch  die  verticale  Spule  zu  schicken  und  zwar  so,  dass 
entsprechende  Punkte  der  Stromcurve  immer  wieder  auf  die- 
selben Punkte  des  luminescirenden  Schirmes  fallen. 


4, 

Die  erste  Aufgabe,  einen  Strom  zu  bekommen,  dessen 
Intensität  der  Zeit  proportional  ist,  lässt  sich  im  Princip  in 
folgender  Weise  lösen. 

Das  eine  Ende  der  Spule  S  (Fig.  1),  welche  mit  dem 
linearen   Strom   beschickt   werden    soll,   wird    verbunden    mit 


Fig.  1. 


Fig.  2. 


dem  einen  Endpunkte  A  eines  gleichmässig  dicken,  homogenen 
Drahtes  A  -ß,  welcher  in  den  Stromkreis  des  Elementes  E  ein- 
geschaltet ist.  Das  andere  Ende  der  Spule  steht  in  Ver- 
bindung mit  einem  Schleifcontact  C,  der  auf  dem  Drahte  A  B 
verschiebbar  ist.  Wird  dieser  Schleifcontact  mit  constanter 
Geschwindigkeit  auf  dem  Drahte  von  A  nach  B  verschoben, 
so  ist  die  Intensität  des  durch  die  Spule  S  gehenden  Stromes 
sehr  annähernd  der  Zeit  proportional,  wenn  der  Widerstand 
des  Zweiges  ASC  gross  ist  gegen  denjenigen  des  Drahtes  ACB 
und  wenn  der  Selbstinductionscoefficient  der  Spule  S  dividirt 
durch  den  Widerstand  des  Zweiges  ASC  verschwindet  gegen 
die  Zeiteinheit. 

5. 

Der  zweiten  Aufgabe  wird  man  wenigstens  in  dem  Falle, 
wenn  der  variable  Strom,  dessen  Curve  aufgenommen  werden 
soll,  der  Strom  eines  Wechselstromgenerators  ist,  gerecht  in 
der  folgenden  Weise  (vgl.  Figg.  1,  2  u.  5).      Der  Draht  J  B 


Demonstration  und  Photographie  von  Stromcuroen,       841 

(Fig.  1)  wird  auf  der  Peripherie  einer  drehbaren  Scheibe  so 
angebracht,  dass  die  Enden  A  und  B  einander  sehr  nahe 
liegen,  ohne  einander  zu  berühren  (Fig.  2).  Der  Strom  der 
Elemente  £  (Fig.  2)  wird  den  Drahtenden  A  und  JS  durch 
Vermittelung  von  Schleifringen  und  Bürsten  {A^  und  B^)  zu- 
geführt.*) Der  feststehende  Schleifcontact  C,  der  bei  Drehung 
der  Scheibe  auf  dem  Drahte  AB  schleift,  ist  mit  dem  einen 
Pole  der  Ablenkungsspule  S  verbunden;  der  andere  Pol  der 
Spule  steht  in  Verbindung  mit  der  Bürste  A^  und  dadurch 
mit  A. 

Wird  die  Äxe  der  Scheibe  uun  fest  mit  dem  Dynamo- 
anker verbunden,  so  entspricht  derselben  Stellung  des  Ankers 
auch  stets  dieselbe  Stellung  der  Scheibe  gegenüber  dem  Schleif- 
contact C.  Die  Wechselstromcurve  auf  dem  Schirm  der 
Braun'schen  Röhre  muss  sich  also  bei  jeder  Umdrehung  der 
Maschine  in  genau  derselben  Weise  wiederholen. 

Ist  der  variable  Strom,  dessen  Curve  aufgenommen  werden 
soll,  nicht  der  Wechselstrom  einer  Dynamomaschine,  so  muss 
die  Anordnung  entsprechend  abgeändert  werden  (vgl.  unten 
§  12  b). 

H.   Die  praktische  Ausführung. 

6. 
Construction  der  Kathodenstrahlenröhre. 

Die  erste  Aenderung,  die  ich  an  der  Braun'schen  Röhre 
anbrachte,  war  ein  zweites  Glasdiaphragma  I)^^)  (Fig.  B).  Mau 
gewinnt  dadurch  den  Vortheil,  dass  man  nach  Belieben  durch  Ab- 
lenkung mit  einem  Magneten  das  ganze  Kathodenstrahlenbündel, 
welches  vom  ersten  Diaphragma  JD^  ausgeschnitten  wird,  durch 
das  zweite  Diaphragma  hindurchsenden  kann  oder  nur  einen 
Theil  desselben.  Man  kann  auf  diese  Weise  den  Luminescenz- 
fleck  grösser  oder  kleiner  und  damit  auch  die  Wechselstrom- 
curve kräftiger  (für  Demonstrationszwecke)  oder  feiner  (für 
photographische  Aufnahmen)  gestalten. 

Eine  beträchtliche  Unbequemlichkeit  dieser  Röhren  be- 
stand aber  darin,  dass  die  photographischen  Aufnahmen  sehr 

1)  Die  stromführenden  Theile  sind  in  Fig.  2  schraffirt. 

2)  Die  von  mir  verwandten  Röhren  sind  sämmtlich  von  Dr. 
H.  Geissler's  Nachf.  (F.  Müller)  in  Bonn  angefertigt  worden. 


842  J.  Zenneck. 

lange  Zeit  in  Anspruch  nehmen.  Curven  von  der  Grösse  der 
Fig.  8  erforderten  eine  Bxpositionsdauer  von  ungefähr  10  Min. 
Es  gelang  durch  Aenderung  in  der  Construction  der  Röhre 
die  Expositionsdauer  auf  wenige  Secunden^),  bei  raschester 
Rotation  der  zum  Betrieb  der  Röhre  verwandten  Töplermaschine 
und  bei  nicht  zu  grosser  Ausdehnung  der  Curven  auf  Brucb- 
theile  einer  Secunde  herunterzudrücken. 

Diese  Aenderung  bestand  einmal  darin,  dass  der  Raum 
hinter  der  Kathode  in  der  in  Fig.  4  abgebildeten  Weise  ab- 
geschlossen wurde.  Es  wurde  dadurch  erreicht,  dass  man  mit 
den  höchsten  Tourenzahlen  der  Töplermaschine  arbeiten  konnte, 
ohne  dass  die  Entladung  in  der  Röhre  flackerte  und  die  Curveo 


Fig.  3.  Fig.  4. 

unscharf  wurden.  Bei  der  in  Fig.  3  dargestellten  Röhre 
hatte  man  die  Tourenzahl  sehr  niedrig  halten  müssen,  da  sonst 
die  Kathodenstrahlen  und  damit  die  Curven  —  und  zwar,  wie  es 
scheint,  infolge  von  Entladungen  hinter  der  Kathode  zwischen 
Kathode  und  Glaswand  —  unregelmässig  wurden.^ 

Dann  wurde  der  Schirm  in  der  Braun 'sehen  Röhre,  für 
den  ursprünglich  Glimmer  benutzt  worden  war,  aus  Glas  her- 
gestellt, da  Glimmer  die  ultravioletten  Strahlen  in  bedeutend 
höherem  Maasse  absorbirt  als  Glas. 

Endlich  versuchte  ich  die  bisherige  verwandte  lumines- 
cirende  Substanz  (CaS)  durch  eine  andere  zu  ersetzen,  deren 
Luminescenzlicht  eine  bessere  photographische  Wirkung  er- 
geben sollte.    Calciumwolframat,  das  nach  W.  Arnold^  starke 

1)  Bei  den  unten  beigegebenen  Wechselstromcurven,  bei  deren  Auf- 
nahme die  Töplermaschine  nicht  annähernd  die  maximale  Tonreuxihi 
hatte,  betrug  die  Ezpositionsdauer  6  —  20  sec;  bei  maximaler  Toorenxahl 
genügt  für  denselben  Zweck  eine  Exposition  von  1 — 2  sec 

2)  Von  den  Röhren,  deren  Kathode  die  in  Fig.  3  abgebildete  Form 
hat,  hielt  allerdinp^s  eifie  auch  die  stärksten  Entladungen  aus,  ohne  ta 
flackern. 

3)  W.  Arnold,  Wied.  Ann.  61.  p.  313  ff.  189T. 


Demonstration  und  Photographie  von  Stromcurven,       843 

• 

Kathodoluminescenz  zeigt,  musste  wegen  der  bekannten  Ver- 
wendung dieser  Substanz  in  der  Röntgenphotographie  für  den 
vorliegenden  Zweck  als  besonders  geeignet  erscheinen.  Ein 
Vergleich  zwischen  CaS  und  CaWO^  führte  zu  folgendem  Er- 
gebuiss.  Bei  sehr  starker  Entladung,  unter  deren  Einfluss 
das  CaS-Licht  nahezu  weiss,  nur  wenig  grünlich  ist,  ist  die 
photographische  Wirkung  des  CaS -Lichtes  derjenigen  von 
CaWO^  sicher  ebenbürtig.  Bei  schwacher  Luminescenz  da- 
gegen, sei  es  infolge  schwacher  Entladung,  sei  es  infolge  davon, 
dass  der  Luminescenzfleck  sich  mit  grosser  Geschwindigkeit 
auf  dem  Schirme  bewegt,  ist  das  CaS-Licht  stark  grünlich 
und  dann  viel  weniger  photographisch  wirksam  als  dasLumines- 
cenzlicht  von  CaWO^.  Ich  habe  deshalb  die  letzte  Röhre, 
mit  deren  Hülfe  ich  alle  unten  beigegebenen  Photographien 
gewonnen  habe,  mit  einem  CaWO^ -Schirm  versehen  lassen. 

7. 
Der  Betrieb  der  Kathodenetrahlenröhre. 

Zum  Betrieb  der  Röhre  habe  ich  fast  ausschliesslich  eine 
20 plattige  Töplermaschine  verwandt,  die  durch  einen  kleinen 
Wassermotor  getrieben  wurde.  Eine  Töplermaschine  ist  für 
den  vorliegenden  Zweck  auch  wohl  am  besten  geeignet.  Wo 
eine  solche  nicht  zur  Verfügung  steht,  kann  an  Stelle  davon 
sehr  gut  jede  Holtz'sche  Influenzmaschine  benutzt  werden. 
Zu  gebrauchen  sind  auch  die  kleinen  selbsterregenden  Influenz- 
maschinen; eine  mit  einer  einzigen  drehbaren 'Glasscheibe  von 
25  cm  Durchmesser,  ebenso  grössere  Whimshurstmaschinen 
eigneten  sich  noch  zum  Betrieb  der  Röhre  jedenfalls  für 
Demonstrationszwecke. 

Der  Betrieb  durch  ein  Inductorium  mit  gut  functionirendem 
Deprez-  oder  besser  Wehneltunterbrecher  hat  den  Vortheil, 
dass  sich  damit  ein  sehr  kräftiges  Luminescenzlicht  erzeugen 
lässt.  Er  besitzt  aber  den  beträchtlichen  Nachtheil,  dass  die 
Entladung  stark  intermittirend  ist  und  das  Curvenbild  nicht 
so  scharf  und  ruhig  wird,  wie  bei  der  Influenzmaschine. 

Auch  den  Wechselstrom  der  Centrale  (118  Volt  100  Wechsel 
in  der  Secunde),  der  in  einem  Inductionsapparat  auf  hohe 
Spannung  transformirt  worden  war,  habe  ich  versuchsweise 
benutzt.     Er  liefert  eine  sehr  kräftige  und  auch  verhältniss- 


844  /.  Zenneck, 

massig  ruhige  Luminescenz,  die  Röhre  erhitzte  sich  dabei 
aber  trotz  Vorschaltung  sehr  grosser  ZnSO^- Widerstände  in 
bedenklicher  Weise. 

s. 

Die  Ablenkungsspulen. 

In  2.  und  3.  war  stets  nur  von  einer  einzigen  horizontalen 
und  einer  einzigen  verticalen  Ablenkungsspule  die  Kede.  That- 
sächlich  ist  es  nicht  zulässig,  je  nur  eine  einzige  Spule  zu 
verwenden.  Da  nämlich  das  magnetische  Feld  einer  einzigen 
Spule  nicht  im  geringsten  homogen  ist,  so  passiren  die  ein- 
zelnen Theile  des  Kathodenstrahlenbündels  Stellen,  wo  die 
Feldstärke  nach  Grösse  und  Richtung  verschieden  ist.  Die 
Folge  davon  ist,  dass  der  Luminescenzfleck  auf  dem  Schirm 
der  Röhre  nicht  mehr  kreisförmig  bleibt  und  deshalb  die  ein- 
zelnen Theile  der  Wechselstromcurve  sehr  ungleichmässig  dick 
werden.  Fast  vollständig  lässt  sich  dieser  Fehler  vermeiden, 
wenn  man  je  ein  Paar  von  gleichen  Spulen  einander  zu  beiden 
Seiten  der  Röhre  gegenüberstellt. 

Die  von  mir  gebrauchten  Spulen,  von  denen  ich  von  jeder 
Art  ein  Paar,  von  Nr.  2  zwei  Paare  besass,  hatten  ungefähr 

Nr.  1       265  Windungen,      0,24  Ohm  Widerstand 
Nr.  2     1740  ,,  6,14       „  ,, 

Nr.  3  16400  „  1045 


,,  a.\i^%'  ,,  yj 


Die  Dimensionen  waren  im  übrigen  bei  allen  gleich,  nämlicb: 
Länge  10  cm,  Durchmesser  der  äussersten  Wickelung  5  cm. 
der  innersten  1,5  cm. 

Die  Spulen,  welche  mit  dem  linearen  Strom  beschickt 
wurden,  waren  ein  Paar  Nr.  2. 

Mit  Eisenkernen  dürfen  die  Spulen  wegen  der  Hysteresis- 
und  Reraanenzerscheinungen  unter  keinen  Umständen  versehen 
werden.  Selbst  Kerne  aus  feinstem,  gut  ausgeglühten  und 
isolirten  Eisendraht  (Blumendraht)  erwiesen  sich  als  durchaus 
unbrauchbar. 

Ausser  den  genannten  Spulenpaaren  verwendete  ich  ein 
drittes  mit  einem  Eisenkerne,  durch  welches  der  constaiite 
Strom  irgend  eines  Elementes  mit  vorgeschaltetem  Widerstand 
geschickt  wurde.     Es   hatte  den  Zweck,    die  Curve  auf  jeden 


Demonstration  und  Photographie  von  Stromcurven.       845 

beliebigen  Theil  des  Schirmes  zu  legen  und  damit  eine  bessere 
AusnatzuDg  des  ganzen  Schirmes  zti  ermöglichen. 


Der  Apparat  zur  ErKCUgUDg  oines  linearen  StromeB. 

Die  Construction  des  Apparates,  wie  er  nach  mannich- 
fachen  Vorversucben  vom  Mechaniker  Bosch  inStrassburgi.E.>) 
augefertigt  wurde,  i^t  aus  der  Abbildung  (Fig.  5)  wohl  ohne 
weiteres  zu  entnehmen  und  mit  Hülfe  der  Fig.  2  auch  leicht 
verständlich. 


Pig.  ft. 

Der  Draht  A  B  (Figg.  1  u.  2)  ist  ersetzt  durch  einen 
Streifen  dUnnen  Blechs  von  0,1  mm  Dicke,  4  mm  Breite  und 
ungefähr  120  cm  Lunge.')  Der  Blecbstreifen  liegt  auf  einer 
aus  einer  isolirenden  Substanz  gefertigten  Scheibe  in  einer 
ungefähr  1  mm  tiefen  Nuthe.  Die  Scheibe  selbst  ist  an  ein 
Messiiigrad  angeschraubt     Die  Befestigung  des  Blechstreifens 

1)  Der  Apparat  kann,  mit  einigen  Aenderungen  versehen,  die  eich 
im  Laufe  der  Versuche  als  EweckmflbBig  herausgestellt  hatten,  von  dem- 
■elben  beioßen  werden. 

2)  Dan  Blech  („ Widersland ablech")  wurde  mir  von  den  west- 
ffilischcn  Nickdwakwerken  Flcltmann,  Witte  &  Co.  in  Schwerte 
(Westfalen)  zur  Verfügung  gestellt  und  hat  sich  trotz  der  starken 
mechanischen  und  elfktrischeii  Beanspruchung  sehr  gut  bewährt.  Der 
Widerstand  (ca.  1,3  Ohm  fQr  1  m  LSogel  ist  sehr  gleichmSaaig. 


846  /.  Zennech. 

in  den  Punkten  A  and  S  (Fig.  2)  ist  derart,  dass  der  Streifen 
leicht  durch  einen  neuen  ersetzt  werden  kann. 

Der  Schleifcontact  C  (Fig.  2),  von  dessen  tadellosem 
Funktiouiren  die  Sauberkeit  der  Curven  in  hohem  Maasse  ab- 
hängt, bekam  die  in  Figg.  6a  u.  6b  abgebildete  Form.  Der 
Thei!  MI^  ist  eine  kleine  Dynamobürste,  PQ  ist  ebenfalls 
ein  Stück  einer  solchen  und  &n  M^  angelöthet. 

Der  Strom  (2 — 4  Accumulatoren)  wird  durch  die  in  Fig.  5 
links   oben   befindlichen    und    mit  Papierstreifen     versehenen 
Drähte  —  die  in  Fig.  5  nach  rechts  unten  ver- 
laufenden   Drähte    gehen   zu    den    Ablenkung«- 
spulen   —    den   beiden    kleinen    Dynamobürsten 
und  durch  diese  den  beiden  Schleifringen  J,,  £, 
(Fig.  2)    zugeführt.     An   letztere    sind    Kupfer- 
Fie  Sa.    6  b       krähte   angelöthet,    welche    die   Ringe    mit  den 
Enden  des  Biechstreifens  verbinden. 
In  Nebenschluss  zu  den  Punkten  C  und  B  (Fig.  2)  wurde 
eine  Reihe  von  hintereinander  geschalteten  Zellen  C — H,0— C 
gebracht.     Der  Zweck  derselben  ist  der,  den  Funken,  welcher 
sich   an  dieser  Stelle  bildet,   wenn  der  Strom  ASC  (Fig.  2) 
unterbrochen  wird,  möglichst  zu   verkleinern.     Ehe  diese  Yor- 
sichtsmaassregel  getrofTen  war,  wurde  der  Streifen    an  dieser 
Stelle  mehrmals  durch  den  Funken  durch  gefressen - 

um  die  Verbindung  des  Apparates  mit  dem  Anker  der 
Wecbselstrommaschine  möglichst  fest  zu  machen,  was  bei  der 
langen  Expositionszeit,  die  ich  anfänglich  nöthig  hatte,  unoiu- 
anglich  war,  wurde  dieselbe  durch  Zahnräder  bewerkstelligt. 
Zwei  derselben,  das  grossere  mit  doppelter  Zabnzahl  wie  dsä 
kleinere,  sind  in  Fig.  5  sichtbar.  Das  dritte  von  derselben 
Grösse  wie  das  kleinere  in  Fig.  5  sitzt  auf  einem  in  die 
Axe  der  Dynamomaschine  eingedrehten  Zapfen.  Bei  Benutzung 
des  grösseren  Zahnrades  erhält  man  auf  dem  Schirm  der 
Brann'schen  Röhre  zwei  Perioden  des  Wechselstromes,  nicht 
nur  eine  wie  in  den  unten  stehenden  Figuren. 

Jetzt,  nachdem  für  die  pbotographischen  Aufnahmen  der 
Curven  nur  noch  wenige  Secunden  nöthig  sind,  würde  vohl 
eine  Verbindung  des  Apparates  mit  der  Dynamomaschine  ver- 
mittelst Schnur-  oder  Riemscheibe  genügen. 


DemomtroHon  und  Photographie  von  Stromcurven.       847 

C.   Qenanigkeit  und  Verwendbarkeit  der  Methode. 
10. 
Die  Genauigkeit  der  Methode. 
Die  Oenauigkeit  der  Methode  hängt  ab: 

a)  davon,  ob  die  Ablenkung  des  Fleckes  der  Stärke  des 
magnetischen  Feldes  zwischen  den  Spulen  bez.  des  elektrischen 
Feldes  zwischen  den  Condensatorplatten ')  genau  proportional  ist, 

b)  davon,  ob  der  unter  9.  beschriebene  Apparat  einen 
genau  der  Zeit  proportionalen  Strom  liefert. 

Daas  die  Ablenkung  des  Lumin  es  cenz  Heckes  durch  das 
elektrische  Feld  zwischen  den  Condensatorplatten  der  Stärke 
dieses  Feldes  jedenfalls  sehr  annähernd  proportional  ist,  wurde 
schon  von  Ebert  I.  c.  angegeben.  Zu  zeigen  ist  also  nur 
noch,  dass  bei  Verwendung  von  Äblenkungsspulen  die  Ab- 
lenkung des  Fleckes  der  Intensität  des  Stromes  in  den  Spulen 
proportional  ist.  Der  Beweis  lässt  sich  in  der  Weise  flihren, 
dass  man  durch  die  Spulen  einen  Strom  von  beliebiger  In- 
tensität hindurchscfaickt,  dann  einen  solchen  von  doppelter 
Intensität,  dann  einen  solchen  von  3  facher  etc.  Bei  jeder  der 
verschiedenen  Intensitäten  bekommt  der  Fleck  eine  andere 
Stellung  auf  dem  Schirm  und  alle  verschiedenen  Stellungen 
werden  auf  dieselbe  Platte  photographirt. 
Ist  die  Ablenkung  genau  der  Stromstärke 
proportional,  so  muss  man  eine  Reihe 
von  Flecken  erhalten,  welche  unter- 
einander genau  denselben  Abstand  haben. 
Die  Fig.  7,  die  in  der  angegebeneu  Weise 
aufgenommen  wurde,  zeigt,  dass  die  Ab- 
stände thatsäcfalich  fast  genau  gleich  sind,  pj  ^ 
die  Ablenkung  des  Luminescenzfleckes 
also  innerhalb  der  Grenzen,  die  hier  überhaupt  in  Betracht 
kommen,  der  Stromstärke  proportional  ist. 

Die  Frage,  ob  der  unter  9.  beschriebene  Apparat  einen  genau 
der  Zeit  proportionalen  Strom  liefert,  ist  für  die  Zeiten,  in 
denen  der  Punkt  Ä  (Fig.  2)  sich  in  unmittelbarer  Nachbar- 
schaft des  Schleifcontactes  C  befindet,  zweifellos  zu  verneinen, 

1)  Vgl.  p.  638. 


•'is 

.'>: 

7/ 

1  1  ^ 

"•'ii 

848  •/.  Zenneck, 

schon  wegen  der  Art,  in  welcher  der  Blechstreifen  befestigt 
ist  und  in  welcher  ihm  der  Strom  zugeführt  wird.  Dass  aber 
im  übrigen  der  von  dem  Apparate  gelieferte  Strom  der  Lange  AC 
(Figg.  1  u.  2)  und  damit  bei  gleichmässiger  Rotation  der 
Zeit  proportional  ist,  lässt  sich  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
zeigen,  indem  man  den  Schleifcontact  auf  die  verschiedenen 
Stellen  des  ßlechstreifens  einstellt  und  den  Strom  im  Zweige  ^56* 
(Figg.  1  u.  2)  misst.  Eine  solche  Messung  ergab  bei  einer 
Entfernung  des  Schleifcontactes  C  von  A  um 

Vi2  der  ganzen  Länge  AB  als  Intensität  0,03  Amp. 

Differenz  0,037 

"       "  "  °'°"     "  „         0,035 

"       "  "  "'*         "  „         0,039 

"        "  '^  0,141      ,, 

„  0,039 

1,       .,  ,,  0,180     „ 

„  0,039 
»^        u  1»  0,^19     „ 

Die  Proportionalität  ist  also  iür  den  vorliegenden  Zweck 
durchaus  genügend.  Allerdings  werden  diese  Verhältnisse, 
wenn  der  Apparat  in  Bewegung  ist,  durch  die  Selbstinduction 
der  Ablenkungsspulen  etwas  modificirt.  Man  überzeugt  sich 
indess  durch  Rechnung  leicht,  dass  bei  den  Dimensionen 
meiner  Spulen  eine  w^esentliche  Aenderung  nicht  eintreten  kann. 

Die  Genauigkeit  der  Methode  ist  also,  soweit  sie  von  den 
erwähnten  Factoren  abhängt,  vollkommen  ausreichend.  In 
anderer  Beziehung  ist  aber  die  Genauigkeit  und  Verlässlich- 
keit  bei  der  Braun 'sehen  und  damit  auch  bei  dieser  Methode 
beträchtlich  giösser  als  bei  irgend  einer  anderen.  Der  Um- 
stand nämlich,  dass  der  Kathodenstrahl  für  alle  hier  über- 
haupt in  Betracht  kommenden  Zwecke  als  trägheitslos  an- 
gesehen werden  muss,  garantirt  —  worauf  schon  F.  Braun ^) 
aufmerksam  gemacht  hat  — ,  dass  der  Luminescenzfleck  der 
raschesten  Variation  des  Stromes  folgt  und  z.  B.  auch  die 
höchsten  Oberschwingungen  eines  Wechselstromes  unbedingt 
richtig  registrirt,  was  von  einer  Anzahl  der  sonst  gebräuch- 
lichen Wechselstromindicatoren  nicht  behauptet  werden  kann. 
Die  grössere  Sauberkeit  der  Curven ,  die  man  mit  Hülfe 
dieser  letzteren  erhält,  ist  in  den  meisten  Fällen  keineswegs 
der  Ausdruck  grösserer  Genauigkeit. 

1)  F.  Braun,  Wied.  Ann.  60.  p.  552.   1897. 


Demonstration  und  Photographie  von  Stromcurven,       849 

11. 
Grenzen  für  die  Verwendbarkeit  der  Methode. 

Soll  nach  der  angegebenen  Methode  die  Curve  eines 
Stromes  aufgenommen  werden,  so  lässt  sich  für  die  Intensität 
desselben  weder  nach  oben  noch  nach  unten  eine  Grenze  an- 
geben, bei  welcher  die  Methode  versagen  würde:  man  muss 
nur  die  Ablenkungsspulen  passend  wählen.  Bei  Verwendung 
der  Spulen  Nr.  3  und  der  Röhre  von  Fig.  3  genügte  z.  B.  schon 
ein  Strom  von  0,03  Amp.,  um  den  Luminescenzfleck  über  den 
halben  Schirm  weg  abzulenken. 

Dasselbe  gilt,  wenn  die  Curve  einer  variabeln  Potential- 
differenz  zwischen  zwei  Polen  in  der  Weise  gewonnen  werden 
soll,  dass  man  zwischen  die  beiden  Pole  ausser  den  Ablenkungs- 
spulen hohe  inductionsfreie  Widerstände  einschaltet.  Ich  habe 
schon  mit  den  mir  zur  Verfügung  stehenden  Spulen  Wechsel- 
stromcurven  aufgenommen,  bei  denen  die  affective  Spannung 
zwischen  0,5  und  5000  Volt^)  variirte.  Sollen  dagegen  Po- 
tentialdifferenzen zwischen  zwei  offenen  Polen  unmittelbar  mit 
Hülfe  von  Condensatorplatten  nach  der  beschriebenen  Methode 
registrirt  werden,  so  giebt  es  nach  unten  eine  Grenze.  Bei 
der  Röhre  Fig.  3  und  bei  Benutzung  von  Condensatorplatten, 
deren  Länge  in  der  Richtung  der  Röhrenaze  etwa  12  cm  be- 
trug, brauchte  ich  wenigstens  200 — 300  Volt  effective  Spannung, 
um  eine  für  Curvenaufnahmen  genügende  Ablenkung  zu  be- 
kommen. Jedoch  liegt  nichts  im  Wege,  diese  Grenze  wesent- 
lich herunterzudrücken  dadurch,  dass  man  den  Theil  der  Röhre 
zwischen  Schirm  und  dem  zweiten  Diaphragma  verlängert. 

Eine  gewisse  Grenze  für  die  Verwendbarkeit  der  Methode 
in  derjenigen  Form,  in  welcher  sie  oben  beschrieben  wurde, 
liegt  in  der  Geschwindigkeit^  welche  dem  Luminescenzfleck  durch 
den  linearen  Strom  bei  Benutzung  des  unter  9.  beschriebenen 
Apparates  ertheilt  werden  kann.  Macht  der  Apparat  600  Touren 
pro  Minute,  so  erhält  bei  meiner  Anordnung  der  Luminescenz- 
tieck  eine  Geschwindigkeit  von  etwa  1  m/sec.  Diese  Ge- 
schwindigkeit würde  bei  einem  Wechselstrom  von  200  Wechseln 
in  der  Secunde  noch   eine  brauchbare  Photographie  ergeben, 


1)  Wobei  grosse  ZnSO«  •  Widerstände  in  dünnwandigen  Glasröhren 
mit  Kaltwasserspülung  vorgeschaltet  waren. 

Ann.  d.  Phjs.  u.  Ch«m.    N.  F.    68.  ^^ 


850  J.  Zmaeck. 

reicht  also  fllr  die  praktisch  gebrauchten  Wechsel-  oder  Mehr- 
phasenströme vollkommen  aus.  Allein,  wenn  sich  diese  Ge- 
schwindigkeit durch  eine  bessere  Anordnung  auch  noch  asf 
das  3 — 4  fache  steigern  lässt,  so  genügt  sie  doch  H)r  Strom- 
schwankangen  von  einigen  1000  Wechseln  in  der  Secunde 
nicht. 

U&ü  kann  sich  in  diesem  Falle  helfen,  indem  man  den 
unter  9.  beschriebenen  Apparat  durch  eine  Wechselstrom- 
dynamomaschine  ersetzt.  Die  Stromcurve  der  praktisch  ge- 
brauchten Wechsel strominascbinen  verläuft  nämlich,  jedenfalls 
wenn  man  genügende  Selbstinduction  vorschaltet,  in  der  Nähe 
der  Abscissenaxe  ziemlich  linear  (vgl.  Figg.  8  u.  9).      Nimmt 


Fig.   9. 

man  also  an  Stelle  des  oben  beschriebenen  Apparates  einen 
beliebigen  Wechselstromgenerator  und  entnimmt  man  dem- 
selben einen  genQgend  starken  Strom,  so  lässt  sich  leicht  er- 
reichen, dass  die  Ablenkung  des  Kathodenstrablenbündels  in 
denjenigen  Zeitintervallen,  in  denen  es  den  luminescirenden 
Schirm  überhaupt  trifft,  der  Zeit  proportional,  die  Geschwindig- 
keit des  Luminescenzlleckes  also  eine  gleichförmige  ist. ')  Bei 
dieser  Anordnung  kann  dann  aber  auch  eine  Grenze  Ittr  die 
Geschwindigkeit  des  Fleckes  nicht  angegeben  werden,  da  die- 
selbe  nicht  nur  der  Wechselzahl  des  Wechselstromes,  sondern 
auch  der  Intensität  desselben  proportional  ist  und  da  ansser- 
dem  in  diesem  Falle  in  den  verticalen  Spulen  die  Wirkung 
anbedenklich  durch  Eisenkerne  verstärkt  werden  kann.  Sicher- 
lich lassen  sich  auf  diese  Weise  rasche  Stromschwankungen 
eben  no  weit  analysiren,  als  mit  dem  rotirenden  Spiegel. 

Ei«p  Voraussetzung   ist  dabei   aber  immer  vorhanden  — 
und  diese  bildet  eine  thatsachliche  Beschränkung  für  die  Vcr- 

I)  Vgl.  Fig.  14. 


Dtmonstration  und  Photographie  von  Stromcurven.        851 

wendbarkeit  der  Metliode  zu  photograpbiBchen  Aufnahmen  — : 
es  muss  müglicb  sein,  die  Anordnung  so  zu  treffen,  dass  die 
Carve  sich  mehrmals  auf  dem  Schirm  in  genau  derselben 
Weise  wiederholt. 

12. 
Beispiele, 
a)  Die  Fig.  8  zeigt  die  Stromcurve  einer  Vierphaoenstrom- 
maschine'),  wenn  dieselbe  nicht  merklich  belastet  ist.  Die 
Abscissenaxe  ist  hier  wie  in  den  folgenden  Figuren  dadurch 
gewonnen,  dass  der  Strom  in  dem  horizontal  gestellten  Spulen- 
paar  unterbrochen  wurde.  Fig.  9  ist  die  Curve,  welche  man 
bei  sonst  gleichen  Verhällnissen  erhält,  wenn  man  mit  hoher 


Fig.  10. 


Selbstinduction  (Drosselspulen)  belastet:  die  Curve  ist  mehr 
sinusförmig  als  Fig.  8  und  zeigt  ausserdem  gegenüber  dieser 
letzteren  eine  nicht  unbeträchtliche  Phasenverschiebung  —  der 
Funkt,  in  welchem  die  Intensität  durch  Null  hindurchgeht,  fällt 
nicht  mehr  mit  dem  Anfang  der  Abscissenaxe  zusammen  — . 
Deutlicher  und  an schan lieber  wird  die  Phasenverschiebung 
noch,  wenn  man  beide  Curven  auf  dieselbe  Platte  bei  der- 
selben Stellung  des  photographischen  Apparates  photographirt 
(Fig.  10);  aus  der  Verschiebung  der  beiden  Curven,  gemessen 
auf  der  Abscissenaxe,  lässt  sich  der  Phasenwinkel  unmittelbar 
bestimmen. 

In  Fig.  11  ist  die  Veränderung  ersichtlich,  welche  die 
Stromcurve  irgend  einer  Phase  erleidet^  wenn  die  um  90*  da- 
gegen verschobene  Phase  der  Maschine  stark  belastet  wird. 
Fig.  12  unterscheidet  sich  davon  nur  dadurch,  dass  die  be- 
lastete Phase  nicht  die  um  90",  sondern  die  um  ISO**  diffe- 

1)  Gleichstrommuchine  der  Allgemeinet)  ElektiiciUti-GeMllBchaft, 
AiK  aDch  für  die  Abgabe  von  Vierphuenetrom  eiiigericht«t  Ut. 


852 


/  Zennech. 


rirende  ist.     Sie  besitzt  gegenüber  der  Carve  der  UDbelasteteu 
Maschine  (Fig.  8]  kaum  taerkliche  Unterechiede. 

b)  Die  Figg.  13  u.  14  stellen  die  Curven  des  Oeffnungs- 
und  Schliessungsextrastromes  in  der  secundären  Wicklang  eines 
Inductoriums  dar,  unij  zwar  Fig.  13,  wenn  der  lineare  Strom 
von  dem  unter  9.  beschriebenen  Apparat,  Fig.  14,  wenn  er 
von    der    unter    a)    besprochenen   Wecbselstrommaschiii' 


Fig.  13. 

liefert  wird.  In  beiden  Gurren  ist  da,  wo  sie  abbrechen,  je 
ein  verticales  Stück  zu  ergänzen  (»gl.  Fig.  13a);  dasselbe  wir 
auf  dem  Schirm  schwach,  aber  vollkommen  deutlich  zu  sehen, 
es  war  aber  nicht  hell  genug,  am  bei  der  photographischen 
Aufnahme  zum  Vorschein  zu  kommen. 


Die  Anordnung  war  in  diesem  Falle  so  getroffen,  dass 
an  dem  Apparate  (Fig.  5)  bez.  an  dem  Anker  der  Wechsel- 
strommaschine ein  kleines  Anschlagssttkck  befestigt  war.  Da<' 
selbe  unterbrach  bei  jeder  Umdrehung  durch  Aufschlagen  eine« 
Uorsetasters  den  primären  Strom  des  Inductoriums  und  schlosj 
ebenso  diesen  Strom  wieder,  indem  es  den  Taster  wieder  zu- 
schlagen Hess. 

c)  In  Fig.  15  endlich  ist  eine  Hysteretittchleife  eines 
dünnen  Eisendrahtes  abgebildet.    Sie  wurde  in  folgender  Weise 

1)  \'gl.  p,  850. 


Demonstration  und  Photographie  von  Stromcurven.       853 

gewonnen.  Der  von  dem  Apparat  (Fig.  5)  gelieferte  lineare 
Strom  wurde  getheilt.  Ein  Theil  desselben  wurde  durch  das 
oben  erwähnte  verticale  Spulenpaar  geschickt,  der  andere  Theil 
durch  das  horizontale  Spulenpaar,  in  das  ein  Bündel  aus  feinen 
Eisendrähten  geschoben  war.  Die  horizontale  Ablenkung  des 
Luminescenzüeckes  wird  also  proportional  der  Stromintensität, 
die  verticale  der  in  den  Drähten  durch  den  Strom  erzeugten 
Induction.  Man  dreht  dann  den  Apparat  in  der  einen  Rich- 
tung, sodass  der  von  ihm  gelieferte  Strom  von  Null  bis  zu 
einem  gewissen  Betrage  anwächst  und  dreht  ihn  dann  ebenso 
zurück;  der  Luminescenzfleck  beschreibt  dann  eine  Hysteresis- 
schleife. 

Die  Methode  gestattet  also  auch  eine  sehr  einfache  Auf- 
nahme von  Hysteresiscurven.  Es  würde  sich  nur  empfehlen, 
wenn  die  Methode  ausschliesslich  dafür  verwandt  werden  sollte, 
den  Apparat  Fig.  5  durch  einen  für  diesen  Zweck  günstiger 
construirten  zu  ersetzen. 


Die  angeführten  Beispiele  genügen  wohl,  um  die  Brauch- 
barkeit der  Methode  für  die  verschiedensten  Zwecke  zu  er- 
läutern. Nur  eines  möchte  ich  noch  hinzufügen.  Schon  bei 
verhältnissmässig  geringen  Tourenzahlen  ist  das  Bild,  welches 
sich,  besonders  wenn  man  sich  etwas  von  der  Kathodenstrahlen- 
röhre  entfernt,  dem  Auge  darbietet,  die  Stromcurve,  welche  als 
hellleuchtende f  scharf  begrenzte  und  unbewegliche  Linie  von  dem 
dunkeln  Hintergrunde  sich  abhebt.  Die  beschriebene  Methode 
ist  damit  in  hervorragender  Weise  geeignet  zur  Demonstration 
der  meisten  Erscheinungen,  welche  für  die  Erzeugung  und 
Wirkung  variabler  Ströme  in  Betracht  kommen. 

Für  die  Anregung  zu  der  Arbeit  bin  ich  Hrn.  Prof.  Dr. 
F.  Braun  zu  grossem  Danke  verpflichtet. 

Strassburg  i.  E.,  Physikalisches  Institut. 

(Eingegangen  26.  September  1899.) 


12.  Ennlttelung  der  Oberschwingung  eines  lyreh- 

Stromes;  von  J.  Zenneck. 


Je  mehr  die  Intensitätscurve  eines  Drehstromes  von  der 
Sinusform  abweicht,  um  so  grösseres,  praktisches  und  theo- 
retisches, Interesse  besitzen  die  Fragen: 

1.  Welches  ist  die  hauptsächlich  zur  Geltung  kommende 
Oberschwingung  ? 

2.    Wie   gross   ist   ihre    Amplitude    im    Verhältniss  zur 
Grundschwingung  ? 

Die  Beantwortung  dieser  Fragen  ist  selbst  dann,  wenn 
man  die  Stromcurve  kennt,  ohne  besondere  Hülfsmittel  zum 
mindesten  umständlich.  Sie  wird  sehr  einfach  bei  Benutzung 
der  folgenden  Anordnung. 

Der   Drehstrom    soll    als    Vierphaseustrom    angenommen 

werden.     Man   schickt   dann   eine  Phase   desselben   durch  ein 

/  Paar  von  Spulen  mit  gemeinsamer  Axe,  ebensc» 

B  eine  zweite,  um  90^  dagegen  verscTiobene  Phase 

,/-1<, gleicher   Amplitude   durch   ein   eben   solches 

jr(iiiinn](-i^ciiiiiinjr    °  ^  i      ui.        j 

'—^  Spulenpaar,    dessen   Axe   senkrecht   zu  der- 

B  jenigen  des  ersten  Spulenpaares  steht  (Fig.  1) 

*  In  den  Schnittpunkt  der  beiden  Spulenaxeu 

Fig.  1.  bringt  man  eine  Braun 'sehe  Röhre  mit  der 

Axe  senkrecht  zur  Ebene  der  beiden  Spulenaxen. 

Ist  die  n^^  Oberschwingung  die  hauptsächlich  in  Betracht 
kommende,  so  lässt  sich  die  Intensität  ii  bez.  in  des  Stromes 
in  den  Spulen  I  und  II  ausdrücken  durch  die  Gleichungen 

I  ix  ^  A%\x\  vt  +  B  ^mnvt , 

(1)  r.  ' 

I  in  =  Ä  cos  vt  +  B  cos  nvty 

in  welchen  t  die  Zeit,  die  übrigen  Grössen  Constante  be- 
zeichnen. Da  die  Ablenkung  des  Luminescenzfleckes  auf  dem 
Schirm  der  Braun 'sehen  Röhre   der   Intensität  des  Stromes 


Oberschicingung  eines  Drehstromes,  855 

in  den  Spulen  proportional  ist*),  so  bekommt  der  Fleck  ße- 
wegungscomponenten  in  der  x-  und  y-Richt;iting  (Fig.  1)  von 
der  Form: 

(   o:  =  a  sin  y  /  +  Z»  sin  ?i  V  / , 
(2)«)  \ 

I   y  =  a  cos  vi  '\-  b  cos  nvt , 

Für  die  Curve,  welche  der  Fleck  beschreibt,  gilt: 

(3)  jr*  +  y2  =  a2  +  Ä2  +  2a*cos(7i-  \)vi 

oder,  wenn  die  Amplitude  h  der  Oberschwingung  gegenüber 
derjenigen  der  Grundschwingung  a  als  klein  betrachtet  werden 
darf,  was  wohl  thatsächlich  stets  zulässig  ist: 

(4)  r    /^x^^y^^a'\-hQ!Q%{n-~'\)vt. 

Da  ausserdem 

(5)  </      arctg       =  approx.  v  t 
und 

80  lässt  sich  Gleichung  (4)  folgendermaassen  interpretiren.  Ist 
die  n^  Oberschwingung  die  ausschliesslich  oder  hauptsächlich 
zur  Geltung  kommende,  so  kann  man  sich  die  Curve,  welche 
der  Luminescenzfleck  beschreibt,  entstanden  denken  dadurch, 
dass  auf  einer  Kreisperipherie  als  Abscisse  n  —  1  Perioden 
einer  Sinuslinie  aufgetragen  wurden,  deren  Amplitude  (b)  zum 
Radius  des  Kreises  (a)  sich  verhält  wie  die  Amplitude  der 
Oberschwingung  {B)  zu  derjenigen  der  Grundschwingung  {Ä). 
Ist  z.  B.  die  fünfte  Oberschwingung  vorhanden  und  ist  ihre 
Amplitude  ^s  derjenigen  der  Grundschwingung,  so  muss  die 
Curve,  welche  man  erhält,  die  in  Fig.  2  ausgezogene  sein. 


1)  Vgl.  p.  847. 

2)  Liegt  nicht  Vier-,  sondern  Dreiphasenfitrom  vor,  dessen  drei 
Phasen  man  durch  drei  um  je  120^  gegeneinander  geneigte  Spulen 
schickt,  so  gelangt  man  für  die  x-  und  y-Componenten  des  entstehenden 
Drehfeldes  ebenfalls  auf  die  Gleichungen  (2).  £a  ist  also  fQr  das  Folgeode 
gleichgültig,  ob  man  es  mit  Vier-  oder  Dreiphasenstrom  xu  thun  hat 


856  J.  Zermeck. 

Bekommt  man   umgekehrt  durch  die  oben  bescfariebeoe 
Anordnung   die  /^urve  (Fig.  2),  so  können   mit  Hülfe    dieser 
Curve    die    anfangs    aufgestellte» 
Fragen    nnmittelbar    beantwortet 
werden : 

1.  Die  Anzahl  der  Ausbuch- 
tungen A^  bis  A^  =  4  =  (n—  1)  zeigt, 
dass  die  in  Betracht  kommende 
Oberschwingung  die  um  eins  höhere 
fünfte  ist. 

2.  Das  Verhältniss  der  Am- 
plitude der  Obeiflchwingung  zu 
derjenigen  der  Grundschwingung 
erhält  man,  indem  man  den  Radiu»- 

vector  an   der  Stelle  der  stürksten  Einbuchtung  (B)  auf  OJ, 
allträgt,  gleich  0  C,  und  A^C  in  ß  halbirt.     Es  ist  dann 
OD^a,     CD=  DA^  =i. 

Ks   verhält   sich   also   die  Amplitude  der  Oberschwingung  zu 

derjenigen  der  Grundscliwingung  wie  CD:  OD  oder  wie  i:6- 

Wendet  man  das  Torgaschlagene  Verfahren  auf  die  hier 

im  Institut  befindliche  Drehstrommaschine')  an,  deren  Strom- 


Fig.  2. 


Fig.  3. 

curve  diejenige  von  Fig.  3^  ist,  so  erhält  man  die  Fig.  4. 
Die  Anzahl  der  Ausbuchtungen  (gleich  8)  zeigt,  dass  die  zu 
Geltung  kommende  Oberschwingung  die  neunte  ist,  und  «iie 
Ausmessung  in  der  eben  angegebenen  Weise  ergiebt  als  Ver- 


1)  QleichBtromdynaino   auch  i 
gerichtef. 

2)  Photo^raphJBi'he  Aufnahm 
Methode. 


r  Abgabe  von 
iJHch  tlür   p.  : 


Oherschwingung  eines  Drehstromes,  857 

hältniss  ihrer  Amplitude  zu  derjenigen  der  Grundschwingung 
im  Mittel  ungefähr  1:86.  Der  Wechselstrom  lässt  sich  also 
darstellen  durch  die  Gleichung 

i  =  A  (sin vt  ^        sin  9  v t). 

OD 


Das  bisherige  beruhte  auf  der  Voraussetzung,  dass  nur 
eine  Oberschwingung  vorhanden  sei,  oder  wenigstens  die  Am- 
plitude einer  Oberschwingung  diejenigen  aller  anderen  weit 
überrage.  Sind  die  Amplituden  mehrerer  Oberschwingungen 
ungefähr  von  derselben  Grössenordnung,  so  treten  an  Stelle 
der  Gleichungen  (1)  und  (4)  die  folgenden: 

(1  a)  i  =  //  sini'  ^  +  ^^^  sin  n «/  ^, 

n 

(4a)  r=^a-\-^^b^.  cos  [n—Vjv  t, 

n 

Die  Curve  also,  welche  in  diesem  Falle  auf  dem  Kreis  vom 
Radius  a  aufgezeichnet  erscheint ,  unterscheidet  sich  von  der 
Stromcurve  (la)  dadurch,  dass  die  Grundschwingung  ausge- 
schaltet und  die  Ordnung  jeder  Oberschwingung  um  eins  er- 
niedrigt ist.  Die  angegebene  Methode  liefert  dann  nicht  ohne 
weiteres  die  Oberschwingungen  selbst,  bleibt  aber  auch  in 
diesem  Falle  ein  sehr  empfindliches  Beagenz  auf  das  Vorhanden- 
sein  von  Oberschwingungen. 

Strassburg  i.  E.,  Physikalisches  Institut. 

(EiDgegaDgen  26.  September  18)^9.) 


13«  Die  Transformation  ei/nea  Wechselstromes  auf 

doppelte   Wechselzahl  mit  Hülfe  eines   ruhenden 

Transformators;  von  J.  Zenneck. 


Für  eine  Reihe  von  Versuchen  liegt  das  Bedürfniss  nach 
einem  Wechselstrom  von  hoher  Wechselzahl  vor,  der  gleich- 
zeitig verhältnissmässig  constante  Amplitude  und  beträchtliche 
Energie  besitzen  sollte.  Dieses  Bedürfniss  ist  in  einfacher 
Weise  durchaus  nicht  zu  befriedigen ,  sobald  die  gewünschte 
Wechselzahl  diejenige  der  praktisch  gebrauchten  Wechsel-  und 
Drehstromgeneratoren  übersteigt. 

Steht  indess  schon  ein  Wechsel-  oder  Drehstrom  zur  Ver- 
f&gungy  so  giebt  es  ein  sehr  einfaches  Verfahren,  um  denselben 


Fig.  1. 

und  zwar  mit  Hülfe  eines  ruhenden  Transformators  auf  doppdto 
Wechselzahl  zu  transformiren. 

Die  Anordnung  ist  wohl  aus  Fig.  ]  ohne  weiteres  ?er- 
ständlich.  Der  zu  transformirende  Wechselstrom  wird  verzweigt 
Iti  jeden  Zweig  ist  eine  Graetz'sche  Kohle- Alaun- Aluminium- 
zelle  eingeschaltet  und  zwar  in  den  einen  Zweig  mit  der 
Richtung  C-Al^  in  den  anderen  mit  der  Richtung  Al-C.  Jeder 
der  Zweige  setzt  sich  in  eine  Wickelung  eines  Transformators 
(I  und  n  Fig.  1)  fort.  Aus  einer  dritten  Wickelung  (III  Fig.  I) 
desselben  Transformators  kann  dann  der  auf  doppelte  Wechsel- 
zahl transformirte  Wechselstrom  abgenommen  werden. 

Bei  der  Erklärung  der  Wirkungsweise  dieser  Anordnung 
soll  der  Einfachheit  wegen  angenommen  werden,  dass  der 
verwandte  Wechselstrom  genau  sinusförmig  ist.  dass  die  Kohle- 
Aluminiumzelle  den  Strom  nur  in  einer  Richtung  durchlässt 


Tramformation  eines  H'echtelttromet  auf  doppelte  H^eduelzaht.    859 

und  zwar  ohne  im  Übrigen  die  Stromcarve  zu  venindeni,  und 
dasa  der  Transformator  hysteresisfrei  ist. 

Dann  iBt  die  durch  den  Zweig  I  allein  in  dem  Trans- 
formator erzeugte  Indnction  während  einer  vollen  Periode  des 
ursprünglichen  Wechselstromes  von  der  Form  der  Fig.  2,  während 
Fig.  3  dasselbe  darstellt  f(ir  den  Fall,  dass  die  Induction  nur 


Fig.  *.  Fig.  5. 

durch  deu  Zweig  II  hervorgerufen  wird.  Sind  beide  Zweige 
gleichzeitig  wirksam,  so  ist  die  Induction  im  Transformator 
von  der  Form  der  Fig.  4,  d.  h.  sie  besitzt  während  einer 
Periode    des    ursprünglichen    Wechselstromes    zwei    Maxima. 


Dasselbe  gilt  dann  fUr  die  in  der  Wickelung  III  induclrte 
elektromotorische  Kraft,  deren  Curve  unter  den  gemachten 
Annahmen  diejenige  von  Fig.  5  ist.  Das  Resultat  ist  also  in 
Wickelung  III  ein  —  allerdings  nicht  sinusförmiger  —  Wechsel- 
strom doppelter  Wechselzahl. 

Wenn  die  gemachten  Voraussetzungen  nicht  genau  zu- 
treffen, so  tritt  an  Stelle  der  Fig.  5  eine  andere  Curve,  am 
Wesen  der  Sache  wird  aber  nichts  geändert.    Ich  erhielt  z,  B. 


860     /.  Zenneck,     Transformation  eines   H^'eckselstromes  etc, 

mit  einem  Wechselstrom,  dessen  Stromcurve  in  Fig.  6^),  ab- 
gebildet ist,  einen  solchen  doppelter  Wechselzahl  von  der 
Form  der  Fig.  7. 

Der  IVirkungsgrad  der  ganzen  Anordnung  war  bei  meinen 
Versuchen  ein  wenig  günstiger.  Da  es  mir  nur  darauf  an- 
kam, zu  zeigen,  dass  man  in  der  angegebenen  Weise  that- 
sächlich  einen  Wechselstrom  doppelter  Wechselzahl  erhält,  so 
war  auf  besonders  günstigen  Bau  des  Transformators  kein 
Werth  gelegt  worden.  Ausserdem  Hessen  die  für  den  Versuch 
frisch  zusammengesetzten  C-Al- Zellen  verhältnissmässig  viel 
Strom  auch  in  der  Richtung  C-Al  durch,  was  den  Wirkungs- 
grad sehr  beeinträchtigt;  überdies  deformirten  sie  auch  noch 
die  Stromcurve  in  sehr  ungünstiger  Weise  —  die  Stromcune 
hatte,  wenn  die  Zelle  eingeschaltet  war,  die  Gestalt  Fig.  8  — . 
Da  unter  günstigen  Bedingungen  die  Ventilwirkung  der  C-AI- 
Zellen  eine  fast  vollkommene  ist  und  eine  nur  unerhebliche 
Deformation  der  Stromcurve  durch  dieselben  eintritt,  so  darf, 
wenn  man  ausserdem  einen  besser  gebauten  Transformator 
verwendet,  erwartet  werden,  dass  ein  viel  besserer  Wirkungs- 
grad und  ein  mehr  sinusförmiger  Wechselstrom  doppelter  Wechsel- 
zahl erreicht  werden  kann. 

Strassburg  i.  £.,  Physikal.  Institut. 

1)  Photographirt  nach  der  p.  838  ff.  angegebenen  Methode. 
(Eingegangen  26.  September  1899.) 


14.  Photographische  Darstellung  von  Strom-  und 

Spannung scurven  mittels  der  Braun^ sehen  Röhre; 

von  A.  Wehnelt  und  B.  Donath. 


Wir  beschreiben  nachfolgend  eine  Versuchsanordnung, 
welche  es  gestattet,  die  im  rotirenden  Spiegel  beobachteten 
Curven  des  Luminescenzfleckes  der  Braun'schen  Röhre^) 
photographisch  zu  fixiren  und  gleichzeitig  die  Möglichkeit  bietet, 
die  erhaltenen  Curvenbilder  quantitativ  auszuwerthen.  Diese 
Augwerthung  ist  bei  Rohren  in  der  gangbaren  Form  stets 
möglich,  da  die  Ablenkung  a  des  Lichtfleckes  für  die  durch  die 
Grösse  des  Luminescenzschirmes  gegebenen  kleinen  Ablenkungs- 
winkel praktisch  vollkommen  proportional  der  Intensität  i  des  die 
Indicatorspule  durchfliessenden  Stromes  ist.  Hierfür  möge  eine 
beliebig  herausgegriffene  Messuugsreihe  veranschaulichend  sein. 


• 

t 

1,5 

2,0 

2,5 

3,0 

3,5 

4,0 

n 

1,1 

1,5 

1,9 

2,3 

2,7 

3,1 

Au80chlag  pro  Amp.  in  cm 

0,74 

0,75 

0,76 

0,76 

0,77 

0,77 

Die  Röhre  muss  vor  jeder  neuen  Messungsreihe  von  neuem 
geaicht  werden,  da  man  den  Luftdruck  in  derselben  und  als 
Function  desselben  das  Entladungspotential,  sowie  auch  letzteres 
an  und  für  sich,  nicht  als  constant  betrachten  kann  und 
die  magnetische  Ablenkbarkeit  abhängig  vom  Entladungs- 
potential ist. 

Wenn  bisher  mit  der  photographischen  Fixirung  der 
Curvenbilder  unseres  Wissens  keine  befiiedigenden  Resultate 
erreicht  zu  sein  scheinen,  so  ist  man  wohl  an  dem  Versuch 
gescheitert,  das  sehr  lichtschwache  Bild  im  rotirenden  Spiegel 
zu  photographiren.  Wir  umgingen  daher  den  Gebrauch  des- 
selben ganz. 


1)  F.  Braun,  Wied.  Ann.  60.  p.  553—555.  1897. 


A.  tfehnelt  u.  B.  Donath. 


VenuotiHano  rdnunE- 
Dem  photographischen  Apparat  A  (Fig.  I)  gegenüber  niiJ 
etwa  soweit  tod  ihm  entfernt,  dass  die  Büdgrösse  ^/,  des  Object«8 
wird,  ist  die  Braun'acbe  Bohre  R  aufgestellt.  Der  Winkel 
zwischen  der  optischen  Äxe  des  Objectives  und  der  R5hrenaze 
wird  so  klein  gewählt,  als  es  die  bilderverzerrende  Slaswand 
der  Röhre  znlässt.    Unmittelbar  unter  der  ß5hre,  in  derselben 


VerticalebeDe  mit  dem  Lichtpunkt  auf  der  lumiDescirendeii 
Scheibe  und  normal  zur  optischen  Axe,  schwingt  vertical  eine 
kleine  Aluminiumblende  B.  Sie  ist  in  ihrer  Mitte  mit  einem 
Loch  von  etwa  0,3  mm  Durchmesser  versehen  und  au  der 
elektromagnetischen  Stimmgabel  C  befestigt  Letztere  macht 
100  Schwingungen  in  der  Secunde.  Sy  ist  ein  System  von 
10  cm  grossen  Beleuchtungslinsen,  welches  das  Licht  einer  sehr 
hellen  Lenchtquelle  L  so  auf  die  Blende  B  wirft,  dass  sich  bei 
Nichtvorhandensein  der  letzteren  das  convergirende  Strahlen- 
bUndel  in  Objectiv  0  schneiden  würde.    Wird  die  ßOhre  erregt. 


Strom"  und  Spannung scurven.  863 

80  erscheint  auf  der  Mattscheibe  der  blaue  Fleck  vom  Lu- 
minescenzschirm  und  darüber  der  leuchtende  Punkt  der  Stimm- 
gabelblende. Beim  Schwingen  der  Blende  und  Arbeiten  der 
Röhre  verzerren  sich  beide  Bilder  zu  Streifen,  welche  so  justirt 
wurden,  dass  sie  in  derselben  Verticalebene  liegen.  S  ist  eine 
die  Ablenkung  des  Kathodenstrahlenbündels  bewirkende  Draht- 
spule. Die  Zuleitungen  a^  a^  sind  mit  den  Polen  einer  vier- 
plattigen  Influenzmaschine,  b^  b^  mit  dem  jeweilig  auf  seine 
Beschaffenheit  zu  untersuchenden  Stromkreise  verbunden. 

Aus  den  bereits  dargelegten  Gründen  wurde  auf  eine  Aus- 
einanderlegung  des  Lichtstreifens  durch  rotirende  Spiegel  ver- 
zichtet. Um  das  Bild  zu  verschieben  und  dabei  eine  in  allen 
Theilen  gleich  scharfe  Aufnahme  zu  erhalten,  wurde  statt  dessen 
eine  Schlittenvorrichtung  V  für  die  photographische  Platte  an- 
geordnet. Sie  besteht  in  einem,  oben  und  unten  mit  Laufnuthen 
versehenen  Brett  von  etwa  dreifacher  Eassettenlänge.  In  einem 
schmalen  Schlitz  Sp  desselben  bewegen  sich  die  Lichtpunkte 
auf  und  ab.  Diese  Verengerung  der  hinteren  Cameraöffnung 
ist  zwar  nicht  unbedingt  nöthig,  aber  zweckmässig,  da  sie  die 
aufgezogene,  sich  anfangs  seitlich  rechts  von  dem  Schlitz  be- 
findliche Kassette  K  vor  Nebenlicht  schützt. 

Eine  Bewegung  der  Kassette  von  Hand  ist  gleichmässig 
genug,  da  die  gleichzeitig  zur  Darstellung  gelangende  Stimm- 
gabelcurve  eine  Controle  und  Bewerthung  nach  der  Zeit  für 
jedes  Curvenelement  gestattet. 

Es  ist  jedoch  durchaus  erforderlich,  dass  die  Influenz- 
maschine in  sehr  gutem  Zustande  ist  und  sehr  schnell  umläuft, 
um  bei  grossen  Kassettengeschwindigkeiten  noch  einigermaassen 
zusammenhängende  Curvenbilder  zu  liefern.  Auch  so  reicht 
das  Licht  des  Luminescenzfleckes,  wennschon  seiner  blauen 
Farbe  wegen  ziemlich  aktinisch,  bei  rapidem  Anstieg  oder 
Abfall  der  Curve  kaum  aus,  um  auf  der  Platte  eine  Spur  zu 
hinterlassen.  Bedingung  für  das  Gelingen  ist  daher  femer  ein 
lichtstarkes  Objectiv  und  eine  hochempfindliche  Trockenplatte. 
Wir  verwendeten  einen  Portraitkopf  von  ^/3,  welcher  für  die 
von  uns  untersuchten  Curven  eben  ausreichte.  Die  Aufnahmen 
wurden  auf  Schleussner-Momentplatten  gemacht  und  mit 
Rodinal  kräftig  entwickelt. 

Für   die   Stimmgabelcurve    kann    bei    der   in   der  Fig.  1 


864  A.  IVehneÜ  u.  B.  Donath. 

skizzirten  Aufs tellungs weise  Gasglühlicht  allenfalls  ausreichen; 
die  in  der  Figur  reproducirten  Curven  wurden  jedoch  mit 
Bogenlicht  erhalten. 

Soll  statt  der  Stromcurve  die  Spannungscurve  erscheinen, 
so  kann  man  die  Ablenkung  der  Kathodenstrahlen  nach  dem 
Vorgange  von  H.  Ebert^)  durch  Condensatorladung  erreichen. 
Doch  eignet  sich  diese  Methode  nur  f&r  relativ  hohe  Spannungen 
und  wird  mit  einer  für  praktische  Zwecke  genügenden  Ge- 
nauigkeit besser  durch  die  Ablenkung  einer  Spule  von  hohem 
Widerstände  ersetzt. 

Stehen  zwei  Influenzmaschinen  zur  Verfugung  ^  so  kann 
man  Strom-  und  Spannungscurve  auch  gleichzeitig  auf  der- 
selben Platte  fixiren  und  hierbei  die  durch  Vorhandensein 
von  Selbstinduction  oder  Capacität  im  Stromkreise  hervor- 
gerufenen Phasenverschiebungen,  desgleichen  die  Erscheinungen 
bei  der  Transformation  von  Wechselströmen  etc.  untersuchen. 
Die  Stimmgabelvorrichtung  fällt  dann  fort  und  an  ihre  Stelle 
tritt  eine  zweite  Braun 'sehe  Röhre,  deren  Kathodenstrahlen 
ihre  Ablenkung  durch  Condensator  oder  eine  Drahtspule  von 
hohem  Widerstand  erfahren.  Die  Luminescenzschirme  beider 
Röhren  bilden  dann  etwa  einen  rechten  Winkel  und  sind  vom 
Objectiv  gleich  weit  entfernt,  sodass  beide  Lichtstreifen  auf 
der  Mattscheibe  gleich  scharf  erscheinen.  Soll  die  Phasen- 
verschiebung genau  bestimmt  sein,  so  ist  darauf  zu  achten, 
dass  die  Lichtstreifen  genau  in  derselben  Verticalebene  liegen. 
Die  Platte  liefert  dann  beide  Curven  untereinander  und  zwar 
so,  dass  die  senkrecht  zur  Nulllinie  geschnittenen  Curvenelemente 
denselben  Zeittheilchen  angehören. 

Sollen  beide  Curven  nicht  untereinander,  sondern  —  was 
jedenfalls  instructiver  ist  —  ineinander  verschränkt  erscheinen^ 
so  lässt  sich  dies  auf  zweierlei  Weise  erreichen,  entweder  nämlich 
durch  Superposition  zweier  Abzüge  oder  durch  zwei  Objectife. 
Das  erstere  der  beiden  Verfahren,  nach  dem  auch  die  Curve 
(Fig.  10  der  Tafel,  p.  866)  hergestellt  ist,  setzt  voraus,  dass  von  der 
Originalplatte  zunächst  ein  Contactabzug  wiederum  auf  einer 
Platte  hergestellt  wird,  die  dann  die  Curven  weiss  auf  dunklem 
Grunde  zeigt.     Diese  Platte  dient  als  Matrice  für  eine  Copie 


1)  H.  Ebert,  Wied.  Ann.  64.  p.  240ff.  1898. 


Strom-  und  Spannung scurven,  865 

auf  sogenanutem  Abzieh-CoUodium-Papier,  dessen  Schicht  sich 
nach  Fixage,  Vergoldung  und  Äuswässerung  in  warmem  Wasser 
von  seiner  Papierfolie  ablösen  und  —  indem  man  die  letztere 
vorsichtig  unter  der  CoUodiumJiaut  hervorzieht  —  auf  einer  Glas- 
platte  befestigen  lässt.  Bei  einiger  Uebung  gelingt  es  leicht, 
Strom-  und  Spannungscurve  übereinander  zu  bringen,  nachdem 
dieselben  vorher  auf  der  Copie  voneinander  getrennt  sind. 
Die  richtige  Lage  wird  durch  Deckung  der  Nulllinien  und 
einer  vor  dem  Copiren  auf  der  Platte  zu  ihr  gezogenen  Nor- 
malen erreicht.  (Letztere  auf  der  Abbildung  sichtbar.)  Sind 
zwei  lichtstarke  Objective  vorhanden,  so  ist  die  zweite  Methode 
ihrer  Einfachheit  halber  vorzuziehen.  Die  von  den  beiden 
Röhren  herrührenden  Lichtstreifen  werden  durch  sie  auf  der 
Mattscheibe  zur  Deckung  gebracht  und  liefern  dann  auf  der 
bewegten  Platte  ohne  weiteres  die  ineinander  verschobenen 
Curven.  Das  Bild  auf  der  Mattscheibe  gestattet  dann  auch 
eine  directe  Betrachtung  im  rotirenden  Spiegel. 

Von  den  im  Laufe  der  Versuchsreihen  erhaltenen  Curven 
bilden  wir  auf  der  beigegebenen  Tafel,  Figg.  1 — 10,  p.  866 
einige  der  charakteristischsten  ab  und  geben  nachfolgend  für 
jede  derselben  eine  kurze  Erläuterung. 

Erläuterung  der  Tafel,  Figg.  1—10,  p.  866. 

Fig.  l .  Stromcurve  eines  Deprezunterbreckers,    Indicatorspule 
im  Stromkreise  eines  grösseren  Inductoriums.    Unregelmässiger 
Gang    des    Unterbrechers    bemerkbar    an    dör   verschiedenen 
Curvenhöhe.     In  einem  Falle  zickzackformiger  Anstieg  durch    \ 
schlechten    Contact.      Relativ   langes   Aussetzen   des   Stromes 
zwischen  Oeffnung  und  Schluss,  dargestellt  durch  die  zwischen 
den  einzelnen  Aufstiegen  horizontal  verlaufenden  Curvenstücke, 
welche   gleichzeitig   die  Nulllinie   des  Curvenbildes  darstellen.    , 
Während  dieser  Ruhepausen  findet  das  Ausschwingen  des  aus* 
Selbstinduction    und   Capacität    bestehenden   Systems   (die  in    ; 
der  Curve  auftretenden  Verwaschungen  am  Fusse  des  Abfalls) 
statt,  wie  sie  von  Hrn.  B.  Walser  nach  der  Betrachtung  im   . 
rotirenden  Spiegel  bereits  ge:5eichnet  wurden.*)  ; 


1)  B.  Walter,  Wied.  Ann.  62.  p.  312.  1897.  ^.    i^.  j 

Ann.  d.  Phyi.  o.  Chem.    N.  F.    69.  ^  55 


A.  Wehneü  u.  B.  DonaA. 
T»feL 


Strom-  und  Spannungscurven,  867 

Fig.  2.  Stromcurve  des  elektrolytUchen  Unterbrechers.  Auch 
die  photographische  Fixirung  der  Gurve  zeigt  im  wesentlichen 
den  bereits  früher  nach  der  directen  Betrachtung  im  rotiren- 
den  Spiegel  zeichnerisch  dargestellten  Verlauf,  nämlich  Maximal- 
amplitaden  von  gleicher  Höhe.^)  Der  Stromabfall  erfolgt  so 
rapide,  dass  er  auf  der  Reproduction  nicht  erscheint  (auf  der 
Originalplatte  war  er  schwach  vorhanden).  Stromabfall  und 
Anstieg  folgen  einander  unmittelbar,  wodurch  sich  auch  (als 
eine  der  Ursachen)  die  höhere  efifective  Stromstärke  gegenüber 
derjenigen  der  mechanischen  Unterbrecher  (z.  B.  Deprezunter- 
brecher)  bei  gleicher  Funkenlänge  (also  annähernd  gleicher 
Maximalamplitude  des  Primärstromes)  erklärt.  Bemerkens- 
werth  ist  das  ausserordentlich  regelmässige  Arbeiten  des 
Unterbrechers.*) 

Fig.  3.  Inductionsspule  mit  magnetisch  übersättigtem  Eisen-' 
kern  im  Stromkreise  des  elektrolytischen  Unterbrechers,  Zu  be- 
achten ist  der  Knick  im  Aufstieg,  welcher  den  Sättigungspunkt 
im  Eisenkern  bezeichnet.  Er  kommt  naturgemäss  auch  im 
Abfall  zur  Geltung. 

Fig.  4.  JSinfluss  von  Capacität  an  den  Klemmen  des  elektro» 
lytischen  Unterbrechers.^  Der  Abfall  der  Curve  reicht  bis 
anter  die  Nulllinie  (letztere  erhalten  durch  Vorbeiziehen  der 
photographischen  Platte  bei  Stromruhe). 

Fig.  5.  Selbstinduction  und  Capacität  an  den  Klemmen  des 
elektrolytischen  Unterbrechers,  *)  Der  Abfall  reicht  nicht  bis  zur 
Nulllinie  herab. 


1)  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  08.  p.  250.  1899. 

2)  Hr.  Jul.  West  (Elektrotechn.  Zeitßchr.  20.  p.  747— 750.  1899) 
spricht  dem  Unterbrecher  regelmässiges  Arbeiten  ab,  doch  ist  seine 
Versachsanordnnng  nicht  ein  wandsfrei,  da  er  die  Fankenfolge  an  der 
Secundärspule  eines  Indnctoriums  als  Rriterium  benutzt.  Nun  nnterliegt 
der  Widerstand  der  Fankenstrecke  darch  abfliegende  MetaUtfaeilchen, 
Wirbel  aafsteigender  warmer  Luft  und  das  durch  sie  bewirkte  fortwährende 
Ueberspringen  der  Fankenerscheinung  in  eine  mehr  liohtbogenartige  Bil- 
dung, dauernder  Veränderung.  Die  variable  Belastung  bewirkt  dann 
ihrerseits  eine  Aendernng  der  Selbstinduction  in  der  Primärspule  und 
damit  auch  eine  Aenderung  der  Unterbreohungsiahl.  Ein  Urtheil  über 
die  Regelmässigkeit  des  Ganges  lässt  sich  daher  bei  Anwesenheit  einer 
Punkenstrecke  nicht  gewinnen. 

3)  Vgl.  A.  Wehnelt,  Wied.  Ann.  68.  p.  255  u.  256.  1899. 

4)  1.  c. 

55*       • 


868 


A.  Wehnelt  u.  B.  Donath. 


Fig.  6.    Schwingungen    eines  Systems    bestehend    aus  Selbat- 
induction  und  Capacität.     An  den  Klemmen  des  Unterbrechers  U 

(Fig.  2)  liegen  in  Hintereinanderschaltung  die 

SelbstinductionsspuleZ  (mit  Eisenkern),  die 

Capacität  C  und  die  Ablenkung8-(Indicator)- 

/p\J  Spule  S  an  der  Braun'schen  Röbre.     Bei 

SX-J^  Stromöffnung   ladet   sich  der  Condensator 

infolge  der  an  den  Klemmen  des  elektro- 
lytischen Unterbrechers  auftretenden  hoben 
Spannung.  Unmittelbar  darauf  Wlt  die 
Unterbrecherflüssigkeit  wieder  zusammen 
und  giebt,  indem  sie  das  System  in  sich 
schliessty  demselben  Gelegenheit,  sich  oscil- 
latorisch  zu  entladen.  Das  Abklingen  dieser 
Schwingungen  zeigt  die  Curve.  Durch  die 
über  derselben  erscheinende  Stimmgabel- 
curve  ist  man  in  der  Lage,  bei  bekannter  Capacität  die  im 
System  vorhandene  Selbstinduction  nach  der  Formel 


Fig.  2. 


Z  = 


4n*C 


ZU  berechnen  (bez.  umgekehrt). 

Die  in  diesem  Falle  durchgeführte  Berechnung  ergab 
beispielsweise  bei  einem  Condensator  von  4  Mikrof.  den  Selbst- 
inductionscoefficienten  i/  =  0,125,  während  sich  derselbe  bei 
der  gleichen  Spule,  aber  ohne  Eisen,  nach  der  MäxwelTschen 
Methode  gemessen  zu  0,012  ergab.  Nimmt  man  mit  Ledeboer^) 
an,  dass  ein  Eisenkern  den  Selbstinductionscoefficienten  etwa 
um  das  Zehnfache  (der  Grössenordnung  nach)  erhöht,  so  würden 
sich  beide  Werthe  ih  guter  Uebereintimmung  befinden. 

Fig.  7.  Ifechselstromctirve,  Stromspender  ist  eine  Gleich- 
strommaschine von  der  durch  Schleifringe  Wechselstrom  ab- 
genommen wird.  Die  Curve  zeigt  einen  sehr  rein  sinoidalen 
Verlauf. 

Figg.  8  und  9.  Umformung  sinoidalen  Wechselstromes  in 
puLsir enden  Gleichstrom  mitteU  Graetz' scher  Zellen.^) 

Curve  8.  Zellen  in  Hintereinanderschaltung.  Die  eine 
Phase  des  Wechselstromes  ist  nahezu  vernichtet  bis  auf  einen 


1)  Vgl.  A.  Heydweiller,  Hülfsbuch  elektr.  Messungen  p.  183.  189t 

2)  L.  Graetz,  Wied.  Ann.  62.  p.  226.   1897. 


Strom-  und  Spannung scurven.  869 

kleinen  Rest,  welcher  einen  üeberschuss  der  Maximalspannung 
über  die  Polarisationsspannung  der  Zellen  darstellt.  Die 
horizontalen  Curvenstücke  liegen  ober-  und  unterhalb  der 
Nulllinie,  was  sich  ohne  weiteres  aus  der  Nachwirkung  des 
jeweiligen  Polarisationszustandes  der  Zellen  erklärt. 

CurveO,  Schaltung  der  Zellen  in  Form  einer  Wheatstone'- 
schen  Brücke.  Es  werden  beide  Phasen  dargestellt,  sodass 
der  Wechselstrom  die  Form  eines  pulsirenden  Gleichstromes 
annimmt.  Es  bleibt  zu  untersuchen,  warum  der  Abfall  steiler 
verläuft  als  der  Anstieg. 

Fig.  10.  Phasenverschiebung  zwischen  Strom  und  Spannung. 
Aufstellung  von  zwei  Braun'schen  Röhren  in  der  oben  be- 
schriebenen Weise,  die  eine  beeinflusst  durch  eine  Spule  in 
einem  Stromkreis  von  hoher  Selbstinduction  und  geringem 
Ohm 'sehen  Widerstände,  die  andere  durch  eine  Spule  von 
hohem  Widerstände.  Die  Spannungscurve  (in  der  Abbildung 
die  höhere)  hat,  da  sie  durch  Stromablenkung,  nicht  durch 
Condensatorablenkung  gewonnen  wurde,  allerdings  gegen  die 
wirkliche  Spannungscurve  eine  geringe  Phasen -Verschiebung; 
diese  wird  jedoch  sehr  gering  sein,  da  IV  gross  und  L  ent- 
sprechend klein  gewählt  wurde.  Ausser  der  Nulllinie  zeigt  die 
Abbildung  noch  zwei  durch  Gleichstromablenkung  erhaltene 
Aichungslinien ,  die  untere  der  Stromcurve,  die  obere  der 
Spannungscurve  zugehörig.  Da,  wie  in  der  Einleitung  aus- 
einandergesetzt, die  Ausschläge  proportional  der  Stromstärke 
sind,  so  lassen  sich  mit  ihrer  Hülfe  maximale,  effective  und 
mittlere  Stromstärken  berechnen.  Gemessen  wurde  beispiels- 
weise mit  Hitzdrahtinstrumenten: 

«^ffectiT  =    0,6  Amp., 

^effecÜT  =   16,0  Volt. 

Aus  der  Curve  ergab  sich  mit  Hülfe  der  Aichungsstriche 
die  Maximalamplitude  zu 

«^max  =    0,85  Amp., 
Amax  =  22,63  Volt, 
und  hieraus  berechnet 


870     A.  Wehnelt  u.  B.  Donath.     Strom-  und  Spannungscurven, 

^effecUT  =  0,707.      Jn^  =    0,599  Amp., 
^efltecüT  =  0,707.      .EL«  =  15,99    Volt, 

was  gut  mit  den  Werthen  der  Hitzdrahtinstramente  überein- 
stimmt. 

Beaultat. 

Die  Brau  nasche  Röhre  zeigt  sich  bei  photographiscber 
Fixirung  ihrer  Curvenbilder  auch  für  Zwecke  quantitativer 
Ausmessung  von  Strom-  und  Spannungscurveu  geeignet. 

Charlottenburg,  im  November  1899. 

(Eingegangen  7.  November  1899.) 


k 


Namenregister  zum  Jahrgang  1899. 


A. 

Abraham,  M.,  Phase  Uertz*8cher 
SchwioguDgeu  67,  834. 

Abt,  A.,  Magnetische  Eigenschaften 
des  Hämatits  68,  658. 

Angström,  K.,  Absolute  Bestim- 
mungen der  Wärmestrahlung  mit 
dem  elektrischen  Compensations- 
pyrheliometer,  nebst  einigen  Bei- 
spielen der  Anwendung  dieses  In- 
strumentes 67,  633. 

Appunn,  A.,  Bestimmung  der 
ochwinguu^zahlen  meiner  hohen 
Pfeifen  auf  optischem  Weee  67, 
217.  —  Warum  können  Difterenz- 
töne  nicht  mit  Sicherheit  zur  Be- 
stimmung hoher  Schwingunes- 
zahlen  angewandt  werden?  97, 
222. 

Arons,  L.,  Notiz  zum  Saitenunter- 
brecher  67,  682. 

Aschkiuass,  £.,  Wirkung  elek- 
trischer Schwingungen  auf  be- 
netzte Contacte  metallischer  Leiter 
67,  842. 

Aschkinass,  £.  u.  Rubens,  H., 
Isolirung  langwelliger  Wärme- 
Strahlen  durch  Quarzprismen  67, 
459. 

B. 

Beckenkamp,  J.,  Kinetische 
Theorie  der  Drehung  der  Polari- 
sationsebene 67,  474. 

Behrendsen,  0.,  Beiträge  zur 
Kenntniss  der  Bccquerelstrahlen 
69,  220. 

inender,  C,  Brechungsexponenten 
reinen  Wassers  und  normaler  Salz- 
lösungen 68,  843.  —  Brechungs- 
ex poneuten  reinen  Wassers  und 
normaler  Salzlösungen  (II.  Ab- 
handlunff)  69,  676. 

B c  rg,  0.,  Bedeutung  der  Kathoden- 
strahlen undCanalstrahlen  für  den 
Entladungsmechanismus  68,  688. 


Berkenbusch,  F.,  Zur  Messung 
von  Flammentemperaturen  durch 
Thermoelemente,  insbesondere 
über  die  Temperatur  der  Bunsen- 
flnmme  67,  649. 

Bock,  A.,  Blauer  Dampfstrahl  68, 
674. 

Bohr,  Gh.,  Definition  und  Methode 
zur  Bestimmung  der  Invasions- 
und Evasionscoefficienten  bei  der 
Auflösung  von  Gasen  in  Flüssig- 
keiten. Werthe  der  genannten 
Constanten  sowie  der  Absorptions- 
coefficienten  der  Kohlensäure  bei 
Auflösung  in  W^aaser  und  in 
Chlomatriumlösungen  68,  500. 

Boltzmanu,  L.  u.  Mache,  H., 
Modification  der  von  der  Waals*- 
schen  Zustandsgieich uug  68,  850. 

Breitenbach,  P.,  Innere  Reibung 
der  Gase  und  deren  Aenderung 
mit  der  Temperatur  67,  803. 

Breithaupt,  G.,  Optisches  Ver- 
halten eingebrannter  Gold-  und 
Platinschichten  68,  46. 

C. 

Cantor,  M.,  Entladungsform  der 
Eiektricität  in  verdünnter  Luft  67, 
481.  —  Dampfdruck  coexistenter 
Phasen  67,  683. 

Christiansen,  C. ,  Ezpeiimental- 
untersuchungeu  über  den  Ur- 
sprung der  Berührungselektricität. 
(Vierte  Mittheilung)  69,  661. 

Coolidge,  W.  D.,  Neue  Methode 
zur  Demonstration  der  elektrischen 
Drahtwellen  67,  578.  —  Dielek- 
trische Untersuchungen  und  elek- 
trische Draht  wellen  69,  125. 

D. 

Day,  A.  u.  Uolborn,  L.,  Luft- 
thermometer bei  hohen  Tempera- 
turen 68,  817. 


872 


Namenregister, 


Dennhardt,  R.,  Beziehuogen 
zwischen  Fluidität  uod  elektro- 
lytischer Leit^higkeit  von  Salz- 
lösungen, sowie  über  die  Leit- 
fähigkeit von  Oelsäure  und  deren 
Alkalisalzen  in  Wasser  bez.  Alko- 
holen bei  verschiedenen  Tem- 
peraturen 67,  325. 

Dieterici,  C,  Dampfdrucke  ver- 
dftnnter  wässeriger  Lösungen  bei 
0<>C.  67,  859.  —  Kritischer  Zustand 
69,  685. 

Dietz,  ß.  u.  Dittenberger,  W., 
Elektrolytisches  Verhalten  des 
Platin-  und  Zinnchlorids  68,  853. 

Dittenberger,  W.  u.  Dietz,  R., 
Elektrolytisches  Verhalten  des 
Platin-  und  Zinnchlorids  68,  853. 

Donath,  B.u.Wehnelt,A.,  Photo- 
graphische Darstellung  von  Strom- 
und  Spannungscurven  mittels  der 
Braun^schen  Röhre  69,  861. 

Donle,  W.,  Versuche  zur  Ermit- 
telung der  Grössenordnung  der  in 
Radiometern  auftretenden  Drucke 

68,  306. 

Drude,  P.,  Elektrische  Dispersion 
67,  489. 

E. 

Ebert,  H.,  Die  in  Entladungs- 
rohren umgesetzten  Werthe  an 
elektrischer  Wechselstromenergie 
67,  608.  —  Entwickelungsgesetz 
desHittorfschenKathodendunkel- 
raumes  69,  200.  —  Glimmlicht- 
erscheinungen bei  hochfrequentem 
Wechselstrome  69,  372. 

Elster,  J.  u.  Geitel,  H.,  Weitere 
Versuche    an    Becquerelstrahlen 

69,  83.  —  Zweckmässige  Anord- 
nung des  Mac  Farlan  Moore'schen 
Vacuumvibrators  69,  483.  —  Ein- 
wirkung von  Becquerelstrahlen  auf 
elektrische  Funken  und  Büschel 
69,  673. 

Emden,  R.,  Ausströmungserschei- 
nungen permanenter  Gase.  An- 
fang 69,  264—289;  Schluss  69, 
426—458.  —  Luftwiderstand  flie- 
gender Geschosse  69,  454. 

Eschenhagen,  M.,  Werthe  der  erd- 
magnetischen Elemente  zu  Pots- 
dam  fdr  das  Jahr  1898  68,  917. 

Ewers,  P.,  Mechanik  der  Canal- 
und  Kathodenstrahlen  69,  167.! 


Fischer,  K.  T.,  Geringste  Dicke 
von  Flüsaigkeitshäutchen  68,  414. 

Pocke,  Th.  M.,  Thermische  Leit- 
fähigkeit verschiedener  Gläser  mit 
Rücksicht  auf  ihre  chemische  Zu- 
sammensetzung 67,  132. 

Fomm,  L.,  Eine  neue  Erscheinung 
bei  elektrischen  Entladimgen  in 
verdünnten  Gasen  68,  620.  — 
Elektrische  Abbildungen  69,  479. 

Forch,  C,  Oberflächenspannung 
wässeriger  Lösungen  68,  801. 

G. 

G  ei  gel,  R.,  Notiz  über  theil  weise 
Polarisation  natürlichen  Lichtes 
bei  vielmaliger  Totalreflexion  68, 
698. 

Geitel,  H.  u.  Elster,  J.,  Weitcrc 
Versuche  an  Becquerebtrahlen 
69,  83.  —  Zweckmässige  Anord- 
nung des  Mac  Farlan  Moore*schcn 
Vacuumvibratoro  69,  483.  —  Ein- 
wirkung von  Becquerelstrahlen  aof 
elektrische  Funken  und  Büschel 
69,  673. 

Giesel,  F.,  Einiges  über  das  Ver- 
halten des  radioactiven  Baryts 
und  über  Polonium  69,  91.  — 
Ablenkbarkeit  der  Becquerel- 
strahlen im  magnetischen  Felde 

69,  834. 
G  o  1  dh  a  m  m  e  r ,  D.  A.,  Zeeman*schc8 

Phänomen,  die  magnetische  Cir- 
cularpolarisation  und  die  magne- 
tische Doppelbrechung   67,  696. 

Goldstein,  E.,  Structur  des  Kt- 
thodenlichtes  und  die  Natur  der 
Lenard'schen  Strahlen  67,  84. 

Graden  witz,  A.,  Bestimmung  von 
Capillarconstanten  an  erstarrten 
Tropfen  67,  467. 

Grunmaoh,  L.,  Eiufluss  dc0 
Streckens  durch  Zugbelastung  taf 
die  Dichte  des  Materiales  67,  227. 

Grützmacher,  Fr.,  Thcrmome- 
trische  Correctionen  68,  769. 

H. 

de  Hagn,  E.,  Radioactive  Substanz 

68,  902. 
Haga,  H.  u.  W ind,  C.  H..  Beugung 

der  Röntgenstrahlen  68,  884. 


Namenregister, 


87» 


Hallwachs,  W.,  Doppeltrogre- 
fractometer  und  Untersuchungen 
mit  demselben  an  Losungen  von 
Bromcadmium,  Zucker,  Di-  und 
Trichloressigsfture ,  sowie  deren 
Kaliumsalzen  68,  1. 

Ha8obek,£.  u.  Mache,  H.,  Druck 
im  Funken  68,  740. 

Heinke,  C,  Messung  elektrischer 
Grössen  bei  periodisch  veränder- 
lichen Strömen  69,  612. 

Hempel,  W.,  Vergleichende  Be- 
stimmung der  Wärmeisolation  ver- 
schiedener Einrichtungen  68, 137. 

Hey  d  weiller,  A.,  Bewegte  Körper 
im  elektrischen  Felde  und  über 
die  elektrische  Leitfähigkeit  der 
atmosphärischen  Luft  69,  581. 

Hillers,  W.,  Einfluss  des  Gas- 
druckes auf  elektrische  Ströme, 
die  durch  Röntgenstrahlen  hervor- 
gerufen werden  68,  196. 

Himstedt,  F.,  Spitzenentladung 
bei  Hochfrequenzströmen  68,  294. 

V.  Hirsch,  R.,  Dichtebestimmungen 
von  gesättigten  Dämpfen  und 
Flüssigkeiten  69,  456.  —  Nach- 
trag 69,  837. 

Holborn,  L.  u.  Day,  A.,  Luft- 
thermometer bei  hohen  Tempera- 
turen 68,  817. 

J. 

Jäger,  G.,  Kinetische  Theorie  der 
Flüssigkeiten  67,  894.  —  Kine- 
tische Theorie  der  Flüssigkeiten 
68,  615.  —  Erwiderung  69,  720. 

Jäger,  G.  u.  Meyer,  St.,  Magne- 
tislrungszahl  des  Wassers  67,  427. 
—  Magnetisirungszahl  des  Wassers 
67,  707. 

J  au  mann,  G.,  Interferenz  der  Ka- 
thodenstrahlen (I.  Mittheilung) 
67,  741. 

K. 

Kahle,  K.,  Behandlung  des  Silber- 
voltameters  und  seine  Verwendung 
zur  Bestimmung  von  Normal- 
elemcnten  67,  1. 

Kaufmann,  W.,  Diffuse  Zer- 
streuung der  Kathodenstrahlen  in 
verschiedenen  Gasen  69,  95. 

Kette  1er,  E.,  Studien  zur  Total- 
reflexion und  Metallreflezion  67, 
879.  —  Pendel  in  Luft  als  Wellen- 


erreger und  als  Resonator  68,  74. 
—  Notiz,  betreffend  magneto- 
optische Erscheinungen  68,  125. 

Koch,  K.  R.,  Verbesserungen  am 
Normalbarometer  67.  485. 

Koenig,  R.,  Höchste  hörbare  und 
unhörbare  Töne  von  c^  =  409ft 
Schwingungen  [ut^  &=  8192 1^ «),  bis 
über  /••  (/a„),  zu  90000  Schwin- 
gungen (1800009«),  nebst  Be- 
merkungen über  die  Stosstöne 
ihrer  Intervalle,  und  die  durch 
sie  erzeugten  Kundt'schen  Staub- 
figuren.  Anfang  69,  626—660; 
Schluss  69,  721—738. 

Kohl  rausch,  F.,  Bemerkung  zu 
einer  Arbeit  von  Hrn.  E.  Riecke 
67,  630. 

König,  W.,  Methoden  zur  Unter- 
suchung langsamer  elektrischer 
Schwingungen  67,  535.  —  Dis- 
persionsmessungen am  Gyps  69, 1. 

Kösters,  W.,  Elektrische  I^dung^ 
elektrolytisch  frisch  hergestellter 
Gase  69,  12. 

Kurlbaum,  F.,  Aenderung  der 
Emission  und  Absorption  von 
Platinschwarz  und  Russ  mit  zu- 
nehmender Schichtdicke  67,  846. 

L. 

V.  Lang,  V.,  Transversale  Töne 
von  Kautschukfäden  68,  335.  — 
Longitudinale  Töne  von  Kaut- 
schukfäden 69,  804. 

Lech  er,  E. ,  Versuche  mit  dem 
Wehnelt-lnterruptor  68,  623.  — 
Experimenteller  und  theoretischer 
Trugschluss  in  der  Elektricitäts- 
lehre  69,  781. 

Lemke,  H.,  Theorie  der  Dämpfung 
von  Galvanometerschwingungen 
67,  828. 

Lewis,  P.,  Einfluss  kleiner  Bei- 
mengungen zu  einem  Gase  auf 
dessen  Spectrum  69,  398. 

Liebenow,  C,  Thermodynamik 
der  Thcrmoketten  68,  316. 

M. 

Mache,  H.  u.  Boltzmann,  L., 
Modification  der  van  der  Waals'- 
schen  Zustandsgleichung  68,  350. 

Mache,  H.  u.  Haschek,  £.,  Druck 
im  Funken  68,  740. 


i 


874 


jSamenregister. 


Mack,  K.)  Experimentelle  Unter- 
suchung  gewisser  Strömungs- 
gebilde  in  Flüssigkeiten  6S,  188. 
—  Nachweis  der  in  den  Glas- 
thränen  vorhandenen  inneren 
Spannungen  mit  Hülfe  des  pola- 
risirten  Lichtes;  ein  Vorlesungs- 
versuch  69,  801. 

Maier,  M.,  Beugungsversuche  und 
Wellenlängenbestimmung  der 
Röntgenstrahlen  68,  908. 

Mannesmann,  0.,  Luftwider- 
standsmessungen mit  einem  neuen 
Rotationsapparat  67,  105. 

Martienssen,  H.,  Methode  und  In- 
strument zur  Messung  sehr  kleiner 
Inductionscoefficienten  67,  95. 

Melde,  F.,  Verschiedene  Methoden 
der  Bestimmung  der  Schwingungs- 
zahlen sehr  hoher  Töne  67,  781. 

Meyer,  G.,  Tropfelektroden  67, 483. 

Meyer,  St.,  Magnetische  Eigen- 
schaften der  Elemente  68,  825.  — 
Magnetisirungszahlen  anorgani- 
scher Verbindungen  69,  236. 

Meyer,  St.  u.  Jäger,  G.,  Magne- 
tisirungszahl  des  Wassers  67,  427. 
~  Magnetisirungszahl  des  Wassers 
67,  707. 

Mie,  G.,  Mögliche  Aetherbewe- 
gungen  68,  129. 

Müller-Erzbach,  W.,  Neue  Ver- 
suche über  die  Wirkungsweite 
der  Molecularkräfte  67,  899. 

Keugschwender,  A.,  Neue  Me- 
thode, elektrische  Wellen  nach- 
zuweisen 67,  430.  —  Neue  Me- 
thode, elektrische  Wellen  nach- 
zuweisen (2.  Abhandlung)  68,  92. 

Neuroann,  E.,  Polarisationscapa- 
cität  umkehrbarer  Elektroden  67, 
500. 

0. 

Oberbeck,  A.,  Neue  Art  von  Vo- 
lumenometem  67,  209.  —  Span- 
nung an  dem  Pole  eines  Induc- 
tionsapparates  (Dritte  Mittheilung) 
67,  592. 

P. 

Patterson,  G.  W.,  Experimentelle 
und  theoretische  Untersuchung 
über  das  Selbstpotcntial  69,  34. 


Pfaundler,  L.,  Vermeidung  einer 
Fehlerquelle  in  der  Andrews'- 
schen  Methodezur  Bestimmung  der 
specifischen  Wärme  von  Flüssig- 
keiten 67,  439. 

Pockels,  A.,  Untersuchung  von 
Grenzflächenspannungen  mit  der 
Cohäsionswaage  67,  668. 

R. 

Richarz,  F.,  Bemerkungen  zur 
kinetischen  Theorie  mehratomiger 
Gase  und  über  das  Gesetz  von 
Dulong  und  Petit  67,  702.       • 

Riecke,  E.,  Arbeit,  welche  in 
grösseren  Funkenstrecken  einer 
Töplerschen  Influenzmaschine 
verbraucht  wird  68,  729.  —  In 
Radiometern  auftretender  Druck 
69,  119.  —  Vertheilung  von  freier 
Elektricität  an  der  Oberfläche 
einer  Orookes'schen  Röhre  69,  788. 

Rosonthal,H.,  Absorption,  Emis- 
sion und  Reflexion  von  Quarz, 
Glimmer  und  Glas  68,  783. 

Rubens,  H.,  Reststrahlen  desFluss- 
spathes  69,  576. 

Rubens,  H.  u.  Aschkinass,  £., 
Isolirung  langwelliger  Wärme- 
strahlen durch  Quarzprismen  67, 
459. 

S. 

Seh  au  fei  berger,  W.,  Polarisation 
und  Hysteresis  in  dielektriBchen 
Medien  67,  807. 

Schiller,  N.,  Bedeutung  des  osmo- 
tischen Druckes  in  der  Thermo- 
dynamik der  Lösungen  67,  291. 

Schmidt,  G.  C,  Photoelektrische 
Ströme  67,  563.  —  Nachtrag  zu 
meiner  Arbeit  über  „Polansirte 
Fluorescenz"  68,  779. 

S  c  h  0 1 1 ,  H.,  Veränderungen  von  Jod- 
silber  im  Licht  und  der  Daguerre'- 
sche  Process  68,  149. 

Schreber,  R.,  Maaase  der  elek- 
trischen Grössen  68,  607. 

Schulze,  F.  A.,  Bestimmung  der 
Seh wingungszahlen  Appunn  scher 
Pfeifen  für  höchste  Töne  auf 
optischem  und  akustischem  Wege 
68,  99.  —  Bestimmung  der  Schwin- 
gungszahlen sehr  hoher  Töne  6$, 
869. 


Namemregüter. 


Scott,  A.  M,,  Studien  über  Polui- 
satioDBcapBcit&t  67,  388. 

ScckeUoa,  E.,  Bestimmung  der 
DimftgTietiBirungscoiistante  (Siu- 
ceptibilitflt)  einiger  Metalle  67,  87. 

Simon,  H.  Th.,  WirkungageMti 
des  WebnelMInterbrechen  68, 
273.  —  Ein  neuer  FlttBiigkeits- 
onterbTecher  6S,  860. 

Simon,  S.,  Verhaltniw  der  elek- 
trischen Ladung  inr  Huae  der 
KatbodenstrahleD  6>,  &89. 

gkinner,  C.  A.,  AnodeneeAlle  bei 
der  GlimmeotladmiK  68,  752. 

Sommerfeld,  A.,  ror^flonzuiig 
elektrodTnamiscber  Weflen  Iftngi 
eines  Drabtes  67,  2SS. 

Stark,  J.,  PHeadoAllung  und 
Flockenbildung  68,   117.  —  Coa- 

falfttion  kolloidaler  LdBungeo 
8,  ei8.  —  Elektriicber  Strom 
cwiscben  gaivaniscb  glübender 
Kohle  und  einem  Heball  dnrcb 
verdünntes  Qtie  68,  9S1.  —  Ent^ 
tadnng  der  ElektricitAt  von  gal- 
vaniBL'h  glühender  Koble  in  rer- 
dQnutes  Oa«  68,  910.  —  Elek- 
triacber  Strom  durch  erhitztes 
verdünntes  Qaa  68,  942. 

Straubel,  R.,  Elatticititatahlen 
und  ElB«iicitStsmodnln  dee  Ulases 
«8,  S69. 

Stumpf,  C,  BesUmmung  hoher 
Scbwingnngaiahlen  durch  Dif- 
ferenztOne  66,  105. 

Snndorph,  Th.,  Uraache  xu  den 
VerftndeTOngen  derLeitungsftbig- 
keit  eines  Metallpulvers  68,  SB4. 

—  Uisache  der  Verflnderong  des 
LeitungsTennOgena  in  Bleianper* 
oiyd  6»,  319. 

T. 

Tarn  mann,  ü,,  Aenderung  der 
Schmelzwftime  wai  der  Schmelz- 
dmckcurve67,871.  —  Grenzen  des 
festen  Znatandet  IIL  Anfang  68, 
S53— 58S;  SebloM  68,  629— 6&7. 

—  Abh&i^igkeit  des  elektrischen 
LeitvermOgenaTom  Druck  60,767. 

Tbiesen,  H.,  Spannung  des  ge- 
sKttigtenWanerdampfM  bei  Tem- 
perataren unter  0*  67,  690. 

Toepler,U^  Verbalten  de*  BOMihel- 
lichtbogena  im  Uagnetfelde  69, 
6S0. 


V. 


Voigt,  W.,  Ueber  dt*  bei  der  so- 

Senanntan  totalen  Reflexion  in 
aa  zweite  Medium  eindringende 
Licht  67,  ie&.  —  Bemerkung  über 
die  Grfisae  der  Spannungen  und 
Deformationen,  bei  denen  Gleit- 
Bchichteu  im  Kalkspath  entstehen 
67,  201.  —  Theorie  der  magneto- 
optiscben  Erscheinungen  67,  345. 

—  Proportionalität  von  Emissions- 
nnd  AbsorptionavermOgen  67,  366. 

—  Beobachtungen  über  Festig- 
keit bei  homogener  Deformation, 
angestellt  von  L.  Januszkiewicx 
67,452.  —  ThermodTnamisches  EU 
den  Wechselbeziebungen  i wischen 
Galvaniimns  und  Wfirme  67,  717, 

—  Nochmals  die  gebrochene  Welle 
bei  der  sogenannten  totalen  Be* 
flezion    68,    135.    —    Kinetische 


maneffectes  68, 352.  —  Aenderung 
der  SchwingoDgsform  des  Lichtes 
beim  Portscbreiten  in  einem  dis- 

S ehrenden  oder  absorbirenden 
[ittel  66,  593.  —  Erkl&rung  der 
unter  gewissen  Umständen  ein- 
tretenden Verbreitenmg  und  Um* 
kehrung  der  Spectrailimen  68, 
604.  —  Bemerkung  über  die  b«i 
dem  Zeeman'schen  Phänomen 
stattfindenden  Inteuaitltsverbält- 
nisae  69,  290.  —  Theorie  der  Ein* 
Wirkung  eines  elekbrostatiscben 
Feldes  auf  die  optischen  Eigen- 
schaften der  KCrper  69,  397.  — 
Erwiderung  6»,  324.  —  Hm.  Liebe- 
noVe  tbermodynamiscbe  Theorie 
der  Thermoelektridtat  69,  706. 
Voller,  A.  u.  Walter,  B.,  Vor- 
gSnge  im  Wehnelt'scben  elektro- 
lytischen Unterbrecher  68,  526. 


rechten  Componente    der  Ober- 
fllcbenapannung  68,  496. 
Walter,  B.,  EntatehöngnreiM  des 
elektriseben  Punkena  (8.  Hitthm- 
Inng)  68, '776. 


876 


Namenregister. 


Walter,  B.  u.  Voller,  A.,  Vor- 
gänge im  Wehnelt'scheD  elektro- 
lytiBchen  Unterbrecher  68,   526. 

Wanner,  H.,  Notiz  über  die  Ver- 
breiterang der  />•  Linien  68,  148. 

Warburg,  E.,  Spitzenentladung 
(2.  Mittheilung)  67,  69.  —  Ver- 
halten sogenannter  unpolarisir- 
barer  Elektroden  gegen  Wechsel- 
strom 67,  498. 

Weber,  R.  H.,  Anwendung  der 
Dftmpfung  durch  Inductionsströme 
zur  Bestimmung  der  Leitfähig- 
keiten von  Legirungen  68,  705. 

W  e  h  n  e  1 1 ,  A.,  Kenntniss  der  Canal- 
strahlen  67,  421.  —  Elektrolj- 
tischer  Stromunterbrecher  68, 288. 
—  Kathodenstrahlen  68,  584. 

Wehnelt,  A.  u.  Donath,  B., 
Photographische  Darstellung  von 
Strom-  und  Spannungscuryen 
mittels  der  Brau  naschen  Röhre 
69,  861. 

W  e  s  e  n  d  o  n  c  k ,  R.,  Thermodynamik 
67, 444.  -  Thermodynamik  69, 809. 

Wetzstein,  G.,  Abweichungen  vom 
Poiseuille*schen  G^etz  68,  441. 

Wiechert,  E.,  Elxperimentelle  Un- 
tersuchungen über  die  Geschwin- 
digkeit und  die  magnetische  Ab- 
lenkbarkeit  der  Kathodenstrahlen 
69,  789. 

Wiedeburg,  O.,  Znstandsglei- 
chungen  und  Energiegleichungen 
69,  66. 

Wiedemann,  E.,  Dauer  gewisser 
Vorgänge  an  der  Kathode  67, 714. 

Wiener,  0.,  Beobachtung  von 
Streifen  beim  Entwickeln  belich- 
teter Daguerre*scher  Platten  mit 
keilförmiger  Jodsilberschicht  68, 
145.  —  Ursache  und  Beseitigung 


eines  Fehlers  bei  der  Lippmann'- 
schen    Farbenphotograpnie,    zu- 

fleich  ein  Beitrag  za  ihrer  Theorie 
9,  488. 

Wind,  C.  H.,  Deutung  der  Bea- 
gungserscheinungen  bei  Röntgen- 
8tn£len  68,  896.  —  Deutung 
der  Beugungserscheinangen  bei 
Röntgenstraluen  (  Berichtigung ) 
69,  827. 

Wind,  C.  H.  u.  Haga,  H.,  Beu- 
gung der  Röntgenstrahlen  68,  884. 

Winkelmann,  A.,  Wftrmeleituiig 
verschieden  znnamfnengeeetrter 
Gläser  67,  160.  —  Bemerkuneea 
zu  der  Arbeit  des  Hm.  Fodie: 
,,Ueber  die  thermische  Leitflhig- 
keit  verschiedener  Gläser  mit 
Rücksicht  auf  ihre  chemische  Zu- 
sammensetzung'' 67,  794. 

Wolff,  W.,  Bei  Elxploeionen  in  der 
Luft  eingeleitete  Vorgänge  69, 
829. 

Z. 

Zenneck,  J.,  Freie  Schwingungen 
nur  annfthemd  vollkommener 
kreisförmiger  Platten  67,  165.  — 
Genaue  Controle  der  Wechsekahi 
eines  Wechselstromes  68,  865.  ~ 
Methode  zur  Demonstration  und 
Photographie  von  Stromcorven 
69,  888.  —  Ermittehing  der  Ober- 
schwingung eines  Drehstromes 
69,  854.  —  Transformation  einet 
Wechselstromes  auf  doppelte 
Wechselzahl  mit  Hülfe  eines 
ruhenden  Transformators  69,  858. 

Ziegler,  W.,  Bemerkung  xur  Ab- 
himdlung  des  Hm.  H.  'Thu  Simon: 
„Ueber  einen  neuen  Flüsaigkeits- 
Unterbrecher''  69,  718. 


Berichtigung. 

In  der  Abhandlung  von  Albert  Neugschwender  Bmnd  68,  p.  92 
muss  es  am  Anfange  heissen: 

„.  .  .  ergab  sich  mir  folgendes''  statt  „nur". 


Druck  roD  Metsger  St  Wittig  in  LeipUg. 


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Annaltn  tl.  Phy.  ».  Chem.  N.  F.  IM.  (19. 


Till 

Fig.  12.  Fig.  18.  Ftg.  U.  Fi(E.  l&. 


IB. 


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Tnf.  VI. 


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