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Full text of "Ansichten über die keltischen Alterthümer, die Kelten überhaupt und besonders in Teutschland ..."

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• • • 



I29714T 



jV 



1 



» 



^ 



Ansichten 



[keltischen AltertMmeiv 



Kelten überhaupt 

und liüsoüders in Teutschland, 



den beltlsdien Ursprung der Stadt Hall«. , 



Chr. Keferstei'D. 



l>ritt.er Bnfnd. 



itä 



Erste Abtheiliiiig: Des lac.itas Gcrmalnia. 



Halle, 

S In CowiniBiion \hm Eduard Anton. 

1831. 



mi 



Vorwort. 



Kachdcm von meinen keltisclicn AltcrLhümeru der erste 

laud 1846 und der zweite 1$4$ — 1850 erschien, reihet 

■kii. diesen Vorgängern jetzt der beginnende dritte 1 

, za dem mir noch unverhofTter Weise Kraft und Lin 
Sferliehen wurde. Jene beiden ersten Bände sind so 
'he«ättßl geblieben, haben einen so geringen Absatz 
Ainden , dass mich dieses wohl hätte abhalten können, 
vi«! Getd und Zeit einem Gegenstände zu «■idmen, der ^ 
gar keinen Anklang zu finden scheint; wenn ich aber 
dennoch auF dem betretenen Wege rorlschreite, so ge- 
fichiehet es der von mir verfochtenen Idee wegen, von 
[er ich hoffe, sie könnte einst der Wissenschaft crspriess- 
kh sein. 



Der Titel — Keltische Altertliümer — ist in einem 

«twas weitschichtigen Sinne genommen; denn nächst 

läen eigentlichen handgreiflichen kollischen Altorthüroern 

^nnd Sprache und Geschichte berijcksichtigt , in so fern 

das Kellenthum tangiren. Die Angel aber, um die 



IV 

sich eigentlich dic^ von allen Seiten verfolgte Idee dre- 
het^ bleibt und ist doch immer die Frage: ob die Germa- 
nen auch noch während der römischen Zeit^ oder vielmehr 
bis zu Ende des ersten Jahrhunderts, Kelten oder Teutscho 
waren, keltisch sprachen oder teutsch^ keltische oder teut- 
sehe Institutionen hatten. 

Meinen allseitigen Forschungen und meiner innigsten 
Ueberzeugung nach waren die Germanen, wenigstens 
bis zum Schlüsse des ersten Jahrhunderts, reine Kelten; 
erst seit dieser Zeit drangen gothische Völker vor, und 
erst später erscheint das teutsche Wesen mit teutscher 
Sprache und Schrift aus der Vermischung des Keltischen 

und Gothischen. 

■» ■ ■ .. ' 

Das einzige Werk der alten Litteratur, welches über 
Germanien nicht beiläufig, sondern ganz speciell handelt, 
ist die lateinische Germania, die man ganz allgemein 
dem bekannten Historiker CorneliusTacitus zuschreibt, 
dqr in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts lebte, 
an dessen Gelehrsamkeit, Geist und Zuverlässigkeit 
nicht wohl zu zweifeln steht. Diese Germania ist zwar 
wenig ausf&hrlich, enthält aber viele eigenthümirche Nach- 
richten, durch welche sie sich von den übrigen Autoren 
ziemlich isoliri, erwähnt besonders viele Völker Genua- 
niens, die jenen fremd sind, und unter diesen befinden 
sich auch solche, welche in der spätem Zeit sehr berühmt 
werden j hier vom schwarzen Meere und der untern Do- 
nau her vordringen, offenbar der gotliischen Nationalität 
angehören, daher gothische oder teutsche sind, gothisch 
oder teutsch gesprochen haben, wie die Vandaliy Rugiiy 
Burgundiones und die Goihini, die ganz an die Goihi er- 
innern. Ist nun die Germania eine ächte Schrift des Hi- 
storikers Tacitus, hat sie vollkommene Glaubwürdigkeit; 
so erscheint das. nördliche Germanien schon während der 
römischen Zeit bewohnt von. Völkern, die ganz gleichna- 
mig sind mit gothischen oder teutschen und zwar von sol- 
cheii,.die, nach den spatern Geschichtsquellßn^ seit dem 



j^teti und Jtcn Jalirli. an der uiitcm Donau aurirelcti, von 

r aus in das aördliciic Europa vonlriageii. Hierdurch 

Mebt tlie tiermaiiia im Widorspruclie iiiil den Gescluclits- 

gellen des MiLlelaltcrs, iinti Tiir den Uiäforiker bleibt es 

kio grosses l*rol>lom: wie diese Vülker, die im nördlicliei» 

keruianien gewohnt liabcn sollen, an die untere DonauJ 

Itomnicri, von hier in das nördliche Europa wieder vor-» 

gen, ohne ihre frühem Wohnsitze irgend zu b 

Clitigen. 

Andererseits sprechen eine Menge Verhältnisse, be- 
sonders die archäologischen dafür: dass ganz Qermanleii 
n kcltiselics Land war, welcher Ansicht die Ger- 
inania dadurch entgegentrilt, dass sie jene Reihe von 
Cyülkeni anführt, die wir für gothische oder teutschc zu 
erachten haben; daher nimmt dieses Buch, so klein es ist, 
eine ganz eJgonthumlichc Stellung in der historischen Lit-^S 
teralur ein, es cougruirt nicht mit den Autoren, nicht i 
deu Quollen des Mittelalters, nicht mit der Archäologio, .^^ 

Weil aber die Germania den Namen eines so berühm- 

m Uislorikers trägt, so basirt die Gegchichto ua*] 

;res Vaterlandes, die der altem wie der mitllern Keiä 

vorzugsweise auf den hier mitgetheillen Nnchrichteu, difl 

n, so gut es gehl, mit den entgegenstehenden in Ver- 

idiing zu setzen suchte. Gewiss würde die alte Ge- 

j^^tchlc von Tcutscliland einen etwas andern Charakter 

angenommen haben, wenn von der Germania ganz abstra- 

hirt wäre. Wenn die Golkini, Vandali, Ritgii, Burgiin-i-! 

iones hior nicht alä germanische Volker ständen, würde. 

e Niemand für solche gehalten haben, würde man ihaon, 

■cht Wohnsitze in Germanien zur Romerzeit anweisen. ,,; 






Jemehr ich bei meinen antiquarisch-historischen For' 
schuugen die Germania sludirte, desto zweifelhafter wurde 
s mir, obdieses Werk, bei einer ausserordentlichen Ober- 
ächlichkeit, Nachlässigkeit und Unklarheit, auch wirkliei 
Von dem giiiuiilichen und klaren Historiker Tacitus h^ 



— VI — 

rühren könne ^ und allmählig kam ich zu der Ueberseu- 
gung: dass aus innern Gründen, wegen seines Inhaltes 
selbst, dieses Buch nicht aus der Feder dieses eminenten 
Historikers geflossen sein könne; ja endlich wurde es 
mir wahrscheinlich: die Germania möge ein untergescho- 
benes Machwerk sein, aus dem 15ten Jahrh. herrühren, 
hätte dann gar keinen historischen Werth. 

Diese Ansicht — die Germania für ein Produet des 
15ten Jahrh. zu erklären — ist eine ganz neue, wurde — 
so viel ich weiss — noch von Niemanden aufgestellt^ 
und offenbar erscheint es höchst kühn, sich in die- 
ser Hinsicht mit der ganzen Gelehrsamkeit in Oppo- 
sition zu setzen, und einen römischen Autor, an des- 
sen Aechtheit bisher Niemand zweifelte, dessen Werth 
und Meisterschaft man allgemein anerkennt, für ein ganz 
unvollkommenes Machwerk und für ein Produet des 15ten 
Jahrh. zu erklären. Das von mir gewonnene Resultat 
über die Werthlosigkeit der Germania erlaube ich mir 
als eine individuelle Ansicht, als ein historisches Problem 
mit aller Bescheidenheit aufzustellen, zur geneigten Prü- 
fling für gelehrtere und begabtere Männer, damit auch 
überhaupt die gelehrte Welt ihr Urtheil fällen mag. 

Irren kann Jedermann, und es ist möglich, dass ich 
in Hinsicht des Werthes der Germania im Irrtlium bin • 
aber wenn dies auch der Fall sein sollte, so könnte doch 
die nachstehende Arbeit vielleicht einigen Nutzen gewäh- 
ren, theils weil sie die Germania aus einem neuen Ge- 
sichtspunkte — dem keltischen — behandelt, theils weil 
sie nähere Besprechung über die Aechtheit dieses Wer- 
kes in Anregung bringt, was stets wohl der Wissenschaft 
Nutzen schafft. 

Das Keltenthum der alten Germanen und dessen Um- 
bildung in das teutsche Wesen nachzuweisen, ist — wie 
erwähnt — der Hauptzweck meines Buches, und weil 
die Germania als das einzige Werk über die Germanen 



— VII 

cur Römerzelt bisher angesehen ist, ao schien dieses eiae 
sichere Basis bilden zu können; deshalb folgt hier eiiif 
Uebersotzung derselben, begleitet von einem Commenlar«^ i 
der aus der alten Litteratur die nölhigen Erläuterungen i 
|riebl. Was von den alten Autoren über die Völker, Sit« 
ten und Institutionen Germaniens gesagt wird, habe ich 
nach meinen wenigen Krallen hier zusammen zu stelleu 
Und an die Germania aazuknüpfen gesucht, und — wie es 
mir scheint — deuten alle diese Xachrichleu auf das Kel- 
tenlhum der Germanen. Diese Seite meiner Arbeit betrifft 
lyans das keltische Altorthum, berührt gar nicht die An- 
sicht über den Werth der Germania. 

Daneben versuche ich auch den historischen und 
ethnographischen Werth der Germania, überhaupt Alles, 
was sie erwähnt, einer näheru Betrachlung und Prüfung 
au unterwerfen, die freilich höchst ungünstig ausgefallen 
jat , worüber ich mich sehr freimüthig ausgesprochen J 
ihabe. Unmöglich kann — meinem GefTihie nach — eine, 
so ganz unvollkommene Darstellung von Germanien, sei- 
nen Völkern und Inslituiionen, von einem so eminenten 
Historiker herrühren, als Tacitus war. Dor ganze In-' 

Kalt des Buches ist es, der dessen Unächtheit bekunden 
ürfte. Erwägt man bei solchen Umständen die ganze 
lysteriöso Art, unter welcher die Germania erschienen 
_t, wie die Nachschrift hinter der Uebersetzung sie dar- 
■ legt) dann fasst unwillkührlich der Gedanke Raum: diese 
" Germania dürfte ein Machwerk des läten Jahrh. sein, 
dem jeder historische und sonstige Werth mangelt. 



f 



Außiillig wird es erscheinen, in einem Buche über;) 
die kellischen Alterthümer die Ucbersetzung eines röm 
sehen Klassikers, wie die Frage erörtert zu finden: ( 
derselbe ein achter oder ein untergeschobener sei; denn* 
diese Gegenstände gehören eigentlich vor das Forum der ; 
Philologie, die mir ganz fremd Hegt, in deren Bereich 
«nzudringen mir nicht einfallen kann. Aber um nur den* 
Inhalt eines römischen Schriftstellers kennen 2U lerneny- 
braucht mau kein Philolog vom Fach zu sein, so viel La-'^ 1 



— vni — 

lein, als d&zü etwa nöthig ist^ lernt man wohl auf der 
Schule and Universität^ und nur den Inhalt der Germa- 
nia greife ich, ihn beurtheileud an, das Sprachliche und 
eigentlich Philologische überlasse ich ganz der Philologie. 
Ob die geographischen, historischen, ethnographischen 
archäologischen Nachrichten der Germania Werth haben 
oder werthlos sind^ ob sie mit den sonstigen Nachrichten 
and A^erhähnissen im Einklang stehen oder nicht, das sind 
Fragen, die weniger der Philolog als der Historiker, 
Ethnograph nnd Archäolog zu untersuchen hat; hier allein 
liegt das Feld, welches ich zu behaupten suche. Ob das 
Latein der Germania ein acht klassisches ist, ob es ganz 
congruirt mit den historischen Schriften des Tacitus, wie 
die vorhandenen Handschriften zu Tage gekommen sind, 
welcher Zeit sie angehören, welche Lesarten vorzuziehen 
sind: solche und ähnliche Fragen hat die Philologie zu 
untersuchen wie zur Entscheidung zu bringen, der sich 
der Historiker und Ethnograph ganz gern anterwerfen 
wird. Da ieh kein Philolog bin, nicht belesen in den 
Schriften des Alterthumes , so wird meine Arbeit eine 
sehr unvollkommene sein, die ich nur der geneigten Nach- 
sieht empfehlen kann; vielleicht aber regt sie einen Mann 
TX>m Fach mit mehr Gelehrsamkeit an, diesen Gegenstand 
gründlicher zu bearbeiten. 

Bei einer Untersuchung über das Kelt^thum der Ger- 
mauen tritt die Germania stets derartig in den Vorder- 
grund, dass man über deren Werth oder Unvverth eine 
klare Idee gefasist haben lÄuss, wenn man auf sicherem 
Grunde fussen will; deshalb hielt ich ep für npthwendig, 
ihren Inhalt einer scharfen Jtritik zu unterwerfen, und 
dies war nicht möglich ohne Uebersetzung der ganzen 
Schrift. * 

Das Resultat dieser kritischen Betrachtung ist leider 
ein sehr ungünstiges und negatives } denn ich hege die 
sichere Ucberzeuguug von der gänzlichen Werthlosigkoit 
der £[eripfM3i.ia> glaubend; sie sei ein Sjlaphwerk des 15teii 






Jftlirti, Jeihvcilci- mag nun — sine ira — urlhüllcn, ob 

e Aitäiclit uiidUubcrzciigung begründet oder vunverf— ■ 
iicli sei, ob man sie adoptircn will oder nicht; Jedweder | 

lag nach seiner Ucbcrzcugung handeln, und es lallt i 
gar nicht ein, meine Behauptung als eine apodiktischoF | 
Qewissheit hinsustcllen; im Gegentheil wird es mir rechtf 1 
angenehm und wünschenawerlh Bein, recht vielen Wm-I 
lerspruch zu finden, da solch ein uisscnschafll icher 1 
"^rieg das Geistige belebt, stets näher zur Wahrheit führt. ' 
Sollte das gewonnene Resultat sich bewahriiciten, 
lle Germania nicht vom Historiker Tacitus vorfasat, ihr j 
Inhalt wirklich ohne Glaubwürdigkeit sein, so düi-rie t 
i^ieses einigen wissenschaftlichen Wertb haben, deshalb" 
schon, weil dann eine Reihe V'ölker-Namcn von Ger- 
n ausgeschlossen bleiben, die hier erst in der Spä- 
hern golliisciicn Zeit auftreten, dalior das KcIlenUium der 
Gorniauen leiner hervortritt. 

Zu dieser Ansicht, über die Unächtheit der Germani»^ 1 
1 ich auf höchst prosaische Art gekommen. Indem si^fl 
mir als ilaupt-Anhallpunkt bei meinen Arbeiten dieneirij 
loUte, beschäftigte ich mich sehr spcciell mit derselboDH 
sieht aus dem philologischen, sondern aus dem histon^ 
Bchen und antiquarischen Gesichtspunkte, verglich die An-^'l 
^ben mit den historischen Schriften des Tacitus und den ' 
übrigen Autoren, so weit meine schwacheu Kräfte reicli- 
Hierbei erhielt ich allmählig die Ueberzeugung, wie 
dieses Buch höchst wenig wirklich Thalsächlichcs liefere, 
das Wenige aber höchst dunkel und zweifelhaft erscheine^ - 
rde mir aus der Bclrathtung des luhaltca klar, wie'" 
dieses nichtssagende Werk unmöglich von dem eminen*^ 
Sn Historiker Tacilus herrühren kenne, denn dieser hc 
iferrscht seinen Stoff auf die ausgezeichnetste Weise, 
Iclireibt mit grÖsster Klarheit und Präcision, während in 
ter 'Germania Alles unklar, ganz unbestimmt gehalten ist. ' 
Nun hielt ich die Germania für das Werk eines spätem' 
mischen Schriftstellers, etwa aus dem 3len oder 4ten' 
&hrh., vielleicht selbst aus der ersten christlichen Zeil, 
er aber doch noch iu Besitz von Hülfsrailtelu gewesen 



.♦ i» 



sein konnte, die uns verloren sind^ die er nur höchst un- 
geschickt benutzte. 

Um in dieser Angelegenheit heller zu sehen, suchte 
ich mir philologische Hulfsmittel, vorzüglich die möglichst 
britische Ausgabe zu verschaffen, und fand bald was ich 
suchte. Diese fiihrt den Titel: 

Germania des C. Tacitus mit den Lesarten sämmtli- 
* eher Handschriften und geschichtlichen Untersuchun- 
gen iiber diese und das Buch selbst, vonH. F. Mass- 
'mann (Professor in BerHu). Quedlinburg 1847. 

Keiner der Autoren hat . vielleicht einen trefflichem 
und gründlichem Bearbeiter gefunden, und diese Aus- 
gaibe lässt in philologischer Hinsicht wohl nichts 
zu wünschen übrig. Sie ist aus dem rein philolo- 
gischen Gesichtspunkte gearbeitet, gicbt den möglichst 
correctcsten Text mit allen Varianten, eine genaue Be- 
schreibung und Geschichtß aller Handschriften, auch die 
Beweise für die Aechtheit des Buches selbst , welches 
hiernach offenbar von dem Historiker C. Tacitus herrührt. 

Andererseits ist freilich eine gewisse Einseitigkeit 
bei der Behandlung des Gegenstandes nicht zu verken- 
nen; der verehrte Hr. Verfasser nimmt auf den Inhalt des 
Buches selbst gar keine Rücksicht, erläutert ihn weder^ 
noch vergleicht er ihn mit den historischen Werken des Ta- 
citus und der übrigen Autoren, enthält sich — bei der 
rein philologischen Bearbeitung — jedes Urt heiles über die 
historischen und ethnographischen Nachrichten desselben. 
Alle Aufgaben und Uebersetzungen der Germania, die mir 
bekannt geworden — und dies sind freilich nur sehr we- 
nige — lassen sich auf den Inhalt fast eben so wenig 
ein, obwohl man diesen doch für die Hauptsache halten 
miiss. Vielleicht habe ich daher einen neuen, oder doch 
wenig betretenen Weg eingeschlagen, wenn ich nun den 
Inhalt der Germania einer speciellern Erörterung un- 
terziehe, abgesehen von dem philologischen Gesichts- 
punkte. 



.*^ 



— XI — 

Hatte ich vor ßiiisiclit der Ausgabe iIcs Hrn. Prof. 
Masaman n (iicLTcberzeiigiing crlialtcn, ()ass die Germania 
ih'cgcii tlircs werlhlosen Inhaltes nicht von dem Hislori<* 1 

:er TaCLius herrühren konnte, ein späteres höchst unvoll« J 
jEOmmoiics Machwerk sei, so schien es mir nun kaunt I 
mehr zweifelhaft, dass sie ein Product des 15ten Jahrh« I 
Sein ntüge; denn alle Handschriften, die wir besitzen, Slam* ] 
men von nur Einer Hanilschrin her, die offenbar unten I 
dem mysteriöseslen Verhältnisse zu Tage kam und vori ] 
Uischrift abgeschrieben sein soll, die (ausser dem I 
sogenannten Abschreiber) Niemand gesehen hat, worüber 1 
die Nachschrirt zu der hier nachfolgenden Uebcrsetzun^J 
nähere Auskunft geben wird. Ist die Germania ein unler^l 
geschobenes Werk aus dem 15tcn Jahrb., dann begreift 
man ganz wohl, warum sie so wenig, fast gar keinen po- 
sitiven Inhalt hat, nichts Klares sagt, Alles unbestimmt, 
nnd in der Schwebe lässt, kaum ein Wort der gcrmanh-i | 
sehen Sprache anführt, meist nur römische und ganz un-4 I 
1 Ausdrücke gicbt, auch gothische oder tculsche- f 
Völker, die in späterer Zeit von der untern Donau bei» 1 
nach Teutschland kommen, schoD in das alte Germanien'] 
aus Guitones die Gofhini, aus Vend'Ui die Vandali,* 

ras Buguntae die Burgiindiones macht. 

Allem diesem nach kann ich der lateinischen Germania, 
äk dem Cornel. Tacitus zugesclirieben wird , nicht viel 
grössern Werth beilegen, als der jüngsten teutschcn Ger- 
mania, die den Titel führt: Tacitus Germania, nach einem 
ibisher nicht vcrghchencn Codex, übersetzt von dem Her- 
ausgeber einer luteinisclien Bricrsamralung (Dr. G. 
Schwetschke in Halle), Halle i%4^, die auf humo- 
ristische Weise über die Germaucn der jüngsten Zeit 
spricht. 



Bei allen Büchern, vorzüglich bei den Klassikern des 

kltcrlhums, kommt es doch woscnthch auf den Inhalt an, 

- IVame des Verfassers kann uns ziemlich gleichgültig 

II. Der Inhalt der Germania ist aber so uichlssagcud, 



i" 

*«.- 






— XII 



dass raaij — meinem Gefühle nach — dem Historiker 
Taciius einen sehr schlechten Dienst erweiset, wenn man 
diese inhaltlose Schrift mit seinem Naraeu schmijckt; denn 

wenn man den Inhalt der Germania auch nur einer ober* 
fl&chlicheii Kritik unterwirft^ so erscheint er doch recht 
wcr'thlos. Dies ist meine individuelle Ueberzeugung^ die 
i€b frei auszusprechen wage — was doch einem Jeden 
frei stehen mnss — y die ich Keinem anzunehmen empfehle^ 
Keinem .aufdringen will.^ 

ioli. habe eine möglichst wortgetreue Uebersetzung 
r, :|Hii geben gesucht, meist den lateinischen Text selbst 
t beigesetzt, über den Inhalt eines jeden Passus mein freies 
y, ^theil abgegeben, denselben zu erläutern gesucht und, 

%-r wo e» thuhiich^ däd Gesagte aus dem keltischen Gesichts- 
punkte betrachtet. . Die desfallsigen Anmerkungen , be- 
sonders in so fern sie sich mit dem Keltenthume der Ger- 
manen beschäftigen, behalten vielleicht einigen Werth, 
mag man die Germania für acht oder unächt ansprechen, 
und diese sind es . vorzüglich , die ganz in den Kreis der 
Gfegeijstände geboren 9. die in. meinen keltischen Alterthü- 
V niern besprochen werden. 



■ ■ ■ ' 



I. 



Des 



Tacitus Germania 



übersetzt und mit Anmerkungen begleitet 



▼on 



€h. Keferstein. 



Keferstein, kelt. Alterth. III. Bd. I. Abih, 



§. 1. 

a. Uas gesammte GermaDicn wird von den Galliern^ Rhä- 
tiern und Pannoniern^ durch die Ströme Rhein und Do- 
nau^ von den Sarmaten und Daciern durch gegensei- 
tige Furcht und Gebirge geschieden. 

Anmerkung* Hätte der Verfasser gesagt : Germania 
-würde Ton Gallia^ Khaetia und Pannonia durch Rhein und 
Donau geschieden ^ so würde dieses richtig gewesen sein^ aber 
er sagt: Germania würde durch seine Flüsse Yon den Galliern, 
Rhätiern und Pannoniern geschieden , was wohl nur dahin deu- 
ten kann, dass diese Völker nationell verschieden waren von 
den Germanen ; aber Rhaetier und Fannonier werden in Hinsicht 
ihrer Nationalität von den Autoren zu den Germanen gerech- 
net, gar nicht zu den Galliern oder einer andern Nationalität, 
wenn sie auch politisch zu dem römischen Reiche, nicht zu dem 
freien Germanien gehörten. Sehr sonderbar ist die Auslassung 
Ton Vindelicia^ welches mit Rhaetia und Pannonia in ganz 
gleichem Verhältnisse steht«. Man sollte, unserm Verfasser nach, 
glauben, die Vindelicier wären Germanen^ nicht die Rhätier 
und Fannonier ; aber diese drei Völker standen in gleichen Ver- 
hältnissen, sie waren und blieben nationell Germanen, aber seit 
etwa 9. n* Gh. kam ihr Land unter römische Herrschaft, poli- 
tisch gehörten sie zum römischen Reiche. Gebirge im Allge- 
meinen, ohne nähere Bezeichnung und gegenseitige Furcht 
(metus mutuus)^ als Grenze zu bezeichnen, ist eben so unr 
gewöhnlich als ungenau, kann nur sagen: dass der Verfasset 
von der Grenze nichts wisse; aber Dada, welches 105 n. Ch» 
römische Frovinz wurde, war zu Ende des ersten Jahrh. den 
Griechen und Römern nichts weniger als ein unbekannte 
Land. 

1* 



— 4 — 

Uebrigens hat der Rhein nie die eigentliche scharfe Grenze 
zwischen Germanien und Gallien gebildet; Germania prima 
und sectmda lagen stets auf dem linken Rheinufer in Gallien ; 
die politische Grenze zur Kaiserzeit war nicht der Rheiu, son- 
dern der limes; zum römischen Reiche gehörte das ganze, 
zum Theil sehr breite Rheiothal rechts des Flusses, ziemlich 
das ganze jetzige Grossherzogthum Baden und das angrenzende 
hessische Land. Wenn Schriftsteller nur beiläufig oder im All- 
gemeinen Ton Germanien sprechen, so können sie wohl den 
Rhein als Grenze bezeichnen , wenn aber ein Historiker speciell 
über Germanien handeln will, so kann man wohl ein klares 
Aussprechen über die bekannteste Grenze verlangen. 

b. Alles Andere iimgiebt der Ocean, welcher weite Buseu 
und unermessliche Inselländer umfasst, wo neuer- 
lich einige Völker und Könige bekannt geworden 
sind, welche der Krieg zugänglich machte {^nuper 
cogniiis quibusdam geniibiis ac regibus, quos bellum 
aperuif). 

Anmerkung. Dies ist ein gewiss sehr dunkler Passus. 
Die immensa spatia insularnm können unmöglich die klei- 
nen teutschen Inseln in der Nordsee sein, die den Römern 
sehr gut bekannt waren, sondern man muss sie in der Ostsee 
suchen, in den dänischen Inseln, in Norwegen und Schweden, 
die im Alterthume als grosse Inseln bezeichnet sind; auch ste- 
het hiermit wohl der §. 44 in Bezug, wo es heisst: weit im 
Norden lägen ipso in Oceano (also auf Inseln), die Gebiete 
der SuioneSy ron Königen beherrscht, welche die Waffen des 
Volkes rerschlossen hielten. So Tiel wir durch die Litteratur 
wissen, kamen die Römer wohl nicht über die Mündungen der 
Elbe hinaus, schifften nie nach Dänemark und Schweden, mach- 
ten nie durch den Krieg die dortigen Gegenden zugänglich, 
knüpften nie mit dortigen Königen Handelsverbindungen an, 
am wenigsten wohl zu Ende des ersten Jahrh. , worauf sich das 
nnper nur beziehen könnte. Allen Nachrichten und Alterthü- 
mern nach wohnten in jenen nordischen Gegenden Germanen, 
derem Wesen ein absolutes Königthum ganz fremd war. Die 
Suienes sind auch der alten Litteratur völlig fremd, erinnern 
an die in viel späterer Zeit bekannt gewordenen Svearn und 
Schweden, so, dass das nnper cognitis sich s^wcli auf neue 
Zeiten beziehen könirtek 

c. Der Rhein, auf den unzugänglichen und steileu Gipfeln 
der rhätischen Alpen entsprungen, in massiger Beu«- 



^mig gogcii Abeud »icli woiuleu«!, «rgiessl sicli in (ien 
iiÖnDicliDu Occan. Die Doiiuii, aus vinem sanft iiBil aU-' 
inüliljg sich eriiebendcn Bergrücken der Alinoba hcrvor-' 
alröiiieiid, geht durch mehrere Völkerscharteii , bis sie 
jd6 AusHüsseii in das pontiscIteMcürsichergiesst ; deuii 
die 7te Mündung wird voii Sümpfen verschlungen, 

Anmerkung. Diese ganz allgemein gelialleucii Nacli- 
Ticlilen sind ohue besonderes Inreresse. ■' 

8.2. 

a. Die Germanen selbst möchte ich für Urbewohner hal- \ 
ten, nicht glauben, dass sie durch Ankunft, und gast- j 
hche Aurnahitie anderer Völker vermischt wSren, wtsU | 
nicht zu Lande vor Alters, sondern auf Flotten dieje-* 
nigcti heranführen, welche ihre AVohnsilzc zu voräuTjl 
dern suchten und weil der weite hinaus unermesshcbqTI 
und so zu sagen uns entgegen liegen de Ocean (a^-dM 
versus Oceanus), nur selten von unseren LäuderbeziF'^t I 
ken aus auf Schilfeu besucht wird. 
Anmerkung. Der Verfaiiaer lüssl hier die erste Ein^f * 
wohnerscbat't oder die spätere Einwanderung zu ticbitFe .naclt. 1 
Gennauien kommen 5 er sagt aLer niclil, ob sie tod der OslsefijJ 
(»der von der !\ordsee Lerkaioen und aus wekliem Lande 8i%l 
>liach Germanien einwanderten, übergeht also die Uaiiptsacli«^ ■ 
Warum die erste Bevölkerung oder eine spütcre EiDwanderiing)! 
nur zu Schule angekommen sein soll, begreift man nicht wohl^ 
da der Landweg längs der Donau and durch Sarinalien vie^il 
natürlicher ist. Wenn der Veriässer die Germanen anspricli^V 
£nr indi^cnas minimeque aiiarum gentium adventibus «t^ J 
Jiospitiia mixtaa^ also für ganz unveriniscbte AutocIithoneD, M||1 
iauD er dies gar nicht so ernstlich meinen? denn §. 28 sagt 
er selbst: weil der Rhein Lein -trescnilicbcs Hindernis! w.äre 
bätteB gallische Völker, wie die Üoji Dnd llelvctü, Wobni 
"" i Germanien genommen; und §. 4(i bemerkt er; wie die ger- 
^nniscbcn Peuclni sich durch Verheirathung mit Sarmate n we- 
«feitlich Teräiidert halteo; §. 28 nennt er die Bafavi, fan~ 
gioneSf Tribuci und Nemetes gernianisrhe Völker, die sieh 
in Gallien festgesetzt hätten. Caesar (VI. 24) sagt ausdrück- 
lich; Gallien habe wegen Uebervdlkening seil aller Zeit C«-, 
I»niea nach Germanien gesendet , die Tectosages , ans 
idiichen Gallien stammend, wohnten noch zu seiner Zeit iioi 1 
cjnischeu Waldgebirge, und er hklt sie für ehrenweilber^s J 



— 6 — 

als den Theil des Volkes^ der in Gallien wohnen blieb; der 
Sage nach führte schon SegoTesus 630 v. Ch. eine grosse 
Schaar belgischer Gallier nach Germanien. Nach Strabo sind 
die Germanen gar nicht von den Galliern rerschiedeD. Allem 
diesen nach durfte sich gegen die Reinheit des germanischen 
Stammes nnd des autochthonischen Blutes gar viel einwen- 
den lassen. 

b. Wer mochte auch, abgerechnet die Gefahr des schreck- 
lichen, unbekannten Meeres, Asien, Africa oder Italien 
verlassen und Germanien aufsuchen, dieses ungestal- 
tete Land mit rauhem Himmel, traurig in dem Anbaue 
und Anblick, wenn es nicht sein Vaterland ist. 

Anmerkung* In dieser Expectoration sagt der Verfas- 
ser: es würde keinem Fremden beikommen, zu Schi£fe in das 
abscheuliche Germanien zu gehen ; aber Germanien ist ja keine 
Insel; wer von Asien und Italien^ von Sarmatien, Dacien und 
Gallien dahin will, geht zu Lande. Wenn es hier heisst, dass 
kein Fremder in- Germamam peterety informem terrisy aspe- 
ram coelo^ trUtem cultu et aspectUy so hegten doch die 
Römer eine andere Meinung, eine ganz besondere Passion für 
dieses abscheuliche Land, nahmen davon so viel sie nur erhal- 
ten konnten, um sich hier ganz behaglich einzurichten; sie ac- 
quirirten Pannoma ^ Rhaetia^ Vtndeliciay bald auch das 
eigentliche Germania links des Rheines (Germania prima 
und 8ecunda)j sie machten nun alle erdenkliche Anstrengun- 
gen um auch Germania magna mit ihrem Reiche zu verbin- 
den, wobei aber ihre Macht an der germanischen Tapferkeit 
scheiterte : nur ein Stükchen Land , längs des Rheines , konn- 
ten sie behaupten, etwa das jetzige Grossherzogthum Baden, 
aber da gefiel es ihnen recht wohl. In den Augen der römi- 
schen Machthaber muss daher Germanien nicht ein so abscheu- 
liches Land gewesen sein ,' als sich unser Verfasser vorstellte* 

c. Die Germanen feiern in alten Gesängen, die bei ihnen 
die einzige Art der Geschichte und der Jahrbücher sind, 
den Gott ThuistOy den erdgebornen, und seinen Sohn 
MannuSy als woher der Ursprung und die Begründung 
des Volkes. 

Anmerkung. Hiernach sollen die Grermanen ihren Ur- 
sprung von einem Gotte Thuisto und Mannus ableiten, was 
gewiss eine recht interessante Notiz wäre, wenn man nur die 
Ueberzeugung der Wahrheit hätte. Da aus dem ganzen Werke 
des Verfassers eine grosse Unbekanntschaft mit Germanien her- 



Torgellt , SD Lnt er diese l\ac)iricLt scLweHicli aus eigener Wis- 
weiiscliaft, giebt auch keiiie Qoelle an, aus der er gcacliopl'l 
■lalle. Die Lilterntur giebt über diese Gotter nicht die gering- 
ste AndeiituDg, und su viel wir wissen hatten die Germniieu 
'gar keine bestiinmlen Gotter. Die Giermanen werden der itel- 
tiscLen Nationalität angehört haben, aber keltisch klingen diese 
^angeblichen Gotterntimen nicht, lassen sich auch wuhl uidil aus 
:deni Keltiachea herleiten. Thuiato klingt mehr -loiliiiich, hat 
-eine gewisse Aehnüchkeit mit tkiudsch, lettisch, das Wort 
konnte vielleicht ersonnen sein, um dem Namen — Teittache — 
reine Stütze im hohen Alterthum zu gehen, da er in der Wdhr- 
'beit doch erst in späterer gotliischer Zeit vortreten wird. 

<d. Dem Mannus schreiben die Germanen 3 Sühne zu, 
»ach teeren Namen, zunächst dem Ocean, die fngacvo- 
nes, in Milien die Hermlones, im übrigen die Istaevth- ^ 
fies genannt werden. 

Anmerkung. Der Gilt Älannns soll also 3 Söline 

tfisht haben, den Ingaevo, Hermio und istacvo, nach weichi;^' 1 
■3 Völker genannt sind, die sich daher doch wohl durch AllCf^ 1 
:n und Grösse auszeichnen j ihre Wohnorte werden auf däf f 
unbestimmteste bezeichnet und sie im gannen W'erke weite» 1 
it genannt, was gewiss sehr auüfällig ist. Die Kamen dies^ ] 
■ Tdlker werden aus dem Plinius entnommen sein, der sie 

r unter gauK andern Beziehungen erwähnt, indem er (Hi;- J 
Utor, fiat. IT, 29) sagt: die Germanen werden in d AbtheÜunges ] 
tgebracht. 1) Vindili, zu denen audi gehorea : die Bur^ *. 
\gundionea, Varini, Carini, Gittone»; 2) Ingaevon 

deoen auch geboren : die Cimbri , TeiUoni ac Chau^ J 
carum gentes; 3) Istaevones, dem Rheine zunächst, 
■denen auch gehören: die Cimbri medüerranei; 4) die He 

'ones, zu denen auch gehören: die Suevi, Hermuiiduri^ ' 
ChaUif CkerHsci; 5) die Peucini und Busternae, die aji ] 
^ ien grenzen. Hiemach wurden also die verschiedenen ger- 
manischen Volker in gewisse Gruppen getheilt. 
! Die als Vindili bezeichneten Völker wohnten wohl lang» ] 
tfler Ostsee, besonders in der Gegend der Weichsel. Zu den ] 
ingaevone » gehörten die Cimbri {\a Dänemark), 
fFeutoni (in Holstein), die Chauci (zwischen Elbe und We- \ 
her), aber auch andere Völker; denn cit. loc, iV. 26 redet Plin. 
ten den nördlicheren Völkern und sagt; die Nachriebt von den 
-i&gäTunen, die von daher (von Norden) das erste germanische | 
»Volk sind, klart sich nun etwas mehr auf, dort lieg das üherau» 
'»Tosse Gebirge Sevo (das schwedische und norwegische) uqd 
Höidet bis ans cimbriscfie Vorgebirge (Dänemark) einen sehr 



— 8 — 

grossen Buten, den €0danu9y Yoller Inseln, deren bekannteste 
Scandinavia ist, deren Glosse man nicht kennt, Eningia ist 
die kleinere. ^-^ Hiernacli begriff man als Ingaevones die 
nördlichen Völker Germaniens, in Norwegen, Schweden, Dä- 
nemark, Holstein, also unsere SkandiDavier, die im Meere auf 
den Inseln und Halbinseln wohnten; darauf mag sich auch der 
Name Ingaevones beziehen, der sich aus dem Keltischen herleiten 
lässt^ zusammenhängen mag mit ing im Wälischen d. i. nahe und 
uigf aigion das Meer; sollte diess seine Richtigkeit ha- 
ben, so wird das Wort nicht Ton dem Gotte Ingaevo herstam- 
men. Die Istaevones wohnten in der Gegend des untern 
Rheines, zu ihnen gehörten die Cimbri mediterranei^ die wohl 
nicht yerschieden sein werden von den Sigambri (s. §. 25) 
and überhaupt wohl die cimbrischen Völker zwischen Rhein 
nnd Weser begriffen; der Name mag keltischen Ursprunges sein, 
kann zusammeohängen mit is im Wälischen d. i. unter, an, und 
aigion das Meer. Diese Istaevones des Plin. werden die 
Istaevones unseres Verfassers sein. Die Hermtones wer- 
den dieselben Völker begreifen, welchfe man auch als suevische 
bezeichnete, und durch das jetzige Oberteutschland wohnten, 
während die Ingaevones und Istaevones längs der Nord- 
und Ostsee durch Niederteutschland wohnten. Die Peucini 
und Baster nae^ an Dacien grenzend, werden in^§.49, wo sie 
unser Verfasser nennt, ausführlich behandelt werden, sie wohn- 
ten wohl nicht in dem eigentlich compacten Germanien, sondern 
mehr sporadisch im Lande der Geten und Sarmaten» Von die- 
sen 5 Völkergrnppen nennt unser Verfasser hier 3, die /«- 
gaevones^ Hermiones und Istaevones ^di^ Vindili wird er 
im folgenden Passus als Vandali aufführen^ und die Peucini 
erwähnt er §. 46. 

e. Einige aber^ nach der Licenz des Alterthumes, neh- 
men mehrere Kinder des Gottes an und mehren danach 
genannte Volker, wie die Marsi^ Gambrivi^ Suevi, 
Vandaliy als wahre und alte Namen. 

Anmerkung. Hiernach hätten die Grermanon als Götter 
angenommen: einen Gott Marsns^ GambrivuSy Suevus und 
VandcUuSy nach denen die alten Völker genannt wären ; diese 
müssen • doch wohl bekannte , wichtige Völker gewesen sein, 
daher es sehr auffallend ist, dass der Verfasser sie gar nicht 
weiter erwähnt, nur die Suevi nennt er §• 38, aber nicht als 
ein Volk, sondern als eine Völker -Gruppe. 

DiQ Mar si sind ein bekanntes, vom Geschichtschreiber 
Tacitus mehrfach erwähntes Volk; auch waren in Rom die 
marsischen (westphälischen) Schinken sehr geschätzt. Sie hat- 



^ 



W mit gegen Varus (12 d. Cli. ) gefocliiea, wobei iliuen 2 
ämiäche Adler (Fahnen) zu Tlioil gewordeo ; bald daraul" ging 
ie^'iiiaaicus mit einer rumiticlieii Armee über de» Illiein und 
»rwüsteie ihr Land, auch ihr Ueiligthum Taufana; im Jahre 
A schlug der römische General Caecina die Marsi ; ein An- 
llirer derselben, ><amenB Moloueadua, Tcrrieth des Romera 
leu Ort, wo eiu rtlmischer Adler aufbemalirl ward (Tacitas 
^nal. 11. 25), den Germanicits wieder erhielt als er in das 
i^and der lllarsen eiufiel. Wahrscheinlich wohnten diese 3Iar»i 
ja den Utcra der Ruhr (iu der Grafschaft Mark und im Uer- 
ingthume Westphaten), wie J. Grimm (Geicliichle der teul- 
iken Sprache, S. 620) darlegt, wogegen sie Uckert (Ger- 
lania S. 387) an die Eins setzt. TJuser Verfasser hülle wohl ' 
an den Marsen Manches beibringen können, aber ein so I 
ihmles oder altes Volk, um ihren Ursprung von einem Gölte ) 
erznleiten, scheinen sie gar nicht gewesen zu sein. 

Die Gambrivi werden in der Litteratur gar nicht er- 
mähnt, waren daher wohl schwerlich ein so altes berölimies 
olk, das seinen Ursprung von einem Gotte herleitete, aber I 
trabo nennt unter den unbedeutenden Völkerschaften in Ger- | 
lAuien die (iamabriani, möglich, dass unser Verfasser hi 
US seine Gambrivi gemacht hat. 

Die Suevi werden bei §, 38 nüher erörtert, wo es i 
enselben heisst: sie bilden nicht eia bestimmtes Volk, sondern 
majorem Germaaiae parlem obtinet, proprüs adhuc «et- 
ionibws et nominibus discrfti, quarnquam, in commune 
Suevi vocantttr. Hiernach ist der Name Suei i eine allge- 
meine Bezeichnung für die Völker im lunero von Germanie»: 
Dicht recht mit der Angabe ihrer Abstammung vun einem ] 
i^Gott Suevus siammt. 

Die Vandali als ein üchtes, altes germauisches Volk J 
;.«ind der I.iiieraiur ganz unbekannt, aber sehr bekannt sind die \ 
j:g(ithjschen Vandati mit gothisclier Sprache, deren ursprüngÜ- 

WohnsitzB iu Scythien gewesen sein werden ; ihr Name \ 
wird zuerst seit der Mitte des 2. Jahrh. an der untern Douau 1 
genannt, und bald, wiihrschcinlich als llülfsvölker gegen die J 
Römer, im Lande der germanischen Markomannen, mit denen { 
sie den markomannischen Krieg gegendieRömer fortsetzen (174) j 
erst später, seit 406, zieht der grosse Haufe des Volkes i ' 
der untern Donau her, durch Germanien nacli GalUen und I 
Spanien. Diese gotliischen Vandali sind allen Nachricliter 
joach kein germanisches, sondern ein scytisches Volk, welclies \ 
aber im Mittelaller eine sehr grosse Rolle spielte. Wie bei I 
,idem Passus d. bemerkt, nennt Pliniiis als grosse Völkergrnp- 
lO, neben den Ingaevones, Hermiime» und Istaevones aucli 
äe Vendili, und aus diesen hat unser Verfasser wahrschein- 



— 10 — 

lieh seine Vandali gemacht, die mit jenen gar nicht zusam- 
menhängen. 

Wenn man das hier Dargelegte erwägt , so dürfte es sehr 
zweifelhaft werden^ ob wirklich die Grermanen in ihren altea 
historischen Gesängen- den Thuisto und Mannus, den Ingae^ 
vo^ Hermio und IstaevOj den MarauSy Gambrivu8, Suevus 
und Vandalu8 gefeiert haben. 

f. Der Name Germaniens ist übrigens neu, erst neuer- 
lich angenommen^ indem die^ welche zuerst über den 
Rhein gingen und die Gallier vertrieben, jetzt Tungriy 
damals Germani hiessen; so ist allmählig der Name 
einer Nation in den eines Volkes übergegangen, so 
dass alle zuerst von den Besiegten aus Furcht den 
Namen Germanen bekamen , den sie bald von sich selbst 
brauchten, nachdem er erfunden. 

Anmerkung. Dieser Passus dürfte wohl an der gross- 
ten Unklarheit leiden. Wenn der Name Germania ein i;o- 
cabidum recens et nuper . additum ist, so hätte doch billig 
der ältere Name angegeben werden sollen, der auch nicht 
schwer zu ermitteln war, da die älteren Schriftsteller das Land 
Keltihe und Galatia nennen. Nach unserm Verfasser sind 
ixermani über den Rhein, also aus Germanien, nach Gallien 
gegangen, haben die Gallier vertrieben und heissen nun (war- 
um, wird nicht gesagt) Tungriy daher soll der neue Name 
Germania entstanden sein. Mir scheint dies ein blosser Kling- 
klang von Worten ohne verständigen Sinn zu sein, - 

Die hier erwähnten Tungri wohnten in dem Gebiete der 
gallischen Ehurones; das jetzige Spaa unweit Lüttich hat 
die bekannte heisse Quelle, die fons Tungrorum hiess, und 
hier lag die Stadt Aquatica, die später Tungri (jetzt Ton- 
gern) hiess. Wie unser Verfasser dazu kommt, zu behaupten: 
der Name Germania sei von den Tungri ausgegangen^ be- 
greift man nicht recht, da die Litteratur davon gar nichts 
weiss. Der Geschichtschreiber Tacitus erwähnt die Tungri 
mehrmals, sagt aber kein Wort davon, dass von diesen der 
Name Germania stamme. 

Jul. Cäsar redet (bell, gal, II. 4) über diesen Gegen- 
stand viel klarer. Bei seiner Anwesenheit in Gallien Hess er 
sich von der belgischen Gesandtschaft Auskunft geben über die 
Macht der belgischen Conföderation , die sehr stark war, fast 
das ganze östliche Gallien begriff und 340,000 Mann ins Feld 
stellen konnte. Diese Gesandten erklärten ihm: die meisten 
Belgier wären Nachkömmlinge der Germanen, die in alten 
Zeiten über den Rhein gezogen. Sie gaben nun die Stärke 



- 11 - 

von den einzelnen Völkersrhaften der lielgischen Confoderation 
an , "o es dann zuletzt heissl : „ die Condruai , Eburonea, 
Cerasi und Paemani , welche man g eine in scLaft lieh 
Germani nenut, könuten 40,000 Krieger stellen." Dieser 
gewiss glaubhaften Angabe nach waren also die meisleu Bel- 
gier germanischen Ursprunges, daher wohl mit den Germanen' 
rechts des Rheines \on gleicher Nittionalität und Sprache; diAr I 
Völker an beiden Ufern des Rheines waren also ganz v» 
wandt, von gleichem Siamine, daher können nicht die Galli 
finks des Rheines, und die (spätem) Germanen rechts d 
Rheines, national rerschieden gewesen sein; die Völker lin 
des Rheines können nicht gallisch gesprochen haben, wenn diel J 
Völker rechts des Rheines gotliisch oder teutsch redeten , son-" i 
dem man wird dort wie hier gallisch , oder vielmehr keltisdi: - 
gesprochen haben. 

Dieser Nachricht des Cäsar nach war der Name Ger-f 
Ktani und Germania gar kein neuer, sondern ein alter, da maa' | 
wohl von Jeher als Gertnani jene vier gallischen VölkerschaC-- 
ten bezeichnete, die voi-zugsweise im jetzigen £1sass wohnten^) I 
und die itno nomine Germani appeliantur; diese waren ot— 
"fcnbar keine teutsclien, sondern gallische, keltische Völker-* 
•ehaften, daher ihr gemeinschaftlicher Name anch wohl kelti-l 
sehen Ursprunges sein wird, und dass er dieses ist, hat zuerst! 
Leo nachgewiesen (in Haupt's Zeitschrift für teutsches Alter- 
,Aum 1S45), und neuerlichst bat sich auch Grimm dazn be- 
kannt (Geschichte der lentscben Sprache 1848 S. 187); der. 
Name Germania für einen Theil des östlichen Galliens, linksi 
des Rheines, blieb auch wührend der ganzen römischen Zeit> 
besteben , wurde nur etwas weiter als anfangs ausgedehnt ;> 
denn Germania prima begriiF das gallische liuke Rheinufer,' 
von Basel bis Worms, Germania seciinda von hier bis zuia< 
untern Rheine, zu dem auch selbst die Balavi in Holland' | 

War der Name Germani nnd Germania auch ein altera« 
bekannter, aber sehr beschränkter, so war es etwas Neuea^ I 
dass dieser zur Romerzeit eine andere und viel weitere Be-j 
deutung erhielt, indem man damit vorzugsweise das jetzigei 
Teutschland bezeichnete, überhaupt die weiten Gegenden rech«( I 
des Rheines und links der Donau. Diese weiten Lander, bisi 1 
aur Ostsee nnd zur Weichsel , bildeten das alte Kcltikc aucli_ 
Galatia und Gallia, die Einwohner hiessen Kelten und Ga-{ I 
later, nur die nördlichsten Gegenden längs der Nord- undi , 
Oataee bildeten das Ht/perbnrea der Griechen, wo die Hj-*i 
perboreer wohnten. Alle , dies beweisende Stellen ans deal | 
Autoren hier anzuführen, würde zu weitlüuftig sein, man fin- 
det sie von A. ückeri (der gewiss kein Keltoraane ist) sehr- 



— 12 — 

fleissig zusainineogestellt^ in dessen ^Geographie der Griechen 
und Römer IL S und der Germania 1843 S. 71 > ^o es 
heisst: ^^die Griechen beEeiclinen die Bewohner dieser Ge- 
genden (von Germanien) anfangs als Hyperboreer^ oder Kim- 
merier, später als Kelten und Galater; auch die Römer spre- 
chen lange nur von Galliern, wenn sie die jenseits der Alpen 
wohnenden Völker bezeichnen. Zu den Zeiten der Gmbern 
und Teutonen (lOO v. Ch.) scheint der Name Germanen (für 
diese Gegend) noch nicht gebräuchlich gewesen zu sein , da 
die ältesten unserer Quellen sie stets Gallier nennen. Zuerst 
Cicero (43 t. Ch. ) erwähnt die Germanen unter solchen Ver- 
hältnissen^ dass ihr Name damals bekannt war; Diodortis 
Siculus (in der Zeit um Christi Geburt), erwähnt in seiner 
allgemeinen Geschichte die Germanen gar nicht, ihm sind die 
Anwohner der Donau und des Rheines Kelten, die nördlicher 
wohnenden Galater, bemerkend: dass die Römer den Namen 
Galater für alle Bewohner dieser Gegenden brauchten.*' 
Strabo (etwa 70 n. Ch. ) nimmt zwar die römische, politische 
Begrenzung von Germania an, nennt dessen Einwohner Ger- 
manen, legt aber dar: wie nationeil diese Germanen Ton den 
Galliern gar nicht verschieden wären. Auch spätere Schriftstel- 
ler gebrauchen noch den Namen Kelten, für Germanen, wie 
Dio Cassius (um 220 n. Ch.). 

Allem diesem nach bildeten die Länder längs der Donau 
und des Rheines, rechts und links dieser Flüsse, das alte 
Kellike, Galatia oder GaÜiay wozu das jetzige Teutschland 
und das östliche Frankreich gehörten; erst als die Römer sich 
in Gallien bis gegen den Rhein hin festgesetzt hatten, die 
einzelnen dortigen Staaten unter dem gemeinschaftlichen Na- 
men Galiia unter ihre Hoheit gebracht, unterschieden sie, in 
politischer Hinsicht, die Länder rechts des Rheines und links 
der Donau von ihrem Gallien, nannten diese Germania^ ei- 
gentlich Germania magna ^ und diese Bezeichnung, herge- 
nommen von Germania am linken Rheinufer, ging in die all- 
gemeine Litteratur über, um so mehr, da dieses Germania 
ein freies Land blieb, während die Gegenden links des Rhei- 
nes und rechts der Donau, römische Provinzen wurden, daher 
in politischer Beziehung vom freien Germanien sehr verschie- 
den waren. 

Diese politische Verschiedenheit war aber keine ethnogra- 
phische, die Völker in Germanien und Gallien gehörten der- 
selben keltischen Nationalität, hatten gleiche Sprache, Institn- 
tionen und Sitten: deshalb erkannten sich die belgischen Völ- 
ker in Gallien für Nachkömmlinge der Grermanen; deshalb 
waren die gallischen Völker, die nach Grermanien zogen, gute 
Germauen, die germanischen, die nach Gallien zogen ^ gute 



— 13 — 

Gallier. Straho «etzt die GleiclilLeit iiiiil d^ia Kcireiillkiim 
Gallier und GennaDCu auseinander, niiatril seine Uescbreiliirng 
der — scLon etwas romaiiisirten — Gallier »cm deu Germa- | 
neu her, iintersclieidet diese voü jenen nur dadurch: dass 
närdlirlier »011111811 und nicht romauisirt wären , wie sclion obea 1 
Th. U, S. S58 dargelegt wurde. Auch Cäsar redet gar | 
nicht von einer nationalen Verschieden heil der Gallier und ( 
Germanen; nachdem er {bell, gal, VI, 15) von den InsEitu- 
liünen und Sitten der Gallier geredet, sagt er zwar: Germani \ 
mrihum ab hoc consvetudine itiffertint, er bringt aber über 
die YeFschiedenheit dieser Völker gar niehts Wesen tüches bei, 
Jtemerkt nur: die Germanen kennten die römischen Götter 
I Jiicht, wären nicht so roioanisirt als die Gallier. — Allem dte- 
^^jtem nach begreift man par nicht, wie der Verfasser dam 

it, den Namen der Germanen mit den gallischen Twngrt • 
K,« Verbindung zu liringen, es scheint fa«t, dass diese Anfüb-- 
I fMug Tiillig aus der Lnfl gegrlHen sei, da sie mit gar nidi^ I 
I NDteirstützt wird. 



S-3. 

■ a. Sie (die Germanen) habe» die Erinnerung, tlass Her- 
|> cutes bei ihnen gewesen, der erste aller tapfcrn Män^ ' 
, und besingen ihn , wenn sie in die Schlacht gehen, 
.nmerkung. Hier wird Hercules genannt primuB \ 
wutium virarum furtium; in §.9 wird er als ein Gott er- 
kühnt, den man dorch Opfer versöhne {Herculem ac Maf' 
B^em concessis animalibtta placant); in §. 34. heisst es, bei 
.■ähnuiig der Friesen: „in dem Ocean selbst haben wir uns 
Fiflbrt Tersucht; es hat sich der Ruf verbreitet, dass dort noch 1 
I Jetit die coluMnae Hercttlia wören, sei es, dass wir etwas 1 
F irgend Grosses ihm zum Ruhme anrechnen.'' Wns diese i 
coluvitiae Berculis sind, wird nicht gesagt, ist auch nicht ] 
bekannt; violleicht können es die grossen, aufgerichteten Stein- ] 
pfeiler und Hünenhetlen sein, an dem das altfrlesische Land | 
reich ist (s. Th. I. S. 126, 143, 152), die dem keltischen 1 
Cultus angehören. 

Hercules war eine griechische, eigentlich phonizische [ 
Gottheil , die den Germanen wohl sehr fremd gewesen sein 1 
wird, da sie gar keine Götter im griechischen Sinne Iiatte*. 
Dieser germanische Gott, von dem auch gar nichts weiter §(►■ | 
Stigt wird, hat wahrscheinlich so wenig existirt, als die im 
rigen §. erwähnten Götter. 
I Auch giebt es bei ihnen jene Gesäuge (cf7rmi»R), durch ' 
deren Vorlrag^ baritutn gooannt, sich die Gemütlier 



— 14 — 

erhitzen, das Gluck der künftigen Schlacht auguriren; 
sie erschrecken oder erzittern, wenn die Schlacht er- 
klungen (terrent enim irepidanive, proui somdt acies). 
Es scheinen nicht Stimmen zu sein, sondern der Zu- 
sammenklang der Tapferkeit (virttttis contenttis). Er- 
strebt wird vorzüglich die Rauhheit der Stimme und 
ein gebrochenes Getöse (fractum murmur) , indem man 
die Schilde vor den Mund hält, wodurch die Stimme 
durch den Wiederhall voller und schwerer aufschwellt 

Anmerkung. Ein recht schwülstiger Passus, der mit 
einem Bombast von Worten doch eigentlich nichts sagt, als 
dass die Germanen mit einem Geschrei in die Schlacht gehen, 
was auch die Gallier und die Römer thaten^ und das Hurrah! 
unserer Zeit ist ganz ähnlich. Nach der ersten Zeile sollte 
man glauben, die Germanen hätten eigene carmina gehabt, 
die bei ihnen baritum hiessen, aber baritum ist ein lateini- 
sches Wort (das nicht keltischen Ursprunges zu sein scheint), 
welches das Schlachtgeschrei der Römer, auch das Elephan- 
tengeschrei bedeutet. 

c. Uebrigens meinen Einige, dass auch Ulysses auf sei- 
ner langen, fabelhaften Irrfahrt in diesen Ocean ge- 
kommen sei, das germanische Land betreten und As- 
ciburgium, am Ufer des Rheines belegen^ noch heute 
bewohnt, begründet und benannt habe. Ja selbst ein^ 
von Ulysses geweihter Altar, mit beigefügtem Namen 
seines Vaters Laertes, sei an der Stelle einst gefun- 
den worden; auch Monumente und einige Grabhügel 
mit griechischer Inschrift (monumenta et iumulos quos- 
damy graecis literis inscriptos), sollen auf der Grenze 
von Germanien und Rhätien noch vorhanden sein^ was 
mit Gründen zu bestätigen^ oder zu widerlegen, nich 
meine Absicht ist; Jeder mag es nach seinem Belieben 
bezweifeln oder glauben» 

Anmerkung. Die hier erwähnten Sagen, auf die der 
Verfasser gar keinen Werth legt, stehen nicht mit dem bis- 
her Erwähnten , überhaupt nicht mit den Sitten der Germanen, 
in irgend einem Zusammenhange ^ erscheinen um so überflüssi- 
ger, da sie gar nichts Positives enthalten. Asciburgium war 
eine Stadt am Rhein, deren Namen Ptolemäus erwähnt^ 
vielleicht das jetzige Asburg bei Mors, westlich von Duis- 



— 15 — 

bürg, wubia Ulysses wohl scliwerlicli gekommen sein mag. 
Wenn an der Grenze RhätieDs auch wirklich Monumente mit 
griechischer Inschrift gestanden haben, so kann man diese mit ] 
der Anwesenheit des Uiyssea, an der Mündung des Rheines, 
unmöglich in Verbindung bringen. 

§■ *■ 

Ich selbst Ircte der Meinung derjenigen bei, die da gUu- J 

beu, die Völker Gcrmauiens seien nicht durch Verhei- ] 

rathuug mit andern Völkern vermischt, sondern ein | 

eigener^ reiner, cur sich selbst ähnlicher Volksstamm ; 1 

daher denn auch die Körperbildung, ungeachtet der I 

grossen Volksmenge, bei allen dieselbe: wilde, blaue 1 

Augen, röthliche Haare, grosse Leiber, nur zum Att- 1 

griff kräftig, weniger dauerhaft bei Arbeit und Mühe.' I 

. Am wenigsten können sie Durst und Hitze ertrageoj^J 

an Kälte und Hunger hat sie ihr Himmel und BodeB^Q 

gew&hnt. "V J 

Anmerkung. Nach unserm Verfasser sind die Germa- I 

neu nicht nur Aiitochthouen , nicht durch Einwanderer Tcrun- I 

ireiuigt, wie schon j. S gesagt wurde, sondern haben auch j 

;i]^r Glut ganz rein erbalten, sich nicht mit andern Völkern' 1 

durch Heirath vermischt; dagegen sagt er §. 46, wie die ger- J 

manischen Peuciui sich durch Verheirathung mit Sarmaten we-' I 

sentlich TCrändert hätten; femer §. 38: dass der Rhein keinaj 1 

Völkergrenze bilde, gallische Völker wohnten in Germanien J 

und germanische in Gallien; auch die Donau bilde eine solche I 

nicht, da die germanischen Osci von den Pannoniern nicht Ter- 1 

schieden wären. Bei solchen Verliäl missen wird die bebaup- I 

tele Reinheit des germanischen Blutes etwas zweifelhaft. Bei I 

$, 2 habe ich darzulegeu gesucht, wie die Germanen rechti 1 

des Rheines von den Galliern links des Rheines elhnogra-^ I 

phisch gar nicht verschieden waren , die eigentlichen alten 1 

Germani ein gallisches Volk waren; daher werden die Ger- 1 

mani rechts des Rheines, an Korperbildung und sonst nicht, I 

verschieden gewesen seyn, von den Galliern links des Rhei-, 1 

aes, Cäsar {bell. gal. Vi, 21) redet auch von der Leibes- 1 

grosse und Stärke der Germanen, die er aber nicht Ton der Rein-, \ 

heit des Glules ableitet, sondern von der steten Beschäfligungj^ i 

mit Jagd und Krieg, der steten Arbeit, Abhärtung und späiea 

Verheirathung. Die rutilae comae waren wohl eigentlich I 

mehr blond als rothgelb, zum Theil wohl so gelarbt, worübec' i 

sich in Sprengel's Uebersetzung der Germania S. 98 meh- 1 



— 16 — 

rere Notizen finden. Warum die magna carpora nur tan- 
tum ad impetum, valida sein sollen, begreift man nicht 
recht. 

§5. 

a. Das Land ^ obwohl hie und da von verschiedenem An- 
sehn {etsi aliquando specie differt) , ist im Allgemeinen 
durch Wälder rauh, durch Sümpfe hässlich, feuchter 
(humidior) nach Gallien zu^ windiger {ventosior) nach 

. Noricum und Pannonien zu ; den Saaten gedeihlich^ un- 
tragsam an Fruchtbäumen ^ an Vieh reich ^ doch nicht 
an grossem. 

Anmerkung. Diese allgemeine Beschreibung, welche 
nicht einmal die Gebirge und Flüsse erwähnt, ist ganz werth- 
los. Die Bemerkung: Germanien sey nach dem Rhein zu 
feuchter, nach der Donau zu windiger, scheint mir keinen 
yerständigen Sinn zu haben. Frugiferarum arhorum im^ 
patiens heisst: untragsam an Obstbäumen, aber §. 10 wer- 
den Fruchtbäume, §• 26 Obstgärten erwähnt; auch ist jetzt 
das südliche Teutschland ausserordentlich obstreich, war es 
wohl stets. Zuweilen bedeutet im das Gegentheil von un; 
wollte man impatiens mit höchst tragsam übersetzen, so 
würde das in Hinsicht von ganz Teutschland auch nicht vaohl 
passen. 

b. Das Pflugvieh (armentum) hat nicht einmal seine 
Ehre oder seine Glorie der Stirn Qne armeniis quidem 
suus honor auf gJoria froniisy^ der Zahl derselben 
freuen sie sich, diese ist ihr einziger und grösster 
Schatz. 

Anmerkung. Die honor auf gloria frontis kann 
nur die Hörner der Zugochsen bedeuten, und dass diese den 
germanischen Ochsen gefehlt, kann wohl nur eine Lüge 
sein; denn dieser Mangel ist, ich möchte sagen, eine Un- 
möglichkeit. Da in den folgenden §§. mehrfach von den gier- 
manischen Pferden, ihrer Zucht und der vortrefflichen Cavalle- 
rie .der Germanen die Rede ist, so können die Pfiugochsen 
wohl nicht die solae et gratissimae opes gewesen sein. An 
der Zahl seines Viehstandes erfreut sich wobl jeder Land- 
mann. 

c. Oh Silber und Gold die gnädigen oder zornigen Göt- 
ter verweigert haben, bezweifle ich; doch will ich 






— IT — 

nicht behaupten, daas Germanien keine Gold- und Sil- 
bergänge erzeuge: wer hat es untersucht? 

AnmerkuDg, Dieser Passus sagt -wieder mit scliwalsti- 
"gen Worten gar niclits. Wenn der Verfasser von ilera Berg- 
bau in Germanien nur erwälint, dass er nichts davon -weiss, 
litte er seine Worte sparen können; wenn er aber scliliess- 
"licli fragt: -wer dies untersuclit liätle, bo giebt darauf der Ge- 
fcbicbts ehr eiber Tacitns die Antwort, welcher (Annal, XI. 20) 
'erwähnt; der röraiscbe General Curtius Rufiis habe fnm 47 
. Ch.) im Lande der Alattiakcr ein Silberbergwerk betrieben' 
und auf kurze Zeit einen geringen Nutzen gezogen, wobei 
'die Soldaten mit gearbeitet hatten. Wahrscheinlich wurde dio- 
■^»ec BTgbau im jetzigen Herzogtburae Nassau geführt, wo nocli 
eegenwärtig Silber und Blei gewonnen wird, wobei sieb die 
^euiliclisten Spuren von römischem oder keltischem Bergbau 
finden. Dieser Widerspruch zwischen unserm Verfasser i 
dem G Bchjditsch reiber Tacitus deutet bestimmt auf die Ver-J 
''schied enh et t heider Autoren, 

d. Durch Besitz und Gebrauch werden sie (die Germa- 
nen) zur Zeit (durch Gold und Silber) nicht gereizt , 
(jifficiuniur'). Es sind bei ihnen silberne GeiUssc za • 
sehen, die, ihren Gesandten und Fürsten verehrt, eben 
so gering geachtet werden, als andre; doch legen die 
-angrenzenden Volker, wegen der Sitte der Handels- 
l, leute, dem Golde und Silber einen Werth bei, sie ken- 
p, nen und wählen einige Formen unserer Münzen; die 
I' inneren Bewohner bedienen sich nach alter Weise bl»B 
■ des Umtausches der Waaren, sie achten (jirobanl'j das , 
alte und lange bekannte Geld, die Serrateu und Bi- i 
gaten. 

Anmerkung. Wenn hier auf etwas dunkle Weise ge- , 
sagt wird: die Germanen schülien Gold und Silber gar nicht, 
haben nur Tauschhandel, allein die Grenzvölker kennen 
Geld, nehmen aber blos einige alte Münzsorlen; so lehrt uns 
Litteratur und Archäologie das Gegentheil, und mau kann 
diese Sätze nur für unwahre ansprechen. So gut wie die von 
den Germanen gar nicht verschiedenen Gallier, werden auch 
jene stets und zu allen Zeiten Gold, Silber nnd deren Werth ' 
sehr wohl gekannt haben , stets wird ein Handel gegen Geld 
stattgefunden haben. 

Wie die Archäologie lehrt, so finden wir in den alteo 
germanischen Gräbern sehr viel edles Metall, besonders Gold, 
vielfach verarbeitet, meist reclit geschmackvoll; die Germanen 

Kefenldn, kilt. Atlerlfa. III. Bd. I, äblb. 2 



- 18 - 

müssen viel Gold gehabt haben , sie gaben den Todteh mehr ins 
Grab mit, als es jetzt der Fall ist, und kannten dessen Werth 
ohne allen Zweifel. Im Norden Germaoiens findet sich in den 
Gräbern das meiste Gold, und hierher kann es wohl nur durch 
den Handel gekommen sein. Der Handel mit Bernstein, der 
. sich seit den urältesten Zeiten über die ganze damals bekannte 
Welt verbreitete, war gewiss kein blosser Tauschhandel, son- 
dern wird grosse Massen Gold in Umsatz gebracht haben. Die 
Armee der Cimbern und Teutonen, die um 390 v. Ch. aus 
dem Norden Germaniejös nach Italien zog, war nach der Aus- 
sage griechischer und römischer Schriftsteller yortrefflich be- 
waffnet, hatte metallene Panzer, Helme, Schilde, verschiede- 
nen Schmuck, und als sie Rom eroberte, erhob sie eine Con- 
tribution von 1000 Pfund Gold, dessen Werth man daher ge- 
wiss kannte. Auch an eignen geprägten Münzen kann es den 
alten Germanen nicht gefehlt haben, denn durch ganz Ger- 
manien finden sich die kelto - germanischen Münzen, die aus 
ältester Zeit stammen werden; sie sind schüsseiförmig, auf der 
einen Seite convex, auf der andern concav, haben hier ein- 
fache, wohl druidische Zeichen, bestehen meist aus dem aller- 
feinsten Golde, weniger häufig aus reinem Silber, wie in Tb. I. 
S. 342 näher dargelegt ist. Römische Münzen müssen überall 
in sehr grosser Menge in Germanien cursirt liaben, weil sie 
so sehr häufig, fortwährend gefunden werden. Wenn es 
heisst: nur die an das römische Gebiet grenzenden Germanen 
kennen das Geld, weiterhin würden blos die alten romi- 
schen Münzen gekannt, die Serraten (alte römische geränderte 
Münzen von Silber) und die Bigaten (alte Münzen mit dem 
Zweigespann geprägt, wie Plinius 39. 3 erwähnt, die seit 
Jul. Cäsar nicht mehr geschlageü zu sein scheinen); so muss 
dies falsch sein, denn diese kommen höchst selten in Germa- 
nien vor, dagegen die Münzen aus der Kaiserzeit in unge- 
heurer Menge. 

e. Silber suchen sie (die Germanen) mehr als Gold , nicht 
aus Affection des Gemiithes (^nulla affectione animi)^ 
sondern weil die Zahl der Silberstücke dem Käufer 
vermischter und geringer Wäaren bequemer ist (sed 
quia numerus argentorum facilior usus est promiscua 
ac vilia mercaniibus'). 

Anmerkung. Werfn diese schwülstigen Worte sagen 
sollen: der kleine Verkehr mit unbedeutenden Waaren würde 
mehr in Silber als Gold geführt, so scheint diese Bemerkung 
eine sehr triviale und überflüssige. Uebrigens findet man in 
den germanischen Gräbern mehr Gold, als Silber, x 






- 19 — 

Nicht einmal an Eisen ist Ueberfluss, wie sich aus ^er 
Art ilircr Waffen ergiebt (ne ferrum i/nidem super- 
est, siciit p.r generc fetormn colligltiir). 

AnmerkuDg. Dies kann TCratändiger Weise mir heissen: 

die Waffen der Germanen beständen nicht aus Eisen; dann | 

doch gesagt werden sollen, ob sie aus HoU oder w 

lonst besiüiiden, aber ganz iu Widerspruch hiermit redet j 

1 folgenden §, von der scharfen eisernen framea als der i 

allgemeinsten WatFe Die Vor! reff liebkeit der gormaniscj 

iTfaffen ( die gewiss nicht aus Holz waren ) erwähnen nicht 1 

' iltein die Autoren, sondern sie hat sieb am besten gezeigt j 

rcli die vielen Niederlagen , welche die romiscbon Heere er- 



Seiten bedienen sie sich der Schwerdter (gladiis') und j 
der laugen Lanzen (majoribus lanceis)^ 

Anmerkung. Dieser Ftissus wird wieder unrichtig sein; 
lenn abgesehen davon , dass man in den meisten germanischen ^ 
Jräbern der Männer Schwerdter oder deren Reste findet, i 
Schwerdter daher eiue sehr allgemeine Waffe waren, so hatte« j 
;die Germanen daneben sehr lange Lanzen , wodurch sie sidl 1 
rzugfiweise auszeichneten, wie der Gesehich (schrei her Taeitu» | 
mehreren Stellen auadrücklicb erwähnt; so sagt er Annal. \i 
1 Chertrsci haslae ingentes ad vufnera facienda quam" 
fis procul etc.; ebendas. 2. 14: nee immensa Germana- 
rum icula, enormes hastaa etc.; ehendas. 2, 21: praelon- 
' ]ae hastae Germano}-um. Auch hier finden wir wieder eine | 

3 aulfallende Verschiedenheit in den Angaben unseres Terfai- 
iiers und des Tacitus, dass beide wohl schwerlich Eine Perscm ^ 
■ein können. Wie sich Tacitus die Bewaffnung der Gen 
en dachte, gebt aus der erwähnten Stelle (Amial. 2. 14-) I 
ervor,^ wo er den Germaniciis, als er seine römische Arn 
lie Schlacht fidirt, zu dieser sagen lüsst: die ungeheuren ' 
Ide {immensa scnta) und die enormen Lanzen {enormen 
Milae) der Germanen seien zwiscben Baumstriinken und 
liischholz weniger behende als eure Sjiiesse (pi/uf), Scliwerd- 
jr und anschliessenden Panzer; die Germanen hatten keinen* 
ßrnstpanzer (loricam, wohl von Leder) , keinen Helm ; ilite 
Schilde wären nicht durch Eisen oder Leder geschützt, son- 
dern Ton Flechtwerk oder dünnem Holz, und benialt (fuealo 
tolore); das erste Glied habe Lanzen, die folgenden Gliedet 
iBtten kurze Wurfpfeile {brevia tela). 



- 90 - 

b. Sie fuhren Spiesse (hastas), in ihrer Sprache frameas 
mit einem schmalen und kurzen . Eisen , aber so scharf 
und zweckni&ssig^ d&^ sie mit derselben Waffe, wie 
es der Verstand gebietet , in der Nähe und Ferne fech- 
ten (Juuias vel ipsorum vocahuto frameas gerunt an- 
gusio et hrevi ferro, sed ita acri et ad usum habili, 
ut eodem telo, prout ratio posciiy vel cominus vel emi- 
nus pugnenf). 

ÄDjnerkuDg. Hiernach führten die Gennanen nicht 
laDge Lanzen , sondern kurze ha$tae oder tela, vorn scharf, 
mit denen man in der Ferne kämpfte (also Wurfspiesse) , die 
germanisch frameae hiessen. Wenn es nun heisst , dass man 
mit dieser Waffe nicht allein in der Ferne, sondern auch in 
der Nähe kämpfte, so scheint mir dieses nicht möglich; denn 
ein Wurfspiess, der für die Ferne berechnet ist, daher leicht 
sein muss, kann — wenn Mann gegen Mann in der Nähe 
kämpft — unmöglich als zweckmässige Angriffs- oder Yer- 
theidigungs- Waffe dienen; wer so etwas behauptet, sagt mei- 
ner Ueberzeugung nach reinen Unsinn. 

, Die alte Litteratur weiss von einer Waffe, die von den 
Germanen framea genannt wurde, gar nicht, das Wort frc^ 
mea kommt nur bei Juvenal 13. 79 vor, wo eine framea 
Martis erwähnt Wird, ohne etwas Näheres zu sagen; aber es 
mag vorhanden gewesen sein und findet sich öfter in der 
nachrömischen Zeit. Not. Augustin. ep. 129. 16. Isidorus 
ortg*. 18, 6, 3 sagt: framea giadius ear utraque parte 
acutus y quam vulgo spathum vocanty framea autem di" 
ctayquia ferrea esty nam sicut ferramentum ^ sie fra^ 
mea dicitur , ac proinde otnms giadius framea. Die fra- 
mea war daher auf keinen Fall eine hasta, ein Wurfspiess, 
sondern ein stählernes Schwerdt, und was unser Verfasser ge- 
gentheilig hierüber sagt, dürfte wenig Bedeutung verdienen. 
Ob das Wort framea mit dem lateinischen ferramentum 
zusammenhängt, dürfte sehr zweifelhaft sein. Im Bretonischen 
ist framma das französische joindre, räunir, souder^ heisst 
daher schweissen, zusammenschweissen; framm ist jointure, 
soudure, ^das Gelöthete, Geschweisst^ ; möglicherweise kann 
framea hiermit zusammenhängen und einen geschweissten, 
gegerbten, gleichsam damascirten Stahl bedeuten, wie er zu 
Säbelklingen wunschenswerth ist, aber mit Sicherheit lässt sich 
hierüber nichts festsetzen. J. Grimm (Geschichte der teut- 
schen Sprache S. 514) sucht . einen Zusammenhang aufzustel- 
len zwischen framea , francisca und franci, der aber wohl 
ehr illusorisch sein dürfte. 



— 21 - 

Wiis liier unser Verfasser toh der fiamea und deren 

geriuHuiBcIienNii,mGu sfigt, verdient wohl keiiienGlaul)eii, scheint 

ein Scherz zu sein, den er sicli gemacht liiU. 

c. Der Reiler ist mit Scliild und framea zurriedcn, 

(las Fiissvolk versendet mich Wurfpfcilo (mhsilia), 

(fer Einzelne hat viele, die ungeheuer weit geworfen 

wer de II. 



An 



erkonp. Wenn die framea ein Wiirfspies» ""''i 1 
mn iiir.ht, wodurch sich die liier erwähnten m»ssi'*'' 1 



ri« unieracLie 
indergesetzt haben wurde. 



orgftUiger Schriftsteller ansein-'' 
Dn wir in fn^ -atlen permanisclien 
Gräberu Srhwerdier, öfter hier aiirh Reste von Pferdeu fin-' 
deti, üo iat nicht glaublich, dasa dem Reiter der Sitliel ge-'* 
telilt haben sullte, der ihm eine praktische Waffe ist. ' 

1 
d. Er (der germanische Krieger) ist nackL oder hat ei-ll 
neu leichten Mantel {sagulitm lere). Kein Prahlen mit, ' 
Pulzj die Schilde unlersclicideu sich nur durch ausge-, 
zeichnete Farben; wenige haben l'anzcr (Joricn), kaiitav I 
einer oder der andere hat eineo cassia oder gtilaa (wbbI 
beides Helm bedeutet). ''' 

Auinerknng. Das Klima von Teutschland wird in dei;i 
I germanischen Zeit vom jetzigen nicht wesentlich Tcrschieden' 
gevteaea sein, und eine Armee von nackten Soldaten war da^^, 
mala so wenig denkbar als jelzl: wer davon redet, kan 
Wühl nur einen Spass mit dem Leser m;icheu ; auch die Kriegs-- J 
uiäulel der Germanen waren schwerlich vun leichlCLn StolTe. 1 
sondern wohl von prober Wolle, vielleicjit in der Art, als sieM | 
jetzt die Bergscholten tragen. Von den Schilden heisst e», \ 
sie hätten sich tectisaimia cüloribua unierschieden ; was an 
die Worte von Tacitns „fucato colore" erinnert. Wabr- 
L acbeinlich hatte bei den Germanen jede gens oder jeder Clan ^ 
Pseine eigenen Farben für die Schilde und für die Mäntel, me 
es in Hinsiclit der letztern noch jetzt hei den schottischen 
Clans der Fall ist. 

-Im Gegentheil von dem hier Gesagten rühmen die grie-^* ' 
chischen und römischen Autoren die vortreffliche Ausrüstung't>« 
der germanischen Heere, besonders der Cavallerie mit siäh-t'|j 
lernem Panzer, Helm, Schild und Schwerdt, schon in depi-J 
Zeit um 400 v. Ch. Die Gallier gingen reich geschmückt, mitH 
goldenen Kelten ( torques), Arinspaiigen u. s. w. in diei ^ 
Schlacht, und so wird es auch bei den Germanen geweseaiti 



- 22 - 

c. Die Pferde zeichnen sich nicht durch Gestalt und 
Schnelligkeit aus^ sie werden auch nicht dressirt wie 
bei den Römern, die Kreise (auf der Bahn) zu ver- 
ändern; sie gehen gerade aus, oder mit einer Wen- 
dung rechts, mit so geschlossenen Kreisen, dass kei- 
ner der. letzte ist. 

Anmerkung. In die Worte: sed nee var.'are gyros 
in morem nostrum docenluVy in rectum y aut uno Jlejco 
dejciros agunt^ ita conjuncto orbe^ ut nemo posterior sit, 
einen verständigen Sinn zu legen, dürfte schwer sein; wenn 
aber im Allgemeinen nur gesagt werden soll: die Pferde der 
Germanen wurden nicht auf römische Art zugeritten, so dürfte 
dies eine ziemlich triviale Bemerkung sein. Viel verständiger 
redet Cäsar von den Pferden und der Cavallerie der Ger- 
manen, indem er {hell. gal. VI. 2) sagt: „Ausländische 
Pferde trifft man (bei den Sueven) nicht, aber durch täg- 
liche Uebung richten sie ihre einheimischen, schlechten Thiere 
derartig ab, dass sie die grössten Anstrengungen ertragen kön- 
nen. Des Sattels bedienen sie sich nicht; wenn aber ihre 
Zaiil auch noch so geringe ist, wagen sie es, den grössten 
Haufen (feindlicher) Sattelreiter anzugreifen. In den Reiter- 
treffen springen sie oft von ihren Pferden , kämpfen zu Fuss, 
während die Thiere in Folge der Abrichtung auf demselben 
Flecke stehen bleiben; erfordern es die Umstände, so ziehen 
sie sich schnell zu ihnen zurück.'* Aus dieser Stelle sieht 
man, wie die Römer, auch zu Cäsars Zeiten, die allergrösste 
Achtung für ■ die Cavallerie der Germanen hatten , die sich recht 
in Respeet gesetzt haben musste. 

d, Nach allgemeiner Schätzung ist die grösste Starke im 
Fussvolke, auch streitet man vermischt, bei, zum Rei- 
tertreffen wohl angebrachter und erspriesslicher Schnel- 
ligkeit des Fussvolkes, welches, aus der ganzen jun- 
gen Mannschaft ausgelesen, vor die Schlachtordnung 
gestellt wird. 

Anmerkung. Wieder ein recht unverständlicher Pas- 
sus; was aber hier dunkel und confus angedeutet wird, durch: 
mijcti proeliantur^ apta et congruente ad equestram 
pugnam velocitate peditum , quos ea^^ omni juventute de- 
lectos ante aciem locanty wird wohl dasselbe bedeuten sol- 
len, was Cäsar {hell. gal. I. 48) klar und ausführlich fol- 
gendermassen sagt: „Ariovist Hess sein Heer im Lager ste- 
hen, lieferte aber täglich Reitergefechte, denn hierin besitzen, 
die Germanen eine besondere Geschicklichkeit. Es waren 6000 



ifgeriDauisclie) Reiter und eben so viele Lochst behende nie 
■tapfere Fusssoldalen , iadem jeder Reiler einen lufanteristea ' 
SU seiner Bedeckung aus dem ganzen Ueere ausfrählt. Hit J 
diesen vermischen sich die Reiter in Trefieu, oder zieheii sidr f 
lliiif sie zurück, oder jene eilen diesen ^u Hülle. Heim Yov-< j 
tgeheii oder eiligen Zur ücli geben hat dieses FussTolk die <;rösst& i 
'Schnelligkeit, indem uian, sich an die Mähnen der Pferde hal-i \ 
tend, diesen im Laiü'e gleichkommt." Ziemlicli dasse 
wird auch ton den germanischen Diistarueii erwäluit (s. §. 4G).. 
e. Die Zahl (der Streiter) ist auch bestimmt, 100 {^cen- 
ieni') aus jedem Gau (jMgiix), danach uenuen sie sich' ) 
selbst. Was frülier eine Zahl war, ist jetzt ein Name 
und eine Ehre. 

Anmerkung, Wieder ein nicht tlnr verstund lieh er Pas-* | 

BUS, der sehr dunkel über die Organiiuiiion des germftnjschen 

*Heeres spricht. Wenn jeder pagus 100 Bewaffnete stellt, 

~ ~ ' es von Wichtigkeit gewesen sein, lu sagen, was unter i 

•pagus verstanden wird. Die Römer bezeichnen damit meist I 

feinen kleinen District, etwa ein Dorf; in Gallien uud Gei- , 

ist es gewiss ein grosser District. Cüsar (cit. loc. 
'VI. 1) sagt, dass bei den suevischen Germanen jeder pajut , 
1000 Bewaffnete stellte; was mit der Angabe unseres Verfas- 
hr im Widerspruche steht. Wenn unser Verfasser sagt! 
ttenleni bedeute nicht mehr eine Zahl, sondern sei ein «0- 
1 et Aonor, so hätte er doch dies näher bezeichnen sollend 
ist der Satz ganz unverständlich. 
[f. Die Schlachtordnung wird in Keilen aufgestellt. Vom 
Platze zu weichen, wenn man nur wieder eintritt, ] 
halten sie mehr der Klugheit, als der Verzagtheil ge- 
mäss. Die Korper der Ihrigen tragen sie auch in zwei-^ 1 
feihaften Schlachten zurück. Den Schild zurückzu- 
lassen, ist die grössle Schande. Der Geschändete | 
(igiiomimoaiia') hat weder das Hecht bei heiligen Uaud- 
luugen Qsacrts), noch im Raihe zu erscheinen. Vielei i 
■ ivelcbe die Kriege überstanden, haben die Schande ] 
durch einen Strick geendet. ^ 

Aumerkun!g. Wenn es bier heisst: avica per cimeOi ' 
Lcom/iOMi/ur , so erwähut der Gescbiclitschreiber Tacitn« , 
(.((AiJf^t II. IG ] dasselbe von den Batavern uud Friesen 
^propriia ctineis componit, — und Cüsat (1. 52) sagt! die ( 
lermanen haben die Gewohnheit , phalanges facere , 
jirohl ziemlich dasselbe sein wird. Auch die kellischen Jdiice^ I 



— 24 — 

doDier fochten bekanntlich in Phalangen. Den Schild zu ver- 
lieren mag ein Jlagitium praecipuum gewesen sein: ob dies 
aber — bei den Zufälligkeiten einer Schlacht — wirklich so 
hart bestraft wurde ^ als hier erwähnt^ scheint kaum glaublich^ 
besonders da ja alle Gefangenen ihre Schilde verloren. Nach 
Cäsar {bell. gal. VI. 15) traf bei den Galliern die Entzie- 
hung der sacra nur denjenigen, der sich dem Ausspruche 
der Druiden nicht unterwarf; so mag es auch in Germanien 
gewesen sein. Dass man die Verwundeten und Todten auch 
in dubiis proeliis zurückbringt , ist wohl eine triviale Be- 
merkung. 

§.7. 

a. Die Könige (reges) werden aus dem Adel (fwbilitate^^ 
die Heerführer (duces) nach der Tapferkeit (es viv'^ 
tute') gewählt. Die Könige haben keine unbegrenzte 
freie Gewalt, und die duces herrschen mehr durch Bei- 
spiel als Gewalt und durch Bewunderung ^ wenn sie 
umsichtig und vor der Schlachtlinie sind. 

Anmerkung. Was man hier von den Königen erfahrt^ 
ist herzlich wenig: die Hauptsache, wer die Könige wählt und 
welchen Wirkungskreis sie haben, wird gewöhnlicberweise über* 
gangen, auch über die duces wird nichts Verständiges gesagt, 
auch wird die germanische Benennung dieser Gewalthaber nicht 
erwähnt, denn rejs und dujc sind römische Worte, die in Ger- 
manien unbekannt waren. Viel verstand*-» fedet Cäsar 
über diesen Gegenstand, indem er (bell. * . ^^ I. 23) sagt: 
„Bei dem Angri£fs- oder Vertheidigungs - ; .^ einer ger- 
manischen civitas wird ein magistratus ( *r, Heerfüh- 
rer) gewählt, der diesem Kriege vorsteht, ( . . über Leben 
und Tod hat; im Frieden giebt es keinen i. ratus com" 
munis (kein allgemeines Oberhaupt), sondern * -^ principea 
regionum et pagorum (die Vorsteher der C -...vjne und Di- 
stricte) sprechen den Ihrigen Recht und vermu*v n ^^® Strei-« 
tigkeiten. " Der Ober - Feldherr hatte also grosse Gewalt 
und musste sie haben, denn jede Armee wird in sich zerfal- 
len, wenn ihr General nur durch Beispiel und Bewunderung 
einwirken solU Die reges unseres Verfassers bezeichnet Cä- 
sar wohl richtig als prinfipes regionum et pagorum, und 
giebt ihnen als wesentliches Attribut die Justiz. Reges im rö- 
mischen und unserm Sinne, d. u dynastische Regenten mit 
starker Regierungs - Gewalt, kannten die Germanen eigent- 
lieb gar nichts erst zur Römerzeit bildet sich hie und da et- 



was Aehnliches, aber ganz ausser der Regel, wohl Torzngs- 
weiae durcb lomischeo Eintluss. 

Um uns, hei den ganz Bparlichen Nachriclilen übet die 
gerinanisdie Verfassung, \oa dersellien mir t'in ohngefahcci ' 
Bild maciieu zu JsötiDeii, werden wir die etwas beknnnterB j 
Zustande in Gallien und Britannien zu berücksiclitigen lialien^ j 
die hier, besonders iin Fürstenlhume Wales und in Schüttland , 
noch bis in die neuern Zeilen hernberspielen , denn die kel-. 
tisch - britannischen Zustände dürften von den germaniscbe» i 
nicht seltr ferschieden gewesen sein. Hier wie dort gab i 
kein dynastisclies Königtliiim , als Centniin des Staates, aber | 
aufs innigste war dieser mit den alten (adeligen) Familien 1 
bunden. 

Die Susis des Staates war überall der Landbesitz; Geld^ 
Capiial und Gewerbe werden ohne wesentlichen Einfluss gewe-t, 
sen sein. INur der Grundbesitz verlieli dns Staatsbürgerrechti i 
und jeder Grundbesitzer war — in seinein Kreise — der Mit-« J 
regeiit der cii'iian, aber der meiste Grundbesitz war — wigt J 
Doch jetzt in England — iu den fJänden der alten Fainiliei^l 
oder Gesell! echter (gentes, rtobilitaa), die den wesentlichstMh 1 
EinÜuss halten. Diese Landgüter waren nicht Prii-ai-, g 
dem Familien- Eigen thum, konnten nicht Terüussert werden», 1 
und dasselbe war der Fall bei den grossen Ländereieu der Com- 
munen; selbst die Grundstücke der kleinen freien Eigenthn- 
iner waren schwerlich in freiem Verkehr; freies Grundeigeo- 
thum zu kaufen oder zu Terknufen wird schwerlich statt gefundeird 
haben. Jeder Grundeigenlhümer wnr gleichsam ein Souferain'f 
in seinem Lande, er war Mitglied der in Uirem Kreise regle-' 1 
renden National -Versammlung, nur dieser unterworfen, fröj '1 
von allen Staatslasten ; er erhob Abgaben Ton seinen Untet-J* 
gebenen, zahlte aber keine, ausser die er sich selbst aiiflegte.'J 
i>ie grossem Grundbesitzer , auch die Communen , gaben itir*1 
Land in Zeit- oder Erbpacht, oder gegen gewisse LeistungeiL^ 
an die grosse Klasse der sogenannten Unfreien, die für ihre " 
Person zwar frei waren, aber Abgaben leisten mussten , gar 
nicht in den Kreis der Staatsbürger gehörten, keinen eigenen 
Gerichtsstand hatten, sondern ganz in der Clientel oder den» 
Patronate ihrer Grundherren waren, an keiner National -Ver-'i 
Sammlung, in deren Händen vorzugsweise die Justiz lag, TheO- 
nehmen konnten. 

IDhs eigentliche Centrum war der Adel, bestehend aus deiü 
alten Familien (gentes) mit ihren Familiengütern, die meist 
wobi den Charakter der Fideicommisse hatten , denen ein Mai 
joratsherr Torstand (wie noch jetzt in England). Jede Fami-i 
, tie oder gens (cyn im Wälischeo) mit ihren Stammgütcm 
hatte ein Oberhaupt, und die Terwandten Familien hatten wie- 



— 26 - 

der ein allgemeines Stauunbaupt (pencenedl oder cyndej/rn im 
Wäiischen), als das gewählte oder geborene Oberhaupt des 
Stammes, wie der Laird des Clanes in Schottland, der na- 
türlich eine grosse politische Wichtigkeit hatte. Auch die an- 
gelsächsischen Fürsten (welche an die Stelle der einheimischen 
getreten waren) hiessen noch cyninges^ was im Lateinischen 
mit reges übersetzt wird. Diese cyninges oder pencenedh 
regierten und repräsentirten yorzugsweise die Familie, nicht 
eigentlich den Sta^jit, konnten aber zu Staatsämteru gewählt 
werden; ihnen lag es vorzüglich ob, die Genossen des Stam- 
mes oder cenedls zu beschützen, zu vertreten und im Allge- 
meinen die Yolksversammlungen zu leiten. Ein solcher cynin- 
ges 9 princeps oder reo: musste auch den nöthigen Aufwand 
der Repräsentation machen, hatte jederzeit eine Art Hofhal- 
tung, auch eine grosse Anzahl Vasallen, die ihm die Huldi- 
gung (^gwrhaw im Wälischen) darbrachten, die er meist er- 
nährte; aber Regent des Landes, in unserem Sinne, war er 
nicht. So etwa war das Verhältniss im Fürstenthume Waldes, 
wo die rein keltischen Institutionen am längsten bestanden, 
so ähnlich bei den Clans, in Schottland. So wird es ursprüng- 
lich in allen keltischen Ländern, auch in Germanien, seilet 
im alten Rom und Griechenland gewesen sein. 

I 

Im Allgemeinen war die germanische, überhaupt die kel- 
tische Verfajssung wohl eine sehr aristokratische; das Volk re- 
gierte sich zwar selbst , ganz ohne dynastische Regierung , aber 
dieses Volk bestand blos aus den freien, meist sehr grossen 
Grundbesitzern, diese repräsentirten den Staat; wer nicht zu 
diesen Grundbesitzern gehörte, also die eigentliche Masse der 
Einwohnerschaft, befand sich in einem sehr abhängigen Ver- 
hältnisse, war fast rechtlos; diese allein trug die Lasten und 
Abgaben. 

b. Uebrigens ist weder zu strafen, zu binden oder zu 
schlagen irgend Jemandem, ausser den Priestern^ er- 
laubt und nicht zur Strafe , oder auf des Feldherrn Be- 
fehl, sondern auf Geheiss des Gottes, von dem sie 
glauben, dass er den Kriegern gegenwärtig sei. 

Anmerkung. Dieser Passus lässt zweifelhaft, ob die 
Priesterschaft die einzige strafende Behörde, oder ob sie die- 
ses blos iuL Felde sei; dem Zusammenhange nach scheint 
die. letztere Deutung die richtigere. Eine Armee, wo der Gie- 
neral keine. Gewalt hat, blos durch Beispiel und Bewunde- 
rung das Ganze lenkt, und wo der Officier keine Strafe ver- 
hängen kann, eine solche kann keine Disciplin haben ^ ja ist 



— 2T — 

kaum denkbar; sollen bei derselben allein die Priesler strafen 
können , ao müsste eine selir grosse Anzabl derselbeu beim 
Heere seio , ttss allen Nacliricbten nach niclit der Fall gewe» 
sea sein dürfte. Nach der erwähnten Stelle beim Cäsar 
ataiid dem gewählten Feldlierrn das Strafrecht, selbst über, 
Lehen und Tud zn; die Officiere, nir.ht aber die Priester wer-y^ 
den die militairische Disciplin geübt hüben , dies Hegt auch 
wobl in der Natur der Sache. Bei der Differenz zwisclien 
unserm Verfasser und dem Cäsar wird man sich wohl ziiGun-p 
sten des leiztern zu entscheiden haben. ,. 

Der hier erwähnte Pajsns ist die einzige Stelle, wo un- 
ser Verfasser die germanische PriesterscLaft im AUgemeiaeiii 
erwähnt, und yon derselben rfjihrsclieinlich etwas Falsche^ 
sagt; dieses Still scliw eigen über einen höchst wichtigen Gegen-" 
stand dürfte ciu starkes teslimoninin paupertatis sein, Ci^ | 
sar (beii. gal, VI. 15} sagt von Gallien: es giebf hier i 
2 Klassen von (berechtigten) Leuten, die Equites (der Adel 
und die Grundbesitzer) und die Druidae (die Priesterschaft), 
das übrige Volk ist fast rechtlos, und erwähnt nun die Atlri- ' 
tute der Priesterschaf L Wie in Gallien , wird es auch in Ger- 
manien gewesen sein , wo offenbar auch die Priest crschaft einen 
höchst einfliiBsreichen Stand gebildet bat, wie schon die Tielen, 
den Colins angehörenden Denkmale nachweisen, die denen in 
Gallien und Britannien ganz gleich sind, Leider spricht Cä«4 
sar nicht von' der germauiäcben Priesterschaft und erwähnt nuct 1 
beiläufig (cit. loc. VL 21): Germani neque Druides Ao-v I 
bent, qui rehua divinia praesint, neque aacrificii» stu~x \ 
dent. Hiernach könnte es fast scheinen, als ob die Germa-i j 
nen gar keine Priester gehabt hätten, oder diese von den gal-1 
lischen wesentlich verschieden gewesen wären, dem aber vie[<4 
leicht nicht so war. Wie wir ans den Verhältnissen Bi 
niens wissen, waren Druidae nicht sowohl Priester, soi 
höher gestellte Geistliche, etwa vergleichbar unsern Biacliäfen^l 
die den wäliscben Kelten (in Britannien und Armorika) eigen- f 
thümlich gewesen zu sein scheinen , daher bei den ciinbrischearl 
Germanen wohl vorhanden gewesen sein mögen. Die gällscheiv-l 
Kelten scheinen solche Druidae nicht gehabt zu haben, 
fehlten auch wahrscheinlich bei den belgischen Völkern inGalK'.J 
lien and bei den suefischen in Germanien , die Cäsar vor-i I 
zugsweise im Auge hat. Die Worte: qui rebus divinia prae-^. 
sint, deuten auch wohl auf eine hohe Stellung. Da die Ger-' 
manen keitie besondern Götter hatten, konnten sie diesen nicht< 
opfern — ttc sacrijictis atudent — wie die Römer und ro-. 
mnnisirten Givllier, die Cäsar gern als die eigentlichen GaJ- 
Her darstellt. 



— « - 

c. Bilder und Zeichen (effigies ei signa) aus den Hainen 

entnommen^ werden in die Schlacht getragen. 
Anmerkung. Dieser kurze Passus steht in keinem 
TCrständigen Zusammenhange mit den übrigen Sätzen de» §. 
und giebt keinen eigentlichen Sinn; denn man fragt: was sind 
denn die effigie» et signa ^ welche sie de tr acta lucis in 
proelium ferunt'i Nach §.9 hatten die Germanen keine Göt- 
terbilder, auf welche sich die effigien wohl nur beziehen 
können. Der Geschichtschreiber Tacitus sagt {hislof\ IV. 
22) auf ähnliche Weise von den Germanen: depromptae «7- 
vis lucisque ferarum imagines^ ut cuique genti inire 
proelium mos est. Diese imagines ferarum dienten viel- 
leicht als Feldzeichen, wie unsere Fahnen und die römischen 
Adler. 

d. Ein vorzüglicher Reiz zur Tapferkeit ist^ dass nicht 
das Ohngefahr, oder die zufallige Zusammenhäufung 
eine Schaar (turmam) oder einen Keil {cuneum) bil- 
det^ sondern Familien und Verwandtschaften, auch in 
der Nähe die Pfander (der Liebe} sind, von wo man 
das Schreien der Weiber^ wie das Wimmern der Kin- 
der hört. 

Anmerkung. Ueber die Organisation eines germam'^ 
sehen Heeres sagt der Verfasser gar nichts, sondern bemerkt 
nur: wie die Truppen nach den Familien zusammenständen; 
was allerdings mehr als bei den besoldeten römischer Legio- 
nen der Fall war. Das ganze Wesen des germanischen Staa- 
tes basirte auf den alten Geschlechtern und Stämmen; jedes 
Fapoilicn- und Stammhaupt hatte seine Verwandtschaft, wie 
seine Vasallen um sich, ähnlich wie noch bis in die neuere 
Zeit in Schottland die Familien zusammenstanden, jeder Laird 
seine Clanschaft führte. Auch in Roms alter Zeit stand jede 
tribus (tref im Wälischen) zusammen. 

Jede keltische Armee, auch die germanische, wurde wohl 
von eiiier Anzahl Weiber begleitet, die theiis Priesterinnen 
waren, die Schlacht augurirten {wie aus Cäsar bell. gal. I. 
ÖO hervorgeht), die Truppen anfeuerten, theiis das Amt der 
Aerzte versahen, theiis für den Unterhalt der Truppen sorg- 
ten da es keine Intendanturen gegeben haben wird, jedes 
Stammhaupt für den Unterhalt seiner Begleiter und Vasallen 
selbst sorgen musste. Schwerlich zogen aber im Allgemeinen 
die Frauen der Krieger mit ins Feld, ausser etwa bei einer 
bewaffneten Auswanderung. Jede germanische Armee mag 
einen bedeutenden Tross yon Weibern gehabt haben, aber die 
Kinder wurden wohl schwerlich mitgeführt. 



— M — 

e. Diese (Weiber und Kinder) sind Jedem die heiligsten 
Zeilgen, die beredtesten Lobrednor. Zu den Müttern 
und Frauen werden die Wunden gebracht, diese 
scheuen sich nicht die Verletzungen zu zählen und za ' 
untersuchen; den Kämpfern bringeu sie Speise und 1 
Ermunterung. 

Anmerkung. Der erste Satz ist eine einpfindsame Ex- 

pectoratioD ; dann wird ermähnt, wie die Weiber für die Ver- 

wuodeten und Hungrigen sorgten. 



a. Man hat Kunde, dass öfter die wankende und gesun- 
kene Schlachtordnung durch die Weiber hergestellt 
wurde, durch ihr slandhartes Bitten, ihre vorgehal- 
tene Brust, durch Mahnung an nahe Gefangenschaft, 
ii'elcbe sie am meisteu im Namen ihrer Weiber fiirch- , 
teten. i 

Anmerkung. Dieser Passus gehört eigentlich noch zum 
Torigen 5. und gieht nidit Stoff lu speciellern Bemerktingen. . 

b. Daher der Geist der Staaten strenger gebunden er- 
scheint, wenn unter den Geissein auch adelige Damen* 
verlangt werden. 

Aotnerkuug. Wenn es, lieisst; animi chilalum efj^ 
cacUia obiigentur, giitbus inter ohsides pvellae quoque , 
nohiiea impcrantur , so acbeint dies etwas auiTällig und acliwnU 
stig ausgedrückt zu sein. Bei allen keltiaclien Völkern, so 
auch Wühl bei den Germ.iner, bildeten die Familien, um di« 
sich alles drehete, ein Ganzes, zu dem auch die Fraiienziin-« 
mer gehorien, die daher wolil gern als Geissein angennmmen ' 
wurden, da die ganze Familie oder der Stamm dafür haftete), 
was mehr Sicherheit gewährt, als wenn die Kranen — wie bei 
uns — nur in der Gewalt des Ehemannes oder Vaters sindi 
Auch im alten Griechenland nahm man deshalb weibliche Geis^ 
sein an. 

c. In ihnen, den Weibern, glaubcu sie, sei etwas Heili- 
ges und die Zukunft Ahnetides; ihren Ratli verwerfen 
sie weder, noch vcrnachlüssigen sie ihre Aussprüche; 
Wir haben gesehen, wie unter dem vergötterten Kai- 
ser Vespasian, die Veleda meistens tTir ein göttliches 
Wesen (/o«i numinis} betrachtet wurde, aber früher ' 



- so — 

' hat man die Anrinia und mehrere andere verehrt^ nicht 
■ dureh Anbetung , oder als ob sie sich zu Göttinnen ge- 
macht hätten. 

Anmerkung. Hier kommt der Verfasser auf das sehr 
wichtige Institut der germanischen Priesterinnen , von dem wieder 
niclits Näheres und Klares gesagt wird; nicht einmal den germani- 
schen Namen der Priester in oder Wahrsagerin nennt er, obwohl 
er nur Ton diesen spricht. Etwas ausführlicher redet über diesen 
Gegenstand der Geschichtschreiber Tacitus, indem er (At»^or. IV. 
61) sagt: der (römische) Legat Lupercus wurde (im J. 71 b. 
Ch.) mit Geschenken an die Velleda gesandt, einer Jungfrau 
der Bructerer, die weithin befiehlt (late imperitabat) , ver- 
möge einer alten Sitte der Germanen, nach welcher sie viele 
Weiber für Wahrsagerinnen (pleras feminarum fatidi€ms) 
HTid bei wachsendem Aberglauben gar für Göttinnen halten. 
Damals stieg das Ansehen der Velleda sehr hoch, weil sie 
den Germanen Glück, den Römern den Untergang prophe- 
zeiet hatte; ferner heisst es (cit. loc. IV. 65): als die Tenk- 
terer auf diese Weise besänftigt waren, wurden Gesandte an 
Ciirilis und die Velleda mit Geschenken gesendet, aber Yor 
der Velleda zu erscheinen und sie anzureden, ward abge- 
schlagen; sie selbst war in einem Thurme {edita in turre), 
und ein Verwandter war ausgewählt, der die Fragen und Ant- 
worten (consulta et responsa) überbrachte. 

Später, unter Domitian, wird eine Ganna als berahmte 
Wahrsagerin erwähnt. Die von unserm Verfasser erwähnte 
Aurinia, ist in der Litteratur nicht weiter bekannt. Viel- 
leicht ist der Name dieser augurirenden Priesterinnen bei den 
Germanen im Allgemeinen Alruna gewesen, da im Altteut- 
schen die Wahrsagerinnen Alrunen heissen, welches Wort zu- 
saminenhängen mag mit Runen (den nordischen, aber wahr- 
scheinlich druidischen Schriftzeichen, s. Th. I. S. 351) upd 
mit run im Gälischen, d. i. Geheimniss. 

Strabo (II. §.1) erwähnt speciell die Priesterinnen der 
dmbrischen Völker in Germanien, indem er sagt: das cimbri- 
sche Heer (welches um 113 v. Ch. aus Nordgermanien gegen 
die Römer nach Gallien und Italien zog) begleiteten Weiber 
und weissagende Priesterinnen, grauhaarig, weiss gekleidet ia 
feinen Linnen, mit angehefteten Obergewändern und einen 
^hmen Leibgurt tragend, barfüssige Frauen, welche die Ge- 
fangenen opjferten^ aus deren Blut und Eingeweiden sie weis- 
sagten. — Hier giebt Strabo in wenigen Worten viel mehr 
Thatsächliches 9 als unser Verfasser. 

Wie die Germanen, so werden alle keltische Völker au- 
gurirende oder weissagende Weiber gehabt haben; in Gallien 



— Sl — 

kennt man soklie bis in die spätere Zeit; .mcli bei den alt- 

^griecliiaclien Orakeln, selbst in Delplii, Wtiren es ToiTogs weise 
Weiber, die augurlrlen. Nachklänge liiervon baben sieb dnrch 
»He Zeiten' erlialten ; selbst nocli gegenwüriig ist das Wahrsa- 
^n ein Attribut der Weiber. i 

§.9. 
a. Von den Göttern eJiren sie am ineisleo den SIcrciiriuSj 
den sie an gewissen Tagen selbst mit Menschenopfer' 
zu versöbnen für Recht halten (^kunianls fiostiis lifare 
fas habenf). Den üerculcs and JUars besänftigen sie 
durch dargebrachte Thiere. 
Anmerkung. Mercuriua, Hercnles wnd Mars waren 

troinbcli - griechische Gottheiten , deren Ciill Ton den semiti- 
schen Volkern berstamnieu wird, und man begreift uiclit, wie 
diese nach Germanien kommen, 'wo, ^e bei den keltisclieit 
> Völkern , eine panlli eis tische Religinn ohne persouüicirtc Götter 
geherrscht hüben wird. Ein Cult solcher Götter lasst »ich ohne 
Götterbilder und Tempel nicht wohl denken, diese aber kann-* 
ten die Germanen nicht , wie unser Verfasser in folgendem 
Passus selbst sngt. Mercurius war der Gott des Handels; nach 
unserm Verfasser trieben die Germanen nur Tansdi , keinea 
Handel, mit Ansnahme einiger Grenzvölker; man begreift daher 
nicht, wie die Germanen den Gott des Handels vorzugsweise 
hytten verehren sollen. In §. 3 wird Hercules nur als eiii< 
besonders tapferer Mann, hier als ein Hauptgott bezeichnet^ 
was sclilecbt znsammenpasst. Cüsar erwähnt den Cnllus der 
Germanen ganz kurz und beiläufig, indem er {bell. gat. VI. li), 
sagt; die Germanen haben keine Uruidae (höhere Geistlich- 
keit), die der Religion vorstehen, sie befieissigen sich nicht der 
Opfer (auf römische Art); zn den Gottheiten rechnen sie bloa 
die sichtbaren, deren Eintluss sie fühlen, Sol, Vulcames und hu- 
na, die übrigen (römischen) Götter kennen sie nicht einmal 
durch das Gerücht. < — Dies klingt ganz anders als bei unserm 
Verfasser, und durfte den Verhältnissen gemäss sein. In der 
p an th eistischen Religioa mag man Sonne, Mond und Feuer als 
Ausflüsse der allgemeinen Gottheit verehrt, aber nicht personi- 
ficiit haben. 

Wenn es bei unserm Verfasser heisst: man habe den Mer- 
cur durcli Menschenopfer versöhnt, den Hercules und Mar», 
durch Thieropfer besünftiget, so wird das irrthüinlich sein, weil, 
die Germanen keine personificirien Gottheiten hatten, die sie^ 
versöhnen konnten. Allerdings opferten die Germanen auch,' 
selbst wohl Menschen, aber nicht zur Versöhnung der Götter, 



wie die Griechen , sondern um ans den Opfertfaieren die 21a- 
kanft zu ersehen; was etwas ganz anderes ist. 

Cäsar (bell. gal. VI. 17) sagt von den Galliern: ihr er- 
ster Grott bt Mercurias, nach ihm folgen Apollo^ Mars^ Ju- 
piter, Minerya (welche Stelle unser Verfasser yielleicht yor 
Augen gehabt hat), aber er meint hier offenbar die romanisir« 
ten Gallier. 

b. Ein Theil der Sueven opfert der Isis; nicht leicht be- 
greift man , worin die Ursache und der Ursprung sol- 
cher fremden Verehrung liegt , wenn nicht das Bild 
selbst (Signum ipsumyy nach Art einer liburna gestal- 
tet, den zugefuhrten Gottesdienst verräth (adveciam 
religionem docef). 

Anmerkung. Dieser Passus wird sehr unverständlich 
durch den Schluss: nisi quod Signum ipsum in modstm li^ 
bumae Jiguratumj docet advectum reli^onem. Libaniia 
war ein Küstenstrich in lÜTrien; libumia sc navis war ein 
leichtes illjrisches Küsten -Fahrzeug« Wie kann man die (ägyp« 
tische) Isis in Form eines liburnischen Küstenschiffes yerehrt 
haben'? dies hat doch gar keinen verständigen Sinn. Uebri- 
gens war der Isisdienst im romischen Staate ziemlich yerbreite^ 
und sonderbarerweise werden auch am Rheine, an der DoaaOy 
auch selbst in Schlesien (s. Budorgis von Kruse &43) 
unter den römischen Alterthümern , thonerne Idole der laiS) 
auch anderer ägyptischer Gottheiten gefunden. Von den Ger- 
manen wurden diese wohl schwerlich yerehrt. Sollten vielleidit 
phönizische Kaufleute, die fast überall Niederlassungen hatten^ 
auch Germanien besucht haben? 

c. Uebrigens halten sie (die Germanen} dafür, wegen der 
Grösse der Himmlischen Qcoelestium) weder die Götter 
in Hauern einschliessen (ßarieiibus cohibere), noch ih- 
nen irgend eine menschliche Gestalt geben zu dürfen 
(ktMUini aris speciem adsimulare). 

Anmerkung. Gewiss hatten die Germanen, wie alle 
keltischen Völker weder geschlossene Tempel noch Götterbilder 
in menschlicher Gestalt, wie die Griechen und Romer ^ welche 
diese Gegenstände yon den semitischen Völkern entlehnten $ 
aber ohne Zweifel hatten sie etwas Analoges. Die mächtigeB 
aufgerichteten Steinpfeiler, die sich in sehr grosser Zahl über 
Teutschland, Frankreich und Britannien y erbreiten' (s. Th. I* 
S. 264), theils einzeln, theils in grosser Zahl und eigen« 



- 3J - ~ 

tliiimlichen Grupfiea (cit, Iocp S. 26fi) , andererse!tB aber die 
cj'rlupischen Burgen und Mauern ia den genannten Landern, 
wie in Italien und Thraxien, die aus ähnlichen gauz Ungeheuern 
Steinquadern bestehen (cit. loc.S.286), ohne das« sie cineo prak- 
tüchen Nutieo gewahren konnten, gehörten ofTenbar dem Cultus 
an, hingen wohl zusammen mit einer SteioTerehning, nach wel- ( 
eher der Stein an sieb, der möglicbst robe, für beilig eracliiel^ 
für den Reprüsentanten der allgemeinen Gotlheii, des roakra^ 
kusmischen Erdkörpers erachtet wurde, aus dem das mikroko»- 
iniscbe Leben hervorgeht (cit. S, 2S2); daher waren wojil 
diese Pfeiler Gruppen, wie die cyclopisclien Steinbiirgen bil- 
lige, der allgemeinen Gottheit geweibie Statten ■ — gleichsaht 
Tempel^ nur in viel allgemeinerer Art als hei den Griechen, ia 
denen die Gottheit waltetCj wo wahrscheinlich die grossen Ver- 
sammlungen der Priester üod der Völker geballen wurden. Wie 
hier i^.er religiöse Sinn im Grossen für die Viilker befriediget 

.-^urde, so dnrfte »uch im Kleinen für jede Haushaltung, für 

:<die Familie auf ähnliche Art gesorgt gewesen sein; die germ»- , 
jiücben Anticaglien au3 Stein, meist in Form sogenannter Don- 
nerkeile, die praktisch nicht zu verwenden waren, in ungeheu- 
rer Zahl über Germanien und alle keltischen Länder verbrei- 
tet sind, dürften Sinnbilder der Gottheit für das Hiius, um diesei 
tind seine Bewohner zu wahren , gewesen sein , wurden wahi^ 
schciolich Ton der Priesterschaft geliefert und geweilit (cit. loct 
S. 4U2); sie waren wohl nicht wesentlich verschieden von den • 
Penaten der Römer und den BütjUen der Griechen. 

Zwischen dem römischen und germanischen Cultus lag ge- . 
wiss eine sehr grosse Klufi. Weil die Kellen bei ihrem Pan- 
theismus nur ein Sjmliol für die allgemeine Gottheit hatten, i 
gar nicht für Th eile derselben oder einzelne Götter; weil aber 
andererseits die Römer bei ihrem Polytiieismus , gar kein Sym- 
bol der allgemeinen GottJieit, sondern nur Symbole der ein- J 
zeluen Götter hatten: so kosnie man sich kaum mit einander i 
verständigen. Wollte aber ein so umsichtiger und kenutniss- 
reicher Mann, wie Tacilus, über den Cultus der Germanen 
schreiben, so wflrde er wohl über das Wesen des germanischen 

-Cultus und seine Verschiedenheit von dem römischen etwas Kla- 

-ces gesagt haben. 

Wenn mau den Germanen Tempel und Götterbilder ab- 
spricht, gleichwohl ilmen einen Cult beilegt, der ohne diese 
kaum denkbar ist, so möchte dieses einen offenbaren Wldep- 

' Spruch involvircu. 

d. Sie weihen Haine und Wälder und bencnneu nach den 
Oöller-Namen das Heilige (secTfitutn}, das flif ,, (i|lleiB j 
mit Ehrfurcht betrachten. , ,^. ' ,„• -.^.,,., 

Krrersiriii, helt, Alterlh, lU. Bd. I. Abth. ' '' "Ij ' J 



— m ^ 

'''* 'Atiiii^tkong^;' Mab diu^S hkii fHk^eil-i'Wle ttbdl'W<>£ir w«t- 

'ifi'^Ht^ j^lita^n eineb kinren Sion ^^^t«t«iimeiiy selbst wi»ili 
^h Aodi itoit Död'ei'leitt mbeif8«t2t><Tbciti £reiib»tiia 1^50): 

-ydlli^ W^lf^n-,- da« 'ittiil'ikl^^nbetei^er Geist ^^^ ttiit Get- 

-tl^iAn«^ tiiU ' Aßt '^^tlheii(^t^ das» Gdttertiaill^b auch' Götter toi*- 
^Hiiiiet^^A. Hiernach 'jgeAr* etf'alk» in CetinslAieii gewisse Wil- 
■^,"dlef ^heiligt ((^«»ew**»/!?)' warfen >' doch WoM' ^iirdi dk 
Vrim^täclmfti hieff Wnvdett Aa^h d^m f\»IgeMde» ' i|b die* Bf^rie 
<för''dib Ati^iieni'üiitt&ffaalteri', ^ttd <§. 40 >^1räliotfM()ep' Y«^fci»- 
'8^ dtfeti -sökheii Mt^ffiif^ rtt«^tiifi'ell^ Wohtmng eiii«r Götttn 

• 644r ihl^ ' Wögen» J ab^ ' säfe • ÖertbMiöö wenden ' »(wiö die Gat- 
ÜI^'WÖÄ ftntanlii^r) giir kfeidfe speclellen Göttöt- Hmd Bilder der- 
'il^lbttii'^^habtliäbeii;' deshalb g^beiiig<(e 'Wä^er sdieinen ^- 
-iv*^ )^röbteinati9cb; IVäteh -kelti^h;^) ßänthetsri^Oheü Begritf^ 
-ität^ V^'dhl jtid^ 'Bfttitti, Wie jfede Qtielfe, ei» Atttftöi» der Oo«t- 
-!<^t,' ^äheir id' g^WisIffetHinfsi^^ht'be^e^if und heutig. ' Das «igeiit- 
ii(^h%%Ab(>l d<er Gottheit W^en 'wofhl die el^wähnttfa ÄiiifgeridH 
"^l^ «•8teitit)teitert Weätt* ^ dietfe In ^^^«^ 'W^lde staüdeia, <^ 

-iWäg'dS^cjVdadöVfch Adligem- geirwäeÄ seirf:»^' •. - • 

• '•' -AÄefe 1^4 in2 difesfett-gab^A ^. nbdf dfeb CultHSs d(ir Oentea- 
'¥ybt gfes^gt wird^ dürfte »ötiiiklar seiii^'da^>darüuf kati^^i^r 

Werth zu ••lfegett=siiö' mochte. •'• *•''• ^ •»«' -i^ ■''/./. vi> a'M-..-.-.'' 

-• ■• • '..' '.'I-J '. ..••.J| .•./!< Ili.l.x 

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'ii: >siei>slMfl( ztt Rathe. Ifiiefs^^h.isi die Art dies IjOoMk 
^ '' 'HItt' PHiChtbauin^^Zwiftig wird Iä Röiä^ getheilt^ die 
" "'ito^iilii 'geJwtöar^ Xtetchött üiiteräcfcdeidfeh, dÄfih übet ein 
li' > ; W^i'S®.^? Gewänq «acb Ol^rige'^hr imd ZvithiJ^ ^\v^S^ 
stir^Hl^t: werden } iiiei:«uf h^bi :bi9i offenUicbeii Verband- 
lungen der Staatspriester {sacerdos cinittdü^^ liei Vefv» 
HäiM^Yrg^ bli^ä ^WKües tfei^-Ffttnitienfät^r^ drei ein- 
^^ j'i^üb ai^^ 'iiiaiSiii eY ^^z^^^ Cöttern betöl, Sehiö Au- 

gen genlfiininell richtend /und deutet di<ß^ naotii den 
angemerkten Zeichen. Sind diese verbieterisch , so 
' [MM 'M Atigeüg(bnk6ii keiiib'' Waltere Öfe^alÜiÄti^ im 
"^'''fiieSötn tägfeV siAd öt6* g^dÜi^^^ W Vbd tfiJcTi* l^fel^tim- 
mung der Auspicien verianifft^' ' ' ' ! >. i i . . . ., 



-< 



-«! 



— 3rj — 

" 'ATitnerkHng. Urnpr VerfaMCr iiutcrsrliö'ulet hier zwi- 
schen auDpicia niid wrie», scbeiiit aber leir.teie doch our tila 
eine beaondcre Art der ersicMi lu betracliteii. Wa» liier vieVt- \ 
lätffig üder die softes gesngl ist, die des Auspicien voHiergl^ i 
Ji'eti Hnll'cn, wird in der LitlernUii^ nkbt weiter ernJiliiii und d^ 
Wülirheit muss^ dahingestellt lileiben, um so mehr, d» übttr 
äte Zeidhen und die Ueütung derselben gar niclitü LeigehracK^ 
das Wichtigste übergingen wird. '• 

b. Auch hier ist es gebränthlich, die Stimmet] uiiä d«i 
Ffuo; der Vögel zu Iieobacblen; eige« ist dem Volb^ 
auch, von den Pferden PropLezciuiigcu und Mahnuii-f 
^en zu eutnchmon. In jenen Hainen und Wftldern wer- 
de» öifeutlii^li weisse ITerde unlerhalten, von keiner i 
sterblichen Arbeit hofleckt; diese geschirrt an den hei- 
" ligen Wagen, begleitet der Priester und König oder i 
der Fürst des Staates, beobachtend das Wiehern udd j 
Schnaulteu d^rselb^n. Kein Auspiciuiti hat grosseren 
Glauben, nicht allein beim Volke, sondern auch bei d«it - 
Vomchiuen otler Priestern, die sich selbst für Diener 
■ der Götter, jene (die Pferde) für Miiwiaser (der üöt- 
' ter} halten. Es gicbt noch ehie andere Beobachtung 
der Auspicien, wodurcli der Ausgang schwerer Krieg^^ 
erforscht wird. Ein auf irgend eine Art gemachter 
Gefangener des feindlichen Volke» wird einem Ansei» 
wählten des eigenen Volkes, doch jedor mit den Waf-« 
fen des eigenen Landes, gegenüber gestellt; der Sie^ | 
...ivqu di^acni «der jenem wird als Vorbedeutung gc— '] 
iionttnen. 

Atiinerkung. Hier iü Ion den eigeniliclien Aitspicietf.i 
die Tilade, von denen S Arten angegeben werden; i) die DeobJ,] 
aehliing der Vögel, die sehr Vefhreiret bei den keltischen VölkertfJ 
ge*'es^ii seiii wird; 2) die l3enliaehtii((g der lieilipen. Pferde^,- ;! 
diö" — Bo -viel mir erinncrlicli ist — in der Litterafur nicM , 
W{;Iier erwülnit wird, und 3) der Zweikampf. '- 

'' Bei den Römern, .iiich wohl bei allen keltischen Tölkemi' 
(!»!) es" noch vielniohr Gegenstände, aits denen nrtgutn't' wnrd*!' . 
Wie ans dem Blitz, dem Donner, überhaupt an» N.iturersrfieii*' 
n'ifngen,' ferner aus dem UInte und den Znckiingen der OpfetM* J 
thicre, Sölbst der geopferten Menschen; so wird es awch it? ] 
CJ'ermatlien gewesen sein. Nicht' jeder, der iiir Prieste^»cbaf^ i 
gehSrie, könnte und dnrfte angürircn; om dies zn körfnenj" J 



— 36 — 

-iMHst«>iAian''äie dahin eisscUagende heilige < iWlitenacWt sto- 
«Airtiihabän,' eäaet eigene» Klnue der. ]PrteMersclbiA.>«ngebär*ii. 
-Vnieri Vepfaner .enrühnt tiieltt iden^ ^ermnni&clieBiiNaHten.fir 
-dofli iaDguriKiideD Prieiterr dieiier heiastL-bei denr-välifohM 
■KeUen' oft/da und prophivi/d^ bei den güIiscbeaiK^Ue* ßaidi, 
Tfääh^ {«ohßT Vate», Eubatet der Eomer}') jiropktv^avi im 
(WülUcheD, profetiaei» im Biieloaiscken iit dugurireo:, .daher 
das litteinische propheta, das tieuticlie Proph«|.iimt prophezeie«, 
welche Worte im AllgermanUchen wohl ähnlich klangen niid 
fcettideheu lUraprnngs iein werden; dasselbe -itt. der §nU. mit 
4eD Wor^eps Opfer, .welches, o^er im WUlischen, .Jieissl iiiW 
jnit opfeFD, , in lateinischen offerre, msanuneniiüngen wird, wai 
im Wallachen ()^crcM«i'"n Galischeii ofrain lieisat. Dfe Ppo- 
pUet'eii'io'GeMranien werden' ton den Atigrrrerr und Vaten der 
tl'ömer, wie' von den haruspicea der Elrurier nicht wesentlich 
Terschiedea gewesen lein^ cUe teltisclien ,Urtpriii>gs iraren. 
f'j-IUf.Geriitiinen werdet! allerdings oicbls uqieraommen ha- 
^(;a (vline zu aHg.uriren , ohne Mitwirkung der Priesferscliaft: dies 
war allßn keltiüclien Völkern gemein'; selEst hei den Rom'ern 
llonnte die fremde (griechisch-semitische) Staati^Heligion den 
jfffen leltiachen Volksglauben nicht verrfHingeb^ 'nrid man angu- 
»irte nach altbeltiscber Art bis. in die^^pfite,. bw iin..di!e chriitli- 
sbfi.ZeU. In Teutscbland liabea sicli bei dem gei^e^neii Volke 
IlJacJilijljiage der alten Augiirien bis in unsere Tage erhalten, 
fniJeiD man aus gewissen Erscli^inungen'die Zukiihft' erseklies- 
sen'will.''" ■...<: ,:-, -^ - : 

'■'' Der Mensch kann »ich von der Goltheit nicht woht tren- 
B«n und .will, sein .Gesdiick zu: leiten .p^er wian^^fena za .vii- 
aen ^inchen^ Nach der keltischen philosQ^phjactien 'ijbeplogie , di> 
i^ der altpjthagoräischen dargelegt .sein, mag, gab es' keine 
fön' der erseheliienaen Welt TersctiT^ede Gottheit, eile dibe 
unid- die Geschicke der Menschen leitete; 'fieHntobr-Wii^''^ 
"Welt betrachtet als ein grosses, in sich belebtes Qrgaaony. a)i 
fii);e;eivige Einheit, wo Kraft |ind JMaterie, Korper und Geilt 
SifU,-:'wo alle Dinge Manifestatioi^en der böcliatep Jntelljgeat 
^qc);' i^Ißs, dafcer in unmittejiiarate^ Qtusalnexus stehet, agck 
Nittui.'Vnd Mensch. Weil eben jede? Er^igniss die unmitl^lbaj^ 
i)9[l|ige Folge des vergangenen Ereignisses Isl, so wird man 
auch aus jedem Ereignisse auf die Fol ee schliessen können, die 
dieset pfibst auf den individuellen Alenschen hat, wozu freilich 
dip da^u, ^ßhörige Keuntniss der Nati^r und dt^r Gottheit gehört, 
die nut.dem Priester innewohnt, der sich Uciinit beS|Cbüftiget, 
diesen Gegenstand erlerpt bat^ der daher aus einfachen Natur- 
ereignissen, dem Fluge d^r Vpgcl] dem £.aufc des Bfitzes etc. 
ätfi ■npihwendigen Folgen ab^f^^^n iftOlf, die sellfst für den 
ind^Tli^Vellen Ueoscheu ^^raa^.JierTorgfl^en,^,, wodurch er Qiück 



oder UiiglüiJt KU jlropliezoien: im 'Stande 



Mnä 



nnii aiicli 



die tüeoreiisciio S)»ecutälion gewesen seiu welche sie will, i 
ist wohl gcwifis,' ditas bei pUbd Iteliisclieo Völkern, nucli hih 1 
den XJerroanei), Her-'^anlie au dib UrophezeiiinpBB der Priaate» I 
ein rief begrütidetcr wArj weslwilLi'iuline sie liiditSi'TorgtVffOMt 
Hier wurde; daher Cbeii rührt der iingebetire Kinlin«» der Prie^f 
slcrschaft auf lalle liüuslirhen,' wie iitle' politi selten Verliii'hniHe.r 
lihmer aber wullle mtfn uicht die Goltlieit Teraoiinen, söndera* 
nur die Zwktiuft' erfurochen. Höchst 'in bednuemist es, dasa^ 
lÄtr mit Sieiierbeiit iiiciits Speci'ellereK wissen über di« At^iiräniii 
der alten GeriDimeD, in wie fern sie mit den nltrondsrjien'. 
üb ereiL Klimm teil , oder von diesen vcrsdiicden waren. Uei den 
Germanen wird es nugurirende Frauen gegeben haben, wa» bei 
den Römern und ^Elrutiem nicht der Fall gewe&eja z^ , |G#ii}r 



.I.H 



ii: 



a. lieber geringere Gegensläiidc ((/c rebus minoribus) be- 
raüien die principes, über wiclitige Alle, iti dtr Art 
jetiocli, dass die Gegenslümiej liie für den plebs gelib^ | 
roD (jjHorum panes pjebem arbitrliim est), auch voi^j I 
- den prineipes rveTh9,oi\eh werden. ;^ 

Anfflcrhting. Hier, wo Unser Verfasser auf die iniiefft 
VerfasSting 'der Germanen lind auf die Alles regle reu flen Volk »^ 
Versammlungen kommt, Stellt er die principe» dem pjcb» ge-^ I 
genüber, be/eic!hnet letztem als die omnesy welche die wichü^ ] 
tlgen Gegenstände, die res majoren, berallieii und entscLeidetf' f 
solleli. Also alle Einwohner einer Coratnune, eine* Districlerf' 
oder cii'itas sollen in der VoliisTersammliing erseheinen nncFC I 
ober die Wicblisen Gegenstände beratheü, was doch als cintifl 
handgreifliche Unwahrheit erscheinen muss , um so mehr, AiP t 
allen Nachrichten nach Germanien eine sehr aristokratische Ver**' I 
fassung hatte. IJie OmHes werden zu Ende des §. auf diS* | 
Waffenfiihrenden beschräirkf, aber schwerlich halte jeder Böii* ] 
walTncte Zutritt in de» VotksTersammlungen. Caesar (bel.gafir^ ' 
IV. 13) sagt von den Galliern: nur der Adel und die PriesteriJ' 
Schaft haben Rediie für sich, nam plcb», ptiene »cfTorKW- ] 
habetur toco, qttae per se nihil audet et. nuUi adhihetü^ 
Coniilio; so wird es auch in Germanien gewesen sein, wo der" 
plebs eben so wenig Zutritt zu den Volksversammlungen ge^* ■ 
habt haben dürfte. Nach wällschen Gesetzen in Britaiml^H" J 
Iratte nur der Besitzer freier Goier, der keine Abgabed' tf liäü I 
Lasten trug, Zuiritl rii den Volksversatnmlntigen ,; und' ^nd^iV' l 
mag es auch in Germanien nicht geweseli sdfli ' ''''["' | 



— 38 — 

In $• 26 redet unter Verfasser f cm den < «tft^/« , die er 
Torzpgsweise als Besitzer von Gütern bezeichnet , iraf denen 
Abgaben und Lasten ruhen | über rdiese stellt er d^ie Freigela«« 
8e»en und sagt von diesen: dass $ie.nuhquam ,aliqttod ^nth- 
memtum in civitate hätten^ also gar kein icigentlicfaes Staat»-> 
büi^eriedit, natürlieh feblte ihnen auch das Reoht.in,den <Yol'k»^ 
reffsamialungen zu erscheinen. - Diesd • Klasäe - der -. lEinwofanev«' 
sehaft bildete vor zu gsweito der ip/tfAs» .Wenn Itiun diäser.iuwk' 
§• 25 nichts im Staate gilt, aber ^nach dwern •§4:li:>aUe''wichH. 
tigen Staatsangelegenheiten bemthen soU,l so üegt hüetiAiimraU 
ein«bffeobai^er Widerspruch. . ,ii : i;. i) << ui.. •»•». 

*■ ' ■ . ■?.,!/ j > • ' ••• 1 . i -:■•'•■•. • 

I 

b. Mati kbinmt ssusammen/ W(^nti ifi'cht etwas Knftlli^e^ 
und Eiliges vorliegt ^ an bestimmten Tagen beim 
Neu- oder Vollmonde, denn tm Verhandlungen halten 
sie dieses für die günstigste Zeit. 

• , / A n 19 e r k u B g. Der Y^rfassf r wiU - hiar vroj^l sagen, ; . es 
gab re^elinci^sige., fixirte unjil- daneben. iiusserord^ntli9ji(^ . Ver- 
aammlupgen. !Zu dem Wessen der erstem gehört eine bestimmte, 
festgesttzte Zeit 5 wenn aber gesagt wird: Isie hätten Wm^Nfeu- 
oder Vollmonde statt gefunden, so ist dies ein gaiit ubbedtimm- 
t^r Zeitraum j sagt eigentlich gar nichts. . 

J^er ß,t9at>,.der s}9h.,^lb&t 4^r^h .YolksversamiplnngiRn re^ 
giert, mi^sf ^i^e.^^ÄVw y€ur»?l^€;d^pe^,Ab&tufu 
för die (?oinwu»e, fur,Äij9ei^(J£r^is^ für deu Staat vpdfi^r,^ 
nen t^onJfpderirten Staat^iprpqr ^wie er iu den ls^\ti^(vhen, I,^tr 
4ep. häufig war) ; \% grösser der I^-eLs ist, der\yevtj!Qten jyrir^» 
j> wichtigci;: ^.ercf^n die Fragen, die zv^ Entscheiduj^g^Jkoinnjen» 
Indern unser Verfasser diesem .Qegeustand gar nicljt j^j^rührt, 
üJbQrgi^ht er eine UauptsaQhe, In Britanniejg^ und iws^^^cl^ev^-] 
Hchjauch.ip Germanien hattci jedcj Commvine, od^r einß An^^ahi 
zif^mfnengyhwger C,ofimunea ihre Är^jf * ^dji^p Comajunpl r-yer^^j 
8?ii»|nlpf|gen, an d^^nj'eder^ auch der klei^iste .ff:eiß Grund-j 
besitfer /^'nth^il nehmen konnte, wo ^iq (^ui^n^nalTAqgeJL^gßli^ 
h.eit9n,;Vupii diQ Str^^figkeitj^n. 4er Ipsasjsen .ajqr.Spraqhip ^a;piep.i 
AJ(^.,,jef,.flaujss auch^ .Torzugliph in pqlitisQber, jtji^sicjit ^^.jjhcj^^^re 
SphäcW^^^gfgebett bab^ny d^np ni^hjjuiajs w^fc^p i^.,Qe^4^u^^e^^ 
als ?Msamipengeh6rig X^^^pa^gs gep^v^nt, im^Wälischen, ^J^^ 
tref9 i(d, .u .1,00. tr^efs), jw, Angel^^frsjsqhen Hun^t^et^n^^f^ 
d^rph,., eigene. ;V.olksyei;8j^inm)^ogea r^iert seii^ i^e^dj^p..! JHe;' 
gfp^en Copfod^i^atiope^ yiel^f^ Civit^tqui Ton dene^,fyvir, i^ ^h\ 
lien^ /Britm^nien. ,ufid,.,(iierjna.iwen/ l^^ifUi, setzen noch .. l^oti^r^ 
VolksTersammluDgep. vpr^^us. ... ^ . 



c. Mau rechnet nicht, wie bei uns, nach Tagen, souilora 

n«ch IVücfilen, danach selKoo sie fcBt und verabreden} 

die Nnchl scheint den Tag zu führen. ^ 

A am erkling. Dieiser r.nssus hat mit den Volksver'sairira-' 

Iiin^eD oigenilirh niciits zu scLiffeu, slehet hier wiilil niclit an' 

seinem Orte, alier der Inhalt mag aeipe Richtigkeit Iialien, komim 

mit einer NachriiJit im Caesar überein, .der (bei. galt. VI. 18) 

b^raerhij die G.illie - > "- -■' ■- "■ > 



«i? die Di 



Caesar überein 

sagen : dass sie alle vom Taler Zft'i 
uiden lehren, desjiallj 



Kh Nül 



alle Zeit ,ni(;ht nach Tage 
fang des GehiirldfageSj der Monate, der Jalirc in; 
Nacht, und der Tag folgt.'— ' So mag es aiidi 
geweseo sein", (lind noch jetit sagt der Engljinde 
statt J4 Tage); aher äudi in Germanien, denn i 
echem Rechte wurden die "Vorladungen nach ^fachI,e. 
und selbst his ins 15te Jahi" "' ~'*"' 



■tit' stets iJiiS* I 



fiirlnigh'r _ 

ich altieii(^J 
cJ(iieC 



IIClÜ I 

M 



h. sagte luao'l'l^' P<iäclite, kfittt IW 



d. Ea ist ein Fehler der Freiheit (^iHittm llbcrifäis), dass , 
man nicht pünktlich, nicht dem Befehle gemäss Eusam- 
inenhamrat, sondern % auch 3 Tage durch die Säumi- 
gen verloren gehen. , , , - 
Anmerkung; Bei dieser weiiig interessanten Remerkung 

fragt man: watnin die Un|)&nklliiJikeit der Frellieit zur L*it 

gelegt Tfird. In den gcwithulicheD Cotnmunal - VenanimliingCn 

waren die Säumigen wulj leicht m erlangen, 

o. Wenn der Ilaufe verhandelt (tarba plaadf) , setzen sich 
die Bewaffneten; Sti Fl schweigen wird durch die Prie- 
ster geboten , die auch zu strafen befugt sind. Nüu 
wird der rcx oder der pr'tnceps gehört , wie ea das 
AUer, der Adel, der Kriegsschtuuck, die Beredlaam- 
keit mit sich bringt. Die Slacht der Ueberredung is^ I 
, grosser, als die Kraft zu befehlen. M''eiiu eine Mciti, 

nuggmissfällt, wird sie durch Murren verworfen; weuiil \ 
•sie gefalltj werde« die Fraraoen zusuinmengoschla'-'t [ 
" gen; am ehrenvollsten ist das Lob mit den AVaffeii. 

Anmerkuuig^. ,llier führt |u«s der Verfasser in ein^, 
germanische Viilksvcr^wi»duflg, mip er sich dieaellje ge.d'Khli 
haben mag,, denn durch Aiulopsie kann!? er, <iiie wojil u^h^ 1 
^r Migt uns aber nicht eiixual, au welchem One sie. ^ßh^lf^i^j 1 
vurdei Vcrjoiithlich i"|ehl untpr freianj BJuiHitd. uj^ ftü geij f 



- 40 - 

weHieter Statte, zwischen oder an heiligen Steinen. In deij- 
meisten Dörfern giebt es noch oder gab es bis in die neuere 
Zeit grosse Steine, bei denen die Gemeinde zusammenkam, 
and die Idee derselben mag sich Ton der SteioTerehrung in 
germanischer Zeit herschreiben. Da nur der Besitzer freier 
tirundstncke Zutritt gehabt haben wird, war er naturlich be- 
wiiffnet. Wäre der ganze plebs bewaffnet und anwesend ge- 
wesen, so wäre wohl nichts Verständiges herausgekommen« 
Wahrscheinlich erfolgte die Zustimmung zu Beschlüssen durch 
Zusammenschlagen der Schw6rdter , woh^ Tielleicht das Waih 
jiefigetaec im Angelsächsischen. Wenn es heisst : mojp. reje 
vet princepsy prout aetas cuiqüe^ prout nobititas, prout 
decus hellorumy prout facvndia est audiuntüry so ist dies 
eiiie sehr allgemein gehaltene Nachricht, aus der nichts Kla- 
res zu entnehmen steht. In Criminalsachen z. B., TÖn denen 
gleich die Rede ist, mussten doch die Verhandlungen in einer 
festen Form geführt werden. 

• Bei den Volksversammlungen ; (n/ificl conci/nim) , wer- 
den Klagei» angebracht, f^ucb (jjtwque) wegen schlimme- 
rer Criminal - Verbrechen. Die Verschiedenheit der 

.Strafe richtet sich mich dem Vergehen. Verräther und 

- Fortläufer werden: an Bäumen aufgehängt; Feige, Un- 

■ kriegerische und am Körper Geschändete (corpore %%- 
fames) werden in Sumpf oder Moor versenkt und dtlf- 

jüber wird ein Korb (craiis) gestellt. Die Verschie- 
denheit der Strafe, zielt dahin: dass bei der Bestra- 

^ fung das Verbrechen vor Augen gestellt, die Schande 

. verborgen wird (flagitia abscöndi). 

, Anmerkung. Hier ist von der Justiz rerwaltung^jaber 
wieder^ auf die unklarste, unvollständigste Weise die Rede. 
Hier heisst es: die Volksversammlung ist der Gerichtshof, der 
di^ Klage vernimmt und die Strafe verhängt; in dem folgenden 
Passus c heisst es: die Volksversammlung erwählt die pruh 
cipesy welche in den Dörfern und Gauen Recht sprechen* 
Beide Sätze dürften sich vollkommen widersprechen, und man 
weiss nicht, welches die eigentliche Justizbehörde ist. Für 
die Commune oder einen District wird die Versammlung aller 
frißigutsbesitzer allerdings der Gerichtshof gewesen siein , aber 
es mag auch höhere Gerichtshöfe für einen Cantref 'gegeben 
haben, der durch Auserwählte besetzt wurde. Die Justia^fiege^ 
über welche hier auf die oberflächlichste^ Art geredet wird, 1^ 



— «' - 

greift natfirlieli ilie Civil- urd CriiniDalfhille; von eMteren wirdi 
gar niclit Notiz genomitien, vou letzteren werden nur; einig«| ! 
Strafen erwiitini, die Formen iiei dein VerfEiUren gana üliepA J 
gangeo, inun erfahrt nicbts v'>n der Vurladuog, dem Beweis«^ I 
der Yertlieidigung u. s, w> Vnss «ich die Verse Medenheit äet^ I 
Strafe nach dein \'tergehen rieliiet, ist gewiss eine sejir inTialftj 1 
Bemerkung, und seltr unklar ist die BelracLtung:' divenita^ 1 
aupplicfi illuc respicit , tamquam scelera ostendi opontebt^ I 
dum puniwntur^ fiogitta abacondi. Der Ausdruck, corporis I 
infames i«t aelix dimJtel, er scheint sich auf tinnatürUdie Lani I 
der zu beziehen, die wenigstens bei den Galliern nicht aelt«tf 1 
-waren {ts. Diodor. Sicul. ö, 32, — Aristoteles polit. 2,9, -^i J 
Athenaeus 13, 8). Wenn die ignavi, imbeltes eti CorpitHA. I 
infames wirklich in Sumpf versenkt worden wären, su er- I 
scheint die» etwas grausam, besonders da der Begriff „itnkrieJl I 
gerisch" ein sehr weiter ist; die Litteratur weiss niriits rtn I 
einer derartigen Strafe. m 

Di^ Rechtspflege bei allen keltisclien Völkern, geiriisaufl» J 
bei den Germanen, hatte sehr viel Eigen tliümiiches, war vo0 | 
der römischen total verschieden. Nur die l''reie«, dtts' heisst 1 
die Besitzer ahgabefreier Guter, hatten wollt einen eigbAen Öfesl I 
richtsstand, nud richteten sich unter einander durch ihre eige^.l 
Ben Versammlungen; die übrige gro*se !Hnsse der Eittwoltnei"-* I 
Schaft, der p/cis, konnte wohl nicht in eigenem Namen, soirtf I 
dem nur dnrch seinen Gniiidlicrrn als Klüger oder Beklagter aif^J 
treten, wie es anch in vor- und altrömischer Zeit 'göweseir 1 
sein wird. Der ganze Kreis der Rechtspflege war daher iV 
Verhältoiss gegen jet« ein sehr kleiner. Scbnld- und Hypo-'i. 
ihekenklagen mag es wohl wenigör als bei uns gegeben haliörtL' 
schon deshalb, weil der Landhesil/ schwerlich im' offen tlii^hW 
Verkehr war, und meist den Familien, nicht den Pi^affin' 
gehörte; dessen ungeachiet wird es nicht an Civilklageii' ge-'' 
fehlt haben, besonders ober das Erhrecht. Die Kktgen flihli''-! 
ten mebt nicht Einzelne, Sondern gan^e Familien gegen ein ah^' 
der, weshalb sie einen ganz eignen Charakter annahmen^' 
Man trat auch niclil allein auf, sondern unterstntit durch' dier 
Familie, in Verbindung mit Eideshelfern, deren Anzahl sWÜ' 
nach dem Stande richtete, zuweilen sehr gross war; die Busse," 
in welche derScbnldfige etwa verurtheilt wurde, gab iirtd ef-' 
hielt nicht sowohl der Einzelne, sondern die Familie', ' de/t' 
Stamm, der auch für das Wergeid haftete. , ' -, 

Jn CriminaUalleu besonders, konnte man sich se],b»t Recht 
nehmen, Raclie ausüben, aber anch den gerichtlichen Weg 
einschlagen, die That durch Wergeld und Busse tilgen j 'die 
sich nach dein Stande, oder vielmehr nach der WüVdtt' 'äes 
Verletzten, anderntheils nach der Art der Verletzung riclit«le. 



— «• — 

und die sehr aiisführlichen Wundliusseo - Register waren der 
Haupt- Gegeostnnd de» Crirainalrechtes ; diese gingen auch aui 
der geriB anlachen ia die aitieutsche Zeit über. Iroiner trir 
die JitstiE Oliject der VolksTOfSfiminhiDg, nicht einer richlerl^ 
chen Behörde; ein gesrhricbenes Rcrht trird eg nirgends ge|K' 
ben h.nben, es herrschte das uralte Gewolinheitsreeht, »elciei 
jeder Freie kiirnte und besonders »on der Priesterscluill l.evialrt 
nnd ausgelegt wirrde. Sa etwa wird Am RedirgTerljÜltntss ii' 
allen kellischen Landern geweaen sei»; so keunea wir e» liem- 
lieh genau aus der spätem keltischen Zeit im FürsteiiihnH 
"Wales, und so wird es auch in Gecraanicn geweaeu sein, wo die 
deutlichsten Spureu davon durch dns gaoxe JMittelalter. zu ver- 
folgea sindi 

b. Auch dio leichten Verbrecher erhalten aagomesseoe 
• Strafe; die Ueberfiihrten werden an ITerdeii und Vieh 
gestraft; diese Strafe erhält thcilweise dor re~r-, die 
civilas und der Beleidigte oder dessen Verwandtschaft. 
Aiv^ßrkung. DasR nicht allein schwere, sondern auch 
leichte Criniiual - Verbrechen bestraft wurden, versteht sich 
TOii sel|>sti wenn es aber hier heisst: die leichten Verbrecher 
werdeji an Vieh gestraft, so heisst es dagegen in §. Ül; „ge- 
sühnt ^vi^d selhit der Menscheninord durch eine Zahl von Zug- 
oder Schlachtviehj und das ganxe Haus (Foniilie oder Stumm) 
— nimmt die Genugthnung an"; und so wird es auch _geire- 
aßa sein). Wie e> scheint, wurde nach keltischen GeKiten 
jede BtriiCe in Odisen oder Kühen bestimmt, aber walirsclicio- 
liAb , nach gewissen Sätzen in (jeld be^tahll ; uh sie auch io 
^(«fd^n he»timmt wurde, scheint sehr zweifelhaft. Wenn es 
hier beisst: die Strafe erhält tlieils der Beschüdi<;tc,. thcils der 
r^^,.theils die civitas, und in $. 21: die Srrafe erliiili das 
gAn^B Haus, so steht dies wieder nicht mit einander im Ein- 
lüauge, jede Verunheiluug iuvohirte wohl zweierlei, lieili 
^»s Wqrgeld, theils die Busse. Pas eratere erhielt der lle- 
scbüdigte, oder in den meisten Füllen wohl die Familie . 'ider 
^Bff Stamm, überhuupt der Complex vrui Personen, die ibrer<t 
sails für das Wergeid auch zu liaftou hnileu; die.Bussp jerri 
hielten wohl die Beamten, theils des Staates (der rex), Ul^: 
dier VolJiBversaramlung. ,.,j 

c. In denselben Volksversammlungen werden die prinfi' 
p^p gewählt, welche in den Dörfern nnd Oaueti (pw" 
-' P.^9P^. ^' vicos') Hecht spret^hcu i^jitra ri'ddunf) ; jedem 
. .deraolben werden 100 comiles aus dem Volke hcige- 
. gebeu, als llalh und Autorität. .. 



- 43 — 

Anmerkung. Hiernach sollen also die VulksyetiigaiHij^ 

Ilongeu eiuen Priiiceps uud lOO Coiijite» walileo, welclie Tiar,. 
■amtneii, als eine ganz anselinüche VersaiDinliinj^ die Justi^ 
beliördc; bilden; dies steht aber, wie erwäliut, mit dem .erste*, 
^tissii« io Widerspriicli und wird irrig sein. Wjire unser Vertji 
^gser inil den Verhültuissen \n Germanien beJtnnnt ßeirex^Hfj j 
00 würde er wohl die germaniädien Ni'Wien für die ßeajnlenT ] 
erwuhiit haben, so gebraucjjl er lateiniBcUe Bezeichimiigeii, .»iig| r 
jtrincepß nnd c»ine$, die keinen klaren Sinn geben. '_ 

Die UrTersaininlungen in den einzelnen Ciunuiifnen nd^tV 1 
tref's (tribua) werden , mehrfache W'alilen Tor^eowiimfin ha^ I 
heu, sie wählten theil« wohl ihre eigcfien Beauilen, iheils dis^ 
■ Mitßlieder des hohem VerwaUnngakreises, des Canlref ym I 
"WälJBchen (von caiit liiitidert), wob] anal.ip ^^7, aftriiinische 
Centtfria und de« Hundred im Ange^iii'Jji^i^^hen .»nd ^^lltentr^ ] 
iclien, der in angelsächsisclier Zeit die Hi'Hid^.flsemv^le. (Ivrejic^^ I 
»prsa(ninluiig) vorstand .unter Leitung des ffu^tflred^a \lliai(lar,\ 1 
(Cenlurip im Altrömisclien), die sich umiiatlicli yersiuüiiipJtnp j 
und, die ^erichtsliarkeif.in ihreti* K,r^schaHe^.,,i;iiiep solchen ' 
Gin/r*/ hezeichnei^n die RÖraer rie]icipht ,i^,lpa^Uf(,(TrpJ>Qlil 
■wahr^pbeinlich das teiitache Gau, ,-,, , ■ ^_^i ,. ] ,|; „„'A 

Im Wälisdieu erscheinen die Ag^a^uptiÄltni^ae , (ll^gel^f 
ordeiitfich geordnet, wie es auch iu, Gallien, .,v4i;nti^thli£]r^uch' 
in Gerjnauien fiewcsen sein wird; hier .uifJ^^sstf; j.(iin,,^(,'((»()-|qj^ 
nicht sowohl 100 Ortsi; haften , als vi^lifielur ejne ^efir, .jiptli 
tende Flache Pflugland. Das Grundin.li(sa, tf^^Xp ,fPJ ^f^ 
sehen der erw (Acker, Tagewerk) tou 160 Qu.^drairuih( 
jede zu 20 Fus«; 

4 eno bildeten 1 dijddipi'(farm) 

4 dyddyn - - 1 rhamdif (ittheritance) 

4 rhamdir — 1 gafarl (tenvre) 

4 gafael - - 1 trcf (lowahip T.m 256 erw) 

4 ttef - - - I viuenawr _^ 

12 taenawr und 2 tief bildeten 1 Ci/mwd oder cwmwA", 

2 Clfmwd bildeten 1 Canlref v„ii lOÖ Iref. ' '\ 

Diese CatUref vui etwa' liTjÖQO Tagewerken p(liig!>nren Laij.-T. 

des bildeten in politischer nnd militairischer Hinsiebt die Gruiid-^ 

läge der wälisclien Staaten. Hlehrere benachbaric, verwandte 

CaiUrefs conforlerlrlCn sich in einem Ci/uiladnhld*(> (< ■onfä-J 

deralion) jjnd .mehrere suldte m einea.' Gerwladoldei^j oder 

Gtenislaate. ■,■.', 

Jeder Ca ft tref yriirAe repraseniirt und regiert jiidit flur'h 
die ganie Masse der freien GutsbeVilzer, sonderu durch einen 
gewäldten Ausschnss unter Direclio'n voii ^ewülilleii Heiimten, 
¥or welcliem wohl airch die wichtigern Prozesse Verhandelt 
sein werden. Zu den Beamten gehörte vorzu|BTWi!«e- der 



M 



— 44 -- 

Ä^^Ä*#r,*<)ftifc^ genannt, welchfef den Civil- und Militatr-An- 
g^legenhdten • Vorgesfanden haben wird (hieraus ^ird ' Biren- 
Ulf« corfumpirt sein, wie die römischen Schriftsteller' läufig 
die Obergenerale - der germanischen Ai'mee nennen). In Gal- 
lien war der Verrohret der oberste Beamte der Stadt (im Iri- 
schen \%X fear go breth der ^Richter). Der Brenin, der ztim 
Theil auch mehrere Caatref unter sich gehabt haben mag,' 
K^tte einen geregelten Hofstaat, der in Wales aus 24 Hof- 
und Kronbeainten bestand, Ton denen der Penieulu der oberste 
wan Wenn solch ein Brenin eiAen grössern Wirkungskreis 
hatte, mehrere ciVi/a^e» leitete, scheint er Worttgern geöaniit 
zu sein ( Ton vor gross* und teytn der Gebieter), 'oder ftfi-' 
te^rn^ der dann Vicefiirsten hatte, die Machtj/erns öder 
Mechydern ' hissen. Ein wichtiger Beamter wird der Järl 
(woher JSarr/) 'giiw^sen sein, in der angelsächsischen ZeitEal- 
dor' oder Ealdoi-man. welcher Termuthlich die executiVe Be- 
hörde^bildete uiid unter welchem der angelsächsische Gerafa 
(Graf) stand. A 

' Die VölkSTersammlungen hiessen im Wälischen Göi'sedd, 
im Gälischen^'jlfod, im Angelsächsischen Gemot (woher 'Mee- 
fing im Englischen), die wohl in allen wichtigen Angelegen- 
heiten" 'zu 'entscheiden hatten. 

' Diese» dürften einige unbedeutende Theile der wäti^ched 
Verfassung' sein', und wahrscheinlich mag die germanische ähn- 
lich gewesen sein, wenigstens in dem cimbrischen Theile des 
Landes läb&s dorn' Meere. 

§13. 

a. Nur bewaffnet yerhandein sie alle öffentlichen und Ppi- 
vatangelegenheiten. \ a ^ :.- 

Anmerkung. Dies kann nur heissen: dass man in den 
berathenden YolksTersammlungen bewaffnet erschien 3 was schon 
§. li gesagt wurde. Wer hier aber bewaffnet erschien, war 
nicht der plebs^ sondern dei* freie Grundbesitzer. Liy.ius 21. 
22 sagt dasselbe Ton den Galliern, und so wird es auch in 
Germanien gewesen sein. 

b. Aber früher darf man der Sitte nach nicht Waffen 
luhipeD^i. als. bis die civitas sie zu tragen erlanbt hat 
(suffecturum probaverif); dabei schmückt in der Ver- 
siithi^lui)g selbst der princepsy der Vater, oder ein 
Very^andt.er den Jüngling mit Schild und framea; die^ 
ist ihpen» die if^gok^ dies die ers^e Ehre der. Jugend. 

i-.biS' dabio: isli er Theil des Hauses^ dann des Staates. 



— 45 — 

■i^i, AjDmerkiins. Der Verfngser redet liier nof sehr un- 
.^lare, cuufusp Art davon; d.isa der Jüngling welirliaft ge- 
^qiiichc., fladurch offenbar auch für iDÜiidig erklärt würde. Er 
«agt iiiclit, wer auf diese Art die Waffen erhjeli, Gewis« nicht 
)j^4et junge Maqn wurde wehrhaft genacbt, sondern wohl nur 
i^der adelige un4 der Solin eiues freien Gutilieaitzers; weiiu ea 
beisat: dieser Act erfolge, wenn die civilas es erlaubt habe, 
so hat der Verfasser nie gesagt : was eiu civitas ist. Ver- 
(bte^ 'man darunter einen nicht ud bedeuten de d politücheo 
jSiaatstürper, so wird dieser Gegeiiat.ind schwerlich zu «eitieui 
_Ressort geliört haben. Gewiss war die Wehriafiigkeit und 
'iBajorennitüt an em gewisses Aller gehunden , das der Yerfas- 
ier »nch nicht angiebt. Im Wülischen wurde man mit dem ■ 
-14. Jahre mündig, wie es zum Tlieil auch in Germanien ge- 1 
i*eseii sein mag, Dass die WehrhafliglLeiis-Erklüruiig, und -J 
.4adurch die Mündigkeils-Sprechung unter gewissen Feierlichkeit | 
iteii und in der Teraaminljng geschähe, ist sehr wahrschei 

,0. Ausgezeichneter Adel (Jns'igms nobilitas'), oder grosse 1 
ti Verdienste (1er Vorfahren, gicbt den principes, selbst T 
fi den heranwachsenden (adohscentnUs') die Würde (rfi- 1 
- gnatlonem'), sie werden den übrigen Stärkern und 
i; , schon früher Bewährten zugesellt. Ueber die Gefahr- J 

ten (comites') erröthcl man nicht. 
j Anmerkung. Hiernach soll alsc 
Adel den principes, auch den Kindern 
Ansehn geben; dies aber ist um 

nicht gesagt ist, was ein princep» und was eine in»ignta 
bililaa sei. Ist ein princeps nicht ein blosser Adeliger, soiy 
'dern eiu hoher Beamter, so kann dies kein Kind mehr seiü. i 
Unklarer ist mir ebenso der folgende Sati: ceteris rubustio- 1 
xihus ac jampridevi probatia aggregantur , nee riibar ' 

^jßler comiles aspicL F. Bahr dl, der in seiner Ueber- 
Mhung des TacilHS v. J. 1781 bemüht ist, einen möglich [ 
Tersllindigen Sinn in die Worte des Verfassers zu bringen, 
fibersetit diesen Passus folgendermaassen : „Vorzüglich alter" 
Adel, oder wiohtige Verdienste der Vorfahren, könne» Bnch 
ganz jungen Männern . zur Herzogswürde berechtigen ; die an- 
dern werden den rüstigsten und längst bewahirt befundenen 
beigesellt, und es ist nicht Schande im Gefolge zu erscheinen." 
Wenn man sich bei der Uebersetiung derartiger Freilieilen be- 
dienen will, dann liisst sich in jede Masse von Wortes ein 
~' . bringen, 

Qewiss gab-es in Germanien, wie in allen kelttschen Län- 
■n einen Ad«I,. der, wenn er auch keine eigentlichen Itaj^g- 



der ausgezeichnete i 
die Würde oder du j 
idlicher, da gar 1 



iliifeM InttP, docli in ili^isiclit des Aller* Her Fnitiiüc 



oder 



;Iiiedpii]i 

[ ^el pah deu Bbilnten die Wurde. Der Adel und die Prie- 
I wt^clnft WTrcn die eiperthcli berecliti^eii Klassen im Staate, 
l ^HWp Cjbar ncTil selir ntlitig sapf da* Bürgerthiun stniid hoch« 
I *iiin)ck, der ISauer -(vir j,ro3»eüthel!s in einer gewissen Hö- 

I Auch, der pomitatM hat Kangstufcn {gradm~) nach 
Anordnung; (Ils'^cO dem das Gefolge geleistet wird 
{j^nem secfttiiiur'} , in i1f,mstlbcii isi. ein gi'Osser Wetl- 

, ^ifpr, «er bi-im pruteeps als Erster sein&a Platz hat, 
und unter den ptiiictpes, u er die iiieisteu und eifrige 

II Blea cimiites hau £» verleihet Maclit und Kraft. slel»( 
umgeben zu sein von einem grossen Haufen auscrwäM- 

I •' ter JriiVgliuge, das ist eine 7.ierHe irii Frieden, im 

[ (f kriege' ein. Schutz. \i,cht ]iiii Beinen Stamme allein, 

' auch bei den benat^lvbarien. Stämmen erwirbt man «ich 

' einen Namen und Uuhm durch einen zahlreichen und 

f Im tapfern cotnitatnn, der zu Gesandtschaften und Aem- 

itenr {mu)Krilnts~) verhiUt, durch den Ruf ziui-eilen 

Kriegen vorbeugt. . i 

: A»iti«rlLiiBg. Die Nachrichten über dcu comitalus 
I JUrCrdeit imiulg^udcii §. fortge«ettt. 

■*";■'";;""":■■;;•'■■;; ';■;; S- «. . 

^^nh.fs ^ur Sclitaclit kommt, ist es Schmach für ,äe^ 

.„Jb'urplen, an Tapferkeit übertrolTcu zu werden, ist: «B 

n.Sdmiaeii für den oomiiuUis der Tapferkeit des l^ürst«! 

■ ' nieht gleich «u kommen. Fiir da» ganZo Leben' selbst 

ist es scliriiachvoU und schim)inich, seinen Fürsten über- 

^,,,W,beiui aus der Schlacht gewichen zu sein. Ihn ver- 

,1 ithotdigen, beschützen, eigne Thal«n der 'l'apfei'keit 

-'ihm Zinn Kuhme anzurechnen, ist das Krsto dieser liei- 

']■ ligcn Gelobnng (^prnecipmim sncrameniiiin esf). Biie 

■J|iy-/)iC(')«'.? kämpfen für den Sieg, die comÜes für d6o 

^^ FiffStcii. AVcuu das Gebiet, in dem sie entataadeu 

(oWO sind, in langen Frieden, in Ruhe erstarrt,. «O 

-nauohen viele adelige Jnnglinge ipkrünte futbilifttn ado- 

■ 7Mie»«ion) ferne Nariöben, die elWa Rvicg fühl'ön, 



— « — 

' weil dem gens die Ruhe zuwider ist, weil man sich 
n Gefaliren leichter liervorthiit, weil ein grosser comi- 
l it/tits iiut durch Macht und Krieg erhalten wird; denn 
1 fordert von der Freigebigkeit des Fürsten bald 
i ein KriegQsross , bald jene blutige und siegreiche fra- 
t. Statt Sold dient Unterhalt mit roher aber reich- 
licher Zubereitung. Die Mittel zur Freigebigkeit liefert 
' Krieg Und Raub. Das Land zu pilügcu, das JShrlivhe 
abzuwarten, sind sie nicht so leicht zu bewegen, als 
g-«,äeti , Feind herauszufordern, sich AVunden zu erwerbei^; 
kUräge selbst und lässig scheint es ihnen, das dujcch 
^'Sehweiss zuverdienen, was durch Blut erworben Wai- 
[* den kann. "■ - 

Qmerkuag. Zu diesem §. gehört noch der erst^ Tai- 
t, des. folgenden. , , I ' ' 



l WsBB sie nicht im Kriege -sind, bilngea ßi^ Tiel l^jt 

^luit' jagen, niel>r noch mit Miissiggang zu, sind dem 
jf'SchJare und Schmause ergeben. Der Tapferste und 

j^ Kriegerische thut nichts. Die Sorge für das Haus, für 
^idie Peuftten und für den Acker ist den Weibern, Grei- 

> igen und Schwachen «us der Familie überlassen, sie 
selbst sind unthätig ; ein sonderbarer Gegensatz der 

"'Natur, daas diese Leute gerade (die Tapfersten) so 
C||, die Faulheit lieben und die Hube hassen. 
n'' .Anmerkung. Hier wird, und zwar sehr vreltlanlig durch 
[ist 3 §§. von einein gewiss sehr iuterei>Baiiten, bei den JE^- 
mem nicht vorhnodeaicn Institute geredet, aber aucli nufi udi- 
klarste uDd obertlitcblicliste. Der Verfasser sngt gar iiicbt, wor- 
in Aas eigenllicbe Wesen des comilatuB beslelK; wer, ei^en 
«oUben hüll, ab der Adelige als «olclier, stier der Bi^aule; ef 
sngt nicht, wer bcreiiitreleu knnn, ob blus der adeUge Jjüug^ 
ling oder Jedormaun ; er erwähnt nicht die Formeo, uni^r wel- 
Ehe» der Eintritt erfolgt;, er aapt nicht» Tpa den ßauggtufen 
Igradus), die rorbauden sein sitUen; er übergebt die Haupte 
lavhe, den geniianischen Nfunm, gebrtiiKht einen l^feiniachen, 
r keinen rechlen Sian gieliti mau sieht aus AUenij der Yer- 
ler -wird keine specielle Kenntniss diefies Inat'Uutea gt^iajb^ 
, Der lange üenlimcmalc Scliluga ist fvohl ^pa keiner 



-- « — 

'js^tsti^^elieii F&der- geik>s!seki; deiiti ein Soldat Ton 'PiioleMioo, 
-^«ttvfteinen Herrn stets zu begleiten : hat,., kann . ivafürUoh nicht 
(flßlfj Acl^er./h^epy'iqusa i^othätig sein, weim er n|cht in Dienst 
■ i^t^r Dejr .Verfasser spricht. Ton den Weibern und KjnJIerD der 
cömiY^f ;. es l9sst sich aber nicht wohl denken, dass die, wel- 
'~e&\^ ifir ganzes Leben ihrem H^rrn gelobt hatten j ihn als Leib- 
"^rii^hik übevalt begleiteten, dass die^e, in. der Regel, wenigstens, 
tTsHiüiitith^t^ geweseii wären* 

<>.; ^.{-i^ßfH^ s^taXitteratur erwähnt — so ?iel mir bekannt — gar 
nicht ^lieses Institut in Germanien; der Geschichtschreiber ' Ta- 
citus nennt aber öfter clientes im ähnlichen Sinne; to sagt er 
(A'nil^vf, d8): Segestes hat magnnn^'propfntpti^um ei tKeih 
tiiM nianun$% ferner (II. '4d): IngoibÄierust hat yiiele clienUiy 
iRKd/(Sii^ SO): Vanniu$ geht über. di« Donau, secuti 9u$U clü 
entes'j diese clientes waren wohl bewaffnete Dienstleute , wie 
si<;b aber dioße clientes gegen dencomitatus verhalten, hätte 
"äer Verfassei' döcli angeben -sollen. " 

In allen keltischen Ländern, gewiss airch in Germanien, 

umgaben sich die Fürsten mit einer Leibwache, die ihnen spe- 

cieli und höchst ergeben war, mit der sie in sehr nahen Be- 

ziel^ujigen standen , deren Grösse sich nach dem Vermögen des 

FüVsteb ^ 'des Stammhauptes oder Majorätsherm richtete. .' Da 

'die' meiflUen- Güter den Familien gehörlen, also Majorate iraren 

:(s., §«-.26), so bildeten die nachgebornen Söhne einen acmen 

.|4^^el,;.,in -so fern sie nicht in den Priesterstand übergingen und 

die {)eschränkenden Verhältnisse des väterlichen Hauaief iffer- 

iasse'n wollten , widmeten sie' sich dein' Militairstande d^4<lTch, 

'Üass' äe in das Gefolge eines Fürsten tra^en^ wodurch sie Selbst- 

istaindlgAL^iFt erhielten. , ' - : ,> 

'; < iSciiflB.in .der vorgriechi&chen Zeit, wird dieses Institut vor- 
handen gewesen sein, setzte sich bei den Griechen in der 
kraigsia fort, wo sich junge Leute an älteriBj vornehme gelob- 
HSh;^ mit "ihnen in der" iunigsten Beziehung blieben; es wird 
(fe^ähtit 'bei tleri germanisch -galHscMn J9o;e^ die.in Ob^« 
Tf^lien saisen, von denen Polybius (H. 17) sagt: sie halten be- 
sbndet's viel auf die' eraiQsCoLy denn -der- ist der furchtbarste und 
iff ächti'^t^ iinter ihnen , der die meisten Diener im Giefolgie 
hhti'^Vbii den Keltiberiern in Spanien sagt 'Strabo (4. .§.17): 
~eV^ ibierisdie Sitte,' «ich dem zu geloben, dem .man sich an- 

sch'lielig/fy'iogar füt ihn zu sterben- - . : > • i. ,.| 

CaeMT 

bilden /die 

zieben* 

XJiii^ebeh -^nd sie nach tlang und'- »Vermögen »durch ambacii 
ik ' dHenteäi'^^ies ist das einzige ^äicheiL de»^ Ansehens nil4 
Hbf 'MatM.'*^ ''indeim er iferrieMJrcm.ider FroVins Aquitaoieii 




alle Geuüssfl' 
tie sicJi ganz in Frciiiid-^ 
roltsRiner Weise einen 



t die GescLiclitO 



I — 49 _ 

in Gallien redet, lieisst es (cit. loc. 111. 22): — die Gallief 
yersucliteu einen Ausfall mit 600 dciatia (Gelobten), die aiß 
eoldurii nennen, deren Lage dj ' " .---.- 

des Lebens mit demjenigen iheilen, 
Schaft ergeben liaben; leidet diese 
Unfall, so tlieilen sie mit ihm da 
Bogar selbst den Tod, und man ki 

reicht kein Beispiel , dass der den Tod verweigert, wenn der 
gestorben , dem er sich ergeben hatte, — Uier giebt Cäsar 
eine ganz TerständJiche Nachricht (die vielleicht unser Verfas- 
ser benutzt hat), erwähnt auch die gallischen Namen dicker 
Gelobten, die also SoidurU uDd Ambacti hiessen. Ambactua 
heisst nach Festus in Gallien „Diener", welches Wort zusam- 
menhängen kann mit ambais im Wälischen, was Schutzwache 
bedeutet; vielleicht war dieses Wort auch in Germanien liei- 
miscli, denn im Altteulschen findet man das Wort ambaa^ia, 
d. i. Dienst; in fr.änkischer Zeit unterschied man das Ambachts- 
oder Hoferecbt (jus ofjicit) von Lchnrecht; lange hat sich 
das Wort ambac/itmann erhalten, vtoher vielleicht unser Amt 
und Amtmann, 

Das altkeltische patriarclialische Verhältuiss zwischen dem 
Grundherrn, seinen Vasallen und seiner Leibgarde hat sich in 
Schottland, besonders auf den Hebriden, am lüugsteii erhallen, 
bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, und ist noch jetzt nicht 
ganz verwischt. Die schottischen Lairda oder SEammhüupIcr, 
die nur in und für Uiren Clan lebten, hallen ihre Schlosser 
stets voll Ton Kampfgenossen ([wohl das Analogon der allen 
devo'i), die sie unterhielten, mit denen sie auf höchst ver- 
trautem Fusse lebten. Aber auch das Verhaltniss des Laird 
' zu seinen Vasallen und Zinsleuten war ein altpaltiarchaliscbes, 
. Die Zahl und Treue dieser Vasallen war die Uaupistätze der 
Macht und des Einllusses der Lairds. Diese, fast nur mit 
; Krieg, Jagd und Schmausereien beschäftigt, waren der *,äterli- 
. dien Sitle fren, fremder Luxus ihnen fremd; sie waren reich, 
, wenn es ihre Vasallen waren, die sich stets bereit zeigten 
, Alles für sie aufzuopfern, aber es fand auch kein Druck irgend 
. einer Art statt, der Laird lebte nicht hesser als seine Vasal- 
■ len; hätte er Jeinandenschlflgenvrollen, so würde er erdolcht wor- 
. den sein. Die Zi'nsleme (clientet) gehörten auch in gewisser Hin- 
sicht zu der Familie des Grundherrn {patrotius), hiessen sga- 
lachf woher das aliteuische Schalk, d. i. Diener; sie wurden 
von dem Grundherrn überall vertreten und gegenseitig wurde 
j das Lösegeld und die Busse für einander bezahlt, der Grund- 
herr beerbte den Zinsmann wenigstens zum 'flicil, der seiner- 
seits ohne dessen Einwilligung nicht gewisse Gewerbe betreiben 
durfte; aber ersierer stand nicht als Despot über diesen. 

Kefer'Blein, kelt. Allerlh. IJI. Bd. I. Abih. 4 



— »0 — 

Auch bei den wällsclien Kelten in Britannien wird das Ver- 
bältniss ein sehr ähnliches gewesen sein; selbst noch fn spat^ 
rer Zeit vrar es Sitte, dass der Vater seinen Sohn, wenn et 
14 Jahre alt war, dem arglwyd oder Stammhaupte übergab^ 
in. dessen Gefolge er nun trat, nachdem er die Huldignng dar* 
gebracht. 

Im Angelsächsischen hiess der patrtmus oder Herr dei 
Gefolges hlaford^ d. i. Brod-Ursprnng (woher das englische 
Lord)^ auch hold^ das gegenseitige Verhaltniss holdscipe^ and 
viele Freie stellten sich unter den Schutz eines solchen mäch« 
tigen Hlaford« 

Solch ein keltisches Verhältniss wird auf ähnliclie Weise 
auch in Germanien bestanden haben, welches allmählig sick 
veränderte, nachdem die Gothen das Land erobert, viele der al- 
ten Familiengüter an sich gerissen hatten; diese brachten die, 
von ganz andern Principien ausgehende feudalistische Yerfassnng 
mit^ welche jene patriarchalische mehr und mehr verdrängte; 
an die Stelle der alten patrizischen Familien trat ein meist 
fremder bevorrechteter Adel. Auch der Name Vasall (vaasusj 
vasallus im Altfränkischen) ist keltischen Ursprunges, hängt 
zusammen mit gwas im Wälischen, uasal im Gäiisehen, der 
Page, Diener, adelige Dienstmann ; gwasant der 'Dienst ; gwm' 
san dienen, (womit das Altteutsche gastndus^ Gesinde, «bsasi- 
menhangen mag). 

b. Es ist in dem clvitas Sitte (mos est civitaiibusy freiwil- 
lig' und Mann für Mann den Fürsten (principibiis) 
Vieh und Früchte darzubringen^ was als Ehrenbese«- 
gung angenommen (pro konore acceptum) auch dem 
Nothwendigen zu Hülfe kommt. 

A;b m e r k u n g. Dieser Passus giebt wieder gar keinen kk- 
ren Sinn; denn was beisst, dass Jeder freiwillig dem primeefi 
Gaben bringt, die pro honore angenommen werden*? Von toi- 
cLen freiwilligen Gaben konnte der princep» nicht leben md 
den nöthigen Aufwand bestreiten« Es ist dies der einzige F^ 
SWS, der von Abgaben redet, aber auf das Unkiarstev 

Abgaben an den Staat im römischen und utfsern Sinne wird 
es in den keltischen Ländern, auch in Germanien, nicht gege- 
ben haben. Der Staat war nur ein Congloiiierat vom Coamn* 
nen, hatte kein dynastisches Oberhaupt, keine besoldeten B^ 
amten, keine stehende Armee. Die Ländereien des Adels^ der 
Communen, der Geistlichkeit waren aber an Personen des drit- 
ten Standes gegen Zins und Leistungen verliehen, wodareh eis 
Stand von unfreien Bnuem gebildet wurde, die mit mehr oder 



•' 



— 51 — 

weniger regelmässigen Abgaben belastet waren, aus denen der 
A^del viiEÜglich .seine Einkünfte bezog. Daneben gab gewiss 
ilocli der Bauer freiwillige oder aiisserordentlicbe Abgaben, die 
^rzngltcli wobl in den gegenseitigen patriarchalischen Clan 's-» 
▼erhältnissen lagen. Die Clienten oder Zinsleute gehörten in ge- 
wisser Hinsicht zur Familie des Grundherrn, und gegenseitig 
bezahlte man Lösegeld, Bussen und dergleichen für einander; 
alich nahmen die Clienten wohl Antheil an allen Familien -Yer- 
lialtnissen des Grundherrn, gaben oft wohl freiwillige Geschenke« 

e. Besonders erfreulich sind Gaben der benachbarten VhU 
lier (finitarum gentium)^ welche nicht sowohl von Ein- 
zelnen^ sondern Ton Gemeinheiten gesandt werden^ 
wie auserlesene Pferde, grosse Waffen, Pferdeschmuck 
' und Ketten (torques'); auch Geld zu nehmen haben wir 
ihnen schon gelehrt. 

Anmerkung. Statt über das Abgaben - Sjstem und die 
Eionahmequellen verständig zu reden, wird hier ein Satz 
eingeschoben, der gar nicht mit dem yorigen im Zusammen- 
hange stehn Dass manche hochgestellte Persönlichkeit werth- 
▼olle Ehrengeschenke Ton auswärts bekam, die besonders er- 
freulich waren, dürfte eine sehr werthlose Bemerkung sein. 

§. 16. 

a. Dass von den germanischen Völkern keine Städte 0'^- 
bes) bewohnt worden , ist genugsam bekannt. 

Anmerkung. Dieser Satz ist ein offenbar unrichtiger 
wie aus der Litteratur, wie aus den Verhältnissen erhellet, und 
man möchte meinen, der Verfasser habe sich mit einer solchen 
Behauptung nur einen Scherz machen wollen. Die römische 
mrbs ist nicht etwa Festung, sondern Stadt, überhaupt ein 
Ort, wo viele Menschen bjpisammen wohnen ; solche Städte gab 
et in Gallien sehr viele, und da allen ^Nachrichten nach die 
Germanen to^ den Galliern gar nicht verschieden waren , so 
läflftt sich schJr erwarten, dass diese so gut Städte, wie jene 
hatten. Die germanischen Gräber enthalten eine Menge Schmuck 
uad andere Kunstsachen, meist aus Metall, die nicht von rö- 
mischer nnd griechischer Arbeit sind, wohl nur in Germanien 
£Ej)ricirt sein können : solche Industrie kann nicht der Landmann 
m seiner einfachen Hütte üben, dazu gehören Städte. Gab es 
eine uralte wichtige Handelsstrasse aus dem Bernsteinlande 
(aus der Gegend von Danzig) durch Schlesien, bis zur Donau 



_ ^ 



— 52 - 

in der Gegend von Wien, so 'wird es hier auch Städte gege« 
ben haben« 

Man braucht nur eine Charte der alten Geographie zur 
Hand zu nehmen, und wird finden,, wie in Germanien rechts 
und links des Rheines eine grosse Menge wohlbekannter Städte 
lagen, und in der jüngsten Zeit werden mehr und mehr Reste 
alter, unbekannter Städte aufgefunden; so ist es auch im alten 
Helvetien, Yindelicien, Noricum und Pannonien. Aber auch im 
eigentlichen, innern Germanien zwischen Rhein und Ostsee, zwi- 
schen der Nordsee und dem Ursprünge der Donau, werden 
selbst von der Litteratur viele Städte erwähnt, ja unser Ver- 
fasser selbst nennt in §• 28 auf sehr dunkle Art ein Boihe^ 
muffiy welches kaum etwas anderes sein kann, als das BuiU" 
miam des Strabo, die Residenz des MarobodeuSj also eine 
Stadt, und wahrscheinlich das jetzige Fassau (s, §• 28). Der 
Geschichtchreiber Tacitus erwähnt (Annal. I. 56): Germanicus 
habe bei seinem Kriege gegen die Chatten Mattiacum, ihre 
Hauptstadt (id genti caput), verbrennen lassen. 

Cäsar, der in Germanien Krieg führte, gebot (bei. gall. 
VI. 10) den Ubiern in Germanien (die etwa im heutigen Her- 
zogthume Hessen wohnten und ein suevisches Volk waren), ihre 
Habe vom Lande in die Städte zu bringen (sua omnia ex 
agrts in oppida conferanf:); bei einem Uebergange nach Ger- 
manien erfuhr er (bei. gall. IV. 19): die Sueven hätten nach 
allen Richtungen Boten ausgesendet mit dem Befehle, die Städte 
zu verlassen (uti de oppidis demigrarent). In den weiten 
Ländern der Sueven muss es daher viele Städte gegeben haben. 
Cicero (de prov. cons. 12. 13) sagt von' den nördlichen Gegen- 
den : was ist rauher als jene Länder, hässlicher als ihre Städte, 
roher als die Völker. 

Der Grieche Ptolomäus, der etwa löÖ n. Ch, (also etwa 
50 Jahre nach dem Geschichtschreiber Tacitus) in Alexandrien 
eine allgemeine Geographie aller bekannten Länder schrieb, in 
welcher nur die wichtigsten Städte in den Ländern angeführt 
sind, erwähnt im eigentlichen Germanien, zwischen Rhein und 
Ostsee, die Namen von 94 Städten, deren Lage er nach Gra- 
den angiebt, bei mehreren wird selbst die Dauer des längsten 

und kürzesten Tages angegeben (s. oben Th. 1(. S. 176 

185); es muss daher sehr viele Städte in Gcrmraien gegeben 
haben, die der Geographie aller Länder sehr wohl bekannt wa- 
ren. Die auf jeden Fall gräcisirten Namen der von Ptolomäus 
erwähnten Städte werden durch die Abschreiber noch man- 
che Corruption erlitten, werden im Altj?ermanischen zum 
Theil wohl anders gelautet haben, als wir sie jetzt lesen; aber 
einen teutschen Klang hat keiner der angeführten Namen; da- 
gegen zeigen mehrere derselben die keltische Endung dunum 



— 53 — - 

(die wir bei sehr vielen gallisclien iiiid lirilfliiiiisclieu Slüdlen 
iindeo), wie Taradouiim, Segiidunum, Rhobodunnm , Me- 
tiadunum, Carhodunum, Lugditnum-, audere lassen sich 
aus dem Keltischen Lerleiieii, vric x. 13. Kalaegia oder Ha- 
iaegia (unser Halle); micli andere lin'ieii Uczieliiing zu avht 
germanischen VÖlkerscliiiften. 

Die Periode zwischen der roiniscLen und leutachen Zeit, 
uder Tielinehr z-wisclien dem 1. tjjid 9. Jahrli. , chaiaklemirt 
durch diia Eindringen goihischer Vülker, die sich in Gennauien 
festseizieiJ, war gewiss deui Enlatefien neuer Studie Iiüclist uo- 
giiuütig; denn die Gotlien, die Ana dynastisdie Lehen atif dem 
Li^iide Hcljten, hassten' die Sfüdte, verwüsteten sie gern, Ala 
ülier allniählig das gnthische Wesen eich verwischte, sich mi^^ 
dem keltn - gerinn nischen in dns teiitsche amnlgainirte, die Kulifl, 
wiederkehrte, der Kni&er Carl der Grosse den zerstörten Ha|^ 
del wieder lielebte, die Städte begünstigte, auch nun 
teutsche Lilteratur beginnt, da sehen wir ganz Teutschlai 
Städten bedeckt, jn fnst alle unsere jetzigen Städte sind schM 
damals vorliandeu, werden nicht neuem, sondern urallen ger-J 
manischen Ursprunges sein. 

Germanien halte gewiss stets, seit ältester Zeit, wnhl schon | 
vor 3000 Jahren und lünger seine Städte, in denen 
und Industrie gelriehen wurde, die mehr oder weniger blühend,.' 
wohl stets fort bestandeu. 

b. Auch ist geutigaam bekannt, dass die gernaniscbea | 
Volker nicht einmal uuler einander verbundene Woh- 
iiungcn (Jnter se jrinclas sedes) dulden; sie wohnen i^ 
abgesondert und zerstreuet, wie ihnen eine Quellen ^ 
ein Feld, ein Hain gefallt. Ihre Di>rrer (vj'cos) richten J 
sie nicht nach unserer Weise ein, mit neben einande^l 

■ stehenden und verbundenen Gebäuden. Jeder umgiebt | 
seine Wohnung mit einem weilen Räume, als Mittel .] 

■ gegen Feuorsgcfabr oder aus Uiibckanntschaft mit äet ] 
* Baukunst.^k 

> AninersThg. Der Verfasser sagt hier mit vielen Wotf^ 

» ten: es habe in Germanien keine compacten Dorfer, sonder^^ 
I nnr isulirie Wohnungen gegeben. Dieser Satz wird durch dift^ 
»- Lilteratur nicht bastätigt, die von Dörfern und Städten .in Ger-- 
^ maoien redet, und wird in seiner Allgemeinheil wohl e 
-' «her sein. Es wird wohl stets so in Germanien gewesen seio^i 
Ha es jetzt ist. In manchen Gegenden, besonders in Weste J 
ihalcn und in mehreren Distrikten »on ,Niederieulschland, li^S 



- - 64 — 

gen noch gegenwärtig die Besitzungen, die Banerliöfe isoliit, 
umgelien von Gärten und Aeckern, sie bilden keine compacten 
Dörfer, sondern G)inmnnen, die sich stundenMreit fortziehen ; und 
80 "wird es auch in alt germanischer Zeit gewesen ßein, wo 
hier Germanen des cimbriscncn oder wälscheii Slammes wohn« 
ten. In Hochteutschlniid aber giebt es überall compacte Städte 
und Dörfer, wo die Wohnungen dicht neben einander liegen; 
80 wird es auch — wie wir allen Grund anzunehmen haben — 
in altgermauischer Zeit gewesen sein, wo hier die suerischcD 
Völker wohnten, die von den gallischen gar nicht verschieden 
waren. 

Isolirte Wohnungen gewähren bei Feuersgefalir iillerdings 
Vortheile, aber eine Ünbekanntschaft mit der Baukunst setzen 
sie gewiss nicht voraus, wie unser Verfasser am Schlüsse de« 
Passus äussert 5 denn ob ein Haus isolirt, oder in die Nahe 
eines andern gesetzt wird, ist wohl in baulicher Hinsicht sehr 
gleich. 

c. Weder Bruchsteine noch Dachsteine sind bei ihnen 
(den Germanen) in Gebrauch (caementorum ac icgula- 
rum usus')] zu allen gebrauchen sie eine gestaltlose 
Masse ohne Art und Nettigkeit; einige Stellen überzie- 
hen sie sorgfältiger mit einer so reinen und glänzen- 
den Erde, das<s es wie Malerei und Farbcnanstrich 
aussiebet. 

Anmerkung. Hier wird von den Privat -Wohnungen 
geredet, wieder auf die aller unklarste und unbestimmteste 
Weise; man kann wohl diesen Gegenstand nicht schlechter dar- 
stellen als es hier geschehen ist, nichts wird von der Form 
und Einrichtung der Häuser erwähnt. 

Wenn es heisst: Bruchsteine waren bei den Germanen 
nicht im Gebrauche, so ist dies olTenbar ganz falsch, wie die 
Archäologie deutlich lehrt; denn Bruchsteine wurden offenbar 
sehr viele verwendet, aber nur zu Cultus- Bauwerken, die zum 
Theii sehr grossartig waren, denn die isolirten Aeinpfeiler, die 
Hünenbettcu, die Altargrotten, die meisten Graber, die cyklo- 
pischen Mauern und was sich an alle diese anschliesst |[s. Th. 
I. S« 262 — 297), sind germanische Bauwerke aus Bruchsteinen, 
die in ungeheurer Menge über ganz Germanien zerstreut sind 
und ganz ähnlich in allen keltischen Ländern vorkommen. In 
allen diesen scheint der rohe Stein das Symbol der Gottheit ge- 
wesen zu seyn (s. Th. I. S. 385) , deshalb wurde er nicht 
zu Pri?atz wecken verwendet. 



— 65 - 

Grosse l'iilläsie und »leiuenie Hiiiiser liaiicle man gewiss 
niclit iu Germatiien, aler niirli in kciüem Lande der Keilen} 
überall waren die Privat- Wobnungcn sehr eiufncli nur ans Lelim^ 
lind Holz. In Frieslnnd, wo viele alle Gewolinljeiten aicli selir^ 
lange erliielten, dorfift bis ins 14ie Jnlirli. kein Hans (mit Aus- J 
naiime der Kirclien und Kloster) yaa Siejn und höher als 12 j 
Fuss bis nnter das Dadi gebnnci sein; die Gewohnheit inochlß^J 
eine uralte sein und weit dnrcli Germanien herrschen, wo 
iindi nach Vitrnv (i. 1.) die Gebijiide ans Lehm und Holz 
führle. In Gallien und Belgien beslandeu nach Strabo (IV. 
§. 3) die Geliüude aus Lebui nnd Holz, waren geräumig, 
nind, mit einem müchiigen Darhe aus Schindeln oder Li 
schlag; erst zur Rüraerzeit erhielt Gallien steinerne Gebüudt 
Solche runde, geräumit^c Lehingeliaudc mögen auch im 
seilen Gerinanieo geherrscht haben; von ihnen konnte sii 
türlich nichts auf unsere Zeil erhallen. Aehnlicb war e; 
in Italien, selbst Rom hatte bis zur Kalserzeit sehr miserabl^ 
Wuhngebaude, war bis 380 a. Cb. nur mit Schindeln gedecktj^ 
und nach Sneton (Octav. 'J9) rülimle sich August: er habe P — 
aus Lehm gei'imden, werde es aus Marmor hinterlassen. 

Wenn es bei unserm Verfasser von dem allgemeinen Bau-^ 
nialeriale heissl; maUria ad omnia utantur informi et ci-\ 
Ira »peciem ant delectationem , sa ist dies doch eine gansH 
dunkle und schwülstige Beschreibung für ein Material, das of~ J 
fenbar unser gewohnlicher Leliin ist, der in Gallien und Ita- J 
lieu so gut als in Germanien verwendet wurde. Wie 
jetzt, besonders in Nieclerteulschinnd die ineisten Bauerhauser, I 
aus Lehm und Slrob bestehen, ohne ZiegeUteine, so wird est I 
auch in der äliesten Zeit gewesen sein; solche Häuser sind Y 
sehr ballbar, im Winter warm, im Sommei h.üLI, aber ganz. 1 
ohne Holz sind sie doch nicht herzustellen. Aber die Bauart ] 
■war gewiss auch in ältester Zeit eine verschiedene: in den Ge- 
genden, wo es keinen Lehm aber viel Holz gab, baueie inaa ' 
v^ohl Hüiiser hlos von Holz. 

Wenn es im letzten Satze lieist: quaedam Joca di/igeH- 
tiits illinunt terra ita pura ac splendenfe , ut picturam \ 
ac lineamenta colorum imilelur, so ist dies wieder recht ) 
unverslÜndlidi^Hat die Erde zum Anstreichen eine Farbe, »» 
wird es cin^Farbenerde sein. Wollte der Verfasser- sagen; 
die Germanen bemallen ihre Haitser, sit konnte er dies deut- ] 
_lich ausdrucken, aber die Lilteraiur weiss nichts von sokheu 
bemalten Häusern. 



d. Sic pflegen auch unlcrirdischc Höhlen zu graben, die 
sie oben mit vielem Mist bedecken, als Zitfluclit im 



— 56 — 

Winter und zur Niederlage für die Früchte; denn die 
Strenge der Kälte mildern sie durch solche Orte, und 
wenn einmal der Feind kommt verwüstet er das Of- 
fene, das Verborgene und Vergrabene weiss er nicht, 
oder täuscht sich eben dadurch, dass es zu suchen ist. 

Anmerkung^ Dieser Passus enthält Angaben, die auf 
jeden Fall falsch sein müssen. Die Höhlen, hoch mit Älist be- 
deckt, sollen den Winter als Zufluchtsort {svffugium) dienen, 
doch wohl den Menschen; aber die Germanen, die nach unse- 
rem Verfasser bemalte Lehmhäuser hatten, und hier gern am 
Feuer lagen, werden sich gewiss nicht unter den Mist verkro- 
chen haben. Solche Höhlen mit Mist bedeckt werden auch 
wohl nicht als receptaculum frugibus gedient haben ; denn 
unter dem Mist (der hierzu nnnötliig ist) möchte leicht Fäul- 
niss eintreten, und der Feind würde eben durch die Misthau- 
fen das Verborgene leicht finden. Aber wie noch jetzt der 
Landmann die Rüben und ähnliche Gegenstände, die leicht er- 
frieren, in Gruben aufljewahrt, so wird dies auch in uralter Zeit 
gewesen sein und vielleicht noch grossartiger in den Silo's, die 
in Ungarn und andern Gegenden zur Aufbewahrung des sämmt- 
lichen Getreides dienen. Was der Schluss heissen soll : aut 
eo ipso ipso fallunt quod quacrenda sunty ist nicht recht 
zu begreifen. 

a. Als Bekleidung tragen alle Germanen das sagum^ mit 
einer fibuluy oder wenn es daran fehlt, mit einem Dorn 
{^spina) zusammengehalten; übrigens unbedeckt brin- 
gen sie ganze Tage am Heerde oder Feuer zu. Die 
reichsten zeichnen sich durdi ein Kleid (yestis') aus, 
nicht fimians (wellenförmig), wie bei den Sarmaten 
und Parthern, sondern anhegend, die einzelnen Glieder 
zeigend. Sie tragen auch Häute von wilden Thieren 
(ferrarum pelles^^ die nächsten am Ufer nachlässig 
(negligenier^y die entfernteren sorgfältiger,-*da sie kei- 
nen Schmuck durch Handel erhalten. Sie wählen sich 
wilde Thiere, und die abgezogenen Felle besetzen sie 
(spßrgunf) mit Stücken Fell von Thieren, welche ein 
ferner Ocean und ein unbekanntes Meer erzeugt. Die 
Weiber haben dieselbe Tracht als die Männer, nur 
umhüllen sie sich oft mit leinenen Kleidern (lineis amic- 1 



1'iliHS veUntiHr'), die sie durch Purpur verschieden ma- 
chen (jmrpiira variani), den obern 'l'lieil der Kleidung 
aber nicht in Aorniel ausdehnen, nackt ist Arm und ] 
Schulter, auch der angrenzende Thcil der Br^ist. 
Aninerkiiug. Hier, v:n von der Bekleidung geaproclieit 1 
Kird, bclieint es darauf ntigelegt alles uekbr zu lassen, mit J 
ielen Worten nichts Dcntliclies zu sagen. Man inuss fragenin 
deim ein aagutn, ein ventisj ein amiciu», vras heiitt T 
W;purpura variani'} dies sind alles vage Aiihdrüolie, die 
priel mehr sagen, als: die GeruiaDen trugen Kleider und Mäa* 1 
rel> nicht einmal von Hosen iat die Rede; es werden nich^ I 
ple germanischen Namen genaunt. Ganz unklar wird in Hin* f 
licht der Pelze gesagt: prox-imi ripae negligcnter , ullerio— I 
I ejrquigitiua ^ ut tjnibus nullus per cammercia cultuai\ 
fr Wenn es heiast : locvpleliasimi veile dislinguuntur , «cMfc' 1 
Jluifante , ted stricta et aingiilos artus exprimente, 
fragt man natürlich; sass rliesea anschliessende Kleidungsatii 
an den Füssen oder an dem obern Rorperj bestand es in Ho- \ 
sen oder Rock'? 

Ueber die Kleidung der Germanen giebt uns die Litter«-» j 
liir wenig Nacbricbt; nur Diodur Sici.l, V. 30 sagt: die 
licr und Germanen tragen Schrecken erregende Kleider, Ho-i \ 
sen, hei ihnen braccac genannt, gefärbte, bunt überblämta; 
Rücke, darüber im Sommer dünne, im Winter dicke JHänte),i ' 
die gestreift und mit vielblüinigen Vierecken dicht überdeckt) 
sind. Die hier herausgehobene bunte Fürbnng der Kleider 
wohl charakterisch für alle kellische Volker, denn das sein 
tisclie Kleidersciig liat noch jetzt, wie in üllesier Zeit, sehr 1 
helle, grelle, verschiedene Farben und Zeicbnungenj jedCTaJ 
B Clan, jede Würde hat seine besondern Farljen und Zeichni 
Kgen, wie es stets, auch wohl va Germanien gewesen sein wi 
V- Die Kleidung der Römer wird im Allgemeinen die altkel-rJ 
"tische gewesen sein, niiin trug gesvübnllth und im Hause die:f 
unlieb Ulf liebe toga {twyg im Waliscben), eiö sein- grosses j 
Stück Zeug, welches um den Körper lierumgescb lagen wiirde,--i 
nnier welcher, in älterer Zeit wenigstens, die Unterkleider \ 
fehlten; im Erlege und bei der Arbeit hatte man aber Unter-. , 
Jtleider und flarüber einen kurzen Mantel, das sagum, im Grie- , 
cbischen tjüyog, offenbar das Wülische segan. Aehnlicbe Oher- 
kleider trugen wohl alle kettischen Volker, aber in fiinsicht 
der Unterkleider wird ein nationeller Unterschied b||tandea 
haben. Die gütischen Ivellen in Schottland tragen boOl jet£t> 
keine Hosen oder anschliessende Unterkleider, sondern eine 
Art kurzer Wejberröcke , und viele keltische Völker werden in 
alter Zeil (iine Hosen {braccae') gegangen sein, andere aber 



— 58 — 

trugen dagegen Hosen. Die Römer nannten das südliche Gal- 
lien früher narbonensis^ nachlier braccata^ das Hosen -tra- 
gende; nach Strabo (IV. 14) trugen die Belgier knrze Mäntel von 
grober langhaariger Wolle, enge Beinkleider und kurze Jacken , 
mit Aermeln; und so mag auch die Kleidung der benachbarten 
Germanen gewesen sein. Der Name bt*accacy ßqu^ai im Grie- 
chischen, ist wohl keltischen Ursprunges, ist bragesi im Brcto- 
nischen , mprece im Walach i sehen. 

Die schottische Nationaltraclit, aus der altkeltischen Zeit 
herstammend, wird seit uralter Zeit unverändert geblieben 
sein, mag früher sehr weite Verbreitung gehabt haben und ist 
eine selir eigenthümliche. Der Schotte hat Schnürstiefeln und 
sehr kurze Strümpfe, blosse, unbekleidete Füsse und Lenden; 
er trägt den iilt (eigentlich filleadJibcg)^ einen kurzen W^ei- 
berrock, der bis ans blosse Knie reicht, oft ein rauhes Fell 
über seinen Leib und darüber auf dem Marsche oder bei der 
Arbeit einen kurzen Mantel von grobem Zeug; in der Häuslich- 
keit trägt er aber meist niclits als den eigentlichen breacan 
(die alte toga)^ ein Stück Zeug von 12 — 15 Ellen, das um 
die Mitte des Leibes gewunden und um den Körper geschlagen 
etwa bis zum Knie reicht, mit einem Gürtel, meist aber mit 
einer Schnalle auf der Schulter befestigt wird. Solch einen 
breacan oder toga müssen gewiss auch die alten Germanen 
getragen haben — wie auch alle keltische Völker — weil man 
die dazu gehörige Schnalle, Brosche oder Jibula^ oft höchst 
kunstreich gearbeitet, fast in allen Gräbern, meist in der Ge- 
gend der Schulter findet (s. Th. L S. 332.) 

Gewiss trugen die Germanen Pelzwerk, was das Klima 
nöthig macht, vielleicht nicht blos von einheimischen, sondern 
auch fremden nordischen Thieren ; was aber unser Verfasser 
mit den schwülstigen Worten : eligunt feras et delrac. a ve- 
lamina spargunt maculis peihbusque belluartittty quas ejc-' 
terior Oceanus atque ignotum mare gignü, sagen will, 
scheint nicht recht klar. 

Schliesslich heisst es : die Weiber tragen sich wie die Män- 
ner, nisi saepius lineis amiclibus veiantnr, eos purpura 
variant; wieder eine ganz dunkle Stelle, denn amtcius ist 
kein besonderes Kleidungsstück, sondern jedes äussere Gewand; 
aber gewiss ist es eine falsche Narhricht, dass die'' Kleider der 
germanischen Frauen durch den Saft den Purpurschnecke violet 
gefärbt gewesen wären: sie werden vielfarbig, mit abstechen- 
dep Fi^eä gewesen sein, wie es die Kelten liebten. Noch 
jetzt tn^en sich die schottischen Weiber ziemlich Vie die Män- 
ner, HOT haben sie den- tonnag ^ einen Umwarf, oder plaidy 
der bei schlechtem Wetter über den Kopf gezogen "wird ; die 
verheiratheten Weiber tragen den ktrch^ ein Studio Leinwand 



— Ö» -. 

■s. 

um' den Kopf gewickelt, das hinten sclileierarlig herabfällt; eine 
ähnliche Tracht kann auch in Germanien geherrscht haben. Was 
den Schluss des §. betriilt, so bemerkt Cäsar etwas ganz Aehn- 
liches von den Galliern, indem er sagt (hei. gall. VJ. 21): auch 
hei der Bekleidung mit Fellen und Pelzwerk magna corpo^ 
vis parte nuda. 



§. 18. 

a. Nicht eine ihrer Sitten möchte man mehr loben als die 
strengen Ehen (^f/uanquam severa illic matrimonia nee 
ullam morum partem magis laudaveris)^ denn sie sind 
fast die einzigen Barbaren, die mit Einer Frau zufrie- 
den sind {singuUs uxoribus eontenti)^ mit Ausnahme 
von Wenigen, die nicht der Wollust, sondern des Adels 
wegen {ob nobilitaiem) mehrere Frauen nehmen. 

Anmerkung. Dieser Passus ist ein recht confu^er, der 
selbst einen Widerspruch enthält. Vielweiberei war wohl nur 
bei den asiatischen Völkern gesetzlich, nicht aber in Gallien, 
Spanien, Britannien etc« Sehr unklar und unverständlich er* 
scheint der Satz, dass Einige non lubidine sed ob nob/iüa- 
tetn pluribus nup.iis ambiuntur\ diess kann wohl nur heis- 
sen: es habe zum Glänze des Adels gehört, mehrere Frauen 
zu haben; wenn aber der Adel berechtigt war mit mehreren 
FVauen die Ehe einzugehen, so lebten ja die Germanen nicht 
in Monogamie, und man begreift nicht, wie der Verfasser die 
severa matrimonia so sehr preisen kann. Vo'n ein eiLViel wei- 
berei in Germanien weiss die Litteratur gar. nicht« j* sie ist 
liöchst unwahrscheinlich, weil — so viel wir wissen — in allen 
keltischen Ländern, daher wohl auch in Germanien, nur die 
Monogamie herrschte, die Frauen in sehr hoher Achtung stan- 
den und von sehr bedeutendem Einflüsse waren, wie auch 
Plutarch (morah II. 270) erw^ihnt. Daher herrschte noch im 
Mittelalter das üebergewicht der Frauen, die Minne und ihre 
Höfe. 

Anders wird es bei dem spätem gothischen Adel gewesen 
sein; bei diesem wurde in Skandinavien die Frau gekauft, die 
Vielweiberei war erlaubt , gehörte zum Luxus der Voroflunen ; 
die gothischen Franken lebten in der vorchristlichev':2||| luchst 
lasciv, es scheint, dass auch hier die Vielweiber^ fwltzlich, 
wenigstens häufig war. Aber diese Gothen waren kefale Ger- 
manen ^ "waren zu Zeiten des Tacitus noch nicht in Germanien, 
wenigstjieiülddb Römern noch nicht bekannt. 



— 60 — 

b. Die JWitgift (rfo*) reicht nicht die Frau dem Manne, 
sondern der Mann der Frau ; die Eltern und Verwand- 
ten sind zugezogen, prüfen die Gaben, die nicht aus 
weiblichem Putz bestehen um die junge Frau zu schmük- 
ken, sondern aus Stieren, einem aufgezäumten Pferde, 
aus einem Schilde mit framea und Schwerdt {^gladid). 
Gegen diese Gaben wird die Ehefrau in Empfang ge- 
nommen, die dagegen ihrerseits dem Manne auch Waf- 
fen zubringt; dies wird für das grösste Band gehal- 
ten, das ist die heilige Weihe [arcana sacra^y das 
sind die ehelichen Götter (konjugales deos). 

Anmerkung. Hier wird über die Eingehung der Ehe 
wieder sehr unklar gesprochen. Die dos nach römischem Recht 
' kannten wohl die Görmauen nicht ; der Verfasser hätte doch 
den germanischen Namen dieser Gaben und ihr etgeotliches 
Wesen angeben sollen. Wenn er sagt: nicht die Frau sondern 
der Mann giebt die dos, aber gleich darauf: die Frau giebt 
ähnliche Gaben ^ also auch eine dos^ so ist dies ein Wider- 
spruch, wenn nicht die Verschiedenheit der dos von den Ga- 
ben der Frau festgesetzt wird. Als dos soll die Frau Oclisen, 
ein Pferd, Schild, framea und Schwerdt erhalten; das aber 
erscheint doch ganz unwahrscheinlich, denn was sollte die Frau 
mit den Waffen machen? Die germanischen Heere bestanden 
nicht aus gewaffneten Frauen, sondern nur aus Männern; die 
Frauen, die dem Heere folgten, fochten nicht als Krieger, son- 
dern hatten andere Ftinctionen. Diese gegenseitigen Geschenke 
werden urcana sacray conjvgales deos genannt, recht un- 
verständliche Worte! üeber die Formen bei Schliessung der 
Ehe wird gar nichts erwähnt, schwerlich wurd.e die Ehe allein 
durch solche Geschenke geschlossen , wahrscheinlich wirkte da- 
bei auch die Priesterschaft. Von der Scheidung der Ehe schweigt 
unser Verfasser gänzlich. 

Von den Galliern sagt Cäsar (bei. gall. VI. 19): was die 
Frau ihrem Manne zubringt, ist die dos^ und so viel legt die- 
ser, nach genauer Schätzung aus seinem eigenen Veripögen dazu. 
Dieses gesammte Vermögen wird gemeinschaftlich verwaltet, die 
Errungenschaft zurückgelegt {fructus servatus) ; wer den an- 
^dern überlebt, erbt das Ganze nebst allen Renten. — ^ Dies 
ist eine^Uare Darstellung, die Jedermann begreifen kann. Hier- 
nach wird das Eingebrachte der Frau als dos bezeichnet, das 
aber nichf in das Eigenthura des Mannes überging, sondern 
dieser setzte eine gleicße Summe entgegen, und in Hinsicht 
dieses Vermögens bestand Gütergemeinschaft; dieseir Vermö- 



— 61 — 

gens-Tlieil ging au( den ii!j er I eilenden Eliegntlen > iclil mit 
die Kinder über. So tniig ea nucli in Germanien, Heoig-sreoa 
in den suefisclien Landen gewesen sein. 

So Tiel wir wissen, war die dos oder daa Eingebraclite 
der Fran bei den kellisclien Völkern »llgeinein eijiget'ülirt) sie 
lieisst im Gälisclien iochar, tochrad , aucli dubhairidh, ua 
Wütisclien egweddi, sie besland in Rindvieli nder wurde viel- 
inelir nacli diesem bereclinet , wie dns Wergeid elc. Nach 
den all b retonischen Gesetzen erbielt stels die Friiu eine dos 
ilirem Stnnde gemäss; irennle si« sich von dem Kliemann in 
den ersten 7 Jahren, so erhielt sie nur diese do-i zurück, er- 
üulgle die Trennung, spiiler, ao lioniite sie das halbe Mobiliar 
beanspruchen. 

Im Fiirstentbnme Wales erhielt die Frau den egiveddf nder . 
die eigentliche du», ferner den argufran oder die üocbxcitge- 
schenke, und von üeiteu des Ehemannes den cowj/li nnch lle- 
schreilnng des liettes und ehe sie von diesem aiifslehet, der 
im liretoniscben caep gwerch (d, i, für die jHugferschai'l) 
beisst, nnd der bei den Angelaacbsen die Mor'gengife ist, wel- 
che der Frair verbleibt, die in den allleutsehen Hechten eine 
wichtige Rolle spielt, später das WiilAum wurde. Wenn die 
Khescbeidiing innerhalb der ecsleu 6 Jabre erfolgte, so erhielt 
die Ebefran nur den egweddi, den coiDj/it und den argyfrait, 
zurück; mit dem 7. Jabre wurden die Güter der Ehegatten ge-t 
meinschai'tlich ; immer erhielt der Manu von denKindern Va- '^ufc 
Ehescheidung konule der Manu schon nach 3 Mücbcen und aus 
mehraeiligeo Gründen antragen , die Frau aber nur in wenigen 
Füllen, bei Ehebruch nur nach Smaliger Ueberzeugung der Un- 
treue, Das aus der Ehe entsprossene Kind konnte der Vater 
für illegititi) erklüren. Obue Autorisation des Manne^^ounle . 
die Fra|i nichts kaufen und Tcrkaufen. Aehnliclie gwtzlicheij 
Bestimmungen mögen audi bei den cimbrischen Släinmen f " 
Germanien geherrscht haben. 

c. Damit sich dia Ehefrau nicht fern wdhiic von dem Ge< 
danken der Tapferkeit und deji Zufälligkeiten des 1 
ges, wird sie selbst durch die anfangenden Auspicien^ 
der Ehe erinnert, d«ss sie Gefahrliit von Arbeit i 
Gefahr wird, im Frieden und in der Schlacht leid« 
und wagcti müsse; das bedeuten die verbundeneu Stic 
dio gegebenen VVafl'cn; so müssen sie leben, s^au< 
sterben; sie empfangen etwas, das sie den Kindei 
nverictzt und würdig zurückgeben, das die Schwli 
crlochtor einpfilngt und den Enkeln zurückgicbt. 



— 62 — 

Anmerkung. Diese Betrachtung des Verfassers ist wolil 
eben so lang als fade. Die als dos gegebenen Ochsen waren 
M'ohl nicht das Sinnbild eines treuen Zusammenhaltens bei Ar- 
beit und Gefahr, sondern hatten theils eine praktische Ver- 
vrendung oder dienten nur als Berechnung bei Geld und an- 
dern Gegenständen« 

§. 19. 

a. So iergo) mit Züchtigkeit umschirmt {sepia pudiciiiä) 
leben sie, nicht verdorben durch Lockungen der Schau- 
b&hne (spedaculorum) uud durch die Reizungen der 
Gastmähler {conviviorwn). 

Anmerkung. Worauf sich das ergo bezieht, scheint 
nicht recht ersichtlich, aber was hier erwähnt wird, stimmt 
nicht recht mit andern Angaben des Verfassers; denn in §. S4 
erwähnt er selbst ein genus spedaculorum^ die Wafientänze^ 
und in §. 22 heisst es: die Germanen gehen eben so oft zu 
Geschäften als auch zu Gastmählern (conviviisy, wo sie Tag 
und Nacht potando contmnare» Der Verfasser widerspricht 
sich daher selbst, lieber die Gastmahle der Gallier hat uns 
Posidonius, der Reisegefährte des Pompejus, eine ganz einla- 
dende Beschreibung hinterlassen (beim Athenaeus IV. 13), und 
auf ähnliche Weise mag es auch bei den vornehmeu Germa- 
nen zugegangen sein. 

b. Der Schrift Geheimniss (lüeramm secreta) kennen we- 
der Mann noch Frau. 

AlMierkung« Diese Notiz steht hier mitten zwischen 
den Nachrichten über die Ehe und gewiss nicht am rechten 
Orte, da das Schreiben mit der Ehe nichts zu schaffen hat ; wirdL 
aber auch schwerlich ganz richtig sein. Wie in allen keltischen 
Ländern wird auch in Germanien zwar nicht das Volk, wohl 
aber die Priesterschaft der Schrift kundig gewesen sein, und 
da es in Germanien anch Priesterinnen und zwar weissagende, 
auch sehr berühmte ^ab, so werden auch diese wohl Kennt- 
niss der heiligen geheimnissvollen Honen gehabt haben» F. 
Bftfardt übersetzt diesen Passus ; „von Liebesbriefen wissen Manns- 
und Frauenspersonen nichts". Dies giebt zwar einen ganz pas- 
sendiQli Sinn, enthält aber auch eine grosse Licenz des Ueber- 
setzenrf^ . 

c. Ehebruch kommt sehr selten in dem zahlreichen Volke 
vor;, die Strafe erfolgt sogleich, ist den Ehemännern 



(ffp«r/fi*) erlaubt. Der Ehemann (imirittis') BtÖsst ilie 

Frau nackt und mit gcschornem Haar in Gegenwart 

der Verwandten aus dcni Hanse und treibt sie mit einer 

Geisse! durch das ganze Dorf. 

pi Anmerkung. Dieser Passus handelt von dem Ebebniclic 

«elir unvoUsiaDdig, da er den des Alaunes nidtt erwälint, der 

.«Hcli im allen GermiinieD niclit gar zu seilen gewesen sein 

.mag. Die übrige Litieratur schweigt über diesen Gegeugtard, 

nach Cäsar (bei. gali. VI. 19) hatte bei den GaHiern der 

Gewalt über Leben und Tod der Frau, wie der Kinder, 

und so kann ea aucÜ in Germanien gewesen sein. Unter wel- 

clien Umslüuden hei den wäüsclien Kellen in ßritaunien die 

Ehefrnn, wegun Ehebruch des Mannes, auf Trennung der Ehe 

antragen kuuute, ist torUei: (§. 18 sub b.) angeführt. 

Für verletzte Keusclilioit (ßublicaitie pudicitiae') igt 
keine Verzelliung; weder Gestalt, Aller noch Schätze 
worden einen Gatten verschaffen. 
Anmerkung. Dieser ditnkel ausgedrücklo Passus äull 

^octi heissen : eine öU'entliche Hure fiudct keinen Ehemann ; 

eine gewiss triviale Bemerkung, da dies wuUl üherall der Fall, 

.wenigstens die Regel ist. 

d. Niemand belacht dort (in Germanien} das Lasier; ver- 
führen und verführt werden ist dort, nicht der Welt Lauf^ ^ 
Anmerkung. Eine nllemeine Bemerkung, die wohl auci | 
f andere Lander passt, mit Ausnahme der grossen UauptstädlSi ,1 
le Rom, wo gewiss ein sehr lascives Leben war. *|^ 



I. Besser noch steht es in den Staaten (^civitales') , ial 
denen sich nur Jungfrauen (nicht Wittwcn) vcrmäh~ I 
len und das Gelübde der Gatten nur cLninal stattfindet. H 
So erhalten sie nur einen Ehemann, dadurch einen 1 
Körper, ein Leben, keine Gedanken weiter hinaus, da- 
mit sie nicht den Gemahl, sondern die Ehe lieben (ne 
iarufmtm maritum, sed ta>i<]uam matrlmonium amenf). 
Anmerkung. Hier fehlt offenbar die Haujitsache; denn 
es werden A'ie ctiitates nicht bezeicbaet, in denen eine xweite 
Verh«imihung nicht erbinbt gewesen sein soll, es wird nicht 
ge»a<!t, warum dies Gesetz besser sei als die gewöhnliche Pra- 
xis, und ans welchem Grunde es gegeben »ein mag. Da» Rai- 
souuemcDt tu Ende ist sehr unklar und dunkel. In der Litte- 



— 64 — 

ratiir findett -wir kein Gesetz erwähnt ^ nacb welchem Wittwen 
oder geschiedenen Frauen die Ehe verboten gewesen wäre; 
auch begreift man nicht wohl die Zweckmässigkeit eines sol- 
chen. Die Angabe des Verfassers erscheint daher ^icht recht 
wahrscheinlich um so mehr, weil er alles Specielle umgehet« 

f. Die Zahl der Kinder zu beschränken oder einen von 
den Agnaten zu tödten (^aut quenquam ex agnafis ne- 
care)j wird für ein Verbrechen gehalten; mehr gelten 
dort gute Sitten^ als anderswo gute Gesetze. 

Anmerkung. Nvmervm librorum ßnire ist ein un- 
bestimmter, unverständlicher Satz; «oll er sich auf das Abtrei- 
ben der Frucht beziehen, so war dies auch bei andern Völ- 
kern, seifest den Römern gesetzlich nicht ferlaubt. Wenn der 
Verfasser es den Germanen als ein besonderes Lob anrechnet, 
dass es für ein flagitium gelte, einen Agnaten zu tödten, 
so wird dabei vorausgesetzt, dass dies bei andern Völkern er- 
laubt gewesen sei: was offenbar falsch ist; auch begreift man 
nicht recht, wie diese Angabe mitten in das Eherecht kommt. 
Will man sich auch die Licenz nehmen und mit F. Bahr dt 
quenquam ejc agnatis durch - zugebrachte Kinder übersetzen, 
so wird dadurch nichts gewonnen. 

§. '20. 

a. Im Flause ganz nackt und schmutzig wachsen sie (die 
Germanen} zu dem Körperbau herauf, den wir bewun- 
dern. Jede Mutter stillt mit ihren Brüsten, weder 
MägdEüi noch Ammen werden sie übergeben. Herrn 
und Knecht möchte man an Feinheit der Erziehung 
nicht unterscheiden (dominum ac servum nullis eductt" 
tionis delicüs dignoscas)] zwischen demselben Vieh, in 
demselben Schmutze leben sie, bis das Alter die Frei- 
gebornen ausscheidet, Tapferseit sie anerkennt. 

Anmerkung. Dieser, für die Germanen eben nicht 
schmeichelhafte Passus über die Erziehung hält sich ganz im 
Allgemeinen. Nicht in Germanien allein, sondern in allen Län- 
dern atillten wohl die Mütter selbst ihre Kinder; dass diese, 
bis a^ir Hajorennität ganz nackt aufgewachsen wären, ist, bei 
unserm kalten Klima, nicht wohl möglich, und gewiss wird es 
in Grermanien auch Hausfrauen gegeben haben, die ihre Kinder 
reinlich hielten. Die Kinder der Herren und Knechte mögen^ 
Torzüglich auf dem Lande, so ziemlich gleich aufgeiogen sein; 



— «5 

denn Schulen gab es wuhl nicht, ausser für die PriesteMchafi ; 
über viel Leäaer war et auch nicht in dem benihmten Rom, 
wo es, bis in die spaiere Zeit nu Unterriclils- Anstalten fehlt^ 
der Unterricht anf Sclaveo beschränkt war. Allen Nachrichten 
nach gab es in Gallien viele und treffliche Unterrichts -Anstal- | 
len, be*sere wohl, wie in Rom; möglich, dass e» auch in Ger- 
manien der Fall gewesen sein liann. Wenn es heisst: die Kin- 
der hatten zwischen Vieh und in Schmutz gelebt bis das Alter 
die Freigebornen ausscheidet, Tapferlteit sie anerkennt {virtnt 
agttogcat), so bt dies weuig Terständlicfa, da nicht gesagt wird : 
Vaan das Alter die Freigebornen ausscheidet. Allen Nacb- 
Imhten nach waren die Germanen im Allgemeinen von grossem 
Körperbau, wozu wohl beitragen mochte, daM nicht so viel 
kränklidie Kinder als bei uns aufgezogen wurden, die Erzie- 
hung mehr auf den Korper als den Geist gerichtet war. Nach 
G alen {de sanit, tuend. I.) war ea bei den Germanen Sitte, • 
die neugebornen Kinder in einen Fluss zu tauchei 
Gesundheit zu prüfen, und einer solchen Probe mag mancher 
Schwächling erlegen haben. 



b. Spät kommt bciJüngUngen die sinDÜchc Begier, daher 
ist unerschöpft ihre ManncskraFt; auch die Jungfrauen 
werden nicht beeilt; gleich aa Jugend, gleich an Grösse , 

' (^simUis praeeritas), bei gleicher Kraft mischen sie sich, 
und die Stärke der Eltern gehet auf die Rinder über. 
Anmerkung. Der erste Satz: aera juvenum Vemta 
eo<lue inejcliaunta pubertaa, ist etwas dunkel gesagt; ob bei 
den Eben stets eadetn juvcnta und simiti» proceritoM statt 
fand, mijss wohl dahin gestellt bleiben. Klarer als unser Ver-j" 
fasser, spricht Cäsar über die erwähnten Gegenstände, indem 
er (bei. gal. Vi. 2t) sagt; ,,Bei den Germanen wechselt du i 
ganze Leben zwischen Jagd und den Srudien des Krieges; von ' 
Jugend auf gewöhnen sie sich an Arbeit und Abhärtung. Lange 
sich des Deischlafcs zu enthalten (diutisiime impubere» per- 
tnanaerunt) bringt bei ihnen grosses Lob, denn dadurch glaur- 
ben sie werde die Leibesgrosse und Stärke genährt; daher gilt 
es für höchst schimpflich, tot dem SO. Jahre ein Weib erkannt 
zu haben {fatminae nolitiam habuisse); doch machen sie 
aus der Geschlechts- Verschiedenheit kein Geheimniss, denn 
beide Geschlechter baden gemeinschaftlich in Flüssen und tr&- * 
gen einen grossen Theil ihres Körpers bloss". 

c. Kinder der Schwestern ßnden bei ihrem Onkel dieselbe ' 
Ehre (idem honor'), als bei ihrem Vater. 

Kcrcrstcin, kilt. Altnlh. 111. Bd. 1, Alitb. ö 



- «6 - 

Anmerkung« Diesem Passus kann ich keinen yerständi« 
gen Sinn abgewinnen, wenn ich auch das idem honor mit Fr. 
Bahrdt als ^gleichen Raug'' übersetzen wollte« Den Rang 
oder die Ehre, die den Kindern gebührt, haben sie nicht allein 
bei dem Onkel, sondern überhaupt. Sollte hiermit gemeint 
sein, dass nach dem Tode der Eltern die Kinder in die Vor- 
mundschaft und in das Haus des Onkels übergehen, so wäre 
es wenigstens höchst undeutlich gesagt. 

d. Einige halten diese Verbindung des Blutes (hunc ne- 
xum sanguinis) für heiliger und fester, sehen mehr dar- 
auf bei der Forderung von Geissein, als wenn diese 
das Gemüth stärker und das Haus. weiter verpflichteten 
(iamquam et animum firmius et domum lätius teneanC). 

Anmerkung. Auch diesem Passus kann ich keinen ver- 
ständigen Sinn abgewinnen. Worauf das nearum sanguinis ge- 
hen soll, begreift man nicht wohl; dass die Schwester -Kinder, 
oder auch die Mündel, lieber zu Geissein genommen wären, 
als die eigenen Kinder, erscheint doch ganz unwahrscheinlich, 
wird durch nichts motivirt. Der ^raison nirende Schluss scheint 
mir nur ein Klingklang. 

e« Die Erben und Nachfolger eines Jeden sind seine Kin- 
der und ohne (kein) Testament (^et nullum testamentum). 
Wenn keine Kinder vorhanden, so haben die nächsten 
Anwartschaft auf den Besitz die Brüder, Vater- und 
Mutterbrüder (patrui et avuncuW), 

ip^merkung. Hier wird das germanische Erbrecht, aber 
auf d^ unvollkommenste Weise , behandelt. Gewiss und über- 
all sind die Kinder die nächsten Erben der Eltern^ aber 
in welchem Verhältnisse sie es sind, darin herrscht viele 
^Verschiedenheit, darüber hätte der Verfasser reden sollen, wenn 
er etwas vom germanischen Erbrechte gewusst hätte. Die Kin- 
der können zu gleichen . oder ungleichen Theilen erben , -die 
Söhne können die Töchter ausschliessen , der älteste oder der 
jüngste Sohn kann durch das Gesetz begünstigt sein. Siod 
keine Kinder da, so erben naturlich die nächsten Verwandten, 
die Ascen deuten oder Collateralen; wer den andern ausschliesst 
oder ihm vorgehiet, darüber wird nichts gesagt. Mitten im 
PassQft 'stehet: et nullum testamentum} man weiss nicht, ob 
es sich auf die Erbschaft der Kinder beziehet, oder ob bei deo 
Germanen das Testament überhaupt unzulässig war. 

Bei den keltischen Völkern, wohl auch bei den Germanen, 
war die gesetzliche Erbfolge Regel, das Testiuneut . nur Aus- 



— BT — 

nalnne, aber ziilüssigj aiidi wird «ins Wort ein keflisclies sein, 
heisst teinmei'et, tiomtiadh iin Gälisclien. Zwisclsen der Suc- 
t «esäion in den alten Fnniilien-Gü(erii imd in dem übrigen freien 
L ■Vermögen mag bei den keltisrhen Völkern wohl ein Unter- 
■rxbhied gewesen sein , üijur den mir niclils Besiimmtes be- , 
Ikaont hl. 

1" Bei den wülisclien Kellen in BriiannieB kannte man iiichl 
Fi^ie Priinngenitur, im Gegentlieil wurde das jüngste Kind Ii&- ' 
KgfiiiBtigl, bekam gewülinlich Haus und Heerd, im übrigen erb- 
Lc^n nlle Kinder zu gleicben Tlieilcn, wobd oft das Loos eot- 
P%:7iied. Hierdiircli wurde der Landbesitz sehr siersjilittert, aucji 
3Ie einzelnen Sianten, sogenannten Königreiche, ol't zerspalten 
und* ümer die Sühne vertlieill, bis die Engländer im t6. Jahrb. ' 
das Redil der Erstgeburt einführten. Wie weit im alten Gef- j 
manien ähnliche Beslimmungen Geltung hatten wissen wir nicht, 
aber noch in der Sparern teutschen Zeit herrschte an manchen 
Orten in Teutschland, z. B. im Fürsienthinne CorvCj, die nlie I 
Sitte, dass nicht das älteste, saoderu dns jüngste Kind das 
teriidie Gut erhielt (s, Grimm S. 470). Bei den ■{iilischeii 1 
Kelten mag eta anderes Erbschafts recht Gellung gehabt haben. ( 

i'. Je mehr Verwandte, je grosser die Zahl Üer Angehöri- 
gen {^(iilfinium), desto angenehmer (graüosior^ das A\- 
' ter; die Kinderlosigkeil hat hcinen Werth. 

Anmerkung, Diese Worie dürften wieder keinen we- 1 
sentlichen Inhalt haben ; je grösser die Zahl der propififjvo- I 
ruvi, desto grösser ist natürlith die Zahl der atl/lninm, die« 1 
ist eine triviale Bemerkung; dass aber hierdurch das^Alter im- 
F , mer gratiosior wird, dürfte wohl zweifelhaft sein, und in deh 1 
, Worten : nee uija orbilatis prelia scheint k«in recliter Sinn J 
in Hegen; orbare ist berauben, arbitas die Beraubung der ] 
Eltern oder Kinder; der Verfasser hätte sich hier näher 
klären sulleu. 



§■ 21- 

. Noihwendig ist es, sowohl die Feindschaften als die'.] 
Freundschaften {inimicitias fjitam amicitius) des Va- 
ters und der Verwandten zu übernehmen (suscipere), 
doch dauern sie niclit unversöhnlich (nee implacaöihs 
durenif); gcsiihnt wird selbst der Menschenmord durch 
eine Zahl von Zug- oder Schlachtvieh; das ganze 
Haus (^universa domus') nimmt die Ocnugthuung an; 



— 68 - 

erspriessKch f&r das Allgemeine^ frtil Feindschaften ne^ 
ben der Freiheit schädlich sind. 

Anmerkung. Dieser Passus, der yon dem Criminal- 
reehte auf das uayollkommenste handelt, ist, wie er da stehet, 
kaum zu verstehen, denn immer fehlt der Begriff der Haupt- 
jsache, um die es sich drehet. Hätte der Erbe eiue jede per- 
sönliche Freundschaft des Vaters fortfuhren sollen, so wäre dies 
ein sonderbares Ansinnen gewesen, aber die Verhältnisse des 
Stammes oder der Familie hatte das neue Oberhaupt fortzufah- 
ren, auch die Familienkriege oder die Blutrache, die his zur 
Versöhnung oder Busse dauerte und in Vieh berechnet wurde. 
Der raisonuirnde Schluss: quia periculosiores 9unt inimi» 
citias Jujcta libcrtatem , will nicht viel sagen. 

Das altgermanische Strafrecht kennen wir nicht, wohl aber 
das altwälische, welches dnr,ch Britannien und Armorika Gel- 
tung gehabt haben wird, welches in d^n spätem wälischen Ge- 
setzen aufgezeichnet und uns erhalten ist. Dieses oder eiB 
sehr ähnliches wird auch im alten Germanien^ wenigstens in 
einem grossen Theile desselben, Geltung gehabt haben und liegt 
dem altteutschen Criminalrechte mit seinen Eideshelfern und 
Wergeid - und Wundbiissen -^ Registern zu Grunde. Einige 
Momente aus der wälischen Gesetzgebung hier beizubringen, 
dürfte wohl nicht unzweckmässig sein. 

Nach wälischem, überhaupt wohl nach keltischem Recht 
war ein Rechtsbruch oder ein Criminal- Vergehen im Allgemei- 
nen Gegenstand der Parteien, nicht der Staatsbehörde, wie bei 
uns, und — wenigstens in höhern Kreisen, nicht sowohl Sache 
der einzelnen Betheiligten, als der ganzen Familien und Stäm- 
me. Mav konnte, vorzüglich wegen Raub und Mord, die Selbst- 
hülfe üben, die Blutrache ausüben, die ganz erlaubt war, 
und als Familien -Angelegenheit natürlich auf die Erben über- 
ging* Man konnte aber auch der Selbsthülfe entsagen, des 
gerichtlichen Weg einschlagen und vor der betreffenden Volks- 
yersammlung (gemote) Klaffe erheben, bei welcher sich meist 
wieder die Familien gegenüber standen. Hier fand nicht so- 
wohl ein Untersuchungs - sondern ein Anklage- Frozess statt, e$ 
ward nicht sowphl auf Strafe als auf Entschädigung erkannt 

Der Ankläger konnte Beweise beibringen, brauchte es 
eigentlich nicht; jede Beschuldigung war an sich ein« Flecken 
auf die Shre des Angeklagten , der das allgemeine Vertrauen 
wankend machte, von dem er sich reinigen oder Busse bezah- 
len mnsste. Jenes geschähe durch den Eid (ailhj athe im 
Gälischen),^ aber dieser genügte nicht, um ihn in der allgemei- 
nen Meinung zu rechtfertigen; daher musste er eine Anzahl 
ehrenhafter Genossen stellen, die mit ihrem Eide bekräftigten, 



I 



— e§ — 

(Ifiss sie der Versicherung seiner Unsrluild oder Angalie gUub- 
teii: dies sind die Büdetliellcr (conji/ratarea), deren Anzahl 
sich nach dem Stande de« Klüvers niid der Höbe des Wer-* 
geldes riclilete; es «cliwuren oft 100, ja aOO bi» 300, je nach« 
dem die Busse 180, 360 oder ä40 Ocb»eu betrug. Die etwa* 1 
*«in|)licirte ISereclinunp de» Wergeides und der Busse irurd* ] 
.nacb altem Herkommen in Vieh zngelepl, wenn man sie auch . 
ta Geld beiablre. Jede» Glied des Körpers, jede Verlelzm^ i 
l^iibiDiiiig eic. batie seinen fesigesetzlen Preis, der wieder nach j 
dein Stande sehr rerscbieden war; auch der König hatte seiq f 
Wergeid, welches sich auf das Dreilarhc der gewöhnlichen BussOj J 
nebst dreien ardd^rclia/'acl (Erbohnngen) belief. Das iifi^ T 
ToUkommeo erliallere wälische Wergeid -Register, aus d 
man am besten auf die Slandesverbüllniitiie sdilieasen Lann^ 
bildet den wiclitigsteu Tbeil des alikeltist^ben Strnfrechtes. Durch i 
Zahlung tob diesem Gwertk (Werihgcld, Wergeid, fferigitd) , 
wurde jede zugefügte Beleidigung, setbat der M<ird, abgebnsst, 
nnd es fand Leiue Rache weiter statt. Das Familieubnnpt haf- 
tete fvir die ganze Familte; für dna Vergehen der Frau, der 
Kinder, des Gesindes, für den Schaden den das Vieh aurii ' 
tele, musste sie das Wergeid bezalilen, erhielt es anderersei 
wurde es nicht vom Beklagten und seiner Familie aufgebracht, 
so erfolgte Pfändung, seilst Sciavcrei. Einen Theil des Wer- 
geide» erhielt der König oder der conceniirende Beamte ; die- 
ses wnrde später meint Bitsse genannt, erhielt die Katur einer 
ääentlichen Strafe, bitr endlich da« eigentliche Wergeid ganz 
wegfiel. Wer nicht iura Wergeid zugelassen wurde, erhielt 
Strafe , die beiänders beim Dieljstahl sehr hart war. 

Nur in wenigen Fällen, besonders bei Verbrechen gegen 
den Staat, trat in keltischer Zeit eiue ötTeutliche Strafe pin, 
tfe Tödinng, Verbannung oder Aechtiing, wodurch der Geach- 
tete Togelfrei wurde, nachdem sein JName und sein Verbrechen 
äo allen üöfeu und Ueiligthümern durch ilurnruf bekannt ge- 
macht wurde; solche Aechiung fand nach Cäsar (Jiel. gal. VI. 
J3) auch bei den Galliern statt. 

Von dem wülischeu Criminnl verfahren dürfte das altger- 
nani^clie nicht weseuilIcJi verschieden gewesen sein, welches 
in das altteutsche überging. Das ausführlichste und wohl älteste 
altteutsche Wergeid- oder Wundbirssen -Register, das sich er- 
halten hat, ist das all friesische, welches dem wälischen ganz, 
ahnlich und daher keltisch ist. Weil eben das altieutscha 
Recht gani auf keltischer Basis stehet, so dürfte dies ein recht 
schlagender Beweis für das Keltenibum der Germanen sein. 

Das Institut der Eideshetfer {conjitratores, coadjutores) 
erhielt sich lange in Teutschland, verlor sich erst sehr allinäh- 
lig. In den westphäUschen Vehmgerichien wurden nach alter 



— 70 — 

Weise Gericht gehalten, wo sich der Beklagte durch Eid und 
Eideshelfer zu reinigen hatte; diese ' tifkameti im 13. Jahrh. 
selbst eine grössere Ausdehnung, erbiolten sich bis zum 16. 
Jahrh. Jn England und Schweden wählte man in späterer Zeit 
Geschworne, um die Thatsache zu beurtheilen, welche an die 
Stelle der Eideshelfer traten. Durch die gothischen Völker 
wurde der dynastische Einfluss sehr begünstigt, die Herrscher 
und ihre Beamten erhielten mehr und mehr Gewalt, wodurch 
die Volksjustiz, oder die Justiz der Volksversammlungen allmüh- 
lig ganz beseitigt wurde und das römische Recht mit ganz staat- 
licher Grundlage, nur ausgeübt durch fürstliche Beamte, Gel- 
tung erhielt. 

b. Gelage (convicius') und Gastfreandschaft {hospiiium) 
übt ausgedehnter kein anderes Volk. Irgend einem 
Sterblichen seine Thür zu verschliessen wird für un- 
recht gehalten^ nach Vermögen wird Jeder mit zuge- 
richtetem Mahle empfangen. Wenn es fehlt, so gehet 
wer erst Wirth war, als Wegweiser der Gastfreund- 
schaft und Gefährte^ uneingeladen ins nächste Haus; 
dies thut nichts, man wird hier mit gleicher Artigkeit 
aufs:enommen. In Hinsicht des Gastrechtes unterscheid 
det Niemand den Bekannten vom Unbekannten. Dem 
Scheidenden, wenn er etwas gefordert^ dies einzuräu- 
men, ist Gebrauch, und etwas zu fordern ist gegensei- 
tig eben so leicht. Man freuet sich über die Geschenke, 
rechnet das Gegebene nicht an, wird durch das Em- 
pfangene nicht verpflichtet; die Bewirthung ist gefällig. 

Anmerkung. Mit -vielen schwülstigen Worten und Re- 
densarten wird hier doch weiter nichts gesagt, als dass die Ger- 
manen das Gastrecht (hospitium) übten ; dadurch zeichneten' 
sie sich aber nicht vor den andern Völkern aus, sondern es 
war bei allen keltischen Völkern auf gleiche Art der Fall, 
weshalb es auch keine Gasthäuser gab; bei den asiatischen Völ- 
kern war und ist dies noch derselbe Fall. Man begreift nicht, 
warum den Germanen der Vorrang vor allen andern Völkern 
in Hinsicht des Gastrechtes gegeben wird; auch ist es kaum 
wahrscheinlich , dass man sich gegenseitig derartig ausfrass, als 
hier dargestellt wird. Bei den wälischen Kelten in Britannien 
hatten gewisse Güter, gegen verliehenes Land, die Grundlast 
des dofretlCs oA^v hospitium ^ d. h. die Verbindlichkeit die 
Fremden aufzunehmen, und so kann es auch in Germanien ge- 
wesen sein. Cäsar (cit. loc. 85) sagt hierüber verständiger: 



— n — 

,5 Den Gastfreuiid zu Terletzen halten die Germanen nicht für 
«erlaubt; aus welcher «IjJljlli^e er auch zu ihnen kommt) schützt 
man ihn gegen ünbiHj er wird für geheiligt gehalten, jedes 
Haus stehet ihm offen und es wird ihm Nahrung gereicht." Viel- 
leicht hat unser Verfasser diese Stelle vor Augen gehabt und 
nach seiner Art ausgeschmückt« 

§. «2. 

a. Gleich nach dem Schlafe^ der meist bis an den Tag 
verlängert ist^ wird gewaschen (Javatur^y gewöhnlich 
warm (saepius calida)^ weil sie meist Winter haben, 

Anmerkung. Dass man sich des Morgens nach dem Auf- 
stellen wäscht, ist gewiss eine höchst triviale Bemerkung ; lavare 
bezeichnet zwar auch baden, aber schwerlich hatte jeder Ger- 
mane in seinem Hause eine' Anstalt um warm zu baden. Cäsar 
(cit. loc. VI. 1) sagt von den Sueven: et lavetUur in fiumi- 
nibusy sie baden in Flüssen 5 was bei den Römern wenig ge- 
bräuchlich war. 

b. Gewaschen nimmt man Speise ; jeder Einzelne hat einen 
besondern Sitz und seinen eigenen Tisch. 

Anmerkung. Dass man nach dem Aufstehen und Wa- 
schen frülistückt, ist eine gewiss recht überflüssige Notiz, denn 
diese Sitte haben alle Völker; wenn es aber nun heisst: sepor- 
ratae singulis _iMdes et sui cuique mensa, so ist dies etwas 
unwahrscheinlicli|^wie Jeder begreift, denn der gemeine Mann 
hatte wohl schwerlich für jeden Mitesser einen eigenen Tisch 
und Stuhl, was viel Platz erforderte, sondern benutzte wahr- 
scheinlich, wie bei uns, einen Familie n tisch ; wenn aber bei den 
Gastmahlen der Vornehmen Jeder an einem besondem Tisch 
gesessen hätte, so würde eine Unterhaltung nicht möglich ge- 
wesen sein^ von der gleich in den folgenden Zeilen die Rede 
ist. Die Gallier speisten, wie wir durch Posidonins wissen, an 
gemeinschaftlichen Tafeln , und so wird es auch bei den Ger- • 
manen gewesen sein. Ob man beim Essen lag oder sass, dar- 
über hätte wohl eine Bemerkung beigebracht werden können. 

c. Dann schreiten sie gewaffnet zu den Geschäften (^ad 
negoiia) und sehr häufig zu Gastmählern (ad convivia) ; 
Tag und Nacht das Trinken fortzusetzen gereidbt Nie- 
mandem zum Vorwurf. Häufig entstehet unter den in 
Wein Betrunkenen (inter vinolentos) Streit; selten wird 
er durch Schmähworte (conviciis)^ meist durch Mord 



— 18 — 

und Wunden geendet; auch über Ausgleichung wech- 
selseitiger Feindschaft, über Kvipfung von Verwandt- 
schaft, über Annahme der Fürsten, über Frieden und 
Krieg berathen sie meist bei Gastmahlen (jconviviis Con- 
sultant), gleich als wenn zu keiner andern Zeit zu 
einfachen Gedanken (ad simplices cogiiationes) der Geist 
so offen, pdcr zu grossen so erwärmt sei; das Volk, 
so wenig hinterlistig als verschlagen, eröffnet beim freien 
Scherz die Geheimnisse der Brust; die aufgedeckte und 
nackte Gesinnung aller wird des andern Tages geprüft, 
und rettend ist die Verbindung beider Zeiten (et salva 
utiriusque temporis ratio esf)\ sie berathen, wenn sie 
sich nicht verstellen können, und beschliessen , wenn 
sie sich nicht irren können. 

Anmerkung. Dieser lange Passus enthält riel Unklares, 
Alltägliches 4ind schwülstiges Raisonnement. Dass man nach 
dem Frühstück zu den Geschäften ging, ist eben keine 
geistreiche Bemerkung; gewiss ging man za den öffentlichen 
Geschäften, zu den Volksversammlungen gewaffnet: ob aber 
auch der Bauer zur Feldarbeit, der Schmidt zum Amboss ge- 
waffnet ging, ist wohl sehr zweifelhaft. Nun werden die Ger- 
manen als grosse Trunkenbolde dargestellt, die Tag und Nacht 
zechten, wenn sie in Wein betrunken waren (vinoienti) sich 
rauften; aber diese Angabe stimmt nicht gut zu dem folgenden 
§, "WO es heisst: die Germanen triuken Bier^|pKir am Ufer des 
Rheines kaufte man wohl (gallischen) Wein. Cäsar (cit, loc. 
IV« 8) sagt aber: die Jmportation des Weines sei in Germanien 
verboten, weil dessen Genuss der Tapferkeit schaden konnte. 
Nach dieser Nachricht, die melir Glauben verdient, erscheinen 
die Germanen gar nicht als solche Trunkenbolde, wie sie der 
Verfasser darstellt. Dass man bei Tische, besonders im Fami- 
lienkreise, über Familien- Angelegenheiten, über Politik und 
dergleichen verhandelt, auch im nüchternen Zustande manches 
ausgleicht, . was im aufgeregten zur Sprache kam, ist etwas sehr 
Alltägliches. Ueber die convivia selbst sagt der Verfasser 
gar nichts Klares, er redet nicht von ihrer Veranlassung, nicht 
wie man sich setzte, wie man speiste etc. Waren diese Ga- 
stereien blos zufällige, oder hatten yielleicht gewisse Klassen 
ein gemeinsames Mahl, wie es nach der dorischen Verfassung 
im alten Sparta der Fall war? Dieses letztere ist gerade nicht 
anmöglich, da die germanische Verfassung gar manche Analo- 
gie mit der altgriechischei|i hat (die auch eine ursprünglich 
keltische sein wird) 3 dann wären die convivia die regelmäsn- 



— n — 

gen JllaJilzeilen der Siamin genossen gewesen, bei denen naiür- 
liclt die Familien- Verjiültuisüe und die Politik beajirocheH 

Ueber die Gastmahle in Gallien giebt uns Püsidonius, der 
Reiaegefahrie des Puupejiis, einige naLere verstkndige Nach- 
ricliten, indem er (beim Ätheaaeu» lY. 13) sagt: „Die auf die 
Tafel gesetzten Scliüsselti enthalten wenig 13rod, welches flach 
und hart gebacken ist (und auf diene Art findet man es jetat I 
npch bei den Landleulen in Tyrol), aber eine grosse Menge 
gekochtes, gebratenes und geröaietes Fleich, das zerschnitien I 
-nird mit kleinen Messern, die man im Güriel iriigt, Alle« 
wird rasch lierumgereicbt, bei den Armen in irdenen und hol- { 
zernen, bei den Reichen in bronzenen und silbernen Schü»- 
selu; Aach praaentiren die Diener einen irdenen oder metalle- 
nen Krug mit gallischem oder italischem Wein, auch mit Bier ' 
und Meth. Miin trinkt oft, aber jedesmal nur wenig. Dei dea 
Gastmäblern hat man eine runde Tafel, um welcbe die Gäste, 
ilrcm Range nach, geaetil werden. Den milielsien Plalz er-^ 
hält der Vornehmste und Reichste; ihm zur Seite setzt sich 
der Wirth, dann folgt ein Jeder nach der Geburtsklasse und 
dem perBOiiIicJieii Range: dies ist der Kreis der Patrone. Hin- 
ter diesen sitzen, ebenfalls ira Kreide, die Getreuen oder da> 
Gefolge, die Schild- und Waffenträger, die auf gleiche Art 
als die Herren behandelt werden". — Nach Diodor V. 28 war 1 
der Sppisetiscli niedrig, mau lagerte um denselben auf Fellen 
oder FnUtern, deren Erfindung Pünius den Galliern zuschreibL 
Nach Sirabo IV.^4. §. 3 speisten die lielgier meist liegend 
auf Strobkissen j^B'ieh hatte man auch Bänke. Was in dea 
liier atigezopeiieu Stellen klar und »erständlirh vun den Gal- 
iieru gesagt wird, mag auch auf die alten Germanen passen. 
Jn den germanischen Gräbern Undet man sehr häufig, wie ia ' 
den gallischen, an der linken Seile der Leiche ein bronzene» 
JUesaer, dessen man sich airf die Weise, wie Posidonius erwähnt^ 
bedient haben mag. Bronzene SchÜsseiu und Gefässe werden 
sieht seilen innerhalb dea alten Germaniens gefuuden. 



B. Als Gotrlnk dient ein Nass (Jiumor'), aus Gerste oder 
Korn, zu einer Aehnliohkett mit Wein verderbt (tn 
qiiondam simiUtudmem vini corrn/itua). 
Anmerknng. Das Getränk, von dem hier auf sehr un- 
klare Weise gesprochen wird, ist ofl'eubar Bier, von dem we- 
der der germanische Name, mich die Bereitungsart angegeben 
isli das Bier war ein sehr allgemeines Getränk bei fast allea 
keltisclie^ Völkern. Es heisst beoir im Gälischen, byer, bi- 



— T4 — 

orch im Breton Ischen, woher wohl das teiitsche "Wort Bier. 
lin Wälischen ist cwrw oder cwrif das starke Bier, womit viel- 
leicht das lateinische cerevisia und altfranzösische cervotse zu- 
sammenhängen könnte. 

b* Die dem Ufer (des Rheines) Nahen kaufen Wein. 
Die Speisen sind einfach, wilde Früchte, frisches Wild 
und saure Milch. Ohne Prunk, ohne Reizmittel stillen 
sie den Hunger. In Hinsicht des Durstes ist nicht die- 
selbe Massigkeit. Wenn man der Trunksncht Raum 
giebt, ihnen reichte so viel sie verlangen, so würden 
sie leichter durch ihren Fehler, als durch Waffen be- 
siegt werden» 

Anmerkung. Hiernach war die Tafel der Germanen 
gewiss wenig einladend; deim wildes Obst {agrestina poma) 
ist für uns kaum (geniessbar, Brod und Fleisch von zahmen 
Thieren wird nicht erwähnt. Cäsar (bei. gall. IV. 1) sagt da- 
gegen : „Die Germanen ernähren sich weniger von Getreide, al« 
von der Milch und dem Fleische ihrer Heerden und gehen sich 
viel mit Jagd ab." Diese Angabe möchte wahrscheinlicher klin- 
gen. So ganz einfach und ohne Prunk mag die Tafel der Ger- 
manen doch nicht gewesen sein, da sich — wie schon erwähnt 
— auf dem Boden Germaniens gar nicht selten schöne und 
kostbare Gefasse finden, die der germanischen Zeit angehören 
werden. ^ 

Unser Verfasser kommt nun wieder am die Trunksucht 
der Germanen, die an der Grenze gallischen Wein kauften, 
leichter durch Wein, als durch Waffen zu besiegen wären. 
Dagegen sagt Cäsar (cit. loc. IV. 2) von den suevischen Ger- 
manien, welche am mittlem Rheine als Nachbarn der Gallier 
wohnten : „Wein darf durchaus nicht in ihr Land gebracht wer- 
den {omnino importari non sinunt)^ weil sie dafür halten, 
dass durch dessen Genuss die Kraft zur Ertragung von Müh- 
seligkeiten verschwinde und die^ Tapferkeit abnehme." Diese 
Nachricht lautet ganz anders als die unseres Verfassers und 
hat gewiss die Wahrscheinlichkeit für sich. Wenn aber die 
8uevischen Völker keinen Wein tranken, so wird er bei den 
cimbrischen Völkern längs der Ost- und Nordsee noch vre- 
niger in Gebrauch gewesen sein. In Germanien wurde iji der 
germanischen Zeit schwerlich Weinbau betrieben, er scheint 
erst seit dem Kaiser Probus (etwa 280 n. Ch.) begonnen, wo 
bereits Gothen das Land inne hatten. Das teutsche Wort 
Wein, wie das lateinische vinuniy ist keltischen Ursprunges, 
heisst ii^/i» iin Bretonischen, gwin im Wälischen^ fin^ im Gä- 



— TS " 

lischen; daher gwinland im Walischen, WeinfÄitd. Ob die 
Germanen Obstwein hattev, erhellet nicht aus der Litteratur, 
aber der, auch in Teutschland übliche Name „ Cider " wird 
keltisch sein: heisst cistre^ sistre im Bretonischen. 

§24. 

a. Sie haben nur Eine Art Schauspiel (speciacuhrum) 
und bei jeder Zusammenkunft dieselbe. Nackte Jung* 
lingie^ die dies Spiel treiben/ stürzen sich springend gegen 
Schwerdter und gegen sie gerichtete Frameen. Uebung 
giebt Kunst, die Kunst Anstand j doch nicht für Ge- 
winn odec Lohn^ wiewohl das Vergnügen der Zuschauer 
der Preis einer ausschweifenden Kühnheit ist. 

Anmerkung. Die Beschreibung dieser Schauspiele, _ wo 
nudi juvenes inter gladios se atque infestas frameäs saltu 
jaciunty ist so kui*z und wenig verständlich, dass man sich kei- 
nen rechten Begriff davon machen kann; dass aber bei jeder 
Zusammenkunft (m amni coetu)^ die Jünglinge nackt getanzt 
haben sollten, ist nicht recht glaublich, und da die Litteratur 
weder aus Germanien, noch Gallien oder Britannien hierüber 
nichts erwähnt, auch nichts Aehnliches aus der spätem Zeit 
erwähnt wird , so scheint die ganze Nachricht etwas unwahr- 
scheinlich. Gewöhnliche und verschiedeöe Scheinkämpfe der 
Jugend werden wohl in allen Ländern statt gefunden haben, 
und bei den Iren ttotten solche Exercitien, auch bei Gelegenheit 
der öffentlichen Versammlungen bis in die neuere Zeit statt. 

b. Mit Würfeln spielen sie — was zu bewundern — 
nüchtern und ernst, mit einer solchen Verwegenheit zu 
gewinnen oder zu verlieren, dass sie, nachdem alled 
verlören,' beim äussersten letzten Wurfe iiber Freiheit 
und Körper wetten. Der Besiegte tritt freiwillig in di« 
Knechtschaft; wenn auch der jüngere und der stärkere» 
lässt er sich fesseln und verkaufen. So weit gehet ihr 
Starrsinn in verkehrten Dingen! Sie selbst nennen es 
Redlichkeit. Knechte dieser Art (servi hujus cohdi- 
tionis') verhandeln sie, um sich zugleich von deJr Schaam 
des Sieges zu befreien. 

Anmerkung. Dieser Parssus ist ein ganz verständli- 
cher, dürfte auch eiii wahtef &ein; das Wijrfelspiel ist fein sehr 
altes > das- iirohl bei allen keltischeii Yölkei'ti' {gebräuchlich war. 



— 1« — 

gewiss auch in GerroaDien, da man in den germanischen Gra- 
bern nicht selten Würfel findet. Diss man seine Freiheit yer^ 
fielen konnte^ oder vieUnehr, dass man, wenn die Spielschuld 
nicht bezahlt wurde ^ so lange die Freiheit rerlor, bis diese 
Schuld getilgt war, dürfte bei allen keltischen Völkern, auch 
in altrömischer Zeit, selbst noch in altteutscher Zeit gesetzlich 
gewesen sein (s. Grimm S. 613). Es war dies nicht Starrsinn 
oder Redlichkeit der Germanen allein^ sondern Tieler Völker; 
und noch jetzt kann man wegen Spielschulden seine Freiheit 
verlieren, wenn man audi nicht mehr als SclaT verkauft wird. 

§. «5. 

a. Der übrigen Knechte (ceteris servis) bedienen sie fticb 
nicht wie wir zu bestimmten Diensten in der Familie^ 
sondern Jeder hat sein eigenes Haus und seine Pena- 
ten; dem Herrn ist er verbunden zu. einer Lieferung 
von Getreide, Vieh oder Kleiderzeug, wie unser «?o/o- 
nus; bis dahin gehorcht ihm der servus, die übrigen 
Dienste im Hause verrichten Weib und Kind {jceiera 
domus officia uxor ac liberi exequuntur). Selten wird 
der servus geschlagen, durch Bande oder Gewalt ge- 
fesselt; zu tödten pflegen sie ihn nicht der Zucht oder 
Strenge wegen, sondern beim Angriff und Zorn (tm- 
petu ei ira) als Feind, aber ungestraft. 

Anmerkung. Dieser Passus^ welcher die Verhältnisse 
der Unfreien auf das oberflächlichste behandelt, ist ein ganz 
unklarer. Im vorigen §• wurden diejenigen servi genannt und 
als verkäuflich bezeichnet, welche ihre Freiheit im Spiel ver- 
loren hatten; nun heisst es: die übrigen servi dienen nicht im 
Hause, sind coloni oder Zinsleute, die Dienste im Hause müs- 
sen Frau und Kinder verrichten (wenn nicht die vorher erwähn- 
ten servt vorhanden sind), was bei dem Adel doch nicht der 
Fall gewesen sein kann. Wenn es heisst: die servi oder c(h 
loni pflegte man nicht zu schlagen, konnte sie aber ungestraft 
tödten, so wäre dies doch eine unendlich harte, kaum glauh- 
liche Bestimmung. Hätte der Verfasser die germanischen Na- 
men der Unfreien und ihre verschiedenen Klassen angegeben, 
so würde dies sehr werthvoU gewesen sein; der Name servus 
ist ein ganz unbestimmter. 

Ueber die Zustände der Unfreien in altgermanischer Zeit, 
aus denen sich offenbar die spätem und jetzigen bäuerlichen 
Verhältnisse entwickelt haben, wissen wir fast gar nichts Be- 
stimmtes, aber speciellere Kunde hab^n wir über die ^esfoUii- 






— 77 — 

g«n Zustände bei den wülischeo Kellen in Britannien, die sich 

am läiLgsien in ilirer Reinlieit erhielten, und, wie es dort war, 

därfle es aiicli in einem gru^j^eu Tlieile von Gallieu und Ger> 1 
manieu gewesen sein. 

Eine Hniiptalttheilung der Unfreien in Wales, und gewisi \ 
in allen kellisclieu Ländern, uiufiisxte die Klasse der Acker- 
tiauer, die keine freien Güter liesnssen, sondern GrundaligHljea 
Z1I leisten hatten, übrigens für ihre l'ersun frei waren, aucl| ' 
Eigenthuin erwerben konnten. Diese re p rasen lirten im Allge- 
juetnen unsern Banero stand, der Zins und Dienst zu leisten ha^ 
sind im Lateinischen die coloni, advenae, kospites, heissen ' 
im Wälisclien alltud, auch aill, waren aber in sehr ver- 
schiedener Lage, Zum Tlieil halten sie feste Güter, zum Theil 
wurde ihnen jülirlich Land vom Grundherrn oder von der Ge- 
) laeinde angewiesen, wofür sie Zins (da im GüliscUen , twng 

r'm WäÜKheo) geben und Leislungeu sehr verschiedener Art 
Sbemelunsii mnssien, welche tbeils der Grundherr, der Bre- 
nin fParit, Staininhanpl), theils die Familie des Adels (m(^ • 
6nchaiur)y theils der Beamte etc. erhielt. So z, B. hatte der I 
Gwestfa die Verbindlichkeit für den Unterhalt und die Auf- 
ualime des Brenin zu surgeu, wenn er in das Bcreicli des 
Alitud kam; der c»/lch war der Zins, eigentlich die Natural- 
liefernng besonders an das Ciefolge und die Diener des Bre- 
nin eic. Diese Zinsbanern oder alilud hatten kein Staatsbür- 
fierrecht, waren von den Volks Versammlungen der Freien aus- 
geschlossen, liniten keiu Klagerechl im eignen Namen, wurden 
ron ihrem Grnndlierrn oder Patron vertreten und ihr Wergeid 
wurde nach dem Stand desselben berechnet. Kriegsgefangene, 
Eingewanderte eic. wurden meist solche Zinsbauern, konnlen 
bis zur 4ien Generation vertrieben werden, wobei sie jedoch ihr 
Privat -Kiftenthum behielten; dann wurden sie freie EigenthiU 
mer, erhielten das Siaaisbürgerrecht. In diese Klasse kamen 
meist aurh diejenigen, die wegen gewisser Verbrechen ihre 
Freiheit verloren, und die unehelichen Kinder {bas.ard im Wä- 
lisclien), die bis zum 9ien Gliede unfrei blieben. 

Der Name Alltud map — mit dialectischer Verschieden- 
heit, bei den kellisrhen Volkern ein sehr verbreiteter gewesen 
sein, ist in viele Sprachen übergegangen. Im Spanischen ist 
addeano ein Zinsbauer; aldea ist iju Spanischen, im Portugi" 
»•chcn, auch im mittel alirigen Latein ein Dorf; alditts, al- 
dionus ist in der longo bardischen Gesetzgebung (die auf kelti- 
scher basirt) ein Zinspilichliger; die aldionea kommen in allen 
alttentschen Itechtsbii ehern vor, ihr Name kann nach Grimm 
(Altenhümer S. 309j nicht erklärt werden und diirfie mit dem 
wälischen alilud zusammenhangen. 



- 78 — 

Nicht weseirtUch Ter9cbiedea von den aüiud waren die 
taiawg oder tauor (wie eigentlich :4ie Söhne der alltud hies- 
»en), auch meibion eilion^ d. i. Kinder der aill genaunt^ die 
ebenfalls Zinsgüter bebatieten, von denen jedes cymmud gewöhn- 
lich 4 entliielt, oder denen jährlich eine gewisse Zahl vonAeckern 
überwiesen wurde, gegen einen Canon (cj/lch) gewisse Na- 
turalien und Lasten, z. B. die Pferde und Hunde des Brenin 
oder Grundherrn zu ernähren, in Kriegszeiten Pferde und 
Fuhrwerk zu stellen, Baufuhren etc. zu thuß, auch das dofreth 
d. i. das hospitium oder Gastrecht gegen Fremde zu üben, 
die also nicht allein auf die Gastfreundschaft der Einzelnen an- 
gewiesen waren , auch wohl meist für ihre Aufinahme Entschä- 
digung gaben. Diese taiawg oder Söhne der alHud hatten 
nach erlangter Mündigkeit dem Grundherrn (eigentlich arglC' 
wt/dd) ihre Huldigung darzubringen, wurden dessen Vasallen, 
durften ohne seine Erlaubniss nicht Barde, Gelehrter oder 
Schmidt werden etc. Diese taiattg hlessen in der angelsäch- 
sischen und altteutschen Zeit theow^ waren hier eine höchst 
zahlreiche, meist sehr gedrückte Klasse. 

Die 2te Klasse der unfreien stand viel niedriger; zu ihnen 
gehörte der caeth im Wälischen, der troill im Gälischeh, der 
für seine Person nicht frei sondern in der Lage dei* Sciaven 
öder Leibeigenen war, verkauft und zu allen Arbeiten verwen- 
det werden konnte, abör 'eine milde, gerechte Behandlung ge- 
noss und spätestens in d^r 9ten Generation die Freiheit erhielt. 
Oft wies man dem caeth auch Land an, und er genoss ge- 
wisse Vorzüge; der caeth gweinißddawl war zu Diensten im 
Hause verpflichtet, der ra^^A dofaeth diente nur nach eige- 
ner Zustimmung. Von diesem Worte caeth stammt vielleicht 
das teutsche Äa^^, Kosate her, womit die ärmeren Dorfbe- 
wohner bezeichnet 'werden , die zu Handdiensten verpflichtet 
sind. Die Freien, die wegen Spiel- und' sonstigen Schulden 
sich in die Unfreiheit begaben, erhielten ihre Freiheit vfieder, 
so wie die Schuld abgetragen war. 

Die gewiss sehr verwickelten Verhältnisse des Bauernstan- 
des in Hinsicht der Zinsen , Dienste etc. erscheinen in allen 
keltischen Ländern ungemein geregelt, werden es auch in Ger- 
manien gewesen sein, wie auch aus den Verordnungen Carls 
des Grossen über die Agrar- Verhältnisse hervorgehet, die doch 
nur das bereits Bestehende promulgirten, also wohl das Kelto- 
germanische. Bei allen keltischen Völkern^ auch bei den Ger- 
manen, mag es schon ein Analogon unserer Grund- und Hy- 
pothekenbücher gegeben haben , von der Priesterschaft geführt. 
Die christliche Priesterschaft, die aus der keltischen durch Um- 
bildung hervorgegangen sein wird, hatie schon zu fränkischer 
und sehr alter Zeit in den K^löstern sogenannte Polyptici oder 



— 79 — 

Grundbüclier, in denen allß zins- inid frohnpaiclitigen Güter 
uud Personen Iioclist gennii verzeicliiiel stehen, die kaiiin an- 
ders ikis auf keltiscber liasis eiitatandeu sein kouneu. Das Po~ 
If/ptichttm Irmionis Abbalis , au» etwa dem 11. Jalirli. (tod 
dem Th. II. S. 190 die Kede war), erscheint in dieser Hin- 
siclit als ein walires Meislerwerk; aucli das berühmte Dombob 
oder DomesdayboCf welches die Nurinannen in England um 
1086 zusam ine US teilen liesaen, ein Grundlmch für ganz Eng- 
land, kann nur auf ülinlichen, vorliaiideii gewesenen ^Iteiteu 
altkeltiacher Zeit fussen. 

Nächst dem Adel, der Torxngs weise aus den Besitzern 
Rilier« und Fideicommissgüler bestanden haben mag, uud der 
Friesterscbaft, hatten nur die Besitzer der Freigüter, die keine 
Abgaben zahlten, das Stanlsbürgerrecht, den Zutritt zu den [ 
.VnlkaversammluDgen; nur diese zusammen bildeten die Staati^ 1 
bürger, die sich selbst regierten, selbst richteten} die gauz^ ! 
übrige Jdcnschenmasse, das gemeine Y<ilk auf dem Lande wai( 
leibeigen, antcrlhänig oder diensipfUchtig, wurde durch deq 
Edelmann repräseutirt : so scheint es nach altgeriuanisdier, gal7 
liscber und britannischer Verfassung gewesen zu sein. Nur 
kleinen Freigutsbesitzer, die in den wülisdien Luuderu häufig« ] 
als in den gälischeu gewesen sein mögen, bebaiieten ihren Akr, j 
ker selbst, nicht aber der Adel und die Geistlichkeit, daberq 
war der allergrösste Theil des Ackers gegen Zinii, Pacht, Dien- 
ste, Leistungen der verschiedensten Art, teiupurär, lebens' 
liinglich oder für ewige Zeit weggegeben, ungefähr auf di^ 1 
Art, als es bei den spütern teutschen Bauernstande der Fa^ \ 
war. Im Allgemeinen dürfte der Bauernstand in keltischei; 1 
und allgermiiniscber Zeit, obwohl er keine Slaatsabgabeu zahlte^ -1 
sehr belastet gewesen sein, und stand schon dadurch schlecht^ J 
dU der nnsrige, weil er kein Staatsbürger recht halte, nicht if^-t 
, .eigner Person, nur durch den Grundlierru klagen konnte. Un- 
für häuerliches Verhältniss, wie es bis in die neuere Zeit b&j j 
stand, gebet gewiss über die allteutsche Zeil weil hinaus, dürfi;f| I 
Jahrtausende bestanden haben, dürfte seit den Zeiten dalireq^ 1 
in welclien Gennaiiien seine erste Einwohnerschaft (vielleiclul 
von Indien aus) erhielt; schon damals werden Rangklassen, ' 
mulhlieh privilegirle K.isien, vorbanden gewesen sein, die alldjji-l 
Herren des Landes wurden, während das gemeine Volk se^j;"! 
niedrig stand. Nur durch ein solches uniertbkniges Verhältni» J 
der zahlreichen, niedern Klassen war es wohl mdgÜHi, "hi^ 1 
stehendes Heer die ländliche Bevölkerung im Zaume zu erhal- | 
len. Nicht — wie man gewöhnlich behauptet — aus dein Mitiel- 
aiter und aus dem Lehnsveihältnisse stammt das Zins- un^ I 
Unierihanen-Verhäliniss der Dorfbew.ibner. Ob es rütlilich is^ \ 
dies uralte germanische Verhältniss ganz aufzubeben, wie es t^ I 



— 80 — 

der neuesten Zeit mehr und mehr geschielit^ alle Landbewoh- 
ner gleich frei neben einander zu stellen, dürfte eine sehr 
schwierige Frage sein. 

b. Die Freigelassenen (Kberti) haben nicht viel vor den 
servis voraus, sind selten von Gewicht im Hause, nie- 
mals im Staate Qcivitaie')^ ausgenommen bei den Völ- 
kern ^e regiert werden (exceptis iis gentibus quae 
regnaniur)y da erheben sie sich iiber Freie und Edle, 
bei den andern sind die ungleichen Freigelajssenen ein 
Zeichen der Freiheit. 

Anmerkung. Dieser Passus scheint mir wieder ein 
Klingklang yon Worten, ohne yerständigen Inhalt. Ein liber* 
tu8 kann nur aus einen wirklichen Sclaven hervorgehen, ond 
^ es hätte wohl die Art und Form der Freilassung angegeben 

htrÄ, werden sollen. Der erste Satz: liherti non multufn supra 

^ servos sunt^ hat keinen rechten Sinn; denn soll servus hier 

Sclav bedeuten , so stehet auf jeden Fall der iiberius seht 
viel höhere soll servus blos Diener oder Zinsbauer be- 
^ deuten, so stehet mit diesem der libertus in keiner directen 

Beziehung ; denn ein libertus kann in alle Yerhältnisse eintre- 
ten, er kann auch Einfluss im Hause {niomentum in domo) 
erhalten, auch Staatsbürger werden. Ganz unverständlich ist 
der folgende Satz: ejccepHs iis gentibus quae regnantur] 
denn was sind das für gentes'\ und regiert werden alle Staa- 
ten, die Regierungsform mag sein welche sie will; wenn man 
aber hier auch eine königliche Regierung supponiren will, so 
begreift man nicht, warum in derselben die libeiti hier super 
ingcnuos et super nobiies ascendunt ; Rom wurde, wie meh- 
rere italienische Staaten, lange durch Könige regiert, ohne dass 
sich hier die liberti über den Adel erhoben hätten. Endlich 
ist mir der raisonnlrende Schluss: apud ceteros impares ii- 
bertini libertatis argumentum sunt^ auch recht unklaren 
Sinnes, selbst wenn man übersetzt mit Bahrdt: „bei den anders 
ist die Niedrigung der Freigelassenen ein Zeichen der Freiheit** 
oder mit Döderlein : „in den übrigen ist die Bedeutungslosigkeit 
der Freigelassenen ein Beweis für die Freiheit des Ljandes*'. 

Eigentliche Sclaven, über welche der Herr ganz freie 
Disposition hatte, scheint es in den keltischen Ländern, auch 
wohl in Germanien, nicht viele gegeben zu haben, dagegen aber 
viele, die nicht vollkommen frei über ihre Person disponiret 
konnten, die in einem unterthänigen oder vielleicht leibeigeneü 
Verbältnisse lebten, welches aber zum Theil durch den Lauf 
der Zeit gelöst wurde, so dass nach Verlauf einer Reihe tob 



— Sl — 

EiGenerationea die Freiheit eiolrat, nie es z. B. bei den unebe- 
Udieii Kindern der Fall gewesen sein wird. 



a. Zinsen zu nclimen und diese auf die Zinsen auszudeh- 
nen (feniis agitare et in usitras ej-iendere) ist unbe- 
kannt, daher man sich mehr davor hütet, als wenn es 
verboten wäre. 

Antnerkang. Wieder mit Tielen Worten reclil wenig 
gesagt; denn, wenn CEtjiitalszinsen überall unLiekannt sind, kann 
man nicht Zins vou Zins nehmen, kann »ich davur nicht bäten ; 
es kann auch nicht verboten sein, denn ein Verbot setit etwas 
Bekanntes voraus. 

In keltischer und germanischer Zeit spielte das Capital 
gar nicht die grosse Rolle als gegenwärtig, aber Geld halte , 
und brauchte inan immer, auch konnte man stets Schulden 1 
machen. Ob man für verschnidete oder verborgte Capiiale Zini- ' 
sen zahlte, ist mir nicht bekannt, aber wahrscheiulich, 

b. Die Aeckcr (ngr!~) werden nach Zahl der Bcbaner voft I 
allen abwechselnd in Besitz genommen Qal) imiveraif 1 
in vicea oceupantur') , dann uuter sich nach Würdet^ J 
vertheilt {secundum dlgnationem parltiminr). Die Leichg- 1 
ttgkeit der Theilung von den Feldern wird durch die 1 
Grösse erleichtert (^spatia prae.slani'). Die Saatfelde^ | 
(jtrvd) wechseln jährlich (mufani) und es bleibt noct \ 
Land {ager') übrige denn mit der Fruchtbarkeil ud^ ' 
Ausdehnung des Bodens streiten sie blos durch Ar- 
beit {aoli Ittbore contendtmt), so, dass sie Obstgärten 
zusammenlegen, Wiesen abtheilen und Gurten wässern. 

Anmerkung. Die Agricultur- Verhältnisse dunkler und 
unverständlicher darzustellen als hier geschehen , ist nicht wohl 
mogLch ; mau möchte fast glauben , der Verfasser habe mit 
Fleiss keinen rechten Sinn in seine Worte legen wollen. Wenn 
es heisst: die Felder würden nach Zahl der Bebauer in Besitz 
genommen und nach Würden verlheilt, ao bin ich nicht im 
Stande mir über das desfallsige Verfahren einen klaren Begriff 
zn machen. Offejibar talach dürfte der Satz sein: dass die 
Theilung durch die Grösse erleiditert würde; denn eine sehr 
grosse Masse Feld ist doch wohl schwerer zu Tertheilen, als 
eine kleine; — der raisonnirende Satz: sie streiten blos durch 

irersUln, kclt. dlUrlh. III. Bil. I. Abth. 6 



Arbeit mit der Fruohtbdrkeh vt»d ABsdehiiiiog des Bodens^ hat 

keinen recliten Sinn. • . 

Cäsar spricht über das hier dunkel angedeutete Verhält- 
niss verständlicher, indem er (bell. gal. VI. 22) sagt: „Die Ger- 
manep studiren nicht den Ackerbau, leben meist von Milch, Käse 
und Fleisch. Niemaif d besiti^ ein festes Maass Ton Acker cder eigneft 
Grund (agri modum eertum uui Jines proprhä^j^ sondern 
die Obrigkeit und Fürsten (magtstratus ac principes) weisen 
jedes Jahr den einzelnen Geschlechtern und Verwandtschaften 
(cognationibus) y die zusammengehören Qqui üna doief^nt)^ 
so yiel Land zu, als ihnen gebührt und wo sie es für gut fin- 
den, sie müssen aber im folgenden Jahre anders wohin. Msi 
führt viele Ursachen dafür an,, als: damit sie nicht durch lan^ 
Gewohnheit die Lust znm Kriege mit dem Ackerbau vertaa« 
sehen ; damit sie nicht nach Ausdehnung des Besitzes strebe% 
die Mächtigen nicht die Niedern aus dem Eigenthume treiben; 
damit sie nichts um Kälte und Hitze zu vermeiden, gemä^ 
liehe Wohnungen bauen ; damit nicht die Begier nach Geld ani^ 
kommt, durch welche Parteiungen und Streitigk^ten entstehe!^ 
\ind den Plebs zufrieden zu erhalten, Irenn er sieht> wie. sm 
Besitz mit dem des Mächtigen gleich stehet." Was hier Cäsar 
von den Germanen im Allgemeinen sagt, gilt speciell von des 
germanischen Sueven; denn früher (cit. loc. IV. 1) sagt er: ^Die 
SujBven sind das grösste und kriegerischste Volk, das — wie 
man sagt — in iOÖ Gaue verthellt ist," die 100,00(1 Bewaff- 
nete stellen. Bei diesen Sueten giebt es kein separirtes Ptitat- 
^genthum der Aecker, und es ist nicht erlaubt denselben Atier 
länger als Ein Jabr zu bebauen (sed privati ac separaH 
agri apud eos nilkil est, neque langius anno remanert m 
loco incoiendi causa licet). "^^ Das hier kurz Angecieotete wird 
iü' yer vorher angedeuteten Stelle (VL 21) specteÜer aas- 
geführt. 

., ,' Hiernach hatten die alten Geschlechter — die ^nt€9) et 

cognationes qui una coierunt — ein gewisses Eigenthqiiis- 

oder vielmehr Nutzungsrecht an Grund und Boden, oder aa 

^inen Guter*- CompTex, der durfeh Pacht, Zins , Leistangtdo n!» s. w. 

d^ Bauern oder Colonen eine bestimmte Revenue giäb; ditsar 

Besitz war aber kein stetiger, bleibender,' sondern ein )&ta^ 

lieh ^eohselndev, so, dass die Stamngüter oder Güter -Co«'' 

plexe jährlich einen andern Nnteniesser erhielten; Nach üb-' 

serer jetzigen Terminologie würde man etwa zu sagen haben: 

die alten adeligen Familien hatten Fideiciomoiissgnter^ die dtf 

ganzen Familie odef dem Stamme gehörtet ^' die vraht-seheii^ 

lieh ungefähr gleiche NutlMngen trugen, uäd diese Guter* Ooom' 

plexe wechselten- jährlich ihre Majoratsherreh^ diese faiideB: 

auf Jedein Gute eiiei etwa ähnliches Unterkommen^ 'ualdev 



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- 83 - * 

konnte ilmen xiemlicli gleich sein, ob bI« ibre Renten von 
diesem oder jenem Gute zogen , vrie es de» Zinsbauern f:Iei^ _ 
war, ob sie ibre Zinsen nncl Frolinden dieser oder jener Herrv i 
sdmft leisteten. Wie unsere hohen Slaatsbeamlen , bei jedj^'l 
Versetzung, Alles zu ihrer Aufnahme in den DienslnolinuDgea' i 
vorgerichtet finden, uod es in dieser Hinsicht ziemlicJi gleicfc 1 
ist, in welche Provinz sie kommen, so eitra wechselten ij 
aller Zeit die Majoralsberreu mit ihren Familien jährlich d^e J 
Residenz, ohne dadurch weseiltlich beeinträchtiget zu sein 

Dieser Wechsel der Güter setzt wubl voraus und kanyl 
dadurch bedingt sein, dass die grossen Familicngütep I 
nngefübr gleicJi, und vorzüglich dass sie untheilbitr waren, - 
inicht unter die Erben verlbcilt werden kaunlen, sondern 
dem Stammhauple, oder — wie wir jetzt sagen — 
Majorat sherru benutit werden kannten; denn bei fortwUli7J 
render Tbeilung der Giiier durch Erbrecht wäre ein solche? ■! 
wechselnder Besitz nicht durchzuführen möglich. 

Der Grund und Boden des sueviscben Landes wird dnhär I 
Bleibt zu grossen Fideicoinmiasgutern gehört haben, deren AI«- 1 
joratsherreD keine feste Residenz hatten, sondern jährlich an» 1 
dere Güter benutzten, diese waren gegen Zins und Leistuiij J 
gen aller Art an die Unfreien vertbeilt, und diese Nutzung^ 
war die eigentliche Revenue des Grundherrn. 

Diese wechselnde Residenz der mächtigen Mnjoratsherre« '[ 
hatte bei dem Mangel einer kräftigen Slaafsregierung gewis| J 
■ehr vielGutes, scheint fast eine Nothwendigkeit; dadurch wurdßj 
Torziiglich verhindert, dass sie nicht dynastische Landesfürst 9j| ■ 
wurden, sondern Reichsfürsten blieben. 

Dieses eigen thümliche Verhäliuiss der suevischen Vülkerj,] 
welches wahrscheinlich auch in einem grossen Theile von GaWfl 
lien statt halte, scheint derartig nicht bei den wälischen l^eUi 
ten in Britannien üblich gewesen zu sein, wenigstens ist m^l 
hierüber nichts bekannt geworden, dann aber wird es. au^.a 
«chwerlich bei den cimbrischen Germanen längs den Meerei^j j 
;n Geltung gehabt haben. 

Dagegen finden, wir in Griechenland in alt- und vorgrie-'l 
.scher Zeit eine Arislocratie mit wechselnden Familiengüieriul 
ähnliche Art als in Germanien, nie denn überhaupt djuft'J 
manischen und vorgriecbischen Verfassungen viele AnalogiQita 
jen , und die Kellen in Griechenland, bevor sie sich semvi. 
Ptisirten und dadurch zu Griechen wurdtiu, den Germanen na-i' 
I tioncll sehr verwandt gewesen sein mögen. Die alten aristi>| 
l^ratiächen, adeligen Geschlechter in Sparta, etwa 9000 ander, 
IZahl, hatten alle grosse, unter einander ziemlich gleichgesetzt! 
■ Familienguter (xllfnoi), die ganz offenbar den Charaktei 
lierer Fideicommisse trugen, und ein Siamrahanpt oder ein^^ 



" - 84 - 

Hajoratslierrn an cler Spitze betten; diese wnrtlen Ton Zeit zd 
Zeit durch das Loos yertheilt, wechselten dadurch in Besitz^ 
auf ganz ähnliche Art als in GermanieD. Diese Kleroi waren 
Pertinenzen der alten adeligen Geschlechter, unantastbar, uo- 
yerausserlich , untheilbar, jedes derselben wurde rerwaltet 
durch den Herrn des Hauses, das Stammhaupt oder den Majorats- 
herrn ; aber alle Glieder der Familie hatten Antheil am Genuss 
und den Revenuen. Die Familie mit allen Gliedern bildete 
ein compactes Ganzes, verbunden durch gemeinsame sacra^ 
unter der Gewalt eines durch die Geburt privilegirten Hauptes, 
das für Alle haftete, für welches- Alle einstanden. 

Wie in Alt -Griechenland, wird auch in Germanien und 
wohl in jedem keltischen Lande das Ackerland oder der Grund- 
besitz gar nicht käuflich, nicht Object des Handels und Wan- 
dels gewesen sein, sondern in festen Händen und unveräusser- 
lich; es war wohl grösstentheils Pertinenz der alten Aristocra- 
ten^ oder Pertinenz der Commune — der civitas^ welche DöH^ 
Stadt, Canton, Staat sein konnte — das wohl zu vererben, 
nicht zu verkaufen war. Wahrscheinlich besass die Geistlich- 
keit ähnlichen Grundbesitz, eben so unveräusserlich; kldne 
, freie Güter ausserhalb des Adels mögen selten gewesen sein, 
bildeten sich vorzüglich später. 

Bei den wälischen Kelten in Britannien, wo die Kinder, 
oder vielmehr die Söhne zu gleichen Theilen erbten, entstan- 
den eine Menge kleiner, freier Güter; ob hier neben denselben 
die grossen, untheilbaren Familien -Fideicommisse bestanden, 
ist mir nicht bekannt geworden. 

In den suevischen Germanien, wie in Alt -Griechenland, 
könnte man die Stammhäupter der alten ariistocratischen 'Fand- 
lien, denen fast das ganze Land gehörte, mit den spatern 
Reichsfürsten vergleichen; sie repräsentirten und bildeten ei- 
gentlich das Reich — die civita's — regierten dieses und sich 
selbst; sie wechselten wohl vorzüglich deshalb im Besitze der 
Güter, damit keiner djnastischer Landesfürst werde, weldie^ 
in Germanien einzusetzen sich die Römer bestrebten. 

Wie ein Land mit einer reichen, herrschenden Aristocrs- 
tie, mit grossen Fideicommissgütern und Gemeindeeigenthnm 
recht gut bestehen und sich wohl befinden kann, auch ik 
eigentliche bürjgerlicbe Freiheit bewahrt, sehen wir an England, 
wo das Alterthümliche am längsten bewahrt bt. Fast das ganze 
Land gehört zu sehr grossen^ untheilbaren, unveräusserlichen 
Familien -Fideicommissen, die ganz ausser dem Verkehr liegen; 
die Majoratsherren sind als Pairs geborne Regenten des Lan-^ 
des, die früher allein die Regierung in der Hand hatten, die 
sie jetzt mit dem Parlamente theilen; diese sind das Palladium 
der englischen Freiheit und Gesetzlichkeit. Frankreich dage- 



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gen. 



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neuern Zeit alles Eigentliiim mobilisirl, alle 
ffurdeu, ist seitdem der Schauplatz sieier R&* 



I 



Staude niTclliti wur 
volutioD. 

Das Jnstilnt der Arislocratie und der Fouiilien - Fideicom- 
mbse wird iu üliealer Zeit über ganz Eurupa gelieriHcht hft« I 
ben, ist ulTenliar ein uraltes, aus dem KelieiiiLume sinmmeiw ^ 
des, erwies sich wnhl stets als der Grundpfeiler der Gesetzt 4 
liclikeit und Freiheit. Gegen dieses richteien sich auch stet§> j 
alle deinocratischen RcTolutiunea unter dem Paniere der Frei-i 4 
Iieit und Gleiclilieit. Erst in Griechenland, dann in Rom agi- 
n auf gleiche Art gegen die allen genles und patri- 
festen, uuteräusxerlichen Familieugütern , bis die De- 
>inocratie den Untergang der Fideicommisse durchsetzte, die 
»Aristocraiie mit dem Bürgerlhnme nivellirie, alles Landeigen- 
tiium inobilisirte. Die deinocratischen Republiken freier, glei« 
dier Bürger, ohne Adel, ohne Tülksthüm liehe Religion, b^ü- 
lieten in Griechenland und Rom sehr kurze Zeit, kamen bald '. 
unter die scLmühllgsle Despotie, iu die grösste Ejiechtscliafl« 
aus der keine Erlösung stntt fand. ' 

Solcher Beroluiion erlag Germanien nicht in üller Zeir, ' 
aber es konnte der Invaaion der Golhen nicht niderstehen, die \ 
sich mit der germanischen Aristocratie gemischt haben inögenj ■ 
■wodurch der teutache Adel entstand, an dem zum grossea 
Theile noch die alten Familien - Fi d ei co mm isse der keltischen 
Zeit hafteten; ihr Wechsel Jiorie auf, es entstanden d^nastii • 
8che Fürsten mit festem, bleibendem Grundbesitz. ^ 

Je ■weiter wir in der Geschichte Ton Europa zurückgehen, 
desto kräftiger tritt die Aristocratie mit unTeräusserlicheitif ^ 
Grundbesili herTorj die daher ein äclit nationales lustitut ist, 
das ein ursprüngliches sein wird. Von Indien her scheint Eu- 
ropa seine Bevölkerung erhalten zu haben (s. Th. I. S. 236 ^ 
und Tb. n. S. 454) und zwar gleich eine sehr oiltlf 
■welche den ausgebildeten adeligen und priesterlichen Stand • 
mitbrachte. Ein' leeres Phantom scheint es mir zu sein, wenn ' 
man Ton Hirten- und JagerTÖlkern träumt, dieGermf 
gprünglicb durchzogen, sich allmühlig in Ackerbauer mit einer J 
Staatsveifassung umgebildet hätten. Die Standesunterschiede I 
haben sich nicht aus einer yorhandenen Democratie gebildet, i 
sondern waren ursprunglich vorhanden, garantirlen FreiheitT 
und Eigenthum eines Jeden in seiner Sphäre; wo dieses na- I 
Inrliche Verhältniss zeitweise unterbrochen wird, die Democra- 
tie alles gleich macht, ■wird kein Hecht geachtet und bald •■ 
folgt schmählige Knechtschaft. 

Nach der obigen Notiz von Cäsar wechselte nicht alle! 
der Adel, sondern auch der Plebs jährlich, oder in sehr kur- 
zen Zeiträumen mit dem Desilzthume der Aecker, die- sie - 



bauet en, auch wohl deshalb, damit die Pachtnugen nicht in 
Eigeuthum übergingen. Solch eine jährliche Yertheilung der 
Ackerfelder hat sich strichweise in Teutschland bis zur neuern 
Zeit fortgesetzt. In Ostfriesland bestand ein sehr grosser Tlieil 
des Bodens bis zum Jahre 180O aus Allgemeingrund ^ wie es 
stets gewesen war^ und wurde jährlich nach gewissen Grund- 
sätzen und gegen gewisse Leistungen vertheilt. Diese Yerthei- 
lung des Ackers stammte aus uralter, gewiss keltischer Zeit, 
hatte aber nichts gemein mit unserm Communismus, der auch 
die Yertheilung des Ackers, aber nach Kopfzahl, verlangt. 

c. Daher (unde') theilen sie auch das Jahr selbst nicht 
in so viele Zeiten (annum ipsum non in totidem di- 
gerunt species)'^ des Winiers, Friihlings und Sommer^ 
Bedeutung haben sie, des Herbstes Namen und Gaben 
kennen sie nicht. 

Anmerkung. Dieser Passus , der auf sehr unklare Weise 
sagen wird: man habe das Jahr nur in 3 Theile getheilt, 
hängt mit dem Torigen gar nicht zusammen, man begreift 
picht, wo das „twrfe" herkommt, auch enthält er in sei- 
nem Schlüsse eine offenbare Unrichtigkeit; denn wenn man 
auch nicht für den Herbst einen eigenen Namen gehabt hat, 
so kannte man doch die Gaben des Herbstes, die bona au- 
tumniy d. h. die Erndte. 

Ob überhaupt die Germanen, oder die alten keltischen 
Yölker, das Jahr wirklich nur in 3 Theile eingetheilt haben, 
darüber ist mir durch die Litteratur nichts bekannt; möglich 
wäre es , da nach Grimm (teutsche Rechtsalterthümer S. 3%%) 
in Gallien die römischen Abgaben in 3 Terminen berichtiget 
wurden und es während des Mittelalters in Teutschland nur 
3 jährliche allgemeine Volksversammlungen (ungebotene Dinge) 
gab, wo Jeder erscheinen sollte. Hätte unser Yerfasser die- 
sen Gegenstand yerständig behandelt, so würde er die germa« 
nischen Namen dieser 3 Jahreszeiten genannt und ihr Verhält- 
niss zu den 4 römischen angegeben haben, aber nirgends giebt 
er Namen an, gehet auf Specialitäten ein. 

§• 27. 

a. Bei Leichenbegängnissen herrscht keine Ehrsucht 
(fimera nulla ambitio), nur das wird beobachtet, dass 
die Körper beriihmter Männer mit gewissen Hölzern 
verbrannt werden. Auf den Bau des Scheiterhaufens 
häufen sie weder Gewänder noch Rauchwerk, jedem 
werden seine Waffen, einigen wird ihr Pferd ins 



— 81 — 

Feuer gewoiTeii. Das Grab erhöhet ein Rasen. Die 
Ehre hoher und mühevoller Denkmale verachtet man, 
bIs die Veratorbenen drückend. Klagen und Thränen 
werden bald, Schmerz und Traurigkeit spät abgelegt, 
Den Weibern ist es anständig zu trauern (fingere), dep^ 
Männern, sich zu erinnern (meminisse honesium est^,^ 

Anmerkung. Dieser §. sagt sehr wenig IClnre^ und dai^l 
Tenige wird iiurichlig sein ; das nnlia ambilio ist vo" " 
I unbesliiatDter Bedeutung, dass es keinen bestiinmleu Sin 
giebt. Wenn die Kör^ier berülimler Mäuoer mit cerlis Ugnit^ i 
Terbrannt wurden, so hätte doch der Verfasser angeben sc 
as das für HuUer wären und was diese Holznrten : 
iedeutcu hätten; so ist diese Notiz olnie Werlh. Die geir. 
[enen, alten Kleider auf den Sclieiierbaufon zu werfen, war, ■ 
rbhl nirgends Gebrauch, ti"*- »■i:.>rtnn:..önJä c:#.iii.iBa imi L^f . 1 
deutlichen Inhalt. 
^ Das PüsitiTe, was gesagt wird, besteht in der Angabe;i,J 
die Germanen verbrennen ihre Tudten, setzen die Asche un^j^ 
ter Rasen bei und veraditen die Ehre hoher und jnüheTollef| } 
Denkmale als drückeud für die Todten (^manumciiturum a»j7, 1 
duvm et onerusum honorem, ut gravem defunclis oo- | 
apernantur). Die Richtigkeit oder Falschheit dieser Angalx^ 
sind wir im Stande mit Sicherheit zu beurtheilen, denn nnsep 
Land ist mit alten germanischen Gräbern bedeckt, die zu Taunj 
senden geöffnet sind, deren Inhalt wir genau keauen; liier-^ 
nach ist mit Sieberbeil zu ermessen, ob und wie weit unse;^ 
Verfasser die Wnlirtfeit berichtet, wahrend dies bei alleji äbri-r 
.gen Angaben nicht wohl möglich ist ; deshalb ist dieser Passus^ 1 
^ besonders wichtiger. Alles was ■ " - 

(grübnissen der Germanen sagt, 
germanischen Gräbern übe rein , 

gehandelt wurde; man möchte daher glauben, unser Terfassef I 
hätte von den germanischen Grabern und L eichen begängnissea 
gar nichts jewusst, was hiernach auf seine ganze Arbeit ei^ j 
,4cblechtea Licht wirft, weshalb mau gegen alle seine Angaben, ' 
;cht anderweitig untersttitzt werden, sehr niisstrauiscit 
rerdeu muss, ihnen leinen wesentlichen '^'crth beilegen kann. 
Wie die onzähligen germanisdion Gräber lehren, «o war 
ie allgemeine Regel, den Leichnam zu begraben, ihn mit ' 
[teinen zu bedecken, und den Verstorbenen ein möglicbaf , 
vergängliches und, nach dem Stande auch ein mächtiges} 
issartiges Denkmal zu setzen { das Begraben fnnd Vorzugs^ 
ie in älterer Zeit statt, aber auch, noch in sehr später Zeit, 
die kellitfchen Gräber sich allinählig (n die chrislliclieu ver- 



Brfpsser hier von dea J 

siiiniat gar nicht mit den ! 

Theil I. ausführliglj ] 



— 88 — 

laufen. Das derartige Begraben der Leichen, zwischen und 
unter Steinen, aber ohne Sarg, war wohl eine Eigenthümlich- 
keit aller keltischen Yölker ; sie herrschte ganz gleichartig 
durch GermaDien, Britannien und Gallien, in ältester Zeit 
auch in Italien und Griechenland; erst wie die thracischen 
Yölker sich semitisirten und zu Griechen wurden, nahmen sie 
auch die semitische Sitte des Yerbrennens an, und wie die 
Latiner sich gräcisirten und zu Römern wurden, da führten 
sie erst das Yerbrennen der Leichen ein. Wie die Orientalen, 
so verbrannten auch die slavischen Yölker ihre Todten, und 
in den Theilen Ton Germanien, die in den ersten Jahrhunder- 
ten n. Ch. von Slaven besetzt waren, bis zur Elbe und Saale^ 
da finden wir unzählige Gräber von verbrannten Leichen, diese 
gehören aber nicht den keltischen Germanen, sondern den Sla- 
ren, aber auch bei den Germanen selbst scheinen allerdings 
Leichen verbrannt zu sein, nur war dies nicht Regel, son- 
dern Ausnahmt. 

Die Todten in Germanien wurden ohne Zweifel angeklei- 
det, gewafFoet und geschmückt ins Grab 'gielegt, begleitet von 
Urnen und Insignien, häufig auch von dem Leibrosse und ver- 
schiedenen Gegenständen ; zwar fehlte der Sarg, dagegen setzte 
man das Grab mit Steinen aus und bedeckte es möglichst mit 
grossen Steinen, oder bauete grosse, steinerne Grabkammern,' 
nber welche sich, nach dem Stande der Yerstorbenen, ein Ha- 
gel von Steinen oder Erde erhob, meist wieder mit grossen 
Steinen bedeckt und mit Steinpfeilern umgeben, und gewiss 
sahen die Germanen ein solches Denkmal nicht für drückend 
an. — Offenbar hegte man eine sehr grosse Pietät für die 
Yerstorbenen, hat sie gewiss mit viel Qf^monien begraben 
(nicht aber sine ambitio) , wie es auch bei den jetzigen Kel- 
ten der Fall ist, wobei auch die Priesterschaft unmöglich ge- 
fehlt haben kann. Cäsar (bell. gall. VI. 19) sagt von den 
Leichenbegängnissen in Gallien: sie wären mit Pracht und 
grossen Kosten verbunden, und so mag es auch in Germanien 
gewesen sein; wenn aber Cäsar hier von Yerbrennen der Lei- 
chen in Gallien spricht, so wird das von den mehr romanisir- 
ten Galliern gelten, denn die gallischen Gräber lehren am 
besten, dass man in alter Zeit die Todten eben so begrub als 
in Germanien. 

Weil die Gräber der vorchristlichen Zeit in Teutschland, 
Frankreich und Grossbritannien sich in Form und Inhalt voll" 
kommen gleichen, man in den Gräbern die gleichen Waffen, 
Schmucksachen, Insignien u. s. w. findet, die Gräber und Grab- 
hügel gleich construirt sind, überall daher ein gleicher Tod- 
tencültus geherrscht haben wird, so spricht dies wohl am 
deutlichsten für die Behauptung: dass die Germanen so gut 



— 8»'' — 

der keltiäclien NaiioDalität angeliort lialeD nls die Kelten in 
Grussliritannien und Gallien, mit diese» auf gleicher Stufe der 
Cullur standen und gleiche iDstiiutiouen gehabt haben werden, 

b. Das Erwähnle haben wir über den Ursprung und die 
Sitten aller Germanen im AllgemBiaen erhalten ("accfr« j 
pimits'); nun wollen wir die Institutionen und Gebraucht^ ] 
der einzelnen Völker {singiilarum gentium instUuta 
ritusque'), so weit sie verschieden sind, darlegen, so 
wie die Völker, die von Germanien nach Gallien über- 
gegangen sind. 

Anmerkung. Hier also scbHeast der Verfasser die De- 
Bchreibung der Gernianca im Allgemeinen, mit der Bemer- 
kung ; er hübe diene »eine Angaben erbalten (accepimux) ; er 
hat diiber nicht au» eigner Beobachtung geschöpft, Jiütte daher 
auch seine Quellen angeben sollen, denn auf diese kommt es 
doch vorzugsweise an. Huu verspricht er die Institutionen und 
Geliräucbe der einzelnen Volker, so weit sie verschieden sin^ 
anzuheben, aber sonderbarerweise ist hiervon im Verlaufe Aett-'^ 
Buches gar nicht die Rede, sondern e» folgt nur eine Ueber- ■' 
sieht der Volker Germaniens mit mancherlei Bemerkungen; 
aber von besondern Institutiooen ist gar nicht die Rede , roo 
besondern Gebräuchen nur an einigen wenigen Stellen. Schliess- 
lidi heisat es: er wolle von den Völkern reden, die von Ger- 
manien nach Gallien übergegangen sind , dagegen beginnt der 
Verfasser mit denen, die aus Gallien nach Germanien gingen. 



L. Da9S die Gallier einst gewaltiger gewesen (yalidlores 
olim GaUornm res fmsse'), sagt der höchste der Au- 
toren (sitmntHs atictormn'), der götdiclic Julius (Ca*' 
sar), daher ist es auch glaublich , dass die Gallier nac^ 
Germanien heriibergingen. Wenig konnte der Stronijl 
(Rhein) es hindern, wenn ein stark gewordenes Volk J 
einnahm und eintauschte die Wohnsitze, die noch < 
mein Schaft lieh (^sedes promtscuas ad/iuc'), noch durch 
keine Macht der Reiche getheilt waren; daher hallen 
zwischen dem hercyniachen Walde, dem Rhein und 
Mayu die Hehetii , jenseits (^uJicrhra) , die Boji , bei- 
des gallische Volker, das Land inne. IVoch bleibt der 



Name. Boihemuin, bezeichnet das alte Andeuken des 
Ortes ^ aber bei veränderten Bebauern. 

Anmerkung. Mit schwülstigen Worten wird hier nur 
gesagt: die Helvetii und Boji in Germanien wären gallische 
.Völker; der Schluss, wie er hier st^het^ ist nicht wohl yer- 
ständlick, er wird es erst durch §« 42^ wo beiläufig bemerkt 
ist: die Boji wären durch die Markomannen yertrieben. 

Es ist das einzige Mal im ganzen Buche ^ dass der Ver- 
fasser seine Quelle nennt, und zwar den Cäsar, yor dem er 
grosse Ächtung hat, da er ihn divua und summus auctorum 
nennt, gleichwohl hat er diese sehr schlecht benutzt. Cäsar 
^ell. gall. VI. 24) sagt: fuit antea tempus cum Galli 
Germanos virtute superant et ultra bella inferrent (wel- 
che Worte denen unseres Verfassers sehr ähnlich sind), nod 
j^hrt nun fort : ^, Wegen ihrer zu grossen Bevölkerung , für die 
sie selbst nicht Land genug hatten, sendeten sie Colonien aof 
das rechte Ufer des Rheines; so besetzten Tectosages aas dem 
Stamme der Volken (im südlichen Gallien) die fruchtbarsten 
<jegenden Gennaniens am hercynischen Walde, wojhnen bis 
zur Stunde daselbst, gemessen wegen ihrer Gerechtigkeit und 
Tapferkeit grosses Ansehen; aach jetzt noch leben sie, gleich 
den Germanen, arm, dürftig, hart, begnügen sich mit dersel- 
ben Nahrung, Kleidung und Wohnung. Ihi*en Stammgenossen 
in Gallien verschafft dagegen die Nähe der römischen Be- 
sitzungen mehr Genüsse, aber gewöhnt, besiegt zu werden, 
yergleichen sie sich selbst nicht mehr mit ihren tapfem Brü- 
dern in Germanien." Hier redet Cäsar mit aller Klarheit yon 
einem acht gallischen Volke, welches nach Germanien über- 
gesiedelt wäre; dies erwähnt unser Verfasser nicht, dagegen 
nennt er die Boji, von denen Cäsar dies nicht sagt, und die 
Hehetii, von denen Cäsar (loc. cit. \,,2) ausdrücklich sagt: 
fluvius Rhenus agrum Helvetium a Germanis dividit^ 
sie wohnten also zur Zeit von Cäsar und auch wohl von Ta- 
citus nicht in Germanien, sondern auf der linken, gallischen 
Seite des Rheines, in der heutigen Schweiz; es wird daher 
unrichtig sein, die Helvetii zu den Völkern Germaniens zu zäh- 
len, wenn man den Rhein als Gränze annimmt. 

Die Boji waren gewiss ein wichtiges Volk in Germanien, 
nnd bei einer Beschreibung des Landes hätte man wohl zu ?er- 
muthen, dass etwas mehr von ihnen gesagt wäre, als der 
blosse Name, denn die Bezeichnung ihrer Wohnsitze, als vi- 
teriora ist nichtssagend. Wie es scheint, werden die Boji 
durch Baiern, Oestreich, längs der Donau bis Ungarn ge- 
wohnt haben , aber auch in Oberitalien , besonders in der Ge- 
gend des heutigen Modena, und im lugdunesischeo Gallien 



— 91 — 

(s. Plinius IV. 22), Die Hauptstadt der germanitchen Boji wird 
das heutige Fassau an der Donau gewesen sein, wie aus dem 
alten Namen Bojodurum hervorgehen dürfte.. Sie wohnten 
auch jenseits der Donau, an der Drau und Sau, durch Nori*- 
cum^ bei Grätz u. s. w« Die ^Qt/fiog Boioav^ die deserta 
JBojorum^ noricist junguntur (Plin. 111. 24) wird die steh 
rile Ebene am Fusse der Alpen sein, die, mehrfach unterbro^ 
chen aus der Gegend von München, bis nach Wienerisch - Neur 
Stadt läuft und jetzt noch so steril ist^ wie sie in ältester 
Zeit war. 

Die Boji an der obern Donau werden ein acht germani- 
sches Volk sein, welches die altgriechischen Schriftsteller als 
Kelten bezeichneten ; denn Herodot (der etwa 500 n. Ch. lebte) 
aagt: 1. 34 und IV. 49: die Donau entspringt im Lande der 
Kelten. Nach alten Sagen (beim Livius V. 34 und Appian de 
reb. gall. II) haben zur Zeit des Tarquinius Superbus (um 530 
Y. Cb.) Auswanderungen aus Gallie;i nach Ober -Italien statte 
gefunden, auch nach Germanien, die nach Plutarch (Camill. 15) 
an den nördlichen Ocean gingen, aber über den gallischen Ursprung 
der germanischen Boji weiss die Geschichte nichts. Die Boji 
werden zu den suevischen Völkern gehört haben; Strabo führt 
sie nicht unter den Hauptvölkern Germaniens an, sondern 
begreift sie unter den Soeben (Sueven), von denen er 
(VII. 1. §. 3) sagt: Zwischen Rhein und Elbe breitet sich auch 
der hercynüehe Wald aus, wo die Völker vom Stamme • der 
Soeben zum Theil innerhalb des Waldes wohnen, bei welchem 
auch das Buiamiatn liegt, des Marobodeus Königssitz, nach 
vrelchem Orte er auch seine Markomannen versetzte, von wel- 
chem Orte §. 5 gesagt wird: dass nicht entfernt die Quellen 
der Donau und des Rheines lägen. Aus diesem Buiamiam 
scheint unser V^i'^^^^^i^ ^^io Boihemum entlehnt zu haben. 
Ftolomäus nenai statt Boji die Baemi. 

Zu den suevischen Völkern gehörten auch die Marcoman^ 
ni^ von denen §. 42 handelt, die in Würtemberg oder Baieifn 
wohnten, also auch in KeXrixrj oder dem Lande der alten Kel- 
ten; hier warf sich um das Jahr 12 v. Ch. der in Rom erzo- 
gene Marobodeus als dynastischer Fürst auf, eroberte das Land 
der Bojer, und schlug in Böhmen oder Baiern seinen Königs- 
sitz Buiamiam auf, verbreitete seine Herrschaft über viele 
suevische Völker. Er für seine Person musste zwar 19 n. Ch. 
Yon der Regierung abtreten, aber seine Dynastie hielt sich, und 
seit der Zeit werden die Kriege der Bojer und Sueven gegen 
die Römer meist unter dem Namen der markomannischen ge- 
führt, und diese dauerten, mehr oder weniger unterbrochen, bis ^ 
zum Untergänge der römiflchen Macht (476). 



rt 



— »2 — 

Wie die Romer^ so selir sie sich auch sträubten, gotluische 
Volker in ihr Land aufnehmen mossten, die sie als Miethstrop« 
pen benutzten, aber nicht irieder los werden konnten, so ^ird 
es auch in den benachbarten 8ue?i8ch- germanischen Landen ge* 
Wesen sein. In den blutigen markomannischen Kriegen tob 
160 — 180 fochten auf markomannisclier Seite auch fremde 
Völker, Jaziges (wohl Slaven), auch Vandali und Rojcaia-- 
nij gewiss gothische Völker^ die nicht wieder zurückgegan- 
gen sein werden. Wie Italien und Gallien sehen wir auch 
Germanien allmählig yon den gothiscben Völkern überschwemmt, 
die das Land beherrschen, sich endlich mit den germanischen 
Einwohnern zu den Teutscben amalgamiren. 

Als die Geschichte wieder beginnt, bewohnten einen TheU 
des alten bojischeu Landes die teutschen Bojoarüj oder JSo- 
jmvariiy deren Name yielleicht zusammenhängt mit Boji nud 
tVarini oder Guartni, ein öfter genanntes gothisches Volk. 
Ein bojoarischer Fürst Garibaldus wird um 554 genannt, spä- 
ter um 596 ein solcher, der dujc ThassilOy als fränkischer Va- 
sall, mit dem die Geschichte von Baiern — JBojiaria — and 
die Tollätändige Regentenfolge beginnt. Schon seit 612 wirkte 
der irische Missionar Columba, und seitdem wurden christliche 
Klöster gestiftet, und das Christenthum fadd Eingang. 

b Ob aber die Ära vi sei in Pannonien von den Osts, 
einer germanischen Völkerschaft, oder die Osi von den 
Araviscis nach Germanien wanderten, ist ungewiss^ da 
sie noch jetzt dieselbe Sprache, dieselben Institutionen 
und Sitten haben, weil ehedem bei gleichem Mangel 
und gleicher Freiheit beide Ufer (der Donau) gleiches 
Gutes und Böses gewährten. * 

9 

Anmerkung. Wohl gewiss ein eben so confuser als 
dunkler Passus. Die Worte: utrum ^ravisci ah Osia, an 
Ost ab uiraviscis in Germaniam commigraverint y geben 

far keinen rechten Sinn, man begreift nicht recht, was das ab 
eissen soll. Der raisonnirende Schlussatz scheint mir auch 
ohne yerständigen Sinn zu sein. 

Der Verfasser sagt hier: Die Ost sind eine germanische 
Völkerschaft, eine natio Germanorum^ diese haben mit den 
jiraviscis in Pannonia gleiche Sprache und Sitten; dies kann 
doch nur heissen : die letztern haben mit den erstem die gleiche 
d. i. germanische Sprache, sind also nationell Germanen, wie 
jene; wenn sie auch ausserhalb Germanien wohnen. Im §. 43 
dagegen heisst es: Die Ose, die hinter den Markomannen und 
Quaden wohnen , reden die pannonische Sprache , daher sie 



— 93 — 

keine Germnnen sind, aucli, weil sie Abgaben ertragen {Oaoa 
^nnonica iingua coarguit, non esse Germanoa, et quod . 
Wibuta paliunlur). Nacli §. 28 sind die Osi eine tiatio Ger- | 
manoruwt, die also eine teuische Sprache Lat, »ach §. 43 sind 
sie keiue Germanen, weil sie panaooisch sprechen. Das ist doch 
ein wunderlither Widerspruch. 

Ol» aber in Pannonia zu alter Zeit eine andere Sprache 
als in Germanien geredet wurde, scheint sehr zweifeliiafi, wff- 
«ber eine Notiz sehr interessant gewesen wäre. Die Völker, 
die Pannonien bewohnten, dürften eben so der keltischen ISa- 
tionalilüt angehört haben, als die Völker in Germanien. Die 
Ungarn oder JVlagyaren und die Slaven, die jetzt grösstenlheilv 
Ans alle Pannonien bewohnen, zogen erst nach der romisclieli' f 
Zeit hier ein ^ 

Abgesehen tob allem biaher Angeführten, ho sind Oti und' I 
L .^fai'MCf' der Litleratur gänzlich unbekannt, kaum ähnliche Na*' t 
^^eu kommen tor. PHnins (bist. nat. UI. 28) führt bei Be-r' i 
,K)ireihung von Pannonin die Eravisci und Oaertaies an, auctfl 
die Jasi, welche an der Drau etwa im heutigen Kärtilheg j 
wohnten; Ptolomäus kennt EravUci in Pannonien. Unser Ver^' 
^-ÜRsser acheint ans den Eravüci seine jiravisciy aus den Jtui L 
seine Oai gemacht zu haben, obwohl die Ja» jenseits der Draij' I 
und nicht in Germauieu wohnten, wenn man die Donau aU^ 
Grenze ansieht. 

b. Die Treviri und JVervii siad in Aneignung des 
germanischen Ursprunges sogar ebreüchtig, als wenn 
-■ sie durch diesen Huhm des Geblütes von der Aehnlich- 
keit und Trägheit (inerüa) der Gallier geschieden' i 
würden. 

Anmerkung. Von Ungarn springt der Verfasser an dea' J 
mittlem Rhein und zwar nach Gallien, zu Völkern, die gar nicht'! 
zu Germanien gehörten, wenn man den Rhein als Grenze sets^ I 
wie in §, 1 gesclüeht, denn die Treviri wohnten au der Moa^^ M 
om das jetzige Trier {Colonia oder Augusla Trevirorum'0 1 
► die JVerr» wohnten nördlicher, gehörten zur belgischen Con- T 
Pfoderation, ihre Hauptstadt war Camarciim (jetzt Camhraj). i 
»Ton diesen Völkern wird nichts weiter gesagt, als: sie rShmiea 
^Üch des germanischen Ursprunges; was freilich sehr wenig ist. J 
V^lnrlich fragt mau : sprachen diese germanischen Völker i 
Gallien noch germanbch, hatten sie noch germanische Sitten 
ind Institutionen, und wie waren diese von den gallischen ver- 
!n? — Der raisonnirende Schiusa des Passus giebt wie- 
der keinen klaren Sinn, ist ziemlich überiluseig. 



— 94 — 

c. Das Ufer des Rheines selbst bebauen ohne Zweifel ger«- 
iMniBche ^hlkev (Germafwrum popuK) y die Vangio^ 
nesy Tribocciy JVemetes» 

AnmerkaiAg. Dies sind wieder Völker , die links des 
Rheines, also nicht in Germanien wohnten, wenn man den 
Rhein als Grenze annimmt; sie sollen uomittelbar am Ufer des 
Flusses wohnen; wo aber ihre Wohnsitze liegen^ wie weit sie 
sich erstrecken, oh sie germanisch oder gallisch reden, germa- 
nische oder gallische Sitten haben, davon wird nichts erwähnt 
Die Vangiones wohnten etwa um Worms, gehörten zur belgi- 
schen G)nföderation, hatten uärgentoratum zur Hauptstadt; 
die Tribocci oder Tribochi wohnten im Elsass um Colmar; 
die NemeteSy ebenfalls zur belgischen Conföderation gehörig 
wohnten um JVoviomaJus (jetzt Speier), und diese bezeichnet 
Appian I. 4 als Nachkommen der Cimbern und Teutonen. Za 
diesen gallischen Völkern germanischen Ursprungs gehören auch 
die Tungri (um das jetzige Spa und Lüttich), von denen es 
§• 2 heisst: sie wären aus Germanien nach Gallien gekommen 
und hätten eigentlich Germani geheissen. 

Wenn man als die (politische) Grenze von (Germania (mag- 
na) und Gallien den Rhein bezeichnet, wie es unser Verfasser 
in §. 1 thut, so ist es falsch die Völker links des Rheines zu 
den Germanen zu zählen, da sie zu Gallien gehören { aber der 
Rhein bildete gar nicht, oder nur auf kurze Zeiten eine wahre 
Grenze, das. eigentliche Germanien, wie das Germania prima 
und secunda^ lae_ stets auf der linken, gallischen Seite des 
Rheines, dessen Einwohnerschaft wird anch von den Germanen 
rechts des Rheines gar nicht nationeil verschieden gewesen sein. 
q|\it diesen gleiche Sprache und Sitten gehabt haben. Aber ge- 
wiss nicht teutsch, sondern keltisch wird man an beiden Ufern 
des Rheines, wie der Donau gesprochen haben« Die nationelle 
Gleichheit der Gallier und Germanen wird Ton Strabo vorzugs- 
weise hervorgehoben. 

d* Selbst Aie.lJbii, obwohl sie verdient haben eine rö-* 
mische Colonic zusein (romana colonia esse meruerinf) 
, und sich lieber Agrippinenses nach dem eignen Namen 
■'. des Erbauers nennen , erröthen nicht iiber ihren (ger- 
manischen) Ursprung; einst heriiber gezogen^ werden 
sie nun an dem (andern) Rheinufer ansässig gemacht, 
dass sie abhalten, nicht, damit sie bewacht w^erden. 

Anmerkung. Ein confnser dunkler Passus. Die Uhii, 
ein Volk^ von dessen Wohnsitzen gar nichts gesagt wird, sind 



— 9S — 

nie eine römiiche ColoDie geworiieo, Iiabeii sich als Volk auch 
Hohl Dicht ^grippittenses genannt; die Worte: enndiMri» su^ 
nomine sind an sich hicc gar nJcttE verstiinrllieh. Die UbA 
waren ein bedeiiteodes ger.Bianiaches Volk, am rechten Utegf 
des Rheines, welches Handel trieb, TJel SchiDl^L 
nad wa brach ei dUcIi im Darmstüdt sehen wohnte. Cas.ir (bi 
gali. IV. 3) sagt: „Sie wohuen uninitlelbar neben den Sne? 
sind ein bedeiiiendes, kräftiges Volk, fluch gebildeler al« 
Germaneo im Allgemeinen; da aie iioinittelb^r am Rheinu 
wülinen , so haben sie häufig Verkehr inlt fremden Kanflcn 
gewohnen sich, der Nacbbarscliaft wegen » au die SJlieu d 
liens. Obifohl die Sitcveu durch wiederholte Feindseligkeit 
diese Germanen aus ihrem Lande zu treiben yersncht, aber i 
gen der Grösse und Macht des Volkes es nicht vermocht Ii 
ten, so schwächten sie dnch dieselben und machten sie zins^L 
bar". Sie riefen (im Jahre 65 v, Ch.) den Cäsar gegen die 
Sueven zu Hülfe (dt. loc. IV. 16), versprachen dazu die Schiffe 
zu liefern; dieser ging anch über den Rhein, kehrte aber natli 
weoigen Tagen nach Gallien zurück. Später, etwa im Jahre 39 
T. Ch., erzwangen sich die V&ii unter Augnst Teste Wohn- 
sitze am linken Hheinnfer, und ihre Hauptstadt war hier Vra 
XJiiorum; sie wurden römische Schutzgenossen, aber seit etwa 
50 n. Ch. erhielt die Stadt den Namen Cohnia jigrippinen- 
siiim, woraus der Najne Cöln entstand. Der Geschieh tschreiber^ 
Tacitus (Anual. XII. 27) sagt hierüber: „Agrippina (3Iurter de* 
Kaisers Nero, Gemahlin des Domitins Ahenobarbus, heroaehi 
des Kaiser Claudius), um auch verbündeten Nationen ihre MacttC' 
sehen zu lassen, bewirkte die Abschickung einer Veteranen iSl 
C'ilonie nach der Stadt der Ui>ier, wo sie geboren war, 
auch Tfin ihr den Deloainen {agrippina nach Aurel. Vict. 
Caes.33) erhielt, und zufälligerweise halle ihr Grossvaier Agri 
dieses Volk, das über den Rhein gegangen wnt^, zu römücti 

► Schutzgenossen (t'üfgeuomraen." Was hier der Geschichtschreil 
Tacitus ganz klar und yersiändUch sagt, Terconfnst unser 
fesser, indem er sagt: die Ubier (das Volk) hält eu verdient eil 
römana cotunia zn sein und sich nach ihrem Erbauer jigr\ 
pinensea genannt, während doch nur ihre Hauptstadt den ~ 
Damen agrippina erhielt, nicht von ihrem Erbauer, sohderl 
weil Afrippina dort geboren war. Dieser Widerspruch 
sehen dem Geschieh tsch reiber Tacitus nnd nnserm Verfasser' 
därl'te die Verrauthung verstärken, dass Leide verschiedene Per- 
sonen sein werden. n 
Die V&ii waren .allen Nachrichten uach ein acht germa-, 
niiches Volk, es zog über den Uhein, oder vielmehr es legie 
auf der gallischen Seite desselben eine Stallt an, das heutige 
Coln, die bald gross und blühend wurde, acht gallisch war, 



wie die spatere Geschichte lehrt. Verloren die Germanen da« 
darchj das« sie Gallier worden, ihre Nationalität, nahmen eine 
andere Sprache, andere Institutionen an'} Die Frage, ob man 
in Giermanien teutsch^ jenseit des Rheines, in Gallien, gallisch 
fprachj dort ganz andere Institutionen und Sitten hatte als hier, 
ist SU interessant, um nicht noch einmal auf sie zurückzu- 
kommen. 

Cäsar (bell. gall. VI. 21) spricht allerdings yon der Ver- 
■chiedenheit der Gallier und Germanen, aber er geht nicht 
auf die Verschiedenheit der Sprache und Institutionen ein, bringt 
gar nichts Wesentliches vor und hat die bereits romanisirten 
Gallier yor Augen. Er sagt: 

a. „Die Germanen haben keine Druiden, die den rebus 
divinis vorstehen^ und befleissigeu sich nicht der Opfer.'* Der 
Name Druides^ der eigentlich wohl nur sehr hoch gestell- 
ten Geistlichen zukam, scheint blos bei den wälischen Kelten 

^^ gebräuchlich gewesen zu sein, zu denen in Gallien die armori- 

^^ sehen Kelten gehörten. Ob die übrigen gallischen Völker diese 

priesterliche Würde kannten, bleibt sehr zweifelhaft; mag die- 
ses aber sein wie es will, so hatten ohne Zweifel die Germa- 
nen eine und gewiss sehr einflussreiche Priesterschaft, welche 
die Functionen der Druiden übten, deren specielle Namen wir 
leider nicht kennen ; dies kann keinen wesentlichen Unterschied 
bedingen. 

b. „Als Götter verehren die Germanen nur Sonne, Vulkan 
und Mond, die sie sehen ^ und deren offenbaren Einfluss sie 
wahrnehmen, die übrigen (römischen) Götter kennen sie nicht 
einmal durch das Gerücht (fama).^* Die National -Religion der 
Gallier war bekanntlich auch eine Naturreligion, wie die ger- 
manische gewesen sein wird ; erst seit der römischen Herrschaft 
lernten sie die römischen Götter kennen, die wohl Ton den ro- 
manisirten Galliern — - wenn auch in besonderer Weise — an- 
genommen wurden, bei dem Volke wohl keinen allgemdnen 
Eingang fanden. 

c „Ihr Leben wechselt zwischen Jagd- und Kriegs -Be- 
schäftigung, Ton Jugend auf gewöhnen sie sich an Arbeit und 
Abhärtung." Eben so wie die Germanen, werden auch — allen 
Nachrichten nach — die alten Gallier gelebt haben, nur die 
romanisirten nahmen mehr römische Sitten an. 

d. „Lange unTerheirathet zu bleiben bringt bei ihnen gros- 
ses Lob, da sie glauben, hierdurch würde die Stärke genährt^ 
und es ist schimpflich Tor dem 20. Jahre ein Weib erkannt za 
haben. Ihre Bekleidung bestehet meist aus Pelzen." Beide er- 
if'l wähnte Verhältnisse erklären sich aus der nördlichen Lage Ger- 
maniensi sind keine wesentlichen nationalen Verächiedenheiten« 



— OT — 

e. Wns sonst noch toq den GermnneQ gesagt igt, mein 
auch scLüQ hier erwühnt 'wuriJe, bezieliel Hich gar nicht auf eine 
weaentliclie Verschiedenheit, 

Dagegeu setzt Strabo, io den schon mehrfach erwühoteti 
Stellen, die nationale Gleichheit der Germanen und Gallier kla» ■ 
anseinaudei'; aber die Gleichheit der Gräber und Älierlhüm 
setzt dies ausser Zweifel. 

lii Gallien spracli man zur Bern erzeit gewiss nicht teutscb, I 
aoiidern gallisch d. i. keltisch, und waren die Germanen den J 
Gallieru naiionell ganz verwitndt, so werden sie auch keltisch | 
und nicht leutsch gesprochen haben. 

Sprach man zur Romerzeit du beiden Seilen des Rheine! | 
kelliscli, so fragt sich: woher die teutsche Sprache gekoi 
die nach einer Reihe von J^ihrhucderten auf der gallischen und ] 
germanischen Seile heimisch ist? 

Aus der Gescliiclite lüsst sich nachwciseu : wie zu den keU 
liBchen Völkern in Germanien und Gallien seit etwa dem 2tep 
Jahrb. eine andere JNaliuualliüt kHm, mit offenbar gotljiecher 
Sprache und fremden Institutionen, deren uüchates Stammland 
um das schwarze Meer gelegen haben wird. Am untern Rheine 
treten sie zuerst und unter dem Kamen der l'ranken auf, 
und kamen auf einem uördiicljen Wege durch die Osiseegegen- 
den. Am «bern und mililern Rlieine werden sie.lils Alainan- 
nen bezeichnet, die von der iintera Donau her als Hülfsvöl- 
Iter und £indringliiige kamen, allmiihlig Herren des Landes -wur« 
den, die kelto-^ermanisclien Stnaieu politisch fortsetzten. Sa 
erscheint ein Alumamtia recht« des Rheines, besonders in den 
May n gegen den, dessen keltische Einwohnerschaft von den gotlii« 
sehen Schaaren b^errsclit wtirde. Unter der Aegide dieser 
Alamaniien wurden seit etwa 214 die Kriege gegen die Römer 
fast unter allen Kaisern fortgesetzt; sie zogen sich seit etira 
3tlO über den JRliein, wo sich nun die Goihen in dem dorti- 
gen keltischen Lftude ausbreiten, dessen Herren sie blieben, bis 
sie 496 Ton den Franken besiegt unter deren Herrschaft ka- 
men. Im Laufe von etwa 500 Jalireu mischten sich die 
gedrungenen gothischen Krieger, welche meist die Stelle t 
keltischen Adels einnahmen, mit der Torhandenen keltisch^ 
Bevölkerung, auch in der Sprache, und so entstand eine new 
Nali»nalitiit und Sprache — die leutsche — aus gothischen un^j] 
kellischen Elementen. Den Schlusi^tein der Vereinigung bil& 
deie das Christeiillinm, welches die gotliiscbc und keltische 
Eeligiun amalgamirte, das vorzüglich durch irische Missionaire 
eingeführt wurde, durch Fridulin (514), der das Kloster Sik- 
kingeit stiftete, durch Columhus (620) und Gallus, der 630 
das Kloster St. Gallen gründete. Die gothischen Institutionen 
verbanden sich allmiihlig mit den keltischen, gestalteten diese 

KcfcrBleio, ktlt. Alirrtb. III. Bd. I. Alilb. 7 



— 98 — 

Uni) und so bildete sich ein mächtiger dynastischer Adel all 
Stand mit dctfi LehnsTerhältnissen, so entstand das teutsche We- 
sen mit den teutschen Institutionen des Mittelalters. Wie frü- 
her an beiden Ufern des Rheines keltisch, so wurde nun teutsch 
geredet. Weil aber das teussche Wesen und die teutsche Spra- 
che einen so grossen gothischen Anstrich haben ^ obwohl di6 
Völker zu beiden Seiten des Rheines zur römischer Zeit nur 
keltisch gewesen sein können , so muss zu diesen ein gothiscbes 
Element zugetreten sein, das sich in der alamannischen'Zeit 
mit dem keltischen mischte. 



§ «9. 

a. Unter allen diesen Völkern an Tapferkeit die vorzüg- 
lichsten, wohnen nicht fern von dem Ufer, sondern 
auf einer Insel des Rheinstromes die Batavij ein 
mpf chattisches Volk und bei einem heimischen Aufrühre 

herüber gezogen, dass es ein Theil des römischen 
Reiches wurde. Es behält die Ehre und Auszeich- 
nung alter Freundschaft, denn sie \verden nicht zum 
Tribut v6rurtheilt , noch saugt sie ein Staatspachter ans; 
frei von Lasten und Lieferungen, nur für den Dienst 
in Schlachten gefordert, werden sie wie Wurfgeschfits 
und Waffen für Kriege aufgespart. 

Anmerkung. Hiernach sind also die Bataii Germa- 
nen, die bei einem Aufrühre nach Gallien wanderten, um ein 
Tbeil des römischen Reiches zu werden; den Römern zahlen 
sie auch keine Abgaben, dienen ihnen als die t reu esteu . Bun- 
desgenossen, werden — wie es sehr schwülstig heist: velßU 
tela atque arma bellis reservantur. Dies ist aber eine recht 
grobe Unwahrheit, da der Geschichtschreiber Tacitus das Ge» 
geutheil bekundet, die Geschichte unsern Verfasser der Loge 
jeeihet. Die Batavi waren es, die um das Jahr 64 n. Q. 
unter ihrem General Civilis sich feindlich gegen die Römer er- 
hoben, unterstützt von den ganz verwandten CaninefaU» 
vielen germanischen , brittischen und gallischen Völkern. Die 
Römer wurden geschlagen, Legionen derselben fallen ab, et 
wird das altgallische Reich mit seinen druidischen und kelti« 
sehen Institutionen wieder aufgerichtet, und nur unter grostei 
Anstrengungen der Römer konnte diese Revolution ant|sr Kai- 
ser Vespasian unterdrückt werden. Diesen Aufstand d^ Bata- 
ver, eigentlich nur eine Episode daraus, beschreibt der Ge- 
schichtschreiber Tacitus weitläufig in Histor. IV, 12 bis 86. 



\ 

t 



— 99 — 

Als Einleitung z« dieser Darstellung heisst eg §, IS: „So 
iBge die ßcitavi jenseil des RLeines wolmlen, [waren sie ein 
"1 der Catti, aber durch einen AufriiLr Terlrieben, bemach- 
Sjten sie sich der äiissersten , unbewohnten gallischen Knsle ' 
^■Tnd zugleich einer znischeo Untiefen liegenden Insel, 

Vetche vorn der Ocean, hinten und au den Seilen der Rhein j 
fliesst. Die Macht der Kömer, so viel auch, 'diese ihre Bun-* ] 
desgeunisen stürker waren, drückte sie nicht, sie dienten 
dem Reiche mit Leuten und Waffen (virot ianlum armaque \ 
imperio minislranl). Die germaninchen Kriege lieschäliigu 3 
ten sie lange, hernach verinehrte Britannien ihren Ruhm, denn ] 
■ie schickten ciuige Coliorten hinäber, welche nach alle 
wohnhcit die Vornehmsten des Volkes führten; auch im Lande | 
hatten sie eine auserlesene Cavallerie, welche Torziigliche Ge- 
schicklichkeit im Schwimmen besass , zu Pferde in Üirer RS' 
slung in ganzen Haufen [turmie) über den Rhein setzte." 
Aus diesem einleitenden § seheint unser Yerfatiser einen ma- 
gern Auszug gemacht zu haben; wenn es aber dort heiest: vec 
opibua ramanis, socieiale tialidiorum altriti , viros tantum 
armaque imperio minülraut, so schmückt er dies etwas 
weiter aus, sagend: nam nee tribulum condemnantvr , nee 
puhlicanus allerit, exempti oueribus et conititionibus , et 
tantum in »«um proeliorum eepositi, vehit tela et arma 
bellig rescn antut; Aber sogar lättlich dürften die Römer 
doch mit den Batavern nicht umgegangen sein, wie aus mehre- 
ren Stellen des Gesi^hichtschreibers Tacilus erhellet, der auch 
dt loc. §. 14 eine Rüde des (rebellischen) Generals Civilis au 
seine Bataver erwähnt, wo es im Anfange heisst: „Ihr Baiaver 
werdet nicht mehr als Bundesgenossen, sondern als Sclaven 
behandelt. Wann käme zu Euch ein römischer Legat, der 
Euch mit seinem Gefolge nicht belastiget, seinen Unmuth nicht ■] 
fohlen lässt? Ihr seid in der Gewalt der PrÜfecten und Cen- I 
furinnen, haben diese sich mit Eurer Beute gesätligt, kommen l 
andere an ihre Stelle, man plündert auf neue Weise" i 

Unser Verfasser därfte hiernach, auch in diesem Passij| 
mit dem Geschichlschreiber Tacitus gar nicht in Einklai 
Iien ; es lässt sich nicht wohl denken , dass dieser etwas gesa^ 
habe, das seiner eigenen Angabe widerspräche. 

Nach PliniuB (bist. nat. IV. 27) gehörten alle Völker lang» 
dem germauiscben Meere bis zur Scaldis (Scheide) zu den 
Germanen, daher auch die Batavi^ die da wohnten, wo sieb ^ 
der Rhein in mehrere Arme theill, in die Wahl, Merwe, Yi- 
Bel etc., im heutigen Gelderland, Utrecht, Hulland, obwohl 
später diese politisch zu Gallien gehörten. Die wirkliche 
Gleichheit der Bataver mit den Bewohnern des nördlichen Ger- 
inanicus wird auf das schlagendste bestätigt durch die gleichen 
7« 



— 100 — 

Alterthümer. In Holland, in der Provinz Ober-Yssel, heson* 
ders bei Drentlie, beginnt die Gruppe der unter dem Namen 
der Hünenbetteii l)ekannten Steinsetzungen, die sich ununter- 
brochen längs der Nordsee bis Däneinarli und weiter fortsetzen, 
in den keltischen Ländern auf jjleiclie Art Torkominen , Yor- 
zugsweise, wo wälische Kelten wohnten (s. Th. I. S. 359). 

Schwerlich wird wolil Jemand behaupten wollen: die gal- 
lischen Batavi hätten zur Römerzeit teutsch gesprochen , man 
wird ihnen vielmehr die gallische d. i. keltische Sprache bei- 
zulegen haben, und wohl den wälischen Dialect; dann wird 
aber auch dieselbe Sprache bei den ganz verwandten Yölkem 
längs der Nordsee geherrscht haben ^ und, da die Batavi chat- 
tischen Ursprunges waren , so werden wohl dieselbe Sprache 
auch die Chatti geredet haben, die in Westphalen, besonden 
längst der Edder wohnten; alle diese Völker werden der kel- 
tischen Nationalität angehört haben. 

In d^s Land der keltischen Bataver drangen seit etwa 280, 
wenn nicht schdn früher, gothische Schaaren unter dem Na- 
men der Franken, wurden Herren desselben und wohnten hier, 
wie es heisst, ziemlich friedlich zwischen der keltischen Ein- 
wohnerschaft^ mit der sie sich gemischt haben werden, über 
200 Jahre hü etwa 480, wo sie begannen unter ihrem Könige 
Chlodio bedeutende Eroberungen in Gallien zu machen und 
bald (486) die römische Macht gänzlich vernichteten. Aus der • 
allmähligen Amalgamation der keltischen Bataver und der go- 
thischen Franken dürfte die holländische Nationalität und 
Sprache hervorgegangen sein, basirt auf keltischen und gothi- 
schen Elementen. 

b. In solcher Willfährigkeit (obseqnio) ist auch das Volk 
der Maiiiaci. Die Grosse des römischen Volkes kftt 
bis über den Rhein ^ über die alte Grenze, Ehrerbie- 
tung vor seiner Herrschaft verbreitet; so handeln sie 
in ihrem Sinne und Geiste auf ihrem Ufer mit uns; im 
übrigen den Batavis ähnlich^ nur dass sie durch den 
Boden und Himmel ihrer Erde mutbiger beseelt werden. 

Anmerkung. Mit sehr schwülstigen Worten sagt der 
Verfasser: die Mattiacl^ am germanischen Ufer^ wären den 
Römern auf das treueste ergeben, glichen ganz den Batavers, 
wären nur muthiger. Aber so gar treu waren sie doch nichti 
denn wie aus dem Geschichtschreiber Tacitus (histor. IV« 37) 
erhellet, standen die Mattiaci auf der Seite des RefadHen G- 
vilis gegen die Römer; und da es vorher heisst: omnium An- 
rum gentium virtute praecipui Batavi^ so wird hier ge- 



- 101 — 

sagt: dass sie doch von den Mattiakcrn übertroffen wurden, 
dass diese ipso adhuc terrae suae solo ei coelo acrius ani" 
mantur^ was freilich nicht recht klar ist. 

Wenn ein Schriftsteller über die Völker eines Landes han- 
deln will, so muss er doch, um verständlich zu werden, vor 
allem erwähnen: wo ihre Wohnsitze liegen; diesen wichtigen 
Punkt übergehet unser Verf. hier wie bei allen andern Völkern, 
den Wohnort lässt er stets in der Schwebe. JMnn kann nur ab- 
nehmen : die Mattiaci wohnten am rechten Ufer des Rheines, 
während er bisher meist Völker erwähnte, die nicht auf dem 
germanischen, sondern auf dem gallischen Ufer des Rheines 
wohnten. Offenbar springt der Verfasser von Holland weit öst- 
lich zurück, denn die, schon im Alterthume berühmten und 
mehrfach erwähnten fontes mattiaci^ deren Wasser nach Pli- 
nius 31. 17. drei Tage heiss bleibt^ sind gewiss die heissen 
Quellen von Wisbaden, wo zur Römerzeit und auch wohl frü- 
her, grosse Badeanstalten waren, von denen man jetzt immer 
mehr Trümmer entdeckt; sehr berühmt bei den Galliern und 
Römern, war auch die Seife dieses Ortes, welche als pilae 
mailtacae für ein Schönheitsmittel gehalten und geschätzt wurde. 

Die Mattiaciy als Volk oder civitas^ mögen in politischer 
Hinsicht wohl ganz unbedeutend gewesen sein, demi die Litte- 
ratur kennt ein solches Volk nichts nur der GesclAchtschreiber 
Tacitus (histor. IV. 37) bemerkt: dass eine Armee ea: Chattisj 
Usipiis et Mattiacis bei dem batavischen Aufstande (^um 71 
n. Gh.) Moguntiacum (das den Römern treu blieb) bela- 
gert habe. 

Wenn die Mattiaci den Batavern ganz ähnlich waren, 
so wird man in Wisbaden und in der Wetterau dieselbe galli- 
sche oder keltische Sprache geredet haben als im Lande der 
Bataver, auf jeden Fall ist die Gegend von Wisbaden sehr 
reich an kelto - germanischen Gräbern, wie Th. 1* S. 161 darge- 
legt wurde. 

d» Unter d.e Völker Germaniens möchte ich nicht dieje- 
nigen rechnen, welche die decumaios agros bearbeiten, 
obwohl sie jenseits des Rheines und der Donau sitzen. 
Jeder leichtsinnige oder aus Mangel kühne Gallier be- 
mächtigte sich des Bodens zweifelhaften Besitzes^ bald, 
aber, als die limes (Grenze) gezogen, die Besatzun- 
gen Torgeräckt, werden, sie als ein Busen des Reiches 
(sinus imperü) und als Theil der Provinz betrachtet. 

Anmerkung. Wieder ein recht dunkler, confusscr Pas- 
sus, fchoi^ deshalb, weil der Verfasser die Hauptsache nicht 



— 102 — 

erwähnt, indem er nicht sagt: was die agri decumati sind, 
da dieser Ausdruck in der Liiteratiir nicht weiter Torkomnit. 
Dem Zusammenhange nach begreift er liierunter das germa- 
nische Land rechts des Rheines und links der Donau, wel- 
ches innerhalb der römischen limcs oder Grenzbefestigung lag, 
seit der Kaiserzeit unter römische Hoheit kam und nicht zum 
freien Germanien mehr gehörte. Dieser römische Theil Ton 
Germanien war ein grosser schöner Landstrich, er begriff etn« 
das jetzige Grossh erzogt hnm Hessen und Baden, zum grossten 
Theile auch Stücke von "Würtemlierg und Baiern, er war zur 
Römerzeit sehr blühend. Dass bei der römischen Occnpation 
desselben die germanischen £inwohner ihres Besitzthums be- 
raubt und fortgejagt wären, so dass jeder gallische Landstrei- 
cher sich habe Land nehmen können — dubiae possessionis 
solvm occupavere ^— davon weiss die Geschichte nichts, so 
haben die Römer nirgends gehandelt, es wäre ja aucli ein un- 
sinniges Verfahren gewesen. Wo die Römer ein Land unter 
ihre Herrschaft brachten, blieb das Eigenthum der Einwohner 
ungefährdet, sie musstcn die römischen Lasten tragen, und hat- 
ten in diesem Grenzlande gewiss viel Eir.quarlierung zu ter- 
pflegen. Dieser Satz kann nur ein unwahrer sein. 

Man hat« um einen Sinn in den Passus zu bringen, deci' 
mani agri^ zehntbare Acker, lesen wollen, aber die Worte 
lauten decvmates agros earercent. Wären diese Ländereien 
zehntbar gewesen, hätten die Einwohner den Zehnt an die rö- 
mische Regierung geben müssen, so würde sich von diesen In- 
stitutionen wohl etwas bis zum Mittelalter und später erhalten 
haben : was nicht der Fall ist. Die Römer zogen nach etrus- 
kischer Art bei jeder Vermessung, Absteckung eines Lagers 
etc. den cardo und decumanus^ d. h. wohl die nordsüdliche 
und nordwestliche Linie, wodurch ein Mittelpunkt erhallen 
wurde, der zum Anhalten diente; daher auch mehrmals limes 
dccMfnanus als der Weg oder die Linie vorkommt, die west- 
östlich läuft, aber auch dies erklärt nicht die agri decumati^ 
die immer dunkel bleiben. 

Wenn unser Verfasser sagt: er könnte die Bewohner der 
decumatischen Lande nicht unter die germanischen Völker zäh- 
len, so ist es doch recht sonderbar und inconsequent, dass er. 
gleich vorher die Mattiaci als ein germanisches Volk erwähnt 
hat, die doch innerhalb der römischen limes wohnten. 

Die Einwohner innerhalb der römischen limes blieben 
auch in der Kaiserzeit bei ihrem kelto-germanischea Wes6n| 
wie die Alterthümer und die Gräber bekunden, die sich Iw 
zur cjiristlichen Zeit verfolgen lassen; daneben aber "bestand 
auch das römische Wesen, wie die grosse Masse von römischen 
AUerthümern klar zeigt. I 



— 103 — 

Diesem Ycrliältiiiss, diesem Zusammenwolinen der kelto-ger-^ 
laiiischen EiDfrolinersclinft inil röiniarbcn ßeLtinteii ui>d Su]da->.J 
1 teu btiel) hh etwa um dua Jnhr 364 bestehen, yro die gotlii^ 
■eben Tülker, besondere unter dem Namen der Alemannen dUk 1 
che limes erukertcu, aicli hier fejjtsetzlen uud sich auclbJ 
über das linke Rljeliiufer verbreiteten, Herren des Landes rnii^-l 
den. Aus der Aliscbung dieseii guthiscben Eleineiiies mit deokf 
vorhandcueu )^ermauiscbcD Keltentbura ging im Laufe der Zei^'J 
die leiitsche Naiionalitüt und die hoclitcutscbe Spracbe liervgd' ^ 

Darüber: dass im Badiscben wie iiberkaiipt im südliclieilil 
Teutschland zur rombclien Zeit die kellische Sprache herrsctil^V 
die dortigen Germanen Kelten waren, iitt man jetzt wohl zicuif^l 
lieh einig. War aber dies der Fnll, so muss offenbar zu däA| 
keltisthcn Einwohnerschaft ein fremdes Element gekoinmeq ] 
sein, durch welches sie in Teulsche umgewandelt wurden, und , 
dieses kann doch nur in den golhischen Scbaaren zu suchea 
•ein, die im Laufe der ersten Jahrhunderte Germanien üher- 
schneuiinien, es eroberten und sich dann durch Alischung io 
der Einwohnerschaft lerlieren. 

§.30. 
a. Hilller diesen {nlira hos) beginnen tlie Vhatii mit 
Wohnsitzen vom hercyiiiscben Walde an,- nicht in so 
weilen und sumpfigen Gegenden, als die übrigen civi-^ 
taies, in die Germanien sicit ausdehnt; Hügel dauern 
zwar noch, werilun aber weniger und seltener; der 
hercynische Wahl folgt seinen Chatlcn zugleich und 
seUi sie ab (atrfue deponii). 

Anmerkung. Hier redet der Verfasser von den Wohin 
sitzen der Chatten , aber auf die müglichsl undeutliche Artf 
, Knn müchte glauben, er hätte mit Fleiss vermieden etwas Ver-t 
»tündiges zu sagen, Sie wohnen also in einpm hügeligen ode« 
bergigen Lande, ultra hos, d. Ii. hinter den agris dccumiitif 
(die sieb vuii Loln bis Oesierreich erstreckten) et ab Herci/r 
nio sattu , der sich noch weiter ausdehnte , von dem Cäatt. , 
(bell. gall. VI. 25) sagt! er beginnt aa der Grenze der HelveA 
ticr, Nemeter und Rauraker (also etwa in Biijern ) und läuft 
bis Dada, in 60 Tagen erreicl ' ' 

es nun beisst: et saltus Hercifi 
timitl atque dcponil, so ist gt 
in welchem man die Chatten 
man sie schwerlich suchen, wo 
ferni vom liercynischen Walde. 

DerGeschichtschrelberTachus erwähnt mehrmals die Chatli, 
und aus seinen Angaben lässE sich entnehmen, wu sie wuluiien. 



lan nicht das Ende. We^n 1 
r Chatlos suos proseguiti^m 
i der Landstri ' 
chen kann; aber da wini | 
wirklich wohnten, sehr 



— 104 — 

Bei Beschreibang eines Feldzuges der Römer gegen sie, im 
Jahre 16 ▼• Ch., sagt er (Anual. I. Ö6 — 72): ,^Gerinanicus ging 
über den Rhein, errichtete ein Castell auf dem Taunus, ging 
mit der Armee (4 römische Legionen, ö(K)0 Mann Hülfstruppen 
und Tielen Germanen von jenseit des Rheities) rasch vor; da 
bei ungewöhnlicher Dürre die Strassen sehr gangbar waren, so 
überfiei er die Chatten ganz unvermnthet, die theils niederge- 
macht, theils gefangen wurden; die wallenfahige Mannschaft 
aber schwamm über die uidrana (Edder), surJite die Römer, 
die eine Brücke schlugen, abzuwehren, wurde jedoch zum Wei- 
chen gebracht, worauf sie sich in die Waldungen zerstreuete, 
ihre Orte und Gaue nun Preis galten {omissis pagis et tncfs)* 
Germanicus Hess hierauf Maltium die Hauptstadt des Volkes 
(«d genti Caput) verbrennen, verheerte das flache Land (aper' 
ta) und wendete sich, ohne verfolgt zu werden zum Rheine 
zurück." Hiernach hat ohne Zweifel die Edder das Land <ier 
Chatten durchflössen; diese tritt bei Frank enberg in Chur -Hes- 
sen aus dem höhern Scliiefergebir«e in das" Flötzgebirge, ver- 
bindet sich unweit Fritzlar mit der Schwalm, die unweit da- 
von ^ etwas südlich von Cassel sich in die Fulda ergiesst. Un- 
weit Fulda überschreitet die grosse alte Strasse vom Rheine 
her die Edder* Wahrscheinlich zooeu die Römer auf dieser 
uralten Straise, die über den Taunus, Wetzlar. Giessen etc» 
läuft, gegen die Chatten, mochten etwa bei Fritzlar die Edder 
überschreiten. In dieser Gegend miiss auch die Hauptstadt 
der Chatten, Mattium, gesucht werden; man hat Marburg oder 
Giessen dafür gehalten ; al)er zwischen Fritzlar und Cassel lag 
bei Gundesberg ein alter Ort 3iaden^ iu dessen Namen sich 
vielleicht das alte Mattium erhalten haben kann. Ptolomäus 
erwähnt auch eine Stadt Mattiacum, westlich des Abnobagebir- 
ges, aber die Lage scheint fast mehr auf Wisbaden als auf 
Fritzlar zu passen, bleibt aber dunkt»!. Der Name der chatti- 
schen Hauptstadt Mattium steht gewiss in Beziehung mit dem 
Namen der heissen Quellen von Wisbaden — fontes matlia-' 
cae^ — wahrscheinlich zog sich das Land der Chatten bis zum 
Rheine, begrilF wohl das ganze Hessenland von Cassel bis 
Mainz, und die Mattlaci werden wohl zu dem Volke der Chat- 
ten gehört haben. 

Der Geschichtschreiber Taritns spricht noch einmal voB 
den Chatten, indem er (Annnl. 13, 57) erzählt: „In diesem 
Jahre (58 n, Ch.) lieferten die Chalti und Hermunduri ein- 
ander ein blutiges Treifen um einen Fluss, wo viel Salz ge*- . 
Wonnen wird (dum Jlumen gignendo sale foecvndnm)^ der 
zwischen ihrer Grenze liegt, den sich beide zueigneten. Sie 
glaubten nach der Religion ihrer Väter, dass solche (salzfüh- 
•reude) Orte sich dem Himmel am meisten näherten, uud die i 



I 



— 105 — 

Oliren der Götter sich nirgends so nahe zu den Geheten der 
Sterblichen neigten, daher käme durch die Güte der Götter 
in diesem Fhisse und in diesen Wäldern Salz hervor (i7/o in 
amne^ illisqtie Silvia salem provenire)^ nicht, wie hei an- 
dern Völkern dadurch, dass nach dem Austreten des Meeres 
das Wasser verdunsten müsse, sondern über brennendem Holze 
{^sed svper at'dentem arborvm strvem fusa) würde e» 
durch zwei streitende Elemente, Feuer und Wasser hart (zu 
Salz) 5 aber der Krieg war für die Hermundurer glücklich, für 
die Chatten desto verderblicher, weil man von beiden Seiten 
die Ueberwundenen dem Mars und Merkur geweihet hatte, da- 
her Pferde, Menschen und alles Erbeutete vertilgt werden 
mussten." Da die Chatten in Hessen und um die Edder w<»hn- 
ten, so war der Grenzfluss gegen die Hermundurer wahrschein- 
lich die Werre, die auch in späterer Zeit die Grenze zwischen 
Hessen und Thüringen bildete. An der Werre liegt die be- 
liannte Saline Allendorf^ die zu den ältesten in Teutschland 
gehört, schon in Urkunden vom Kaiser Otto JJ. v. J. 973 ge- 
nannt wird, daher gewiss aus der altgermanischen Zeit stammt; 
ja selbst der Käme Allen -dorf könnte vielleicht mit dem kel- 
tischen hal d. i. Salz zusammenhängen. 

Waren die Bataver wirklich ein chattisches T^lk, so deu- 
tet dies auf gleiche Sprache und Institutionen; sprachen die 
Bataver gallisch d. h. keltisch, so werden es auch die Chatten 
gesprochen haben. Gewiss aber ist: dass das ganse Hessenland 
sich bedeckt zeigt mit germanischen Gräbern und Alterthümern, 
die den keltischen ganz gleichen (s, Th. I. 149, 158, 161), 
denen nach aber die Chatten nicht zu den cimbrischen Ger- 
manen gehörten, zu denen sie auch Pliuius (histor. nat. IV. 29) 
rechnet. 

Im Laufe der Zeit wird auch das chattische Land von 
fremden gothischen Völkern besetzt sein, die vielleicht zu dem 
Stamme der Thuringi und Fali gehörten, sich allmählig mit 
den sesshaft gebliebenen keltischen Chatten mischten , wodurch 
beide Völker zu einem teutschen Volke umgebildet wurden; aber 
leider schweigt die Geschichte fast 8 Jahrhunderte hindurch. 
Den jetzigen Namen, Hessen, glaubte man von einem einge- 
wanderten gothischen Volke Hassi ableiten zu müssen, aber 
J. Grimm (Geschichte der deutschen Sprache S. 676) sucht 
auszufahren: wie der Name Hassi ganz wohl von Chatti her- 
zuleiten sei. 

Sind die Teutschen ein späteres Misch volk von keltischen 
und gothischen Elementen, dann kann der Name Chatti un- 
möglich teutschen Ursprunges sein (da er weit über die teut- 
Bche Zeit hinausgehet), wie J. Grimm (cit. loc.) annimmt, der 
ihn von dem altteutschen und englischen Worte hatj d. i. 






* 

K^ 



— 106 — 

Hut, herleitet, dabei jedoch ober»iehet, dass dies altteutscLe 
und englische Wort hat ein acht keltisches ist, hat im Wä- 
lischen heisst« Will man eine Conjectur machen , so Hesse sich 
der Name Chatti wohl am besten in Verbindung bringen mit . 
gadh im Gälischen^ d. i. Wurfspiess, Pfeil; aber alle, solche 
Etjmologieen dürften sehr geringen Wertli haben« 

b. Das Volk (der Chatten) hat^ dauerhaftere Körper (</ei- 
riora corpora')^ gedrungene Glieder (stricii arius), ei- 
nen drohenden Blick {minax vuHu^, auch für ein ger- 
manisches viel Vernunft und Klugheit; Auserwählte 
(elecios) stehen ihnen vor, auf die Vorgesetzten hören 
sie, kennen Stände (ordinea), verstehen die Gelegen- 
heit (inielligere occasiones), verschieben den Angriff- 
(differre impeius) y vertheilen den Tag (^disponere diem), 
schanzen des Nachts, halten das Gliick fiir ein zwei- 
felhaftes, die Tapferkeit fiir ein gewisses Gut (mriU" 
fem inier certa numerare')^ und, was das Seltenste 
nur der römischen (oder der ausgebildeten) Disciplin 
zuzuschreiben, vertrauen sie mehr dem Feldherrn als 
der Armee (j)lus reponere in duce quam in exerciiu). 

Anmerkung,. Dieser Passus redet über die Eigeuthnm- 
lichkeiten der Chatten, i^irft die yerschiedensten Verhältnisse 
bunt durcheinander, und durch viele schwülstige Worte erfahrt 
man eigentlich gar nichts Verständiges, nichts dem Volke Ei- 
gen thümlich es ; was forgehracht wird sind allgemeine, triTiale 
Sachen. Es scheint fast, als hatte der Verfasser seine Un- 
keuntniss unter einem Schwall leerer Worte verhergen wollen j 
-was er sagt, wird wohl ziemlich auf alle germanische Völker 
passen. Hat der Geschichtschreiber Tacitus wohl eine ähnliche 
nichts sagende Stelle in seinen Werken? sollte man diesem 
klaren , verständigen , präcisen Schriftsteller zutrauen , so hom- 
bastisch %a schreiben? 

In dem Schlusssatze liest der Codex Pontanus Lugdunensis: 
quod rarissimum nee nisi romanae disciplinae concessum^ 
Ueber romanae steht ratione geschrieben, welches mehrere 
Codices aufgenommen haben. Immer bleibt es ein sehr vager 
Satz, dass man mehr dem Feldherrn als der Armee trauet. 

• 

c. Ihre ganze Stärke beruhet im Fussvolke, welches M^ 

ausser den Waffen noch mit Eisenger äth (^ferramen^ 
iis^ und Lebensmitteln belasten. Andere scheinen zur 
Schlacht auszuziehen (^ad proelium ire^, die ChaiteB 



-» 



— 107 — 

zum Kriege. Selten sind Strcifereicn und Kulallige 
Schlachten (excursiis ac forluita piigna). Der sehr 
kralligen Hcilcrci (^er/itestriutn saue virimn') ist os ei- I 
gen, schnell den Sieg hervorzubringen, schnell zu w 
chen^ die Schnelligkeit stehet neben der Furcht (t'ff- * 
Jacitaa juxta formitudinetn) , das Zaudern neben der 
Beharrlichkeit (cunciaiio proprior constaniiae e*f). 
Anmerkung. Dieser Passus nber die interessiintcu i 
litärischeii Verhalinisse ist vtieder fast oliiie ejgeiitlicticu 1 
ball , giebt niclils IlestiiniBtes. Weaii es im Anfange heisst: 1 
die g!inze Stärke besieher im Fnssvalke {omne rubur in pe^ t 
dile), so wird im Widerspruch damit doch Tonüglich sna defc J 
Ireffticbeih Mild kräfligeii Cnvallerie gesprochen. Wenn 
liei^l: die Chatten trugen auch Lebensmitlei bei sich, so 
dies wollt die' trivialste iiemerkiing, da sie ao ziemlich auf alle 
Soldaten passt, seihst nur unsere, denen der Brodbentel nirhr 
fehlt. Was soll es heisscn : dass die Chatten zum Kriege, die 
andern germanischen Volker nnr zur Scliladit ausziehen, data . 
Lei ihnen ex'cursua et fortuita pugna selten sind ? Der rai^ | 
Bonnirende Schlnss scheint ohne rechten Sinn. 



§.31. 

a. Was bei den andern germanischen Völkern staltfindet, ] 
als seltene und speciclle Kühnheit (^rara et privutA I 
CHJxsipie attdenliti'), ist bei den Chatten all<;enicii), I 
nämlich: dass sie beim ersten Ueraurcifcn Uauptr 
und Barthaare wachsen lassen QsnlimiHere') , und nicht ] 
eher, als nach eines Feindes Erlcnung, die gelohte, I 
der Tapferkeit geweihete Tracht ablegen. L'ebcr Blut 1 
und Beute enthüllen sie die Stirn und glauben nur I 
dann erst den Preis der Geburt {preÜo tiascvnJi} da 
von getragen zu haben, dann erst würdig dem Vater- 
lande und der Eltern zu sein. Feigen und Unkrieger 
Fischen bleibt ihre Hauhigkeit. 

Anmerkung. Die loizto Hiilfte des P.issus enihiilt i 
blosses Raisonnement , die ersie eine beslimmle Tliatsache 
■war also bei den Chnllen allgemeine iSitte, sich ]3.trl uuft 1 
Haupthaar wachsen zu l.issen, bis man einen Fciud erlegt 
halle; bei den andern germanischen Völkern geschah dies nur 
ausnahmsweise als eine privata audcnlia. Ob diese angege- 
bene Thatsache eine richtige oder falache sein wird, sind wir 



— 108 — 

ZU betirtheilen ausser Stande, da die Littcratur hierüber iiiclits 
sagt. 

Der Geschiclitscli reiber Tacitus (histor. IV. 61 ) erzählt: 
,, Civilis (der mehr erwähnte aufständische General der Bataver) 
hatte, nach Ergreifung der Waffen gegen die Römer, ein bei 
diesen Barbaren gewöhnliches Gelübde gethan, sein goldgelbes 
Haar sich wachsen zu lassen, welches er nun, nach der gänz- 
lichen Niederlage der Legionen, abschnitt." Hiernach war es 
bei den Batavern die Mode, sich den Bart zu rasiren uod 
das Haar zu schneiden^ nur in aussergewöhiilichen Fällen ge- 
lobte man sich das Haar wachsen zu lasten. Da unser Ver- 
fasser im §. 29 die Bataver ausdrücklich ein chattisches Volk 
nennt, so ist es auffallend, dass sie in Hinsicht der Haartracht 
eine Mode gehabt haben sollen, die der chattischen ganz ent- 
gegengesetzt war. 

Unser Verfasser spricht nur von der Ausnahme, er er- 
zählt, wie die jungen Leute gingen, die noch keinen Feind 
erschlagen hatten, das heisst wohl, noch keinen Feldzug mit- 
gemacht hatten; aber er umgeht die Hauptsache, er sagt nicht, 
wie die Männer gingen, die schon zu Felde waren. Man fragt 
natürlich, ob diese sich den Bart ganz oder theilweise rasirteo, 
ihr Haar gaiü oder theilweise verschnitten'? 

Kurz abgeschnittenes Haar, wie wir es jetzt meist tra- 
gen, war — so viel wir wissen — ein Abzeichen der Un- 
freien; die freien Gallier, auch wohl die Germanen trugeD 
langes, wallendes Haar, wenigstens am Hinterkopfe, wrelche« 
auch wohl in eine Art von Zopf gebunden wurde; daher nannten 
die Römer das GalUa belgica auch cofnatUy und hier wohnten 
ja meistens Germanen. Die Haare über der Stirn wurden 
wohl abgeschnitten oder zurückgeHämmt. Die Frauen werden 
das Haar, nach jetziger Mode, hinten in einen Kauz aufge- 
bunden getragen haben, denn in den germanischen Gräbern 
findet man fast stets bei den weiblichen Leichen am Hinter- 
kopfe grosse , schöne , oft geschmackvolle und künstliche Haar- 
-^hadeln. 

Die Ifanner in Germanien waren vermuthlich im Allge- 
meinen rasirt, wie in Gallien, hier aber trug man meist einen 
Schnauz- oder Knebelbart, und so kann es auch in Grerma- 
nien geweson sein. Die Priesterschaft hatte wahrscheinlicb den 
ToUen Bart. 

c. Jeder Tapfere {foriissimus qiiisque) trägt überdies ei»' 
nen eisernen Ring, was diesem Volke schimpflich ist 
(ignominiosum id genti^y gleichsam als Fessel QvincU' 
lum)^ bis er durch Feindes Tod sich löst. Den mei- m 



H« 



gel 



i 



— 109 — 

slen Ctmtten gelallt diese Traclit, sie ergrauen ala 
solche Auägezcichucte {canent insignes), werden den \ 
Fcindea und deu Ihrigeu gezei«:t (monstruil); um diese | 
ist immer der Anfang der Sclilaclit, hier ist stets das ' 
ersle TrelTcn , ein neuer Anblick {haec prima sempet | 
acies, rhu novo). Nicht im Frieden einmal erschemeQ 
sie im sanfteren Schmucke. 

All m er kling. Der Verfasser sngt; Bei den Cbntien igt | 
scliimiiflioL (ignominiosum id genti) einen eisernen R 
I fragen , über die Tapfersten tragen ihn »o lange, bis 
nen Feind getodtet, aber den meisten (plurimit ChattorvM^ J 
fällt diese Tracht, sie führen sie bis ins Alter {canent i»* ] 
tgnes) nnd dies sind die Tapfersten, die dies Zeichen a 
im Frieden füliren. Hier widerspricht eine Zeile der ande 
denn wenn es ein Schimpf war einen eisernen Hing iii tra- 
Bo begreift man nicht, warum ilui die meisicu und la- 
llen, l)is an ihren Tod, in Krieg nnd Frieden gelragen 
n sollen. Solch einen plumpen Widerspruch kann man 
Geschii htschreiher Tadtiis kaum zutrauen. 
Die hitteralur weiss nichts davon, dass die Germanen 
solche eiacrnc Ringe trugen, sei es als Schimpf ^^Joder als Zel- 
cheirder Tiipferkeit, und der Verfasser sagt nicht einmal, ob ' 
•sie am Kiiigev, am Arm, oder wo sonst getragen wnrdeu. In , 
den Gräl.ern dfs CLatlenlandes — so häufig diese sind — 
hat man, so viel ich weiss, Jieiue solche Ringe gefunden, I 

Alle keltische Völker, auch die Gerinauen, trugen sehr 
viele Ringe, fast alle ihre Grüber enthalten dergleichen; sie 
sind höchst verstliieden artig , Finger -, Arm - , Fuss - , H( " 
ringe, dieuteu tbeils zum Schmuck, tlieils waren sie dazu 
nicht passend, mögen mehr Insignieu gewesen sein; oft linil 
sie höchst künstlich und geschmackvoll gearbeitet, bestehen I 
grösstentheils aus Bronze, sind auch von Gold, selten ron i 
her; wie ich ausführlich Th. i. S. 330 erörtert Initie. Hatte 
der Veifnsser von den Germanen und ihren Sitten näh. 
Kenntnisse gehabt, so würde er wohl etwas Spedelleres 6ber 
die Ringe derselben gesagt haben, die bei ihnen so sehr hänfig 
gewesen sein müssen. Was er von den eisernen Ringen der 
Chatten erwähnt, tragt fast das Ansehn einer scherzhafte 



Ohne Häuser, ohne Aeckcr, ohne einige Sorge (^niiUi 
domus mit ager ant aHqua cur«) werdeu sie (die Chat- 
ten} ernährt (jihtntwr') wie sie zu Jemanden kommen- 
fremden Gutes Verschwender, des ilirigen Verächter, 



- 110 — 

bis sie das kraflloso Alter zu so rauher Tapferkeit m 

fallig maclit. 

Anmerkung. Diesen Passus knnn man iininc^lich 
I nnen TerstÜuili^en halten. Narli allen Naclirichteu warea 
I Öatten ein selir cirilUirtes Volk, wofSr auch ihre Gral 
Isprechen; sie Iiatten SrÜdie , Dörfer, Fabriken, 



■rgehet sicli im vorigen § iu 

Klugheit, redet 

IrellHclien Ann« 



lirem Lohe, rnhitit il 
liren Vorgesetiten, ihi 
in SdiliisB »ber stellt 
und Aecker, ohne Soi 

üabe, die sich einanc 
sich seil 



Standen 

«ie aU Proletarier dar, ohne H 

für den Unterhalt, ohne Achtui 

aufzufressen trarhien. Der Verfasser widersprichr 

und allen Nachrichten der Lilteratiir. 

Unser Verfasser handelt in melir als zwei langen §§ n 
die Cbatten, spricht aiisl'ührlicher über sie, als über jedea 
dei-e Volk, glekhwihl erfahren wir über ihre Wohnsitze, i 
fnstitutionen, ihre Sitten eigentlich gir nichts Positives von 
nigein Werth, dagegen Tiele vage, allgemeine Bedeasart 
solche finden sich nicht beim Geschieht seh reiber Tacitus^ < 
stets klare Thatsachen hinstellt. 



a. Zunächst den Chatten bcAvulmen den Rhein , der ni 

schon sicher durch sein Betto zur Grenzscheidung hii 

reicht, die l'sipü und TeniUri. Die Leiztcren exci 

liren ausser dem gewohnten Kriegsruhm noch in d 

Kunst der Kelter -Disciplin [equestria disciplinae m 

praecellunt'). \icht grösser ist bei den Chatten d< 

, Huhm des Fuasvolkes , als bei den Tencteren der di 

I. Cavailoric. So setzten es die Vorfahren ein 

- nieu CS die Xachkommcn nach; das die Spiele der Kit 

.der, das der Wettstreit der Jünglinge, die Greise bl 

Flen daran fest. Als zu der Famiho, zu den PenaU 

zu der Erbfolge gehörig, werden Pferdo übergeben 

, es erhält sie ein Sohn, uicht wie sonst wohl der 

^teste, sondern der wildeste im Kriege und der bcflti 

Anmerkung. In diesem ganz leeren § bestehet 
zweite Ualfte aus schalen Worten, die nur deu Satz 
lien: dass die Tencteren gute Cavalleristen wären. Da il 
Verfasser gar nicht näher angegeben hat, wo die Chat! 
wohnten, so sind die Worte proximi ChaitU auch ol 
Werth. Der Verfasser hat bisher die Volte r erwähnt, die Tol 



— ni - 

Schweiz bii Hollnud längs dein Rlieine wolinlen; wenn 
er nun von den Chalten sagr, sie wohnten certi.m jam al- 
veo Rhenum quidem terminus eme svfficiat, »o scheint 
dies ohne veraiüiidigen Sinn, Alle die vielen Worte Hngen 
eigentlich nichts, nis: xu den germanischen Vülkern am Rheine 
gehörten die Usipii und Tencleri, welche letztere die vorzüg- 
lichsten Reiter waren. Dieser letzte Salz uiiiss dahingeslellt 
bleiben, da die Ljtieratnr davon nichts weiss. XJsipii mag dai 
Volk wühl nicht geheissen haben, sondern Ifiipeles, wie sie 
meistens genannt werden, auch vom Geschichischieiher Taci- 
lus (Anna)'. 1. 51), diese aber wohnten wahrscheinlich nicht 
am KJieiiie, sondern mehr in Weatphalen, etwa zwischen Ys- 
sel und Lippe. Die Tencteri oder Teuchteri mo^en nnch in 
dieser Gegend nnd in der Nähe des Rheines gewohnt haben. 

Ausführlich erzählt Cäsar eine Episode aus der Geschichte 
dieser Völker (hell. gall. IV. 1 — 19): sie hätten lanj;e der 
Macht der Sueven widerstanden-, denen sie zinsbar gewesen, 
dann ihr Land verlassen (eine Armee ausgesendet), zogen 
3 Jahre in Germanien herum nnd kamen zu den Menapiern, 
die an beiden Seiten des Rheines wohnten (nach Straho an der 
n Bntavienl, setzten über den 
1 sich des Landes, pingen tifti die Ein> 
denen sie zn Hülle gerufen »ein wer- 
kamen zu den Eburoni nnd CondrusI 
Trier wohnten). Die Cavallerie war 
IS Land der Ambivareti (etwa bei Na- 
inur) gezogen. Cäsar rückte nun (um 55 a. Ch.) vor, aber 
in einem Vorpastengefechte schlugen 800 germanische Reiter 
(deren Hauptmasse an die Blaas gezogen war) 5000 Mann rö- 
mische C.ivatterie *). Cäsar ladete hierauf die germanischen 
Häuptlinge ein, in sein Lager zu kommen, um mit ihnen zu 
unterhandeln; hier aber Hess er sie alle festnehmen (eine ge- 
vvisi sehr unedle Handlung), überfiel das germanische, sorg& 
lose Lager und die Armee ohne Anführer (angeblich zusam- 
men 180,000 Kopfe stark), die er leicht besiegle. Die Ge^ 
maneu zogen sich aut' das rechte Ufer des Rheines zuru 
dag Lnnd der Sigambri; diese beschloss Cäsar anziigi 
schlug eine Brücke über den Rhein und ging mit seiner Ar- 
mee herüber. Hier rüstete sich Alles zur Schlacht, aber Cäsar - 
nahm diese nicht an, zog sich (feig) nach 18 Tagen surücfc 
und liess die Urücke wieder abbrechen. 



indnng des Flua 
Flnss und heuiuchtigteu 
ladung der Gallier (vo 
denj tiefer ins Land, 
(die in der Gegend von 
über die Maas bis in d.- 



I f) Dieses iirillante Cavallerlegcfecht kann vielleicht unserzn Ver- 
fasser Veranlassung gegehen hahen, die Tenuteren als die vor- 
trefflichsten Cavalleristen darzustelleu. 



— 112 — 

Wenn hier Cäsar sagt: jene beiden Völker hätten ihr 
Land verlassen, wären ausgewaiuiert, so ist das nicht wörtlich 
zu nehmen, denn der Geschichte nach blieben sie ruhig in 
ihrem Laude wohnen. AU die Gallier später wieder unruhig 
wurden, gingen die Germanen über den Rhein, wurden aber 
Ton Drusus zurückgewiesen, der um 11 v. Ch,, bei der Insel 
der Bataver (also etwa bei Cleve) über den Rhein in das Land 
der Usipeter^ dann zu den Sigambrern ging. Alles verheerte, 
sicli dann zurückzog (Dio Cassius 55. 32). Im Jahre 10 v. 
Ch. zog Drusus wieder über den Rhein, bezwang die Usipe- 
ter und Tencterer, ging über die Luppia (Lippe) gegen die 
Sigambrer (die vielleicht durch die Lippe von den Usipetero 
getrennt waren), dann gegen die Cherusker, bis zur Visur- 
gis (Weser), da er keinen Widerstand fand, weil man einen 
solchen Zug nicht erwartete, auch die Sigambrer mit den 
Chatten im Kriege waren, worauf Drusus sich zurückzog und 
nur durch einen glücklichen Zufall wieder Germanien verlas- 
sen konnte (Florus IV. 12). 

Auch noch gegen Ende des ersten Jahrh. werden diese 
Völker in ihren alten Wohnsitzen gewesen sein, da sie bei 
dem Aufstande der Bataver unter Civilis gegen die Römer (um 
71 n. Ch.) mit thätig sind; der Geschichtschreiber Tacitus er- 
.wähnt hier die Usipetes (histor,- IIL 37) und die Tencteri 
(loc. cit. IV. 77). Etwa ein Jahrh. später mögen die gothi- 
schen Franken diese Gegend allmählig besetzt haben, und dit 
alten Namen verschwinden. 

Als nächste Nachbarn der Usipeter und Tencterer wer- 
den vielfach, auch vom Geschichtschreiber Tacitus, die Siga^^ 
bri genannt, die unser Verfasser sonderbarerweise nicht er- 
wähnt, obwohl die Römer diese vorzugsweise bei ihren Feld- 
zügen in Germanien im Auge hatten. Sie werden rechts der 
Lippe gewobnt haben, etwa in dem flachen Münsterlandej 
grenzten wohl nicht an dem Rhein, und wie weit sie sich 
nördlich, gegen die Nordsee, verbreiten, wissen wir nicht. Sie 
werden zuerst von Cäsar genannt, als Beschützer der Usipe- 
ter und Tencterer; sie gehen (im Jahre 53 v. Ch.) mit 2000 
Reitern über den Rhein in das Gebiet der Eburonen; sie 
schlugen die römischen Truppen, die sich ihnen gegenüber 
stellten, griHen das sehr grosse Lager der Römer an, das sie 
erstürmt haben worden, wenn nicht Ersatz gekommen wäre,| zogen 
dann ruhig mit grosser Beute ab. Später waren die FeldzügO 
des Drusus vorzugsweise gegen die Sigambri gerychtet, wie?. 
Jahre 10 und 11 v. Ch. Als einige Zeit später (etwa 7 
Ch.) Tiberius nach Germanien kam, wurde ein Theil des Vol 
kes durch Ueberredung und Gewalt in das frohere Land d 
Menapier (an den Mündungen des Rheines geführt (Suet. 




— 113 — 

Aug. 2. 1). Strabo erM^ähnt sie mehrere Male^ bemerkt, 
wie sie im LaDde der Menapier angesiedelt worden, zählt sie 
aber auch unter den Völkern auf, die am Meere wohnten; 
sagt später: von der Germanen wohnen, wie ich sagte, die 
nördlichsten am Meere, die bekanntesten dort sind die Su- 
gambren und Cijnbren. Der Geschichtschreiber Tacitus er- 
wähnt sie nur ganz beiläufig (Annal. 12. 39); Ptolemäus setzt 
sie an den untern Rhein zwischen die Busocteri (ßructerer) 
und Snevt Longobardi. 

Der Name Sigambri muss noch in der spätem Zeit be- 
rühmt gewesen sein, denn die gothischen Franken nannten 
sich auch Sicambri, weil sie das Land der Sicambrer erobert 
hatten, ihren Staat politisch fortsetzten, wie sie sich auch Cha- 
mavi und Ampsivarii nannten. 

Die Autoren schreiben: Sigambri, Sicambri, 2ovydfißQoi^ 
SovxdfißQOi ; das Wort wird immer ein zusammengesetztes sein, 
aus Si und Cambrt, Catnbri und Ctmbri sind Namen für 
dasselbe Volk, das in Germanien Ctmbri^ in .Britannien Caftt^ 
hri hiess. Im Wälischen sind sy und cy sehr häufige Prä- 
fixe; <7j/ hat die Bedeutung des englischen com und con; sj^ 
bedeutet „das ist", auch das Verbum „sein". «SV - Cont&r t könnte 
man im Lateinischen wohl übersetzen mit Concamhriy bedeu- 
tet wohl ein Volk, das auch zu den Catnbri oder Cimbri ge- 
kprte. 

Germanien wurde in seinem höheren Theile (in Ober- 
teutschland) von den ?uevischen Völkern, in dem flachen 
Tlieile (Niederteutschland) von den cimbrischen Völkern (wä- 
lischen Kelten) bewohnt, deren Heimath eigentlich die Kü- 
stengegenden waren, von wo sie sich mehr oder weniger nach 
dem Inneren ausbreiteten; in Westphalen mögen sie sich bis 
zur Lippe ausgedehnt haben, wo sie mit den suevischen Völ- 
kern in Contact kamen, die ihnen feindlich gegenüber stan- 
den. Diese, von den Küstengegenden entfernt wohnenden 
Cimbern mögen Sicambri genannt sein, dies scheint mir we- 
nigstens wahrscheinlich. 

Plinius erwähnt nicht die Sicambri, aber indem er die 
Völker Germaniens in 5 Gruppen bringt (Histor. nat. IV. 28), 
nennt er als die dritte die Istaevoues (zwischen Weser und 
Biiein wohnend) und sagt: quorvm pars Cimbri mediterran' 
^j, als welche wohl diejenigen Cimbri bezeichnet werden, 
e^ entfernt von der Küste und ihren eigentlichen Stammgenos- 
, mehr im Innern des Landes wohnten, wie es bei den 
'qfimbri der Fall war, die wohl von jenen nicht verschieden 
sein mochten; nach keltischer Sprach weise hiessen diese viel- 
leicht Sicambri, nach römjßcher Cimbri mediterranei, 

Kcfcrstein , kelt. Alterih. III. Bd. I. Abifa. B 




— 114 — 

Unser Verfasser nennt in §. 8 als ein nicht gemianisclies 
Volk die Gambrivi, die der Litteratnr gänzHcli unbekannt sind: 
ob man sie «auf die Gamabriiiini beziehen kann , die Strabo zu 
den iinbedentenden Völkern Germaniens rechnet, iniiss dahin 
gestellt bleiben; ein Zusammenhang mit Sigambri könnte viel- 
leicht möglich sein. 

S. 33. 

Neben den Tencteren traf man einst die Brucleri y jetzt 
sollen hier iie Chamavi und Angrivarii eingewan- 
dert sein, nachdem die Bructeri vertrieben und mit 
Zustimmung der Nachbarvölker ganz vertilgt wurden, 
sei es aus Ilass des Stolzes {superbiae odio)^ oder aus 
Lockungen der Beute, oder aus Gunst der Gotter 
gegen uns; denn diese neideten uns nicht einmal 
das Schauspiel der Schlacht {ne speciaculo quU 
dem proelii invidere); über 60,000 fielen, nicht 
durch römische Waffen und Geschosse, sondern, was 
herrlicher ist, zur Lust und Augenweide {quod mag^ 
nificeniUis esiy ohlectuiioni ocuUsque cecidertmf). 
möchte — so flehe ich — unter den Völkern, wenn nicht 
Liebe zu uns, doch Hass unter ihnen bleiben und dauern! 
Nichts kann, bei dem drängenden Schicksal des Reiches^ 
das Glück Grösseres leisten, als Zwietracht der Feinde. 

Anmerkung, Der Verfasser erzählt hier: wie die TAii- 
mavt und uingi ivarii in das Land der Bructeri eingefalleD, 
60,000 Menschen niedergemacht, Herren des Landes gewordeii, 
und macht nun viele Redensarten darüber, wie vortrefflirh es 
"Wäre, wenn sich die Feinde Roms unter einander aufrieben) 
er sagt aber nicht — wie wohl ein verständiger Schriftsteller 
gethan hätte: wo diese Völker wohnten, zu weicher Zeit dieses 
Schauspiel {syectacvlvm) statt gehabt und welche Motive dazu 
gewii*kt haben mögen. Von dieser angeblichen Vernichtung der 
Bructeri weiss die übrige Litteratur gar nichts, sie wird auch 
wohl eine blosse Chimäre des Verfassers sein, der wahrschein* 
lieh ein ganz anderes Factum confiis auf die Bructerer anwen- 
dete, wie ich gleich darzulegen suchen werde. 

Nach Ptolemäus wohnten die Brvcteri (BovtraxTeoot 
sannt) in NiederteutscJilniitJ, und zwar die grossen Brud 
von der Ems nach dem Rheine zu, die kleinen aber» zwischra 
Ems und Weser, also eiwa in Ost frieslaud, Oldenburg, West- 
phalen. Strabo (7. L} erwähut: Djrusus habe ihre Schiffe 




- ns - 

auf Jer Ems (^j4maiiiu») besieg!, irticl Imli] darniif: ilie Ltipia 
(die Lijipe in Westphaten), dirrdiftiesse ilns Land der kleinen 
Bructeri (flpoaKtepo/, Bovxtsqoi). 

Die Kriege der Rötner gegen die GerinnDCn wurden meist 
in dieser Gegend, zwisclieii der Lippe, Ems und Weaer j 
fülirt, daher werden ancli die« ßrncieri Ton den Autoren i 
gennnnl, aber sie scljeinen kein politisch wirlitiges Volk gewe^ 
sen zu sein, es vird nidils Wiclitiges von ihren berichtiget, 

Nnch dem »Geschieht seh reib er Tacitus (Bistor. IV. 61}'1 
stHinmie die Priesterin Velleda ans dem Volke der Bructerer^T 
wo sich ihre Herrschaft weit erstreckte (late imperiiabat)^, t 
lind zu ihr schicklen die ßümer Gesandte (etwa um 70 n. Ch.^ 1 
niid hier wird Ton einer Verlilguijg der Briicterer nichts ge«! 
sagt; auch noch in viel spiilerer Zeit werden sie Ton den i^ f 
mischen Anioren ernrüljnt (s. die angeführten Stellen in Uk-f 
kert's Germania 1643 S. 383). Noch zit Ende des 7. Jahrh^. 
bt^richiet lieda (V. 13), d;iss sie tou den Sachsen besiegt '< 
ren; durch df 
Boralhia, i\ 
dessen Name a 

Sucht inn 

tischen, was .* 
terer hatten 
Tlüsse gewoll n 
Gegend reich 
njeu haben 









<ehr 



Mittelalter wird ein pagva Boroctrap. 

Lippe lind Ruhr ^elegeii, oft angefährtjl 

ge mit den Briicierern stehen wird.; 1 

ich einer Etymulogie des Namens Sructerj' 

a Zu b;i mm eil hang bringen mit brwg im WäJ 1 

Wald bezeichnet, und nnuelimen : die BrucJ I 

atdigen Gegenden um die geuannieq) 1 

[) den sandigen Heiden, an denen jentf I 

alle solche Etymologien von Volksna" \ 

Wenh. 



schichtschreihcr Taeitns redet (Annal. 13. 55) vorf "l 
gewissen Lüiiderereieii dicht am Rheiuo, aber auf germanischen^^ 
Boden, welche die Römer nuter ihre Hoheit genommen hatteU'^ 
rad zum Nutzen ihrer Soldaten, wenigstens zeitweise, behaiietenjf 
j Felder wollten die JPrisii einnehmeu, (59 n, Ch.), 
jbcr die Römer nicht! zugaben; nun — heisst es — ka 
Annfbarii , ein starkes Volk nicht sowohl wegen se 
iige (^gens valid'ior, non modo sua copia), sondern melifl 
Beil durch das Mitleid, das die benachbarten Völker für 
Bgten , weil sie von den Chancen vertrieben waren, und ba 

~ ■" tun Wohnsitze in diesem Landstriche, den frühj 

Jkamitver, dann Tidianten und Usipier bewolipt häiiei 
jfctilugen die Römer ab; nun wollten die jinifharü das Lanj 
Tew^dt nehmen, riefen die Bructerer, Tencierer und aiidef#l 
t Hülfe; da aber die Bümer diesen mit Krieg drob^J 
P zngen sie ihre Hand von den Ansibariern znrücli, diesi^V 
Igen dtwanf zv den Usipiern nod Tubanteo; auch hier verd j 
trieben, zu'den Chatten, endlich zu den Ciieruskern. So, altfl 
Fremdlinge, Bettler, Feinde, auf fremdem Boden lange Iternm 



— II« - 

irrend, wnrd endlich das junge Volk niedergemacht, das alte 
als Beute vertheilt. 

Diese uinsibariiy die in der Litteratur gar niclit weiter 
erwähnt werden^ mögen ein nichtsnutziges Gesindel gewesen sein, 
da sie Niemand aufnehmen will, hn Wälischen heisst ansy^ 
berw nichtsnutzig, roh, womit vielleicht der Name ^nsiba' 
rii in Verbindung stehen könnte, die wohl auf keinen Fall ein 
eigentliches Volk waren. 

Diese Vertilgung der Ansibarn ^ wie sie der Geschicht- 
schreiber Tacitiis erzählt, hat offenbar vollkommne Achnlichkcit 
mit der Vertilgung der Bructerer, wie sie unser Verfasser er- 
zählt, die aber offenbar irrig ist; wahrscheinlich hat unser Ver- 
fasser jene Geschichte beim Excerpiren oder Lesen ganz yer- 
coufusst, setzt statt der Ansibarier die Bructerer 

Die Chamavi^ von denen unser Verfasser nicht sagt: 
woher sie gekommen, sondern nur: dass sie in das Land der 
Bructerer eingewandert wären, kommen in der klassischen Lit- 
teratur nicht weiter vor, als in der eben erwähnten Stelle de« 
Geschichtschreibers Tacitus (Histor. 13. 50), wo der Anführer 
der Ansibarier den Römern sagt: den streitigen Landstrich hät- 
ten früher schon Chamavi und Tubanti besessen ; diese Stelle 
scheint unser Verfasser auf die angegebene x\rt verdrehet zb 
haben. Erst in der spätem Zeit werden die Chamavi wieder 
genannt, meist in Verbindung mit den Franken, so Ton Auso- 
nius (lebte um 379 n. Ch.) ; Kaiser Julian grilF (358 n. Cb.) 
die Charnavi am Rheine an, da, wo er sich spaltet, und trieb 
sie über denselben zurück; auf der Peutingerschen Tafel (et- 
wa aus dem .\nfange des 3. Jahrh.) stehet Balavia gegenüber: 
Chamavi qni et Franci^ und weiter den Fluss herauf, bis 
Cöln gegenüber: Francia. Zu dieser Zeit wird dieser Theil 
Germaniens von den gothischeu Völkern besetzt gewesen sei% 
die sich zum Theil nach den unterjochten Völkern nannten, 
deren Staaten sie fortsetzten, im Allgemeinen Franci genannt 
wurden. 

Die uingrivariiy von denen unser Verfasser sagt, da« 
sie ebenfalls in das Gebiet der Bructerer eingewandert wären, 
erwähnt der Geschichtschreiber Tacitus mehrmals (Annal. II. 8 
und 19) in dem Feldzuge des Germanicus gegen die Germanen 
Tom Jahre 16 n. Gh., wonach sie westlich und östlich der We- 
ser gewohnt haben werden, Nachbarn der Cherusker waren, 
und sich nun den Römern unterwarfen (cit, loc. 22). Niwk?. 
Ptolemäus wohnten die ^^yyQiovaQioi zwischen Elbe und WeMttiü 

Im Mittelalter werden oft die Angrivarii Engern gW* 
nannt, die zwischen den (gothischen) Ost- und fVmeifali^«^ 
der Weser wohnten; es gab ein Herzogthum Engeilk; es gieU 
noch eine Stadt Engern, unweit Merford zwischen Minden 






—117-^ 

dnd dem Teutoburger Walde. Ob diese teutscheü Engern mit 
den germanischen Angrivarii in Verbindung stehen, muns da- 
hin gestellt bleiben, ist aber nicht unwahrscheinlich. 

§. 34. 

a. Die Dulgibini und Chasuarii wohnen im Rücken 
der Angrivarii und Chamaviy umschliessen auch an- 
derc; nicht tTciter erwähnte Völker; vor der Stirn ha- 
ben sie Friesen (« fronte Frisii excipiuni). 

Anmerkung« Jene beiden Völkerschaften sollen woh- 
nen zwischen den Friesen und den Agrivariern und Chamaven, 
die in das Land der Bructerer gewandert waren; ganz unver- 
standlich ist aber der Satz: cludunt aliaequc genes Jiaud 
perinde niemoratae) denn von ganz unbekannten Völkern 
kann man auch nicht wissen wo sie wohnen. Die Dulgibini 
und Chasuarii ^ die hiernach in Niederteutschland wohnten, 
in der Gegend, welche die Römer oft durchzogen, werden in 
4er ganzen Litteratur gar nicht genannt; nur Ptolemäus hat 
zwei ähnliche Namen für kleine, u^iibekannte Völkerschaften, 
die aber nichts weniger als Nachbarn waren: die Dulgumnii^ 
die etwa zwischen der Weser und Leuphatta (etwa Lüneburg 
oder vielmehr die Saline Suite) und die Casuarii die über 
^äen Quellen der Ems wohnten, also tief in Westphalen, etwa 
bei Hamm. 

J>. Der Name Frisii majores und minores ist nach 
dem Maase der Macht; beide Nationen werden bis au 
den Ocean durch den Rhein vorn bedeckt, auch um~ 

^' geben sie ungeheure Seen {lacus)^ die sogar mit rö- 
mischen Flotten beschifft werden. 

A n m e r k]u n g. Kein Autor erwähnt — so viel ich weiss — - 
die Eintheilung der Friesen in majores et minores y die hier 
als zwei nationes aufgestellt werden, aber die benachbarteli 
Chauci theilen sich in majores et minores i bei diesen be« 
merkt unser Verfasser diese Eintheilung nicht, aber bei den 
Friesen, wo sie nicht existirt haben wird. Lacns ist Sumpi^ 
LfBudsee , aber offenbar redet der Verfasser von den , Meereir 
•bucbten, die von Flotten beschifft wurden. Der Rhein bildete 

*eh wohl nicht die Grenze der Friesen ; Plinius (IV. 14) spricht 
er die Wohnsitze der germanischen Friesen , die hiernach 
taeist in Holland lagen, und war selbst in dieser Gegend, er- 
wähnt auefa (lY. 17) FrisAonea in Gallien. Ptolemäus nennt 
das Volk Pkn§sii und sitzt es zwischen Rhein und Ems. 



— 118 — 

Die Frisiij von denen unser Verfasser gar nichts sagf, 
werden von dem GeschicLtsrlireibor Tacitiis mehrfach erwähnt 
(Annal. IV. 72, XI. 19; Histor. IV. 16), sie waren den Römern 
sehr wohl bekannt, auch lange befreundet und entrichtetea 
einen kleinen Tribut au Ochsenhäuten; aber 28 n. Ch« schüt- 
telten sie diesen ab, behielten seit dieser Zeit die vollste Frei- 
heit; bei der Empörung des Civilis in Gallien (um etwa 70 n, 
Ch.) agirteu sie mit zuerst gegen die Römer (Tacit. bist. IV. 
16), was aber für sie ohne Folgen gewesen zu sein scheint. 

Nun verstummt die Geschichte; aber ohne Zweifel wer- 
den seit dem 2t en oder 3ten Jahrhundert gothische Stämme 
unter dem Namen der Franken, die sich selbst auch Sfgambri 
nannten, siegreich in das friesische Land eingezogen sein. We 
Spuren der Geschichte beginnen, war Frieslaud während des 
des 9. Jahrli. grösstentheils in der Gewalt der gothischen 
Normannen, die von hier aus Seeraub trieben, und sich wolil 
grossentheils mit dem friesischen Volke amalgamirt haben. 

Die germanischen Friesen, wie die benachbarten Chauken 
und alle Völker um die Nordsee, werden der keltischen und 
zwar der wälischen Nationalität angehört haben, wofür scboa 
die Steinmonumente und Alterthümer sprechen (s. Th. I. S. 
361). Obwohl nun schon früh die gothischen Völker in das 
Land kamen , so scheinen diese doch weniger Einfluss auf die 
sesshafte Einwohnerschaft ausgeübt zu hal)en, als im übrigea 
Germanien, wenigstens haben die Friesen von der altkeitischen 
und wälischen Verfassung mehreres bis in die späte Zeit conser- 
virt als alle andern germanischen Völker, und das gothische 
Feudalwesen ist am wenigsten eingedrungen« Sehr lange ha- 
ben die Friesen auch eine eigenthümliche Sprache behalteu; 
denn das Ältfriesisclie wurde erst im 13ten Jahrh. von dem Platt- 
teutschen verdrängt. Diese ältfriesisclie Sprache , von der si4 
schriftliche Reste erhalten haben, enthält vermuthlich viel kel- 
tische Elemente, aber ich habe noch nicht Gelegenheit gehabt^ 
auch nur einen Blick in dieselben zu werfen. 

Die eigentlichen Frtsn wohnten links der Ems bis tiir 
Süder-See; das Land rechts der Ems bis zur Elbe hatten die 
ganz verwandten Chauct inne, deren Wohnsitze jetzt Frieslaud 
bilden; das heutige Holland, wo die Grafen von Holland erb- 
lich wurden, bildete früher Westfriesland, wo auch friesisch ge-" 
sprochen wurde« 

Die Franken vereinigten zwar unter Pipin 689 den west- 
lichen Theil und unter Carl dem Grossen 804 den östlichtt^ 
Theil mit Francia und setzten Grafen ein, allein auf das Laiil 
und seine Institutionen , besonders auf das jetzige Friesland, 
wird dies keinen wesentlichen Einfluss gehabt haben; mehr 
wohl wirkte die Stiftung des ßisthuiaes Utrecht 696, und die 



- 119 — 

Dotining desselben (721) mit grossem Landgebiete, besonders 
auf die Einführung des Cliristentlinmes. Holland und Seeland 
nahmen allmählig frünkisclie Institutionen an, nicht so Ostfries- 
land. Hier erhielt sich das altkeltische Wesen; hier vereinig- 
ten sich im lOten Jahrhundert 7 friesische Provinzen unter 
dem Namen der 7 Seelande, als eine G)nrcideration nach alter 
"Weise zu einem freien selbstständigen Staate, der durch allge- 
meine Landtage zusammengehalten wurde, vras bis zum 14ten 
Jahrh. dauerte. Wie bei den wälischen Kelten, gab es keinen 
privilegirten Adel, sondern jeder freie Gutsbesitzer, auch der 
kleine, oder der Bauer, hatte gleiche politische Rechte. Diß 
allgemeinen politischen Angelegenheiten des Landes wurdeq 
geleitet durch Depulirte aller freien Gutsbesitzer, der Bauern, 
des Adels und der Geistlichkeit, auf dem allgemeinen Landtage 
zu Pfingsten jedes Jahres, abgehalten auf einem Hügel unweit 
Aurich, bekannt unter dem Namen Upstallsboom^ wohl 
zusammenhängend mit t/stawl (W.), slol (G.), der Stuhl, Ge- 
richtsstuhl. Diese uralte Verfassung nahm seit etwa 1327 einen 
andern , mehr gothischen (teutschen) Charakter an ; die Geist- 
lichkeit und die Häuptlinge suchten ,die Freiheit der kleinen 
Grundbesitzer (Bauern) zu vernichten, diese zu bedrücken. 
Die Geschwornen, welche die Justiz üi)ten, modificirten sich, 
hörten allmählig fast ganz ^uf, während sich eine Art feudali- 
stischer Adel mit Vasallenthum nach gothisch - teutscher Art ent- 
wickelte, dem es aber doch nicht gelang, den Stand der klei- 
nen freien Gutsbesitzer zu unterjochen; 1453 wurde ein Re- 
gent, eine gräfliche Regierung aufgestellt, doch konnten die 
Grafen nichts thun ohne die Laudstände, die, neben Adeligen, 
aus Bürgern und Bauern bestanden; die uralten Rechte und 
Institutionen wurden wenigstens grossentheils erhalten, auch 
^rch das Concordat von 1599^* abgeschlossen zwischen den 
Fürsten und Landständen, welches bis in die neuere Zeit als 
Fundamentalgesetz galt. Später, 1690, erhielten die friesische^if 
Fürsten Sitz und Stimme auf dem teutschen Reichstage, Seit 
etwa der Mitte des 15. Jahrb., unter der gräflichen Regierung 
verlor sich allmählig die altfriesische Sprache, wurde durch die 
plattteutsche verdrängt, starb im 12, Jahrh. aus. Erst seit die- 
ser Zeit wurden grosse steinerne Häuser und feste Burgen auf- 
geführt, bis dahin durfte kein Haus — mit Ausnahme der 
Kirchen und Klöster — von Stein und höher als 12' unter 
das Dach erbauet werden , was wahrscheinlich allgemeine Sitte 

«den wälischen Kelten war, daher wir keine Spuren, von 
iisern aus jener alten Zelt ^nden« Während nach dieser 
ketto- friesischen Verfassung jeder freie Gutsbesitzer gleich' be- 
rechtigt war, keinen höheHb^ßerechtigten über sich erkannte, 
80 ging die gathische (^später teutsche) Verfassung von dem 



— 120 — 

entgegengesetzten Princip aus, wo Alles sich einem Hohem 
unterordnet, dem Kaiser, Grafen, Edelmann, durch den Lehns- 
nexus verbunden ist. 

Diese altfriesische Verfassung, welche die reinste germa- 
nische sein wird, auf welclie das gothischc Wesen am wenig- 
sten inüuirte, ist aber ihrem Grundwesen nach gewiss die rein 
keltische, und zwar die der wälischen Kelten; von hohem wis- 
senschaftlichen Interesse wäre es gewiss, die altfriesische und 
altwälische Verfassung mit einander zu vergleichen, beide wür- 
den sich gegenseitig erläutern, das Keltenthum der Germanen 
würde sich am besten hierdurch documentiren ; die Friesen^ 
mit ihrem Mangel an Städten, widerstanden am längsten dem 
gothisch-teutschen Wesen, bewahrten am meisten die kelto- 
germanischen Institutionen , in ihren Adern fliesst vielleicht das 
reinste germanische Blut, 

b. Selbst auch den Occan haben wir dort versucht (iUa 
tcntavimus)y und das Gerücht gehet ^ dass dort noeh 
cohimnac Hercidis vorhanden wären ; — ob Hercules dort 
war, oder ob wir nur gewohnt sind, was irgend gross 
ist, ihm zum Ruhme anzurechnen. An Kühnheit fehlte 
es weder dem Drusus noch Germanicus, aber der Occau 
hinderte, in ihm selbst (in se) und über den Hercules 
Untersuchungen anzustellen (inf/mriy^ nach diesem 
versuchte es Niemand: man hielt es für frömmer und 
ehrerbietiger (sanctus et reverentius) y die Thaten der 
Götter zu glauben, als zu untersuchen. 

Anmerkung. Diesem confusen Passus sieht man es isi 
an, dass er mit der InteDtion geschrieben ist, unklare Worte 
SU sagen \ l)eim besten Willen dürfte es nicht möglich sein, 
einen verständigen Sinn hinein zu bringen. Gewiss gingen 
Drusus und Germanicus nicht deshalb nach Germanien, nm 
über die Columnae Herculis Untersuchungen anzustellen. 
In §• 3 wird Hercules bezeichnet als primus omniutn virfh 
rum fortiunty hier, als ein Gott, dessen Thaten man glan- 
ben (credere)j nicht wissen (scire) soll; auch hat das san^ 
ctius et reverefitius einen etwas christlichen Anstrich. 

§. 35. 

a. So weit kennen wir Germanien nach Westen hin {in 
. Qccidentem). Nach Mitternacht tritt Gcrmauieu in einem 



, grosscu Bogen zurück (('/i ScpteHtrionem iugenli flexu 
redit). 
Anmerkung. Dies ist gar nicht der Fall. An der fort- 



bfenden Nnrdkt 
t.iad der Chauci^ 



die Fi'isii wolmeu , ist auch das 

das der Verfasser eben besclireibeu wilt. 



h 



Zuerst erstreckt sich an der Seite aller erwähiitea 
Völker (_om>iinm ifuus exposiii gentium lateribus obten- 
dilur') das Volk der C/iaitci, obwolil es bei deuFrie— J 
sen bogirmt und einen Tlicii dos Ufers eiuuimmt; bia i 
CS sich den Challea anschmiegt (^slnttctnr). 
Anmerkung, lieber die Wolinsitze der Cliauken iriccl j 

'iior auf das undeiilliclisie geredet; wenn es lieisst; dieses Volt J 
!ias cjr-posiii gentium lateribus oblendi/ur , so J 

taiiu dies nur Leissen : sie wohnlen zur Seite der HeUei '' 

Bojer und anderer bis zu den Friesen erwülinien Volker; 

offenbar falsch ist, da die Cliauci nur ein kleines K.ü»tcnvul)i ] 

im heuligen OslfriesJand und Oldenburg wnreii. 



Hij^. Die Chauci besitzen nicht allein einen so ungeheuren 
^k *X<andstrich, sondern erfüllen ilia auch. Dieses Volk -J 
B| ist unter den Germanen das edelste (nobilissijnus') und j 
P^ will seine Grösse gern durch Gerechtigkeit schützen^ j 
Ohne Begierde, ohne Ohnmacht («iwe cujiiiUtate, 
impoieniia') sind sie ruhig und abgesondert, rufen keine J 
Kriege herbei, verheeren nicht durch Raub und Pliio^J 
derung. Es ist der vorzüglichste Beweis ihrer Töpfer- 1 
^' keit und Stärke, dass sio durch Ungerechtigkeiten ] 
nicht nach Oberherrschaft streben. Doch forlig sä 
die Waffen von Allen, und, wenn es die Verhälluisl 
fordern, ein Ueer; sie haben am meisten Männer und J 
Pferde, und wenn sie ruhen, denselben Ruf (pturimtim t 
vironim equorumfjHe , et ifaiescentibiis eadem fiimei). 
Anmerkung. Die CTiaiici -vraren ohne Zweifel ein I9 
^politischer Hinsicht unbedeuteudes Volk an der Nurdküi' 
Germanien, nach Ptolemäus wohnten .die majorea zwischen j 
Elbe und Weaer, die minores zwischen Weser und Ems. Velr J 
lejus erwähnt; Kaiser Tiberius habe (wohl unter (JermgnicofJ 
14 — 16) die nalii}nes.'Caüchorum gedemuihigei; der Ger 
acbichtschceiber Tacilus ei^jFiit, (Annal. XI. IS) : leichte ScLiäe 
der Chaukeu , wären uutO' 'Cbmmaudo einen gewissen Oeona- 



V, 



— 122 — 

8CIIS, (47 n. Ch.) auf Rnnb an die gallisclie Küste gekommen, die 
sie verheerten; der dortige römische General Corbulo brachte 
auf dem Rheine eine Flotte zusammen, mit welcher er dea 
Gnnnascus schlug j worauf die /^V/«//, die Torher gegen die Ro« 
mer aufstützig gewesen (s. cit. loc. IV. 72), Geissein gaben; 
nun schickte der Corbulo zu don Chauct majores , Hess sie 
zur Unterwerfung auffordern und dabei heimlich den Gannascus 
tödten^ mnchtc auch Anstalt in Germanien einzurücken, erhielt 
aber vom Kaisor Claudius, der sein Verfahren nicht billigte, 
den Befehl, sich zurück zu ziehen. 

Plinius erwähnt die Chauci als Inselbewohner (Histor. nat. 
IV. 28) und erzählt (cit. loc. XVI. 1): „Im Norden habe ich 
die Chauciy die sich in majores und minores thcilen^ mit 
Augen selbst gesehen. Hier überfluthet der Ocean 2 mal in 
24 Stunden einen unermessHchen Landstrich, so dass man 
nicht weiss, ob die Gegend zum festen Lande oder zum Meere 
gehört. Ein armseliges Volk (misera gens) wohnt auf 
hohen Hügeln oder aufgeworfenen Erdhaufen, auf welchen ihre 
Hütten in einer HöIie stehen, welche die höchste Fluth nach 
der Erfahrung nicht erreicht. Wenn das Wasser die umliegende 
Gegend bede'ckt, sehen sie wie schiffende aus, und wenn es 
sich wieder verläuft, scheinen sie Schiffbruch gelitten zu ha- 
ben , und machen Jagd auf die Fische in der Gegend ihrer 
Hütte. Sie sind nicht so glücklich, dass sie Vieh halten und 
von Milch leben können , wie ihre Nachbarn , weil weit und 
breit alles Gesträuch gleichsam vertrieben ist. Sijß flechten ans 
Seegras und Binsen Netze zum Fischen, und trocknen den mit 
Händen geformten Torf mehr beim Winde als an der Sonne« 
Mit solcher Erde kochen sie ihre Speise. Regen wasser, das 
sie vor ihren Wohnungen in Gruben aufbewahren, ist ihr ein- 
ziges Getränk. Sollten diese Völker heute von den Römerin 
iiberwunden werden, möchten sie sich doch für Sclaven halteot 
Einen andern Gegenstand der Bewunderung geben die grossen 
Wälder in Germanien, die höchsten findet man in der Nähe 
der Chauci" 

Diese Beschreibung von Plin. ist ganz richtig; noch jetzt 
finden sich solche Dünen -Bewohner in jener Gegend^ wie auf 
der Insel Nesserland, gegenüber von Emden (s. Arends 
Ostfiriesland und Jever L S. 282). Ihre Dünen sind nicht hoch, 
ihre Häuser stehen auf Erdhügeln — Tf^ttrff genannt — und 
in der Erde, welche das Dach berührt. Beim Nordwestwinde 
wird die ganze Insel von Wasser üherfluthet, was öfter wo- 
chenlang anhält; dennoch sind die Einwohner froh und zu- 
frieden. 

Die Chauci waren offenbar ditf St randl)e wohner, und wenn 
sie sich auch so weit erstreckten, als jetzt Friesland und Ol- 



— 123 — 

deiiburg reiclit, was gar nicht der Fall gewesen sein wird, so 
iraren sie, schon dem natürlichen Verhältnisse nach, ohne po- 
litische Wichtigkeit. Wenn nun unser Verfasser diese armen 
Strandbewohner, diese gens misera nach Plin,, als eine sehr 
grosse nnd die edelste Nation der Germanen darstellt, die einen 
ungeheuren Landstrich nicht allein besitzt sondern auch ganz 
erfüllt, deren Heer stets gerüstet ist, die in Germanien am 
meisten Männer 'und Pferde haben, so kann dieses doch wohl 
our ein Scherz, eine Ironie oder Schnurre sein. Aber Alles, 
was sonst noch gesagt wird, hat auch keinen rechten Sinn, 
wie: sine cupiditatCy sine impotentia^ quieti et secreti 
9unt. 

§. 36. 

A. Deu Chauken und Chatten zur Seite, genossen die Che^ 
r II sei unangcgriffeu eines zu lauge dauernden und 
erschlaffenden Friedens; dies war mehr angenehm als 
sicher, weil zwischen Uebermüthigen und Kräftigen 
die Huhe trügerisch ist; wo die Faust entscheidet^ sind 
Mässigung und Rech tsch äff euheit Beinamen des Vor- 
herrschenden. So heissen die einst guten und billigen 
Cherusci jetzt Feige und Thoren ; das Glück der sie- 
genden Chaiti wird diesen als Weisheit angerechnet. 

Anmerkung. Dieser ganze Passus ist doch wieder ein 
Klingklang von leeren Worten, ohne verständigen Sinn. Da 
der. Verfasser die Wohnsitze der Chanken und Chatten nicht 
näher bfezeichnet hat, so weiss man nicht, wo die Cherusker 
*— ihnen zur Seite — zu suchen sind. Weil die Cherusker 
in einem zu lange dauernden Frieden gelebt haben, nennt quÄ 
sie Feige und Thoren, aber die Geschichte ^ berichtet von filtf 
steten Kriegen mit den Römern, Von dem erwähnten Gluck 
und Siegen der Chatten ist nichts bekannt. Im folgenden Pas- 
sus heisst es: mit hereingezogen in den Sturz der Cherusker 
sind die Fosi (tracti rnina Cheruscorum et Fosi) ; allein von 
einer solchen ruina Cheruscorum wird nichts gesagt und die 
Geschichte weiss nichts davon. ^ 

Die Cherusci mögen in der Wesergegend ''gewohnt haben; 
wie weit aber ihr Cheruscia ging, stehet nicht wohl zu er- 
mitteln; Ptolemäus setzt sie ziemlich in die Mitte von Teutsch- 
land, am Fuss des Melibocus, worunter der Harz und die be- 
nachbarten Gebirge verstanden sein mögen; die Cäsar (bell. 
gall. VI. 10) wohl als dA Wald Bacenis bezeichnet/ der 
Cherusker und Sueven trenud * * «> 



— 124 -- 

Die Cherusci spielen in den Kriegen der Romer gegen 
die Germanen stets eine wichtige Rolle und sie werden Ton 
dein Geschichtschreiber Tacitiis häufig genannt (wie Annal. 1« 
56^ 59, 60, 63 ; Histor. IL 19, 14). Als Driisus im Jahre 11 
V. Ch. über den Rhein ging, überwand er die üsipeter, die 
Sigambrer, kam bis zur Weser in das Gebiet der Cherusker, 
zog sich dann unter bedeutendem Verlust zurück; im Jahre 9 
zog er wieder nach Cheruscia^ ging über die Weser bis zor 
Elbe und starb auf dem Rückzuge; im Jahre 5 scheinen die 
Römer wieder bis zur Elbe gekommen zu sein. Im Jalue 10 
n. Ch. hatte Varus den Kern des römischen Heeres nach Ger- 
manien^ vorzugsweise gegen die Cherusker und ihre Verbün- 
deten geführt, wo es von Arminius, wahrscheinlich im Detoiol« 
dischen und Paderbornischen, in einer mehrtägigen Schlacht 
geschlagen, fast ganz vernichtet wurde. Im Jahre 15 n. Ch. 
zog Germanicus wieder gegen die Cherusker, lieferte dem Ar- 
minius eine zweifelhafte Schlacht und zog sich zurück. Bald 
darauf kamen die Clierusker in einen Krieg mit den Marko- 
mannen unter Marobodus, der für sie glücklich endete (Tadt. 
Annal. II. 45). Arminius, der die Macht hatte, fiel bald durch 
Intriguen, zog sich zu den Römern zurück; sein Bruderssohn 
Italns, in Rom erzogen, wurde (47 n. Ch.) an die Spitze der 
Regierung genifen, «päter verjagt, durch die Longobarden 
wieder eingesetzt. Später (84 n. Ch.) wurde der Fürst der 
Cherusker Charimerus, wegen seiner Freundschaft mit Rom^ 
vertrieben, zurückgerufen und wieder vertrieben, erhielt vom 
Kaiser Domitian Unterstützung an Geld (Dio Cassius 67, 5). 

Nun erlischt der Name Cherusker; in ihrem Lande wer- 
den nun Ostfali, überhaupt Sa.voncs^ gewiss gothisfhe Völ- 
ker, genannt, die nicht ohne Kampf hier eingezogen sein mö- 
gen, von denen wir aber gar nichts wissen. Als nach Verlauf 

i'fpn etwa 600 Jahren die Geschichte wieder beginnt, ist Alles 

'leotsch. 

Allen Nachrichten nach lebten die Cherusker, im Laufe 
ües ersten Jahrhunderts, selbst früher und vermuthlich auch 
später, fast in beständigen Kriegen; wie nun die Germania 
aller Geschichte Hohn sprechen und sagen kann: dass sie nie 
angegriffen wären, einen zu lange dauernden, erschlaffenden 
Frieden genossen hätten^ das begreift man nicht wohl. 

b. Mit hineingezogen in den Sturz der Cherusker sii^d 
die Fosiy ein angrenzendes Volk; im Unglücke — wie 
billig — Genosseu^ da sie im Glück die kleiaero waren 

'* (cum in seüUndis minores fuissenf). 



l 



— 125 — 

Anmerkung« Von der rutna Cherusconim weiss die 
GescLichte zur rdinischen Zeit nichts, und der raisonnirende 
Schluss dieses Pnssns giebt keinen rechten Sinn. Ein Volk 
JFosi kennt — so viel ich weiss — die Litteratur gar nicht, 
vielleicht ist es ein blosser Spass des Verfassers, wenn er ein 
solches anführt. 

§.37. 

a. Denselben Busen (sipiufdt) Germaniens behaupten ^ zu- 
nächst dem Ocean^ die Cimbriy jetzt ein kleiner Staat 
(civiias^y aber gross an Ruhm. Als weite Spuren des 
alten Hufes bleiben an beiden Ufern Lager und Räume 
(jiiraque rtpa castra iic spa1i(i)y nach deren Umfange 
man noch jetzt die 3Iacht und Masse des Volkes 
(molem manusque geniis) und die Bestätigung zahl- 
reicher Auswanderung (tarn magni exitua) ermessen 
kann. 

Anmerkung« Wieder eine Menge Worte, die keinen 
«rcrständigen Sinn geben« An beiden Ufern des Meerbusens 
(der hier nicht existirt) sollen castra ac spatia sein, quo^ 
Tum ambitu nunc quoqtie metiaris molem manusque gcn^ 
ti8y et lam magni exiLus Jidem, 

b. Unsere Stadt hatte gerade das Jahr 640 erreicht, als 

man zuerst von den Waffen der Cimbern hörte ^ unter 

dem Consulate des Cecilius Metcllus und Papirius Carbo. 

Wenn man von da ab bis zum andern Consulate des 

Trajan rechnet, kommen ungefähr 810 Jahre heraus. 

So lange wird Germanien besiegt {vincitur')^ 

Anmerkung. Dieser Passus hat mit den Sitten der 
Germanen nichts zu schaifcn, ist wohl nur eingeschaltet, vm 
bemerklich zu machen, wann Tacitus lebte. Der Kaiser Tra- 
jan regierte von 98 — 117 n. Ch. Rechnen wir zu den 640 
Jaliren die 210 Jahre dazu, so sind das 850 a. u. c, was circa 
auf 96 n. Ch. fällt. In dieser Zeit lebte Cornelius Tacitus 
der Geschieh tschreiber, dessen Geburts- und Sterbejahr wir 
zwar nicht wissen, der aber unter Yespasian, Domitian und 
Nerva, wahrscheinlich auch unter Trajan lebte« Wenn es heisst: 
tamdiu Germania vincitur y so wendet die Gesclüchte man- 
ches gegen diese Siege ein, wie gleich der folgende Passus 
selbst sagt« 

c Innerhalb dieses langen Zeitraumes gab es wechsel- 
seitig vielen Verlast« Nicht die Samnitor, nicht dii^ 



— 126 — 

Hispanier und Gallier, uoch selbst die Parther haben 
nicht häufiger erinnert QsctepiHS cfdmonuere') ; denn 
schärfer selbst als die Regierung' des Arsaecs (erster 
König der Parther) ist die Freiheit der Germtnea 
Qaci'im' est Germanorum liberiiis'). Was könnte uui 
ausser der Ermordung des Crassus das Morgenlandij 
nach dem Verhiste des Pacorus (König der Parther] 
und der Niederlage unter Ventidius (der die Parthüf' 
über den Euphrat zurücktrieb und den Pacoras er- 
mordete^ wie Geschichtschreiber Tacitus histor. V. 9, 
erzählt) noch vorwerfen. 

Anmerkung. Wieder ein Passus ohne verstandigen Id- 
lialt; auch begreift man nicht, wie der Verfasser hier in die 
Geschichte der Parther kommt, die mit der germanischeu nicht 
den geringsten Zusammenhang hat. 

d. Aber die Germanen, nachdem sie denCarbo, den Cas- 
sius^ den Scaurus Aurelius, den Servilius Caepio iind 
auch den C. Manüus^ zugleich mit 5 consularischen 
Heeren des römischen Volkes geschlagen oder gefan- 
gen genommen (113 — 100 v. Ch.), haben auch den 
Varus mit seinen 3 Legionen dem Cäsar (Augusius) 
geraubt (13 n. Ch.). Nicht ungestraft haben sie den 
C. Marius in Italien^ den göttlichen Julius (Cäsar) in 
Gallien^ den Drusus, Nero und Germanicus in ihrem 
eigenen Lande niedergeworfen Qperculeruni'). Bald 
wurden die Ungeheuern Drohungen des C. Cäsar zum 
Gespött gemacht (wohl der Triumph des Domitian über 
die Chatten 35 n. Ch., s. des Geschichtsch reiber Taci- 
tus Agricola 39). Hernach Ruhe (^indc oiuini), bis siei 
bei Gelegenheit unserer Zwietracht und der Biirger- 
kriege^ die Winterlager der Legionen erstürmten^ auch 
in Gallien eindrangen (Gallias adrectaverey womit viel- 
leicht die Empörung in Gallien unter Civilis um 70 n. 
Ch. gemeint wird); als sie dann wieder zuriickgetrie- 

. ben^ ist von da an^ in der neuesten Zeit der Sieg 
mehr gefeiert als errungen. 

Anmerkung. Dieser Passus redet nicht sowohl yon den 
Gmhern, als yiehnehr überhaupt Ton den Kriegen der Römer 



— I2T — 

mit den Germanen, aber so luiFolIständig und dunkel , dass 
die Angaben keine wissenschaftliche Beachtung verdienen. 

.Da hier unser Verfasser von den Ciinberii und ihrem Heer- 
zuge'^egen Italien redet, so erviähnt er doch sonderbarerw^eise 
^kb ieufones und uimbrones nicht, welche bei jenem Heer- 
AOge eine wichtige Rolle spielten. Die Teutones, die in der 
spätem römischen Zeit wohl nicht mehr von Bedeutung waren, 
(wohnten nach Flin« hist^ nat. 37. IL an der Küste (der Ost- 
?|l|ee) neben den Guttonen, in derem Lande Bernstein äuge- 
trieben wird (also etwa in Mecklenburg); zu ihiseu werden 
auch die benachbarten TeuLonarü gehört haben, die Ptolemäus 
in derselben Gegend, neben den Teutones erwähnt, auch wohl 
die Teiftobodi'aciy die Flin. 5. 42 unter den Germanen aufzählt, 
die sich in Kleiuasien niederiiessen und zu den Galatern ge- 
hörten. Die Ambrones mögen in früher Zeit eine wichtige 
Conföderation gebildet haben , später kommt der Name nicht 
mehr vor, über ihre Wohnsitze sind nur unsichere Conjecturen 
zu machen« 

Der Verfasser handelt hier in einen sehr langen § von 
den Cimbern, sagt doch nichts Klares und Gründliches über 
die Geschichte oder die Institutionen dieses Volkes, behandelt 
«einen Gegenstand gar nicht eines Historikers würdig« 

Die eigentlichen Cimbri bewohnten das heutige Königreich 
Dänemark, den Chersonesus cimbrica oder die Halbinsel 
Cartris mit dorn pi'omontoriuvi Cimbrorvm^ wie von Plin. IV. 
27 und den andern Autoren erwähnt wird; diese Lage rechts 
der mächtigen Elbe zwischen der Ost- und Nordsee ist offen- 
bar eine sehr günstige, von wo die Schilfe nach allen Seiten 
ihren Lauf hin richten können, daher auch hier die später 
eindringenden gothischen Völker ihr Hauptquartier aufschlugen, 
um von hier nach dem Rhein, nach Gallien und Britannien zu 
ziehen, welche Wege vielleicht auch die erste keltische Urbe- 
völkerung einschlug. Diese Cimbri bildeten offenbar nur den, 
vorzugsweise religiösen Mittelpunkt für die einander ganz ver- 
wandten cimbrischcn Völker, die längs der Ost- und Nordsee 
wohnten, zu deren Nationalität auch die Cambri in Britannien 
und die Armorici gehörten. 

Die alten griechischen Schriftsteller nennen die Cimbri 
theils Kelten (wie Appian), meist Cimmerier, und bringen sie 
mit den Cimmeriern am scliwarzen Meere in Verbindung, wie 
besonders Strabo (VII. 2. §. 2) nach Posidonius darlegt. Da wir 
^ nun in dem cimmberischen Lande am schwarzen Meere ganz die- 
i^lben Bauwerke und Alterthümer in ausserordentlicher Menge 
fiaden, als in Dänemark (s. Th. II. S, 442), so spricht dies 
sehr far die gleiche Nationalität der Cimbri und Cimmerii und 
weist auf eine uralte Zeit hin, ia welcher gebildete cimmeri^^^ 



— 128 — 

sehe Völker an den nördlichen Ocean wanderten , wahrschein- 
lich auf der uralten Handelsstrasse durch llusslaud , der auch 
später die gothischen Völker folgten. 

Jetzt zerfallt Teutschland ethnographisch und archäol^|^h 
in'2 'verschiedene Theilc, in Niederteutschland mit der niejJBf- 
teutschen Sprache, an welche sich die Gruppe der Hanen- 
bettcn schliesst, und in Oberteutschland mit der hochdeutschen , 
Sprache und der Gruppe der Steinburgen : jenes umfasst die «- 
niedern Gegenden, die sich von den Meeren bis zu dem FiMi 
der Gebirge ziehen; dieses die gebirgigen Gegenden, durdl 
welche auch der Rhein und die Donau fliesst. Diese DifTereu 
der Bevölkerung mag von jeher, seit der ersten EiuwanderuDg, 
bestanden haben. 

Die alten Griechen kannten nicht den Namen Germanien, 
der erst neuern Ursprunges ist, sie bezeichneten die Gegen- 
den um die Donau und den Rhein, weit hin, .als ^ Kakjix^', 
hier wohnten die Kelten, Galater, Gallier, dahinter, an den 
entfernten Meeren wohnten die Hyperboreer, welche oiTeobar 
die cimbrischen Völker waren ; Herodot (der um öOO v. Ch. 
schrieb) , fand dieser in Hesiodus auch in den Epigonen des 
Homer erwähnt, und war bemühet Erkundigungen darüber ein- 
zuziehen, konnte aber nur in den Archiven des Tempels von 
Delos einige Auskunft erhalten, wo er erfuhr: wie in alter 
Zeit die Hyperboreer Opfer durch Priesterinnen gesendet, 
die hier geblieben und verehrt seien; später wären die Opfer 
ohne Begleitung gesendet. Nach dieser weitläufigen Erzäh- 
lung (IV. 32), die alle Spuren der Wahrheit trägt, standen 
vor etwa 3000 Jahren die cimbrischen Völker von Nordteutsch- 
land mit dem vorgriechischen (wohl keltischen) in einem reli- 
giösen Verkehr, was klar auf eine uralte, nationale Verwandt- 
schaft hindeutet. Aber auch die Handelsbeziehungen zwischen 
der Nordsecküste und den südlichen Gegenden sind gleich alt, 
so alt, als nur Geschichte reicht, und noch vorgeschichtlich. Der 
Bernstein von der preussischen Küste ist der älteste Handels- 
artikel, er wird überall in den keltischen, vorgriechisclien und 
cimbrischen Gräbern gefunden; er hatte wahrscheinlich eine 
religiöse, druidische Bedeutung und selbst jetzt noch legt ihm 
das Volk sympathetische Eigenschaften bei. 

So tritt der Norden von Teutschland früh schon in die Ge- 
schichte , sowohl in religiöser als merkantilischer Beziehungt 
Von den Kriegesthaten erfahren wir erst später, aber sehr 
grossartig war der Feldzug von etwa 390 v. Ch., der erste 
uns bekannte. Rom hatte seine alte keltische Religion abge- 
schüttelt, sehr dcmocratische Formen angenommen, sehr um 
sich gegriffen : diesem allen wollte vielleicht die druidische und 
cimmerisohe Fricsterschaft einen Damm entgegensetzen , und ein 



KjriScbtiges gallo- gerinanisches Heer vod 300,000 Mann 
I^Sftcli dem Südeo von Europa, geviss so Irefilicli gewafiiiet ala 
» späiem. Man drang yod der geruifmiscLen Seile in Italies 
^ciD; ein Tlieil der Armee wandte aicli gegen die Veneti (bei 
^nedig), die andere ging unter Brenniis weiter vor, belagerte , 
Clusiuin, scLliig die Rötner am Allio, belagerte Rom, daa bii ' 
«iif das Capitol erobert wurde, zog erst ab, als die Pest grness 
Verheerungen anriclilete, die Römer einen Tribut von 1000 
Pfund Gold gezahlt balten. Nach Heraklid bestand dieses Heer 
ans Hyperboreern, die sonst auch Gallier genannt werden, 
kam daher wnbl Torziigsweise aus dem cimbrischen Norden; 
dafür spricht auch das Einnicken von der teutscheo Seite und 
der Name des Obergeneral» Brennus, was nur das laiinisirte 
hrenin ist, wie im Wäliacben der Obergeneral hei»st. So 
machien schon vor länger als 2200 Jahren die nordischen Vol- 
ker ihren Kriegariihm in Italien geltend. 

Ein Jahrhundert später, um 281 v. Cli., ging eine ähn- 
liche A^nee, vielleicht aus politisch-religiösen Gründen, nach 
GriecheTiland, eroberte Thrncien, wo sie 80 Jahre (bis 201 v. 
Ch.) herrschte, dann Mncedonien, Griechenland (wo iiin 278 
V. Ch. der lierühmte Tempel zu Delphi geplündert wurde) und 
endlich nacli Kleinasien, wo sie sich am Flusse Haljs festsetzts 
und den sehr citltiTirien Staat Galaiia ider Galtia orienta-* 
iia bildete, der 190 von den Hämern besiegt und 89 v. Ch. ' | 
zur römischen Provinz gemacht wurde. An diesem Zuge mag 
das kriegälutlige junge Volk von Germanien und Gallien ülier- 

■ hanpt Theil genommen haben, aber vim der cimhrischen Na- 
rionalltiit ging er wohl aus, die Cirabern werden vorzugsweisö 
genannt, und ein hrcnnua oder brenin ist auch hier der Ober-^ 1 

^'eldherr; Fansanias ( der etwa 170 v. Ch. schrieb und aa^ t^ 

^Tvleinaaieo gebürtig war) sagt hei Erwähnung dieses 
Die erobernden Gainter bewohnlen das äusserste Land i 
ropa, an einem grossen Meere, das weithin nicht mehr schiiP 
bar (zugefroren) ist, durch welches der Eridanns strömt (wO' ' 
Bernstein gefunden wird); spät erst wurde der Name Galaier' * 
gebräuchlich, da sie sich selbst in alter Zeit Kelten nannienja 
auch von Andern bo genannt wurden. Diodor. Sicul. V. 32* 
nennt sie Cimbern. Diese überhaupt, die Umwohner des nor<^ "^ 

j liehen Oceans für Kelten anzusprechen, ist aUo keine neue, 

, sondern die älteste Ansicht, 

IVach etwa anderthalb Jahrhunderten unlcrnahmen die Cim-^ 

^ bern einen noch grossanigern Kriegazug. Die Römer hatt« 

^ Ofcer- Italien )^22'i v. Ch.) und das südliche Gallien (165 tC^ 
Ch.) erobert, wendeten sich nun gegen den mittlem Tlieil, 1 
der unter der Clientel der Averni stand, die wühl um Hulfi^ 
nachgesucht haben mögen. Im Jahre 113 v. Ch. ] 

" KifHiIcin, kcit. AUmh. III, B.l, I. ALlh. 



« ♦. 



— ISO — 

grosses cimbrisches Heer von 300,000 Mann aus dem Norden 
Germaniens, das 18,000 Mann treffliche CaYallerie hatte, aus- 
gerüstet mit stählernen Panzern , Helmen , Schilden und Schirerd- 
tern. Diese Cimbern überschritten die Donau, eroberten Yin- 
delicien und Illjrien (Strabo Vll. 2, Piutarch Mar. 11); b^ 
Noreja wurden die Kömer unter Papirius Carbo gänzlich ge- 
schlagen; nun verbanden sich die Helvetier mit ihnen ^ (aber 
die belgische Conföderation widerstand)^ sie marschirten nach 
Gallien ins römische Gebiet, schlugen hier (109 y. Ch.) die 
römischen Feldherren Julius Silanus und Cassius Longinos, 
später (107) den Manlius und Caepio, wobei 100,000 Mann 
von der romischen Armee geblieben sein sollen; sie waren Her- 
ren von ganz Gallien und gingen — doch ohne Erfolg — ge- 
gen Spanien. Jetzt rückte eine zweite Armee nach, ebenfells 
aus dem Norden Germaniens kommend (Mela HI. 3), die aus 
Teulonei bestand, einem cimbrischen Volke an der Küste der 
Ostsee wohnend, und vielleicht kann ihr Name zusammen häo- 
gen mit tuedd im Wälischen, die Küste; als ein drittes Hnlft- 
corps werden die uämbrones genannt mit mehr als 30,000 Mbdo. 
Das bange Rom gab nun das Commando seiner Armeen in die 
Hände des viel erfahrnen Marius, zu einer Zeit, wo die Ger- 
manen im Begriffe standen, von 2 Seiten io Italien einzufallen, 
so ihre Kraft theilten. Die Teutonen wollten aus dem südli- 
chen Frankreich die Alpen übersteigen und trafen Jiier auf 
Marius, der sie (105 v. Ch.) bei ^quae sejctiae (Aix in der 
Provence) gänzlich schlugt wobei nach Livius 200,000 Maon 
geblieben sein sollen. Die Cimbern hatten schon die teutscheA 
Alpen überschritten^ lagerten an der Etsch, ihnen ging nun 
Marius entgegen und schlug sie, wobei 140,000 Mann geblie- 
ben sein sollen. Der Rest der besiegten Armee wird sich nach 
^duat in Gallien zurückgezogen haben, wo eine Reserve voo"^ 
JHN)0 Mann aufgestellt war. 

Diese Ungeheuern cimbrisclien Armeen konnten unmöglicb 
allein von den eigentlichen Cimbern aus dem Chersones ge- 
stellt werden, zu ihnen contribuirten gewiss alle cimbrische 
Völker längs der Nord- und Ostsee, die ihren religiöseor und 
daher auch politischen Mittelpunkt in Cimbria hatten. 

Die Römer verfolgten nun die Eroberung Galliens, aber 
die Sequani riefen suevische Germanen ins Land , die sich seit 
72 V. Ch. unter ihrem Fürsten Ariovlst hier festsetzten, den 
aber Cäsar (58 — 50) gänzlich besiegte und ganz Gallien bis 
zum Rhein unter romische Herrschaft brachte. Nun dachtea 
die Römer an die Besiegung der cimbrischeu Völker im eige- 
nen Lande, denn bei diesen lag offenbar der Schwerpunkt der 
Germanen, nicht bei den suevischen Völkern. Alle ihve of- 
fensiven Kriege führten sie nur gegen die cimbrischen Völkerj 






— 131 — 

in Niedcrteiitichland , besonders ia Weslpltaleu; itiicli inii- 
a zu den Dmidenaitien jenseits der Elbe geelrebt haben, 
lacliten aber vergebens die uDgebeiierstea Anstrengungen. Ca- 
: ging 52 — 47 v, Ch. Kweimnl erfolglos über den Rhein; 
' Agrippa viirde 39 \. Cli. geschlagen; Drusus drnng 11 — 9 
V. Ch, bis gegen die Elbe vor, wo aber die Armee uinkebren 
miissle; Tiberins kam 4 — 3 n. Ch. bis zur Weser, wnrde 
hier geschlflgen; nun ging Varus mit den Kerntrnppen der rö- 
mischen Armee bis gegen die Weser, wurde hier aber (12 n. 
Ch.) gänzlich vernichtet von Anninius (^armum im Wälischen 
ist Held, Anführer). Unter Tiberins erhielt Gennnniciis den 
Auftrag die ciinbrigchen Volker zu unterwerfen, er griff sie 
14 — 16 n. Ch, zn Lnnde und zn Wasser sn, aber vergeb- 
lich, er innsste zurückgehen, derartig, dass sich (28 n, Ch.) 
die Friesen in Holland wieder der' romischen Herrschaft ent- 
ziehen. Nun gab man in Kom den Gedanken auf, das Land 
der ciinbrischeu Volker und überhaupt Germanien zu erobern, 
bes^änkle sich auf das Bbeinthal und dessen Verlheidig^ung. 

L)a sich in dieser Zeit die £raft der cimbrischen Germa- 
nen auf 8o eclatante Weise documeutirte, die Römer so grosse 
Verluste erlitten hatten, so ist es höchst auffällig, wie jene 
ihre Siege nicht benutzen, nicht nach Gallien vorgehen, um 
so mehr, da sich hier bald die giins^jgste Gelegenheit darbot; 
denn ijn Jahre 64 entspann sich unter K.iiser Vitellius eine 
höchst gefährliche Revolution gegen die Romer, unter dem ba- 
tavbchen General Civilis, zu dem viele Tomisclie Truppen über- 
gingen , die offenbar von den Druiden in Armorica angespon- 
nen und geleitet war; das alle gallische Reich, mit den gallo- 
kelliachen Institutionen, den alten Formen und Farben, wurde 

rausgerufen, die Druiden verkündeten wieder ölTentlich ihre alte 
Lehre; die Herrschaft der Römer war gänzlich erschüttert. 
Wiire in dieser Zeit eine grosse Armee der cimbrischen ^1- 
ker Germauiens den stammverwandten Armorikern zu Hfilfe 
gekommen, so * bälte diese die Vernichtung der römischen 
^ Macht leicht herbeiführen können. Aber der Norden Germa- 
niens erhob sich nicht und die Römer vermocblen auch diese 

I letzte Regung der gallischen Kelten zu unterdrücken, 
1 Die Gescliicbte der cimbrischen Völker schneidet im Laufe 
des ersten Jahrh, ab, sie schweigt fast ganz, länger als 500 
Jahre; wir wissen so gut hIs nichts von den Ereignissen, die 
ftch in diesen weiten Ländern zutrugen. Etwa mit Beginn des 
fl. Jahrb. treten in den cimbrischen Ländern am untern Rheine, 
nächst der römischen Grenze, die Franc* und Saxonea auf, 
welche diese cimbrischea Länder beherrschen, oft die einzeln 
nen -germanischen Staaten fortsetzen, sich nach diesen nennend, 
J wie Sigambri, Cliamavi, Ampsirarii, aber offenlKir einer frem- 
» 9* 



— 132 — 

den Nationalität Eingeboren, nnd zwar derselben, die zu der 
nämlicben Zeit an der nntern Donau als Gothi auftritt, die 
alten Getae beherrscht und in deren Namen erscheint. Diese 
Franc! , deren Stammverwandte in Skandinavien Gothi heissen, 
können an den nntern Rhein nur von der Elbe her gekom- 
men, und werden dahin von der Gegend des schwarzen 
Meeres vorgedrungen sein, wo damals ein Gothia blähete. 
Geschichtlich kennen wir wenigstens einige Zuge der Gothi 
aus jenem Gothia nach den Gestaden der Ostsee, wie unteir Her- 
manrich 332 — 350, aber solche Zuge müssen früher und 
später offenbar mehrere erfolgt sein. 

Im Laufe des 1. und 2. Jahrh. werden diese gothischen 
Völker, aus Gothia an die Ost- und Nordsee gekommen sein, 
und hier , vermuthlich nach blutigen Kriegen die cimbrischen 
Völker besiegt, ibr Land erol)ert haben,' und in Folge dieser 
Siege kam der Vortrab derselben an dem untern Rhein , wurde 
von den Kelten als Franci bezeichnet. Ueber ein Jahrh. blie- 
ben diese hier diesseits des Rheines, zogen immer Vevitär- 
kung an sich, dann erst wurde dieser Strom überschritten, 
Francia nach Gallien übergetragen, dieses Land endlich ganz 
erobert. 

Neben den Franci am Rhein, die den Vortrab der Go- 
then bilden, erscheinen dahinter die Saxones (s. §. 41), unter 
welchem Namen man im Allgemeinen die gothischen Yo^^^ 
begreift, welche die cimbrischen Länder längs der Nordsee be- 
herrschen, so, dass das alte Cimbria im Allgemeinen durch 
Saxonia fortgesetzt wird, nun durch eine andere, die gofhi- 
scbe Nationalität; diese Saxones gehen früh nach Gallien in 
die Normandie und auf die gegenüber liegende brittische Küste, 
wo nun auch ein Sajconia auftritt (s. Schau mann, zur (jC- 
schichte der Eroberung Englands 1845) und erobern seit 449 
grosse Theile von Britannien. 

Diese Franci und Saxones sind, wie die Gothi überhaupt, 
die zugleich auch längs der Donau herauf in das suevische 
Germanien kommen, weder Kelten, noch Germanen, nocb 
Teutsche, sondern gofhische Völker, mit gothischer Spracbe 
lind gothischen Institutionen ; diese mischen sich mit der kelto- 
germanischen Einwohnerschaft, und dieses Mischvolk sind die 
Teutschen. 

Allem diesem nach war der Norden von Teutschland, be- 
stehend aus den weiten Gegenden von Niedert^tschland , seit 
uralter Zeit, seit 2 — 3000 Jahren und länger, ein cultivir- 
tes Land (was die Archäologie am besten nachweist), und ein 
sehr bevölkertes, das seine ursprüngliche, gleich cultivirte 
Einwohnerschaft wahrscheinlich aus den dmmerischen Gagen- 
den des schwarzen Meeres erhielt, wohin sie aus Indien ge- 



— I3S — 

I Juinmeu tteiu iiiug. Alöglich, dnss von liier ans die Uevölke- 
l^ng von Süd -Euglaiid und IVord-rraiikreicIi erfDlgiei ii), 
Rillen diesen Länder» wird wenijifllens diescllje Nationalität der 
rälisdien Kelten gewoliiit Iiaben. Dieses cimbrische. Lao^ 
' hatte — wie alles keltisdie — keine dynastischen Reiche,, 
sondern freie, einzelne Völker, die sich nach ilirein Gefallen i 
confödcrlrtcu. Aber einen religiösen Mittelpunkt, der auch ge- 
wiM eiticu grossen politischen hlinfliiss ausübte, gab es wohl ia I 
dein HauptsiUe der Prie«lcriichaft oder Druiden, und dieser 
-wird in dem eigentlichen (.'iuiiiria, im heuligen Dänemark ge- 
wesen sein, wo sicJi aucli die reiclisien und meisten Gräber, 
Kunstsacheu, Hüueubetlen und Steinpfeiler finden; hier lag 
oifenbar der Schwerpunkt der ganzen, grossen ^Tationalität, 
Wurden liier nationale Heeriüge beschlossen, dann werden alle ■ 
ciinbrischen Völker, Toin Rheine bis nacli Livland, sich daraq 
betheiligct haben, und diese weiten Gegenden, die Jetzt Nie^ 
derteutscbland bilden, konnten wohl Heere von 2 — 300,000 ' 
ManjQ ins Feld stellen, was das eigentlicbe Cimbria, das heu- 
tige Dänemark, unmöglich vermochte, viejiu es auch noch 89 
bevölkert gewesen wäre. Weil so grosse Heere wirklidi in 
Griechenland, Italien und Gallien auftraten, so muss das Land, 
das sie nach einander sendete, ein grosses und volkreiches ge- 
wesen sein , und da sie — wie die Autoten bekunden — ao treff- 
lich gerüstet und bewaffnet waren, so muss das Land viel In- 
dustrie gehabt haben, was klar auch die Archäologie bekundet. 
Sind es wirklich indische Völker mit indisdier (.'ultur und 
casienartiger Organisation , die erst am Ural und Altai sich nio- 
derliessen, wo sie Alteriliüiner hinterliessen ganz den kciti- < 
sehen äbnlidi (Tb. i. S. 243, Th. II. S. 454), dann am 
schwareen Meere als Ciininerier wolinten, wo sich gleiche Aher- 
* tbümer finden {Th. II. 442), dann lurOsl- und Nordsee wan- 
derten, wo sie als cimbrlsetie Völker auftreten, von liier wähl 
sich nach Armorica und Britannien wendeten, wo sie als ^Or^ 
brische Völker überall gleiche Alteribümer hinterlassen : sq 
^ klart sich vieles Dunkle auf, dann begreift man, wie in alleq 
diesen Ländern gleich die erste' ursprüngliche Einwohnerschaft 
eine gleicbmässig cultivirte ist, die Cultur sich aichl ai 
hen Zuständen entwirkell; wie die Kunstsadien und Bauwerke^ 
dieser Periode überall einen gleiclimässigen Charakter tragen] 
wie vor vielleicht 3000 Jahren die cimbrische Priesterschaft 
mit der vor griechischen in Verbindung stehen konnte wie He- 
rodot erzählt, welches nationelle Band zerrissen wurde, wie 
jene Völker Griechenlands vom Kelleuthume abfielen, sich se- 
mitisirten und Griechen wurden: dann begreift man, wie schon 
vor 2000 Jahren und in späterer Zeit das cimbrische Land so, 
starke und trefflich ausgerüstete Heere nach Griechenland und 



— 134 — 

Italien senden konnte. Wie jetzt Europa das ungeheure Ame- 
rica bis in die entferntesten Tlieile bevölkert, überall die 
gleiclie europäische Cultur hinbringt, so mag einst auf ähnliche 
Weise Europa von Asien aus bevölkert sein, und diese erste, 
civilisirte Einwanderung wird nur Einer Nationalität angehört 
haben, die Yrir als die keltische bezeichnen, vrenn sie auch in 
mehrere partielle Stämme zerfiel. Abgesehen von den für Europa 
nicht bedeutenden Slaven, Finnen und Basken^ herrschte über 
Europa nur Eine Nationalität, wenn auch in mehreren Sti^m- 
men, mit — im Allgemeinen — gleicher Industrie und glei- 
chen Institutionen^ daher überall die keltischen, sich so ver- 
wandten Alterthümer; aus diesen gingen die griechische und 
römische, später die neuern Nationalitäten hervor. 

Die griechischen Autoren, wie Strabo, Appian u. s. w. 
bezeichnen die Cimbri als Kelten ; die Alterthümer in den cim- 
brischen Ländern sind ganz gleich denen im gallischen Anno- 
rica und im brittischen Cambria^ in beiden Gegenden rühren 
sie offenbar von wälischen Kelten her , zu denen auch die Ctinbri 
werden gehört haben, welche daher die wälische Sprache ge- 
sprochen haben werden, oder deren Sprache dieser wenigstens 
ganz verwandt war; die einzelnen cimbrischcn Worte, die sich 
erhalten haben, lassen sich auch leicht aus dem -"Wälischen 
herleiten, wie Brennu» von brenin d. i. Oberfeldherr, Ar- 
. minius von armum d. i. Held, Anführer u. s. w.; auch konn- 
ten sich die Cimbri und Teutones — nach Angabe der Auto- 
ren — mit dem General Marius und mit den gallischen Solda- 
ten verständigen; die Römer schickten den Sertorius, welcher 
der keltischen Sprache mächtig war, in keltischer Kleidung als 
Spion zu den Teutonen, die daher wohl keltisch gesprochen 
haben müssen, Ton der teutschen Sprache findet sidi auch 
nicht die leiseste Andeutung« 

Erst im 3. Jahrh. erscheinen als eine fremde Nationalität 
d\$' '.Francis Sajcones^ Gothi u. s. w. Diese sprechen nicht 
keltisch, sondern gothisch, und durch diese entwickelt sich all- 
mählig, aus der einheimischen keltischen Sprache und dieser 
gothischen, die teutsche Sprache. Die cimbrischen Völker mit 
'der wälischen Sprache werden die Stamm -Eltern der jetzigen 
Niederteutschen sein, und wie diese jetzt in eine Reihe dy- 
nastischer Staaten vertheilt sind, so waren sie es früher in 
Conföderationen , deren jede eijien politischen Mittelpunkt 
abgab. 

§. 38. 

a. Nun ist von den Sitevi die Rede^ die nicht ein Volk 
{gens) bilden, wie die Chatten und Tencterer, sie ha- 



j 



135 — 



bcii den grössleri Tlicil Gcrmaiiietis iime, werden in 
eigene Nationen und Xamen gcscliicden, im Allgemein 
neu Sueii genannt. 



A n m e 



Auf wenig vcrsiändliclie 



gesngt: die Suevi l.ilden eine grosse Nnti» 
einzelnen VöUfCrn , die geiUcs, na/ioneg , 
■werden, oline den Worten eine Üedeuiiing 
aiiziigeben, wo nur die Suevi wnliiLicii, wie > 



Weise wird tn^4 
aliiät von vielefti 
nomina genannrl 
zu peben , olin^'f 
ie Völker licigsen,' i 



:ef«ss 



rden. J 



die unter diesem gemeinsamen Namen zusamtnengef 
Klarer spriclit SiraLo ülier die Suevi, die 
Soehi nennt, indem er {VII. 1. §. 3) sagt: „Zwischen Rhein 
lind Elbe liegt der liercynisclie Wald, liier wolinen die Völker 
der Soeben, zum Tbeil ionerhalli de» Waldes, wie Koldoutov 
id-yoi (wahrscbeiulicli entstellt stall Konadovinv d, i. Quadi, 
s. §. 42), bei welchen auch dag Duiaimon liegt, des Mnrobo- 
dos Konigssitz , wohin er seine Alarkoinannen versetzte (wohl 
Bojohemum in Böhmen). Dieser erhob sieb vom PriTBtmanne 
zu Siaatsgeschäften nach seiner Riickiebr aus Rom , wo er 
Ton August begünstiget vrar, aber zurückgekehrt hemäcbligto j 
er sich der Herrschaft, unterwarf sich viele Völker, auch drei 
Sennonen, die zu den Soeben gehörten. Die Soeben reichen^ 
liis lU den Geten (in Dacieu, das von Ungarn bis Bessarabieö '^ 
reichte) und sind das grösste Volk; ein Tbeil wohnt selbst J 
seits der Elbe, wie die Hermunduren und Lankobarden; -^^J 
ferner heisst es VII. 3. §. 1 : Vom südlichen Theile Germa- I 
riens, jenseits der Elbe ist das nächste Land von den Soeben | 
besetzt. Es berührt das Land der Geien erst schmal lang) ' 
der Donau hingestreckt auf seiner südlichen Seile und gegen- 
über längs der ISergseile des hercynischen Waldes, jedoch auch 
seihst einen Theil der Berge umfassend, hernach breitet es 
sich aus gegen Norden bis zu dSn Tyrigeten. Cäsar (bell. 
gall, IV. i) sagt: die Suevi sind das grösste und kriegeriacfa^e 
Volk in Germanien ; der Saje nach hegreift das Land WO 
Gaue {pagos), aus denen 100,1100 Bewaflnete in den Krieg 
ziehen können, wübrend die übrigen in der Heimatli zurück- 
bleiben und den Acker bauen; im nüchsien Jahre ziehen dies^ 
ins Feld, und so wechselt man. Er bemerkt dann: apud eos 
privali ac separati agri »ikil est, neguo longius anno 
remanere uiio m loco incolendi causa, licet, welcher Satz 
oben bei §. ^6 erläutert wurde, und sagt schliesslich: gie hal- 
ten es für das öffentliche W^dil am besten, wenn längs ihren 
Grenzen Getreideäcker fehlen {vacare agro»); hierdurch 
Tfverde angezeigt: dass eine grosse Zahl der Volker (civifa- 
tvm) ihrer Macht nicht widerstehen können, daher sollen auf 
der einen Seite der Suevcn 1500 agri vacare, auf der andern 



• -■ 



— 1*6 — 

Seite folgeu längs dein Rheine die Ubii. — Diese Wüstenei 
an der sue?ischeu Grenze ermähnen auch andere Autoren als 
Igr^fioi Boiwv^ deserta Bojorum (die das HaiiptTolk der Sue- 
ven waren); Plinius III. 24 bezeichnet sie aU Noria's jun- 
guntuTj also längs den Alpen* Diese Wüste ist noch heute 
TorhSoden und ist die berühmte oder berüchtigte baiersche 
Ebene zwischen München und den Alpen, die in ihrem ganz 
sterilen Zustande sich weit hin längs dem Fusse der Alpen 
fortziehet, sich auch zvrischen Wien und Wienetisch - Neustadt 
ausbreitet, wo der Boden nur aus Geschieben von Alpenkalk 
bestehet, auf dem nichts wächst, wo alle Saatfelder fehlen. 
Wenn die Römer glaubten , diese Wüste sei künstlich gemach^ 
so waren sie in grossem Irrthum. 

Ptolemäus führt nur an : Suevi L/ongohardi^ Suevi Angeii 
und Suevi Semnones^ die der Beschreibung nach etwa in des 
gebirgigen Gegenden des nördlichen Teutschlands gewohnt ha- 
ben, vom rheinischen Schiefergebirge bis nach Schlesien. Pli- 
nius lY. 24 sagt: Die Marus (d. i. die March, die Ton den 
Sudeten kommt und bei Presburg in die Donau fliesst) schei- 
det die Dacier Ton den Sueven, und lY. 18 rechnet er er 
den Hermiones die Sueyi, Hermunduri, Catti und Chenisci^ 
die wohl sue?ische Völker gewesen sein mögeii,- Unter Yer- 
fasser sagt nicht — wie schon erwähnt — welche Volker zu 
den Sueren gehören , aber aus der Folge derselben kann man 
abnehmen , dass dahin etwa gehören mögen : die SennoneSy 
Longobardiy Reudigneriy uäviones , Anglii y Varini^ Eu- 
dosesy Suardonesj Nuithones^ Hermunduri^ Marcomauni^ 
Quadi, Marsigniy Gothii , Osii, Buri) die Boji^ die ge- 
wiss ein suevisches Hauptvolk waren, erwähnt er, wie die 
Helvetii gleich Anfangs in §. 28. 

Allen diesen Angaben nach zogen sich die Wohnsitxe der 
•uevischen Völker längs der Donau herauf, von Ungarn bis 
fetiai Schwarzwalde, und längs dem Rhein herab, so weit er 
von Gebirgen begleitet wird, und. nördlich so weit als die Ge- 
gend gebirgig ist, bis dahin wo Niederteutschland beginnt; das 
snevische Land begriff daher gan» Oberteutschland, wie das 
^mbrische gan^ Niederteutschland. Weder die Donau noch 
der Rhein bildeten eine ethnographische Grenze, die galli- 
schen Völker links des Rheines, im eigentlichen (gallischen) 
Germanien, gehörten so gut der sue?iscben Nationalität an, 
wie die Völker rechts des Rheines in Germania magna. 

Herodot bemerkt 2 Mal, I. 34 und IV. 49: die Donau 
entspringe im Lande der Kelten, was auch Aristoteles (Meteo- 
rolog. L 13) wiederholt; nach Strabo (IV. 6. §. 9 wohnten 
hier die Soeben i die altgriechischen Schriftsteller sdieinen 



J*» - 

ülierhaiipt Jas suevisclie Land als das eigenlücLe KellÜiC be- 
zeichnet zu haben, auch als Galatia uud Gallin, 

Woher der Name Suevi oder Soebi staiamt, ist ganz un- 
, bekannt, siebet ifuhl iiicbc zu ermitteln, wie das bei den niei- 
^tteti Völkernamen der Fall sein wird; wenn aber J. Gfiinin 
j(ie»chic£te der teiitschen Sprache S. S22) den Namen einen 
kj^visclien Ursprung giebt, Sueven und SIäveii, naa im SlavU- J 
ftchen Freie heisat, ^ür gleich achtet, uud glauht: die Slavc 
jlütten ihre teu'tschen IVacldiarn Sueven d. i, Freie genannt| ^ 
ibiid die Teutschen hätten dagegen ihre slaviacheu Naclibarn 
l^lavi, d. i. Freie genannt, so dürfte solche Conjeclur 'wuhl I 
l^einer Berücksichtigung verdienen. 

Wie die ciinbrischea Völker in Ciminerien am ichvrarzei 
;.jBeere ein entferntes Mutterland haben mochten, so können I 
^uch die suevischen ein solches tief in Asien gehabt haben) i 

I Pioleinäu» nennt in Asien, im Lande der Skythen, ein 
^oik der Suebi tind der Suobeni, auch ein suebiaches Gebirge 
2aot;ßa 007}, Suebi niontes), in deren iVübe AInni undAIani- 
Jicylhae aiizeu; ungefähr wird man — den Angaben nach — 
^iese SiieLi in der Gegeoil des Ural zu suchen haben. Dieq^ 
^frerdeu scliun in sehr alter Zeil von gcythischen, vielleicht gcy 
iJiiscben Tölkcrn besiegt, auch wubl verjagt sein, die sie li hei 

selbs^ Soebi oder Suevi nannten, als solche später i 
Iropa erschienen; die«e goihisclien Suevi halten mit den gerraa- 
jiischeu wohl nichtg als den Nauien gemein, sie kamen mit den ] 
andern golliischen Volkern nacli Pannonien und Nor 
ceu mit den Alanen 406 nach Gallien und Spanien. 

Wie die weit verbreiteten cimbrischen Volker ihren Na- | 
1 erhielten von eiucin kleineu Volke, den eigeniliclien Ciin- 1 
1, die nur ein kleines Land, das eigentliche Cin " 
ifoboten, ao werden auch die sueviselien Völker ihren Nauies ] 

1 einem kleinen Vollie und einem kleinen Lande, 

eigenlLichen Suevia , erhalten habeiiK Wo diese eigentli^ll. 

Suevi wohnten, ist zwar nicht ganz klar, aber in dem altiel- 

tiüchen Lande, wo die Donau entspringt, wird man aie wohl 

zu suchen haben, um so mehr, da sich hier der alte Name 

des Landes uud Volkes — ala Schwaben — erbalten hat; ^ 

1 aber diese eigenilicbea Sueven scheinen, in der uns bekann- 

L teu Gescliichte, nie eine bedeutende Rolle gespielt zu haben, 

I ,vie es die Doji, Semnones, Markomannen u. s. w. thaien. 

Während bei dem cimbrischen Volke in Cimbria ein groa* 
, natiuualer, wohl religiöser uud druidischer Mittelpunkt 
[ ^g, Ton wo die grossen nationalen Unternehmungen, wie die 
l'Heerznge gegen Griechenland, Italien u. s. w. ausgingen, so 
ft'.scheint ein solcher bei den (uevischen Völkern gar nicht vor- 
T banden gewesen zu sein, daher auch die Römer bei Erobe- 



— 188 — 

rung der sueTiscIien Gegenden bis zur Donau und bis zum 
Rliein wenig ^^Iderstand fanden. 

Wir wissen nur von Einer Expedition, die ungefähr den 
Charakter einer nationalen trug. In dem letzten Jalirh. >. Ch., 
wo die Römer schon ihre Herrschaft über Gallien ausgebreitet 
hatten, waren die gallischen Sequani mit den Aedui im lieuti- 
gen Burgund in Krieg gekommen und wendeten sich um Hälfe 
an den suevischen Fürsten ArioTist, der ihnen 15,000 Mann 
Germanen zuführte, mit deren Hälfe die Aedui (72 v. Ch.) 
besiegt wurden, aber Ariovist wollte nicht wieder zurückgehen, 
verlangte Vs ^^^ Landes; nun verbanden nch die Sequani mit 
den Aedui gegen ihn, aber Ariovist besiegte sie, ward nun 
Herr eines grossen Theiles von Gallien; hier bildete er einen 
Militärstaat, unter welchem die meisten gallischen Städte stan- 
den , und hatte 100,000 Mann Germanen mit 10,000 M. Cavalle- 
rie unter seinem Commando, Die Römer, die erst um seine 
Freundschaft gebuhlt hatten, fürchteten nun seine Macht und 
sandten den Cäsar nach Gallien, der ihn (55 v. Ch.) über den 
Rhein zurückschlug, aber ihn in seinem Lande anzugreifen 
traueten sie sich nicht. Um das Jahr 5 n. Ch. ging eine sue- 
vische Armee von 70,000 M. über die Donau , drohete in Italien 
einzufallen, aber Drusus schlug sie und Tiberius schloat im J. 9 
n. Ch. Frieden. 

Die einzelnen Conföderationen der suevischen Volker wa- 
ren mit den Römern in fast steten Kriegen, die auch bis zur 
Auflösung des römischen Reiches dauerten, und in der letzten 
Zeit hatten die Sueven so gut als die Römer gothische und 
slavische Hülfstruppen , die das Land nicht wieder verliessen. 

Nach Tacitus (Annal. 12 — 29) hatte Drusus den Sue- 
ven einen dynastischen König, Yannius, gegeben, der in seinem 
Lande Festungen anlegte, jazygische (slavische) Reiterei unter- 
Juelt und durch viele Abgaben sich verhasst machte; er wurde, 
Hssonders durch Hülfe der Hermund uri und Ligii vertrieben 
und floh zu den Römern; nach Plin. IT. 14 reichte dieses 
vannianische Reich bis an Marus (die March), die es von Da- 
cien trennte, begreift etwa das jetzige Oestreich. 

Zwischen den suevischen und cimbrischen Völkern oder, 
nach jetzigem Sprachgebrauche, zwischen Ober- und Nieder- 
teutschland, gab es bei den Grenzvölkern stete politische Rei- 
bung, von welchen die Autoren vielfach sprechen; innerhalb 
der suevischen Lande erhielt in letzter Zeit die markomanni- 
sche Conföderation die grösste Macht, nachdem sie im Jahre 
12 V, Ch. unter Marobod die bojische besiegt hatte, und sich 
von Böhmen längs der Donau , durch Würtemberg, Baiern und 
•Oestreich verbreitete; sie tritt als mächtiger Feind der Römer 
auf, mit wechselndem Glück, besonders in dem sogenannten mar- 



koinannisclien Kriege (160 — 180 u. Cli.), der dcü HöwQra 
telir gefülirlich war. 

Im Laufe dieser Kriege besonders mögen Viele golLisclie 
.Beerliairfeii gcrufeD oder ein gewandert sein, die sidi tmoier 
terinelirlBD iiud nllmäliiig Herren des Landes wurden, wie wir , 
dies in vielen Gegenden finden. Neue Völker erscLeinen liier, 'I 
die golhisclie sein werden , wie die jirmalausi (in der tttbiiltk M 
Pevtingeviana"^ und die Sulhungi oder Vitungi (Arnuisn 17. m 
6); dieiie Gutlien nannten sicti woii) nncU dein eroberten Lande^ 
^llist Suari, wurden aucli Alainanui (von allmann im Wäü^l 
iclien, der Fremde) genannt. Die Alamnuni, mit oiFenbar go-J 
Iiiüclier Sprache, die nun Herren des Landes geworden sindj^ 
irerden um 214 u. Ch. zuerst genannt, und ein Alamannia 1 
41egt im suevisclien Lande am Main und Neckar. Diese go- 1 
.^seilen alamauDJaclien Heere führen nun die Kriege der Sue- I 
'■^Ba gegen die Römer fort, besonders »ua den jetzt würtein- I 
bergischea und baierschen Gegenden; gegen diese fechten fait I 
alle römiicUen Kaiser, Soverus (236> , Claudius (268), Aure- ■ 
«an (271), Probus (277), Moniminian (287), Julian (356), ' 
Gratian (378) , können «ber nichts als die römische Grenz- 
'linie hehnupten. Wie die gothi^chen Franken in dem clinbri- 
sehen Lande endlich über den untern Rheiu gehen, geben 
Auch im b, Jahrh. gotliische Alamanni über den miitlern Rhein, 
'verbreiten sieb über Helvetien und Gallien, wa sich überall 
ileiue alamaunische Reiche liilden, werden aucli bald christ- 
lieh. 496 werden diese alamaoniscben Reiche am Rheine tub 
Chlodwig besiegt und Alamanuia mit dem l'Vaukenreiche ver- fl 
bunden. fl 

Die siievischen Völker waren an sich rein keltische mit 
licitischer Sprache, aber sie werden nicht den walischen Di^- 
lect gesprochen haben , der in den cimbrischen Lündern 
herrschte; ob man aber den gäliachen oder, wie fast wahr- 
scheinlicher, den thrakischen sprach, mnss dahin gestellt ble^ 
ben. Zu dieser keltisclien Einwohnerschaft kamen seit etwa 
dem 3. Jahrh. gothische Heerhaufen, mit goibischer Sprache 
und güihiscbeu Institutionen, die sich hier festsetzten, Lflnd- 
guter erwarben, Herren des Landes wurden, den Adel bilde- 
ten, um die sich Alles scbaarte, sich aber mit der keltischen 
Einwohnerschaft mischte, wobei das keltische und gothische 
Wesen allmählig unterging nnd sich eine neue Nationalität, die 
tentsche, bildete, mit einer neuen Sprache, der teulschen, auf 
deren gteichroästigc Bildung die wandernden Barden viel Eiu- 
4uss geübt haben mögen, die von einem Fürsten- und Edel- 
Jiofe zum andern zogen, wodurch der Grund zu einer ziem- 
' iich gl eich massigen Dicbtersprache gelegt wurde, aus welcher 
die Litternturspraclie herrorging. Wie nach Verlauf von etwa 



— 140 ~ 

5 Jahrlili. das Volk zu schreiben beginnt, die ersten Schrift- 
proben auftauchen, so spricht und schreibt man nicht, mehr 
keltisch und gothisch, sondern teutbch. Weil der keltische 
Dialect der suevischen Völker ein anderer yrar, als der der 
cimbrischen Völker, so entwickelte sich bei jenen die hoch- 
teutsche, bei diesen die plattteutsche Sprache. Die Alainaniii 
heisten, wenigstens seit Anfange des 9. Jahrb., meist Teutonici, 
und TOD diesen verbreitete sich der Name : Teutsche und teutscL, 
allmählig über ganz Germanien. 

b. Ein Zeichen des Volkes ist es^ dtss sie ihr Haar 
schräg scheiteln (pblii/uare) und in einen Knoten bin- 
den (^nodo subsiringere')] so unterscheiden sich die 
Sueven von den übrigen Germanen ^ so unterscheiden 
sich die freien Sueven von den Knechten. Bei andern 
Völkern geschiehet dies selten (tw aliis gentibus ra^ 
rum) , entweder wegen Verwandtschaft zu den Sue- 
ven, oder häufiger noch aus Nacliahmung, aber nur 
von der Jugend. Die Sueven lieben bis ins Greisen- 
alter schreckliches (oder struppiges) Haar {ho^^endum 
capillum')y binden es oft allein auf den Seheitel (saepe 
in solo verfice ligant)] die Fiirsten (principes') tragen 
es geschmückter, das ist Sorgfalt für das Aeussere, 
aber unschuldige; nicht um zu lieben oder geliebt zu 
werden, sondern zu schrecken, höher, wenn sie zum 
Kriege gehen ^ in den Augen der Feinde geschmückt 
bedienen sie sich dieser Zier. 

Anmerkung. Dieser Passus enthält zwar etwas That- 
sächliches, aber er ist fast darauf angelegt, dies unverständ- 
lich zu machen, oder mit yielen Worten nichts Klares zu sa- 
gen. Die Sueven sollen sich dadurch auszeichnen, dass sie 
das Haar obliquare, was wohl nur schief scheiteln bedeuten 
kann, und nodo substringere , was Unverstand lieh ist, denn 
das Haar in einen Knoten binden, ist als Volkstracht nicht 
wohl möglich, man kann wohl nur an einen Zopf denken; da 
es heisst: hierdurch unterscheiden sich die Sueven von den 
übrigen Germanen, so fragt man natürlich: wie diese ihr Haar 
trugen'? Weun es Jiun ferner heisst, bis in ihr Alter horren- 
dum capiüum ullro sequuntur^ ac saepe in solo vertice 
Ngauty so widerspricht dies dem ersten Satz, denn ein ge- 
scheiteltes und in einen Knoten gebundenes Haar ist kein 
struppiges, und in nodo substringere ist etwas anderes als 
in vertice ligare. Nun heisst es : prineipes ornatiorem^ also 



- I« — 

geschmüclcter habettt, wns gleichsnin erklüri wii'd durch in 
altiludifiem quandam tt terrorem compti. Eiüe klare, ein- 
fache Besclireibiing von der hei den Siieven üblichen Hnar' 
tracht erhält man hier gar nicht, ungeachtet der vielen Worte, 
Mehrere gallische Völkerschaften trugen einen Zopf, in- 
dem das Hnnr, lusammengebunden wurde, wahrscheiiiticU war 
dies auch bei den suevixchen Völkern der Fall. Die Gothen 
trugen langes, wallendes Haar, vielleicht auch die ciinbrischen 
völlter; die Knechte halten wohl geschorenes Haar. Die ger- 
manischen Frauen werden ihr Haar geflochten und in einen 
Kauz gedrehel haben, etwa wie gegenwärtig es geschiphet, 
. ji'ie aus den meist grossen Haarnadeln zu scIilfeHsen ist, die in 
fast allen germanischen Grabern sich am Hiuteiknpfe der weib- 
lichen Leichen finden. Der jetzt so sehr verrufene Zopf wird 
eine iirnlre Iteliische und germanische Tracht sein, «ar nicltf 
"Sie Erfindung der neuem oder mittlem Zeil. 



llPür die älteslen und edelsten der Sueveii halten 

die Semnanes. Der Glaube des Alters wird diircli di«'^ 
Religion ttestärlft. Zur fcstgescizten Zeit versammeln 
sich in einem Walde, heilig durch die Augnrien der | 
Väler und alten Schauer, als blutsverwaiidtfi Volke? J 
durch Gesandtschaften, und feiern mit einem, für ds» J 
Allgemeine gelödtotcn Menschen, des barbarischen G&« J 
branches grässliclieu Eingang. .\uch erweiset hiaii'T 
dem Haine auf andere Art seine Ehrfurcht. Niemand ] 
betritt ihu , wer nicht mit Banden gefesselt Qnisi 
culo ley<tius')f >»^^ geriugcr und die Macht der Gott^ 
heit Ober sich bekennt. Wenn er Kulallig hinfallt^H 
ist es nicht erlaubt sich aurrichlen zu lassen und i 
znsfeheii; auf den Boden werden sie foitgewälzl; dar^ 
auf bezieht sich der ganze Aberglaube (eo iimith äk4-1 
pcraiHio respicit), dass dort gleichsam der Ursprung, 
des Volks, dort der Herrscher, der Gott über Alles/ ' 

' das Uehrige unterwürfig und gehorsam sei {ibi rcg)ia~' 
tor omniiim Dens, cetera siibjecta ali/iie parentiitV 1 
Die Autorität unterstützt das Glück der Semnoneu^ 

H sie bewohnen lÜO pagos { wegen ihrer grossen Masse 

' hallen sie sich für das Haupt der Sueven. 




— 142 — 

ADinerknng* Dieser $ ist eben lo aufifillig iveg^n dessen, 
was er sagt, als was er nicht sagt; gewiss aber erfahrt man 
hier diircli Tiele Worte nichts Wesentliches, und was man er- 
fahrt dürfte Unwahres sein. Wenn es in der 2. Zeile heisst: 
fidtn antiquitatU religione firmatur, so hat dies keinen 
rechten Sinn. Von Zeit zu Zeit sollen allgemeine YolksFer- 
sammlungen gehalten werden, beschickt durch Deputirte aller 
stammverwandten Völker; Ton ihrem Zwecke wird nichts er- 
wähnt, sie sollen aber mit einem Menschenopfer beginnen, 
was nach allem , was wir über die Germanen wissen , höchst 
anwahrscheinlich ist; alle Theilnehmer sollen gefesselt in die 
Versammlung gehen, und wenn einer fallt, darf er nicht wie- 
der aufstehen, sondern muss herausgewälzt werden, was so 
ganz gegen den Geist des germanischen Volkes ist, das — wie 
der Verfasser sagt — in alle Versammlungen bewaffnet ging, 
dass dies als eine handgreifliche Unwahrheit erscheinen dürfte. 
Der folgende Satz: ibi regnator omnium Deus, cetera ob- 
jecta alque parentia, klingt so ganz nach christlicher An- 
schauung, düifte mit der pantheistischen , die bei den keltischen 
Völkern, auch wohl in Germanien herrschte, gar nicht in Ein- 
A klang stehen. Das Haupt der suevischen Völker waren die 
Semnonen zur Römerzeit (im ersten Jahrh. yor und nach Chri- 
sto) gewiss nicht, da sie hier kaum erwähnt werden, nie mit 
den Römern zusammentreffen; und die iOO pagi, die ihnen 
unser Verfasser giebt, sind ohne Zweifel wohl dieselben, welche 
Cäsar den Sue?en überhaupt zuschreibt. Was man Ton einem 
Geschichtschreiber fordert, Nachrichten über die Wohnsitze, 
die Geschichte und Institutionen der Semnonen, davon sagt 
unser Verfasser gar nichts. 

In alter Zeit waren die Semnonen ein wichtiges Volk, be- 
sonders jenseit des Rheines in Gallien^ sie wohnten hier im 
nördlichen, belgischen Gallien, in der obern Champagne, 
welche Gegend bis in die neuere Zeit Sennonoia hiess, neben 
den Parisii, und Cäsar ())ell. gall. V. Ö4) nennt sie einen beson- 
ders mächtigen und angesehenen Volksstamm; ihre Hauptstadt 
war Agendicum, jetzt Sens in der Champagne. Als um das 
Jahr 630 v. Ch. eine grosse Schaar belgischer Gallier un- 
ter Belloyes nach Ober -Italien zog, bestand diese ^ wie Livius 
erwähnt — vorzugsweise aus Sennones und Boji, die seit die- 
ser Zeit auch häufig dort erwähnt werden j wo sie mit den Rö* 
mern häufig Kriege führen, bis GalHa cisalpina im Jahre 222 
V. Ch. römische Provinz wurde. Der Sage nach führte gleich- 
zeitig mit dem Bellovesus (630 v. Ch.), sein Bruder Sego- 
vesus eine andere belgische Schaar nach Germanien, wo sie 
im hercjnischen Walde Wohnsitze nahmen; dieser Nachricht 
nach werden daher die Semnonen in Grermanien. Gallien und 



- Uf*^ 

Ober-Kalien der gleichen Nniionaliräl angeliort, gleiclie Spra- 
chen und inslitiiiionen gehabt haben. 

Ihre Wohnütze wnren zur röinischen Zeit Im Dörclliclidl 

'Teutschland, am östlichen Ufer der Elbe, vielleicht hinter Mm 
deliurg und Dresden, also wihl noch iin^iercynischen Watd 
I der Grenze der cimbrischen Völker; daher trafeD ai^ 

.die Hüiner auf ihren Heerzügen in Germanien nie auf Bem- 
uoiieii; Vellejiia (II. 1G6) bemerkt ansd rück 1 ich : die Römer 
würeu bis zur Albis Turgedntiigen, der an der Grenze der 
^emnonea und Hermunduri hin flieste. Plulemüits setzt sie 

l^vischeu die Flüsse Albia (Elbe) und Snevus (Oder); nordlich 

',,T(JU ihnen wuhnen Teuloneg, südlich von ihnen Siltngae (aus 
denen vielleicht durch slavische Umwandlung Sr'lezi, Slezi 
vnd daraus Sdilesinger wurden), vor ihnen, nach der Donau 

,(U, wohnten Boj'i und Marc.manni. 

.ächtige gallo -germanische Heer aus 300,000 Mann, 

|#elches um 390 v. Ch. nach Italien zog und Rom eroberte, 
^^ vöTzugsweiae aus Hyperboreern (cimbrischen Völkern) 

^nud Semitonea (s. Livius V. 37 und Florua I. 13). In dein 
^riege der Römer ßegeu die Samnitcs treten mit diesen ftuvh 

Jmnones und Boji auf, wurden aber '290 v. Ch. geschlagen. - 
enig spüler erfolgte der grosse Heereszug der Germaueo nach 
^^ iechcnlaiid, an denen Tor^ugsweise Chubri und Semnoncs 
teilnahmen; das Heer plünderte V78 den Tempel von Delphi ua4 ■ 
zog dann nach Kleinasien, «o es ^ich am Flusse Halys festsetzl^jl 
<^a Staat Galaiia orientalis bildend, der 
"rovinz wurde; nach dem heiligen Hieronymus, der um 392 
. Ch. schrieb, sprach man dort Doch zu seiner Zeit gallisch, ^^^ 
'ie um Treiiros. W 

Die Homer kamen, wie schon erwähnt, mit den Serononen 
in keine direcle Berührung; um das Jahr Vi v. Ch. besiegte 
Marobodus mit seinen Markomannen die Semnoneu, und sie ge- 
horten nun zu dessen Reiche (s. §. 4^), wie auch der Geschicht- 
gchreiber Tacitiis erzählt, der noch erwähnt (Annal. II. 45)^ 
d.-iss sie um das Jahr 17 n. Cb, mit den Longobarden zu dfl;n.J 
Cheruskern unter Arniiuius übergingen, der in einer Schlacht I 
über Marubudus siegte. Um das Jaiir 80 n. Ch. erseht iut ein | 
König der Semuonen, Itlnsjus, in Rum und gehet vom Kai: 
Domitian freundlich beh.ii.dell dann zurück (Bio CassiuB i^ 1 
J)j zur Zeit der tnnrkn manischen Kriege (i60 — 18(.') werden ' 
aie zuletzt genannt (DioCassius 71.20); ihr Name rerscliwin- 
( 4«t nun. 

Oh in die semnunischen Länder g'ithische Heerscluinren ge-- 
mmen sein mögen, wissen wir nicht, allein seit etwa dem 6tea 
^ahrh. aberschwemmlen Siaven diese Gegenden ostlich der Elbe, 
tjiuch Oofimen, welche die keltische Einwohnerscbaft slavisirl ha- 



— 144 — 

ben mögen. Erst seit Karl dem Grossen ^ bringt das ttentsche 
Element hier vor. 

Wir sehen hier wieder, wie der Rhein gar keine ethno- 
graphische Grenze bildet; die Semnonen die in Gallien wohn- 
ten nnd der helgisehen Confoderation angehörten, wie die Sem- 
nonen die in Germanien am Ufer der Elbe wohnten, zu den 
suevischen Yölkern gehörend, werden der gleichen Nationalität 
angehört haben, mit gleicher Sprache nnd Sitte; ohne Zweifel 
> sprachen die gallischen Semnonen noch im 4ten Jahrh. gallisch 
d« i. keltisch, nnd dieselbe Sprache wird bei den germanischen 
Semnonen, wie bei allen snevischen Yölkern geherrscht haben. 
Weil eben an beiden Seiten des Rheines eine gleiche Nationa- 
lität mit gleicher Sprache wohnte, gab es in alter Zeit hier 
keine Grenze; man nannte diese Nationalität in ältester Zeit 
die keltische, dann die galatische oder gallische, erst in der 
Römerzeit bildete die Rbeingegend eine politische Grenze, man 
unterschied zwischen Galliern und Germanen. 

§. 40. 

^ a. Die Longobardi dagegen adelt ihre geringe Zahl; 
umgeben von vielen und kräftigen Völkern^ finden sie 
ihre Sicherheit nicht im Gehorsam, sondern in Schlach- 
ten und Gefahren. 

Anmerkung. Von diesem Volke wird , ausser dem Ka- 
men, durch alle Worte eigentlich gar nichts gesagt^ was frei- 
lich weniger als wenig ist, leider giebt auch die übrige Litte- 
ratur höchst dürftige Nachrichten; und da neben diesem ger- 
manischen Volke ein gothisches mit gleichen oder ähnlichen 
Namen, wenn auch in einer ganz andern Gegend erscheint, 
so wird dadurch dieser Gegenstand dunkler. 

Die Autoren nennen im nördlichen Germanien ein Volk; 
dessen Name sehr yorschieden geschrieben wird, Langobardij 
AayyoßaQdoi^ AaxxoßuQÖot ^ Aayxofragyot etc.; in den Krie- 
gen mit den Römern wird es eigentlich gar nicht genannt, der 
Name rerschwindet nach dem ersten Jahrh. gänzlich^ es scheint 
daher ganz ohne politische Wichtigkeit gewesen zu sein. 
Strabo erwähnt es als ein sueyisches Volk, anführend: 
dass es auf das östliche Ufer der Elbe gezogen sei; es 
scheint daher beide Ufer bewohnt zu haben. Vellejus II. 
106 erzählt: Kaiser Tiberius (durch seinen General Drnsus) 
habe die Lan^bardt — getis gcrmana feritate ferO' 
ctor — geschlagen und sei nun bis zur Elbe vorgedrun- 
gen (9 V. eh.). Nach dem Geschichtschreiber Tacitos (AnnaU 
11. 45) gehörten zu dem markomannischen Reiche anter König 



♦ — 14S — 

MnroboduB (das aeit 12 n, CIi. bedeutende Eroberungen gemacht 
I hatte) auch die suevischen Völker, die Seinnonen irnd Lango- 
kbordeu; als nun gegen dea Mnrobodus der Clieruskcr-Fürsl 
■.Arminius feiodlich auftrat, so traten (im Jahre 17 n. Cbr.) die 
tSemnoneg und Langobardi auf seine Seile, und die Schlacht 
I fiel zu Gunsten Armins aus. Nun bricht die Geschichte der 
l^rmnnischen Langobarden ab. 

" . Plolemüus setzt die Lakkobardi in die Gegend der uo- 
terD Elbe, etwa in das Lüneburgischo ; erwähnt auch Sueri 
Jjongohardi uimeit des Rheines, etwa in der Gegend der 
Lippe oder Ruhr; wie diese hierher kommen, begreift mao 
picht wohl; diese Gegend war deu Hörnern sehr genau bekannt, 
aber die ülirige Litteratur kennt hier keine Longobarden, Jj 

Allem diesem nach durfte es ein germanisches und zwar sue- 1 

Tisches Volk an der untern Elbe gegeben haben, welches Lak- 
tiobardi oder ühnlidi hiess, aber gaus ohne politische Bedeu- 
tung war. Anzunehmen, dass dieses ein goihisches Volk ge- 
vcBen , welches, etwa als Vorlrab der spülern Invasion, schon 
vor dem ersten Jahrh. hier eingetrolfco und angesiedelt sei, 
Bcheiui mir um so unwahrscheinlicherj da nichts darauf hindeu- ^ 
tet und diese Lakkobarden gleich gäuziich in Germanien yer- ^ 
schwinden. In jenen Eibgegenden lag im Mittelalter ein Bar- 
dengau; ob aber dessen Name mit den Langobarden tu einer 
Beziehung steht ist zwar möglich, aber nicht nüher nachzuweisen. 
Ganz »erscbieden hiervon dürfte ein goihisches Volk mit 

ähnlichem Namen sein; die Longobardi oder JLombardi, oft 

auch Gepidi genannt, die ihrer Stnmmsage nach finili hies- ^^M 
Ben, und erst nach einer Schlacht mit den Vandali sich Lon- ^^M 
gabardi neaneo. Sie werden um 379 o. Ch. zuerst genannt ^^| 
in der Gegend der untern Donan; Kaiser Justinian ruft sie gO" ^^| 
gen die Gothen zu Hülfe, nahm sie 527 in Pannonien au£t ^^M 
nachdem sie hier etwa 40 Jahre sassen und arianische Christen ^^| 
geworden, überlassen sie das Land den Araren, ziehen nach ^^M 
Noricum (welches die Rugii verliesscn) und stifteten das Hei^ ^H 
zogthum Friaul (um Udiue), gehen dann nach Ober- lialien, ^| 
wo sie feste Wohnsitze nehmen in der von ihnen genannten ^^| 
Lombardei, sich hier Land und Frnchtzinsen anweisen iiessen, ^^| 
Alboin nun König von Italien wird, der in Pavia seine Residenz ^^| 
nimmt. Seit dessen Tode 574 bleiben die 36 gothisciien Her* ^^| 
zogthiimer nur schwach verbunden und werden 774 von Karl ^^| 
dem Grossen mit dem fränkischen Reiche vereinigt. ^H 

Diese Lombardi oder Longobardi^ die aus den scyti> ^H 
sehen Landen gekommen sein werden, waren ein rein gothisches ^H 
Volk; ihre einheimische Sprache wurde jetzt hier zur Schrift- ^1 
Sprache erhoben , indem der Bischnf Ulfilas die Evangelien in 
dieselbe übersetzte, von denen uns Bruchstücke erhalten sind, 

KcferiUio, kelt. Altcrlb, III. Bd, ). Abtb. 10 



— 146 — 

ifelclie die Grundlage unserer Kenntniss der gothiftcheii Sprache 
bilden; eine gleiche oder ähnliche Sprache werden alle gothi- 
fchen Völker geredet haben, die allroählig Europa eroberten. 

Ueber die Invasion dieser Longobardi haben wir die toII- 
ständigsten Nachrichten, und ähnlich werden wohl alle gothi- 
sehen Völker bei ihrem Auftreten in Europa gehandelt haben. 
Es war ein gut disciplinirter Heerhaufen, der iu Ober -Italien 
einrückte; die Anzahl der Gothen wird nicht bedeutend gross 
gewesen sein im Verhältniss des occupirten Landes, wo sie 
sich nach Stand und Wurden Landgüter und Fruchtzinsen 
anweisen Hessen; sie übernahmen die politische Regierung und 
militairische Vertheidigung , Hessen aber sonst Alles beim Alten, 
jeden bei seinem Rechte. Sie brachten dem Lande zwei grosse 
Wohlthaten : Verminderung der Abgaben, die in den römischen 
Provinzen sehr hoch waren, Niederschlagung der in allen kel- 
tischen Ländern heimischen Parteiungen, und grosse Sicherheit 
des Eigenthums. Ober -Italien ist fast nie so glücklich und 
blühend gewesen als unter der longobardischen Regierung, auch 
wurden diese Gothen strenge religiöse Christen , baueten viele 
Klöster und Kirchen. Aber der Friedenszustand mehrerer 
Jahrhunderte brach die Nationalität dieser Krieger -Kaste; ihre 
Familien amalgamirten sich mit den keltischen und römischen, 
eben so di& Sprache; dasGothische, Keltische und Lateinische ver- 
schmolz sich in eine neue Sprache, die italienische; Gothen, Kelten 
und Römer wurden zu einer neuen NationaUtät, der italienischeo. 

Diese gothischen Lombardi und die germanischen (kelti- 
schen} Lakkobardi haben wahrscheinlich nichts gemein, als 
eine Namens -Aehnlichkeit, die allerdings sehr auffallend ist; 
schon im Mittelalter suchte man beide in Verbindung zu setzen 
und dunkle Sagen hatten sich darüber gebildet. Diesen legt 
neuerlichst J. Grimm (Geschichte der teutschen Sprache 1848 
S« 686) historischen Werth bei und sucht auszuführen ^ wie die 
Langobarden an der Nieder -Elbe Teutsche gewesen (also mit 
teutscher Sprache), aus ihren Wohnsitzen ausgewandert wären,, 
und nach langen Irrfahrten (auch durch das Land der Amazo- 
nen), endlich sich in Pannonien niedergelassen hätten und von 
da nach Italien zogen, wo sie nun als Gothen auftreten. Hier- 
gegen möchte nun zn erinnern sein: dass gothisch und teutsch 
doch nicht gleich ist, und dass geschichtlich über jene Wande- 
rung nicht das mindeste bekannt ist; auch gedenken die Lon- 
gobarden in Italien nirgends ihrer alten Wohnsitze an der un- 
tern Elbe, geben nie eine Andeutung an dieselben. 

b. Die Reudingi, dann die AvioneSy Anglii, Fa- 
rini und Eudosi und Suardones und iVutfAo- 
nes werden durch Flüsse und W&lder umschirmt. 






— 147 — 



Anmerkung. Hier werden hinter einander 7 gennanl- 
#c]ie Volker genanni; von dcu meisten weiss die Liitcratur gai ■ 
^jchts, iiud da aucli der Veriasser gar nirLts toh ihnen sagt, ] 

f> mögen sie nur fuigirtc Völker sein, mit deren INamen sich 1 
er Verfasser einen Scherz gemaclit hat. I 

'' Die RcudiHgi und die Avione» werden — so Tiel mir 1 
«ekannt — nirgends in der Ltiteratur genannt, nicht einmal J 
lAhnliche Namen kommen vor, auf die mau etwa conjecturi- J 
jren könnte. | 

Die Aiiglii kennt anch keiner der Autoren. Ftolemüiu 1 
nt hei den Sueven Suevi jingU, etwa in der Gegen^a 
'^wisclien Weser und Elbe; es kann daher ein germanisches 
.^olkchen dieses Stammes gegeben haben. In der nachromi- 
'jnischen, goihischen Zeit erscheinen neben den gotliischen oder 
.leutscken Saxones auch Angin als ein wichtiges gothisches 
Tnik, das vorzugsweise an der untern Elbe, im heutigen Scbles- 
irig wohnt; diese vorzüglich setzen im ölen Jahrh. nach dem 
^Itischen Britannien über, wo sie unter dem Namen Angel- 
•atshsen bekannt waren; aus ihren Eroberungen bilden sie g4r 
rj^ische Territorien oder kleine Königreiche, theils unter deu j 
^Iten Namen, wie Mercia, Offa, Deira, Canlium, theiU I 
unter neuen, wie Suthsexis, Wesaejc etc., bis diese später I 
zu einem angelsächsischen oder neu englischen Reiche verei- ] 
nigt wurden. Ob diese gothischeu jiiigli ihren Namen von I 
einer germanischen Nation entlehnt haben , muss dahingestellt J 
bleiben , ist aber nicht uamögHch. J 

Die Varini führt bloa Plin. IV. 28 an als eine Völker- I 
'Schaft der Vindili, die wahrscheinlich die Avarini oder Vi- 1 
ruHi, Ouirovinoi des Ptolemäus sind (s. die Bemerkung zu I 
§.2), in der spütern Zeit erwähnt l'rocop. (bell. goth. 4. 20) J 
y'arini neben Pranken in der Gegend der Rheinmündungeiit I 
El) kann ein germanisches Volk gegeben haben, die Varini A 
oder ähnlich hiessen, nüch welchen sich die gothischen Erube*' I 
rer auch nannten. Noch ist ein alles Volksrecht vorhanden, 1 
das etwa aus der Zeit ICarls des Grossen stammen mag , über» I 
schrieben Lex ^nglorum et Werinorttm hoc est Thuringo-, I 
rwm, in welchem das germanische Wergeid als Norm dient} 1 
es scheint dies vorzugsweise das germanische Volksrecht dieser J 
Gegenden zu sein, welches in teutscher Zeit publicirt, oder 1 
officiell promulgirt wurde. , 1 

Eudosi, Suardones und Nuithones oder Vilhones siii4 1 
ganz unbekannte Namen, die nirgends erwähnt werden, aof I 
die sich kaum eine Conjectur machen lüiist. ' 

c. Nidtita ist bei diesen Völkern bemerkenswerth, als dasa 
8ie alle die Hertha verehren, dies ist tlie Mutter Erde 



— 148 — 

(terra matre)^ und dass sie glauben, diese wirke 
ein auf die Angelegenheiten der Menschen und fahre 
unter die Völker (invehi populis'). Es ist auf einer 
Insel des Oceans ein heiliger Hain, und in diesem ein 
geweiheter Wagen mit einem Gewände verhüllt, den 
zu berühren nur einem Priester erlaubt ist; dieser weiss? 
wann die Göttin. im Heiligthume ist^ und begleitet die 
von Kühen gezogene mit tiefer Ehrfurcht. Dann fröh- 
liche Tage 9 lustig die Orte^ welche sie der Ankunft 
und des Gastbesuches würdiget. Nicht Kriege begin- 
nen^ nicht Waffen ergreifen sie, alles Eisengeräth ist 
verschlossen, Friede und Ruhe sind dann nur bekannt, 
werden nur dann geliebt, wenn der Priester die des 
Umganges mit Sterblichen (suiiatam conversatione mar- 
ialium') gesättigte Göttin in den Tempel zurückbringt 
{iemplo reddaf). Dann werden Wagen und Giewänder 
(vehiculum et vestes^ und, wenn man es glauben will, 
die Göttin selbst (numen ipsum)y im geheimen See 
gewaschen (secreio lacu obhniur'), Sciaven sind dabei 
beschäftiget, die sogleich derselbe See verschlingt 
(kaurit); daher das geheime Grauen und die heilige Un- 
kunde (sancta ignoraniia) dessen, was nur dem Tode 
Geweihete schauen. 

Anmerkung. Wenn irgend eine Stelle der Germania 
die klaren Spuren der Falschheit trägt, so ist es wohl diese. 
Die hier erwähnten Völker gehören dem Zusammenhange narh 
zu den sueyischen, die im Innern Germaniens, nicht an der 
Küste wohnten, aber ihr religiöses Heiligthum soll auf einer 
Insel des Oceans liegen, unter welchem hier nur die Ostsee 
Terstanden werden kann. Von den Institutionen und Gebräu- 
chen der Völker, die hier wohnten, wussten die Römer, ancii 
zu Zeiten des Geschichtschreiber Tacitns, so wenig, dass man 
sich recht wundern muss, wie unser Verfasser hier ausserordent- 
liche Specialien über einen Cultus zu sagen weiss, der ganz 
absonderlich erscheint. Jene Völker sollen also eme GöttiB^ 
mit Namen Hertha oder terra mater verehren, die nicht eine 
ideale Person auch nicht eine Puppe ist, sonderil wohl mensch- 
liches Fleisch und Bein hat, da sie Kleider trägt, mit den Sterb- 
lichen conversirt und ihren Wohnort in einem Tempel hat« Sie 
wird Von Zeit zu Zeit im Lande spazieren gefahren, wobei 
alles lustig ist nnd alles Eisen yerschloasen wird {amme fer- 



- 149 — 

mm clausum); gesaltiget von aller Freude kelirt sie endlicli 
zu ilirem Tempel zurück, ilir Körper wird gebadet, ilire Wü- 
sche gewiiBclien, wobei — um ein trngisclies Ende zu geben — 
»He die helfenden Diener vom See veracliiungen werden. 

Alles dieses Hegt ganz .tusserbal ti der Cultus-Gebräuche 
der Germanen, der Kelten, selbst der Gutben und lieidnischen 
Tetitächeu; nncti sagt unser Verfasser selbst §, 9: die Germa- 
nen achlieuen die Göctitr weder in Mauern ein (haben Tem- 
pel), nncli geben sie ihnen eine menschliche Gestalt; als Göt- 
ter führt er hier an den Mercur, Hercules und Mars, niclit 
aber eine Hertha, die auch bei den keltischen Völkern nie er- 
wähnt wird. Auch dass die Sciaien der Gölltn für ihren Dienst 
mit dem Leben büssen anltcti, därfle ganz ausser dem Geiste 
des germanischen und kellischen Cullus liegen. Diese ganze 
£rzählung dürfte nichts sein , als eine leere Erfindung des 
Verfassers, 



§ 41. 

Und dieser Thcil der Sueveii erstreckt sich bis in das 
Innere Gevnianiens (in secreHora Germartiae'). Näher 
ist — wenn ich, ivic vorher den] Kheinc, jetzt der Do- 
nau folge — der Staat der Ilermunduri, treu den 
Römern; daher mit ihnen auch^ den einzigen unter den 
Germanen, nicht am Ufer (der Donau} der Verkehr, 
sondern im Innern des Landes und in der glänzenden 
Püanzstadl {coJonid) der römischen Provinz. Hie und 
da und ohne Wache gehen sie herüber (über die Gren- 
ze). Wenn wir den andern Völkern unsere Waffen 
und Lager nur zeigen, so öffnen wir diesen unsere 
Häuser und Landsitze, ohne dass sie es begehren. 
Im Gebiete der Hermunduren entspringt die Elbe, 
berühmt und bekannt vormals, jetzt hört man nur 
von ihr. 
Anmerkung, Dieser §, dürfte doch wobl mehrere hand- 
greifliche Unwahrheiten enthalten. Wenn es heisat: der Ver- 
fasser wäre bei Aufzählung der Volker bis jetzt dem Rheine 
gefolgt, 90 wobnien doch alle zuletzt erwähnten Völker sehr 
entfernt vom Rheine; und wenn es heisst: er wolle nun der 
Donau folgen, so wobnien die Hermunduri, die er zuerst er- 
wähnt, wohl sehr entfernt Ton der Donau, mitten in Germa- 
nien, Die aplendidüsima colonia Rhaeliae provinciae, de- 
ren Name nicht genannt wird, kann wohl nur Augtiata yin~ 



— 150 — 

delicorum, das jetzige Augsburg sein. Wenn es nun.heisst: 
dass die Hermunduren die einzigen Germanen Mriiren, die hier 
Handel trieben, die frei in das römische Gebiet einfrätenj de- 
nen überall Thor und Tbur geöffnet ständen, die treu den 
Römern ständen, so steht das Alles sehr zu bezweifeln; die 
Hermunduren wohnten mitten in Germanien^ etwa im heutigen 
Thüringen, daher sehr entfernt von Augsburg; und der Ver- 
fasser sagt §. 5: im Innern Germauiens wurde nur Tauschhan- 
del getrieben; ob in dem Lande der Hermunduren wirklich die 
Quellen der Elbe lagen, steht auch zu bezweifeln, da* die 
IBoji in dieser Gegend gewohnt haben mögen; und der letzte 
Satz: JLlbis flumen incUtnm et notum olim, nunc tantum 
audituVy ist selir unklar. Der Geschichtschreiber Tacitus er- 
wähnt die Hermunduri mehrfach; was er aber sagt, steht 
mit unserm Verfasser gar nicht in Einklang. Er erzählt (An- 
nal. n. 63): der markomannische König Katiialda (der etwa 19 
n. Ch. zur Regierung kam und in Böhmen seine Residenz 
hatte, sei durch die Heeresmacht der Hermunduren unter An- 
führung des Vibilius verjagt; — ferner (Annal. Xlf. 29): etwa 
um 51 n. Ch. habe Vibillius, König der Hermunduren, dea 
Vannius, König der Sueyen (Markomannen) vertrieben mit Hülfe 
der Lygier und Jazjgier, worauf das Reich unter Vangio uud 
Sido getheilt sei; — ferner: Annal XIV. 57 heisst es: in die- 
sem Jahre (60 n. Gh.), stritten Chattt und Hermunduri io 
einer grossen Schlacht um einen, an Salz fruchtbaren und 
zwischen ihren Grenzen gelegenen Fluss, in welcher die Her- 
munduren Sieger blieben; dieser Grenzfluss kann — wie oben 
bei §. 30 dargelegt ist — kaum ein anderer sein als die Werra, 
rechts derselben in Hessen wohnten die Chatten, links dersel- 
ben (etwa um Heiligen stadt , Mühlhausen, Eisenach etc.} die 
Hermunduren; sie waren offenbar ein suevisches Volk, gehör- 
ten nach Plinius (IV. 28) zu den hermionischen Völkern, reich- 
ten nach Strabo bis über die Elbe. Im markomannischen Kri^ 
(160 — 180) werden sie (durch Julius Capitolinus) zuletzt er- 
wähnt. 

Weil die Hermunduren zwischen Werra und Elbe gewohnt 
haben mögen, werden sie nicht in den römisch -germanischen 
Kriegen genannt ; aber von ihrer Freundschaft mit dea Römern 
weiss die Geschichte nichts, im Gegentheil waren sie stets 
Feinde der den Römern befreundeten Könige der Marko- 
mannen. 

Im Laufe der ersten Jahrh. dringen gothische Völker auch 
in das mittlere Germanien und werden Herren des Landes, 
aber wir wissen leider über diese Invasion gar nichts Näheres. 
Thormgi oder Thervigni sind eine gothische Heerscliaar, die 
um 290 unter Kaiser Maximinian zuerst genannt werden als 



— IM — 

vei-liDiideu mit Taifali gegen Vandali und iiepidi, woli! in 
der Gegend der untern Doimii; im 4ten Jahrh. erscheinen sie 
als Westgoilieu unicr Athanasias, densen Volk bald Gulhi bald 
Thervigni genaiint sind , deren Gescliidile selir dunkel iit. 
Im 5ten Jtilirh. sitzen Thoringl etwa in den Gegenden, wo 
früher Hermunduren gennnnt sind, um 426 wird Meerwig all 
£önig Ton Thuringia gen.iunt; liekaiinler ist Basiuus, zu wel-' 
cliein der Frankenkönig Cliildeiicli 457 flüchiele> Der Geo- 
graph TOD Bavenna (etwa im 7teu Jalirli.) erwähnt: wie durch 
das Gebiet der Thüringer viele Flüsse alrointen, auch der 
Heganus (Regen in Franken) und der Bai (wohl die Nah), 
welche in die Donau mündete. Das jetzige Franken (in Dajerii) 
heiset in den kirchlichen Urkunden, bis ins 8. Jahrh. Thürin- 
gen. Das alte Thuringia reichte wohl bis zur Werra, begriff 
die herzoglich süclisiitchen Lande und zog sich aber Uajreutli 
bis gegen die Donau, ging nördlich bis zur £lbe> Gegen diese 
Thüringer bezeigen sich die Frauken meist feindselig; schon 
der FrankenfürsE Clodwig 489 und Theodorich 527 bekriegten 
sie, und 531 wnrden sie an der Unstrut von den Franken 
mit Hülfe der Sachsen besiegt, denen hierbei das Land nord- 
lich des Thüringer Waldes zufiel; das Land südlicher wurde 
fränkische Provinz unter abhängigen Herzögen und Grafen. 
Carl der Grosse liess die Gesetze der nördlichen Lande sam- 
meln und das desfallsige Gesetzbuch hiess; Lex j4.ngUorum et ' 
Wei-inorum hoc est Tkurittgorum. 

Aus den höchst aphoristischen Notizen der Litteratur könnte 
man sich etwa folgende Grundlinien einer Geschichte bilden. 
Die Hermunduren vraren ein kelto- germanische» Volk mit ger- 
manischer Sprache und Sitte, im Innern von Germanien, zwi- 
schen Werra und Elbe. Die Tkuringi bildeten eine Heer-' 
schaar der Wesigolhen , die von der untern Donau her dnM 
mittlere Germanien eroberten, Herren des Landes wurden, 
hier festsetzten, die gothisclie Sprache und Insliiutioncu hat-' 
ten, aber allmählig amalgamirten sie sich mit der keltischen' 
Eevölkernng zu Teulsclien; im 9. und 10. Jalirli. giebt es 
■licht mehr Gothen und Kelten, sondern Teutsche. 

J. Grimm (Geschichte der teulschen Sprache S. 596) 
meint: die Hermunduri mochten eigentlich Duri geheissen 
haben und das Hertnun würde nur eine Bezeichnung dieser 
Zhtri sein; in diesen Jhtri glaubt er nun die Thuriiigi schon' 
in der germanischen Zeit zu finden; diese Conjectur ist zwar' 
eine geistreiche, wohl aber nicht annehmbare. Wenn er aber 
glaubt: weil die Thüringer im 10. und 12. Jahrb. Teutsche 
waren, deshalb müssten auch die Hermunduri im 1. Jahrh. 
Teutsche gewesen sein, sa dürfte dies ein sehr falscher' 
ScMusB sein. 



- 162 — 

Neben den Thuringi in dem sueTistlien Lande sassen 
während des Mittelalters Saxones in dem angrenzenden cim- 
brischen Lande: 4iese erwähnt zwar unser Verfasser nicht, 
aber des Zusammenhanges wegen mag es erlaubt sein, aber 
diese einige Worte zu sagen. 

Von den eigentlichen Autoren ist Ptolemäus der einzige, 
der SaxoneB anfährt, als ein' Volk, welches am Sndende des 
cimbrischen Chersonesus wohnte, also etwa im heutigen Hol- 
stein ; dasselbe sagt auch Stephanus Bjrzant. und Eutropias (der 
um 380 schrieb) erwähnt IX. 12, dieselben aus der Zeit ¥on 
Diocletian (um 286), als gefärchtete Seeräuber. Wahrschein- 
lich gab es daher ein altes, kelto-cimbrisches Volk Saxones im 
heutigen Holstein, in einer Gegend, die so reich an Alterthu- 
mern ist, dass hier wohl ein religiöser Knotenpunkt der cim- 
brischen Yölker gewesen sein wird$ wenn daher auch diese 
Saxones in politischer Hinsicht sehr unbedeutend gewesen sein 
mögen, da sie nie in der Kriegsgeschichte genannt werden, so 
können sie doch, in religiöser Beziehung ein berühmtes und 
einflussreiches gewesen sein; ob diese SaxotUs mit den Saeet^ 
einem Volke in Scjthien, in irgend einer nationalen Beziehung 
standen, -muss ganz dahingestellt bleiben. 

£s wurde schon mehrfach erwälint: wie nach den gläo- 
zenden Siegen der 'cimbrischen Völker über die Römer unter 
Grermanicus 14 -*- 16 n. Ch. deren Greschichte plötzlich ab- 
bricht; sie benutzen ihre Siege nicht, sie agiren auch in den 
für sie günstigsten Zeiten gar nicht mehr gegen die RÖmer^ 
nur die suevischen Völker setzen diese Kriege noch zwei 
Jahrh« fort. Ton ganz entgegengesetzter Seite werden ihnen 
Feinde erwachsen sein; kaum lässt sich zweifeln, dass in die- 
ser Zeit schon ^ noch im Laufe des ersten Jahrb., stjthis^he, 
alaoische, oder, wie man sie später nennt, gothische Völker, 
aus Gothia am schwarzen Meere, durch Russland j bis an die 
Ostsee Tordrangen und allmählig, ron hier aus, wohl nach 
blutigen Kriegen, sich die cimbrischen Länder unterwarfen, 
Ton welchen Kriegen freilich die Litteratur gar nichts weiss, 
auf die wir blos aus den Folgen schliessen können $ denn wie 
geschichtliche Notizen wieder beginnen, ist die politische und 
ethnographische Lage ganz verändert, eine fremde Nationali- 
tät, unter dem Namen der Saxen und Franken beherrscht die 
kelto-cimbrisdien Länder. Den Vortrab gegen die Römer bil- 
deten die Franken am untern Rheine; übrigens bezeichnete 
man die gothischen Völker, die das kelto-cimbrische Land be- 
herrschten, als SaxoneSj deren politischer Mittelpunkt Däne- 
mark, besonders Schleswig war, schon der Flotten wegen, die 
sie hier fanden. Weil hier ein keltisches Volk Saxones ge- 
nannt wird, und weil ein ähnlicher Name bei den west- und 



- I5S - 

o*lgoltiiadien VdlkerD nicht vorkommt, so wirJ es nalrsrliein- 
licli, dasa die gotliiscIiPii Eroberer den Namen Sao'OHca votf 
dem kehiachen Volke anniiliinen oder erhielten. 

Die gotliisclien Eroberer b e in ücti (igten sicli der SdiilTe und* 
Flutten der keltischen Eiiitrolmer, ivurden Seerütilier und gin-* 
*en seilen friib, fiald iinch der Erobernng des Liindes, uncji 
Britannien, vrelches mit den ctmbrischen Landen «tets im in-t ] 
^gsteo Verkehr sinnd; aie setzten sich hier, an der briitiKcheir 
^iiste, Pmnkreich gegenüber, fest, vo ein littus sa^onicttnf 
entstand, unter romisclier Holieit, unter einem römischen dux'^ 

hier wahrscheinlich, und nicht iii Lande, kamen diuse go-- 
^iaclien Sa.rones an die gegenüber liegende gallische Küste 
ich Armorica, eetr.ten sicli hier fest, wo nun aiiclk ein littus 
•■.Tonicnm entsteht, das unter dem diix des liltva gaaroni' 
cum in Britannien steht; ihre Nachbarn wurden hier die go- 
Ihiselien Franken, die um 280 über den Rhein gegangen wa- 
ren und Wuhnsilie in Belgien genommen hatten. Während' \ 
die Tranken nm 437 die letzten Spnren der romischen Macht' f 
überwältigen und grosse Theile Galliens erobern, gehen dies^ I 
Saxones, die »on den ßritten gegen die Scoli zv Hülfe gern-! 
fen wurden, unter Hengist und Horsii (449) in Masse nach 
Britannien, wohin auch aus Germanien viel gothische SaxoneV' 
koramenj sie schlagen die Scoli, unterwerfen sich ai)er die', 
kleinen keltischen Staaten, die sie unter alten oder neue** 
Namen fortsetzen, die sich allmahlig in 7 grossere dynasiische~ I 
Reiche umbilden (Canlium, Suthsexis ,' Weasei, Bernicin, Deira,'* 
Offa, Merria), die endlich Egbert (827) alle zu dem grosgeB>| 
Reiche j4nglla oder England Tcrelniget (a. Schau man n: zn(' 
Geschichte der Eroberung Englands 184d). 

Der Name Sajcone» steht in einem eigenen VerhältnitaQ 
zu dem cimlirischen (walischen) Stamme; an weit dieser r 
HO weit finden wir Sa.ronea, \n Niedei'tentschlnnd, Brita' 
und Armorica, Es scheint: als hätten alle gothische Sia 
die sich in den cimbrischen Landen festsetzten, den Nameo ] 
Saxonea angenommen oder erhalten , aus welchem Grunde, i 
bleibt zweifelhaft. 

Die fremden Eroberer des keltischen Britanniens heisaea | 
in ihrer angelsächsischen Sprache Seaxe , in der wälischen Saia, 
Saiaottiad, in der gälischen ^a^unnacA, sie sprechen die soge- 
nannte angelsächsische Sprache, ein etwas keltitirtes Gothisch, 
gehören olTeubar zu dem Stamme derGothen, die Tom schwar- 
zen Meere und der untern Donau her Europa überschwemmen. 
Die Einwohner von Britannien, wie die von Nieder-Germa- 
nien sprechen aber kellisch und zwar wülisch; mit dieser assi- i 
milirlen sich im Laufe von Jahrhunderten jene Golhen, ans 
welcher Vermischung neue Nationalitäten und neue Sprachen 



— 154 — 

entstanden) dort die englische, hier die niederteutsche und dä- 
nische. 

J. Grimm (Geschichte der teutschen Sprache S. 614) 
hält es für unmöglich, dass ein kleiner Stamm, die Sajcrones 
in Holstein, sich in kurzer Zeit über einen grossen Theil Ton 
Teutschlsrndj England und über die Normandie in Frankreich 
habe verbreiten können 5 er meint daher: der Name der Sach- 
sen sei schon lange unter dem ganzen Volke verbreitet gewe- 
sen, was zur Zeit ganz hypothetisch erscheint, aber dieses 
Räthsel löst sich leicht bei der Annahme , dass alle scjthisch- 
gothischen Heerhaufen ^ die in die cimbrischen Länder kamen^ 
5a.ron^s genannt wurden, auf ähnliche Art, als die scythischea 
Völker gleichen Stammes, die in die gothischen Länder kamen, 
sich Goihi nannten. 

Uebrigens war der Name Saxones nur eine allgemeine Be* 
Zeichnung, die verschiedene gothbche Heerhaufen umfasste, 
wie die Ost fall und Westfali^ die von der untern Donau her- 
gekommen sein mögen, da Eutropius erzählt, dass zu aeiner 
Zeit (um 368) in Dacien Daifali, Viclofali und Tkevvi^ni 
gewohnt hätten. 

Diesen Sachsen, die ihre alte Religion behielten, standen 
die stammverwandten, herrschsüchtigen Frauken, die eifrige 
Christen geworden waren, stets feindlich gegenüber; endlich 
führte Carl der Grosse den berühmten 30jährigen Krieg (772 
— 804) gegen die Sachsen, überwand sie gänzlich, machte 
das Land zur fränkisdien* Provinz , führte mit Gewalt das Chri- 
stenthum ein , um die politische Gewalt zu unterstützen : viel- 
leicht erst hierdurch wurde die gothische und keltische Natio- 
nalität in der christlich teutschen ganz verwischt. Das eroberte 
Land bildete das grosse fränkische Herzogthum Sachsen nebeo 
den Herzogthümera Thüringen, Franken, Bajern, Schwaben, 
wodurch Germanien neugestaltet und Teutschland begrün- 
det war. 

■ 

§42. 

Neben den Hermunduren hausen die JVarisci, Weiter- 
hin die Marcomanni und Quadu Vorzüglich ist der 
Markomannen Ruhm und Macht; ihr Wohnsitz selbst, 
nachdem sie einst die Boji vertrieben, ist durch Ta- 
pferkeit erworben. Auch nicht die Narisker und Qua- 
den sind ausgeartet. Dort ist gleichsam die Stirn 
(frons) Germaniens. so weit es von der Donau ge- 
deckt wird. Die Markomannen und Quaden haben bis 
auf unsere Zeit Könige aus ihrem Volke behalteo; 



155 



das edle Geschlecht des Marobodus uud Tudrus, doch 
fremde dulden sie auch schon. Aber Maclil und Ge- 
walt wird den KöiiJ^^cn durch das Anselin disr Römer*^ J 
Selten werden sie mit unseni Waffen, häufig durcK 
Geld unterstützt. 

Anmerkung. Auch von diesen Völkern wird nirlits 
Aber ihre Wohnsitze, Gescliiclite und Institutionen gesagt, nur 
kann niRn abnehmen, dass sie an der Donn« wohnten. Wenn 
ea heissl: nee JVai-tscf, et Quadi ; cague Gerntaniae velut 
fr Otts est qiiatenus Danwbia prategitur , tn \reis8 mnn 
incht, warum an die Donau, nicht auch an Rhein die front 
10efmaniae gesetzt wird, inus» Buch glauben, die Qua di i 
JVoi-wci wohnten an der Donau, w.is aber gar nicht der Fall 
•«esen sein dürfte. 

Die hier genannten Narisci oder Naristi sind Tielleich^ 

ße Naristoi, die Dio CassiiTs anführt, und die OvaQitrroi od^ 

^aristi des Ptolemans, die er zwischen die Sudeten und dai!n 
Cabretengebirge , also erwn nach Itöhmen, Schlesien oder Müh- 
jpn setut, T011 welchem Volke wir aber gar nichts wissen. 

Die Marcomntini werden ein ali-keltogerinanisches Volk 
Äin, der siievisch-gaSlisclien Nationalität angehörig. March 
I Wälischen, Marc im Gülischen heisst da» Pferd, an Liess. 
AB auch im Altgallischen; denn FansaniHs, indem er den Kin- 
fell der Germa.ien und Gallier in Griechenland (300 n. Ch.) 
^wahnt, wobei 20,000 Reiter waren, sagt; die Gallier nen- 
nten das Pferd marcnn; damit kann der Name Blarcomannen 
ziisammenhüngen. Sie werden an der obern Donau gewöhn^. 
laben, wo Herodot die eigentlichen Kelten hinsetzt; Ptole-, 
maus setzt sie etwas nordlich der Donau, nach Bayern, etns. 
arwiacben Inn und Lech, Zuerst erwähnt sie Cüsar (bell, gall^' 
. 51) «nier den Völkern, die Contingenie zu der ,4rmee de». 
siieTisclien Heerführers Ariovist nach Gallien schickten (72 n;, , 
eh.), die aber von Cüsar (58 T, Ch.) geschlagen wurde. , 

Ein mnrkoman nischer Fürst Marobodus, der in Rom erzor, 
gen war, hier wobl monarchische Ansiebten erfasste, warf sich 
nach der Riickkelir zum Könige auf und eroberte um 12 t.^ 
Ch. mit seinen Laudaleuten das Land der benachbarten Bojiy 
schlug hier, in Böhmen, seinen RÖnigssitz Buiamian auf; nach 
Strabo unterwarf er sich nun ^iele und grosse Völkerscliaften, 
ä\K Lygii, Semuones und andere; auch der Geachichtschreiber 
Tacitus nennt (um das Jahr 17 n. Ch.) die Semnonet und L,on- 
gobardi als ihm gehorchend, das KÖniglhum gebot daher über 
viele suevische Völker, die natürlich in ihren allen Wohnsitzen, 
■blieben. Dieser Marobodus wird in Germanien den ersten dy- 



— 156 — 

nastischen Staat gebildet haben, der sich auch erhielt, und 
zwar in den jetiigen bayerschen und östreichischen Landen. 
Er hatte eine bedeutende Heeresmacht Yon 70,000 Mann In- 
fanterie und 4000 Reitern formirt, die allmäblig den Römern 
Furcht einflosste; wäbrend man aber in Rom einen Krieg ge* 
gen diesen germanischen König beschloss, musste dieser unter- 
bleiben und Friede geschlossen werden, weil in Pannonieo, 
Dalmatien und benachbarten Ländern ein Aufstand gegen den 
römischen Staat ausgebrochen war, der sehr gefahrlich wurde, 
aber glücklich endete. 

Im Laufe seiner Regierung gerieth Marobodus mit den 
Cheruskern, unter Anführung des Arminius in Krieg, der sich 
für ihn nicht glücklich gestaltete (Tacitus Annal. IL 44) und 
er zog sich in das alte Marcomannia zurück, gab wohl Böh- 
men auf, und die Römer Ter weigerten die geforderte Hülfe; 
hier empörten sich die Grossen seines Reiches , Katualda , ein 
Tornehmer Gotone, den er früher yertrieben hatte, trat gegen 
ihn glücklich auf, fasste die Zügel der Regierung und Marobo- 
dus floh zu den Römern ^ die ihm Ravenna zum Aufenthalt 
anwiesen (Tacit. Annal. If. 62). Auch Katualda ward bald 
durch Hülfe der Hermunduren vertrieben; ihm folgte Yannius, 
ein Quade, dessen Reich nach Plinius bis an die March in 
Ungarn reichte^ der von den Ljgiern geschlagen wurde (etwa 
51 n. eh.); nach ihm wurde das Reich unter seine Verwand- 
ten Vangib und Sido getheilt (Tadt. Annal. VII. 30). Weiter 
lässt sich die Regentengeschichte nicht verfolgen , aber das mar- 
komannische Reich bestand fort unter einer starken Regierung, 
unter welcher die Kriege gegen die Römer steten Fortgang 
hatten. Um das Jahr 90 führten die Markomannen einen 
glücklichen Krieg gegen die Römer; unter Aurelian und An« 
toninus Philosophus entspann sich um 166 der sogenannte mar- 
komannische Krieg, der für die Römer einen sehr gefahrli^ 
eben Charakter annahm, der durch den Friedensschi uss von 
180 beendet wurde, durch welchem die Römer ihre limes an 
der Donau behielten; in diesem Kriege fochten mit den Mar- 
komannen nicht allein germanische Völker, Suevi, Hermun- 
duriy Quadiy sondern (nach Julius Gipitolinus) auch fremde, 
Sartnates (wohl Slaven), Lairingae, auch werden genannt /a- 
zyges, Vandali nnd Rojcolanes (wohl alanische ^ gothische Völ- 
ker). Diese slavischen und gothischen Hülfstruppen haben 
schwerlich das Land wieder verlassen; vielleicht siedelten sich 
seit dieser Zeit slavische Stämme in Böhmen an, neben wel- 
chen gothische feste Wohnsitze nahmen^ die sich wohl durch 
Nachzug vermehrten. Kaiser Constantin gri£f 359 die Quadi 
in ihrem Lande an, aber am 378 gehen sie mit den Marco^ 



— IST — 

mann! über die Donau , die römische Mnclil wird durcli die 
eiulirectiendeo gothisclieii Volker vernichlel. 

MongotiKche und finnische Släinme, aus dem Innern Aliens, 
^halten uuter dem Namen Huniii die gotliiactien Völker, die 
am schwarzen Meere sassen, forlgeschuben nach Germanien, 
■ rückten nun diesen nach, aihnahlig die Donaa heraiir, besiegten 
mich die Qvadi und fiiarcomanni, die nun zu dem Reiche des 
mächrigen Altiln gebövien, das seinen Mittelpunkt in Fannonien 
hatte (432 — 4ö4); diese germanischen Volker inussten sich 
den Hunnen nnschliessen, mit nach Gallien ziclien (450), wo 
das huntiiaclie Heer (451) bei Chalons geschlagen wurde, sich 
zurückzog, und Germauicu verlies». Aber das germanische 
"Wesen war offenbar gebrochen durch diese Verhültnisse, das 
germanische Land war in die Gewalt der gothischen und sla- 
•wischen Völker gekommen; der Name der Markomannen ver- 
liert sieb, der Name der keltischen Boji mag sich mit dem 
der gothischen Warini oder Gvarini vereinigt haben zu den ßo- 
joivarlni oder ßajeru (s. §. 28), deren Land einerseits an Sue- 
Tia, andererseits au Pannonia grenzte nnd bis Italien reichte. 
Vm &9ä kam dieses Land unter die Herrscltaft der Franken, 
der cftfo* Thassilo wird als fränkischer Vasall genannt, mit 
welchem die vollslündige Regeatenfulge von Bayern bis auf 
den heutigen Tag beginnt. In Pannnnien Imnslen noch in der 
spätem Zeil finnische und türkische Stämme. Bulgarer, Cha- 
zaren, Avarcn und andere, die auch weiter griffen, bis sie Carl 
^er Grosse an der Raab 791 zurückschlug und Markgrafen zum 
Schutze dieser östlichen Mark die Marchia ^laritiae oder 
O'ierichi einsetzte, woraus in Folge der Zeit der Name 
Oestreich und die östreichische Monarchie erwuchs. Aus der 
Vermischung der keltischen Einwohnerschaft und der einge- 
drungenen gothischen Völker, die das Land beherrschen nnd 
den Adel bildeten, entwickelte sich auch hier die teutsche Na- 
tionalität mit der teuischen Sprache, 

Mit Quadi, Koiiadoi, die wahrscheinlich bei Strabo in 
KoXäovoi entstellt sind, werden stets mit den Marcamanni ge- 
nannt, waren ein benachbartes suevisches Volk im bercyni^ 
gehen Walde, wuhl in Mähren, und grenzten in Norden (wohl. 
in Gallizien) mit den Sarmaten (Slaven), zogen sich 
Ungarn an den Fluss Gran, halten (nach Ammian) eine Tor-^ 
treffliclie Cavallerie, gehörten nach Bildung des markomanni- 
■cheu Reiches zu diesen, nahmen Tlieil au allen Kriegen des-t 
selben mit den Romern; kamen unter hunnische, dann unter, 
gothische und slaviscbe Herrschaft; gehörten spuler, zur frün-t 
ki&chen Zeit, zur östlichen Mark, endlich zum (istreichischeit 
Staate. 




— 158 — 

§.43. 

a. Nicht weniger gelten rückwärts Jdie Marslgm^ Go" 
- Ihini, Ösi tind Buriiy sie schliessen von hinten die 
Markomannen und Quaden ein. Unter diesen zeigen 
sich die Marsigni und Burii in Sprache und Cultiis als 
Sueven; die Gothini verräth die gallische^ die Osi die 
pannonische Sprache , dass sie nicht Germanen sind 
(^non esse [Germanos^^ auch weil sie Abgaben ertra- 
gen (iributa pütiuniur); einen Theil dieser Abgaben 
legen ihnen die Sarmaten^ einen Theil die Quaden 
wie Fremde- auf. Die Gothini haben Eisen - Bergbau 
zu ihrer Schande {jtfuo magis pudeaf). Alle diese be- 
wohnen wenig Blachfeld (pauca campestrium)^ im Uebri- 
gen Wälder^ wie Gipfel und Rücken -der Gebirge; 
Suevia unterbricht und durchschneidet ein fortlaufen- 
der Bergrücken, darüber hinaus viele Völker wohnen^ 
unter welchen sich der durch mehrere: Gebiete ver- 
breitete Name der Lygii am weitesten ausdehnt, die 
HarioSy Hehetonas, ManimSy Helisias und Nahana- 
rarvaJos als die mächtigsten zu nennen, mag hin- 
reichen. 

Anmerkung. Hier \rerden gleich hintereinander 10 
Yölkerschaften genannt, aber unmoglieh kann man sich auch 
nur eine ungefähre Idee machen, yto diese wohnen. Wenn es 
heisst; retroj terga claudunty so ist dies etwas ganz Un- 
bestimmtes. Wenn es heisst: die Marsigni und Burii sprechen 
^suevisclij die Gothini gallisch, die Osi pannonisch, so mochte 
man gern wissen, wie diese fremden Völker nach Grermanied 
kamen, und diese Sprachen sich unterschieden. Ob die sueri- 
sche und gallische Sprache wirklich verschieden war, scheint 
mir sehr zweifelhaft. Wenn es weiter heisst : Suevia wird von 
einem Bergrücken durchschnitten, hinter den (ultra quod) 
die Lygii und die andern Völker wohnen , so ist dies um so 
weniger verständlich, da der Verfasser ein Suevia gar nicht 
erwähnt hat, sondern §^ 38 sagt: der Name Suevi ist eine 
allgemeine Bezeichnung für die Nationen, die den grossteo 
Theil Germaniens inne haben; Marsigni^ deren Woknsitie 
etwa hinter Mähren und Böhmen zu suchen wären, kennt die 
Litteratur nicht; Ftolemäus erwähnt die Marvigni an der Ost- 
seite des Abnobagebirges (des Schwarzwaldes, also «twa im 
heutigen Baden und Wnrtemberg)^ die auch gans unbekannt 



— 159 — 

tbil; ütiiilich klingt auch der Name Marai (§. 2), die aber 
%lwa ao der Riilir wohnten. 

« Burii kennt die klassische Lillerntur auch nicht; nur Pto- 
TCmaiis erwühnt Liigi - Uirri diesseits des mons jisciburgiiu 
"^RieseDgehirge) , wo auch ein LugidiDiim liegt, das man nicht 
fischt zu deuten weiss. In der spätem Litterntiir aullen Buri 
, erwühnt werden (yen Dio Cassins 68, 8 — 71. 8 — 62, 2. 
■and von Jii1. Capitolinns) , als den Mnrkomannen verhasst und 
-wit den ßoineru aiirh gegen die Daker stehend, die aber 
vruhl schwerlich am Riesengebirge gewohnt haben. 

Ost sind wieder ein der Liiteratur unbekanntes Tolk; 
'Ptoleinäiis fahrt zwar Osaii an, die wohnten fther in Sarma^ 
<ien im heutigen Cur- und Livlnnd, können dither hier nicht 
igemeint sein. Hier sagt unser Verfasser; die Oai sind keine 
■iGernianen, denn sie sprechen pannonisch und «rtragen Abga- 
, die ihnen llieils die Sflrmaten, iheils die Qnaden aufle- 
t^exi; in §. 28 sagt er: die Ost sind ein germanisches Voiki 
' en dieselbe Sprache als die jiraviaci in Pnnnonien, die 
-itadi aus Germanien stammen können. Klar sind diese Ver- 
4i8 [misse gewiss nicht gesagt. 



Wie bei §. 28 dargelegt 

■••laci die Eravisci des Plin. 

Mn Jati sein, dann hätten 

rohnt, wären kein germa 



mögen die hier erwiürnten j4ra' 
ein, lind die Oafi könnten de»- 
ie aber jeiiaeils der Dnnau gei 
'hes Volk, wenn man UermanieB.) 



hiit der Donau begrenzt. Ob ' ülirigens die Sprache der alteal 

Pannonier eine wesentlich verschiedene toh der germanischeif 1 

', ist sehr zneil'elhart , denn die Volker länge der DonatI 1 

■den bei den alten Griechen al.s kellische bezeichnet. 

Die Gothini sollen zu ihrer Schande Eisen graben 

■gallico scrmone sprechen. Da nun gesagt wird; dasa ütf I 

ter den Qunden und Markomannen wohnten, so kann n 

. sie in einer sehr weiten Gegend suchen, an der Donau, 

Gallizien, in Schlesien u. s. w. Dass Eisen zu graben ein^ 1 

Schande bei den Germanen gewesen (jwo magia pudeat)^ T 

sagt kein anderer Schriftsteller, ist vielleicht Mos ein Einfidl ] 

unseres Verfassers; da die Germanen schon in ältester Zeit 

I »chöne eiserne Pamer, Helme, Schilde, Schwerdier haitenf 1 

) die alten Schriftsteller erwähnen, und da wir in den gew- I 

I inanischen Gräbern so sehr viel meiallisclie Gegenstände &a^ f 

I den, meist vim trefTlicher Arbeit, so werden die Germanei 

llHich gewiss Bergbau auf Metalle gehabt haben, der in alletf J 

I-Keltischeu Ländern hliibete, gewiss nicht zur Schande ge-'' I 

I reichte. Bei den keltischen Völkern, gewiss aucli bei den Ger» f 

len, standen die Schmiede und alle Metalls ibeiter in be-i 1 

derer Achtung und in specieller Aufsicht der Druiden. Ein f 

I Volk Golktai wird in der alten Litteratur gar nicht erwähnt, ' 



— IflO — 

uiiii (In es einen gewissen Anklnng na die »]iiiterii Gotben ba 
kniiii CS ein fiugirles sein. Die Völlier vur übiiliih kliogeiitU 
L^nineD werden im Pussus a, dieses § bei den Gotonea « 
■paliiit. Wenn es lieisst: diese Gathoni liürien galliscli gl 
B iq)riicheD, so seizt dies Tornus: die Germanen Iiüiten eine aR*' 
r '^re Als die gallische Sprache geredel; aber allen NacbriditHl 
I jiacb geborren die Volker diesseits und jenseits des EUieinfii 
I rnie der Dounii, zu derselben Naliooalitüt , und ist dies der Fa^ 
I fo werden alle sueviscbe Völker in dein gatiico iermone g% 
I redet bnben. , 

[ ; Die Lygli bildeten offenbar ein grosses Volk im Nordü 
I iSermnniens, welches aber wegen seiner entfernicn ösiliciMt 
I {Wohnsitze mit den Körnern nicht in iiübern Con&ict ka^ 
I Wie die Namen Boji, Helietii, Semnunea in Germani^ 
I Aber auch in Gallien auftreten, so ist es auch mit den Lj'giecj 
I X,igii, liigors, Ligures erscheinen im südlichen Gallien af 
I t^a wichtiges Volk, das etwa um 554 v. Ch. theilweiae nM 
I iDber-ltnliea zog) hier ein Ligitrin gründete mit der 
l'Madt Genua; diese Lj/gii thellten »ich iinch Strabo IV' fr 
I §. 2 in die Ingauni längs der Kiisle, und Inlumeii im Lande, 
I lebten wie die Kelten meist von Milch und Gersten trank j 
1 :»reiier bis Massilfa (Marseille) wohnen die Salifi, ireldie dip 
L Hellenen Lygii oder Kehoiygii nennen. Das jetzige Str 
nsoyeii und das südliche Frankreich scheint in älterer Zeit »b- 
[ ummen Ljgifttike genannt zu sein. Die Wohnsitze der Lygier I 
I in Germanien, die Strabo ein grosses Volk nenut, welches tm 
I den Markomannen bewältiget wurde, kennen wir fast nur durch 
Iftolemäus. Dieser setzt die Lugi Bnri (wohl die Burii uii< 
fceres Verfassers) südlich Tom Gebirge jäsciburgium (Riesen- 
gebirge), bis zu den Weich selqn e llen , also etwa nach Oesirei- 
chisch'Schlesien, die Lugi omani (vielleicht die jUaMtmi un- 
seres Verfassers), nordöstlich von dem Riesengebirge, sädlicli 
der Duguntae, also etwa in die Gegend von Liegnitz , bis Id 
das Posensche hinein; und die Lugi Diduni südliclier, etwa 
in die Gegend von Neisse. Das Land der Lygii begriff da- 
her etwa das jetzige Schlesien. Von der Gescbidite derselben 
wissen wir fast nichts, als dass die Lygii etwa um 51 a. 
Ch. einen glücklichen Krieg gegen die Markomannen fülirten, 
obwohl diese Jazygcs (Slaren) als Hülfsiruppen hatten, doch 
scheint dieser Krieg auf den Bestand des markomannisckev 
Reiches keinen wesentlichen Einäuss ausgeübt zu haben. Bau 
Schlesien (wohl mit Ausnahme von Oberachlesien , was stetseine 
slavische Bevölkerung gehabt haben mag) von keltischen Vol- 
kern bewohnt wurde, lehren die vielen keliisc.hen Alterlhü' 
mer, mit denen das Land bedeckt ist. Ob im Laufe der Zeit 
auch in diese Gegenden Golheo gekommen sein mögen, wis- 



— 161 — 

«cn wir uir.hl, aber Slaven wurden nun Herren des Laude»; 
ider Name JjtfgÜ verschwindet, Vanu nber vielleidit zuanioiiieD- 

l^ngea mit Ltutici, \iie die SlavCD der Odergegend zum 

Wlieil genannt werden. 

Unser Verfasser zälilt ala die mächtigsten lyrischen Stäm- ' 

lüne auf: die jirii , Heli'econes, Manimi, Klyaii und Na- 
\arfales, aber alle diese Namen sind der Litterat ur unlekannr; 
äle flianimi könnten vielleicht die Omani des Ptolemäiis seinj 
idle Htlvecanes hönnlen die ^eiaevones des Ptolemäus sein, 
aie freilich viel nördlicher Tvulinten, über den Buguntae un- 
vfeit der Meeresküste; über die andern Volker Itisst sich nicht 
tine entfernte Conjectur machen, es sind vielleicht rein fini. 

b^ Bei ilen JVa/iiirvates wird eiu Uaiu des alten Cultas.J 

- gezeigt. Ihm stehet vnr ein Priester im weibliche»! 
^ Schmucke, aber als Götter verehren sie, nach r&iDt-^J 

scher Detitiiii^ den Castor und PoIUtx. Das ist davl 
Wesen der Gottheit, der Name ist Afcis. Nirgend*;! 

- sind Götterbilder f^nulia simulacra), nirgends die Spur [ 
eines fremden Aberglaubens {^nuUum peregrinae »»—■ | 

■ persiitiones fesHtjuini), als Brüder jedoch als Jüngling«' f 
' werden sie verehrt. 

Anmerkung. Die J^'a/lart'a/es sbd — wie erwähnt — 
ein der Litieralnr ganz unbekanntes Volk, von dessen Wuhn- 
sitze gar nichts Näheres angegeben wird; hier aber, wo von 
dessen Cullnr die Rede ist, scheint es der Verfasser darauC 
angelegt zu haben, so recht Unklares zu sagen. Wenii 
CS heisst: die Naharvalen verehren die Gottheit AIcis, die nach 
römischer Deutung Castor undPolIux ist, aber sie haben nuUd 
aimnlacra, nullum peregrinae super slitioms veitigiuntf 
ut fi-atrea tarnen, ut juvenes veneranCur, so dürfte es 
doch nicht wolil uiögltch sein , einen verständigen Sinn in diese 
Worte zu legen. 

c. Uebrigens sind die Harii (oder ArW) ausser ihrer 

Macht, an der sie alle bisher aufgezählten Vülker 

übertreffen, grimmig (truces~), beschönigen ihre nalür- 

, liehe Wildheit durch Kunst und Zeit. Schwarz sind 

- ihre Schilde, bemalt ihre Leiber, zu Schlachten wüh- 
len sie finstere Nächte. Durch die Furcht selbst und 
die Schatten des Leichen -Heeres , bringen sie Schrek- 
ken, da kein Feind den neuen und gleichsam hölli- 

kelknleln, kell. Atlerlh. lU.Bd. 1. Abth. 1| 



— 162 — 

sehen Anblick erträgt; denn in allen Schlachten we 

den die Augen zuerst besiegt. 

AnmerkiiDg, Diese Harii sind der Lilteratur gänzli 

luDbekiinnl; obwohl sie das mächligaie aller Völker seio mII« 

Ue)>rigens scheint mir die»er Pauug wirkliclien Unsioa zu ei 

halten. Was könneu die Worte truces, iasUae feriU 

arte ac tempore lenocinanlur wühl für einen vernünftiK 

6inn geben? Wenn sie zu den Srhlachlco die finstersten Nach 

wühlen (ad proelia alras noctei legttnl), dann kann mi 

■ie nicht sehen, dann kann ihr blnsser hollisclier Anblick (i'i 

[ firntit adupectu»), die Sclilaclit niclil entscheiden, dnnn kai 

bemalter oder lattowirter Körper keinen Eindrack m 

n. Wahracheini ich waren alle Germanen liemlirli gleic; 

k nessig bewaffnet und bekleidet, und der blosse Anblick eq 

■ehied wohl nicht den Sieg; schwerlich wird Jemand dem Ve 

beistimmen, wenn er sagt: in omnibua proelUa prii 

gculi vincuntur. 

'. d. lieber den Lygiern werden die Oothones regiert, sehn 

etwas strenger {adduciius) als die übrigen Völker dt 

Germanen, doch nicht mit dem Verluste der Freiheit 

vorwärts sum Occan wohnen die Rugli und Ijemaäi 

Allen diesen Völkern dienen zur Auszeichnung rund 

Schilde, kurze Sclm'erdter und gegen die Konig^e ( 

horsam. 

Anmerkung. Diese Volker sollen Künige haben, a 

§. 7 wird überhaupt von Königen bei den Germanen ges[ 

dien, wenn auch mit sehr beschränkter Macht. Eigeutlichl 

regeg, im römischen Sinne, wird es in Geiiminien gar i 

gegeben haben, wie auch aus CÜsar (bell. gnll. VI. 23) erhet 

let; die Römer bestrebten sich, den überwundenen Volker' 

Schäften dynastische Könige zu geben. 

Im Anfange dieses §. hatte unser Verfasser Gofhini enfc 
wähnt, hier neunt er, als ein anderes Volk, mit andern VI 
sitzen Gatfioneii beide Namen klingen höchst ähnlich, 
beide der Liiteratur fremd. Aber ein Volk ähnlichen Nstnen^ 
wohnte wohl seit ältester Zeit ungefähr in der Gegend, ^ 
die Gotfiones hingesetzt werden. Fliu. 'i7. 11 sagt: Naetk 
Pytheas sind die Gullones ein germanisches Volk, an einem 
Meerbusen Namens MenionomoD, der 6000 Stadien (läO JUei<^ 
len) weit iit; eine ScbilTtagereise davon liegt die Insel Abalui, 
wo der Berusiein von den Wellen nngeirieben wird, den sia 
an ihre Kachbarn die Teutones verkaufen ; und eil. loc. 4. 
18 heisst es: Zu den findili gehören die Biirgundione», 



— 163 

. Varini, Carim und Gultones. Ptoleiiiäus nennl Gü/ae ;il» 
•T^eine VolkeiEchafl auf der Insel Sriitidja, und die Gi/lhunes 

KIb eine Völkerschaft der Venedae (eine grosse Nation an 
er Oataeej rechts der Weiclisel), und setzt sie etwas tiefer ics 

(Land. Es wird daher an der Ostsee oder in deren Kütie ciu 
i<germanijclies Volk, die Gj/thonea oder Gutlonea , gegeljcu 
^■Jiaben, in deren Lande sich der Dcrnstein gefunden haben 
mag, diese» wuht nennt unser Verfasser Gothoaes. In der 
apülern teutschen Zeit werden an der Ostsee Guli, Gauti\ 
.iJüli, Jütar genannt, deren Namen mit den alten Gothoitea 
itind Gutae im Zusammenhange atclieu werden. 

Da die Gathini und Goikanes unseres Verfassers so sehr 
>An die Gothi erinnern, die seit Ueginn der christlichen Zeit 
ipine 80 wichtige Rolle in der Geschichte, besonders der un- 
tern Donau, spielen, fiher deren eigentliches Vaterland die 
grösste Dunkelheit herrscht, so hat man ihren Ursprung oft 
und lange bei jenen germanischen Golhoiies der Germania ge- 
sucht. Auch mein sehr verehrter und gelehrter Onkel , der 
.,Prof. CurI Sprengel, in seinen Anmerkungen lu der Ueber- 
ig der Germania v. J. 1819 folgt dieser gewöhnlichen 
Jdeinung und sagtS. 143: „Während des markomannischen Krie- 
-A. — I— i.^u .„n„i. A^ — «ii.<>n r„i„.nv. jjg Gothonen dem 
durchstreiften 
sich unter der Regierung des Luciu». | 
'erus an der untern Donau , in Dacien und der jetzigen WaU 
^^jchei; dort gründeten sie ein Reich, llieilien sich in Ost- und ^ 
jWestgotlien , von denen jene sich am schwarzen Meere ; 
delten, und in der Krim norh Spuren zurückgelassen habend .1 
'fes sie gegen Ende des 4. Jahrh. von den Hunnen gedrängt, T 
»ich westwärts wandten, im 5. Jahrh. in Gallien und Spanien 
eigene Reiche errichteten." Wenn man aber wohl an der 
IfiQstsee gar keine Golhones und Gothini antrejfen wird, 
I dies vielleicht blos fingirie Namen sind, so füllt hiermit eine' 
Hauptstütze dieser oft vertlieid igten Hypothese; von der Wan- 1 
derung dieses Volkes an das schwarze Meer weiss die G&- 
■chichie gar nichts j und wie aus diesen kleinen germanischen J 
Gothonen die luüchtigen Golhi erwachsen können , die ganz 
Europa überschwemmen, begreift man nicht recht. Geschicht- 
lich wissen wir von Zügen der Gothen vom schwarzen Meere | 
nach der Ostsee, aber nicht von umgekehrten. 

in unserm Fnssus erwiiliuien Rug/i und hcviovii 
er Völker, welche die Liiterntur gsr nicht kennt, i 
I selbst schwer fallen wird, eine nur leidliche Conn 
machen. Rusii werdet 



'f es , oder bald nach demselben , fotgter 
'älgemeinen Zuge der Völker nach Süden; 



sehr entfernten Gegend, unter dei 



jnihischeB 



STölkern geaanni, Die goihischeu Heruli und JRiigif hnite 
11" 



— I«4 — 

aus uuhckannter Gegend kommend, in Pannonien Wo)in»itze 
geuominen, und in Verbindung mit andern Miethstrnppen der 
römischen Kaiser ziehen sie aus Pannonien nach Italien , 
unter Anführung Ton Odoacer, der hier den letzten weströmischen 
Kaiser Augustulus absettt, 476 den Titel eines Königs von 
Italien annimmt. Die in Pannonien zurückgebliebenen Hervli 
Mrerden hier Ton den Longobarden gedrangt und geschhigeii, 
-worauf ihre edelsten Fc'fmilien nach Norden ziehen , nach Thule 
(wohl nach Dünemark und Norwegen); dahin schicken die 
Heruler, die im römischen Gebiete geblieben, spater eine Ge- 
sandtschaft, um sich einen König zu holen. Mit diesen Uem- 
lern können auch gothisclie Rugii nach dem Norden Ton Ger- 
manien gckofnmen sein. Ptolemäus ermähnt zwischen Weich- 
sel und Oder ein Volk Ruticlei und dabei eine Stadt llugion. 

§. 44. 

Dann folgen im Ocean selbst (Jpso m Oeeufw) die Ge- 
biete der Sumtes, ausser Männern und Waffen auch 
an Flotten mächtig. Die Gestalt der Schiffe weicht 
darin ab^ dass die Schnäbel (j)rora')y an beiden Enden 
zur Landung immer fertig, die Stirn zeigen. Sic be- 
dienen sich nicht der Segel, führen nicht die Ruder 
an den Seiten in Ordnung, sondern das Huder ist un- 
befestiget, wie in einigen (Fahrzeugen) der Fliissc 
(soluium u1 in quibusdam flnmimnn) und bewegßcli, 
wie die Umstände es erfordern. Bei ihnen schätzt 
man den Heichthum, daher herrscht Einer ohne ei- 
nige Beschränkung, ohne erbetenes Hecht des Gehor- 
sames. Auch sind die Waffen nicht, wie bei den 
übrigen Germanen, vcrlheilt, sondern verschlossen un- 
ter einem Hüter und zwar einem Knechte, weil die 
plötzlichen Einfalle der Ocean hindert, müssige Hände 
der Bewaffneten aber leicht ausschweifen; denn dass 
weder ein Edler, noch ein Freier, noch auch ein Frei- 
gelassener den Waffen vorgesetzt wird, ist der Kö- 
nige VortheiL 

Anmerkung. Dieser § scheint mir vorzüglich reich an 
— ich möchte sagen handgreiflichem — Unsinn. Die eivita- 
tes Suionum im Ocean (also auf Inseln, etwa in Schweden) 
haben ihre Stärke in den Flotten, bilden also eine seefah- 
rende Nation, Die eigeuthäroliche Constructioii ihrer Scbifie, 



wird — wenigstens nrif selir unklare Art — Ijesclirieljen, wenn ' 
es ]ieisst ; forma naviuin en dilfcrt ijuod utvinque prora 
• paratam »empcr apuhui froniein agil. Wenn e» lieUsi: 
nee feiia utiiiintraHlur , sn ist es ducli gnnz iingl,iiili1irli, dat» i 
eine seefiilireiide Kalion gar keine Segel geljrnucht halle, > 
denn ein Se^el iat eticn so einfach als nailiwenditi ; der fol- 
gende Salz über die Ruder — nee remoa in ordine intert- 
htis adjungutit, »olulum, «l in quihvadam ßuminum , et 
mulahile, ut. res poscit, hinc et illinc remigium — ist 
el»en so unklar. Ein unbeireg liehe« Ruder ist ein Unding, na- i 
türlich inii&s e» beweglich sein, sonst kann man nicht rudern;' 
eine .Flotte {classia) setti wohl grössere Srhiffe, als kleine 
Kühne voraus, die wohl nicht mit ganz freien Rudern wie 
diese regiert werden bannen. Wenn es heisst: da man den 
'Reirhthuin Bchälze, so würde das Volk viii iintiinseLrünklen 
Königen regiert, so ist dies ein souderliarer Schhrss; Reich- 

in werden auch die andern germanischen Völker f^eschützt 
liaben, aber eine aUsohit despotische Regiernng lag gar nicht 
im Geist der germanischen Völker, wie der Verfasser früher 
*elhst sagt. Wenn es endlich heisst: alle Waffen des Volkes 
'Würden unter Schhiss und Riegel gehalten nnd der Könige Vor-« 
tbei! sei, sie den Sclaveu in übergeben (armis praeponert , 
regia vtililas est), so kann man dies nnr für Unsinn hal- ' 

j denn wo wird ein Regent oder ein Volk seine WatTea,, 
den Sciaven übergeben, dadurch gäbe es ja seine gauze Uaclit', 
i den Händen, das hiease ja: den Bock zum Gärtner setzen.. 
Dies stehet in directem Widerspruch mit dem germanischea 
AVesen, wie es von dem Verfusser und den andern Schriftsiel'- , 

1 beschrieben wird. Da wir nber durch das südliche Schwe- 
den, durch Dänemark und Niederlentschland ganz gleiche ger- 
manische Alterthümer Anden (s. Tb. ]. S. 225), so werden 
auch die Völker, die hier gewohnt haben, der gleichen Natio- 
nalität angehört, gleiche Instilutinnen gehabt haben. 

Die Stu'ofies unseres Verfassers sind wieder ein Volky 
«reiches die alte Litteiatur gar nicht kennt, nicht ein elwal 
ähnlicher Name kommt vor. Nach Plolemäns wohnen auf der j 
iesel Scnndin (Schweden) die Guiae, Daucionea, Phiracsi, 
JHiaranae, Levaui und Ckaedmi. 

Auf diese fitiiortes beziehet sich wohl der §. 1 , wo e» 
iteiast: dass auf den Inseln des (germanischen) Oceaus neuer- < 
tich (nuper) einige Völker und Könige (reg'fs) bekannt ge-» i 
nrden , welche der Krieg zugänglich gemacht. Wäre die. ' 
^'Germania vom Geschichtschreiber Tacitns abgefasst, so kann 
das nuper nur das Ende des ersten Jahrh. sein. Aber die I 
Römer sind nie, am allerwenigsten in dieser Zeit, über die 



-^ 166 - 

Elbe hinau^ekommen; das nuper kann freilich auch eine sehr 
neae Zeit bedeuten« 

Die Aehnlichkeit zwi&chen Suiones und Schweden ist 
recht auffallend , erinnert an die Aehnlichkeit Ton Gothini und 
Gothen. Hat vielleicht der Verfasser beide Völker der nach- 
römischen Zeit in das alte Germanien einschmuggeln wollen? 

§.45, 

a. Jenseits der Suiones ist ein anderes, träges, fast un- 
bewegtes Meer. Dass der Erdkreis von diesem um- 
giirtet und geschlossen werde, wird deshalb glaubhaft, 
weil der . letzte Schein der untergegangenen Sojane 
bis zum Morgen so hell fortdauert, dass er die Sieme 
verdunkelt. Die Sage fugt hinzu: wie überdies ein 
Geräusch vernommen. Gestalten der Götter und Strah- 
len des Hauptes gesehen werden. So weit reicht — 
wie die Sage gehet — nur die Natur. 

Anmerkung. Das mare pigrum ae prope immotnm, 
kann das Eismeer sein , aber wahrscheinlicher der baltische oder 
finnische Meerbusen, das mare cronium der Autoren. Wenn 
es hier heisst: ejctremus cadentis jam solis fulgor in or* 
ins eduraty adeo clarus nt sidera hebebety aonutn insU" 
per audiriy formas deorum et radios capitis aspici per- 
suasio adjicit y so bezieht sich dieses wohl auf die, in jenen 
nordischen Gegenden oft so grossartigen Nordlichter, die frei- 
lich den Römern aus Autopsie wohl uicbt bekannt wAren; aber 
aas diesen zu schliessen, dass der Erdkreis von dein nordi- 
schen Meere umschlossen werde,* ist eine sehr curiose Logik. 

b. Also, (erjfo) rechts am rechten Ufer des suevischen 
Meeres werden die Aesiii genics bespült, deren Ge- 
bräuche und Tracht suevisch, deren Sprache aber der 
britannischen näher ist (ifuibus ritus^ habiiusque Sue- 
vorum, Kngua briiannicae proprior). Sie verehren die 
Mutter der Götter (matrem deum); als Zeichen des 
Aberglaubens QsupersiHionis) tragen sie Ebergestal- 
ten (formas aprorum)^ die statt der WaflFen und je- 
des andern Schutzes den Verehrer der Göttin {deae 
cultorem) selbst gegen Feinde sichern. Selten ist 
der Gebrauch des Eisens, häufig der Kniittel (fustium). 
Getreide und andere Früchte bauen sie geduldiger 



— 167 — 

(ptdlenfitis') als nach der Germanen gewöhnliclien Träg- 
heit; aber auch das Meer durchspüren sie und sain- 
melu alteiu unter allen den Bernstein, den sie Glesum 
nennen, in den Untiefen und am Gestade selbst. Aber 
ob ihn die Natur oder welclics Verhältniss sonst her- 
vorbringe, lassen sie nach Weise der Barbaren uner- 
forscht und unergründet. Ja er lag lange unter den 
übrigen Auswürfen des Meeres, bis unsere Ueppigkeit 
ihm den Namen gab (^doiiec lusuria iiosira dedif tio- 
men). Bei ihnen selbst ungenutzt | wird er roli ge- 
sammelt, ungestaltet versendet und den Preis empfan- 
gen sie verwundernd. Dass er aber ein Baumharz 
sei, ersieht man daraus, weil gewisse Erd- und auch 
Flügellhiere häußg durchscheinen , welche , in die 
Feuchtigkeit eingehüllt, durch Verhärtung des StolTes 
eingeschlossen sind. Ich möchte daher glauben, dass 
es fruchtbare Haine und^Geholze, wie im Innern des 
Morgenlandes, wo Weihrauch ausgeschwitzt wird, 
auch in den Inseln und Ländern des Abendlandes ge- 
geben, wo dann, was durch die Strahlen der nähern 
Sonne ausgeprcsst und llüssig gemacht worden, in 
das nahe Meer fliesst und durch die Gewalt der Stür- 
me an die gegenüber liegenden Gestade geschwemmt 
wird. Wenn man die Beschaffenheit des Bernsteins 
am nahen Feuer prüft, so brennt er wie Kienholz, 
nährt eine träge und wohlriechende Flamme, wird 
dann zähe wie Pech oder Harz. 
Anmerkung. Mit einem ergo springt der Terfasaer 
aus dem liolien INorden an das Buevisclie Meer (die Ostsee), 
/u den ü»ijiscben Volkern, deren Wohnsitze nur init dem 
gani unbeslimmten de^iro bezeichnet werden. Diese sollen 
die Gebrauche und Tracht der Sueven haben, aber Ungna 
britannicae proprior , vras freilich etwas undeuilich gesagt 
isl. Matrem deum venerant setit voraus, dass die Germa- 
nen GÖtier nach röraiaclier Art halten, was wohl nicht der Fall 
war, und nach §. 9 fetilien ihnen die Götterbilder. Formae 
aprorum sollen als inaigne superKlitionis getragen werden, 
ainit Waffen selbst gegen Feinde sichern. Hier können nur 
Auuleie gemeint sein, die auch bei den Römern (besonders in 
den Rinderjahren) sehr gebrüuchlich waren; e» klingt daher 



— t68 — 

Hl dem Munde eines Römer« etwas auffallend j 'wenn er hier- 
bei Ton Aberglauben redet, wie der Christ. Dass die ästyi- 
schen Völker mit Ainuleten statt mit WaHfen dein Feinde ent- 
gegen getreten nrären , wird dem Verfasser wohl Niemand 
glauben ; dies lag gar nicht in dem germanischen Wesen und 
Geist, so weit wir diesen aus den Nachrichten der Auto)-en 
kennen. Wenn es nun licisst: raries ferriy frequens fu- 
sliuni usus, so klingt dies doch etwas Dach Unsinn; Ü«>lz 
kann man nicht statt Eisen brauchen, wenn man aber unter 
ferrum Waffen rerstehen will, daher meint, die ästjischen 
Völker hätten statt derselben blosse Knüttel gehabt, so stehen 
hiermit alle geschichtlichen Nachrichten in Widerspruch ; denn 
diese Aettjer gehörten gewiss za den cimbrischen Völkern, de- 
ren schöne eiserne Waffen und Ausrüstung die alten Sciirift- 
fteller yielfacb erwähnen , über welche die römischen Armeen 
bittere Erfahrungen machten. Nirgends findet sich eine An- 
deutung darüber, dass ein germanisches Volk statt blanker 
Waffen blosse Knüttel gebraucht hätte. Die Aestjrer sammeln 
den Bernstein und nennen ihn Glesum; dies wird aus dem 
Piinius entlehnt sein, denn dieser sagt (72, 2): der Bernstein 
wird auf den Inseln des nördlichen Oceans erzeugt und Ton 
den Barbaren Glessum genannt; dies mag der alte germani- 
sche Name gewesen sein, denn im Altfriesischen und längs 
der Ostseeküste htess im Mittelalter der Bernstein glexum^ 
gleSy glas y was yielleicht zusammenhängt mit glain im Wäli- 
schen^ was Schmuck j besonders Halsperle bezeichnet, wozu 
der Bernstein auch in der allerältesten Zeit vorzugsweise ver- 
wendet wurde. Nun folgt eine sehr lange Expectoration über 
die Entstehung des Bernsteins, die hier gar nicht hergehört, 
dem Gegenstande des Buches ganz fremd ist, aber sehr an 
ähnliche Worte des Piinius erinnert. 

Die Aestiorum oder j^estjfariim gentes im Bernstein- 
lande ^ Ton denen hier so weitläuftig gehandelt, so curiose Sa- 
chen . erzählt werden , kennt sonderbarerweise die Litteratur gar 
nicht; wo sie gewohnt haben sollen, werden von den Autoren 
andere Völker genannt, Ptolemäus setzt die Venedi dahin, (s. 
den folgenden §). Pytheas, der zur Zeit Alexanders des Gros- 
sen von Marseille zu Schiffe nach den Norden reiste (vielleicht 
aber nicht in die Ostsee kam), erwähnt (wie man aus den Au- 
toren ersieht, die seinen, für uns verlornen Bericht benutz- 
ten), wie er zuerst an die JJalhinsel der Cimbern gekommen 
(die er mit den Cimmerii der altgriechischen Zeit zusammen- 
stellt), dann folgt die Küste Montonomon, von den Guttones 
bewohnt, dann die Küste, deren Bewohner den Bernstein sam- 
meln und ihn an die benachharten Teulones verkaufen, dann 
erwähnt er die Osliaei^ die also weiter östlich gewohnt haben 



P moger, wobei Strabo 1. 4 bemerkt; Fylhens sngo über die Osliaei 
und die Lüiider zwigcheo Uhein und Sky[Uien viel Irnliüio- 
licIieB. 

Im Mittelalter werden hier Völker itiil etwa alinliehen Na- 
men genannt. Jornandes erzülilt (('ap.23): wie Hermanricli, 
König der Westgotlien, Ton den Ufern des Dniesler her fast 
das ganze, jetzt westliche Russland ernberre, dann an der 0»t- 
see vordrang C'^ 350 n.Cb.); hier nennt er als äberwundei«- 
Yölker: Veneti, Aiiti, SJaii und die nalia jicstrorum, qut 
longhsima ripa Oceam germanici insident; nach Cassiodwf 
(5. 2.) vTobnten Haestii um das Jahr 500 in jener Gegend, 
indem Theodorich König der Ostgothcn , den Haeslifs «eine 
Freundschaft versichert, vcegen eines Gescbonkea an Bernsteiii. 
Zur Zeit Carls des Grossen und spater vrerden jiisti genanntä 
aiD friscben MalT, welclies Aiatenneer oder Estnieer kleas, wo3 
her wohl unser Name Ostsee. '** 

Auch die Aeslier verschwinden au» der Geacliirhte, und ef 
treten dagegen die Estheti (neben den hiveu) in Eslh - uxtS 
Liefland auf, besonders in der Gegend von Reval, Dorpat elCn 
diese gehören der finnischen Nationalität, reden einen Dia- 
leel der finnischen Sprache, mögen sicli früher viel wei- l 
ter östlich verbreitet haben. Es ist wob! wahrschein lictt' | 
dass auch die alten HaeUii nnd Aestri, selbst 
Ostiaei finnische Völker waren, aber andererseits werden kelto»- 
germanische Völker (vielleicht mit jenen uniermisclit __ 
jetzt) bis Reval langst der Küste gewohnt haben, wofür diff 1 
Alterthnmer deutliches Zeugnis» ablegen (s. Tli. I. S. 66). 1 
Auf die jieglyi geutes nnsere» Verfassers und das, 
von ihnen sagt, diirfte wohl kaum Werlh zu legen »ein 

So viel ist wohl gewiss, dass der Handel mit Bernstein 
ein uralter ist, der vor 2 — LtOOO Jahren vielleicht lebendiger 
war als jetut und auf verschiedenen Handclsslrassen geführt 
wurde. Eine derselben lief sehr östlich durch Hussland, durch 
die Newa, l.nwat und Wolga, nacli Persien, Arabien, Indien; 
eine andere ging inilten durch Riissland, auf der Buna und 
Dniepcr, narb Byzanz, Thracien und Griechenland (die später 



^ne grosse Mililairstrasse für die gulhischen Volke 
eine dritte ging südlich durch Schlesien, nach Carnu 
dem Jetzigen Wien, von da, an den Ansllnss des Po 
nach den uralten Handelsstädten der Venelen SpiF 
drin; weil man vom Po den Bernsfein nach Italic 
liiess auch dieser I<'lnss Eridanns. Dieses Handelsv 
Ostsee waren alier gewiss nicht Kinnen , die nirge 
Ceschichle eine Handelsthiiligkeit gezeigt balien, so: 
ein keltisches, das, vom kaspischcn Alecre herslninmc 
Stnmm verwandle fand. 



wurde); 

besonders 
und Ha- 
hrachie, 



— iro — 

c. Den Süiones folgen die Völker der Sitone$ (Sitonum 
genies)y diesen im übrigen ähnlich, nur in dem Einen 
verschieden, dass die Weiber herrschen (femina d(h 
minantur), so sind sie dann nicht nur von der Frei- 
heit, sondern auch von der Knechtschaft entartet. Hier 
ist das Ende von Suevien {Sneviae finis). 

Anmerkung. Hier springt der Verfasser Yon dem Bero- 
steinlande an der Ostsee zii den Sitonen, welche die Suionen 
(in Schweden) fortsetzen sollen (coniinuaHtur); man konnte 
sie etwa im nördliclien Schweden suchen, aber die Ausdrucke 
sind — wie immer — so unbestimmt, dass sich gar nichts, 
aucli nur mit einiger SichcrLeit sagen lässt« Von diesen wird 
gesagt, dass femina dominantur, wieder ein ganz Tager Aus- 
druck. Es kann heissen: dass Weiber regierten^ aber auch, 
dass Weiber Einfluss hätten ; der derauf folgende Satz : in tan- 
tum non modo a libertaie sed etiam a Servitute degßne- 
rant, scheint mir keinen klaren und yerständigen Sinn zu ge- 
ben. Uebrigeos werden die Sitones nirgends in der Litte- 
ratur genannt, sind yielleicht nur ein Tom Verfasser fingir- 
tes Volk. 

§. 46. 

a. Ob ich die Peucinorum, Venedorum et Fenno^ 
rum nationes den Germanen oder Sarmaien beis&h- 
len soll, bin ich zweifelhaft, obgleich die Peuciniy 
welche Einige Bastarnae nennen, in Sprache, Cul« 
tus, Wohnungen und Aufenthalt, wie Germanen agi- 
ren. Bei allen ist Schmutz und Trägheit des Körpers. 
Durch gemischte Ehen werden sie zu dem Habitus der 
Sarmaten verunstaltet. Die Venedi nahmen vieles von 
ihren Sitten an; denn was sich zwischen Peucinen und 
Finnen von Wäldern und Bergen erhebt, das durch- 
streifen sie plündernd; diese {hi^ wohl die Peudm) 
jedoch werden mehr zu den Germanen gezählt^ weil 
sie Häuser bauen, Schilde fuhren, auch sich des Ge- 
brauches und der Schnelligkeit ihrer Fiisse erfreuen. 
Ales dies ist anders bei den Sarmaten, die auf den 
Wagen und Rossen leben. Bei den Finnen wohnt 
wunderbare Wildheit und schmutzige Armuth; keine 
WafTen, keine Rosse, keine Penaten. Kr&oter so» 



— ni — 

Uiileriialte, Felle zur Kleidung, zum Lager dia Erde; 
die Pfeile, ihre einzige HofTnuug, spitzen sie aus Man- 
gel an Eiseu luil Kuocheit, Die Jagd itälirt die Män- 
ner wie die Weiber, denn überall bcgleilen sie diese, 
fordern einen Tiieil der Beute. Auch die Kinder haben 
vor wilden Tliieren und Hegeu keine andere Zufluclil, 
ala dass sie mit einem Gellechte von Zweigen goscliülzt 
werden, dahin kehren die Jünglinge zurück, das ist 
der Schlupfwinkel der Greise. Seliger halten sie sol- 
ches , als auf Äcckern zu ächzen, sich einzuarbeiten in 
Mauser (^iitlaborare domibus'j, eigenes und fremdes 
Gut in Furcht und Holfnung zu hüten. Sicher gegen 
Menschen, sicher gegen die Götter (securi adversus 
deos), haben sie das Schwerste erreicht, dass ihnen 
kein Wunsch uölhig ist. 

Fabelhaft ist das Uebrigc; daas die Jiellusii und 
Oriones Antlitz und Züge von Menschen, Leiber und 
Glieder von wilden Tliieren hätten, dies lasse ich, wie 
unbekannt, so unentschieden. 
Ad merkuDg. Bei den hier ernühnten 3 Volkei'D bl 
■wieder — wie immer — die Hauptsaclie nicht angegeben, näin- 
licL ihr Wohoort. Die Finni siod der Beschreibung uitch of- 
fenbar die fmniscben Lappen in L.ippland, die Vcnedi wer- 
den an der uutern Weichsel gewohnt hoben, die Peucini um 
die Donau -Sländungen; es 'ml daher lebr eigenthümlich, diese 
so sehr von einander entfernt wohnenden Völker zugnmmen- 
zuCaBscD. Die Peucini sollen in Sprache, Cullua, Wohnung 
ganz den Germanen gleichen, werden nurh von allen Schrift- 
Biellern für Germanen angesprochen; man begreift daher nicht 
reclii, warum der Verfasser zweifelhaft isl, ob sie auch z» die- 
sen gehörten, andrerseits beschreibt er die Finnen als ganz Ter- 
schieden von den Germanea und »etzt sie doch zu denselben. 
Die Finnen in Lappland waren zur röntischen Zeit wohl schwer- 
lich nüher bekannt , die Autoren kennen und crn ühnen sie 
nicht; auch Plolemüus bat von Lappland keinen Begriff, ihm 
ist Scandia (Schweden und Norwegen) eine nicht grosse In- 
sel, die etwa Pommern gegenüber liegt, seine Phinni wohnen 
an der Weichsel, aber anf diese dürfte nicht passen, was un- 
ser Verfasser sagt, denn in Sarmatien war stets Ueberfluss von 
l'ferden. Was hier Ton den Finnen gesagt wird, ihr Schmutz, 
ihre Armnth, der Älangel an Pferden und Waffen, ihre Beklei- 
dung mit Fellen, ilire Wohnung in Hütten yen Flechlwerk, 



~ n2 — 

passt ganz auf die Finnen nnd Lappen im höchsten Norden von 
Schweden und Norwegen, die das AUerthiim schwerlich kannte. 
Diese Nachricht, der neuem Zeit angehörig, mag wohl in die 
Beschreibung des alten Germaniens nur eingeschmuggelt sein. 

Die Venedi y von denen unser Verfasser nur sagt: sie 
hätten dnrch die Mischung mit den Sarmaten manches Ton de- 
ren Sitten angenommen, dürften nähere Beachtung rerdienen. 
Ptolemüus setzt die Vencdi rechts der Vistula (Weichsel), 
zwischen diesen Fluss und den Choiius (wohl die Memel), das 
Meer vor ihnen Iieisst sinus T^enedicvs ^ im Südeii haben sie 
die Kenedici monies (welche wohl den preussisclien Höhen- 
zug bezeichnen, der sich in 15 — 20 Meilen Entfernung vom 
Meere, aus der Gegend von Thorn über Gilgenburg, Lanna 
bis Goldnpp ziehet und über 500' hohe Berge hat, s. Kefer- 
stein's Teutschland geognostisch- geologisch dargestellt Band V 
V. J. 1827 S. 224). Die Wohnsit/e dieser germanischen Ve- 
nedi lagen daher in der Gegend zwischen Elbing, Königsberg 
und Tilsit^ also gerade in der Gegend, wo der Bernstein ge- 
funden wird, in ihren Händen wird daher der ganze Bernstein- 
handel gewesen sein; auch schon deshalb, weil es einen sinus 
Venedtcus und monf.es Venedici gab, werden die Venedi ein 
sehr wichtiges und bedeutendes Volk gewesen sein; in ihre 
unmittelbare Nähe setzt Ptolemäus die Gylhones (wohl die 
Guttones des Plinius), die Buguntae (wohl die Burgundio- 
nes des Plin.) und die Avarini (vielleicht die Carini oder 
Varini des Plin.). Plinius kennt zwar nicht die Venedig aber 
als eins der 6 Hagptvölker Germanien^ nennt er die VindiÜ 
ohne ihreu Wohnsitz anzudeuten, sondern bemerkt nur, dass 
zu ihnen die Burgundiones ^ Varini y Carini und Guttonei 
gehören , wahrscheinlich sind daher die Vindili des Plin. das- 
selbe Vdk, welches Ptolemäus (und wohl richtiger) VeneU 
nennt; an die Richtigkeit dieses Namens glaube ich deshalb, 
weil er sich in. der spätern Zeit in den slavischen Vinidae 
und Wenden fortsetzt. 

Die VeueU bildeten ein Volk in Armorica, in der Gegend 
vom jetzigen Vannes (ako c^fFenbar ein wälisches) ein, wegen 
seiner Schulfahrt und seines «ehr ausgedehnten Handels, beson- 
ders berühmtes , in dessen Lande sich auch die grössten kelti- 
schen Monumente und die meisten Alterthümer finden; die 
Veneti waren aber auch, ein, schon iin höchsten Alterthume 
sehr berühmtes Volk in Italien, und zwar im jetzigen Vene- 
tianischen^ am Ausflusse des Po (Eridanus), und ^in sehr gros- 
ses, da Plin. JI. 74 sagt: pars decima Italiae^ quae Vene- 
tia appellanlur. Diese italischen Veneti sollen nacli Strabo 
von den gallischen in Armorica abstammen, werden daher wohl 
dieselbe Sprache , nämlich die wälische gesprochen tliaben« 



— 173 — 

DVenn wir mm im N«rJen von (ierinHiiL(;a aiicli Venedi oder 
^wie später gescLrieben wird) Veiteti linden, als eiu grosse* 
tVoli , das (lea Hauptliaudel in Hunden lial , der Turtitgsweisf 1 
I Veneti in Iinlieu gehet, so wird ck erlaubt sein, die^t 1 
(als einen Zweig der Veneli in Italien und (inllien anzusehei^.l 
-^er ebeuliilts der wülisclieo Hationalilzit angeliöreD wird, un I 
I mehr, da — wie ich immer zu zeigen geancht Lnbe — dif 1 
i?V'olker langst der Ost- und JNordsec, den !\acbrichten ui^ I 

B^lterthäinern nach , ku den wäliechen Kelten »ehürten. W^ \ 
Bn früherer Zeit gar nicht der natiuiiale Unteiitchied bestand, I 
jetzt zwischen Teulscheu , Franzosen und Italienern , soiV I 
I Kellen alle diese Lünder hewohuien, so kam es oft, da^J 
^derselbe Sininiu, dasselbe Volk in alle» 3 Ländern WohuaitX^V 
>liatteii. Semnone» wohnten im Norden Gerinaniens, in dof 'f 
Kachbarschaft der Vencdi, auch in G»11ien und Ober* Italien^ J 

Rie Liysiif Tecloaages, die Boji, Helielii und nndere Votr I 
er wohnten theilweise in Gallien , theilweise in Germanien 1 
«Waren die Veneti an der Ostsee, ain Adrialisdien Meere un4 1 
■aiD Caiial zwischen Fritnkreich und England Zweige desselben ' 
Lande! treibenden Volkes, ana Einer Wurzel entsprossen, mit 
gleicher Sprache und Sitte: dann begreift man wohl die uralteo 
Handelsbeziehungen dieser Lünder, dann wirft dies auch ein 
-Licht auf die politischen Uezieliiuigen , auf die Heerziige der 
cimhrisch-wülischen Vülkei* in uralter Zeit nach Italien, Gallien 
und Griechenland. 

Das Land diesseits der Weichsel winde im Allgemeineii 
vou keltischen Germanen bewulint; jenseits der Weichüel, in 
Sarmatia^ snssen wohl im Allgemeinen stets — wie auch 
jetzt — slavische Volkerschnfien, nnr liings der Usisee wohn- 
ten weit herauf, durch Kur-, Lief- und Esthinnd Vcnedi oder 
kelto- gerinanische Völker, wie auch die Altert|iüiner beweisen 
(». Th. 1. S. 66). Seit dein ersten Jshrh. unserer Zeitrech'- 
nung werden sich die Vei-hültoisse wesentlicli veründert haben. 
Gulhisciie Volker, vom schwnrzen Meere her, dringen durch 
die slavischon Länder auf der urallen Mandelsslra^se zur Ost- 
see vor, in die gewiss sehr reichen venedischeu und cimbrischen 
Länder; zu ihrein Vurtrabe mügen die sogenannten Frauken 
gehört haben, die sich im 3ten Jahrh. am Klieiiie festsetzen. 
Jornandes erwähnt einen sulcheu Heerzug — deren riete statt 
gefiiiiden haben werden — unter Hermanricb, ICunig der WesN 
' ^othen (niii 350 n. Ch.), nennt unter den überwundenen Töl- 
■B die Veneti, jinti und Slavi, Diese go i bische Erobern ng 
offenbar die Kraft kelto-germaniscfier Bevölkerung gebro- 
in, und die llewohner der »ielleicht überTÖlkerten slavischeii 
ider konnten sich ohne wesentlichen Widerstand über die 
[ Jieitu- germanischen Laude verbreiten, werdeu endlich Uerreu 




174 - 



des ÖstlicLeti Germnniens, alavUtrcii die Einwolinersrhafc, 
die we$l1irhen Gegenden durch die Gollicn gotliUirt wurdoj 
Der Narlitrab der Gulhen besteht überall ans Slayen, die lÜ 
al« Ackerbiiuer festsetzen und sehr grosse Gegcoden slartsirea^.J 
« rücken sie ■iiicli von der Weichsel bis zur Oder, Elbe u ' 
iter Tor, Indem die Slaren das Land der Venedi 

S^n, es unter ihre Herrsclinft brachten, es slavisirten, 
e sich reibst VinUlae genannt haben, nts solche liezetchal 
' tftHn, auf khuHche Art, nU die alanischen Völker Gothi \ä<^ 
I ttn, nachdem sie das Land der Getae besassen. Siavini 
J^inidae ir erden Bezeichnungen desselben Volkes gewesen t 
rnandes (de reb. g»lh. 5) sagt: Vinidarum natio popi 
yiosa. Quorum nomina licet nunc per vat-iaa familiat^ 

Joca mietenlur, principaiiter tarnen Slavini et Cente» f 
* ^Inantur. Der Name Finidae , Winidae, If'mden, WA 
\ "Jen, für Slaven, verbreitete »ich im Laufe der folgenden Jaf 
[ hunderte bis zur Elbe. 

Meiner nnTorgreinichen Ansicht nach miiss inai 
<riclit der Naiionalitüt der Venedi sehr die Zeilen unterschj 
den. Die germanischoD Venedi, bis etwa zu Anfange i 
Zeitrechnung, waren Kelten des wülischen Stammes, wie aoie 
ihre hinterlassen en Alierthüiner zeigen, und ein Haupt- Hafl 
delarolk an der Ostsee. Hinter ihnen, in Polen, wohnten Slarc' 
die auch vielleiclit mit ihnen vermischt, als Ackerbauer Iri 
Diese Slaven kamen nun znr Herrschaft, die kellische EinwiA 
nerschaft wanderte aus , slavisirte sich , oder verlor alle Be^ '' 
deutung; die Vinidae oder fVfnidae, seit vielleicht dem 4len 
dien Jahrh., sind Slaven, die der slaviachen Naiionaliiät ge- 
hören. Anf ähnliche Art wurden die Veneti in Ober-Ita- 
lien zu Italienern, die Veneti in Gallien grossen th ei Is zn Fran- 
zosen. Die Winidae de» Miltelalters waren gewiss Slaven; 
wenn man aber — nach dem Vorgange einiger neuem slavi- 
schen Schriftsteller — sehliessen wollte: deshalb müssen auch 
die Veneti im Veneria nischen und in der Norinandie Slaven 
gewesen sein, so würde das eben so falsch sein, als wenn man 
sagte: weil die jetzigen Veneti (Venezianer) Italiener sind, s» 
werden auch die allen, germanischen Venedi Italiener gewe- 
sen sein. 

Da unser Verfasser über die Wohnsitze der Peucini und 
Bastarnae gar nicht sich aiislasst, so müssen wir auf andere 
Nachrichten der Autoren recurriren. Plin. IV. 23 sagt; „De 
Donau (allt in 6 grossen Armen ins Meer; der erste heisst Fea- 
ces, SD genannt von einer nicht weil davon liegenden loset 
Peuce. Von den Mfindnngen ab wohnen scythische Volker, dodi 
sind die, welche die Küsie bewohnen, nicht immer dieselben 
gewesen, bald waren es die Gelae (thrakischc Kelle»), bei den 



— 175 — 

f tRoinern Daci genannt, bald die Sfirmali, bei den Gr!echea 
.Sauroma, i , bald Kaechle gelioroer Skythen oder TroglodyleD, 
Jiald jilani und Roxalani (Gothea). Uie obern Gegendeu 
I -aber, zwiscben der Dünau und dem he rcjni selten Walde, bis 
j SD die pannoni seilen Winterlager {hiberna), besitzen die Cur- 
\iK*iti (CarnutuiQ lag in der Gegend tod Haimbiirg, auf der 
Grenze zwischen Oesterreicli und Ungarn)} und die Felder tind 
Ebenen, die inii Germanien greD;iei], die Jazygea Sarmati 
i(Slaven); die Berge und Wülder bis au den Fluss Pailijsus 
^hel») die Ton diesen vertriebenen Daci; der Marus (Marcli 
Rtf der Grenze zvrisclieu Oesterreich und Ungarn) aclieidet dic- 
1 Volk von den Sueven und dem vanninuischen (markoman- 
nischen) Reiche. Die gegenüber liegende Seite (adversa) be- 
wohnen die Bastamae , und dann folgen andere germanische 
Volker." — Weilerhin lieissl es IV. 'i%: „Germanien bat 5 
Hauptslümine {quinqiie genera Germanorum , 1) die Vindili 
(nohl die Venedi an der Ostsee), 2) die tngaevones (wohl 
die Scandinavier) , 3) I»taevones (wohl längs der Ostsee), 
4) Hermiones (die sueTisehen Völker im Innern von Germa- 
nien), ö) quinta pars: Peucinl et Bastarnae, die an die 
Daken grenzen (an der Dunau)." Diese Ba^/arHUe werden mehr- 
fach von den Autoren ala ein grosses und kühnes Viilk erwähnt, 
öfter auch als Galaler bezeichnet (wie die sueviachen Volker), 
so vun Folybius S6, 9, von Li*ius 40, 5S; 41, 19, S3; 44, 26. 
41 etc. Philipp von Macedonien erklürt sie an Sprache und 
Sitte für gleich mit den gallischen Scordisci, (die nach Plin. 
auch in Pauuonien wohnten); einige Schriftsteller bezeichnen^ 
sie auch als Gelae (Appian de bell. Mithr. 69. 15, Dio Ca^ssiaa-f 
34. 73). Slrtibo erwühut die Baalarnae als nördlich der Do, 
iiau wohnend und sagt: sie leben unter den thrakischen Vöt« 
kern in grosser Zahl, besitzen auch die Insel Peuce, heiss« 
daher Peucini; bemerkt schliesslich; im Innern des Landes (d.ll^T 
entfernter von der Dondu} leben ^iq\ Bastarnae, benachbart 
den Germanen, sind auch beinahe von germanischem Stamme um 
in mehrere Völker geschieden, als: Almoni, Sidoni, PettchiiiA 
Nach Plntarch (Paul. Aemi], 12) war ihre Cavallerie vortrefflich] i 
jeden Reiter begleitete ein lufanteriat, geübt, auch dem schnell 4 
laufenden Pferde zu folgen , um im Kampfe jenen zu unterstützeii { 
(wie es nach Cüsar, bell. gall. I. 48 auch bei den Sueven ge^ 
bräuchlich war). Dem Käuige Perseus stellten sie um 178 t. 
Ch. in dem Kriege gegen Rom für Sold 20,000 Mann Hülfs- 
truppen (Folybius 26, 9); Kaiser Probns versetzte um 380 
n. Ch, an 100,000 Bastarnae ins römische Gebiet, die sich 
hier ruhig verhielten (Vobisc. 18). N.ich Ptolem. wohntea^ 
Peucini Iheils am Ausfliisse der Donau, theils im Lande 
lieh der Donau, etwa in der Gegend, wo der Borj/$fhslenet ] 



— 176 — 

(Diiiester) entspringt $ um die Peueint montetj weniger, südlich 
■wohnen die Bastarnae, ein grosses Volk« Unweit des obern 
Dniesters liegt, in der Gegend der jetzigen Stadt Komonetz, 
gegenwärtig das bedeutende Miedoborsk - Gebirge ; ob dieses Tiel- 
leicht das Gebirge Peuce sein mag, muss dahingestellt bleiben. 

Allen diesen Notizen nach scheinen diese Hastarnen und 
Peucinen nicht der kelto-thrakischen, sondern der kelto-sueTi- 
schen oder kelto-cimbrischen (der walischen) Nationalität an- 
gehört zu haben, wohnten ursprünglich am schwarzen Meere 
uro die Donau - Mündungen ^ waren also die nächsten Nachbarn 
der alten Kimmerier (die^ wie aus den Aiterthiimern lieryorge- 
het, offenbar wälische Kelten waren, s. Th. II. S. 442), wer- 
den zu deren Stamme gehört haben. Wie diese, wurden sie 
wohl schon in alter Zeit von den rohen scjthischen Völker- 
schaften bekriegt, die im Laufe der Zeit Herren des Landes 
wurden, deren Einwohnerschaft wohl allmählig ihr Vaterland 
verliess, theils in das thrakische Land zog, theiU in das nörd- 
liche sarmatische, wo sie unter slayischen Völkern wohnten, und 
sich mit der Zeit slavisirt haben mögen. 

Vermuthlich war die thrakische Sprache ein besonderer 
Dialect des Keltischen, ül>er den wir freilich zur Zeit nichts 
Näheres sagen können. Weil die Bastaren nicht diesen, son- 
dern den suevischen oder den wälischen sprachen, werden sie 
fnr Germanen angesprochen sein , die daher in ältester Zeit 
sowohl am schwarzen Meere, als an der Ostsee wohnten und 
Handelsbeziehungen unterhielten. Diese Bastarnen sprachen ger- 
manisch, suevisch (gallisch)' oder cimbrisch (wälisch)^ immer 
^ber keltisch. Teutsch sprachen sie gewiss nicht, wie J. Grimm 
jglaubt^ und man begreift kaum wie derselbe (Geschichte der 
teutschen Sprache S. 458) sagen kann : kaum giebt es ein äl- 
teres Volk, für dessen Deatschlieit die Gründe überwiegen, als 
das der Bastarnen, und führt nun mehrere Stellen an, wo sie 
Germani genannt werden. Ob aber die alten Germani teutsch 
sprachen, ist eben die Frage um die ds sich drehet, und dass 
es der Fall gewesen, dafür hat J. Grimm in. seinem ganzen 
und gelehrten Werke auch nicht den kleinsten Beweis beige- 
bracht. Eben weil die alten Germani nicht teutsch sondern 
keltisch sprachen, deshalb werden auch die Basiamae nicht 
Teutsehe sondern Kelten gewesen sein, als welche sie auch 
die Autoren bezeichnen. 



zu vorstehender Arbeit über die Germania. 



^ ■Venu sich Jemaud die Mülie gelien sollte, die Torslelieiide 
Uebersetznng nebst Anmerkimgen wirklicli ganz diircli zu lesen, 
wem freilich wenig UufTuiiDg vorlinnden sein dürfie, so würde 
..^r vielleicht dem sehr ungüustigen Urtheile über die Germa- 
'f aia beisliiumen , das in dem Vorworte abgegelien wurde und 
,4^» ich jetzt etwas iiüher xn begründen suchen werde, 
to ., Faat jeder §. enthült allermeist zweierlei: erstens eine sehr 
^kurie, ihatsiichliche Nnchrichi, und scweiteas eine meist längere 
. aeutinienlale Betrachtung, die oft recht geistlas darüber reflcc- 
.tirt. Nehmen wir aus den ersten, dea luiltelsien und den 
■ letzten §§. desfalsige Beispiele. In §. 2 spricht der Verfasser die 
Qernianeii für Autocluhonen an, und sagt dann: „wer mochte 
-..Ruch^ abgerechnet die Gefahr des schreclilicben , iiBbekannlen 
Jdeeres, Asien, Africa oder Italien Terlassen, um Germanien «uf- 
sustichen, dieses ungestaltete Land mit rauhem Uinunel, trau- 
rig in dem Anbau und Anblick, wenn es nicht sein Vaterland 
ist." — Jd §. 32 wird dieCnvallerie der Tencierer als ausgezeich- 
net gerülunt flnd mm gesagt: „so setzten es die Vorfahren 
.ein, so ahmen es die Nachkommen nach, das ist das Spiel der 
r, der Wetlslreil der Jünglinge, die Greife halten daran 
fest." — i in §. 46 wird Ton den hinnen gesagt, sie hüllen nur 
ülien Ton Flechtwerk, und nun heiisi es: „dahin kehren die 
(ünglinge zurück, das ist der Schlupfwinkel der Greise; seli- 
haltea sie solches, als auf Aeckern zu ächzen, sich einzu- 
^beiten In Hüuser, eigenes und fremdes Gm ia_ Furcht und 
.UofTnung zu hüten ; sicher gegen die Menschen , sicher gegen 
Götter, haben sie das Schwerste erreicht, dass ihnen kein 
isch nöthig ist," 

Diese Schreihweise, forlwidirend sidche eigene, oft tciriale 
Betrachtungen und ein scliwülsiiges Raisonnement eiozufledi>«L 
len, ist — wie mir scheint — dem Geschieht Schreiber Tacilus 

Kcfcnlrin, fceti. Altcnfa, III. Bil. 1, M,ib, 12 



— 118 — 

ganz fremd, der den Faden der Geschieh te nicht stets derartig 
unterbricht, sich nie in so scliwülstigen Expectorationen erge« 
het; liierdiirch schon allein scheint inir die Germania 'vresent- 
lieh verschieden von den Geschichtswerken des Tacitus, und es 
scheint mir unwahrscheinlich, dasa ein Schriftsteller sich so ver- 
schiedener Schreibweisen bedienen könnte. 

Tacitus beherrscht in seinen Geschichtswerken yolikommea 
seinen Stoff, den er:iDit.^gtü)sltQi*'DiittiAt behandelt; er giebt 
ein sehr klares Bild von den Verhältnissen , die er beschreibt, 
mit einer ausserordentlichen Präcision and Kürze, die aber dem 
Verständnisse keinen Eintrag thut. Dagegen ist wohl unser 
Verfasser gar nicht Herr seines Stoffes, man fühlt, wie ihm 
der behandelte Gegenstand eigentlich fremd sein muss, da- 
her überall Unklarheit herrscht; -von dem, was er eigent- 
lich sagen sollte, redet er sehr kurz, von Nebendingen dage- 
gen sehr ausführlich. Eine Hauptsache war es ohne Zweifel, die 
Wohnsitze der erwähnten Völker möglichst genau anzugeben, 
dies geschieht nirgends, dagegen handelt er §. 45 sehr aus- 
führlich über die Entstehung des Bernsteins, und §. 37 über 
die Kriege gegen die Cimbern. Solche unzweckmässige Excur« 
'sionen finde ich nicht in den Greschichtswerken des Tacitas* 
Die Kürze des Tacitus artet bei unserra Verfasser häufig in 
Un Verständlichkeit aus. 

Was unser Verfasser eigentlich gel>en will, sagt er in f. 
, 27, wo es heisst: „Bisher haben wir über den Ursprung und 
die Sitten der Germanen im Allgemeinen gehandelt, non trol- 
len wir die Institutionen und Gebräuche der einzelnen Völker, 
so weit sie verschieden sind, darlegen." Ueber die Sitten der 
Germanen im Allgemeinen hat er sehr oberflächlich geredet, 
aber von den abweichenden Sitten der einzelnen germanischen 
Völker sagt er fast gar nichts; auf solche Art bdiaudelt der 
Verfasser seinen Stoff mit solcher Inconsequeni , wie es der 
Geschichtschreiber Tacitus consequent thut. 

In der ganzen Germania scheint mir nichts klar und deut- 
lich dargestellt; unmöglich kann man sich ein deutliches Bild 
machen von den germanischen Völkern, ihren' Wohnorten and 
Institutionen, Alles ist so in der Schwebe gehalten, -Alles so 
zweideutig und dunkel dargestellt, dass man begreift: der Ver- 
fasser hat nichts Klares sagen können oder wollen* So z. B. 
führt er in §. 2 als die Hauptvölker Germaniens an: die Jn« 
gaevouei^ Hermiones^ Istaevones, Marsi^ Gambrivij Suevi 
und Vandali; man erwartet nun diese in den Vordergrand 
gestellt zu seilen^ von ihren Wohnsitzen, Sitten und Gebräu- 
chen etwas zu erfahren, aber sonderbarerweise Werden diese 
(mit Ausnahme der Suevi) gar nicht weiter erwähnt,.. dagegen 
sind eine Menge Namen von Völketift- aufgefäbrt| welche die 



-ITC - 

Lilter.itiir gnr nicht kennt, die, wenn sie niclil finglrl sind, 
xh ohne alle Bedeiiliing gewesen sein rnüisen. 

ser Verfasser erwäluit inebrfacii den (.'ullus der Germti- 
lei* innn fühlt, wie er voa deinaelben wohl gar nichti 
P^jewua« hüben kann , oder niehls Deutliches »ngen will. Er 
' achweigt aber das eif^euEliche Wesen des gennaiiljclien Cultus 
r neniit römische und griechische Gottheiten, die den Germn- 
l^iven ukne Zweifel ganz fremd waren; er liemerbt, wie die 
''Germanen keine Tempel und Götterbilder hüllen, und beschreibt 
' darsuf einen Cultus (§. 39), der sich ohne Götterbild nicht 
wohl erklären Visst. 

Wenn man die Germnnia mit Aufmerksamkeit liest, so 
mnaa wohl Jeder erstaunen über die ganz aberääcb liehen Naeh- 
rii^hten, die hier dnrgclegl werden , während die Römer zu 
Ende des ersten Jahrtniiiderts Germauicn doch ziemlich gentiu 
kennen musslen, an sie fortwährend im Lande Kriege führten^ 
grossen politischen EinHiiss anf viele Volker üblen, bedeutende 
LandstreckeD Germnnieas besasten; nicht wenige vornehme 
Genn.tnen wurden in Bora erzogen, oder hatten sich dort auf- ' 
gehalten, viele romische Hnndelsleute lebten in Germanien, 
und unser Verfasser sagt selbst $. 41: manchen Volkern, wie 
den Hermunduren, würen in den römischen Besitzungen Thor 
und Thiir geöffnet. Wenn auch der Verfasser nicht selbst in 
(iernianieH gewcEen wäre, so würden ihm viele Schriften über' 
Germanien zu Qetiote gestanden haben, die nicht auf uns ge- 
kommen nXd, deren Titel wir zum T heil kennen; abM er hn-. 
let sich anfallend er weise, irgend eine Qaelle (mit AusnahmCI j 
des Cäarir) anzugeben, aus der er geichöpft hätte. 

Jeder §. trägt — meiner lleurtheiluug nach — die 
ren der höchsten Unvolikommenheit; was gesagt wird, ist i: 
mer zu wenig «<fcr zu viel, zn unvüllständig oder zu überflö»»^ 
sig; mau konnts ganz gut die Hülfte des Buches wegstreichen^' 
ohne dass es dndurch iia geringsten verlieren würde, währeadi 
hei dem Gcschinfalschreiber I'acitus — ich möchte sagen — 
kein Wort zu viel oder zu wenig ist, kein Satz überflüssig. 

Meiner Ueberzeugung nach ist daher die Germania ein 
erbärmlirhes Machwerk, weil sie eben ifarem Zweck sehr schlecht ^ 
entspricht, und ich würde frei diese Ansicht ausspredten, auclkf| 
wean sis wirklich vom Gesrhichtsclireiber Tacltui herrührt 
da ich mich durch- berühmte Namen nicht bestechen lassei 

Die Germania ist aber in einem ganz andern Geiste ge-i 

schrieben, als es die Gescbichts werke des Tacitus sind, auchi 

in anderer Schreibweise, stmimt auch mit diesen weder in der- 

■ ^ Form noch im Inhalte übereiu. Tacitus erwähnt die Germa-' 

" ;r, aber nur beiläufig; was er sagt congruirt gar nicht 

t den Nachrictiten der Germania, er spricht z. ß. von meh- 




— 180 — 

reren Yolkerscliaficn ziemlich ausführlich, wie von den ^«£- ' 
harii (Aimal. XIIL 55), die in der Germania gar nicht er- 
wähnt sind, er giebt zum Theil ganz andere Nachrichten als 
unser Verfasser, wie in §. 5 und 6; der Geschichtschreiber 
Tacitus beschreibt ausführlich die Yon ihm mit durchgelebte 
grosse Revolution der Bataver gegen die Römer, und die Ger- 
mania erwähnt die Bataver als die allertreuesten Bundesge- 
nossen der Römer, die nur für diese ihr Schwert zögen; der 
Geschichtschreiber Tacitus giebt den Germanen als Uauptwaffe 
sehr lauge Spiesse, die Germania dagegen kurze Wurfspiesse« 
Meiner Ueberzengung nach kann daher dieses oberflach« 
liclie Macliwerk unmöglich vom Gescfaichtschreiber Tacitus her- 
rühren, aber eine solche Behauptung ist von geringem Interesse, 
wenn sie nicht auch auf die Erörterung und Beantwortung der 
Frage eingehet: welcher Zeit und welchem Yerfaster die Ger- 
mania angehören mag« 

Herr Prof. F. Massmann hat über die Germania und vor- 
zugsweise deren Handschriften die gründlichsten Studien ge- 
maclit, letztere auf seinen wissenschaftlichen Reisen besonders 
berücksichtigt, und was er in seinem, bereits allegirten Werke 
(Germania des Tacitus 1847) darüber sagt, dürfte wohl die 
allgemeinste Anerkennung gefunden haben; seine beigebrachten 
Tliatsachen können für mich — der ich kein Philologe bin — 
nur massgebend sein, wenn ich auch mit den Schlussfolgen 
nicht einverstanden bin, indem derselbe die Germania für ein 
achtes Werk des Tacitus hält, das sich erhielt, «her dessen 
Benutzung in frühern Jahrhunderten Beweise vorlägen. 

Nach diesen Untersuchungen von Hrn. Prof. Massmann 
kommt mit den Handschriften der historischen Werke des Ta- 
citus nie eine Handschrift der Germania vor (S. 130), und keine 
der bisher bekannten Handschriften der Germania geht über 
die Mitte des 15ten Jahrh. hinaus (S. 1). Alle die vorhande- 
nen Handschriften, deren es etwa 18 giebt, stammen aber 
von Einer ab, und diese tnater aller andern (die zugleich 
enthält: CorneL Tacitus dialogua de oraiaHbuSf and iSafe- 
tanius de viribus illustribus) befindet sich gegenwärtig auf 
der Universitäts- Bibliothek zu Leyden; sie rührt her von Jo- 
vianns Pontanus, dem gelehrten Yicekönig von Neapel (geb. 
1426 \ 1503), ist von dessen Hand im Jahre 1460 sehr sau- 
ber geschrieben, auch mit Anmerkungen und Verbesserungen 
versehen; über derselben, auf einem Yorblatte links, stehet 
von derselben Hand: hos libellos Jovianus Poutanu» eJt^ 
cripsit (ej^scripsit) nuper adinuenios (adinventos) et in 
lucem relatos ab Knoc uisculo (von Ascoli), quamguam 
satis mendosos* 1460. martio mense. Die alte eigentliche Ur- 
schrift, von welcher die Abschrift genommen sein soll^ ist nicht 



I ; — IM — 

■ • tnrhanden, sie iM nie von Jemandem gesehen, es Iint sich von 
^k Sir nie die geringste Spur atiffinden lassen, sie wird auch in 
^B 4er UeberscLrift gar nicht erwülitir. 

Hu- Dieser Enoch jiicolanua, der das Werk ans Lirhl ge> 

^■bracht bat, ist ein Geiehrler, der zur möglichen Errterhung 

H Ton- Handschriften für die vaticanische Bifaliolliek nach Grie- 

H cheiilaod gesandt war (S, 11); aber in einer Note des Ponra- 

^uns zu dem Sueton (in der Leydener llandachrifl) steht: iem- 

^tjtortbus enim Nicolai f. pontißcis maarimi Enoch u4sc»- 

KlbHUs in Galliam et inde in Gcrmaniam profectus, coMhtl 

^ßrguirendorum libroriim gralia, hos quamquam mendoaod^M 

^atfd imperfectos ad nos retulit. Hiernach hat also dieserj^l 

in der Litteratur sehr unbekannte Enoch, die Ur - HandschrifäH 

ans Germanien oder Gallien gebracht, aber ganz ohne nähoffB 

Angabe, und diese hat nun Ponlanus abgeschrieben. Wea^fl 

mau uDter i'mp«r/i?cfRA unTollstandig versteht, so kann mat^-l 

die Germania nicht dafür halten, denn sie hat ein richtige! J 

Ende, und aus keinem Passus derselben kann man auf eina^ 1 

grössere Ausdehnung schliessen. I 

Die Geijchichle der erwähnten Handschrift des Pontanus' I 

■wird vom Prof. Massmann weitläufig erörtert und etwa Folgen-' 1 

des ermittelt: Nicolans Nicolus z« Florenz war ein sehr eifri-' I 

ger Sammler von tJandschriften , in dessen Besitze auch die' 1 

einzige — altere — Handschrift der Geschieh (s werke des Ta— 1 

citus aas dem iOten Jahrb. war, die er mit andern Handscbrif-' | 

ten der Bibliothek St. Marco in Florenz vermachte; er schickte 1 

den Franciscu» Poggius (geb. 1380 f I4Ö9) nach Teulschlan* J 

um Handschriften zu acquiriren, die er auch in bedeutender 1 

Anzahl mitbrachte und von dortigen, noch vorhandenen groi-J^ 

sen derartigen Schätzen redete, auch gegen den Papst Nico-^H 

IfluB V. , der gleich eifrig Handschriften sammelte, Diese^V 

PoggiuB schreibt 142ä an Nicolus: dass er in einem gewissen'»^ 

Kloster Germanien» viele Handschriften, auch unbekannte Werko'.l 

des Tncitus {aliqua opera Cornel. Taciti nobia ignota) wissA' I 

Diese nun zu schaffen wird er sehr gedrängt und verspricht!' ■ 

das Buch des Ta citus vel vi vel gratis beizubringen (p. 177}s', I 

Im Juni 1427 erklart Poggius: der Mönch aus dem Kloster' 1 

Hersfeld sei seilst gekommen und habe den Theil des luven-<J 

tavs von Handschriften mitgebracht , welcher die Schrift d«s ^ 

Tacitus beschreibe; aber dieser verlange Geld. Bald darauf ■• I 

schreibt er an I^icoliis: „wenn die Handschrift des Corn. Taci-' I 

las ankäme, würde er sie occulte verwahren." N. Nicolut^l 

»inrb 1436, Poggms starb 1459, und nun sogleich, 1460, e^-* 1 

scheint in Rom (angeblich) die Handschrift des Tacitus, di^J 

IPontanus e.rscripsit, Enoch aus Germanien gebracht habew^ 
will und sie nuo in lucem refert. Ob dies dieselbe ist, di* I 
KtfcnKiD, kclt. Alierth. 111. Bd. 1. Abtb. 13 1 



— 182 — 

Foggiiis occtiUe terirahren wollte, bleibt ganz anermittelt. Die 
Handscbrift, die jetzt ans Licht kommt, ist Ton des Pontanus 
eigner Hand, auch ganz in der Schreibweise dieser Zeit (S. 198); 
aber die Urschrift fehlt, die bat Niemand mit Aagen gesehen. 
Gleich in der ersten , in Italien gedruckten Ausgabe der Histo- 
ria des Tacitus v* J. 1470 wird auch die Germania zugefügt, 
und zwar als libellua aureus (S. 169); nun ist ihr Glück voll- 
kummen gemacht, Niemand zweifelt an ihrer Aechtheit und 
Yollkommenheit. Diese Geschichte .der Handschrift von 1460, 
ihre Beschreibung und Beurtheilung, trägt Prof. Massmann 
höchst ausführlich vor (S. 137 — 219) mit allen daza gehöri- 
gen Beweisstellen, und muss ich auf diese verweisen« 

Also schon Anfangs des löten Jahrb. wird eine unbekannte 
Schrift des Tacitus in Florenz erwähnt, die im .Kloster Hers- 
feld Hegen. soll, diese will Poggius aquiriren und heimlich ver- 
wahren; aber nach etlichen 30 Jahren, unmittelbar nach dem 
Tode des Poggius, reröfifentlicht Pontanus in Rom die Abschrift 
eines ganz unbekannten Werkes des Tacitus, das ein sehr un- 
bekannter Enoch aus Germanien geholt haben will, aber die 
Hauptsache, die. Ur- Handschrift, die das eigentliche Wichtige 
ist, die in jeder. Beziehung grossen Werth hat, die hat Nie- 
mand gesehen, die ist nirgends vorhanden. Diese ganze Ge- 
schichte hat — wie Jedes erkennen wird — etwas höchst Myste- 
riöses; und leicht steigen Zweifel darüber auf: ob jene nirgends 
gesehene und vorhandene Urschrift wirklich vorhanden war; 
man fragt: Qb sie nioht vielleicht eine fingirte gewesen sein 
könntet 

In den - historischen Schriften des Tacitus wird nie auf die 
Germania gedeutet und in dieser nie auf jene, beide stehen 
weder in einem äussern noch in einem innem Zusammenhange; 
aber auch kein anderer Schriftsteller der eigentlich römischea 
Zeit deutet irgendwie auf die Germania, deshalb könnte sie 
doch vorhanden gewesen sein. Lässt.sich ermitteln, dass die 
Germania unter dem Namen des Tacitus im Mittelalter wirk- 
lich vorhanden war, Schriftstellern der nachrömischen Zeit 
bei ihi'cn uns erhaltenen Arbeiten wirklich vorlag: dann wer- 
den wir sie für acht zu halten haben , dann wird aach die 
Autorschaft des Tacitus wahrscheinlich. 

Prof. Massmann bestrebt sich weitläufig auszufahren: wie 
schon im 5ten Jahrh. die Germania unter dem Namen des Tfr- 
citus vorhanden und bekannt war (S. 157), auch in den fol- 
genden Jahrhunderten oft benutzt ist, und darauf wird die Be- 
hauptung der Aechtheit des Werkes gestützt, das uns auf lo 
liöcbst mysteriöse Weise erhalten wurde. Dieser Ueberzeugung 
wird man beipflichten müssen, wenn die beigebrachten Beweise 
schlagend sind; dass sie aber dies wären, möchte ich sehr in 



- 'WS - 



tbredo «teilen. Die wesenlliclisteo Beweisstücke 



nd füU 



Lbuc 

P 



i) S. 157 lieisät es: „Jornandes «igt mit Beiug a 
a Ton Skanilm (Scaodinavia); est in Ocreano arcfoo t 
pfaita insula magna nomine Scanzia." Da des Plolemattt 
'IKoi'te; auf -welche Jnrnnndes sicli bezieht, diese Wendung d^fl 
Heins gar niclit bedingen , so wird gestattet sein , s 
'orte des Tacilus §. 41 : est in insula Oceani netnus, 

nken, als isclion in einer vorhergclieiideD Stelle dem J 
irnandea Wurte der Germania Torgescliwebt zu Laleu sdiel 
— • Aus der Aelmlichkeit von so wenigeo Wurten autj 
Vorbandeiisein der Germania zu Jornandes Zeit sc" " 
irollen, dürfte wobl inelir als gewagt sein, und dieses Be-^ 
lisstück ist wohl nicht für concludeut zu achten. ^ 

b) S. 158 lieisst es: „Cassiodor (variae epistolae Y, S}J 
uns die Antwort des Königs Theadorich an die Aestyer'i 

ifbewnlirl, -welche ihm, in Erinnerung einstiger guter Nacb-rJ 
1 seiner Gollien an der Ostseeküsle, Bernstein 
■erehrt hallen. In dieser seiner Antwort lüsst er dep.l 
ietrich Ton Bern sa^en: hoc ^succiniim) quondam Corne- 
scribenle legitvr in inlerioi-ibus fnsulis Oceani ex «»•• 
iris succo dejliiens, iiude et succinuvi dicitvr, panla- 
solis ardore coalescere." Hv. Prof. Massmann findet hiei 
dieselben Worte als in §. 45 der Germania, auch den Cor-. 
US Tacitus genannt, schliesst daher: dass die GerinaniJij 
526 ia Italien bekannt gewesen. Die Aehnliclikek i 
SchriftslückcD bestehet blos darin: dass beide den BernvJ 
a für ein Baumharz ansprechen , dies aber war die herr- J 
ende Ansicht des Alterthuma; Flin. 37. 11 engt: guod af-i 
im esse, prisci nostri credidere, ob id sui 
adpeliantes; diese letzten Worte slimmeu mit dem Cassiodoi_ 
aber gat nicht mit der Germania. Cassiodor erwähnt hier zwi^ J 
inen Schriftsteller Cornelins; der dies sage, aber bekannilicB 1 
ur dieser Name ein ausserordentlich häufiger, und ihn au^'fl 

Tacitus zu Ijeziehen liegt doch gar kein Grui 
liese Beweisstelle scheint mir daher gar keine Beweiskrt 
haben. 

c) S. 160 heisst es: „Im 9!en Jahrh. stossen wir L 
l'uldaer Klostcrgeiatlichen auf eine desto bestimmtere 
niss und Benutzung der Germania in Teutschland selbst, wen^ J 
auch ohne Nennung ihres Verfassers. Es sind dies die beidefl d 

irfasscr der Trauslalio S. Alesandri, Rudolph der im J.ihrö J 
13 diese begann, und Meginbard der seit 865 das Werk forti 
setzte. Sie entnelijnen in jenem Werke, wo sie der Sachse^, 
'o schildern wollen, fast die ganzen Hauptstiirke §. 
11 der Germania mit geringen Abänderungen, wnüei tlS 



L 



13 



- 184 - 

Anzahl der in jenen Abschnitten aach jetzt noch aaffallenden 
Lesarten, schon damals entgegentreten." Nach den beigebrach- 
ten Stellen (S. 220 — 233) enthält die Schrift Ton Meginhard 
bei Beschreibung des Cultus der Sachsen, unter Tieleni Andern 
auch Manches ron dem, was die Germania §. 9 — 11 über den 
Cultus des Germanen sagt, so dass mancher Passus fast wört- 
lich übereinstimmt. Die wichtigsten Stellen dürften folgende sein: 

» 

Ger man. §. 9: Deorttm majrime Mercttrinm colunty cui 
ceriis diebua humanis quoque hostiis litare ßas kabent 

Meginhard: Colueruni enim eos^ qui natura non erant 
diiy tnter quos maarime Mercurivm i enerahantur^ 
cui certis diebus humanis quoque hostiis litare con^ 
sueverant. 

Ger man* §. 9: Ceierum nee cohibere parieiibus Deos «f^ 
que in ullam humani oris speciem adsimilare; et 
magnitudine coelestium arbitrantur, L/ucos ac ne- 
mora consecrant^ Deorum nominibus adpeilant se- 
creium iiludj quod sola reverentia vident. 

Meginhard: Deos suos neque templis includere neqme 
ulli humani oris speciei adsimüare ejc magnitudine 
et dignitate coele.-tiu/n arbitrati sunt» — JLucus ac 
nemora consecrantes deorum nominibus appeliante» 
s. iiiud sola reverentia contemplabantur, 

Ger man. §. 10: Auspicia sortesque ut qui majcime ob' 
seruant. 

Meginhard: jiuspicia et sortes quam majtimie ohservant 

Die Aehnlichkeit dieser Stellen ist allerdings höchst frap- 
pant, und zwar derartig, dass sie einen innern Zusammenhang 
haben mögen. Ob der Meginhard aus der Germania, oder 
diese aus jenem, oder ob beide aus einer gemeinsclxaftlichea 
Quelle schöpften, scheint mir der Untersuchung selir werth; 
aber ohne weiteres das erste anzunehmen, dürfte wolil sehr 
bedenklich erscheinen. Ich kenne leider den Meginhard nicht, 
halte mich auch nicht für befähigt, mich speciell mit ihm so 
befassen, aber wie mir es aus den beigebrachten Stellen schein^ 
ist der Meginhard gewiss kein Auszug aus der Germania, im 
Gegentheil möchte man diese für einen Auszug aus jenem hal- 
ten, was ganz wohl möglich erscheint^ wenn die Germania ein 
Product des löten Jahrh. ist. Aber Meginhard hat wahrschein- 
lich ältere Schriften benutzt, yielleicht den Orosius (was mir 
gänzlich unbekannt ist), und der Verfasser der Germania kann 
auch diese vor sich gehabt, aus dieser so gut als Meginhard 
geschöpft haben 3 auch iieisst es S. 160: „eine unbewusste Her- 
nbernahme aus dem Orosius haben wahrscheinlich Rudolph und 



flker 



<io et fertur Gi 

" wolil nur " 



— 185 — 

Veginhard geülit, was aber in diesem Falle für die Sache aelbil 
Jeich bleibt." Wer in den Scliriften de» Mittelaliera belesen 
und die hier augedeutele Spur verfolgt, wird wohl erioil- 
eln könpeo, woher der Verfasser der Gerinania die aliegirteo 
haben mag. Ein klarer Beweis von dem Vor 
tndensein der Germntiia iin 9ten Jahrh. aU Werk dea Histo« { 
i Tacitus scheint mir Auch liier gar nicht gefiUirt. 
dj S. 161 heisst es: „Am Ende dea lOteu Jahrh. sagt der 
^schof Mariiiger von Laubes in seinen Gesta poiilificum 
Tun^retisiutn etc, Cap. 7 tuu der Stadt Tongern: haec e»t 
iotavia ob honorem Octaviani Avgusti vel matris ejui 
■ Julii Caesar is, qui primus Galiiaa subegit impe- 
' i fuisse nominata, welche Sielte 
ler Germania §. 3 genommen sein kann, 
1 es heiasi: ceierum Germaniae vocabulum recena et nu- 
• additum, quoniam qui primi Rhtnum transgresai Gal- 
expulerim. ac nunc Tungri , tunc Germani vocati 
tt." — Aus diesen, so gut wie gar nicht congruirenden Slel- 
nuf ein Vorbandensein der Germania im lOten Jahrh. sclilies- 
. zu wollen, scheint mir mehr als gewagt. 
^ Hr. Prof. Massmann zeigt nun: wie die Meginhard'schen 
Kachricliteo viel in spatere Schriften übergegangen wären, und 
ihliesst S. t6J dieses Capitel mit den Worten: „Wenn auf 
em hier verfolgten Wege eine Anzahl Capiiel von Tacitus 
Germania bis ins 13te Jalirh. hinüber erben, so ist dies doch 
m^gCDtJich nnd nicht unmittelbar, nicht mit Bewussisein 
pber den Verfasser und nicht iu Betreff des ganzen Werkes 
der Fall, und wären wir aorait auf das lOte und 9te Jahrh. 
1 Beireff des tnciteisclien Räthselbuches zurückgeworfen. Von 
n an aonacli, wie über ao Vieles, was die Kunde der alten 
Welt belrilTt, herrscht ein langes und tiefes Schweigen über 
dieses uns so wichtige, theuere Buch, das in Teutschland fortan 
rencholl, in lialien sogar ganz verloren ging." 

Da nun der Beweis aus dem lOten Jahrh. wohl ohne die* 
geringste Kraft »t, der aus dein 9ten ausserordentlich hjpo- 
betisch erscheint, so vrird die Existenz der Germania in frü- 
wohl höchst zweifelhaft und hierdurch das Itälhsel- 
buch noch rüthselhafter ; doch lost sich das Rütliselhnfte leicht 

K durch, wenn man die Gerinania für ein untergeschobenes 
ichwerk des täten Jalirli. erklärt, wozu wohl vielfacher Grund 
Drhanden sein mochte, was man auszaiprechen bisher nicht 
gewogt %a haben scheint; wenigstens ist mir zur Zeit kein der- 
artiges Urtheil bekannt geworden. 

So lange ich die Germania mit der Ueherzeugnng bs, sie 
nÜKse ein scbies Werk des Tacitus sein, sie müsse trefflich 
und wahr sein, so schob ich das mir Unklare bei Seile, suchte 




4 



— 186 — 

in mir, nicht in dem Buche ^ den Grund des Missyerstehens» 
Erst vie icJi mich auf einen mehr unpartheiischen Standpunkt 
stellte, als ich zweifelhaft wurde, ob die Germania acht oder 
unächt wäre, als ich den Inhalt derselben der Beurtheilnng 
des kalten Verstandes überlicss: da schien es mir unzweifel- 
haft, dass ein Geschichtschreiber wie Tacitus, ja dass überhaupt 
ein wissenscliaftlich gebildeter Römer ein so ganz unyollkomm* 
nes, wcrthloscs Werk nicht geschrieben haben könne« 

Ist wirklich bei näherer Prüfung des Inhaltes -^ die eines 
Jeden eigener Beurtheilnng anheim steht — • die Germania ein 
ganz unklares, unvollständiges, fast gehaltloses Werk, und 
derartig, dass man sie verständigerweise nicht wohl dem Ge- 
schichtschreiber Tacitus beilegen kann; findet man in der Lit- 
teratur der römischen wie der nach römischen Zeit bis ins 15te 
JahrH. nirgends dieselbe erwähnt, oder deutliche klare Spuren, 
dass sie vorhanden gewesen; stammen ferner alle bekannten 
Handschriften von einer Handschrift her, die das Datum 1460 
trägt, und sich als mendosus selbst ankündigt^ die von einer 
wirklichen alten, ächten Handschrift entnommen sein soll, welche 
aber Niemand gesehen hat, von der sich nie eine Spur gefun- 
den ; taucht jene Abschrift von 1460 wirklich unter den räth- 
sclhaftesten Umständen auf: so dürfte wohl die Acchtheit der 
Germania höchst zu bezweifeln sein. Bis nähere Beweismittel 
aufgefunden werden, dürfte sie wohl als ein Product des löten 
Jahrh. zu betrachten sein. 

Im löten Jahrh. regte sich mächtig der wissenschaftliche 
Geist, und ein Hauptbestreben war es, in Besitz von Hand- 
schriften griechischer und römischer Klassiker zu kommen, die- 
sen jagte man nach^ wie jetzt handgreiflichen Alterthümern. 
Wir wissen, wie jetzt, um Geld zu verdienen , Alterthümer fa- 
bricirt und als acht verkauft werden; wir wissen aber auch, 
wie es Gelehrte giebt, die Geist und Geld aufwenden, aus 
Scherz Alterthümer fabricireu, um die Gelehrsamkeit zu betru- 
gen, deuen eben dieser Betrug ihr Vergnügen ist. Ich könnte 
vielfache Beispiele anführen, will mich aber nur berufen auf 
die, im Jahre 1690 bei Prillwitz in Mecklenburg gefundenen 
slavischen Götzenbilder mit Runen -Inschrift, die Th. I. S. 99 
erwähnt sind, über die viel geschrieben , viel Gelehrsamkeit 
verwendet wutde, bis endlich jetzt durch Worsao (die nationale 
Alterthumskunde in Teutschland, 1846) die Unächtheit ganz 
constatirt wurde. Diese Lust, die gelehrte Welt zu tauschen, 
ist wohl nicht neu, wird schon früher dagewesen sein, nur 
-wird man damals seine Lust an Klassikern wie jetzt an Alter- 
thümern ausgelassen haben. 

Für solch einen neu fabricirten Klassiker halte ich die 
Germania ; mag sie nun herrühren von Nicoli oder Poggius^ von 



[f 



187 



I 

' Ftetttnus oder Bnocli^ das ist höchst gleichgültig, immer ^ird 

iie dem lAten Jahrh. aDgehoren. Gewiss hat sie aber ein Ge» 

V^Jehrter fabricirt, der sich das Latein^ deo Stil des Tacitus 

if^ ▼ollkommeji angeeignet hatte, der aiich so hoch gestellt war 

^ und dnen solchen Namen hatte, dass sein Machwerk dadardi 

Eingang fand. Wenn das Werk auch gar nicht im Geiste des 

i*aeitiis abgefasst erscheint, so ist es doch allerdings künstlich 

geschrieben; es beziehet sich zuweilen auf den Cäsar^ wodurch 

der übrige Inhalt (der theilweise vielleicht sehr neuern Schrift- 

,. otellern entnommen ist) auch einen Schein des Alterthums er- 

C hält« Mit fielen Worten weiss der Verfasser meist so gut als 

V' nichts zn sagen, man hofft fortwährend etwas Bestimmtes zu 

'., erlahnen pnd wird immer getäuscht. Seine Schalkheit hat er 

s apch gar nicht besonders verdeckt; er nennt selbst sein Buch 

^ fehlerhaftes {mendosus)^ vermengt recht künstlich alte und 

r Bede, bekannte und fingirte Yölker, setzt öfter sich widerspre- 

'- ehende Thatsachen gleich hintereinander^ ist überall — ich 

»lochte sagen mit Fleiss — ganz unklar und dunkel« Zwischen 

sehr bekannte germanische Völkerschaften schiebt er recht künst- 

^^.lich Vandaliy GothoneSy Rugii und Burgundiones ein, 

^.'welch»\die Litteratur nicht in Germanien kennt, die dagegen 

^'in der spätem (gothischen) Zeit sehr wichtig werden, aber erst 

nach der Zeit von Tacitus, vom schwarzen Meere her nach 

JGermanien gekommen sein werden; auf ähnliche Art scliiebt 

er eine Menge Völker ein, die der Litteratur ganz unbekannt 

sind, wie die Reudingi, Aviones^ Arii^ Helvetottes, Mamtnt\ 

JStyaiif JNfiaharvalt\ so dass man sie für fingirte halten möchte. 

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